Umsatzsteuer-Grundfall: Ausgangsleistungen PDF
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This document is a study guide for Umsatzsteuer (Value Added Tax) in Germany. It covers various topics within the subject and details the elements required for understanding the legislation.
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Umsatzsteuer Grundfall: Ausgangsleistungen Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Autor: examio GmbH © examio GmbH - 26.02.2024 INHALTSVERZEICHNIS 1 Grundfall: Ausgangsleistungen 1.1 8 Unternehmer 8 1.1.1 Allgemein 8 1.1.2 Steuerfähigkeit/Arten von Unternehmern 10...
Umsatzsteuer Grundfall: Ausgangsleistungen Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Autor: examio GmbH © examio GmbH - 26.02.2024 INHALTSVERZEICHNIS 1 Grundfall: Ausgangsleistungen 1.1 8 Unternehmer 8 1.1.1 Allgemein 8 1.1.2 Steuerfähigkeit/Arten von Unternehmern 10 1.1.2.1 Natürliche Personen und Gesellschaften 10 1.1.2.2 Sonderfall: juristische Personen des öffentlichen Rechts 11 1.1.2.3 Sonderfall: Personenzusammenschlüsse/ Personengesellschaften 13 Diffenzierung: Innengesellschaft/Außengesellschaft 1.1.3 Gewerbliche und berufliche Tätigkeit 17 1.1.3.1 Allgemeines 17 1.1.3.2 Tätigkeit 18 Sonderfall: Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen Nachhaltigkeit Einnahmeerzielungsabsicht 1.1.4 Selbstständige Ausübung 21 Sonderfall: geschäftsführender Gesellschafter 1.1.5 Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft 23 Beginn der Unternehmereigenschaft Ende der Unternehmereigenschaft Klassische Klausurfallen 1.1.6 Sonderfall: Umsatzsteuerliche Organschaft 27 Finanzielle Eingliederung Wirtschaftliche Eingliederung Organisatorische Eingliederung Fallbeispiel 1.2 Im Rahmen seines Unternehmens 34 1.3 Umsatzsteuerliche Leistungen 34 1.3.1 Lernziele und Prüfungsrelevanz 34 1.3.2 Allgemeines 35 1.3.3 Lieferung 38 1.3.3.1 Allgemeines 38 Leasing Fallbeispiel © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 1 von 195 1.3.3.2 Verschaffung der Verfügungsmacht und zivilrechtlicher Eigentumsübergang 41 Grundfall: Einigung und Übergabe bzw. Auflassung Sonderfall: Übergabesurrogate Sonderfall: Eigentumsvorbehalt Fallbeispiel Sonderfall: Sicherungsübereignung 1.3.3.3 Besondere Arten der Lieferung 46 Innergemeinschaftliches Verbringen Entnahmen, Sachzuwendungen, andere unentgeltliche Zuwendungen Kommissionsgeschäft gem. § 3 Abs. 3 UStG Elektronische Lieferungen gem. § 3 Abs. 3a UStG Werklieferung § 3 Abs. 4 UStG Gehaltslieferung § 3 Abs. 5 UStG 1.3.4 Sonstige Leistung 56 Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung Unentgeltliche Wertabgaben § 3 Abs. 9a UStG Werkleistung gem. § 3 Abs. 10 UStG Allgemeines Abgrenzung Werklieferung und Werkleistung (Dienst-)Leistungskommission gem. § 3 Abs. 11 UStG Fallbeispiel Elektronische Leistungen gem. § 3 Abs. 11a UStG Sonderfall: Tauschgeschäfte 1.3.5 Sonderfall: Gutscheine 72 Einzweck-Gutscheine Allgemeines Sonderfall: Einzweck-Gutscheine in Vertriebsketten Ort der Leistung Bemessungsgrundlage Steuerentstehung Mehrzweck-Gutscheine Allgemeines Sonderfall: Mehrzweck-Gutscheine in Vertriebsketten Ort der Leistung © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 2 von 195 Bemessungsgrundlage Steuerentstehung 1.4 Im Inland (Ort der Leistung) 78 1.4.1 78 Allgemeines Gebietsbegriffe Fallbeispiel 1.4.2 Ort der Lieferung 82 1.4.2.1 Allgemeines 82 1.4.2.2 Ort der Lieferung beim Fernverkauf (§ 3c UStG) 83 Ort der Lieferung beim Fernverkauf (§ 3c UStG) 1.4.2.3 Ort der Lieferung im Zusammenhang mit Beförderungen (§ 3e UStG) 86 Ort der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte (§ 3g UStG) 87 1.4.2.5 Ort der Lieferung von bewegten Lieferungen (§ 3 Abs. 6 UStG) 88 1.4.2.6 Ort der Lieferung bei Reihengeschäften (§ 3 Abs. 6a UStG) 92 1.4.2.4 1.4.2.6.1 Fallvarianten bei Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet: 95 Fall 1 1. Variante: Unternehmer A übernimmt die Beförderung 1.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 1.2 Betrachtung der ruhenden Lieferung von B an C 2. Variante: Unternehmer B übernimmt die Beförderung als Abnehmer und Lieferer 3. Variante: Unternehmer B übernimmt die Beförderung als Lieferer: 3.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 3.2 Betrachtung der ruhenden Lieferung von A an B Fall 2 1. Variante: Unternehmer A übernimmt die Beförderung, B und C verwenden ihre USt-IdNr. aus Österreich. : 1.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 1.2 Betrachtung der ruhenden Lieferung von B an C 2. Variante: Unternehmer B übernimmt die Beförderung als Abnehmer und Lieferer gem. § © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 3 von 195 3 Abs. 6a Satz 4 1 HS UStG 3. Variante: Unternehmer C übernimmt die Lieferung und B tritt mit seiner USt-IdNr. aus DL auf. 3.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 3.2.Betrachtung der ruhende Lieferung A an B 1.4.2.6.2 Reihengeschäfte über die Grenzen in und aus dem Drittland 99 Fall 1 1. Variante: Unternehmer A übernimmt die Beförderung 1.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 1.2 Betrachtung der unbewegten Lieferung: 2. Variante: Unternehmer B übernimmt die Beförderung als Abnehmer 2.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 2.2 Betrachtung der unbewegten Lieferung: 3. Variante: Unternehmer C übernimmt die Lieferung 3.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 3.2 Betrachtung der unbewegten Lieferung: Fall 2 1. Variante: Unternehmer A übernimmt die Beförderung, Unternehmer C fertigt die Ware zum zoll- und steuerrechtlichen freien Verkehr ab 1.1 Betrachtung der bewegten Lieferung: 1.2 Betrachtung der unbewegten Lieferung: 2. Variante: Unternehmer A übernimmt die Beförderung, Unternehmer A fertigt die Ware zum zoll- und steuerrechtlichen freien Verkehr ab 2.1. Betrachtung der bewegten Lieferung: 2.2 Betrachtung der unbewegten Lieferung: 1.4.2.7 Ort der Lieferung, bei Lieferungen mittels Schnittstellenbetreiber (§ 3 Abs. 6b UStG) 103 Innergemeinschaftliche Fernverkäufe mittels elektronischer Schnittstellen (fingierte Reihengeschäfte) Drittlands- Fernverkäufe mittels elektronischer Schnittstellen (fingierte Reihengeschäfte) © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 4 von 195 1.4.2.8 Ort der Lieferung von ruhenden Lieferungen (§ 3 Abs. 7 UStG) 107 Fallbeispiele 1.4.3 1.4.2.9 Ort der Lieferung bei Einfuhren (§ 3 Abs. 8 UStG) 110 1.4.2.10 Sonderfall: Ort der Werklieferung 111 1.4.2.11 Sonderfall: Ortsbestimmung im Kommissionsgeschäft 112 Ort der sonstigen Leistung 113 Ort der Beförderungsleistung (§ 3b UStG) Ort der Restaurationsleistung Ort der sonstigen Leistung (§ 3a UStG) Allgemeines § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG (Grundstücksumsätze) § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG (kurzfr. Vermietung von Beförderungsmitteln) § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG (kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche u.a. Leistungen) § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG (Vermittlungsleistungen) Fallbeispiel § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG (Einräumung von Eintrittsberechtigungen) Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 4 UStG (Nicht-Unternehmer im Drittlandsgebiet) Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 5 UStG (Telekommunikationsleistungen) Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 6 UStG Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 7 UStG Ort der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 8 UStG 1.5 Gegen Entgelt 128 Grundsätze des umsatzsteuerlichen Leistungsaustausches Sonderfall: Schadensersatz Sonderfall: Gesellschafterbeiträge 1.6 Steuerbefreiungen 132 1.6.1 Allgemeines 132 1.6.2 Der Katalog von § 4 UStG 133 1.6.2.1 Allgemeines 133 1.6.2.2 § 4 Nr. 1 a) UStG (Ausfuhrlieferung und Lohnveredelung) 133 Ausfuhrlieferungen gem. § 6 UStG Lohnveredelungen gem. § 7 UStG 1.6.2.3 § 4 Nr. 1 b) UStG (innergemeinschaftliche Lieferung) © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) 138 Seite 5 von 195 1.6.3 1.7 1.6.2.4 § 4 Nr. 4a UStG (Umsatzsteuerlager) 138 1.6.2.5 § 4 Nr. 4b UStG 140 1.6.2.6 § 4 Nr. 4c UStG (Leistungen über elektronische Schnittstellen) 141 1.6.2.7 § 4 Nr. 5 und Nr. 11 UStG (Vermittlungsleistungen) 141 1.6.2.8 § 4 Nr. 8 UStG (Finanzdienstleistungen) 143 1.6.2.9 § 4 Nr. 12 UStG (Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken) 143 1.6.2.10 § 4b UStG (innergemeinschaftlicher Erwerb) 145 1.6.2.11 § 5 UStG (Einfuhr) 146 Der Katalog von § 4 US 146 Option nach § 9 UStG 146 Exkurs zum Belegenheitsprinzip des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG 1.8 Steuerliche Bemessungsgrundlage 150 1.8.1 Allgemeines 150 1.8.2 Steuerliche Bemessungsgrundlage nach § 10 UStG 150 Grundfall: Entgelt als Bemessungsgrundlage Sonderfall: Pfandschein Sonderfall: Tauschähnlicher Umsatz Sonderfall: unentgeltliche Wertabgaben Sonderfall: Mindestbemessungsgrundlage 1.8.3 Bemessungsgrundlage für die Einfuhr 157 1.8.4 Bemessungsgrundlage für Reiseleistungen 158 1.8.5 Bemessungsgrundlage für Differenzbesteuerung 158 1.8.6 Differenzbesteuerung nach §25 a UStG 158 Allgemeines Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich Bemessungsgrundlage nach Einzeldifferenz - § 25a Abs. 3 UStG Steuersatz Rechnungsstellung und Aufzeichnungspflichten Verzicht auf die Anwendung der Differenzbesteuerung - § 25a Abs. 8 UStG 1.9 Steuersätze 1.10 Entstehung der Steuer 163 164 Einfuhrumsatzsteuer Sonderfälle nach § 13b UStG 1.11 Steuerschuldner © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) 167 Seite 6 von 195 Sonderfälle: Wechsel der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 5 UStG Fallbeispiele 1.12 Geschäftsveräußerung im Ganzen 176 1.12.1 Grundlagen 176 1.12.2 Voraussetzungen 178 Fallbeispiel Die Übertragung einer Taxi-Konzession Rechtsfolgen 1.13 Sonderfall: Private PKW-Nutzung 181 1.14 Sonderfall: Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken 184 1.14.1 Verzicht auf die Steuerbefreiung gem. § 9 UStG 186 Verzicht auf die Steuerbefreiung gem. § 9 UStG Steuerschuldnerschaft Überblick über die Grundstücksumsätze Zusammenfassung: a) Lieferungen von Grundstücken b) Errichtung eines Gebäudes (Werklieferungen) c) Nutzung eines Grundstücks © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 7 von 195 1 Grundfall: Ausgangsleistungen www.steuerkurse.de/go/884428c Die Prüfung einer Ausgangsleistung beginnt im Grundfall mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG. Vorliegen muss demnach zunächst ein steuerbarer Ausgangsumsatz. Ein Unternehmer muss eine Lieferung oder sonstige Leistung im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens erbringen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG umfasst damit fünf Prüfungspunkte: METHODE 1. 2. 3. 4. 5. Unternehmereigenschaft § 2 UStG; Im Rahmen seines Unternehmens; Lieferung oder sonstige Leistung; Entgeltlichkeit; Im Inland = Ort der Leistung VORSICHT Die Prüfung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG entspricht damit Prüfungsziffer 1. des dargestellten Prüfungsschemas. Die Prüfung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz UStG ist damit mit der (inzidenten) Prüfung von anderen Paragraphen (bspw. § 2 UStG) verzahnt. Die entsprechenden damit zusammenhängenden Probleme sind sauber auf den jeweiligen Prüfungsebenen zu prüfen. 1.1 1.1.1 Unternehmer Allgemein Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff ist in § 2 UStG geregelt. Unternehmer ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 8 von 195 beruflich ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen fehlt. Die Gewerblichkeitsdefinition im UStG unterscheidet sich damit von der des EStG in § 15 Abs. 2 EStG. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist für die Begründung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft nicht erforderlich. Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff ist sehr weit gefasst. Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG können natürliche und juristische Personen, aber auch Personenzusammenschlüsse sein. Sie erhalten nun zunächst eine Übersicht zum Unternehmer in der Umsatzsteuer: www.steuerkurse.de/go/a3160c9 Die Prüfung der Unternehmereigenschaft erfolgt demnach nach drei Kriterien: 1. Steuerfähigkeit, 2. Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit, 3. Selbstständigkeit Im Zusammenhang mit der Prüfung dieser Merkmale können bestimmte Problem-/Themenkreise zu © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 9 von 195 erörtern sein. Das nachfolgende Schema fasst dies einmal zusammen: 1.1.2 Steuerfähigkeit/Arten von Unternehmern 1.1.2.1 Natürliche Personen und Gesellschaften Steuerpflichtiger/Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG können grundsätzlich natürliche Personen, juristische Personen des privaten Rechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts und Personenzusammenschlüsse sein (A. 2.1 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Natürliche Personen stellen die größte Gruppe an Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne dar. Es kann auch eine geschäftsunfähige (§ 104 BGB) oder beschränkt geschäftsfähige (§ 106 BGB) natürliche Person Unternehmer sein. Jede natürliche Person ist dabei grundsätzlich getrennt als Unternehmer zu behandeln. So können beide Ehegatten jeweils umsatzsteuerliche Unternehmer sein. Eine „Zusammenfassung“ zu einem umsatzsteuerlichen Unternehmern nur aufgrund des gesetzlichen Familienstands erfolgt nicht. Ein Insolvenzverwalter ist als gesetzlicher Vertreter des Schuldners tätig, sodass dieser selbst Unternehmer im Sinne des UStG bleibt (A. 2.1 Abs. 7 Satz 1 UStAE). Juristische Personen des privaten Rechts (bsp. AG, GmbH) sind stets selbständig (A. 2.2 Abs. 6 Satz 1 UStAE). Sie sind immer dann als Unternehmer tätig, wenn sie durch wirtschaftliche Leistungen nach außen in Erscheinung treten und damit Lieferungen oder sonstige Leistungen für ihr Unternehmen erbringen. Einen Sonderfall stellen juristische Personen des öffentlichen Rechts dar; für diese gilt die Sonderregelung des § 2b UStG (siehe nachstehend). © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 10 von 195 Bei Gesellschaften aus dem Handelsrecht (OHG, KG) kann der Umstand, dass es sich um Personenhandelsgesellschaften handelt als Indiz dafür herangezogen werden, dass diese am Markt nach außen hin in Erscheinung treten. 1.1.2.2 Sonderfall: juristische Personen des öffentlichen Rechts HINWEIS Siehe zur Umsatzbesteuerung der Leistungen der öffentlichen Hand auch BMFSchreiben v. 16.12.2016, III C 2 – S 7107/16/10001, BStBl. I 2016, 1451. Tz. 2.11 (1) UStAE enthält einen Überblick über die juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist trotz einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des § 2b Abs. 1 UStG grundsätzlich nicht als Unternehmer anzusehen. Dies gilt, soweit sie hoheitliche Aufgaben wahrnimmt und somit als Teil der öffentlichen Gewalt anzusehen ist. Die wirtschaftliche Tätigkeit entspricht dann der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben. Öffentliche Gewalt wird dann ausgeübt, wenn sie auf einer öffentlich-rechtlichen Grundlage basiert (Gesetz oder Verordnung). Das öffentlich-rechtliche Handeln kann nur durch einen Verwaltungsakt oder in Form von öffentlichrechtlichen Verträgen erfolgen. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann jedoch auch auf privatrechtlicher Grundlage tätig werden, bspw. durch das Betreiben eines Parkhauses oder eines Schwimmbades. In diesem Fall ist eine Unternehmereigenschaft gem. § 2 UStG zu prüfen. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 11 von 195 HINWEIS Eine juristische Person des öffentlichen Rechts kann grundsätzliche zwei „Teilbereiche“ haben: 1. den öffentlich-rechtlichen Bereich und 2. den Betrieb gewerblicher Art (vgl. §§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG und § 4 KStG). Mit Leistungen die dem Betrieb gewerblicher Art zuzuordnen sind, ist die juristische Person des öffentlichen Rechts i.d.R. Unternehmer i.S.d. § 2 UStG auch nach der neuen Rechtslage. Nur für die Wahrnehmung öffentliche rechtlicher Aufgaben stellt sich die Frage nach der Unternehmereigenschaft und den größeren Wettbewerbsverzerrungen i.S.d. § 2b UStG. Es gilt: Im Grundsatz ist die juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben kein Unternehmer, es sei denn, es liegen größere Wettbewerbsverzerrungen vor. Nimmt die juristische Person des öffentlichen Rechts hoheitliche Aufgaben war, werden damit durch die Einordnung als Nicht-Unternehmer größere Wettbewerbsverzerrungen zwischen diesen juristischen Personen öffentlichen Rechts und den juristischen Personen des Privatrechts ausgeschlossen. Die juristische Person des öffentlichen Rechts nimmt mit der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen Aufgaben gerade nicht am freien Wettbewerb teil (bei hoheitlichen Aufgaben handelt es sich i.d.R. um klassische Staatsaufgaben). Gem. § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG liegen insbesondere größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vor, wenn der erzielte Umsatz der juristischen Person des öffentlichen Rechts aus der Tätigkeit eine Grenze von EUR 17.500 pro Kalenderjahr nicht überschreitet. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die am Anfang des Kalenderjahres zu treffen ist. Des Weiteren sind größere Wettbewerbsverzerrungen gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ausgeschlossen, wenn eine vergleichbare Tätigkeit, die auf privatrechtlicher Grundlage vorgenommen wird, grundsätzlich einer Steuerbefreiung unterliegt. Die Möglichkeit einer Option gem. § 9 UStG wird für die Prüfung außer Acht gelassen. HINWEIS Zu beachten ist die Sonderregelung des § 2b Abs. 4 UStG. Diese enthält einen Katalog von Tätigkeiten, die zwar hoheitlich sind, für die die juristische Person des öffentlichen Rechts aber gleichwohl Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist. Ausnahmsweise kann jedoch auch öffentlich-rechtliches Handeln zu einer Behandlung als umsatzsteuerlicher Unternehmer führen. Die juristische Person des öffentlichen Rechts darf sich nicht in den öffentlich-rechtlichen Bereich flüchten und sich somit Wettbewerbsvorteile gestalten. In diesen Fällen tritt die öffentlich-rechtliche Person in echten Wettbewerb zu den anderen (privatrechtlichen) Marktteilnehmern und muss sich deshalb auch so behandeln lassen. Ein Leistungsaustausch soll zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach § 2b Abs. 3 Nr 2 a)- d) UStG ausgeschlossen sein, sofern 1. die Leistungen aufgrund einer langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarung getroffen werden, 2. sie dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 12 von 195 obliegenden öffentlichen Aufgabe dient, 3. sie ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht wird und 4. die juristische Person des öffentlichen Rechts vergleichbare Leistungen nur an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt. HINWEIS Siehe zu § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG auch das BMF-Schreiben v. 14.11.2019, III C 2 – S 7107/19/10005:011, BStBl. I 2019, 1140. Die nachfolgende Übersicht enthält eine Darstellung zur Prüfung der wesentlichen Punkte im Zusammenhang mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Ein Überblick über den § 9 UStG findet sich im Folgenden. 1.1.2.3 Sonderfall: Personenzusammenschlüsse/Personengesellschaften Grundsätzlich können auch Personenzusammenschlüsse Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sein, sofern sie nach außen in Erscheinung treten. Personenzusammenschlüsse stellen i.d.R. zivilrechtlich eine Gesellschaft dar wenn sie darauf gerichtet sind, einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Es kommen somit auch nicht rechtsfähige Vereine, BGB-Gesellschaften, OHG-, KG etc. als Unternehmer in Betracht. Eine Leistungserbringung an Dritte ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Eine Unternehmereigenschaft ist auch dann gegeben, wenn die Leistungen ausschließlich gegenüber © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 13 von 195 eigenen Mitgliedern erbracht wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). Diffenzierung: Innengesellschaft/Außengesellschaft Bei der Prüfung der Unternehmereigenschaft von Personenvereinigungen bzw. Personengesellschaften ist stets eine Sonderthematik im Hinterkopf zu behalten. Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist die Personengesellschaft nur dann, wenn sie als solche nach außen in Form einer sog. Außengesellschaft in Erscheinung tritt. In diesem Fall erbringt die Personengesellschaft selbst. Unternehmer ist dann die jeweilige Gesellschaftsform selbst. VORSICHT Das UStG knüpft an das Zivilrecht an. Demnach können die Personengesellschaften im USt-Recht selbst Unternehmer sein. Das für die Ertragsteuern geltende Transparenzprinzip gilt im Umsatzsteuerrecht nicht! Von der Außengesellschaft zu unterscheiden sind reine Innengesellschaften. Auch diese stellen grundsätzlich einen Zusammenschluss von Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks dar und sind mithin eine Gesellschaft im zivilrechtlichen Sinne. Der gemeinsam verfolgte Gesellschaftszweck betrifft jedoch primär das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern. Die Innengesellschaft hat i.d.R. kein eigenes Vermögen, keinen Betrieb und keine Firma. Die Innengesellschaft tritt nach außen hin nicht als solche am Markt auf und erbringt damit auch keine Leistungen i.S.d. UStG (Abschitt 2.1.Abs. 5 UStAE). Sie ist auf zivilrechtlicher Ebene nicht rechtsfähig. Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG sind in diesem Fall die jeweiligen Gesellschafter, soweit sie nach außen hin in Erscheinung treten. Die Unternehmereigenschaft ist für jeden Gesellschafter gesondert zu prüfen! BEISPIEL Eine Bürogemeinschaften ist grundsätzlich nur eine Innengesellschaft zwischen den einzelnen Parteien. Sie ist nur auf die gemeinsame Kostentragung für bspw. Büroräumlichkeiten gerichtet. Jeder Anwalt der Bürogemeinschaft bleibt selbstständig tätig. Folglich ist jeder Anwalt gesondert umsatzsteuerlicher Unternehmer. Somit unterscheidet die Inngengesellschaft sich von einer Sozietät, die stets als solche nach außen hin auftritt. Jedoch wird die Bürogemeinschaft dann steuerlich als Außengesellschaft betrachtet, sobald sie bei der Anstellung von Personal oder der Anmietung von Räumlichkeiten nach außen in Erscheinung tritt. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 14 von 195 HINWEIS Häufig stellt sich die Abgrenzungsfrage (Innengesellschaft/Außengesellschaft) bei der GbR. Bei den Personenhandelsgesellschaften des HGB liegt ein Gewerbebetrieb vor, sodass diese Gesellschaften schon mittels dessen nach außen hin tätig werden. Eine klassische Innengesellschaft ist auch die stille (typische und atypische) Gesellschaft. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Innengesellschaft und der Außengesellschaft nicht um eigenständige Gesellschaftsformen handelt! Gesellschaftsformen sind nur die im Gesetz definierten. Die Abgrenzung nach Innen- und Außengesellschaft hat alleine Bedeutung für die Frage der Rechtsfähigkeit. Eine Übersicht enthält die nachfolgende Darstellung: BEISPIEL Theo Brezel ist alleiniger Inhaber der Firma Anadolu in Essen-Kettwig. Nach dem Ableben seiner Eltern ist Theo mit seiner Schwester Frieda Brezel zu je 1/2 an der Erbengemeinschaft Brezel, die ihr Wohn- und Geschäftshaus in Essen-Kettwig, Ringstraße 189 teilweise steuerpflichtig vermietet, beteiligt. Seine Ehefrau, Susanne Brezel, ist zu 30% als Kommanditistin an der Gummi Meier KG beteiligt. Frieda Brezel hat außerdem noch erhebliche Zinseinnahmen aus ihrem Sparvermögen. Die Unternehmereigenschaft - der genannten Mandanten - ist zu überprüfen und es ist zu entscheiden, wer zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung verpflichtet ist und welche Umsätze darin enthalten sein müssen. 1. Theo Brezel ist als alleiniger Inhaber Unternehmer. Die Umsätze der Firma Anadolu sind zu erklären. 2. Die Ehefrau Susanne Brezel übt keine selbstständige Tätigkeit nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen aus und ist deshalb als Kommanditistin keine Unternehmerin. 3. Frieda Brezel ist mit ihrer Beteiligung an der Erbengemeinschaft und ihren Zinseinnahmen selbst nicht gewerblich oder beruflich tätig und ist deshalb keine Unternehmerin. 4. Die Meier KG ist Unternehmer und muss ihre Umsätze in einer USt-Erklärung anmelden. 5. Die Erbengemeinschaft Brezel ist Unternehmer und muss die Mieteinnahmen aus dem Wohn- und Geschäftshaus erklären. BEISPIEL Die Süßwaren AG benötigt eine neue Brücke zu ihrem Werkgelände. Die Hochbrücken AG und die Stahlkonstrukt GmbH wollen beide am Auftrag © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 15 von 195 teilnehmen, verfügen jedoch nicht über ausreichend Ressourcen. Sie schließen sich daher zur Bridge Construct GbR zusammen. Es ist vereinbart, dass beide Partner jeweils 10 Personen und 2 Kräne zur Verfügung stellen und dafür zu jeweils 50% am Gewinn der Gesellschaft partizipieren. Das Baumaterial wird über die GbR bestellt. Den Beton stellt jedoch die Süßwaren AG zur Verfügung, da sie aus historischen Gründen über ein eigenes Betonwerk verfügt. Nun stellt sich heraus, dass der Kran, den die Strahlkonstrukt GmbH zur Verfügung stellt aufgrund seiner speziellen Ausstattung allein zu gebrauchen ist. Die Betriebsstunden des Krans werden von dem Bauleiter daher genau erfasst. Am Ende erhält die Stahlkonstrukt GmbH vor der Verteilung des eigentlichen Gewinns einen Vorabgewinn von 150 € pro Betriebsstunde des Krans. Die Überlassung erfolgt für 100 Stunden. Die Arbeitsgemeinschaft ist hier ein Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG, da sie nach außen in Erscheinung tritt. So tritt sie etwa beim Kauf der Baumaterialien nach außen in Erscheinung. Die Bereitstellung des Betons nimmt als Auftraggeberleistung im Rahmen einer Werkleistung nach § 3 Abs. 9 UStG nicht am Leistungsaustausch teil (echte Materialbeistellung Abschnitt 3.8 Abs. 3 UStAE). Die Bereitstellung des Krans erfolgt nach gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung als Gesellschafterleistung, die zu keinem Leistungsaustausch führt (Abschnitt 1.6 Abs. 8 Satz 2 UStAE). Hier findet jedoch eine Verrechnung auf Basis des tatsächlichen Geräteinsatzes statt, sodass auch ein leistungsabhängiges Entgelt vorliegt (Abschnitt 1.6 Abs. 8 Satz 1,3 UStG). Die Überlassung wird mit 15.000 € vergütet. Die Umsatzsteuer beträgt darauf 19% nach § 12 Abs. 1 UStG 2.850 €. Achtung: Für den Zeitraum vom 01. Juli 2020 bis 31.12.2020 beträgt der Steuersatz 16%. Abschließend erhalten Sie eine Übersicht zu den Personenvereinigungen im folgenden Video. Unter anderem werden die konkreten Anwendungsfälle thematisiert und die Frage geklärt, wie Personenvereinigungen im Wirtschaftsleben in Erscheinung treten können. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 16 von 195 www.steuerkurse.de/go/a0b2bfd 1.1.3 1.1.3.1 Gewerbliche und berufliche Tätigkeit Allgemeines Sie erhalten im folgenden Video eine Übersicht zur gewerblichen und beruflichen Tätigkeit. Unter anderem wird auf die Definition, historische Entwicklung und die Kriterien für die gewerbliche und berufliche Tätigkeit eingegangen: www.steuerkurse.de/go/a0c750d Unter einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit versteht man nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hingegen nicht erforderlich. Damit geht der umsatzsteuerliche Gewerbebetriebsbegriff über den Begriff des Gewerbebetriebs i.S.d. § 15 Abs. 2 EStG hinaus. MERKE Der Begriff ist für die Zwecke der Umsatzsteuer vollständig getrennt von anderen Rechtsgebieten zu betrachten. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 17 von 195 Es sind für die Prüfung einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit drei Tatbestandsmerkmale notwendig: 1. Die Ausübung der Tätigkeit 2. Die Nachhaltigkeit der Tätigkeit 3. Die Absicht der Einnahmenerzielung 1.1.3.2 Tätigkeit Tätigkeit i.S.d. Umsatzsteuergesetzes ist das Erbringen von Leistungen. Die Bewertung, ob eine Leistung vorliegt, erfolgt dabei nach wirtschaftlichen und nicht nach rein rechtlichen Maßstäben (A. 2.3 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Die Tätigkeit muss sich nach außen hin als unternehmerische Tätigkeit einordnen lassen. Entsprechend sind unternehmerische und nichtunternehmerische Tätigkeiten voneinander abzugrenzen (A. 2.3 Abs. 1a UStAE). © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 18 von 195 Sonderfall: Gesellschaftsrechtliche Beteiligungen Das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ist keine unternehmerische Tätigkeit. Der Gesellschafter einer Gesellschaft ist grundsätzlich im Hinblick auf dieses Beteiligungsverhältnis kein Unternehmer (A. 2.3 Abs. 2 f. UStAE). Die bezogenen Dividenden und Gewinnbeteiligungen stellen kein Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustausches dar. Gleichwohl kann es aber unter bestimmten Voraussetzungen auch zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch kommen. Eine reine Holdingtätigkeit, deren Zweck sich im Halten und dem Verwalten von Beteiligungen erschöpft, ist keine Tätigkeit i.S.d. UStG und die Holding somit kein Unternehmer (A. 2.3 Abs. 3 Satz 4 UStG). Eine Holding mit aktivem Eingriff in das Tagesgeschäft der Tochterunternehmen betätigt sich hingegen wirtschaftlich und ist somit Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG. Entsprechend kann die Holding dann unter Umständen auch einen Vorsteuerabzug geltend machen. Nicht unternehmerische und somit nicht wirtschaftliche Tätigkeiten sind Tätigkeiten von Vereinen basierend auf dem Vereinszweck, hoheitliche Aufgaben juristischer Personen des öffentlichen Rechts, sowie das bloße Halten, Erwerben und Veräußern von Gesellschaftsbeteiligungen. PRÜFUNGSTIPP In der Prüfung aus dem Jahr 2013 war die Frage, ob Beteiligungsverwaltung als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist. die reine Nachhaltigkeit Die Prüfung der Nachhaltigkeit der Tätigkeit erfolgt anhand eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls. Nach A. 2.3 Abs. 5 Satz 4 UStAE sind folgende Kriterien als positive Merkmale für eine Nachhaltigkeit anzusehen: Mehrjährige Tätigkeit(en) Planmäßiges Handeln Tätigkeiten mit Wiederholungsabsicht Ausführungen von mehreren Umsätzen Beteiligung am Markt Unterhaltung eines Geschäftslokals Einnahmeerzielungsabsicht Bei der Einnahmeerzielungsabsicht kommt es darauf an, ob die Tätigkeit im Rahmen eines Leistungsaustauschs ausgeübt wird und dass dieser sodann nicht nur gelegentlich erfolgen darf. Maßgeblich ist die Nachhaltigkeit der Tätigkeit. Die Einnahmenerzielungsabsicht ist nicht mit der Gewinnerzielungsabsicht einhergehend. Die Einnahmeerzielung muss sich auf eine Tätigkeit beziehen, die zu einem Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG führt oder eine vorbereitende Tätigkeit für einen solchen Leistungsaustausch darstellt (A. 2.6 Abs. 1 UStAE). Die Unternehmereigenschaft setzt voraus, dass Leistungen gegen Entgelt (nicht zwingend Geld) erbracht werden. Ein Gewinn muss damit nicht erzielt werden. Es ist ausreichend, wenn jemand die Tätigkeit zur Begleichung seiner Selbstkosten oder eines Teiles davon betreibt. Wird kein Entgelt zwischen den Parteien vereinbart, so ist stets zu prüfen, ob die Leistung tatsächlich unentgeltlich erfolgt. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 19 von 195 VORSICHT Die Umsatzsteuerbarkeit kann nicht lediglich dadurch vermieden werden, dass für eine Leistung kein Entgelt vereinbart wird. Auch hier sind stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und zu prüfen, inwieweit es sich tatsächlich um eine unentgeltliche Leistung handelt. BEISPIEL Peter Müller sammelt seit Jahren hochwertige Schreibgeräte eines Luxusherstellers. Er hat eine beachtliche Sammlung an Füllfederhaltern aufgebaut. Es gelingt ihm diese nun an andere Sammler schrittweise zu verkaufen. Die Sammlung ist dem privaten Bereich des Peter Müller zuzurechnen. Sie stellen eine Sachgesamtheit dar. Sie können Gegenstand einer oder mehrerer Lieferungen sein. Die private Vermögensumschichtung stellt auch dann keine unternehmerische Tätigkeit dar, wenn sie nachhaltig erfolgt (A. 2.3 Abs. 6 Satz 2 UStAE). Etwas anderes würde nur gelten, wenn sich Peter Müller wie ein Unternehmer am Markt verhalten würde wie bspw. einzelne Stücke mit Veräußerungsabsicht erwirbt oder einen Internetshop eröffnen würde. BEISPIEL Der Student Peter organisiert in seiner Freizeit Kaninchen-Ausstellungen, weil er einen Eintrittspreis von nur 1 € pro Person verlangt, werden seine Kosten niemals durch die Einnahmen gedeckt. Im einkommensteuerlichen Sinne handelt es sich um einen Betrieb der Liebhaberei, da keine Gewinnerzielungsabsicht besteht. Die Verluste, welche Peter erzielt, bleiben daher außer Ansatz, wenn es um die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens geht. Umsatzsteuerlich dagegen ist die Tätigkeit sehr wohl als selbstständig anzusehen, da die Tätigkeit auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung erfolgt. Darüber hinaus ist Peter unternehmerfähig denn er führt nachhaltig Leistungen gegen Entgelt aus. Peter übt die Tätigkeit nachhaltig aus, da zumindest die Absicht der Wiederholung besteht, hier sogar, schärfer noch, die Wiederholung selbst vollzogen wird. Darüber hinaus ist eine Einnahmeerzielungsabsicht gegeben, denn er verlangt einen Eintrittspreis von jedem Besucher. Insofern ist Peter im umsatzsteuerlichen Sinne als Unternehmer anzusehen, die einkommensteuerliche Liebhaberei der Kaninchen-Ausstellungen ist umsatzsteuerlich keine Liebhaberei, sondern eine steuerbare Tätigkeit. Er wird Umsatzsteuer abführen müssen. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 20 von 195 BEISPIEL Franziska Schulländer ist neidisch auf ihre Freundin, die ein stattliches Taschengeld erhält und sich viele schöne Kleidungsstücke kaufen kann. Sie sammelt daher im Familien- und Freundeskreis alte Spielsachen sowie Zeitschriften ein und verkauft diese an einen Altpapierhändler bzw. einen Secondhand-Spielwarenladen in der Nachbarschaft. Sie veräußert die Gegenstände dabei zu üblichen Marktpreisen. Franziska Schulländer tritt wie ein Händler am Markt auf und übt durch den Verkauf auch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit aus. Die Ausübung erfolgt dabei auch selbstständig, da sie das Unternehmerrisiko trägt und die Unternehmerinitiative entfaltet. Es liegt keine Weisungsgebundenheit vor. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit liegt vor, weil sie nachhaltig mit dem Ziel der Einnahmenerzielung tätig ist. Sie ist Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG. Die zivilrechtliche Beschränkung der Geschäftsfähigkeit nach § 106 BGB ist für ihre Unternehmerfähigkeit nicht von Relevanz. 1.1.4 Selbstständige Ausübung Weitere Voraussetzung für die Unternehmereigenschaft i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist, dass der Unternehmer die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Eine Negativabgrenzung zu dem Begriff Selbständigkeit ist in § 2 Abs. 2 UStG zu finden. Natürliche Personen sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG dann nicht selbstständig tätig, wenn sie derart in ein Unternehmen eingegliedert sind, dass sie verpflichtet sind den Weisungen des Unternehmers Folge zu leisten. Die Prüfung erfolgt dabei nach wirtschaftlichen Aspekten und nicht nach zivilrechtlichen Ausgestaltungen. Eine Beurteilung ist anhand der Risikozurechnung und Erfolgspartizipation der jeweiligen Person vorzunehmen. Die Eingliederung durch bsp. einen Arbeitsvertrag, einer vorgegebenen Arbeitszeit, Urlaub oder Schulden der Arbeitskraft gegen Vergütung, sprechen grundsätzlich gegen eine umsatzsteuerliche Selbstständigkeit. Natürliche Personen können sowohl selbständig, als auch unselbständig tätig sein. HINWEIS Grundsätzlich führt die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber jedoch nicht zwangsläufig zum Ausschluss der Unternehmerstellung im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG. Es kommt immer auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Die Merkmale, die für oder gegen eine Unternehmerstellung sprechen, sind für den Einzelfall gegeneinander abzuwiegen und individuell zu gewichten (A. 2.2 Abs. 1 Satz 4-6 UStAE). © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 21 von 195 BEISPIEL Der selbstständige LKW-Fahrer Josef Stahlhauer führt für die Stadtwerke Wermelskirchen Klärschlammtransporte durch. Neben den gesetzlichen Bestimmungen ist er verpflichtet, die Auflagen der Stadtwerke bezüglich der Sicherheitsbestimmungen und Maßnahmen zum Qualitätserhalt durchzuführen. die Zeiten der Abholung und Ankunft werden durch die Stadtwerke vorgegeben. Josef Stahlhammer schuldet den Stadtwerken nicht seine Arbeitsleistung, sondern die Transportleistung (§ 1 Abs. 3 LStDV). Er ist selbstständig tätig. Die Auflagen bezüglich der Sicherheit und der Lieferzeiten sind kein hinreichendes Indiz, um ein Arbeitnehmerverhältnis zu begründen (R 19 LStR). Sonderfall: geschäftsführender Gesellschafter Die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer als selbständig i.S.d. UStG und damit als eigenständiger Unternehmer anzusehen oder ob er aufgrund einer Eingliederung in das Unternehmen unselbständig ist, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Bei natürlichen Personen kommt es stets darauf an, ob der Geschäftsführer aufgrund eines gesonderten Anstellungsvertrags (bsp. Arbeitsvertrag) tätig wird oder nicht. Zu prüfen ist dann, ob sich daraus eine Weisungsgebundenheit ergibt. Zivilrechtlich hat der Geschäftsführer eine Doppelstellung. Er ist einerseits Organ der Gesellschaft (Organschaftsverhältnis), andererseits kann er auch als Angestellter der Gesellschaft tätig sein (Angestelltenverhälntis). Beide Rechtsverhältnisse sind zu trennen. Für die umsatzsteuerliche Prüfung ist stets die Ausgestaltung des Innenverhältnises (Angestelltenverhältnis) relevant. Im Personengesellschaftsrecht gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft. Dieser besagt, dass die Vertretung der Gesellschaft nach außen grundsätzlich von den Gesellschaftern selbst aufgrund ihrer Gesellschafterstellung erfolgt. (Gesellschafter-)Geschäftsführer einer Personengesellschaft können diese Tätigkeit sowohl selbständig, als auch weisungsgebunden ausüben. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Für Kapitalgesellschaften gilt der Grundsatz der Fremdorganschaft. Dieses Prinzip besagt, dass bei einer Kapitalgesellschaft die Vertretungsbefugnisse nach außen von einem gesonderten Organ wahrgenommen werden müssen. Geschäftsführer kann damit eine dritte Person, aber auch ein Gesellschafter sein. Wird der Gesellschafter tätig, so geschieht dies jedoch nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung, sondern wegen der Bestellung als Organ. (Gesellschafter-)Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft können i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG selbstständig tätig sein, wenn sie keinen Weisung unterliegen. Werden sie jedoch aufgrund eines „klassischen“ Arbeitsvertrags tätig, so gilt die Weisungsgebundenheit regelmäßig als gegeben. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 22 von 195 www.steuerkurse.de/go/f0e55c4 Bitte Beschreibung eingeben VORSICHT Einen Sonderfall stellt die Geschäftsführertätigkeit einer Kapitalgesellschaft dar. Häufigster Praxisfall ist hierbei die GmbH & Co. KG. In diesen Fällen übernimmt die GmbH als Komplementär (aufgrund ihrer handelsrechtlichen Verpflichtung) die Geschäftsführertätigkeit für die KG. Ob die GmbH in diesem Fall selbständig oder unselbständig tätig wird, bestimmt sich danach, ob sie in das Unternehmen der KG eingegliedert ist und somit eine Weisungsbefugnis besteht. Die Eingliederungsvoraussetzungen richten sich nach den Voraussetzungen der umsatzsteuerlichen Organschaft (s.u.) (A. 2.2 Abs. 6 UStAE). 1.1.5 Beginn und Ende der Unternehmereigenschaft In diesem Kapitel behandeln wir den Beginn und das Ende der Unternehmereigenschaft und betrachten dieses Thema im folgenden Lernvideo. www.steuerkurse.de/go/b478576 © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 23 von 195 Beginn der Unternehmereigenschaft Die Unternehmereigenschaft beginnt schon mit den vorbereitenden Handlungen für die entgeltliche Tätigkeit. Der Vorsteuerabzug kann in dem Voranmeldezeitraum erfasst werden, in dem die Rechnung dem Unternehmer zugeht, sofern die Voraussetzungen nach § 15 UStG vorliegen. Voraussetzung ist, dass 1. die spätere Ausführung entgeltlicher Leistungen beabsichtigt ist (Verwendungsabsicht) und 2. die Ernsthaftigkeit dieser Absicht erkennbar ist und 3. glaubhaft gemacht werden kann. Wenn der Unternehmer später keine erfolgreiche Einnahmenerzielungsabsicht realisieren kann, dann sind die Vorsteuerabzüge auch weiterhin zu akzeptieren und müssen nicht rückgängig gemacht werden (A. 2.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE). HINWEIS Vgl. dazu auch A. 2.6. UStAE. Bei einer Kapitalgesellschaft kommt es für die Beurteilung des Beginns der Unternehmereigenschaft ebenfalls auf eine Prognoseentscheidung an. Auch Kapitalgesellschaften in Gründung können Unternehmer sein. Zu unterscheiden sind hierbei die verschiedenen zivilrechtlichen Gründungsstadien: 1. die Vorgründungsgesellschaft, 2. die Vorgesellschaft und 3. die zivilrechtlich entstandene Kapitalgesellschaft nach der Eintragung in das Handelsregister. Eine Vorgründungsgesellschaft ist als Unternehmer anzusehen, sofern sie Vermögensgegenstände für die spätere Übertragung auf die Kapitalgesellschaft erwirbt. Die Umsätze der späteren Kapitalgesellschaft werden dann für den Zweck der Einnahmeerzielung der Vorgründungsgesellschaft zugerechnet, da die Übertragung auf die Kapitalgesellschaft eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Abs. 1a UStG darstellt. Mit dem BMF-Schreiben vom © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 24 von 195 12.04.2022 erklärt die Finanzverwaltung die BFH Rechtsprechung vom 11.11.2015 und die einhergende EuGH-Rechtsprechung nach langer Rechtsunsicherheit für anwendbar. Es wird im UStAE unter 15.2b ein Abs. 4 eingeführt, danach wird den grds. nichtunternehmerischen Gesellschaften (Vorgründungsgesellschaften) unter bestimmten Umständen der Vorsteuerabzug gewährt. Maßgebend sind insoweit die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft. Bei Übertragungen außerhalb eines Leistungsaustausches besteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn es sich bei der bezogenen Leistung aus Sicht der (geplanten) Gesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt und die Gesellschaft grundsätzlich vorsteuerabzugsberechtigt ist. Als Investitionsumsatz können sowohl Lieferungen als auch sonstige Leistungen zählen. Die Vorgesellschaft besteht im Zeitraum zwischen dem Abschluss des notariellen Vertrags und der Eintragung in das Handelsregister. Die Vorgesellschaft ist nach den Maßstäben der späteren Kapitalgesellschaft zu beurteilen und erlangt somit mit dem notariellen Vertragsschluss die Unternehmereigenschaft. Die Vorgesellschaft führt hierdurch eine nach außen gerichtete Tätigkeit aus und kann die Absicht der entgeltlichen Leistungserbringung nachweisen (A. 2.6 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Die Vorgesellschaft kann für die Aufwendungen der Gesellschaftsgründung bereits den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG geltend machen, da die Leistungen der späteren Tätigkeit entgeltlichen Leistungserbringungen zuzurechnen sind und nicht den gesellschaftsrechtlichen Vorgängen im Rahmen der Gründung. Die Notarrechnung für den Gesellschaftsvertrag kann bereits von der Vorgesellschaft für den Vorsteuerabzug verwendet werden. Bei einer Personengesellschaft entsteht die Gesellschaft bereits mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags. Die erste, auf eine Unternehmertätigkeit nach außen gerichtete, Tätigkeit stellt damit den Beginn der Unternehmereigenschaft nach § 2 Abs. 1 UStG dar (A. 2.6 Abs. 1 UStAE). Ende der Unternehmereigenschaft Die Unternehmereigenschaft endet mit dem letzten Tätigwerden des Unternehmers. Das letzte Tätigwerden kann auch in der Abmeldung des Gewerbebetriebs liegen. Die Veräußerung von Gegenständen des Betriebsvermögens gehört noch zur Tätigkeit des Unternehmers. Die Vorsteuer für Leistungen, die im Rahmen des Unternehmerns bezogen worden sind, können noch geltend gemacht werden, wenn die Rechnungstellung erst nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit erfolgt. Die Unternehmereigenschaft erlischt mit der Beseitigung aller Rechtsbeziehungen (A. 2.6 Abs. 6 © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 25 von 195 Satz 6 UStAE). Bei einer Personengesellschaft führen die zivilrechtlichen Bestimmungen zur Beendigung einer Personengesellschaft nicht zum Ende der umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerschaft, die ebenfalls erst nach der Beseitigung aller Rechtsbeziehungen endet. Zu den entsprechenden Beziehungen zählen auch die Beziehungen zur Finanzverwaltung (A. 2.6 Abs. 6 Satz 6 UStAE). Bei einer Kapitalgesellschaft endet die Unternehmereigenschaft ebenfalls mit der Beseitigung aller Rechtsbeziehungen und nicht bereits mit der Löschung im Handelsregister (A. 2.6 Abs. 6 Satz 7f. UStAE). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zu keinem Ende der Unternehmertätigkeit, da die Umsätze durch den Insolvenzverwalter als gesetzlicher Vertreter des Unternehmers ausgeführt werden (A. 2.1 Abs. 7 Satz 1 UStAE). Die Unternehmereigenschaft eines Einzelunternehmens kann auch nach der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten fortbestehen, sofern danach ein Grundstück an die Kapitalgesellschaft verpachtet wird. PRÜFUNGSTIPP In der Steuerberaterprüfung 2016 wurde der Punkt im Rahmen eines Handwerksbetrieb, der eingebracht worden ist, und danach das Grundstück verpachtet worden ist, abgeprüft. Wenn das Verpachtungsunternehmen und das Pächterunternehmen die Voraussetzungen für eine Organschaft erfüllen, dann verbleibt der eingebrachte Betrieb im Unternehmen des bisherigen Betriebsinhabers. Klassische Klausurfallen Wir betrachten eine klassische Klausurfalle im folgenden Lernvideo. Es geht um natürliche Personen als Unternehmer. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 26 von 195 www.steuerkurse.de/go/b47f580 1.1.6 Sonderfall: Umsatzsteuerliche Organschaft Das Umsatzsteuerrecht kennt neben dem Ertragsteuerrecht ebenfalls eine Organschaft (A. 2.8 UStAE). Zentraler Unterschied ist jedoch, dass hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Organschaft kein Wahlrecht des Steuerpflichtigen vorliegt. Liegen die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor, so entsteht die umsatzsteuerliche Organschaft automatisch. In der Praxis kann dies sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG liegt eine Organschaft vor, wenn die Organgesellschaft (OG) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers (OT) eingegliedert ist. Hinsichtlich des Vorliegens der umsatzsteuerlichen Organschaft sind die folgenden Punkte zu prüfen: finanzielle Eingliederung; wirtschaftliche Eingliederung; organisatorische Eingliederung. HINWEIS Es erfolgt eine Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls. Nicht erforderlich ist, dass alle drei Merkmale gleichstark ausgeprägt sind! Entscheidend ist das sich ergebende Gesamtbild. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 27 von 195 Zentrale Folge der umsatzsteuerlichen Organschaft ist, dass die Organgesellschaft nicht mehr eigenständiger Unternehmer ist, sondern als Unternehmensteil des Organträgers zu betrachten ist. Die Organgesellschaft verliert somit ihre Selbstständigkeit. Organträger und Organgesellschaft werden ein Unternehmer i.S.d. § 2 UStG (das Unternehmen des Organträgers). Eine weitere Folge ist, dass Leistungen zwischen den Unternehmensteilen Organträgers und Organgesellschaft oder zwischen mehreren Organgesellschaften nicht umsatzsteuerbare Innenumsätze darstellen. Dies gilt jedoch nur für Innenleistungen der inländischen Unternehmensteile (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, A. 2.9 UStAE). Organträger kann jeder Unternehmer sein (juristische und natürliche Personen und Personenvereinigungen). Als Organgesellschaft kommen ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur juristische Personen (Kapitalgesellschaften) in Betracht. Nach neuerer Rechtsprechung kann auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein. Hintergrund ist, dass die MwStSystRL als maßgebliche Rechtsquelle keine Differenzierung zwischen juristischen Personen und Personengesellschaften vorsieht und damit das nationale Recht entsprechend anzupassen bzw. auszulegen war. Der EuGH hat mit Urteil vom 15.4.2021, Rs. C-868/19 klargestellt, dass eine Einschränkung, dass Personengesellschaften nur Organgesellschaften sein können, wenn alle Gesellschafter finanziell in den Organträger eingegliedert sind, gegen Unionsrecht verstößt. Bis zu einer Neuregelung können Steuerpflichtige sich nun entweder unmittelbar auf Unionsrecht beziehen oder die bisherige nationale Regelung (bzw. Auffassung des BFH V. Senats oder der Finanzverwaltung) weiter anwenden, so dass sie in der Zwischenzeit die Wahl haben, welcher Rechtsauffassung sie folgen wollen. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 28 von 195 Dieses Video gibt Ihnen einen Überblick über die Vorschrift der Organschaft: www.steuerkurse.de/go/b4887d1 HINWEIS Im Rahmen der umsatzsteuerlichen Organschaft haben sich (insbesondere im Hinblick auf die Einbindung von Personengesellschaften) in den letzten Jahren einige Neuerungen ergeben. Es lohnt sich diese Entwicklungen – auch für die mündliche Prüfung – im Auge zu behalten Finanzielle Eingliederung Die finanzielle Eingliederung (A. 2.8 Abs. 5-5b UStAE) setzt voraus, dass der Organträger im Besitz © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 29 von 195 der entscheidenden Anteilsmehrheit an der Organgesellschaft ist, die es ihm ermöglicht durch Mehrheitsbeschluss seinen Willen in der Organgesellschaft durchzusetzen. Dies ist regelmäßig bei Beteiligungen von über 50% der Fall. VORSICHT In Ausnahmefällen können auch Stimmbindungsverträge eine Rolle spielen. www.steuerkurse.de/go/b48e60c www.steuerkurse.de/go/b4941dd BEISPIEL Die Einzelunternehmerin Friederike Lehrmeister hält 70% der Anteile an der Süßwaren Einkaufs GmbH. Jakobus Müller hält die anderen 30% der Anteile. Die Gesellschaftssatzung sieht vor, dass Entscheidungen mit absoluter Mehrheit © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 30 von 195 gefällt werden. Die Süßwaren Einkaufs GmbH ist finanziell in das Einzelunternehmen der Friederike Lehrmeister eingegliedert. Grundsätzlich können ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG nur juristische Personen Organträger sein. Diese Voraussetzung ist im Zuge der Rechtsprechung des EuGHs und des BFHs nunmehr unter bestimmten Umständen auch auf Personengesellschaften erweitert worden. Problematisch sind in diesem Zusammenhang die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben. Während das Kapitalgesellschaftsrecht schon seit jeher auf dem Prinzip der Mehrstimmigkeit beruht und damit ein Mehrheitsrecht kennt, beruht das Personengesellschaftsrecht auf dem Prinzip der Einstimmigkeit. MERKE In der Praxis existieren auch bei Personengesellschaften Mehrheitsentscheidungen, wenn die Gesellschaftsverträge dies entsprechend vorsehen. Die BFH Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft mit Personengesellschaften knüpft jedoch an den Grundfall (Einstimmigkeitsprinzip) an! Die finanzielle Eingliederung einer Personengesellschaft setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei der stets möglichen Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist. Zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft muss eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung gegeben sein. Der EuGH hat in einem Urteil vom 15.04.2021 entschieden, dass auch eine Personengesellschaft in einen Organkreis eingebunden sein kann, wenn nicht alle Stimmrechte im Organkreis gehalten werden. Wirtschaftliche Eingliederung Unter der wirtschaftlichen Eingliederung zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft müssen enge wirtschaftliche Beziehungen, die dem Willen des Organträgers unterworfen sind, bestehen (A. 2.8 Abs. 6 UStAE). Es muss jedoch keine Abhängigkeit der Organgesellschaft vom Organträger vorliegen. MERKE Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Eingliederung kann auch die Historie der Entstehung einer Tochtergesellschaft eine Rolle spielen (Beispiel: Eine Tochtergesellschaft wurde speziell zur Versorgung eines bestimmten Marktes gegründet). Bei einer Betriebsaufspaltung in ein Besitzunternehmen (z.B. Personengesellschaft) und eine Betriebsgesellschaft (i.d.R. Kapitalgesellschaft) und Verpachtung des Betriebsvermögens durch das © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 31 von 195 Besitzunternehmen an die Betriebsgesellschaft steht die durch die Betriebsaufspaltung entstandene Betriebsgesellschaft im Allgemeinen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Besitzunternehmen. www.steuerkurse.de/go/b49a1c7 Organisatorische Eingliederung Organisatorische Eingliederung (A. 2.8 Abs. 7-11 UStAE) bedeutet, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden (Kern-)Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Der Organträger muss im Rahmen der Geschäftsführung seinen Willen bei der Organgesellschaft durchsetzen. Die organisatorische Eingliederung setzt i.d.R. die personelle Verflechtung der Leitungsgremien beider Gesellschaften voraus (A. 2.8 Abs. 8 UStAE). Eine entsprechende Verflechtung kann etwa dann angenommen werden, wenn zwischen den Leitungsgremien der beiden Gesellschaften Personenidentität besteht. Dies kann bei der Identität von Geschäftsführern gegeben sein, aber auch wenn (andere) Mitarbeiter des Organträgers in der Geschäftsführung der Organgesellschaft tätig sind. In letzterem Fall wird ein Weisungsrecht aufgrund des (parallel) bestehenden Arbeitsverhältnisses mit dem Organträger angenommen. MERKE Auch hier sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Insbesondere, wenn das Leitungsgremium der Organgesellschaft aus mehreren Personen besteht und nur teilweise Personenidentität vorliegt. Hier spielen Kriterien wie Stimmenmehrheit und Letztentscheidungsbefugnis oder Weisungsbefugnisse eine Rolle. BEISPIEL Der Einzelunternehmer Friedrich Beherrscher hält 70% der Anteile an der Schokoladenfabrikation GmbH. Er ist gleichzeitig Geschäftsführer der © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 32 von 195 Schokoladenfabrikation GmbH. Es liegt eine organisatorische Eingliederung zwischen dem Einzelunternehmen des Friedrich Beherrschers und der Schokoladenfabrikation GmbH vor, da die Leitungsgremien durch dieselbe Person besetzt sind. Es liegt ebenfalls eine finanzielle Eingliederung vor, da Friedrich Beherrscher über die Stimmrechtsmehrheit seinen Willen in der GmbH durchsetzen kann. Eine organisatorische Eingliederung kann auch ohne personelle Verflechtung gegeben sein, wenn der Organträger aufgrund entsprechender Konzern- oder Geschäftsführungsrichtlinien seinen Willen durchsetzen und darüber in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung eingreifen kann (A. 2.8 Abs. 10 UStAE). HINWEIS In der Praxis bietet die Ausgestaltung dieser Konzern/Geschäftsführungsrichtlinien regelmäßig Gestaltungsspielraum, um das (ungewollte) Entstehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft zu vermeiden www.steuerkurse.de/go/b49fcb9 © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 33 von 195 Fallbeispiel www.steuerkurse.de/go/1330b8d 1.2 Im Rahmen seines Unternehmens Im Rahmen von § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG ist ebenfalls zu prüfen, ob die Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens erfolgt. Im Grundsatz sollte dieser Prüfungspunkt keine Schwierigkeiten bereiten und dürfte oftmals nicht mal angesprochen werden müssen. In Einzelfällen kann sich jedoch die Frage ergeben, ob und wie sich das umsatzsteuerliche Unternehmen genau definiert, und ob ein Gegenstand dem Unternehmens- oder dem Privatvermögen zuzuordnen ist. HINWEIS In der Regel wird diese Prüfung der Prüfung im Ertragsteuerrecht entsprechen. Aufgrund der Unterschiede in der Gewerbebtriebsdeifinition (s.o.) kann es jedoch in Einzelfällen durchaus zu Unterschieden kommen. Ein Verkauf von Vermögensgegenständen fällt somit ohne Rücksicht auf die Nachhaltigkeit in den Rahmen des Unternehmens, wenn der Gegenstand zum unternehmerischen Bereich des Veräußerers gehörte. Die Abgrenzung kann u.a. auch bei der Zuordnung von Eingangsleistungen bzgl. Des Vorsteuerabzugs eine Rolle spielen (siehe dazu das Kapitel Vorsteuer). 1.3 Umsatzsteuerliche Leistungen 1.3.1 Lernziele und Prüfungsrelevanz Das Kapitel „Lieferung und sonstige Leistung“ vermittelt die zentralsten Punkte des Umsatzsteuergesetzes, nämlich die Begriffe der Lieferung und sonstigen Leistungen und wie diese zueinander abzugrenzen sind. Es werden folgende Themen behandelt, die du am Ende des Kapitels beherrschen solltest: Was ist eine Lieferung? Wo ist der Ort der Lieferung? Was ist eine Werklieferung oder Werleistung? Was wird einer Lieferung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 1b UStG gleichgestellt? © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 34 von 195 Was ist ein Reihengeschäft? Was ist ein Tausch bzw. tauschähnlicher Umsatz und wie wird er umsatzsteuerlich behandelt? Was ist eine bewegte und ruhende Lieferung? Was ist eine sonstige Leistung? Was wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 9a UStG gleichgestellt? Was ist eine Dienstleistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG? Die Lieferung und sonstige Leistungen kommen immer in der Umsatzsteuerklausur dran! Auch wenn der Sachverhalt banal erscheint, sollte eine saubere Prüfung an dieser Stelle nicht unterlassen werden. In Kombination mit den Ortsbestimmungsvorschriften (siehe im Inland) stellen diese in den Standardfällen „einfach mitzunehmende Fußgängerpunkte“ dar. In Sonderfällen kann hier der Schwerpunkt auf Abgrenzungsschwierigkeiten liegen. Insbesondere auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten ist darauf ein besonderes Augenmerk zu legen. HINWEIS Die Abgrenzung von sonstiger Leistung und Lieferung spielte im Jahr 2010/ 2011 eine zentrale Bedeutung. Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken spielen jedes Jahr eine Rolle. Im Jahr 2013/2014 war die Vermietung eines Grundstücks ein zentrales Thema. Im Kontext von Gebäuden mit unterschiedlichen Nutzungen und Leistungen im Zusammenhang mit dem Gebäude muss auch immer der Vorsteuerabzug berücksichtigt werden, den sie vertiefend im Abschnitt „Vorsteuerabzug und Vorsteuerabzugsberichtigung“ behandeln. Aufgrund dieser Brisanz gibt es für Grundstücksumsätze in eigenes Kapitel in diesem Kurs (siehe Ort der sonstigen Leistung). 1.3.2 Allgemeines § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG spricht von Lieferungen und sonstigen Leistungen. Sowohl die Lieferung als auch die sonstige Leistung werden mit dem Willen ausgeführt dem Empfänger einen wirtschaftlichen Vorteil zuzuwenden. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 35 von 195 www.steuerkurse.de/go/7237be6 Lieferung und sonstige Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG lassen sich unter dem Obergriff Leistung zusammenfassen. Zunächst ist der Begriff der Leistung allgemein zu bestimmen, denn die Leistung ist der Oberbegriff für alle nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbaren Umsätze. Unter einer Leistung versteht man alles, was Gegenstand eines Rechtsverkehrs sein kann (A. 1.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE). Hierbei kommt es nicht so sehr auf das Verpflichtungsgeschäft an, sondern vielmehr auf das Erfüllungsgeschäft. Umsatzsteuerlicher Gegenstand ist die einzelne Leistung des Unternehmers, weshalb der Umfang der jeweiligen Leistung festzulegen ist. Eine saubere Abgrenzung der Leistung ist wichtig für die Beurteilung der Steuerbarkeit, für die Bestimmung des Leistungsortes sowie des Zeitpunkts der Leistung, schließlich für die Möglichkeit einer Steuerbefreiung und außerdem für die Festlegung des anzuwendenden Steuersatzes. Im Rahmen der Definition der einzelnen Leistung ist der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung zu beachten. Dies spielt vor allem eine Rolle, wenn mehrere Leistungen in einem Zusammenhang © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 36 von 195 erbracht werden. In einem solchen Fall ist stets danach zu differenzieren, ob es sich dabei um eine Hauptleistung sowie weitere Nebenleistungen handelt oder ob mehrere verschiedene Hauptleistungen erbracht werden. Man spricht von einer Nebenleistung, wenn diese 1. nebensächlich im Vergleich zur Hauptleistung ist, 2. ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Hauptleistung im Sinne einer Abrundung und einer Ergänzung gegeben ist und 3. die Nebenleistungen üblich sind. Nebenleistungen können sowohl den Charakter einer unselbständigen Lieferung als auch den Charakter einer unselbständigen sonstigen Leistung haben. MERKE Der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung besagt, dass die Hauptleistung stets Vorrang vor der Nebenleistung hat und ein unselbstständiger Teil der Hauptleistung ist und dass die Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt (A. 3.10 Abs. 5 Satz 1 UStAE). BEISPIEL Laura bestellt sich Gesetzestexte in Buchform für die Vorbereitung auf das juristische Staatsexamen. Die Bücher werden ihr in einem Pappkarton geliefert. Die Verpackung stellt dabei eine unselbstständige Lieferung zur eigentlichen Lieferung der Bücher dar. Die Versendungsleistung (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG) ist eine unselbstständige Dienstleistung zur Hauptleistung in Form der Lieferung der Bücher. Dies gilt auch dann, wenn eine separate Abrechnung für die Versendung stattfindet. Für die Lieferung der Bücher gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Anlage 2 Nr. 49 der Steuersatz von 7%. BEISPIEL Das Catering-Unternehmen Wurst AG aus Mannheim liefert Currywürste auf die Party des Friedolin. Zusätzlich stellt sie dem Friedolin für den Abend leihweise Besteck und Geschirr zur Verfügung. Das Ausleihen des Bestecks und des Geschirrs ist eine Nebenleistung, weil es im Vergleich zur Lieferung der Currywürste nebensächlich ist, sehr wohl aber ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Lieferung der Currywürste gegeben ist, weil diese die Speisen abrunden und ergänzen. Außerdem sind sie im Rahmen der Lieferung üblich, denn ohne Besteck und Geschirr können die Würste nicht verzehrt werden. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 37 von 195 Die Unterscheidung in Haupt- und Nebenleistung ist auch deswegen wichtig, weil unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen belegt sein könnten. Es könnte also sein, dass die eine Leistung mit 7%, die andere Leistung hingegen mit 19% belegt ist. Hierbei gilt wieder, dass nicht der Prozentsatz der Nebenleistung, sondern vielmehr jener der Hauptleistung relevant ist. Für die Frage, ob eine einheitliche Leistung als Lieferung oder sonstige Leistung anzusehen ist, muss eine Beurteilung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers, des Leistungsempfängers, erfolgen. Für die Beurteilung kommt es auf ein qualitatives Überwiegen an. BEISPIEL Stefanie und Michael Meier führen eine orthopädische Fachwerkstatt mit einem angeschlossenen Geschäft für orthopädische Schuhe. Sie arbeiten auch Konfektionsschuhe für orthopädische Zwecke um. Die Anpassung an orthopädische Zwecke erfolgt dabei teilweise durch das Ersetzen der schuheigenen Einlagen durch vorgefertigte Spezialeinlagen mit einer speziellen Polsterung. Häufig erfolgt die Aufarbeitung aufgrund von ärztlichen Verordnungen. Die Leistungen der GbR, bestehend aus Stefanie Michael Meier, sind nicht in eine Lieferung und sonstige Leistung (Werkleistung) aufzuteilen. Es muss vielmehr eine einheitliche Beurteilung erfolgen. Aus Sicht der Kunden wird nicht die Lieferung eines Gegenstandes erwartet, sondern die Anpassung der Schuhe an die individuellen Bedürfnisse. Die Verwendung der vorgefertigten Materialien ist dabei aus Sicht des Verbrauchers von nachrangiger Bedeutung und hat keine selbstständige leistungsbestimmende Bedeutung (BFH vom 09.06.2005, BStBl. II 2006, S. 98). Es liegt somit eine sonstige Leistung vor. 1.3.3 1.3.3.1 Lieferung Allgemeines Die Lieferung wird in § 3 Abs. 1 UStG legal definiert. Demnach ist eine Lieferung eine Leistung eines Unternehmens, die den Abnehmer befähigt in eigenem Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Der Begriff ist für das Umsatzsteuerrecht unabhängig von anderen Rechtsgebieten zu beurteilen. Gegenstand sind grundsätzlich alle körperlichen Gegenstände. Gemäß §§ 90, 90a BGB also Sachgesamtheiten oder solche Wirtschaftsgüter die im Wirtschaftsverkehr wie Sachen behandelt werden. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 38 von 195 Die Verschaffung der Verfügungsmacht beinhaltet den von den Beteiligten endgültig gewollten Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag eines Gegenstands vom Leistenden auf den Leistungsempfänger. Der Abnehmer muss faktisch in der Lage sein, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer zu nutzen und veräußern zu können (A. 3.1 Abs. 2 UStAE). Nun betrachten wir noch ein Lernvideo über die Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 39 von 195 www.steuerkurse.de/go/58e81ca Leasing Beim Finanzierungsleasing handelt es sich um einen atypischen Mietvertrag. Der Leasingnehmer zahlt dem Leasinggeber für eine fixe Grundmietzeit Raten, die dem Leasinggeber den Kaufpreis zuzüglich aller Kosten, Risiken und einem Gewinnaufsschlag abdecken. Mit dem Vertrag ist eine Verlängerungs- oder Kaufoption verknüpft. Der Leasinggeber bleibt in der Konstellation der zivilrechtliche Eigentümer. Bei einer Verlagerung des Sachrisikos durch Optionen für den Leasingnehmer kommt es jedoch in manchen Fällen zu einer Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an den Leasingnehmer. Eine Lieferung an den Leasingnehmer erfolgt nur, wenn im Vertrag eine ausdrückliche Klausel zum Übergang des Eigentums an diesem Gegenstand vom Leasinggeber auf den Leasingnehmer enthalten ist und aus den Vertragsbedingungen hervorgeht, dass der Eigentumsübergang bei planmäßigem Vertragsablauf ausgeführt wird (A. 3.5 Abs. 5 Satz 1 UStAE). Nach diesen Grundsätzen kommt es bei beweglichen Gegenständen zu einer Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Leasingnehmer, wenn der Gegenstand speziell an die Bedürfnisse des Leasingnehmers angepasst ist oder wenn sich die Grundmietzeit und die tatsächliche Nutzungsdauer annähern oder die Grundmietzeit deutlich unter der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer liegt, dafür aber der Leasingnehmer eine Kauf- oder Verlängerungsoption hat und einen deutlich geringeren Beitrag als den Kaufpreis oder Mietzins zahlen muss. Das Entgelt ist die Summe aller Leasingraten zuzüglich des eigentlichen Kaufpreises bei Ausübung einer Kaufoption. Als ausdrückliche Klausel zum Übergang des Eigentum reicht es bereits aus, wenn im Vertrag lediglich eine Kaufoption enthalten ist. Dabei muss auf Grund der finanziellen Vertragsbedingungen der anschließende Kauf als einzig wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Leasingnehmer erscheinen um eine Lieferung darzustellen. Dem Leasingnehmer darf keine echte wirtschaftliche Alternative zum Zeitpunkt der Entscheidung bleiben. Dies ist z. B. der Fall, wenn im Zeitpunkt der Optionsmöglichkeit die vertraglichen Raten dem Verkehrswert des Gegenstandes einschließlich der Finanzierungskosten entspricht und der Leasingnehmer keine erhebliche Summe mit Ausübung der Kaufoption zusätzlich zuzahlen hat. Eine erhebliche Summe liegt dabei vor, wenn der zu entrichtende Betrag 1 Prozent des Verkehrswertes des Gegenstandes im Zeitpunkt der Ausübung der Option übersteigt. (A. 3.5 Abs. 5 Satz 2 - 6 UStAE) Wenn keine Zurechnung des Leasinggegenstands an den Leasingnehmer erfolgt, dann erbringt der Leasinggeber eine sonstige Leistung in Form der Nutzungsüberlassung. Die Leistung wird dabei in Teilleistungen erbracht (§ 13 Abs. 1 Nr 1. a) Satz 2, 3 UStG). Sonderzahlungen des Leasingnehmers sind beim Leasinggeber als Teilentgelt zu behandeln nach der Ist-Besteuerung im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 a) Satz 4 UStG. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 40 von 195 Fallbeispiel Verpfändung www.steuerkurse.de/go/cb4538a 1.3.3.2 Verschaffung der Verfügungsmacht und zivilrechtlicher Eigentumsübergang Grundfall: Einigung und Übergabe bzw. Auflassung Für die Verschaffung der Verfügungsmacht kommt es auf eine tatsächliche Betrachtung an, sodass es genügt, wenn der Abnehmer wie ein Eigentümer mit dem Gegenstand verfahren kann. Die Übertragung des Rechts auf Eigentum allein ist insoweit nicht ausreichend, es muss die wirtschaftliche Substanz übergehen (A. 3.1 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Die Verschaffung der Verfügungsmacht ist jedoch in den meisten Fällen mit der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung identisch (A. 3.1 Abs. 2 Satz 4 UStAE). Die zivilrechtlichen Vorgaben zum Eigentumsübergang an beweglichen Sachen (Mobilien) sind in den §§ 929 ff. BGB geregelt. Gem. § 929 Satz 1 BGB setzt der Eigentumsübergang grundsätzlich zwei Komponenten voraus: Einigung, Übergabe (Übertragung des Besitzes gem. § 854 BGB). Die Übertragung an unbeweglichen Gegenständen (Immobilien) ist in §§ 873, 925 BGB geregelt. Neben der Einigung wird die Übergabe in diesen Fällen durch die Auflassung und Eintragung im Grundbuch ersetzt. VORSICHT Auch wenn die zivilrechtlichen Grundlagen grundsätzlich kein Bestandteil der schriftlichen Prüfungen sind, sollten Sie für das USt-Recht ein Grundverständnis des zivilrechtlichen Eigentumsrechts haben. Es empfiehlt sich die §§ 929 ff. BGB einmal im Selbststudium anzuschauen! Relevant wird dies insbesondere bei den Übergabesurrogaten. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 41 von 195 Im Grundsatz wird die Verschaffung der Verfügungsmacht gem. § 929 Satz 1 BGB bei beweglichen Sachen durch bloße (tatsächliche) Übergabe der Sache vollzogen. Damit liegt umsatzsteuerlich eine Lieferung vor. Sonderfall: Übergabesurrogate In Sonderfällen kann die Übergabe jedoch durch sog. Übergabesurrogate ersetzt werden, dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich die Sache zum Zeitpunkt der Verfügungsverschaffung physisch nicht im Besitz des Übertragenden befindet: 929 Satz 2 BGB betrifft den Fall, dass sich der Erwerber bereits im Besitz der Sache befindet, eine Übergabe mithin nur zu einem sinnlosen hin und her Übertragen führen würde. Die Übertragung wird auch als Übergabe „kurzerhand“ bezeichnet. Ferner kann die Übergabe durch Ersatzübergaben ersetzt werden, Dies wird i.d.R. vereinbart, wenn sich ein Dritter (nicht der Erwerber) oder der Eigentümer selbst im Besitz der Sache befindet. In diesem Fall kann die Übertragung ersetzt werden durch: Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB): In diesem Fall wird ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. Aufgrund dieses Besitzmittlungsverhältnisses erlangt der Erwerber den mittelbaren Besitz an der Sache und hat somit einen Herausgabeanspruch gegenüber dem unmittelbaren Besitzer, sobald das Besitzmittlungsverhältnis beendet ist. Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB): Ist ein Dritter im Besitz der Sache, so kann die Übergabe auch dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Anspruch auf Herausgabe des Eigentums nach § 985 BGB abtritt. Eine weitere Möglichkeit die physische Übergabe zu ersetzen ist die Übergabe eines indossierten Traditionspapiers (Lagerschein, Ladeschein etc.), dessen Vorlage den Erwerber dann zur Herausgabe berechtigt. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 42 von 195 BEISPIEL Fara Harry beauftragt ihren Angestellten Christian Boule mit dem Kauf von 50 Metallstücken in ihrem Namen und auf ihre Rechnung beim Schrotthändler Uwe Solti, die sie in ihrer Kunstschmiede zu einem Zaun weiterverarbeitet. Christian Boule besorgt den Einkauf auf Weisung von Fara Harry und ist insoweit nur ein unselbstständiger Erfüllungsgehilfe (§ 3 Abs. 1 UStG). Er ist selbst in den Lieferprozess nicht einbezogen und erlangt selbst auch keine Verfügungsmacht über den Gegenstand. Es liegt jedoch eine Lieferung zwischen Uwe Solti und Fara Harry vor. Abwandlung: Fara Harry beauftragt den Spediteur S mit der Abholung der Metallteile bei Uwe Solti. Der Spediteur S ist ebenfalls ein Erfüllungsgehilfe, der nicht selbst die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erlangt. Es liegt auch hier eine Lieferung zwischen Fara Harry und Uwe Solti vor. (Gleichzeitig besteht aber zwischen dem Spediteur S und Fara Harry ein gesondert zu beurteilendes Leistungsverhältnis). Sonderfall: Eigentumsvorbehalt Bei der Lieferung unter Eigentumsvorbehalt nach § 449 BGB wird dem Abnehmer an dem Gegenstand die Verfügungsmacht verschafft, obwohl noch kein zivilrechtliches Eigentum in Sinne des BGB vorliegt. Es geht das wirtschaftliche Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO über. Der Eigentumsvorbehalt ist damit kein Übergabesurrogat. Die Übergabe erfolgt in diesem Fall vielmehr nach § 929 Satz 1 BGB unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung. Umsatzsteuerlich liegt eine (sofortige) Lieferung des Verkäufers an den Käufer vor. Die aufschiebende Bedingung hat hierfür keine Bedeutung. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 43 von 195 Fallbeispiel Lieferung unter Eigentumsvorbehalt www.steuerkurse.de/go/cb31720 Sonderfall: Sicherungsübereignung Die Sicherungsübereignung stellt grundsätzlich eine Übereignung mittels Übergabesurrogat gem. § 930 BGB dar. Zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer wird ein Besitzmittlungsverhältnis vereinbart. Der Sicherungsgeber bleibt im unmittelbaren Besitz der Sache; er besitzt die Sache jedoch von nun an nicht mehr für sich, sondern für den Sicherungsnehmer. Der Sicherungsnehmer wird mittelbarer Besitzer der Sache. Mangels Erlangung der unmittelbaren Verfügungsmacht stellt die Sicherungsübereignung noch keine Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer dar. HINWEIS Klassische Fälle der Sicherungsübereignung lassen sich im Verhältnis zwischen Banken und ihren Kunden finden, sofern die erworbene Sache Kreditfinanziert wird und keinerlei andere Sicherheiten gestellt werden. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 44 von 195 Ausschlaggebender Zeitpunkt für die umsatzsteuerliche Beurteilung ist die Verwertung des Gegenstands (A. 1.2. UStAE). Die Übertragung der Verfügungsmacht erfolgt erst bei der Veräußerung der Sache an einen Dritten oder wenn der Gegenstand durch einen Dritten veräußert wird, oder die Sache vom Sicherungsnehmer in Absprache mit dem Sicherungsgeber selbst (tatsächlich) übernommen wird (A. 1.2 Abs. 1 Satz 1 UStAE). Es liegen sodann zwei umsatzsteuerliche Lieferungen vor (sog. Doppelumsatz): die Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer; die Lieferung vom Sicherungsnehmer an den Erwerber des Sicherungsguts (Abschnitt 1.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE). In zeitlicher Hinsicht erfolgte diese Lieferung zum selben Zeitpunkt; juristische betrachtet jedoch in Abfolge von einer juristischen Sekunde nacheinander. HINWEIS Bei der Lieferung von Gegenständen der Sicherungsübereignung durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer kommt es nach § 13b Abs. 2 Nr. 2 UStG zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers. (vgl hierzu auch § 13b Ausführungen) © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 45 von 195 Wenn der Sicherungsgeber im Sicherungsfall im eigenen Namen aber auf Rechnung des Sicherungsnehmers (Kommission) den Verkauf übernimmt, liegen drei umsatzsteuerliche Lieferungen vor (sog. Dreifachumsatz): 1. Es kommt zu einer Lieferung zwischen dem Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer, dann zu 2. einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Sicherungsgeber (Rückübertragung), und schließlich zu 3. einer Lieferung des Sicherungsgebers an den eigentlichen Erwerber. HINWEIS Die Veräußerung im eigenen Namen aber auf Rechnung eines anderen stellt sich i.d.R. als Kommissionsgeschäft dar. Zum Kommissionsgeschäft in der Umsatzsteuer vgl. Querverweis Kommissionsgeschäft! Erfolgt die Verwertung der Sache im Rahmen einer (förmlichen) Zwangsversteigerung, so stellt dies keine Lieferung des Vollstreckungsschuldners an den Gerichtsvollzieher dar. Der Gerichtsvollzieher wird ausschließlich hoheitlich tätig. Die Lieferung erfolgt direkt von dem Vollstreckungsschuldner an den Erwerber (A. 1.2 Abs. 2 UStAE). Für die Übertragung der Verfügungsmacht ist es nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG unschädlich, dass die Übertragung auf einer hoheitlichen Maßnahme anstatt auf einem zweckgerichteten Handeln des Unternehmers basiert. Bei beweglichen Gegenständen erfolgt die Lieferung mit der Ablieferung im Sinne des 817 ZPO. Bei der Versteigerung von Grundstücken kommt es bereits mit dem Zuschlag nach § 90 ZVG zur Lieferung. Die Regelung über den Dreifachumsatz finden nach A. 1.2 Abs. 4 Satz 1 UStAE auch im Insolvenzverfahren Anwendung. 1.3.3.3 Besondere Arten der Lieferung § 3 Abs. 1a – 5 UStG enthält eine Definition von besonders gearteter Lieferung oder Leistung, die zwar nicht von der Definition des § 3 Abs. 1 UStG umfasst ist, jedoch einer umsatzsteuerlichen Lieferung gleichgestellt werden. Diese sollen im Folgenden dargestellt werden. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 46 von 195 PRÜFUNGSTIPP § 3 UStG ist sehr umfangreich. Gleichwohl lohnt es sich, die Vorschrift in ihrer vollen länge einmal ausführlich zu studieren und (sofern zulässig) entsprechende Unterstreichungen etc. vorzunehmen. § 3 UStG ist nicht nur für die Arten von Lieferungen und sonstigen Leistungen relevant, sondern (teilweise) auch für die Ortsbestimmungen hierzu. Das macht die Vorschrift etwas unübersichtlich. Da die Klausuren den Prüfling jedoch unter enormen Zeitdruck setzen, werden Sie in der Regel in der Klausur keine Zeit für ein ausführliches Studium der einzelnen Absätze des § 3 UStG haben. Auch hier gilt: Preparation is key! Innergemeinschaftliches Verbringen Beim innergemeinschaftlichen Verbringen gem. § 3 Abs. 1a UStG handelt es sich um eine Sonderregelung für einen Umsatz mit grenzüberschreitendem Bezug. Die Grundsätze des innergemeinschaftlichen Verbringens werden in innergemeinschaftliches Verbringen ausführlich gesondert behandelt. Entnahmen, Sachzuwendungen, andere unentgeltliche Zuwendungen § 3 Abs. 1b UStG enthält einen Katalog an Leistungen, die einer Lieferung gegen Entgelt i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG gleichgestellt werden (vgl. dazu auch Abschnitt 3.3 UStAE). Merkmal all dieser Leistungen ist, dass sie unentgeltlich erfolgen und damit ihrerseits nicht Entgelt für eine andere Leistung sind. HINWEIS Hier können sich Abgrenzungsschwierigkeiten stellen. Es sollte stets geprüft werden, ob die Leistung die unter § 3 Abs. 1b UStG subsumiert werden soll, tatsächlich unentgeltlich erfolgen soll. Maßgeblich ist hierfür der genaue Sachverhalt. Auch hier gilt wiederum: zunächst sorgfältig den Sachverhalt lesen! § 3 Abs. 1b UStG stellt die folgenden Leistungen einer umsatzsteuerbaren Lieferung gleich: 1. die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (Entnahme); 2. die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf (Sachzuwendung), sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; 3. jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert (Nettobetrag ≤ EUR 35) und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Voraussetzung ist, dass der Zuwendende dem Empfänger zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft. Voraussetzung ist in allen drei Fällen, dass der betroffene Gegenstand oder seine Bestandteile zum Unternehmen gehört, diesem mithin zugeordnet werden kann. Die Definition des Gegenstands ist © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 47 von 195 dieselbe wie in § 3 Abs. 1 UStG (Sachen i.S.d. §§ 90, 90a BGB). Bestandteile eines Gegenstands sind diejenigen gelieferten Gegenstände, die auf Grund ihres Einbaus ihre körperliche und wirtschaftliche Eigenart endgültig verloren haben und die zu einer dauerhaften, im Zeitpunkt der Entnahme nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung des Gegenstands geführt haben. Der Einbau eines Bestandteils in einen Gegenstand hat nur dann zu einer dauerhaften, im Zeitpunkt der Entnahme nicht vollständig verbrauchten Werterhöhung des Gegenstands geführt, wenn er nicht lediglich zur Werterhaltung des Gegenstands beigetragen hat. Zu beachten ist hier zudem die Bagatellgrenze, die in Abschnitt 3.3 Abs. 4 UStG dargestellt ist. Maßgeblich ist damit, ob der Einbau des Bestandteils 20% der Anschaffungskosten des Gegenstands und einen Betrag von EUR 1.000 nicht übersteigt. Zu Nr. 2 betrachten wir uns nun folgendes Lernvideo. www.steuerkurse.de/go/7028967 BEISPIEL Ein Unternehmer erwirbt am 01.07.01 aus privater Hand einen gebrauchten Pkw für EUR 10.000 und ordnet ihn zulässigerweise seinem Unternehmen zu. Am 01.03.02 lässt er nachträglich die Windschutzscheibe erneuern (Entgelt EUR 500). Der Unternehmer nimmt hierfür den VSt-Abzug in Anspruch. Das aufgewendete Entgelt für den nachträglichen Einbau der Windschutzscheibe beträgt EUR 500. Dies ist weniger als 20 % der ursprünglichen Anschaffungskosten des Pkw, und übersteigt auch nicht den Betrag von EUR 1.000. Eine Werterhöhung des Pkw wird damit für umsatzsteuerliche Zwecke nicht angenommen. Voraussetzung ist des Weiteren, dass der betroffenen Gegenstand (oder seine Bestandteile) zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Sinn und Zweck der Regelung ist damit das Besteuerungsprinzip der Allphasen-Netto Umsatzsteuer herzustellen, wonach der Letztverbraucher in der Kette die Umsatzsteuer endgültig zu tragen hat. Ohne die Reglung des § 3 Abs, 1b UStG würde in diesen Fällen keiner die Umsatzsteuer für den Gegenstand endgültig tragen. Hat der Unternehmer keinen Vorsteuerabzug vorgenommen, ist § 3 Abs. 1b UStG nicht anwendbar. Es würde ansonsten zu einer Mehrfachbesteuerung kommen. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 48 von 195 PRÜFUNGSTIPP An dieser Stelle können sich in der Klausur interessante Abgrenzungsfragen (Zuordnung zu unternehmerischen oder nichtunternehmerischen Bereich) stellen. Sie sollten über diesen Punkt keinesfalls hinweggehen, insbesondere dann nicht, wenn sich der Rest der Prüfung dieses Sachverhalts vermeintlich leicht und ohne weitere Probleme darstellt. Auch hier gilt stets: Erarbeiten Sie sich den Sachverhalt sauber und lesen sie vor allem genau! Kommissionsgeschäft gem. § 3 Abs. 3 UStG § 3 Abs. 3 UStG enthält eine Regelung für die umsatzsteuerliche Behandlung eines Kommissionsgeschäfts. Das Kommissionsgeschäft selbst ist in § 383 HGB geregelt. Dieses Video gibt Ihnen zunächst eine Übersicht über Kommissionsgeschäfte: www.steuerkurse.de/go/fca63b2 In einem Kommissionsgeschäft sind grundsätzlich der Parteien auseinander zu halten: Kommissionär, Kommittent, Dritte. Kommissionär ist nach der gesetzlichen Definition in § 383 Abs. 1 HGB, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere für Rechnung eines anderen in eigenem Namen zu verkaufen (Verkaufskommission) oder zu kaufen (Einkaufskommission). Der Kommissionär geht damit eine Lieferbeziehung (entweder Kauf oder Verkauf) mit dem Dritten ein. Der Dritte kann seine Rechte nur gegenüber dem Kommissionär geltend machen und muss auch nur dessen Ansprüche bedienen. Der Kommittent übergibt die Ware lediglich an den Kommissionär. Der Kommissionär erhält im Zuge des Kommissionsgeschäfts für seine Leistung eine Vergütung (Provision). Der Kommittent erhält den Erlös aus dem Letztgeschäft (Verkauf an den Erwerber), abzüglich der Provision des Kommissionärs. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 49 von 195 Abzugrenzen ist das Kommissionsgeschäft vom Vermittlungsgeschäft: Der Kommissionär handelt im eigenen Namen und auf fremde Rechnung; Der Vermittler handelt im fremden Namen und auf fremde Rechnung. Zwischen Vermittler und Endkunde kommt somit niemals ein Geschäft zustande. Parteien des Vertrags werden in diesem Fall immer der Endkunde und der Unternehmer selbst. Der Vermittler bringt lediglich beide Parteien zusammen. VORSICHT Der Kommissionär ist nicht Vertreter des Kommittenten. Der Vertreter handelt stets in fremden Namen und auf fremde Rechnung! Der Kommissionär wird damit nach © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 50 von 195 außen hin Vertragspartner und trägt somit auch ein wirtschaftliches Risiko. Gem. § 3 Abs. 3 UStG finden umsatzsteuerliche Lieferungen statt: beim Kommissionsgeschäft (Verkaufskommission) zwei 1. die Lieferung des Kommittenten an den Kommissionär, 2. die Lieferung des Kommissionärs an den Dritten. Wir schauen uns zur Verkaufskommission ein Lernvideo an. www.steuerkurse.de/go/40982be © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 51 von 195 HINWEIS Bei der Einkaufskommission ändern sich lediglich die Leistungsrichtungen. Somit ist die erste Lieferung die Lieferung des Dritten an den Kommissionär und die zweite Lieferung die des Kommissionärs an den Kommittenten. In Abgrenzung zur Einkaufskommission. Verkaufskommission, betrachten wir nun folgendes Lernvideo zur www.steuerkurse.de/go/409e9f6 Für den Zeitpunkt der Lieferungen kommt es auf die sachenrechtliche Ausgestaltung des Kommissionsgeschäfts an. I.d.R. werden beide Lieferungen zeitgleich ausgeführt. Bei einer Verkaufskommission wird bei dem Verkauf an den Endabnehmer in der selben juristischen Sekunde eine Lieferung des Kommitten an den Kommissionär angenommen. Beachte: Die Herausforderung in der Klausur besteht damit regelmäßig in der Bestimmung des Ortes der Lieferung (siehe dazu Ortsbestimmung im Kommissionsgeschäft)! Je nach Vertragsgestaltung © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 52 von 195 und Warenbewegung kann es auch zu einem Reihengeschäft kommen. www.steuerkurse.de/go/40a485a BEISPIEL A und B schließen einen Kommissionsvertrag ab. In diesem verpflichtet sich der A im eigenen Namen aber auf Rechnung des B die Waren des B (Staubsauger) zu vertreiben. B ermächtigt den A entsprechende Verfügungen hinsichtlich der Ware zu treffen. A schließt mit E einen Kaufvertrag ab und übergibt ihm den Staubsauger. Im Moment der Übergabe liegen umsatzsteuerlich zwei Lieferungen i.S.d. § 3 Abs. 3 UStG vor. Eine Lieferung von B an A und eine Lieferung von A an E. Elektronische Lieferungen gem. § 3 Abs. 3a UStG § 3 Abs. 3a S. 1, 2 UStG regelt die Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten. Demnach werden Unternehmer, die mittels ihrer elektronischen Schnittstelle Lieferungen von Gegenständen durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Nichtunternehmer unterstützen, deren Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, so behandelt, als ob sie diese Gegenstände für ihr Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätten (vgl. Abschnitt 3.18 Abs. 1 UStAE). Gleiches gilt nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG für die Unterstützung von Fernverkäufen von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € mittels einer elektronischen Schnittstelle. VORSICHT Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Regelung ist, dass der liefernde Unternehmer im Drittland ansässig ist. Lieferungen von (Erst-) Unternehmen die im Gemeinschaftsgebiet (EU-Mitgliedstaaten) ansässig sind, fallen ausweislich des Wortlauts nicht unter die Regelung (vgl. auch Abschn. 3.18 Abs. 2 S. 3 UStAE)! Hier gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 53 von 195 Umsatzsteuerlich führt die Reglung des § 3 Abs. 3a UStG dazu, dass zwei Lieferungen fingiert werden, obwohl tatsächlich nur eine (physische) Lieferung stattfindet: 1. Lieferung des (ersten) Unternehmens an den Betreiber der elektronischen Schnittstelle (1. Fiktive Lieferung), 2. Lieferung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle an den Endkunden (2. Fiktive Lieferung). Damit wird der Betreiber der elektronischen Schnittstelle so behandelt, als ob er den Gegenstand selbst empfangen und anschließend an den Erwerber ausgeliefert hätte. Hintergrund der Regelung ist die Umsetzung der EU-Richtlinie v. 5.12.2017 (2017/2455) in das nationale Recht (sog. Mehrwertsteuer-Digitalpaket). Der Gesetzgeber wollte damit der Zunahme von Fremdverkäufen über Internetplattformen durch Globalisierung und den technologischen Fortschritt Rechnung tragen. www.steuerkurse.de/go/59268d0 www.steuerkurse.de/go/593053e VORSICHT Die Regelung des § 3 Abs. 3a UStG führt dazu, dass ein umsatzsteuerliches Reihengeschäft (vollständig) fingiert wird (hierzu siehe Reihengeschäft). Damit ist nur eine Lieferung als Warenbewegte anzusehen. Maßgeblich ist dies für die Ortsbestimmung, wobei § 3 (6b) UStG die bewegte Lieferung klarstellt! © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 54 von 195 BEISPIEL Die in Frankreich ansässige Privatperson C bestellt eine Handyhülle über einen Online-Marketplace des Unternehmens A; der Betreiber der Schnittstelle sitzt im Inland (Deutschland). Der Händler H der Handyhülle ist in den USA ansässig; der Versand erfolgt aus einem inländischen Lager eines anderen Unternehmens (Frankreich) heraus. Gem. § 3 Abs. 3a UStG werden zwei Lieferungen fingiert: H liefert die Handyhülle an A. A liefert die Handyhülle an C. Werklieferung § 3 Abs. 4 UStG Eine besondere Form der Lieferung ist die sogenannte Werklieferung. Eine Werklieferung liegt nach § 3 Abs. 4 UStG vor, wenn durch einen Unternehmer die übernommene Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes unter der Verwendung aus selbst beschaffter Hauptstoffe erfolgt. Besteht das Werk aus mehreren Hauptstoffen, bewirkt der Werkunternehmer bereits dann eine Werklieferung, wenn er nur einen Hauptstoff oder einen Teil eines Hauptstoffs selbst beschafft hat, während alle übrigen Stoffe vom Besteller beigestellt werden. Hauptstoffe sind alle Stoffe, die nicht lediglich Nebenstoffe oder Zutaten sind. Abzugrenzen ist nach dem jeweiligen Werk im Einzelfall. Kleinere technische Hilfsmittel, z.B. Nägel, Schrauben, Splinte usw., sind in aller Regel Nebensachen. Wichtig: Es muss sich um einen fremden Gegenstand handeln vgl. Abschnitt 3.8 UStAE. Selbst beschafft hat ein Unternehmer die Hauptstoffe dann, wenn er die Verfügungsmacht über diese hat. Wenn ein Werkunternehmer als Agent oder Berater bei der Stoffbeschaffung für sein Auftraggeber agiert, so erlangt er i.d.R, nicht er die Verfügungsmacht an den Hauptstoffen, sondern der Kunde direkt. Dementsprechend liegt dann keine Werklieferung vor. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang auch Beistellleistungen des Bestellers. Auch hier erlangt der Unternehmer keine Verfügungsmacht an den beigestellten Gegenständen. Die beigestellte Sache kann ein Hauptstoff sein, die Beistellung kann sich aber auch auf Nebenstoffe oder sonstige Beistellungen, z.B. Arbeitskräfte, Maschinen, Hilfsstoffe wie Elektrizität, Kohle, Baustrom und Bauwasser oder ähnliche Betriebsmittel, beziehen. BEISPIEL Peter Müller entdeckt bei seiner Reise nach München einen wunderschönen Anzug und kauft diesen für EUR 3.000. Aufgrund seiner Empfindlichkeit gegen bestimmte Futterstoffe, lässt Peter Müller das Innenfutter des Anzugs durch Seide ersetzen. Er lässt außerdem einige Änderungen an den Knöpfen vornehmen. Der Schneider Johann Nadel beschafft das Futter, die Knöpfe und andere Materialien die er selber benötigt. Es liegt hier aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG vor, da es Peter Müller vor allem um das Futter aus Seide geht und dies einen Hauptstoff darstellen dürfte, den der Auftraggeber selbstständig besorgt. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 55 von 195 HINWEIS Sofern der Unternehmer die Leistung ohne selbst beschaffte Hauptstoffe vollzieht, liegt im Umkehrschluss eine Werkleistung nach § 3 Abs. 9 UStG vor. Hierzu ausführlich der Abschnitt Werkleistung gem. § 3 Abs. 10 UStG unter dem Kapitel sonstige Leistung. Werklieferungen werden grundsätzlich zum Zeitpunkt der Beschaffung der Verfügungsmacht ausgeführt. Die Verschaffung der Verfügungsmacht bei Werklieferung ist im Baugewerbe von besonderer Bedeutung und erfolgt durch die Übergabe und Abnahme des fertigen Werkes (Abschnitt 13.2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStAE). Gehaltslieferung § 3 Abs. 5 UStG Nach § 3 Abs. 5 UStG versteht man unter einer Gehaltslieferung eine Lieferung, bei der der Abnehmer bestimmte Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstandes entstehen, an den Lieferer zurückgibt. Aufgrund der Beschränkung der Lieferung auf das übergebene Material, sind die Nebenerzeugnisse und Abfälle kein Gegenstand des Leistungsaustausch. Der Abnehmer erlangte auch nur an dem übergebenen Extrakt des Materials oder Stoffes die wirtschaftliche Verfügungsmacht. Unter diesem Aspekt kann unter § 3 Abs. 5 UStG eine klarstellende Norm gesehen werden. BEISPIEL Der Milchlieferant M liefert an den Unternehmer A den Fettgehalt von Milch und erhält den entsprechenden Magerquark wieder zurück. M erhält darüber hinaus ein Entgelt für den Fettgehalt der Milch. Der Landwirt Peter Fleißig liefert an die Rübenfabrik seine Zuckerrüben und erhält neben einem Entgelt die Zuckerrübenschnitzel von seinen Rüben zurück. Es liegt in beiden Fällen eine Gehaltslieferung vor. Ohne die Klarstellung des § 3 Abs. 5 UStG könnte der Vorgang auch als Tausch betrachtet werden, bei dem der Landwirt neben dem Entgelt noch die Zuckerrübenschnitzel als Gegenleistung erhält. Die Bemessungsgrundlage wäre entsprechend deutlich höher. 1.3.4 Sonstige Leistung Das UStG unterscheidet zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen. Die sonstige Leistung wird negativ gegenüber dem Begriff der Lieferung in § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG abgegrenzt. Grundsätzlich ist jede wirtschaftliche Leistung, die keine Lieferung darstellt, eine sonstige Leistung. Grundsätzlich begeht die sonstige Leistung in einem aktiven Tun. Eine sonstige Leistung kann nach § 3 Abs. 9 Satz 2 UStG auch aus: einem Unterlassen oder einem Dulden bestehen. © examio GmbH - 26.02.2024 - Erstellt für Matthias Merten Pritschow (Nur für den persönlichen Gebrauch) Seite 56 von 195 Duldungsleistungen bestehen häufig in der Vermietung und Verpachtung oder der Darlehensgewährung. Sie sind somit in ihrer Natur in der Regel auf einen längeren Zeitraum ausgelegt. Sie sind auch nachhaltig und dienen in der Regel der Erzielung von Einnahmen (A. 2.3 Abs. 5-7 UStAE). Bei Unterlassungsleistungen liegen grundsätzlich keine längerfristigen Maßnahmen vor und es kann bei einer einzelnen Maßnahme daher nicht von einer nachhaltigen Tätigkeit ausgegangen werden. Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung Ob eine Lieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die Abgrenzung spielt in der Klausur eine zentrale Rolle, da mit der Qualifikation als Lieferung oder sonstige Leistungen unterschiedliche Ortsbestimmungsregeln einhergehen. MERKE Die Notwendigkeit der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist von enormer Bedeutung, da die Vorschriften zur Ortsbestimmung grundlegend verschieden sind. Achten Sie in der Klausur daher darauf, dass Sie eine korrekte Abgrenzung vornehmen, da andernfalls die gesamte Würdigung voraussichtlich nicht zutreffend ist. Erbringt ein Unternehmer mehrere Leistungen (Leistungsbündel), so ist stets zu fragen, ob diese Leistungen als eine einheitliche Leistung angesehen werden können oder ob jede Leistung individuell zu betrachten ist. Dies beurteilt sich grundsätzlich aus Sicht eines objektiven Dritten (Durchschnittverbraucher). Unentgeltliche Wertabgaben § 3 Abs. 9a UStG § 3 Abs. 9a UStG stellt bestimmte Vorgänge einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleich (unentgeltliche Wertabgaben). Die unentgeltlichen Wertabgaben im Sinne des § 3 Abs. 9a UStG umfassen alle sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens für eigene, außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke oder für den privaten Bedarf seines Personals ausführt (A. 3.4. UStAE). Umfasst werden konkret zwei Vorgänge: 1. die Verwendung eines dem Unter