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Unterricht - Wild-zusammengefügt PDF

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AccommodativeMeadow

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Frank Lipowsky

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Pädagogische Psychologie Unterrichtstheorien Didaktik Bildungswissenschaften

Summary

This document explores theoretical foundations of teaching and learning. It provides an overview of important results from educational research. The focus is on both cognitive and affective-motivational aspects of student success.

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69 Unterricht Frank Lipowsky 4.1  Begriffliche und theoretische Grundlagen – 70 4.1.1  Didaktische Theorien – Modelle für die Planung und Analyse von Unterricht – 70 4.1.2  Aeblis Entwurf einer kognitionspsychologischen Didaktik – 70 4.1.3  Instructional-Design-Modelle – 71 4.1.4  Angebots-Nutz...

69 Unterricht Frank Lipowsky 4.1  Begriffliche und theoretische Grundlagen – 70 4.1.1  Didaktische Theorien – Modelle für die Planung und Analyse von Unterricht – 70 4.1.2  Aeblis Entwurf einer kognitionspsychologischen Didaktik – 70 4.1.3  Instructional-Design-Modelle – 71 4.1.4  Angebots-Nutzungs-Modell – 77 4.2  Merkmale und Merkmalskonfigurationen erfolgreichen Unterrichts – 79 4.2.1  Strukturiertheit des Unterrichts – 79 4.2.2  Inhaltliche Klarheit und Kohärenz des Unterrichts – 82 4.2.3  Feedback – 83 4.2.4  Kooperatives Lernen – 86 4.2.5  Üben – 90 4.2.6  Kognitive Aktivierung – 92 4.2.7  Metakognitive Förderung – 94 4.2.8  Unterstützendes Unterrichtsklima – 95 4.2.9  Innere Differenzierung, Individualisierung, formatives Assessment und Scaffolding als Formen adaptiven Unterrichts – 96 4.2.10  Lernwirksamer Unterricht für ‚Risikoschüler‘ – 101 4.2.11  Zusammenfassung und Einbettung der Befunde – 103 4.2.12  Grenzen – 105 Literatur – 107 © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 E. Wild und J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie, https://doi.org/10.1007/978-3-662-61403-7_4 4 70 F. Lipowsky Dieses Kapitel beleuchtet theoretische Grundlagen unterrichtlichen Lehrens und Lernens und gibt einen Überblick über wichtige Ergebnisse der Unterrichtsforschung. Dabei wird sowohl auf kognitive als auch auf a­ ffektiv-motivationale Merkmale von Schulerfolg Bezug genommen (. Abb. 4.1). 4. Abb. 4.1 (© Digital Vision/Thinkstock) 4.1  Begriffliche und theoretische Grundlagen Dieser Abschnitt setzt sich mit begrifflichen und theoretischen Grundlagen unterrichtlichen Lehrens und Lernens auseinander. Wenn hier von Unterricht oder unterrichtlichem Lehren und Lernen die Rede ist, dann ist primär der Unterricht in der Schule gemeint, obgleich der Terminus „Unterricht“ auch Prozesse in Institutionen der Erwachsenenbildung, wie z. B. in der Hochschule oder in der privaten oder betrieblichen Weiterbildung, umfasst. Definition Unterricht kann als langfristig organisierte Abfolge von Lehr- und Lernsituationen verstanden werden, die von ausgebildeten Lehrpersonen absichtsvoll geplant und initiiert werden und die dem Aufbau von Wissen sowie dem Erwerb von Fertigkeiten und Fähigkeiten der Lernenden dienen. Sie finden in der Regel in bestimmten dafür vorgesehenen Institutionen unter regelhaften Bedingungen statt (Terhart 1994). Im Folgenden werden zunächst theoretische Ansätze vorgestellt, die seitens der Schulpädagogik (7 Abschn. 4.1.1) und der Unterrichtsforschung (7 Abschn. 4.1.3) zur Analyse von Lehr- und Lernprozessen und zur Erklärung von Schulerfolg entwickelt wurden. Daran anschließend wird ein Überblick über den Forschungsstand zu Unterrichtsmerkmalen gegeben, die die kognitive und die ­ affektiv-motivationale Entwicklung der Lernenden beeinflussen (7 Abschn. 4.2). 4.1.1  Didaktische Theorien – Modelle für die Planung und Analyse von Unterricht Die allgemeine Didaktik hat eine Vielzahl von didaktischen Theorien entwickelt, die sich vor allem als Modelle für die Planung und Analyse von Unterricht verstehen. Bekannt geworden sind vor allem die didaktischen Modelle von Klafki (1963, 1996) und Heimann et al. (1965), auf die hier kurz eingegangen werden soll. Klafki (1963, 1996) akzentuiert in seiner bildungstheoretischen, später zur kritisch-konstruktiven Didaktik weiterentwickelten Konzeption die Auswahl und Begründung von Unterrichtsinhalten. Dem Bedeutungsgehalt eines Themas misst Klafki die zentrale Rolle für die Bildung der Lernenden bei. Da nicht jeder Inhalt nach Ansicht Klafkis bildungsbedeutsam ist, hat die Lehrperson vorrangig die Aufgabe, die Inhalte auf ihren gegenwärtigen und zukünftigen Bedeutungsgehalt zu analysieren. Hierzu entwickelt Klafki die sogenannte didaktische Analyse, die der Lehrperson Leitfragen zur Vorbereitung ihres Unterrichts an die Hand gibt. In ihrer Berliner Didaktik unterscheiden Heimann et al. (1965) vier Entscheidungsfelder (Ziele, Inhalte, Verfahren und Medien des Unterrichts) und zwei Bedingungsfelder (anthroprogene und soziokulturelle Lernvoraussetzungen der Lernenden) und betonen deren Interdependenz. Beispielsweise lassen sich ohne Kenntnis der Lerngruppe und ihrer spezifischen Voraussetzungen didaktische Entscheidungen nicht begründet treffen. Das Berliner Modell hatte großen Einfluss auf die Ausbildung ganzer Lehrergenerationen und akzentuiert vor allem die Frage nach der sinnvollen und kohärenten Beziehung zwischen Zielen, Inhalten und Methoden des Unterrichts. Von Schulz (1980) wurde es zur Hamburger Didaktik weiterentwickelt, wobei er vor allem an den wissenschaftstheoretischen Prämissen des Berliner Modells Änderungen vornahm. Obgleich seit einigen Jahren zunehmende Kritik an den Modellen und Theorien der allgemeinen Didaktik laut wird, die sich vor allem an der mangelnden Integration empirischer Forschungsbefunde und an der Abstraktheit der Modelle entzündet, sind sie auch heute noch für die Ausbildung von Lehrpersonen von Bedeutung. Sie stellen der Lehrperson wichtige Leitfragen zur Planung von Unterricht zur Verfügung, sensibilisieren für bestehende Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Entscheidungsfeldern, regen zur Reduzierung und Strukturierung des Unterrichtsgegenstands an und bilden damit ein Gerüst für die Planung und Analyse von Unterricht. Zum „Ausfüllen“ dieses Rahmens ist es jedoch auch notwendig, Erkenntnisse aus der empirischen Unterrichtsforschung und den Fachdidaktiken heranzuziehen. 4.1.2  Aeblis Entwurf einer kognitionspsychologischen Didaktik Einen ganz anderen Weg der Theoriebildung beschritt der Schweizer Hans Aebli. Als Schüler Piagets entwickelt er eine stark auf kognitionspsychologischen Erkenntnissen 71 Unterricht beruhende Didaktik und legt den Schwerpunkt auf die Lern- und Verstehensprozesse der Lernenden, indem er nach den allgemeingültigen Strukturmerkmalen der Operations- und Begriffsbildung fragt und damit die „kognitive Tiefengrammatik“ (Messner und Reusser 2006) des Unterrichts akzentuiert. Aebli geht – und das kennzeichnet seine Nähe zu kognitionspsychologischen und konstruktivistischen Positionen (7 Abschn. 4.1.3) – davon aus, dass Lernende ihr Wissen selbst aufbauen müssen und dass die Auseinandersetzung mit Problemen besonders geeignet ist, diesen Wissensaufbau zu befördern. Um vollständige Lernprozesse im Unterricht zu initiieren, sollten nach Aebli (1983) bestimmte Lehr- und Lernschritte durchlaufen werden: Aebli hat für diese Schritte die Abkürzung PADUA gewählt. 5 problemlösendes Aufbauen 5 Durcharbeiten 5 Üben 5 Anwenden Den Ausgangspunkt einer Unterrichtseinheit bildet ein Problem, das die Lernenden zu den geforderten Operationen führen soll und das geeignet sein muss, die sachlichen Beziehungen und Strukturen zu verdeutlichen. Das Problem, das in der Regel von der Lehrperson eingebracht wird, sollte in lebenspraktische Zusammenhänge eingekleidet sein. Zunächst entwickeln die Lernenden eine Lösung für das gestellte Problem und bauen dabei neue Operationen auf. Die bei der Problembearbeitung gewonnenen Einsichten sind jedoch noch sehr am spezifischen Problem verhaftet. Um ein vertieftes Verständnis der Zusammenhänge zu erreichen und bewegliches Denken zu fördern, ist es daher notwendig, Handlungen, Begriffe und Operationen durchzuarbeiten, d. h. vielfältigen Transformationen zu unterwerfen und sie aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. „Im Zuge eines solchen Durcharbeitens reinigen wir … den Begriff von den Schlacken, die ihm von der ersten Erarbeitung her anhaften. Die wesentlichen Zusammenhänge treten in Klarheit hervor“ (Aebli 1976, S. 206). Der Lehrperson kommt dabei u. a. die Aufgabe zu, neue Einsichten hervorzuheben, darüber zu wachen, dass der Überblick über das Ganze nicht verloren geht, und den Blick immer wieder auf die ursprüngliche Fragestellung zu lenken (7 Abschn. 4.2.2). Diese Phase zielt auf vertieftes Verstehen und flexibles Denken der Lernenden ab, indem sich diese beispielsweise damit auseinanderzusetzen, für welche Aufgaben oder Beispiele das Gelernte gilt und für welche nicht. Übungs- und Wiederholungsphasen dienen der Automatisierung und Konsolidierung des Gelernten. Aebli (1976, S. 238 ff.) verweist bei der Gestaltung der Übungsphasen auf die Erkenntnisse der Lernpsychologie. Er erinnert z. B. an das Gesetz des verteilten Übens (7 Abschn. 4.2.5) und fordert, erst dann auswendig zu lernen, wenn eine ausreichende Durcharbeitung stattgefunden hat. Nach der Konsolidierung des Gelernten sollen Handlungen, Operationen und Begriffe in vielfältiger Weise angewendet werden, um sie transferierbar für neue Kontexte und Situationen zu machen. Erst dann kann von einer Vollständigkeit der Lernprozesse gesprochen werden (Pauli und Schmid 2019). Anwendungen stehen jedoch nicht ausschließlich am Schluss einer Unterrichtseinheit, sondern erfolgen auch bei der Bearbeitung und Lösung neuer Probleme. Aeblis Entwurf einer kognitionspsychologischen Didaktik lässt sich gut mit den Erkenntnissen der aktuellen Unterrichtsforschung verbinden, da Aebli seinen Fokus zum einen darauf richtet, wie Lehrprozesse sequenziert und strukturiert werden sollten, um Lern- und Verstehensprozesse von Schülerinnen und Schülern zu fördern. Was die Gestaltung und Umsetzung der einzelnen Schritte des PADUA-Modells anbelangt, sind für die den Unterricht planende Lehrperson zum anderen Merkmale lernwirksamen Unterrichts bedeutsam, die in den Vorschlägen Aeblis – allerdings eher indirekt – umschrieben werden. So spielen die inhaltliche Klarheit (7 Abschn. 4.2.2) und das Potenzial zur kognitiven Aktivierung (7 Abschn. 4.2.6) insbesondere in der Phase des Durcharbeitens eine Rolle. Erkenntnisse zum produktiven und sinnvollen Üben (7 Abschn. 4.2.5), zum kooperativen Lernen (7 Abschn. 4.2.4) und zur metakognitiven Förderung (7 Abschn. 4.2.7) finden beispielsweise in den Übungs- und Wiederholungsphasen, aber auch teilweise in den Phasen des Durcharbeitens und des Anwendens Berücksichtigung. Damit erweist sich Aeblis Modell als anschlussfähig an die Forschung zur Bedeutung der sogenannten Tiefenstruktur von Unterricht (7 Abschn. 4.2.11; Messner 2019; Reusser 2019; Reusser und Pauli 2013). Pauli und Schmid (2019) verweisen aber auch auf einige Grenzen des PADUA-Modells. So werde nicht deutlich genug zwischen Lehr- und Lernaktivitäten unterschieden. Zudem favorisiere Aebli für die Erarbeitung neuen Wissens lehrerzentrierte Unterrichts- und Gesprächsformen, was aus Sicht der aktuellen Unterrichtsforschung nicht immer das lernwirksamere und motivationsförderliche Vorgehen ist (7 Abschn. 4.1.3, „Konstruktivistische Ansätze“). 4.1.3  Instructional-Design-Modelle Die angloamerikanische Lehr- und Lernforschung fasst Modelle zur Planung und Gestaltung von Unterricht häufig unter dem Begriff „instructional design“ zusammen (Niegemann 2001). Im Gegensatz zu den didaktischen Modellen deutscher Provenienz (s. o.) fokussieren die Instruktionsdesignmodelle konkreter auf die eigentlichen Lehr- und Lernprozesse und beschäftigen sich intensiver mit der Frage nach deren Wirksamkeit. Insofern wundert es nicht, dass die entwickelten Ansätze sehr eng mit den jeweils vorherrschenden lerntheoretischen Annahmen ihrer Zeit korrespondieren. Im Folgenden werden exemplarisch Modelle vorgestellt, die sich auf behavioristische Ansätze stützen, eine deutliche Affinität zu kognitiven Theorien aufweisen oder an konstruktivistischen Grundannahmen orientiert sind. 4 72 F. Lipowsky Kritisch angemerkt werden muss, dass vor allem die frühen Instructional-Design-Modelle den Unterricht sehr technologisch betrachteten, indem sie unterrichtliche Prozesse auf rationale, vollständig zu planende Teilschritte reduzierten und ein aus heutiger Sicht vergleichsweise naives mechanistisches Verständnis des Lehrens und Lernens vertraten (Reinmann-Rothmeier und Mandl 2001). 4 Behavioristisch orientierte ­­­­InstructionalDesign-Modelle Im Mittelpunkt des einflussreichen Modells von Carroll (1963) steht die Lernzeit. Carroll betrachtet den Lernerfolg eines Lernenden als eine Funktion des Verhältnisses von tatsächlich aufgewendeter aktiver Lernzeit und benötigter Lernzeit (Lernerfolg = aktive Lernzeit/benötigte Lernzeit). Die benötigte Lernzeit wird aufseiten der Lernenden beeinflusst von deren Lernvoraussetzungen, genauer von den aufgabenspezifischen und den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, von der Fähigkeit, dem Unterricht zu folgen und von der Qualität des Unterrichts (. Abb. 4.2). Die aufgabenspezifischen und allgemeinen kognitiven Voraussetzungen beeinflussen wiederum die Fähigkeit, dem Unterricht zu folgen, auf die sich auch die Qualität des Unterrichts auswirkt: Ist die Qualität des Unterrichts gering, benötigt der Lernende mehr Zeit und günstigere kognitive Lernvoraussetzungen, um dem Unterricht zu folgen. Als Merkmale guten Unterrichts nennt Carroll Aspekte wie die Klarheit der Begriffe und Erklärungen,. Abb. 4.2 Das Modell von Caroll (1963. Republished with permission of Teachers College Record, © 1963; permission conveyed through Copyright Clearance Center, Inc.) in Anlehnung an Harnischfeger und Wiley (1977, mit freundlicher Genehmigung von Hogrefe, Göttingen) die vernünftige Anordnung der Inhalte, das Ausmaß an Wiederholungen und Anwendungen, die Klarheit der Anforderungen sowie die Bekräftigungen, Verstärkungen und Rückmeldungen seitens der Lehrperson. Ähnlich wie Carroll räumt Bloom (1976) der Lernzeit eine bedeutsame Rolle ein: 90 % der Lernenden einer Klasse können gute Leistungen erreichen, wenn ihnen ausreichend Zeit zum zielerreichenden Lernen („mastery learning“) zugestanden wird und wenn sich der Unterricht an den speziellen Lernbedürfnissen und Lernvoraussetzungen der Lernenden orientiert. Ein qualitativ hochwertiger Unterricht zeichnet sich nach Bloom dadurch aus, dass die Lehrkraft den Unterrichtsstoff schrittweise darbietet und nach jeder Unterrichtssequenz den Lernenden Rückmeldungen gibt, ob diese die Leistungsanforderungen erfüllt haben oder nicht. Für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die die Lernziele nicht erreicht haben, stellt die Lehrperson zusätzliche Instruktionen und Übungen bereit, bis die Lernenden die Ziele erfüllen. Zu den weiteren Komponenten der Unterrichtsqualität gehören für Bloom die Bekräftigung der Lernenden und ein effektives Unterrichtsmanagement, das sich in einem hohen Anteil aktiv genutzter Lernzeit widerspiegelt. In Blooms Verständnis von Unterrichtsqualität kommt deutlich das Konzept des zielerreichenden Lernens zum Ausdruck (Bloom 1971). Diese Form individualisierten Unterrichts, die vor allem die den Lernenden zur Verfügung gestellte Lernzeit variierte, erwies sich zwar einerseits als wirksam 73 Unterricht (Hattie 2009; Kulik et al. 1990). Andererseits zeigte sich jedoch, dass die Effekte in erheblichem Ausmaß mit der Qualität des Lehrerfeedbacks, den spezifischen Leistungsanforderungen und den eingesetzten Tests variieren und dass stärkere Schülerinnen und Schüler durch die zahlreichen remedialen Schleifen in ihrer Entwicklung eher gehemmt werden (Arlin 1984). Unterrichtspraktisch erwiesen sich die Zergliederung des Lernstoffs in kleine „Häppchen“, die passive Rolle der Lernenden und die großen zeitlichen Beanspruchungen, die durch die remediale Instruktionen entstanden, als problematisch (siehe auch die Probleme des sogenannten Keller-Plans, 7 Abschn. 4.2.9). Kognitionspsychologisch fundierte Instructional-Design-Modelle Die kognitive Struktur des Menschen ist nach Ansicht von Ausubel (1974) hierarchisch geordnet. Sie umfasst auf einer höheren Ebene allgemeinere Begriffe und Konzepte, die sich nach unten in spezifischere Begriffe und Konzepte auffalten. Damit es Lernenden gelingt, neue Wissenselemente in ihre bestehende kognitive Struktur zu integrieren, sollte die Darbietung des Unterrichtsgegenstands (Exposition) bestimmten Prinzipien genügen: 5 Zu Beginn einer Unterrichtssequenz sollten Advance Organizer als Strukturierungshinweise eingesetzt werden. Sie geben einen Überblick über den Unterrichtsgegenstand, bieten gedankliche Verankerungsmöglichkeiten und erleichtern die Einordnung neuer Ideen, Gedanken und Konzepte (7 Abschn. 4.2.1). 5 Der Unterricht sollte von allgemeinen Begriffen zu spezifischen Details voranschreiten, da es dem Lernenden so leichter gelingt, neues Wissen in seine kognitive Struktur zu integrieren. Dies entspricht einem eher deduktiven Vorgehen. 5 Unter integrativer Aussöhnung versteht Ausubel, Beziehungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen inhaltlichen Aspekten zu verdeutlichen und herauszustellen (vgl. auch „Training zum induktiven Denken“ in 7 Kap. 17 und 7 Abschn. 4.2.5 und 4.2.6). 5 Sequenzielle Organisation bezieht sich auf die Kohärenz des unterrichtlichen Stoffs. Lernen und Behalten werden befördert, wenn die Lehrperson die dem Stoff innewohnenden Abhängigkeiten beachtet und den Stoff entsprechend sequenziert. 5 Mit Verfestigung sind vor allem Übungen und Wiederholungen mit fortschreitenden Variationen gemeint. Diese Prinzipien verdeutlichen die zentrale Rolle, die Ausubel den Lehrenden zuordnet. Insbesondere schwächere Schülerinnen und Schüler bedürfen aus seiner Sicht darbietender Verfahren und einer Vorstrukturierung des Unterrichtsgegenstands durch die Lehrperson. Im Unterschied zu Ausubel hält Bruner (1961) es für erfolgversprechender, wenn die Lernenden zunächst mit Einzelfällen bzw. bestimmten Problemen konfrontiert werden, um daraus auf übergreifende gesetzmäßige Zusammenhänge zu schließen. Die Lernenden sollen sich dabei aktiv und selbstständig mit den Lernaufgaben auseinandersetzen und so zu Konstrukteuren ihres eigenen Lernprozesses werden. Den Lehrenden versteht Bruner als zurückhaltenden Moderator, der für die Auswahl geeigneter Probleme und Aufgabenstellungen sorgt und die Lernenden zum Entdecken anleitet. Zwischen Bruner und Ausubel entspann sich seinerzeit eine anhaltende Kontroverse, die letztlich – wenngleich unter Verwendung unterschiedlicher Termini – bis heute andauert. So diskutierten Verfechter der ­ Cognitive-Load-Theorie (7 Kap. 1) und Anhänger problemorientierten Lernens, wie viel Lehrerlenkung und Strukturierung für die Lernenden förderlich sind (­Hmelo-Silver et al. 2007; Kalyuga und Singh 2016; Kirschner et al. 2006; Schmidt et al. 2007). Die Forschung zeigt zusammenfassend, dass entdeckende Lernumgebungen lehrergelenkten Settings nicht zwangsläufig unter- oder überlegen sind, sondern dass es auf die Lernvoraussetzungen der Lernenden, auf Merkmale der Lernumgebung und ihrer Implementierung und dabei insbesondere auf den Grad der Strukturierung, die Art der Unterstützung und auf die intendierten Kompetenzen ankommt (Hasselhorn und Gold 2013). So ergab eine Metaanalyse über verschiedene Fächer hinweg, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern beim entdeckenden Lernen, wenn dieses mit nur geringer Lehrerlenkung verbunden ist, schwächer ausfallen als im Rahmen von lehrergelenkten Unterrichtsverfahren (direkte Instruktion), während demgegenüber entdeckendes Lernen mit einer stärkeren Lehrerlenkung und Strukturierung zu besseren Leistungen führt als andere Unterrichtsformen (Alfieri et al. 2011). Vertiefte Analysen lassen den Schluss zu, dass entdeckendes Lernen insbesondere dann, wenn es mit Merkmalen wirksamen Unterrichts kombiniert wird und mit einer stärkeren Unterstützung seitens der Lehrperson einhergeht, an Effektivität gewinnt. So stellen Alfieri et al. (2011) fest, dass entdeckendes Lernen effektiver ist, wenn der Unterrichtsstoff angemessen strukturiert ist, die Schülerinnen und Schüler aufgefordert werden, die erarbeiteten Sachverhalte und Lösungswege sich oder Mitschülern zu erklären, wenn sie Feedback erhalten und wenn ihnen Lösungsbeispiele angeboten werden (Alfieri et al. 2011). Alle diese Merkmale kennzeichnen lernwirksamen Unterricht (7 Abschn. 4.2.1, 4.2.2, 4.2.3 und 4.2.7). Die Metaanalyse von Lazonder und Harmsen (2016) kommt für forschendes Lernen in Mathematik und Naturwissenschaften zu einer ganz ähnlichen Schlussfolgerung. Demnach sind gelenktere und strukturiertere Formen forschenden Lernens Formen forschenden Lernens mit geringer Lehrerlenkung und -strukturierung überlegen. In die gleiche Richtung deuten Befunde der Studie von Hushman und Marley (2015). Diese vergleicht die Wirksamkeit von drei Lernumgebungen auf das naturwissenschaftliche Lernen von Grundschülern: Die erste Lernumgebung ist lehrergelenkt (direct instruction) aufgebaut, die zweite ist ähnlich wie die erste gestaltet, 4 74 4 F. Lipowsky verzichtet aber aber auf einen Teil der Lehrererklärungen (guided instruction) und die dritte fokussiert stärker auf entdeckendes Lernen (discovery learning with minimal guidance). Insgesamt lernten die Schülerinnen und Schüler in den ersten beiden Lernumgebungen mit der implementierten Lehrerlenkung mehr als die Schülerinnen und Schüler in der dritten Lernumgebung. Furtak, Seidel Iverson und Briggs (2012) wiederum weisen im Rahmen einer weiteren Metaanalyse nach, dass lehrergelenktere Ansätze forschenden Lernens in den Naturwissenschaften deutlich lernwirksamer sind als traditioneller lehrergelenkter Unterricht. Möglicherweise spielt für die insgesamt uneinheitliche Forschungslage zum entdeckenden Lernen auch der Zeitpunkt eine Rolle, zu dem man die Schülerleistungen testet und überprüft. Hinweise hierauf ergeben sich aus einer experimentellen Grundschulstudie im Mathematikunterricht. Im Rahmen der Studie wurden den Lernenden entweder auf explizite Art und Weise Rechenstrategien vermittelt, die dann auch gezielt geübt und wiederholt wurden, oder die Lernenden wurden über einen eher impliziten Ansatz angeregt, Strategien selbst zu entdecken, die dann geübt und wiederholt wurden. Kurzfristig ergab sich hierbei ein Vorteil für den expliziten Ansatz, insbesondere beim Erwerb anspruchsvoller Strategien (Heinze et al. 2020), langfristig zeigten sich eher Vorteile für den impliziten Ansatz (Heinze et al. 2018). Demnach behielten die Lernenden der impliziten Gruppe ihre entdeckten Strategien eher und wendeten sie korrekter an als die Schülerinnen und Schüler der expliziten Gruppe die ihnen explizit vermittelten Strategien. Konstruktivistische Ansätze Seit einigen Jahren stoßen gemäßigt konstruktivistische Positionen auf eine breite Resonanz in der Lehrund Lernforschung und in der Schulpädagogik. Aus konstruktivistischer Sicht wird Lernen als ein konstruktiver, kumulativer, selbstgesteuerter, situativer, individuell unterschiedlicher, gleichzeitig auf die Interaktion mit anderen angewiesener Prozess des Aufbaus von Wissen und der Konstruktion von Bedeutung verstanden (De Corte 2000). Die auf konstruktivistischen Annahmen beruhenden Lernumgebungen werden häufig unter dem Begriff des situierten oder problemorientierten Lernens zusammengefasst. Dem situierten Lernen liegt die Annahme zugrunde, dass das Lernen kontextgebunden, d. h. situiert erfolge. Gerade diese Annahme der Situiertheit des Lernens wird jedoch nicht vorbehaltlos geteilt, denn schließlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen die Übertragung erworbenen Wissens auf neue Kontexte gelingt. Situierte Lernumgebungen konfrontieren die Lernenden in der Regel mit komplexen Aufgaben und authentischen Problemen und setzen bei der Bearbeitung auf ein hohes Maß der Selbststeuerung. Sie intendieren, den Aufbau tragfähigen und flexiblen Wissens zu unterstützen, das Verständnis für neue Lerninhalte zu erleichtern und die Anwendbarkeit sowie den Transfer erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten zu fördern (Reinmann-Rothmeier und Mandl 2001). Zu den bekanntesten konstruktivistisch-orientierten Instruktionsmodellen zählen das Modell der „anchored instruction“ und der Ansatz des „cognitive apprenticeship“ (7 Exkurs „Anchored Instruction und Cognitive Apprenticeship“). Exkurs Anchored Instruction und Cognitive Apprenticeship Der Anchored-Instruction-Ansatz wurde von einer Gruppe an der VanderbiltUniversität in Nashville, USA (Cognition and Technology Group at Vanderbilt – CTGV) entwickelt. Die zentrale Komponente der von dieser Gruppe entwickelten Lernumgebungen sind sogenannte narrative „Anker“, komplexe Geschichten, die den Lernenden z. B. mittels Videofilm präsentiert werden. An einer bestimmten Stelle bricht der Film ab. Die Lernenden sollen das Problem zunächst entdecken und mithilfe der im Film enthaltenen Informationen selbstständig und kooperativ lösen. Die Lehrkraft hält sich dabei zurück und übernimmt in diesen Lernumgebungen die Rolle eines Moderators und zurückhaltenden Betreuers. Der Cognitive-Apprenticeship-Ansatz (kognitive Meisterlehre) geht auf Collins et al. (1989) zurück. Ausgangspunkt sind Prinzipien der Handwerkslehre, die auf den Erwerb kognitiver Fähigkeiten übertragen werden. Im Unterschied zum ­Anchored-Instruction-Ansatz fordert der ­Cognitive-Apprenticeship-Ansatz eine aktivere Rolle der Lehrperson und eine stärkere Anleitung der Lernenden, da insbesondere bei komplexeren Problemen die Gefahr der Überforderung besteht. Im Laufe einer Unterrichtseinheit wird das Ausmaß an Lehrersteuerung jedoch immer weiter zurückgefahren. Ein weiteres Kernelement dieses Ansatzes ist, dass Lehrende – analog zu Handwerksmeistern – ihr Wissen durch „lautes Denken“ verbal explizieren. Zur Gestaltung des Unterrichts nach den Grundsätzen des „cognitive apprenticeship“ werden verschiedene Schritte und Strategien empfohlen: 5 „Modeling“ meint das Vorzeigen und Vormachen und das laute Denken der Lehrperson. 5 „Coaching“ umfasst die Begleitung der Lernenden während der Problembearbeitung. 5 „Scaffolding“ beschreibt die „Vermittlungsbemühungen“ der 5 5 5 5 Lehrperson im Sinne minimaler didaktischer Hilfe, um eine Brücke zu schlagen zwischen dem bestehenden Wissen der Lernenden und den Anforderungen der Aufgabensituation. „Fading“ meint, dass die Lehrperson nach und nach ihre Unterstützung zurückfährt. „Articulation“ bedeutet, dass die Lernenden angeregt werden, ihre Gedanken, Ideen und Lösungen wiederzugeben. „Cooperation“ umfasst die kooperative Bearbeitung von Aufgaben und Problemen. „Reflection“ impliziert den Vergleich von Lösungen und Strategien im Austausch mit anderen. Einige dieser Schritte des „cognitive apprenticeship“-Ansatzes finden auch in Trainingsprogrammen zur Vermittlung von Lernstrategien Anwendung (auch 7 Kap. 3). 75 Unterricht Mitunter werden auch offene Unterrichtsformen als eine Form konstruktivistisch orientierten Unterrichts betrachtet, da man in den Wahlfreiheiten des Unterrichts wesentliche Elemente eines konstruktivistisch geprägten Lernverständnisses berücksichtigt sieht (s. o.). Dabei wird jedoch übersehen, dass sich aus konstruktivistischen Positionen keine direkten Schlussfolgerungen für konkretes didaktisches Handeln ableiten lassen (s. u.; auch Mayer 2009; Reusser 2006). Die bislang vorliegenden Studien, die sich mit der Wirksamkeit konstruktivistisch orientierter, problemorientierter und offener Lernumgebungen beschäftigten, zeichnen insgesamt ein uneinheitliches Bild. Dies dürfte Unterschieden in der Operationalisierung der Lernumgebungen geschuldet, aber auch auf eine unzureichende Erfassung und Kontrolle wichtiger Merkmale des Unterrichts und der Lernenden zurückzuführen sein. So verweisen Studienergebnisse darauf, dass sich die Art und Weise, wie konstruktivistisch orientierte Lernumgebungen realisiert werden, erheblich unterscheiden kann und dass die Unterschiede in der Implementierung auch die Stärke der Effekte der Lernumgebungen beeinflussen (Cognition und Technology Group at Vanderbilt 1997; Hickey et al. 2001). 5 Dochy, Segers, van den Bossche und Gijbels (2003) gelangen in ihrer Metaanalyse zu dem Fazit, dass problemorientierte Lernumgebungen höhere Lernerfolge nach sich ziehen, wenn es um den Erwerb von Problemlöse- und Anwendungsfähigkeiten geht. Gemessen am Erwerb von deklarativem und konzeptuellem Wissen fallen die Ergebnisse jedoch inkonsistent aus und offenbaren teilweise Einbußen. Giaconia und Hedges (1982) fassen den Forschungsstand zum offenen Unterricht zusammen und machen hinsichtlich leistungsbezogener Kriteriumsvariablen kaum Unterschiede zwischen geöffneten und lehrergelenkten Unterrichtsformen aus (vgl. auch Hattie 2009). Über alle Studien hinweg ist ein Unterricht mit mehr Wahlfreiheiten für Lernende damit nicht zwingend lernwirksamer als ein Unterricht, in dem die wesentlichen Entscheidungen von der Lehrperson getroffen werden. 5 Berücksichtigt man die Rolle des Vorwissens für die Verarbeitung und Verankerung neuer Wissensbestände, so lässt sich auch vermuten, dass die Leistungsschere zwischen Schülern mit günstigen und ungünstigen Voraussetzungen durch einen offenen und wenig gelenkten Unterricht nicht geringer, sondern sogar größer werden kann (Hattie und Yates 2014), da Lernenden mit einem geringeren Vorwissen die Integration neuer Wissensbestände schwerer fällt als Lernenden mit einem ausgeprägteren Vorwissen. 5 Offene Lernumgebungen erfordern ein Mindestmaß an Selbstregulationskompetenzen, weshalb Lernende mit günstigeren Voraussetzungen stärker von diesen Ansätzen profitieren dürften als Schülerinnen und Schüler mit ungünstigeren Voraussetzungen (Lipowsky 2002; Lipowsky und Lotz 2015). 5 Im Hinblick auf affektiv-motivationale Variablen lassen sich Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit günstigen und ungünstigen Lernvoraussetzungen nachweisen. Einigen Studien zufolge erleben sich Lernende mit günstigeren Voraussetzungen in solchen Lernumgebungen mit Wahlfreiheiten kompetenter und berichten über eine höhere Erfolgszuversicht, eine höhere Lernfreude sowie eine höhere Anstrengung als Lernende mit ungünstigeren Voraussetzungen (Blumberg et al. 2004; Flunger et al. 2019). Zugleich zeigt sich in einigen Studien, dass Lernende mit ungünstigen Lernvoraussetzungen in ihrem affektiv-motivationalen Erleben stärker auf den Öffnungsgrad von Lernumgebungen reagieren (Blumberg et al. 2004; Høgheim und Reber 2015). 5 Die Forschung zum selbstgesteuerten Lernen zeigt, dass sich die für die Nutzung offenerer Lernumgebungen erforderlichen Selbstregulationsfähigkeiten mit Trainingsmaßnahmen gezielt fördern lassen. Diese Trainings fokussieren in der Regel auf den systematischen domänenspezifischen Erwerb und die reflexive Anwendung von Lernstrategien (7 Kap. 3) und wirken sich nicht nur positiv auf den Erwerb von kognitiven und metakognitiven Lernstrategien und den Erwerb affektiv-motivationaler Aspekte des Lernens, sondern auch auf die Schulleistungen von Lernenden aus (vgl. u. a. Dignath et al. 2008; Hattie 2009, 2012; auch: 7 Abschn. 4.2.7). Hattie (2012) ermittelt in seiner Metaanalyse für „meta-cognitive strategies“, ­„self-verbalisation and self questioning“, „study skills“ und „teaching strategies“ jeweils mittlere Effektstärken zwischen d = 0,62 und d = 0,69. 5 Offenere Lernumgebungen sind offenbar vor allem dann lernwirksam, wenn die Lehrperson den Unterrichtsgegenstand strukturiert, den Lernenden Feedback gibt und sie kognitiv aktiviert, sodass es ihnen gelingt, neue Wissenselemente und Informationen mit bereits bestehenden zu verknüpfen und ihre vorhandenen Konzepte zu erweitern, umzustrukturieren und weiterzuentwickeln (Hardy et al. 2006; Lipowsky 2002). Somit erweist es sich ähnlich wie beim entdeckenden Lernen (s. o.) auch für offenere Lernumgebungen als vorteilhaft, wenn sich diese durch Merkmale lernwirksamen Unterrichts auszeichnen. 5 Auch Ansätze sogenannten personalisierten Lernens werden unter Rückgriff auf konstruktivistische Positionen begründet. Sie werden insbesondere im englischen Sprachraum neu diskutiert und schulpraktisch umgesetzt, wobei häufig digitale Medien zum Einsatz kommen (Campbell et al. 2007; Clarke 2013; John und Wheeler 2008; Murphy et al. 2016; Stebler et al. 2018). Gemeinsam ist diesen Ansätzen, dass der Heterogenität der Lernenden durch adaptive, auf die einzelnen Lernenden abgestimmte Aufgaben und Instruktionen begegnet werden soll. Von einem einheitlichen und eng umrissenen Konzept personalisierten Lernens kann dennoch nicht gesprochen werden, zu unterschiedlich 4 76 4 F. Lipowsky sind die jeweiligen Projekte und Umsetzungsversuche (Dumont 2019; Stebler et al. 2018). Die Befundlage zur Wirksamkeit personalisierter Ansätze auf Schulleistungen ist schmal und uneinheitlich. Die Mehrheit der Studien kann keine Vorteile personalisierten Lernens gegenüber unterrichtlichen Ansätzen nachweisen, die auf eine personalisierte Zuweisung von Lernangeboten an Lernende verzichten (Bates und Wiest 2004; Bernacki und Walkington 2018; Cakir und Simsek 2010; Høgheim und Reber 2015; Ku und Sullivan 2002; Muijs und Reynolds 2018; Simsek und Cakir 2009). 5 Einige Forschungs- und Evaluationsergebnisse zum personalisierten Lernen deuten darauf hin, dass entsprechende Lernumgebungen insbesondere in Verbindung mit dem Einsatz digitaler Medien ein lernförderliches Potenzial haben (7 Abschn. 4.2.9, 7 Exkurs „Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien“). Hierbei ist jedoch – analog zu den vorherigen Ausführungen über offene Lernumgebungen – davon auszugehen, dass nicht die Wahl eines stark personalisierten bzw. individualisierten Vorgehens die Effekte hervorruft, sondern die Art und Weise, wie diese Lernumgebungen umgesetzt werden, mit welchen Merkmalen lernwirksamen und motivationsförderlichen Unterrichts sie einhergehen und welche Funktionen die zum Einsatz kommenden digitalen Lern- und Diagnose- bzw. Testwerkzeuge konkret erfüllen. Die Diskussion über das Für und Wider von Lernumgebungen, die sich explizit auf konstruktivistische Ansätze und Theorien berufen, spiegelt sich auch in der Diskussion über Vor- und Nachteile direkter und indirekter Instruktion wider, zwei Begriffe, die vor allem in der angloamerikanischen Literatur Verwendung finden. Direkte Instruktion beschreibt einen lehrergelenkten Unterricht, der durch klare Zielvorgaben, die verständliche Darstellung von Inhalten, ein schrittweises Vorgehen, Lehrerfragen mit unterschiedlicher Schwierigkeit, Phasen angeleiteten und selbstständigen Übens, häufiges Lehrerfeedback und eine regelmäßige Überprüfung der Lernfortschritte der Lernenden charakterisiert ist (Rosenshine und Stevens 1986). Diese Erläuterung verdeutlicht, dass direkte Instruktion keinesfalls mit einem die Schülerinnen und Schüler überoder unterfordernden fragend-entwickelnden Frontalunterricht gleichgesetzt werden kann. Indirekte Instruktion wird als Sammelbegriff für unterschiedliche Ansätze und Konzepte benutzt, wobei die Lernenden den Unterrichtsgegenstand und das Lernmaterial partiell selbst strukturieren, transformieren oder konstruieren (Borich 2007) und die demzufolge mit einem geringeren Ausmaß an Lehrerlenkung verbunden sind. Hierzu zählen u. a. das entdeckende Lernen („discovery learning“), das forschende Lernen („inquiry based learning“), das problemorientierte Lernen, offene Unterrichtsformen und k­onstruktivistisch-orientierte Lernumgebungen (Borich 2007). Zusammenfassend kommt die Forschung zu dem Ergebnis, dass Formen direkter Instruktion häufig lernwirksamer und ökonomischer sind als Formen indirekter Instruktion, insbesondere dann, wenn die Lernenden über geringere Lernvoraussetzungen verfügen (Hasselhorn und Gold 2013; Hattie 2009; Klahr und Nigam 2004; Muijs und Reynolds 2018; Schwerdt und Wuppermann 2011; Wellenreuther 2009). Gleichzeitig zeigt die Forschung aber auch, dass Formen indirekter Instruktion wirksam sein können, wenn sie mit Merkmalen lernwirksamen Unterrichts kombiniert werden (s. o.). So setzt sich gegenwärtig immer stärker die Auffassung durch, dass Formen indirekter Instruktion auf der einen Seite und Formen direkter Instruktion auf der anderen Seite komplementäre Ansätze sind, die es auf geschickte Art und Weise zu verbinden gilt (Gräsel und Parchmann 2004; Lipowsky 2006). In eine ähnliche Richtung weisen die Befunde zum sogenannten produktiven Scheitern („productive failure“) (Kapur 2010, 2012, 2016). Demnach kann eine der Instruktion vorgeschaltete induktive Problemlösephase, in der die Lernenden z. B. in kleinen Gruppen an der Lösung eines unbekannten Problems arbeiten, zu einem höheren Lernerfolg beitragen als die häufig im Unterricht anzutreffende umgekehrte Reihenfolge der Phasen, welche zuerst eine lehrergelenkte Einführungsphase in direkter Instruktion und dann die Aufgabenbearbeitung in einer Schülerarbeitsphase vorsieht. Bedingung für die positiven Effekte einer Kombination aus vorgeschalteter Problemlösephase und nachfolgender Instruktionsphase scheint aber zu sein, dass in der Phase der Problembearbeitung Fälle (Probleme, Beispiele) verglichen und/oder dass in der anschließenden Instruktionsphase die von den Lernenden entwickelten – häufig unvollständigen oder fehlerhaften – Lösungswege bzw. Lösungen aufgegriffen und mit korrekten Lösungswegen bzw. dem richtigen Ergebnis kontrastiert werden (Loibl und Rummel 2014; Loibl et al. 2017). In dem Fall kann ein „Scheitern“ in der vorausgegangenen Problemlösephase demnach zu einem wirksameren Lernen beitragen. Betrachtet man affektiv-motivationale Zielkriterien, so muss lehrergelenkter Unterricht (direkte Instruktion) nicht zwangsläufig mit einer Belastung der Schülermotivation einhergehen, genauso wenig wie objektiv vorhandene Handlungsoptionen und Wahlfreiheiten immer mit dem Erleben von Selbstbestimmung und intrinsischer Motivation verbunden sein müssen (7 Exkurs „Motivationsförderung durch offenen Unterricht?“). Fokussiert man auf kognitive Zielkriterien, so können sich innere mentale Konstruktionsvorgänge grundsätzlich in jeder Art von Unterricht – in Formen direkter oder indirekter Instruktion – vollziehen. Hinzu kommt, dass eine hohe Aktivität der Lernenden auf der Verhaltensebene, wie sie z. B. im geöffneten Unterricht häufig zu beobachten ist, nicht zwangsläufig mit verstärkter kognitiver Aktivität, mit dem Aufbau tragfähigen Wissens bzw. der Umstrukturierung von Wissensbeständen einhergehen muss (vgl. Chi 2009; Lipowsky 2002; Mayer 2004; Renkl 2011; 7 Kap. 1). Umgekehrt kann auch ein lehrerzentriertes Vorgehen, bei dem die Lernenden äußerlich passiv wirken, dazu führen, dass diese neues Wissen aufbauen oder altes Wissen um- bzw. restrukturieren. 77 Unterricht Exkurs Motivationsförderung durch offenen Unterricht? Als besonderer Vorteil des offenen Unterrichts oder konstruktivistisch orientierter Lernumgebungen wird immer wieder deren motivierendes Potenzial genannt, das auf den hohen Grad an erlebter Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler zurückgeführt wird. Nach bislang vorliegenden Befunden greift aber die Annahme, dass mit dem Ausmaß an Wahlfreiheiten auch das Autonomieerleben und als Folge die intrinsische Motivation und das Interesse linear zunehmen, zu kurz (auch 7 Kap. 10 ). Zwar deuten einige Befunde auf einen Zusammenhang zwischen Wahlfreiheiten im Unterricht und dem Autonomieerleben bzw. der Ausbildung von Interesse hin (Desch et al. 2016; Flunger et al. 2019; Grolnick und Ryan 1987; Hartinger 2005). Hieraus den Schluss zu ziehen, dass mit einem Mehr an Wahlfreiheiten auch eine höhere intrinsische Motivation verbunden ist, greift jedoch zu kurz und ist weder empirisch haltbar noch theoretisch zu erwarten. Denn ein hohes Maß an Wahlfreiheiten kann im Sinne der ­Choice-Overload-Hypothese auch zu Überforderung, Frustration, Unzufriedenheit und Lernabbrüchen führen (Iyengar und Lepper 2000) und muss demzufolge nicht zwingend mit einem höheren Autonomie- und Kompetenzerleben der Lernenden einhergehen (Wijnia et al. 2011). 4.1.4  Angebots-Nutzungs-Modell Vorwiegend in der deutschsprachigen Unterrichtsforschung hat sich in den letzten Jahren ein integratives systemisches Modell zur Erklärung von Schulerfolg etabliert, das vor allem auf die Arbeiten von Fend (1981) und Helmke (2012) zurückgeht (. Abb. 4.3). Das sogenannte A ­ ngebots-Nutzungs-Modell unterscheidet sich in mehrfacher Wahlfreiheiten haben vor allem dann ein motivationsförderliches Potenzial, wenn die zur Auswahl stehenden Lernangebote das Interesse der Lernenden ansprechen, wenn Lehrkräfte die spezifische Relevanz der zur Auswahl stehenden Angebote im Hinblick auf die Ziele und Interessen der Lernenden herausstellen und wenn die zur Auswahl stehenden Lernangebote herausfordernd, aber nicht zu komplex sind und sich am Lernpotenzial der Lernenden orientieren, was wiederum voraussetzt, dass die Lehrpersonen die Lernstände ihrer Schülerinnen und Schüler gut einschätzen können (Katz und Assor 2007; Meyer-Ahrens und Wilde 2013). Hinsicht von den oben dargestellten Modellen und Ansätzen. So werden im ­ Angebots-Nutzungs-Modell schulische und außerschulische Determinanten des Schulerfolgs zu komplexen Variablengruppen auf einem höheren Abstraktionsniveau gebündelt. Dadurch entsteht eine Art Metamodell, das aufgrund seines hohen Abstraktionsniveaus als Rahmenmodell verstanden werden kann, welches mit spezifischeren Konstrukten und. Abb. 4.3 Vereinfachtes Angebots-Nutzungs-Modell. (Siehe auch Lipowsky 2006) Lehrpersonen: Lehrpersonen Lernende 4 78 F. Lipowsky theoriegeleiteten Hypothesen „gefüllt“ werden muss. Es handelt sich demzufolge nicht um ein theoretisches Modell im klassischen Sinne. Schulerfolg Schulerfolg wird in diesem Modell als Ergebnis 4 des Zusammenspiels unterschiedlicher Faktoren betrachtet und umfasst dabei nicht nur die Lern- und Leistungsentwicklung, sondern auch die ­ affektiv-motivationale und persönlichkeitsbezogene Entwicklung der Lernenden. Unterricht Das Modell unterscheidet zwischen dem Bildungsangebot und der Nutzung dieses Angebots durch die Lernenden. Im Mittelpunkt des Modells steht der Unterricht, der als Angebot an Lerngelegenheiten betrachtet wird, die von den Lernenden in unterschiedlicher Weise wahrgenommen und genutzt werden können. Entsprechend werden Quantität und Qualität unterrichtlicher Lerngelegenheiten nicht nur in ihren direkten Wirkungen auf den Schulerfolg untersucht, sondern auch in ihren indirekt vermittelten Wirkungen über die Wahrnehmung und Nutzung unterrichtlicher Lerngelegenheiten, die sich z. B. im Erleben des Unterrichts, in der Anstrengungsbereitschaft oder in der Mitarbeit der Lernenden ausdrücken. Diese Wahrnehmung und Nutzung unterrichtlicher Lerngelegenheiten wird wiederum in Abhängigkeit von den Voraussetzungen und Merkmalen der Lernenden konzeptualisiert, die als mitverantwortliche Konstrukteure ihres eigenen Wissens betrachtet werden. Hierin drücken sich auch konstruktivistische Anleihen des ­Angebots-Nutzungs-Modells aus. Der beidseitige Pfeil im Unterrichtsrechteck in. Abb. 4.3 drückt aus, dass Unterricht kein eindirektionales Vorgehen darstellt, sondern wechselseitige Interaktionen und Beeinflussungen beinhaltet: Nicht nur die Lernangebote der Lehrperson wirken auf die Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Schülerinnen und Schüler einer Klasse beeinflussen mit ihren Voraussetzungen und ihrem Verhalten die Qualität und Quantität der Lernangebote, die eine Lehrperson unterbreitet (z. B. Seidel et al. 2016). Aspekte der Lehrperson geht man heute eher von indirekten Effekten der beruflichen Motivation, der Persönlichkeit, des Belastungserlebens und der beruflichen Zufriedenheit auf den Schulerfolg der Lernenden aus (Klusmann et al. 2006). Lernende Die Entwicklung der Lernenden wird, wie viele Untersuchungen zeigen, in erster Linie von deren spezifischen Voraussetzungen determiniert (Hattie 2009). Während sich die affektiv-motivationale Entwicklung vor allem durch die affektiv-motivationalen Voraussetzungen der Lernenden vorhersagen lässt, spielen für die kognitive Entwicklung vor allem das Vorwissen und die Intelligenz der Lernenden eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus belegt eine Vielzahl von Studien die Bedeutung der sozialen Herkunft der Lernenden für den Schulerfolg. Auch die mittlere Leistungsfähigkeit einer Klasse beeinflusst die Leistungsentwicklung eines Lernenden, und zwar unabhängig davon, über welche individuellen Voraussetzungen er bzw. sie verfügt. Das heißt, mit einem Anstieg der Leistungsfähigkeit einer Klasse sind bessere individuelle Leistungen der Lernenden verbunden (z. B. Rindermann 2007; Tiedemann und Billmann-Mahecha 2004). Mögliche Erklärungen für diesen Effekt sind, dass sich die Lernenden in leistungsfähigeren Klassen stärker gegenseitig anregen und dass die Lehrpersonen in leistungsstärkeren Klassen einen fachlich anspruchsvolleren Unterricht halten, schneller voranschreiten und höhere Erwartungen an die Lernenden stellen, was sich insgesamt positiv auf die Verarbeitungstiefe auswirkt. Außerdem kann angenommen werden, dass die günstigere Klassenzusammensetzung in leistungsstärkeren Klassen einen effektiveren und reibungsloseren Unterricht erleichtert. Gleichzeitig zeigt sich jedoch, dass ein Anstieg in der mittleren Leistungsfähigkeit der Klasse aufgrund sozialer Vergleichsprozesse zu einem geringeren Fähigkeitsselbstkonzept der einzelnen Lernenden führen kann (7 Kap. 8). Klassenzusammensetzung Merkmalen der Schule kommt im Vergleich zu Merkmalen des Unterrichts eine geringere Bedeutung für die Entwicklung der Lernenden zu (7 Exkurs „Die Bedeutung der Schüler-, Klassen- und Schulebene“). Die Schuleffektivitätsforschung gelangt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass sich lernwirksame Schulen durch hohe Leistungserwartungen an die Lernenden, durch eine effektive und verantwortungsvolle Schulleitung mit einem Fokus auf das Kerngeschäft des Unterrichts, durch Konsens und Kooperation innerhalb des Kollegiums, durch ein positives, störungsarmes Schulklima, durch die systematische Überprüfung und Bewertung von Lernfortschritten der Lernenden und durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Eltern auszeichnen (Robinson et al. 2009; Scheerens und Bosker 1997; Teddlie und Reynolds 2001). Merkmale der Schule Lehrperson Das Angebots-Nutzungs-Modell konzeptualisiert Lehrerkompetenzen und Lehrermerkmale als wesentliche Determinanten für die Qualität und Quantität unterrichtlicher Angebote. Fokussiert man auf die Kompetenzen von Lehrpersonen, rücken kognitive, motivationale und persönlichkeitsbezogene Dimensionen in den Mittelpunkt (7 Kap. 11). Zusammenfassend stützen aktuellere empirische Arbeiten die These, dass sich das fachliche und fachdidaktische Wissen und die Überzeugungen von Lehrpersonen positiv auf die Qualität und Quantität der Lerngelegenheiten und auch positiv auf den Schulerfolg der Lernenden auswirken können (Baumert und Kunter 2006; Kunter et al. 2011; Lipowsky 2006; Lipowsky und Bleck 2019; Reusser und Pauli 2014). Mit Blick auf motivationale und persönlichkeitsbezogene 79 Unterricht Exkurs Die Bedeutung der Schüler-, Klassen- und Schulebene Mehrebenenanalytische Auswertungsverfahren ermöglichen es, jene Anteile am Schulerfolg (Leistung, Motivation etc.) eines Lernenden zu bestimmen, die auf Unterschiede zwischen einzelnen Schülerinnen und Schülern (Schülerebene), zwischen Klassen (Klassenebene) und zwischen Schulen (Schulebene) zurückzuführen sind. Das Verfahren der Mehrebenenanalyse erlaubt es, Einflüsse von Faktoren dieser drei Ebenen gleichzeitig zu modellieren und zu analysieren (Hartig und Rakoczy 2010). Die Schul- und Unterrichtsforschung hat in zahlreichen Studien die Bedeutung dieser drei Einflussebenen vor allem für die Leistungsentwicklung untersucht. Es zeigt sich, dass sich der größte Teil der Schulleistungsvarianz mit individuellen Schülermerkmalen erklären lässt. An zweiter Stelle folgen Merkmale, die mit der Klassenzugehörigkeit eines Lernenden zusammenhängen, an dritter Stelle Merkmale, in denen sich Schulen voneinander unterscheiden. Während die Rangfolge dieser drei Ebenen in ihrer Bedeutung für die Erklärung von Schulleistungsunterschieden weitgehend unstrittig ist und in zahlreichen Studien bestätigt wurde (Hattie 2009), unterscheiden sich die ermittelten Varianzanteile teilweise beträchtlich. Die kognitiven, motivationalen und sozialen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler (Individualebene) erklären je nach Studie zwischen 50 % und 70 % der Leistungsunterschiede, auf Merkmale des Unterrichts, der Lehrperson und der Klassenzusammensetzung (Klassenebene) entfallen Anteile von ca. 10–30 % und auf Merkmale der Schule (Schulebene) Anteile von ca. 5–14 %. In den folgenden Abschnitten wird das Feld „Qualität und Quantität von Lerngelegenheiten“ im ­AngebotsNutzungs-Modell weiter ausdifferenziert. 4.2  Merkmale und Merkmalskonfigurationen erfolgreichen Unterrichts Als Zielvariablen von Schulerfolg werden in den folgenden Abschnitten die kognitive und die affektiv-motivationale Entwicklung der Lernenden untersucht. Grundsätzlich ist dabei zu beachten, dass die motivationale Entwicklung deutlich stärker durch individuelle Determinanten der Lernenden bestimmt wird als die kognitive Entwicklung (Kunter 2005; Van Landeghem et al. 2002). Das bedeutet, dass der Spielraum unterrichtlicher Einflussmöglichkeiten für die affektiv-motivationale Entwicklung geringer ist als für kognitive Zielvariablen. 4.2.1  Strukturiertheit des Unterrichts Die Strukturiertheit des Unterrichts – einige Autoren sprechen auch von Strukturierung – gilt als zentrales Merkmal effektiven Unterrichts. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses Merkmal in der Unterrichtsforschung teilweise sehr unterschiedlich operationalisiert und verwendet wird. Grundsätzlich lassen sich mehrere Bedeutungsfacetten von Strukturiertheit unterscheiden. 5 Zum einen kann Strukturiertheit eine klare erkennbare Gliederung des Unterrichts in einzelne Phasen und Die Ergebnisse amerikanischer „value-added“-Studien deuten darauf hin, dass der Klassenebene, d. h. Merkmalen der Klasse, der Lehrperson und des Unterrichts, eine größere Bedeutung eingeräumt werden muss als bislang angenommen, wenn man nicht den Leistungsstand, sondern die Leistungsentwicklung untersucht, und dass demgegenüber die Bedeutung der individuellen Lernvoraussetzungen eher abnimmt (Lanahan et al. 2005; Schacter und Thum 2003). Darüber hinaus konnte mehrfach nachgewiesen werden, dass Merkmale von Schule und Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit ungünstigen Startvoraussetzungen eine größere Bedeutung haben als für Lernende mit günstigeren Startvoraussetzungen (z. B. Babu und Mendro 2003; Kunter und Ewald 2016; Muijs et al. 2005; 7 Abschn. 4.2.10). Abschnitte und die Zerlegung des Unterrichtsinhalts in einzelne Komponenten bedeuten. Diese Bedeutung von Strukturiertheit bezieht sich also vor allem auf didaktische Aspekte des Unterrichts. 5 Zum zweiten wird Strukturiertheit als Konsistenz von Regeln, Erwartungen und Grenzen interpretiert. Diese Facette von Strukturiertheit fokussiert eher auf das Verhalten der Lernenden und auf die Aufrechterhaltung der Disziplin im Klassenzimmer. 5 Zum dritten kann Strukturiertheit von Unterricht stärker kognitionspsychologisch verstanden werden. Darunter werden Maßnahmen und Handlungen subsumiert, die geeignet sind, eine Verbindung zwischen dem Vorwissen der Lernenden und neuen Wissenselementen herzustellen und den Aufbau einer komplexen und geordneten Wissensstruktur beim Lernenden zu fördern. Dies lässt sich z. B. anbahnen, indem Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten des Unterrichtsinhalts hergestellt werden, indem die Übersicht und Einordnung neuer Informationen z. B. mittels Advance Organizers erleichtert wird und indem wichtige Unterrichtsergebnisse zusammengefasst werden. Auch Lehrerfragen können zur Strukturierung des Unterrichts beitragen (s. u.). Kognitive Zielvariablen Wie lassen sich positive Effekte der Strukturiertheit des Unterrichts theoretisch erklären? Die drei Bedeutungsfacetten implizieren unterschiedliche Annahmen über die angenommenen Wirkmechanismen. Die didaktische Strukturierung des Unterrichts setzt einen sorgfältig geplanten Unterricht voraus und kann somit als wichtige 4 80 4 F. Lipowsky Voraussetzung für angemessene Anforderungen an die Lernenden begriffen werden. Eine Strukturierung auf der Verhaltensebene begünstigt eine störungsfreie Lernumgebung, fördert die Aufmerksamkeit der Lernenden und sorgt dafür, dass mehr Unterrichtszeit für die Auseinandersetzung mit den Unterrichtsthemen zur Verfügung steht. Auf der Basis einer kognitionspsychologisch verstandenen Strukturierung lässt sich annehmen, dass Fragen, Strukturierungshinweise und -hilfen der Lehrperson die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler auf die relevanten Aspekte des Unterrichtsgegenstands lenken, einen Überblick über den Unterrichtsgegenstand erleichtern, Relationen zwischen Teilaspekten des Unterrichtsgegenstands verdeutlichen und gedankliche Verankerungsmöglichkeiten schaffen, sodass es den Lernenden leichter gelingt, ihr neues Wissen zu organisieren und mit bereits vorhandenem zu verbinden (Einsiedler und Hardy 2010; Möller 2016; Schnotz 2006). Die Forschungslage hat sich in zahlreichen Studien mit diesen unterschiedlichen Facetten von Strukturierung beschäftigt. Die didaktische Strukturierung, also die Gliederung und Sequenzierung des Unterrichts, hat sich in Studien zum „mastery learning“ und zur „direkten Instruktion“ als lernförderlich erwiesen (Fraser et al. 1987; Rosenshine und Stevens 1986). Beleuchtet man Strukturierung auf der Verhaltensebene und fragt nach deren Bedeutung, so lässt sich eine Reihe von Studien heranziehen, die zeigen können, dass ein störungsarmer, reibungsloser Unterricht und ein funktionierendes – bereits zu Beginn des Schuljahres eingeführtes – Regelsystem mit einem höheren Lernerfolg der Lernenden verbunden sind (Campbell et al. 2004; Helmke et al. 1986; Marzano et al. 2003). Häufig werden die beschriebenen Merkmale mit dem Begriff der effektiven Klassenführung überschrieben (7 Kap. 5). Die Metaanalyse von Seidel und Shavelson (2007) bestätigt die bedeutende Rolle einer effektiven Unterrichts- und Klassenführung für die kognitive Entwicklung der Lernenden. Eine effektive Klassenführung geht mit einem aufgabenbezogeneren Verhalten der Lernenden und einem Mehr an inhaltsbezogenen Lerngelegenheiten – „opportunities to learn“ – einher. Eine Reihe von Forschungsarbeiten weist nach, dass sich „time on task“, also die aufgabenbezogene Nutzung der Lernzeit positiv auf den Lernerfolg auswirkt (z. B. Fredrick und Walberg 1980; Hattie 2009; Kuger 2016; Lipowsky und Bleck 2019; Rowe und Rowe 1999). Ähnliches gilt für das Ausmaß an inhaltlichen Lerngelegenheiten, also für die Zeit, die für die Behandlung inhaltlich relevanter Aspekte des Unterrichtsgegenstands zur Verfügung gestellt und genutzt wird (Drollinger-Vetter 2011; Hiebert und Grouws 2007; Walberg und Paik 2000). Fokussiert man auf die dritte Bedeutung von Strukturierung, so lassen sich z. B. Studien heranziehen, die Effekte von Strukturierungshilfen, wie z. B. Advance Organizers in den Blick nehmen (7 Abschn. 4.1.3). Hattie (2009) identifiziert für seine Meta-Metaanalyse „Visible learning“ sieben Metaanalysen, die die Wirkungen von Advance Organizern untersucht haben. Für diese sieben Studien ermittelt er eine mittlere Effektstärke von d = 0,53, was einem durchaus beachtlichen Effekt entspricht. Preiss und Gayle (2006) zeigen in ihrer Metaanalyse, dass die Effektstärken abhängig vom Alter der Lernenden und dem untersuchten Fach variieren. Demnach profitieren jüngere Lernende und Lernende in sozialwissenschaftlichen Fächern stärker von Advance Organizers als Lernende in naturwissenschaftlichen und sprachlichen Domänen. In zahlreichen Einzelstudien und einschlägigen Zusammenfassungen des Forschungsstands finden sich Hinweise auf die Bedeutung der Strukturierung des Unterrichts durch Lehrerfragen (7 Exkurs „Lehrerfragen“), Zusammenfassungen und verbale Hervorhebungen (z. B. Borich 2007; Hardy et al. 2006; Marzano et al. 2000). Affektiv-motivationale Aspekte des Lernens In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, ob und inwiefern die Strukturierung des Unterrichts mit positiven Effekten für die affektiv-motivationale Entwicklung der Lernenden einhergeht. Im ersten Teil wird dabei auf die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985, 7 Kap. 7) fokussiert und als Zielvariablen das Autonomie- und Kompetenzerleben der Lernenden in den Blick genommen. Im zweiten Teil werden Studienergebnisse berichtet, die die Vorhersage anderer affektiv-motivationaler Variablen durch Merkmale wie Klassenführung und Strukturiertheit des Unterrichts untersuchten. Nach den Ergebnissen einiger Studien zeigt sich, dass eine effektive Klassenführung und ein störungsarmer, disziplinierter Unterricht positive Wirkungen auf das Autonomieerleben und auf das Kompetenzerleben der Lernenden haben. Rakoczy (2007) untersuchte im Rahmen der deutsch-schweizerischen Studie „Unterrichtsqualität, Lernverhalten und mathematisches Verständnis“ die Auswirkungen einer effektiven Klassenführung auf die drei sogenannte „basic needs“ nach Deci und Ryan (1985). Sie wies nach: Je disziplinierter und störungsfreier der Unterricht verläuft, desto stärker fühlen sich die Lernenden in ihrem Streben nach Kompetenz und Autonomie unterstützt. In einer vertiefenden Analyse zeigten Rakoczy et al. (2007), dass dieser Effekt möglicherweise auch darauf zurückzuführen ist, dass Schülerinnen und Schüler in störungsfreien und strukturierten Lernumgebungen über eine höhere Intensität kognitiver Aktivitäten und über positivere emotionale Erfahrungen berichten als Lernende in Klassen mit einem höheren Ausmaß an Störungen und einem geringeren Ausmaß an Disziplin. Kunter (2005) weist ebenfalls nach, dass der effektive Umgang mit Störungen und eine klare didaktische Strukturierung des Unterrichts von den Lernenden als kompetenzunterstützend wahrgenommen werden. Auch eine kognitionspsychologisch orientierte Strukturiertheit wirkt sich offenbar positiv auf motivationale Aspekte des Lernens aus, wie die Studie von Blumberg et al. (2004) 81 Unterricht Exkurs Lehrerfragen Lehrerfragen dienen dazu, den Unterricht zu strukturieren und zu steuern, die Aufmerksamkeit der Lernenden auf relevante Aspekte des Unterrichts zu lenken, das Vorwissen zu aktivieren, die Lernenden anzuregen und herauszufordern, Lernwege, (Miss-) Konzepte und (Fehl-)Vorstellungen offenzulegen, den Wissensstand der Lernenden zu ermitteln, Unterrichtsergebnisse zu sichern, oder manchmal auch dazu, die Lernenden zu disziplinieren. Lehrerfragen lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien, so z. B. nach ihrem kognitiven Niveau und nach ihrer Offenheit ordnen. Was das kognitive Niveau von Lehrerfragen anbelangt, wird häufig zwischen „low-levelquestions“ und ­„high-level-questions“ unterschieden, wobei sich „level“ meist auf die Lernzielebenen – Wissen, Verstehen, Anwenden, Analysieren, Synthetisieren und Bewerten – nach Bloom (1974) bezieht. Unter low-levelFragen werden Fragen verstanden, deren Beantwortung auf die Wiedergabe von Informationen, Faktenwissen, Prozeduren und Definitionen abzielen, sich also im Wesentlichen auf die Ebene des Wissens beziehen, während man unter high-level-Fragen Denkfragen versteht, die die Verknüpfung von Informationen, Konzepten, Wissensbausteinen etc. erfordern und die Lernenden anregen, Vorgehensweisen und Gedankengänge zu erläutern und zu begründen. Die vorliegenden Studien beziffern den Anteil an ­high-level-Fragen, je nach Definition, auf 2–20 %, während sich demgegenüber der Anteil an low-levelFragen zwischen 40 % und 90 % bewegt (Nehring et al. 2017; Niegemann und Stadler 2001; Sadker et al. 2011; Wilen 1991). Dieser hohe Anteil an Low-LevelFragen wird allgemein als kritisch betrachtet. Die Forschungslage zu den Wirkungen des kognitiven Niveaus von Lehrerfragen ist jedoch insgesamt uneinheitlich. Zwar kann mehrheitlich nachgewiesen werden, dass kognitiv anspruchsvollere Lehrerfragen kognitiv anspruchsvollere Schülerantworten nach sich ziehen und insofern zu einer tieferen Verarbeitung und Elaboration des Unterrichtsinhalts durch die Lernenden beitragen (Gayle et al. 2006). Ob mit dem Anteil kognitiv anspruchsvoller Fragen aber auch der Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler linear zunimmt, ist umstritten (Mills et al. 1980; Samson et al. 1987; Winne 1979). Mögliche Erklärungen für die uneinheitlichen Ergebnisse sind die unterschiedlichen Operationalisierungen des Begriffs „high-level question“, die unterschiedlichen Stichproben und curricularen Kontexte, die untersucht wurden, und der Umstand, dass es keine 1:1-Korrespondenz zwischen dem kognitiven Niveau der Lehrerfragen und dem kognitiven Niveau der dadurch angestoßenen Schüleraktivitäten gibt (Dillon 1982; Mills et al. 1980). Einige Studien verweisen darauf, dass es auch auf die Passung zwischen Frageniveau und dem Vorkenntnisstand der Klasse ankommt: Sind die Lehrerfragen zu anspruchsvoll und kann somit ein beträchtlicher Teil der Lehrerfragen nicht beantwortet werden, so hat dies ebenso negative Auswirkungen auf den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler wie ein zu geringes Niveau der Lehrerfragen. Die entsprechende Schwelle beträgt nach den Ergebnissen dieser – allerdings schon älteren – Studien in etwa zwischen ca. 70 % und 80 % beantworteter Fragen (Brophy und Evertson 1980; Rosenshine und Stevens 1986). Als eine weitere moderierende Drittvariable für den Zusammenhang zwischen Fragenniveau und Lernerfolg kommt der Zeitraum in Betracht, der für das Kompetenzerleben und die Erfolgszuversicht von schwächeren Schülerinnen und Schülern nachweisen kann. Nimmt man weitere affektiv-motivationale Variablen in den Blick, so zeigt z. B. die längsschnittliche Studie von Kunter und Baumert (2006), dass sich ein geringes Ausmaß an Unterrichtsstörungen positiv auf die von Schülerinnen und Schülern erlebte Herausforderung auswirkt, die wiederum positive Effekte auf die Interessensentwicklung hat. Im Rahmen der Münchener Hauptschulstudie konnte mittels Pfadanalysen und unter Kontrolle von kognitiven und affektiven Lernvoraussetzungen der Lernenden nachgewiesen werden, dass eine effektive Klassenführung einen positiven Einfluss auf das Engagement der Lernenden den Lernenden zum Nachdenken nach einer gestellten Lehrerfrage eingeräumt wird. Studien zeigen, dass es einer bestimmten Zeitspanne zwischen der Lehrerfrage und dem Aufrufen einer Schülerin bzw. eines Schülers (Wartezeit) bedarf, damit die Frage ihr Potenzial entfalten kann. Als optimal wird eine Wartezeit von 3–5 s betrachtet. In vielen Studien stellte sich jedoch heraus, dass die tatsächliche Wartezeit im Unterricht deutlich kürzer ist (Heinze und Erhard 2006; Lotz 2015). Wird die Wartezeit auf 3–5 s verlängert, führt dies in der Regel zu elaborierteren Schülerbeiträgen, zu einer höheren Anzahl von Meldungen, zu häufigeren Schülerfragen und insgesamt zu einer aktiveren und niveauvolleren Beteiligung von Schülerinnen und Schülern am Unterricht (Ingram und Elliot 2016; Rowe 1974; Tobin 1987; Wasik und Hindman 2018). Studien zum Zusammenhang zwischen Wartezeiten und Lernzuwachs sind auch international selten und kommen nicht zu einheitlichen Ergebnissen (Tobin 1987). Schülerfragen sind im Unterschied zu Lehrerfragen ein vergleichsweise seltenes Ereignis, erfüllen jedoch eine wichtige Funktion beim Wissensaufbau (Niegemann 2004; Wuttke 2005). In Trainingsprogrammen zum selbstgesteuerten Lernen und zum reziproken Lehren („reciprocal teaching“) werden Schülerinnen und Schüler systematisch dazu angeleitet, sich selbst Fragen zu stellen und hierüber ihren Lernprozess zu strukturieren, zu begleiten und ihr Verständnis zu vertiefen. Entsprechende Forschungsbefunde zeigen, dass diese Anleitung zum „self-questioning“ eine wirksame Strategie darstellt, um das Verständnis gelesener Texte zu fördern (King 1991, 1994; Kramarski und Mevarech 2003; Rosenshine et al. 1996). ausübte, das wiederum mit günstigeren Einstellungen der Lernenden zum Fach Mathematik und mit einem günstigeren mathematischen Selbstkonzept der Lernenden einherging (Helmke et al. 1986). Auch international lassen sich empirische Evidenzen für Effekte eines störungsarmen und strukturierten Unterrichts auf Einstellungsveränderungen der Lernenden nachweisen (Campbell et al. 2004). Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ein strukturierter, störungsarmer und effektiv geführter Unterricht die affektiv-motivationale Entwicklung der Lernenden befördern kann. Es kann angenommen werden, dass ein Mindestmaß an didaktischer Strukturierung eine 4 82 F. Lipowsky notwendige Voraussetzung für eine wirksame Klassenführung darstellt, die wiederum als wichtige Voraussetzung dafür angesehen werden kann, dass inhaltsbezogene Strukturierungen und Hinweise Wirkungen entfalten können. 4.2.2  Inhaltliche Klarheit und Kohärenz des 4 Unterrichts Kognitive Zielvariablen Inhaltliche Klarheit beschreibt einen Unterricht, in dem die inhaltlichen Aspekte des Unterrichtsgegenstandes sprachlich prägnant und verständlich, fachlich korrekt und inhaltlich kohärent dargestellt und/oder entwickelt werden. Dabei übernehmen variantenreiche Erklärungen und Erläuterungen unter Verwendung von Veranschaulichungen, Abbildungen, Beispielen, Analogien und Metaphern, die Hervorhebung und Zusammenfassung zentraler inhaltlicher Punkte, die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in Konzepten, die Verwendung und Verbindung unterschiedlicher Repräsentationsformen sowie das wiederholte Aufgreifen von schwierigen Sachverhalten und Aspekten eine wichtige verständnisfördernde Funktion (Cruickshank 1985; Helmke 2007). Die Forschungslage ist trotz der weiten Bedeutung des Begriffs inhaltliche Klarheit relativ konsistent. Die inhaltliche Klarheit des Unterrichts hat positive Effekte auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler unabhängig vom Alter der Lernenden, unabhängig davon, ob die Klarheit mittels niedrig oder hoch inferenter Verfahren erfasst wird, unabhängig davon, welche Dimensionen von Klarheit tatsächlich untersucht werden und unabhängig davon, ob es sich um experimentelle oder quasi-experimentelle Studien handelt (z. B. Chesebro 2003; Hattie 2009; Hines et al. 1985; Rodger et al. 2007; Titsworth et al. 2015). Stellvertretend für die Vielzahl an Studien wird hier eine Studie näher vorgestellt. Hines et al. (1985) ließen 32 angehende Lehrpersonen die gleiche 25-min Unterrichtssequenz unterrichten. Die Lerngruppen bestanden aus 4–6 Lernenden Die Unterrichtsstunden wurden auf Video gezeichnet. Die Klarheit des Unterrichts wurde mit 29 Items durch Lehrpersonen, Lernende und zwei unabhängige Beobachter niedrig inferent erfasst. Zusätzlich wurden hoch inferente Ratings durch zwei Beobachter vorgenommen. Als Zielkriterien wurden der Lernerfolg und die Zufriedenheit der Lernenden untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass die Klarheit des Unterrichts, unabhängig von dem Verfahren der Erfassung, positive Effekte auf den Lernerfolg und die Zufriedenheit der Lernenden hatte. Zu den Lehrstrategien, die zur inhaltlichen Klarheit des Unterrichts beitragen und Auswirkungen auf den Lernerfolg haben, zählen Zusammenfassungen und Hervorhebungen (Marzano et al. 2000; Schneider et al. 2018) sowie der Einsatz und die Verbindung unterschiedlicher Repräsentationsformen. So ergab die Metaanalyse von Marzano und Kollegen (2000), dass der Einsatz „nichtsprachlicher Repräsentationsformen“ deutliche leistungssteigernde Effekte hat, und zwar vor allem dann, wenn sprachliche und nichtsprachliche Repräsentationsformen miteinander verknüpft wurden (zur Bedeutung des Medieneinsatzes 7 Kap. 6). Warum wirkt sich die inhaltliche Klarheit des Unterrichts positiv auf den Lernerfolg aus? Die inhaltliche Klarheit des Unterrichts – so lässt sich annehmen – sorgt dafür, dass die wichtigsten inhaltlichen Aspekte klar und deutlich hervortreten und als kennzeichnende Elemente von den Lernenden identifiziert, diskriminiert und verarbeitet werden. Auf der Basis der Cognitive-Load-Theorie lässt sich argumentieren, dass die Betonung relevanter Informationen, der Verzicht auf irrelevante und überflüssige Informationen, die didaktische Reduktion der Komplexität des Inhalts sowie die angemessene Verbindung unterschiedlicher Repräsentationsformen das Arbeitsgedächtnis entlasten und die Informationsverarbeitung erleichtern (Chandler und Sweller 1991; Hetmanek et al. 2019; Mayer und Moreno 2003; Renkl und Scheiter 2017). Aktuellere Ansätze in der Unterrichtsforschung verweisen mit Begriffen wie „attending to concepts“, „opportunities to learn“, „inhaltlich fokussierte Informati­ onsverarbeitung“ oder „Verstehenselemente“ auf die Bereitstellung fachlich relevanter Lerngelegenheiten. Hiermit sind demnach curriculare Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen der Lehrpersonen gemeint, im Unterricht fachlich zentrale Themen, Konzepte und Ideen zu behandeln (Drollinger-Vetter und Lipowsky 2006; Hiebert und Grouws 2007; Learning Mathematics for Teaching Project 2010; Renkl 2011; Schmidt und Maier 2009). Dieser didaktisch-curriculare Aspekt inhaltlicher Klarheit geht über die inhaltliche klare und verständnisvolle Präsentation vorgegebener Inhalte hinaus und betont, dass das Lernen und Verstehen von Schülerinnen und Schülern auch davon abhängig ist, inwieweit Lehrkräfte fachlich relevante Kernideen und Inhalte im Unterricht aufgreifen und thematisieren. Mit Begriffen wie „strukturelle Klarheit“, „making connections“, „links made between multiple models“ und „coherent content“ wird herausgestellt, dass es wichtig ist, die Beziehungen und Verknüpfungen zwischen diesen (Teil-)Konzepten und Ideen explizit unterrichtlich zu behandeln (vgl. Brophy 2000). Im sogenannten Pythagorasprojekt, in dem eine dreistündige Unterrichtseinheit zum Satz des Pythagoras in 38 Klassen Deutschlands und der Schweiz videografiert wurde, wurde u. a. untersucht, inwieweit im Mathematikunterricht der beteiligten Klassen jene „(Verstehens)-Elemente“ und ihre Beziehungen behandelt wurden, von denen man annehmen kann, dass sie für den Aufbau eines inhaltlich vertieften und elaborierten Verständnisses des Satzes von Pythagoras fundamental sind. Beobachter analysierten den Unterricht in den 38 Klassen u. a. danach, ob z. B. die geometrische Bedeutung des Satzes von Pythagoras zur Sprache kam, inwieweit deutlich herausgestellt und erarbeitet wurde, dass der Satz nur im rechtwinkligen Dreieck gilt und inwiefern das Verstehenselement, dass der Satz Aussagen über die 83 Unterricht Beziehungen zwischen den Seiten im rechtwinkligen Dreieck formuliert, behandelt wurde (Drollinger-Vetter und Lipowsky 2006). In dieser Studie erwiesen sich das Vorkommen, die Qualität und die Strukturierung dieser Verstehenselemente als prädiktiv für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler (Drollinger-Vetter 2011). Auch das Lernen aus Lösungsbeispielen lässt sich als eine unterrichtliche Strategie begreifen, den relevanten Inhalt klarer und verständnisorientierter zu präsentieren. Insbesondere für das Lernen von mathematischen und naturwissenschaftlichen Inhalten hat sich das Lernen mit Lösungsbeispielen als wirksames Verfahren erwiesen. Während die Schülerinnen und Schüler im herkömmlichen Mathematikunterricht z. B. nach der Einführung eines Prinzips oder eines Verfahrens und einer Beispielaufgabe in der Regel damit konfrontiert werden, mehrere Aufgaben zu lösen, erfolgt bei der Arbeit mit Lösungsbeispielen nach einer ersten Einführung des Themas ein vergleichsweise ausführliches Studium von Aufgabenbeispielen, die bereits ganz oder teilweise gelöst sind. Die Lernenden werden also mit mehreren Lösungsbeispielen konfrontiert, die das zugrunde liegende Prinzip, Verfahren oder Lösungsschemata an mehreren Aufgaben und nicht – wie in vielen einführenden Abschnitten von Schulbüchern – an einer Aufgabe darstellen. Diese Arbeit mit Lösungsbeispielen basiert auf Annahmen der Cognitive-Load-Theorie, wonach eigene Lösungsversuche das Arbeitsgedächtnis so stark belasten, dass nur geringe Kapazitäten für das Ausbilden von Lösungsschemata verbleiben, während demgegenüber die Auseinandersetzung mit komplett oder partiell gelösten Aufgabenbeispielen das Augenmerk des Lernenden auf das Verstehen der Lösungsschritte und -­verfahren lenken. Die Forschung zeigt: Das Studieren und Analysieren von Lösungsbeispielen ist insbesondere dann effektiv, wenn die Lernenden über wenig Vorwissen verfügen, wenn sie mit Fragen und Prompts zur Reflexion und zu Selbsterklärungen angeregt werden, wenn die Lösungsbeispiele variiert werden und die Lernenden nach und nach einzelne Lösungsschritte selbst übernehmen, also Lücken im Lösungsprozess selbst füllen müssen (7 Kap. 1; Atkinson et al. 2000; Chi et al. 1989; Paas und Van Merrienboer 1994; Renkl et al. 1998, 2002). Lernende in Klassen, in denen die Zielklarheit und die Kohärenz des Physikunterrichts besonders deutlich ausgeprägt waren, berichteten über eine höhere intrinsische Motivation als Lernende in Klassen, in denen diese beiden Merkmale gering eingeschätzt wurden. In die gleiche Richtung weisen die Befunde von Schrader et al. (1997) aus der SCHOLASTIK-Studie. Hier zeigte die eingeschätzte Klarheit des Unterrichts ebenfalls einen positiven Zusammenhang mit der affektiven Entwicklung der Lernenden. Auch die Ergebnisse zweier aktueller Metaanalysen können die positiven Effekte inhaltlicher Klarheit auf affektiv-motivationale Aspekte des Lernens bestätigen (Titsworth et al. 2015). Die positiven Wirkungen inhaltlicher Klarheit auf affektiv-motivationale Variablen lassen sich zum einen mit der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985; 7 Kap. 7) erklären: In einem Unterricht, der sich durch eine hohe inhaltliche Klarheit auszeichnet, sollten Schülerinnen und Schüler eher den Eindruck haben, neue Kompetenzen und neues Wissen zu erwerben als in einem Unterricht, der inhaltlich unverständlich und unklar ist. Ein entsprechend höheres Kompetenzerleben dürfte wiederum mit einer höheren intrinsischen Motivation einhergehen. Eine zweite mögliche Erklärung fokussiert auf die Kontroll-Wert-Theorie der Leistungsemotionen (Pekrun ­ 2006; 7 Kap. 9). Demnach lässt sich davon ausgehen, dass mit einer höheren inhaltlichen Klarheit des Unterrichts eine höhere Kontrollüberzeugung, d. h. ein höherer Grad an subjektiv erlebter Kontrolle über die Leistungssituation einhergeht und der Leistungssituation ein höherer Wert zugeschrieben wird, was nach der Kontroll-Wert-Theorie zu einem günstigeren emotionalen Erleben beiträgt. Empirische Hinweise auf diesen Mechanismus liefert beispielsweise die Studie von Simonton et al. (2017). Mit einer höheren inhaltlichen Klarheit waren in dieser Studie ausgeprägtere Kontrollüberzeugungen und Wertüberzeugungen der Lernenden verbunden, die dann wiederum eine höhere Lernfreude und eine geringere Langeweile nach sich zogen. Motivational-affektive Zielvariablen Kognitive Zielvariablen Die Forschungslage zu den Effekten des Lernens mit Lösungsbeispielen auf affektiv-motivationale Variablen ist dünn (Stark 1999), sodass ein einheitlicher Trend derzeit nicht auszumachen ist. Hinsichtlich der inhaltlichen Klarheit des Unterrichts ist der Forschungsstand vergleichsweise konsistent. Hines et al. (1985) konnten in ihrer Studie z. B. nachweisen, dass eine höhere Klarheit des Unterrichts mit einer höheren Zufriedenheit der Lernenden einhergeht. Rodger et al. (2007) zeigten in ihrer experimentellen Studie, dass Studierende stärker motiviert sind, wenn die Klarheit des (Hochschul-)Unterrichts ausgeprägter ist. Die Studie von Seidel et al. (2005) konnte ebenfalls positive Effekte auf die Motivationsentwicklung feststellen: 4.2.3  Feedback Definition Feedback wird als jede Art von Rückmeldung verstanden, die sich auf die Leistung oder das Verständnis des Lernenden bezieht, diesen über die Richtigkeit seiner Antwort bzw. seiner Aufgabenlösung informiert (Mory 2004) oder ihm inhaltliche und/ oder strategische Hilfen und Informationen zu seinem Bearbeitungsprozess zur Verfügung stellt. Das Feedback kann von der Lehrperson, einem Mitschüler, dem Lernenden selbst oder einem Medium gegeben werden. 4 84 4 F. Lipowsky Bloße Bekräftigungen (Belohnungen, Lob, Tadel) ohne Bezug auf die erbrachte Leistung werden in der Regel nicht zum Feedback gezählt (Jacobs 2002; Mory 2004) und daher bei der folgenden Zusammenfassung nicht berücksichtigt. Feedback gilt als zentrale Komponente im Lehr- und Lernprozess. Aus kognitionspsychologischer Sicht hat Feedback eine informierende Funktion und soll dem Lernenden Fehler und Misskonzepte bewusst machen sowie die Kluft zwischen der aktuellen Leistung und dem aktuellen Verständnis auf der einen Seite und dem zu erreichenden Zielzustand auf der anderen Seite verringern (Hattie und Timperley 2007). Hierzu ist es erforderlich, dass den Lernenden der Zielzustand (feed-up) klar ist und dass das Feedback Antworten darauf gibt, wo man im Hinblick auf das angestrebte Lernziel steht (feed-back) und welche weiteren Schritte erforderlich sind, um dem angestrebten Ziel näher zu kommen (­ feed-forward). Wenn man sich dem Forschungsstand zunächst unter Heranziehung der großen Metaanalysen nähert, dann kann man schnell den Eindruck gewinnen, dass „Feedback geben“ per se positive Auswirkungen auf kognitive und motivationale Zielvariablen hat, so bedeutsam fallen die ermittelten durchschnittlichen Effektstärken aus (Hattie 2009; Hattie und Timperley 2007; Lysakowski und Walberg 1982; Scheerens und Bosker 1997). Doch der erste Eindruck täuscht. Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein recht uneinheitliches Bild (Kluger und DeNisi 1996; Shute 2008), das die Notwendigkeit einer weiteren Differenzierung aufzeigt und die Frage aufwirft, welche Merkmale von Feedback, aber auch welche Merkmale der Situation und des Lernenden dazu beitragen, dass sich Rückmeldungen lernförderlich auswirken. Die Feedbackforschung beschäftigt sich vor allem mit dem Lehrerfeedback auf Aufgaben, bei denen es eine richtige Antwort bzw. Lösung gibt. In Abhängigkeit von der Komplexität und der Elaboriertheit des Feedbacks werden verschiedene Formen unterschieden. Die einfachen Rückmeldungen informieren den Lernenden, ob seine Lösung bzw. seine Antwort richtig oder falsch war („knowledge of results“, KOR) und ggf. noch darüber, wie die richtige Antwort lautet („knowledge of correct results“, KCR). Zu den komplexen und elaborierteren Rückmeldeformen werden in der Regel Hinweise gezählt, die über die Nennung des richtigen Ergebnisses hinausgehen und dem Lernenden weitere Informationen, Hinweise und Erklärungen zur Verfügung stellen, die für das Verständnis der Aufgabenstellung, den Bearbeitungs- und Lösungsweg oder für den Nachvollzug der Lösung bzw. richtigen Antwort von Bedeutung sind (vgl. Jacobs 2002; Kulhavy und Stock 1989). Fasst man die Vielzahl von Studien zusammen und differenziert zusätzlich nach den Formen des Feedbacks, so zeigt sich ein etwas einheitlicheres Bild. Demzufolge haben Rückmeldungen, die lediglich darüber informieren, ob eine Antwort bzw. ein Ergebnis falsch oder richtig ist, in der Regel keinen Effekt auf die Lernleistung (Kluger und DeNisi 1996; Mory 2004). Sind mit der Rückmeldung dagegen Informationen verbunden, wie die korrekte Lösung lautet bzw. ist mit der Rückmeldung eine Fehlerkorrektur verbunden, so sind eher Effekte auf den Lernerfolg zu beobachten (z. B. Bangert-Drowns et al. 1991; Heubusch und Lloyd 1998). Formen elaborierten Feedbacks gelten einfacheren Formen des Feedbacks grundsätzlich zwar als überlegen (Bangert-Drowns et al. 1991; Kluger und DeNisi 1996), doch geht man heute davon aus, dass für die positiven Effekte elaborierter Feedbackformen weitere Variablen eine Rolle spielen, über deren Zusammenspiel noch wenig bekannt ist. Hierzu zählen z. B. die Komplexität der Aufgabe und verschiedene Merkmale der Lernenden, wie z. B. deren Vorwissen und deren Umgang mit dem gegebenen Feedback. Auch die Adaptivität und Spezifität des elaborierten Feedbacks spielen offenbar eine wichtige Rolle: Generell gilt zwar, dass spezifisches Feedback allgemein gehaltenen Rückmeldungen überlegen ist, jedoch scheint es auch hier Moderatorvariablen zu geben, die die Wirkungen der Spezifität von Feedback beeinflussen (Shute 2008). So zeigt beispielsweise die Studie von Smits, Boon, Sluijsmans und Van Gog (2008), dass leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler von einem globalen Feedback mehr profitieren als von einem elaborierten Feedback. Insbesondere wenn Feedback mehr Informationen enthält als zur Korrektur eigentlich notwendig sind, kann elaboriertes und komplexes Feedback auch schädlich sein (Mory 2004), da dadurch das Arbeitsgedächtnis der Lernenden unnötig belastet und wertvolle Lernzeit mit vergleichsweise irrelevanten Hinweisen gebunden wird. Dies ist z. B. bei einfachen Aufgabenstellungen, die lediglich die Wiedergabe von Fakten erfordern, der Fall. Elaborierteres Feedback scheint vor allem bei Aufgabenstellungen, die den Erwerb von Regeln und Konzepten intendieren und komplexeres Denken erfordern, wirksamer zu sein als wenig informatives Feedback (Huth 2004; Krause et al. 2004; Moreno 2004). Auch für selbstgesteuertes Lernen spielt elaboriertes Feedback offenbar eine wichtige Rolle: Van den Boom et al. (2007) berichten über entsprechend positive Effekte eines sogenannten suggestiven Feedbacks, das Hinweise auf Fehler und Probleme enthält, ohne dass jedoch direkte Hinweise gegeben werden, worin das Problem bzw. der Fehler besteht. Nach den Ergebnissen von Vollmeyer und Rheinberg (2005) kann sogar schon die Ankündigung von Feedback ausreichen, um Lernende zu einer systematischeren Anwendung von Strategien anzuregen und damit zu besseren Leistungen zu bewegen. Was Merkmale der Lernenden anbelangt, verdeutlichen verschiedene Studien, dass der Lernerfolg als Folge von Feedback abhängig ist vom Vorwissensstand des Lernenden. Insbesondere bei geringerem Vorwissen sind höhere Effekte von Feedback zu erwarten (Jacobs 2002). Für leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler kann unvollständiges 85 Unterricht Feedback effektiver sein kann als für leistungsschwächere, die demgegenüber eher von vollständigem Feedback profitieren (Mory 2004). Dies lässt sich mit dem „­ expertise-reversal-Effekt“ (Kalyuga 2005, 2007; Kalyuga et al. 2001) in Verbindung bringen, wonach Unterstützung seitens der Lehrperson, die für Lernende mit geringem Vorwissen wichtig und lernförderlich ist, für Lernende mit hohem Vorwissen schädlich sein kann (7 Abschn. 4.2.10). Aus einer konstruktivistischen Perspektive sind die Wahrnehmung sowie der Umgang mit und die Nutzung von Feedback relevante mediierende Faktoren für dessen Wirkungen. Harks et al. (2014) zeigen beispielsweise, dass prozessorientiertes Feedback im Vergleich zu einem notenzentrierten Feedback – vermittelt über die von den Lernenden wahrgenommene Nützlichkeit – den mathematischen Leistungszuwachs positiv vorhersagen kann. Feedbackmodelle und Forschungsbefunde im Kontext des selbstgesteuerten Lernens unterstreichen, dass die Nutzung und die Effekte von Feedback nicht nur von kognitiven, sondern auch von metakognitiven und affektiv-motivationalen Voraussetzungen der Lernenden, ­ wie z. B. den Zielorientierungen, den Kontroll- und Kompetenzüberzeugungen und dem Selbstkonzept abhängig sind (Butler und Winne 1995; Mory 2004; Narciss 2004; 7 Kap. 8). Baadte und Schnotz (2014) weisen beispielsweise nach, dass Feedback auf die Leistungen von Lernenden mit einem hohen Selbstkonzept auch negative Wirkungen haben kann. Erklärt wird dies damit, dass Feedback mit Verbesserungshinweisen auf Lernende mit einem positiv geprägten Bild von den eigenen Fähigkeiten verunsichernd und bedrohlich wirken kann und dass diese Lernenden dann eher damit beschäftigt sind, ihr positives Bild von sich zu erhalten als sich um die Lernaufgabe zu kümmern. Welche Eigenschaften des Feedbackgebers für die Wahrnehmung, die Akzeptanz, die Nutzung und die Wirkungen von Feedback relevant sind, wird vor allem im Kontext von Peer-Feedback-Studien untersucht. Forschungsbefunde deuten auf komplexere Interaktionen zwischen den Kompetenzen des Feedbackgebers, der Beschaffenheit und den Inhalten des Feedbacks sowie Merkmalen (Wahrnehmungen, Überzeugungen und Kompetenzen) des Feedbackempfängers hin (Patchan und Schunn 2015, 2016; Berndt et al. 2018). In der Studie von Schünemann et al. (2017) erwies sich die Qualität von Peer Feedback als entscheidender Einflussfaktor für die nachhaltigen Effekte eines Selbstregulationstrainings auf die Anwendung von Lesestrategien und das Leseverständnis. Auch der Zeitpunkt der Rückmeldung kann die Wirkungsweise des elaborierten Feedbacks beeinflussen. In einigen Studien zeigte sich, dass sofortige Lehrerrückmeldungen im Unterricht grundsätzlich wirksamer sind als aufgeschobene bzw. verzögerte Rückmeldungen (Kulik und Kulik 1988; Heubusch und Lloyd 1998; Dihoff et al. 2003). In anderen Studien ergab sich jedoch auch eine Wechselwirkung zwischen dem Zeitpunkt des Feedbacks und der Aufgabenschwierigkeit: Demnach kann bei anspruchsvollen Aufgabenstellungen verzögertes Feedback wirksamer sein als bei einfachen Aufgabenstellungen (Hattie und Timperley 2007). Hattie und Timperley (2007) differenzieren vier Ebenen der Rückmeldung. Feedback kann sich auf die Aufgabe, auf den Verarbeitungsprozess, auf die Ebene der Selbstregulation und/oder auf die Ebene des Lernenden beziehen. Als Fazit ihrer Metaanalyse zur Wirksamkeit von Feedback formulieren die Autoren: Feedback ist wirksamer, wenn es aufgaben-, prozess- und selbstregulationsbezogene Hinweise verknüpft und enthält. Aufgabenbezogenes Feedback bezieht sich darauf, wie gut eine Aufgabe gelöst oder verstanden worden und was ggf. noch fehlerhaft ist. Es setzt allerdings voraus, dass Lernende bereits über ausreichendes Verständnis und Vorwissen verfügen. Wenn dieses fehlt, ist eine Erklärung und nochmalige Instruktion effektiver als ein Feedback. Feedback auf der Ebene des Verarbeitungsprozesses ist insbesondere dann wirksam, wenn es hilft, Fehler zu identifizieren, weitere Informationen zu sammeln und Strategien zu verwenden bzw. zu optimieren. Feedback zum Prozess der Selbstregulation fokussiert vor allem auf metakognitive Tätigkeiten des Lernenden und umfasst Hinweise und Hilfen, wie der Lernende sein Lernen selbst planen, regulieren und bewerten kann. Es ist vor allem dann effektiv, wenn es zu einer größeren Anstrengungsbereitschaft und zu einer höheren Selbstwirksamkeit des Lernenden beiträgt. Feedback, das sich lediglich auf die Person des Lernenden oder auf seine generelle Leistung bezieht und keine spezifischen Angaben zur Aufgabe, dem Prozess und der Regulation macht, gilt als vergleichsweise unwirksam, da es die Aufmerksamkeit des Lernenden zu sehr auf die eigene Person und damit auf aufgabenirrelevante Aspekte lenkt (Hattie und Timperley 2007). Ein Blick in die Unterrichtspraxis zeigt, dass das Potenzial von Feedback von Lehrpersonen offenbar nur selten genutzt wird. Lehrpersonen geben vergleichsweise häufig unspezifische Rückmeldungen und loben, ohne auf die Besonderheiten der Aufgabenbearbeitung oder auf individuelle Lernfortschritte Bezug zu nehmen (vgl. Lotz 2015; Pauli 2010; Voerman et al. 2012). Motivationale Zielvariablen Positive Wirkungen von Feedback auf motivationale Variablen lassen sich u. a. mit der ­ CognitiveEvaluation-Theorie erklären (Deci et al. 1999). Feedback kann sich dementsprechend über zunehmende Anstrengung, höheres Engagement, geringere Unsicherheiten und wachsendes Kompetenzerleben auf die Motivation und die Selbstwirksamkeit der Lernenden auswirken (Hattie und Timperley 2007), da die Lernenden durch Feedback Informationen über die Wirkungen ihrer Lernhandlungen erhalten und ihre Anstrengungen beachtet und gewürdigt sehen, wodurch sich ihr Kompetenzgefühl und ihre Lernfreude steigern lassen. 4 86 4 F. Lipowsky Die Forschungslage zu den motivationalen Wirkungen von aufgabenbezogenem Feedback fällt allerdings uneinheitlich aus. Einerseits berichten verschiedene Studien, dass aufgabenorientiertes Feedback die Motivation und das Interesse steigert (z. B. Butler 1987). Andere Studien dagegen können keine positiven bzw. keine direkten Effekte des Feedbacks auf affektiv-motivationale Variablen absichern (z. B. Krause und Stark 2004). Die Studie von Vollmeyer und Rheinberg (2005) zeigt indirekte Effekte des Feedbacks über die angewandten Strategien auf die Motivation, die Studie von Harks et al. (2014) indirekte Effekte prozessorientierten Feedbacks im Vergleich zu notenzentriertem Feedback über die wahrgenommene Nützlichkeit auf die Entwicklung mathematischen Interesses. Auch wenn man verschiedene Feedbackformen miteinander vergleicht, wird die Befundlage nicht klarer. Offenbar wird der Zusammenhang zwischen Feedback und Motivation von weiteren Drittvariablen moderiert. Narciss (2004) untersuchte in mehreren Studien die Auswirkungen des Informationsgehalts von Feedback auf kognitive und motivationale Variablen. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass die motivationsförderlichen Wirkungen eines elaborierteren informativen Feedbacks nicht salient werden, wenn die Lernenden einer intensiven Aufgabenbearbeitung aus dem Weg gehen können. Wenn die Lernenden jedoch gezwungen sind, sich eine bestimmte Zeit mit den Aufgaben auseinanderzusetzen, werden positive Wirkungen eines informationshaltigen Feedbacks wahrscheinlicher. Unterrichtsstudien, wie die von Kunter (2005) und Elawar und Corno (1985), zeigen positive Effekte des Feedbacks auf affektiv-motivationale Zielvariablen. Kunter (2005) wies bei der Reanalyse der deutschen TIMSS-Videos nach, dass sich die von den Lernenden wahrgenommene Rückmeldequalität der Lehrperson positiv auf die Interessensentwicklung auswirkte, und zwar auch nach Kontrolle der individuellen Lernvoraussetzungen der Lernenden und der Kontextbedingungen der jeweiligen Klasse. Elawar und Corno (1985) untersuchten, wie Lehrerrückmeldungen auf Hausaufgaben die Leistung und Motivation der Lernenden beeinflussen. Hierzu wurde eine Experimentalgruppe von Mathematiklehrpersonen in einem aufwendigen Training fortgebildet. Die ausführlichen Lehrerrückmeldungen bestanden aus emotional-motivationalen und ­ sachlich-inhaltsbezogenen Komponenten. Verglichen wurden diese ausführlichen Rückmeldungen mit einfachen Rückmeldungen, die die Lernenden nur darüber informierten, wie viele Aufgaben sie richtig bearbeitet hatten. Das ausführlichere Feedback zeigte positive Effekte sowohl auf die Leistungen als auch auf das Selbstkonzept, die Lernfreude und auf die Einstellungen der Lernenden zur Lehrperson und zur Schule. 4.2.4  Kooperatives Lernen Kognitive Zielvariablen Sowohl im deutschen wie auch im angloamerikanischen Sprachraum wird der Begriff „kooperatives Lernen“ bzw. „cooperative learning“ nicht einheitlich verwendet. Pauli und Reusser (2000) verstehen unter kooperativem Lernen „Lernarrangements, die eine … koordinierte, ko-konstruktive Aktivität der Teilnehmer/innen verlangen, um eine gemeinsame Lösung eines Problems oder ein gemeinsam geteiltes Verständnis einer Situation zu entwickeln“ (Pauli und Reusser 2000, S. 421). Mit K ­ o-Konstruktion ist gemeint, dass Lernende durch den gegenseitigen Austausch neues Wissen aufbauen, ein neues Verständnis oder neue ­Aufgaben- oder Problemlösungen entwickeln, die vorher in dieser Form bei keinem der Lernenden verfügbar waren. Zu beachten ist, dass kooperatives Lernen nicht einfach gleichzusetzen ist mit jeder x-beliebigen Form von Gruppenarbeit. Unter Berücksichtigung der umfangreichen Literatur werden immer wieder folgende zentrale Bestimmungsmerkmale genannt, die kooperatives Lernen im engeren Sinne kennzeichnen (Johnson et al. 2000). Zentrale Bestimmungsmerkmale kooperativen Lernens 5 Grundlegend für kooperatives Lernen ist eine positive Interdependenz (wechselseitige Abhängigkeit) der Lernenden. Das bedeutet: Den Lernenden sollte bewusst sein, dass sie die Aufgabe nur zusammen lösen können. Bekräftigungen wie „Wir sitzen alle in einem Boot“ oder „Wir ziehen am gleichen Strang“ drücken diese positive Interdependenz aus. 5 Dies impliziert auch, dass jedes Gruppenmitglied eine individuelle Verantwortung für den Arbeitsprozess in der Gruppe übernimmt. Die Unterrichtspraxis sieht jedoch häufig anders aus: Oft arbeiten nur einige wenige an der Aufgabenstellung, die anderen „tauchen ab“ oder klinken sich ganz aus dem Arbeitsprozess aus (Renkl et al. 1996). 5 Kooperatives Lernen lebt von der ­Face-to-Face-Kommunikation zwischen den Lernenden, von Formen gegenseitiger Unterstützung und wechselseitiger Rückmeldung. 5 Soziale Fähigkeiten sind gleichsam Voraussetzung und Ziel kooperativen Lernens. Ohne ein Minimum an vorhandenen Fertigkeiten und Fähigkeiten ist kooperatives Lernen kaum realisierbar. Gleichzeitig dient kooperatives Lernen jedoch auch dem Aufbau sozialer Kompetenzen. 5 Die fünfte Komponente bezieht sich auf metakognitive und reflexive Tätigkeiten der Lernenden. Kooperatives Lernen im engeren Sinne beinhaltet, dass die Lernenden darüber nachdenken, welche Tätigkeiten und Arbeitsschritte hilfreich sind und wie sie ggf. ihren Arbeitsprozess modifizieren müssen. 87 Unterricht Dem kooperativen Lernen in den USA und auch in anderen Ländern liegen langjährig entwickelte und erprobte Konzepte zugrunde. Diese lassen sich u. a. nach ihrer Belohnungs-/Bewertungs- und nach ihrer Aufgabenstruktur systematisieren. Hinsichtlich der Belohnung bzw. der Bewertung wird zwischen Konzepten unterschieden, bei denen die Gruppen aufgrund der individuellen Leistungen ihrer Mitglieder belohnt bzw. bewertet werden und solchen Konzepten, bei denen entweder keine Belohnung bzw. Bewertung erfolgt oder die Belohnung bzw. Bewertung nur für das Gruppenergebnis, unabhängig von den Leistungen der einzelnen Mitglieder, gegeben wird. Hinsichtlich der Aufgabenstruktur lassen sich Konzepte voneinander abgrenzen, die sich im Grad der Vorstrukturierung, der Aufteilung der Aufgaben und auch in ihrer Wirksamkeit unterscheiden (Johnson et al. 2000). Zwei bedeutsame Konzepte kooperativen Lernens werden in den folgenden Exkursen vorgestellt. Beim STAD-Konzept erfolgt eine Gruppenbelohnung aufgrund individueller Leistungen der Gruppenmitglieder, dagegen wird auf eine Vorstrukturierung der Aufgaben in der Regel verzichtet. Beim zweiten hier vorgestellten Konzept, dem Jigsaw (Gruppenpuzzle), erfolgt dagegen keine Belohnung der Leistungen, dagegen sind die Aufgaben vorstrukturiert. Was den Forschungsstand zum kooperativen Lernen insgesamt anbelangt, so zeigen die großen Metaanalysen zunächst ein relativ konsistentes Bild: Kooperative Lernsituationen sind individualisierten und kompetitiven Lernsituationen überlegen (Apugliese und Lewis 2017; Hattie 2009; Johnson et al. 2000; Kyndt et al. 2013; Rohrbeck et al. 2003). Die Überlegenheit kooperativer Lernformen gegenüber individualisierten Lernformen lässt sich auch durch Studien nachweisen, bei denen das Lernen durch mobile digitale Geräte unterstützt wird (Sung et al. 2017). Obwohl die Forschungslage auf den ersten Blick einheitlich zu sein scheint, stellt man bei näherer Betrachtung fest, dass die mittleren Effektstärken in den verschiedenen Metaanalysen erheblich variieren und dass auch innerhalb der jeweiligen Metaanalysen die Effektstärken der einzelnen Studien breit streuen. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Effekte kooperativen Lernens von weiteren Bedingungen beeinflusst werden. Die Metaanalyse von Rohrbeck et al. (2003) konnte eine Reihe solcher Drittvariablen identifizieren, die die Effektivität des „peer-assisted learning“ (PAL), bei dem sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig in Gruppen unterrichten, moderieren. Demnach fallen die Ergebnisse für diese Art des kooperativen Lernens dann günstiger aus, wenn die Lernenden in gleichgeschlechtlichen Gruppen zusammenarbeiten, wenn das Ziel der Arbeit von den Lernenden festgelegt wird und wenn die Arbeit Freiheitsgrade für die Lernenden eröffnet. Besonders hoffnungsvoll stimmen Befunde, die darauf hindeuten, dass insbesondere sozial benachteiligte Kinder von dieser Art des Lernens profitieren. Die Metaanalyse von Kyndt et al. (2013) kommt nach der Auswertung neuerer Studien zu dem Ergebnis, dass die Effekte kooperativen Lernens für Schülerinnen und Schüler im Grundschulalter höher sind als für ältere Lernende und dass in individualistisch orientierten westlichen Gesellschaften mit schwächeren Effekten gerechnet werden muss als in kollektivistisch orientierten Kulturen, wie sie z. B. in asiatischen Ländern vorherrschend sind. Weitere Studien beschäftigten sich mit den Effekten der Gruppenzusammensetzung auf den Lernerfolg. Eine heterogene Zusammensetzung der Gruppe kommt offenbar insbesondere den schwächeren Schülerinnen und Schülern zugute (Lou et al. 1996; Webb et al. 1998). Erklärt wird dies mit den elaborierteren Erklärungen und Beiträgen der stärkeren Mitglieder der Gruppen, aber auch mit einem aktiveren Lernverhalten der schwächeren Schülerinnen und Schüler in heterogenen Gruppen (Fawcett und Garton 2005; Fuchs et al. 1996). Für leistungsdurchschnittliche Schülerinnen und Schüler zeichnet sich dagegen ab, dass ihr Lernerfolg in heterogenen Gruppen eher geringer ausfällt als in homogenen Gruppen, für leistungsstarke Lernende differieren die Befunde (Webb et al. 1998; Lou et al. 1996). Letztere erzielen in heterogenen Gruppen offenbar dann einen vergleichsweise hohen Lerngewinn, wenn eine intensive, freundliche und von gegenseitiger Unterstützung geprägte Arbeitsatmosphäre vorherrscht (Webb et al. 2002). Das letztgenannte Ergebnis zeigt, dass für das Gelingen kooperativen Lernens die Interaktionsqualität eine wichtige Rolle spielt (Battistich et al. 1993; Bleck und Lipowsky im Druck; Hijzen et al. 2007; Webb 2008). In einer Studie mit Studierenden wiesen Jurkowski und Hänze (2010) nach, dass auch die Kooperationsfähigkeit der Lernenden einen Einfluss auf deren Lernerfolg hat, der partiell über das transaktive Interaktionsverhalten vermittelt wird. Mit transaktivem Interaktionsverhalten ist gemeint, wie intensiv die Lernenden aufeinander Bezug nehmen und Beiträge der anderen Gruppenmitglieder aufgreifen und weiterentwickeln. Ergebnisse der productive-failure-Forschung (7 Abschn. 4.1.3, „Konstruktivistische Ansätze“) deuten zudem daraufhin, dass nicht nur die Qualität und das Niveau der kooperativen Arbeitsphase für den Lernerfolg bedeutsam sind, sondern auch, wie auf die Ergebnisse dieser Phase in der anschließenden Instruktionsphase eingegangen wird. Die entsprechende Forschung verdeutlicht, dass die eigenständige Bearbeitung von Problemen in Kleingruppen im Vergleich zu direkter Instruktion insbesondere dann erfolgversprechend ist, wenn die in der kooperativen Phase generierten Lösungsansätze anschließend aufgegriffen und mit einem/dem korrekten Lösungsansatz verglichen werden (Kapur 2

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