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01. Politische Okonomie .pdf

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1. POLITISCHE ÖKONOMIE DER SCHWEIZ 1. Warum ist die Schweiz ein reiches Land? 2. Politisches System 3. Wirtschaftsstruktur 4. Wird die Schweiz ein reiches Land bleiben? Literatur und Daten - Patrick Halbeisen/Margrit Müller/Béatrice Veyrassat (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhunde...

1. POLITISCHE ÖKONOMIE DER SCHWEIZ 1. Warum ist die Schweiz ein reiches Land? 2. Politisches System 3. Wirtschaftsstruktur 4. Wird die Schweiz ein reiches Land bleiben? Literatur und Daten - Patrick Halbeisen/Margrit Müller/Béatrice Veyrassat (Hg.), Wirtschaftsgeschichte der Schweiz im 20. Jahrhundert, Basel: Schwabe Verlag, 2012. - Bundesamt für Statistik (www.bfs.admin.ch) - Historische Statistik der Schweiz online: http://www.fsw.uzh.ch/histstat/main.php - Adrian Vatter, Das politische System der Schweiz, Nomos UTB, Baden-Baden 2014. - Datenbank der Abstimmungen: www.swissvotes.ch - Historisches Lexikon der Schweiz: http://www.hls-dhs-dss.ch 1. Warum ist die Schweiz ein reiches Land? indikator fur erfolgreiches Land Hohe Einwanderung Aussergewöhnlich erfolgreiches Land - BIP pro Kopf unter den zehn reichsten Ländern der Welt (auch wenn durch PPP bereinigt) - Schweiz ist eines der innovativsten Länder der Welt - hoher Rang bei Umfragen zu Glück und Wohlbefinden - : Wie erklärbar? - «Europäisches Wunder»: industrielle Revolution in England im 18. Jh., deshalb auch «Great Divergence», d.h. hauptsächlich eine technologische Revolution, wobei Welthandel und Kolonialismus notwendig, aber nicht hinreichend (vgl. de Zwart/van Zanden, The Origins of Globalization: World Trade in the Making of the Global Economy, 1500-1800, CUP 2018) - Europäische Wirtschaftsgeographie: «blaue Banane» (Brunet 1989, Les villes européennes) und Pfadabhängigkeit (David 1985, QWERTY) - Schweiz: frühe Industrialisierung, geopolitisch günstig gelegen, erfolgreiche Schlachten im 14./15. Jh., ab 1515 kein Krieg mehr (ausser 1798) > verantwortlich andere Lander - kleines Land (leichter zu regieren als grosse Länder) zu"Unterstutzen" DSP DE financier - Zusammenfassend: lange historische Tradition des relativen Reichtums, d.h. tief verwurzelt dieEU - . Michtigegnisse : . 1 . 2 1 Civilisation formation Industrialisierung 2 Industriepotential pro Kopf im Jahr 1860 England 100 Schweiz 55-65 Belgien 45-55 Frankreich 17-22 Deutschland 10-15 Schweden 8-10 Quelle: Bairoch (1976). Jahreseinkommen pro Kopf (in 1990 int. Dollar) im Jahr 1913 United States 5'301 Australia 5'157 New Zealand 5'152 United Kingdom 4'921 Canada 4'447 Switzerland 4'266 Belgium 4'220 Netherlands 4'049 Denmark 3'912 Germany 3'648 France 3'485 Quelle: Maddison (2003). 3 2. Politisches System Langfristige politische Strukturen - Niederlande und Schweiz einzige Länder, die aus Stadtstaaten hervorgegangen sind - Gründung des Bundesstaates 1848 nur dank Bürgerkrieg möglich (Sonderbundskrieg 1847) Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft. vom 12. September 1848. Im Namen Gottes des Allmächtigen! Die schweizerische Eidgenossenschaft, in der Absicht, den Bund der Eidgenossen zu befestigen, die Einheit, Kraft und Ehre der schweizerischen Nation zu erhalten und zu fördern, hat nachstehende Bundesverfassung angenommen: Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen. Art. 1. Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völkerschaften der zwei und zwanzig souveränen Kantone, als: Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden (ob und nid dem Wald), Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel (Stadt und Land), Schaffhausen, Appenzell (beider Rhoden), St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf bilden in ihrer Gesamtheit die schweizerische Eidgenossenschaft. Art. 2. Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen Aussen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt. Art. 3. Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und üben als solche alle Rechte aus, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind. 4 Wichtige politische Schritte - 1874 Referendum auf Bundesebene - Integration der Katholisch-Konservativen (erster Bundesrat 1891, zweiter Bundesrat 1919) - 1919 Proporzwahl des Nationalrats: Ende der freisinnigen Mehrheit - 1929 erhält BGB (später SVP) einen Bundesratssitz - 1943 erster SP-Bundesrat (vgl. 1937 Friedensabkommen, Beginn der Sozialpartnerschaft) - 1959 Zauberformel: 2 FDP, 2 CVP, 2 SP, 1 BGB - 1971 Einführung des Frauenstimmrechts - Verschiebung der Parteienstärken seit den 1990er Jahren, Aufstieg der SVP 5 Strukturen des politischen Systems „Sonderfall“: Kombination von Föderalismus und direkter Demokratie (Tabelle aus Vatter 2014) 6 - weitere Besonderheiten - Kumulieren: Kumulieren bedeutet, den gleichen Namen auf der gleichen Liste zweimal aufzuschreiben. Das heisst, dass der kumulierte Kandidat somit zwei Stimmen erhält. - Panaschieren: Panaschieren bedeutet, auf einer Liste einen Namen zu streichen und den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten einer anderen Liste einzusetzen. - Gleichzeitiges und mehrmaliges Panaschieren und Kumulieren sind erlaubt. - politische Wirkungen des politischen Systems − Majorz (Ständerat, Kantonsregierungen) und Referendum zwingen zu Konkordanz − Möglichkeit des panaschieren führt ebenfalls zur Schwächung der Parteiendoktrin − Referendum als Bremse: starke Stellung der Verbände (Vetorecht, deshalb Vernehmlassung) − Initiative fungiert eher als „Gaspedal“ (Linder), wird aber meist abgelehnt - ökonomische Auswirkungen umstritten - kritische Sicht: Borner, Brunetti und Straubhaar (Schweiz AG: Vom Sonderfall zum Sanierungsfall? Zürich 1990) und Wittmann (Direkte Demokratie: Bremsklotz der Revitalisierung, Frauenfeld 2001). - Positive Sicht: Bruno S. Frey und Koautoren (Reiner Eichenberger, Lars Feld, Gebhard Kirchgässner, Marcel Savioz, Christoph Schaltegger, Alois Stutzer): v.a. finanzpolitische Vorteile und Glücksforschung (vgl. Luhmann: „Legitimität durch Verfahren“) 7 Gesamtsicht (Grafik aus Vater 2014) 8 3. Wirtschaftsstruktur Muster der Industrialisierung - Ressourcenausstattung: - wenig Rohstoffe, aber viel Wasser - wenig fruchtbares Land, aber Weidegebiet - kleiner Binnenmarkt - hohe Bevölkerungsdichte - schränkt Möglichkeiten bei Industrialisierung ein - Exportorientierte Tieflohnstrategie in der Textilindustrie (Baumwollverarbeitung) - Koppelungseffekte: Maschinenindustrie und Chemieindustrie, später Elektroindustrie (Wasser) - Industrialisierung der Uhrenindustrie - Viehwirtschaft, daraus Milchverarbeitung und Nahrungsmittelindustrie - Banken und Versicherungen als Folge der Industrialisierung ab 1850 - fast alle SMI-Unternehmen vor 1913 gegründet ABB (Asea Brown Boveri), Adecco SA, Geberit, Givaudan, Julius Bär, LafargeHolcim, Lonza, Nestlé, Novartis, Richemont, Roche, SGS SA, Sika, Swatch, Swiss Life, Swiss Re, Swisscom, UBS, Zurich Insurance Gegenbeispiel USA - viel Land, viele Rohstoffe - geringe Bevölkerungsdichte - wachsender Binnenmarkt (Immigration) => Veredelung der Rohstoffe, Protektionismus 9 Charakterisierung der Schweizer Wirtschaftsstruktur heute - gut diversifiziert im zweiten und dritten Sektor - zunehmend global ausgerichtet (sinkender Anteil Europas) - «Land der Pharmaprodukte und Maschinen/Uhren/Apparate» (nicht Schoggi und Käse) - duale Wirtschaftsstruktur: hochproduktiver Aussensektor, abgeschotteter Binnensektor - regionale Differenzierung (hängt mit Globalisierung zusammen) Beschäftigung nach Sektoren Beschäftigung nach Branchen - Primärer Sektor: 2,5 Prozent der Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) - Sekundärer Sektor: o Bausektor beschäftigt am meisten Personen o Maschinen/Elektro/Metall (MEM) haben am meisten Beschäftigte in der Industrie o Chemie ist exportstark (siehe unten), aber beschäftigungsmässig nicht am grössten - Tertiärer Sektor o Fast 920‘000 Personen in der öff. Verwaltung/Erziehung und Unterricht/Gesundheit o bei privaten Arbeitgebern dominieren Gross- und Detailhandel: 430‘000 o Banken, Versicherungen und Finanzdienstleistungen „nur“ 200‘000 o Beherbergung und Gastronomie „nur“ 200‘000 10 06.02.00.01.01a Vollzeitäquivalente nach Wirtschaftsabteilungen Total Quartalswerte, in 1'000 Wirtschaftsbranchen Abschnitte und Abteilungen 2019 IV B-S 5-96 Total 4 010.3 B-F 5-43 SEKTOR II 1 004.4 B C 5-9 10-33 10-12 13-15 16-18 19-20 21 22-23 24-25 26 27 28 29-30 31-33 35 36-39 41-43 41-42 43 Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren Herstellung von Nahrungsmitteln und Tabakerz. Herstellung von Textilien und Bekleidung Herstellung von Holzwaren, Papier und Druckerz. Kokerei, Mineralölverarb. u. Herstel. von chem. Erz. Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren Herstellung von Metallerzeugnissen Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und Uhren Herstellung von elektrischen Ausrüstungen Maschinenbau Fahrzeugbau Sonstige Herstellung von Waren, Rep. und Inst. Energieversorgung Wasserversorgung, Beseitigung von Umweltverschmutz. Baugewerbe/Bau Hoch- und Tiefbau Sonstiges Ausbaugewerbe D E F G-S G H 45-96 SEKTOR III 45-47 45 46 47 49-53 49 50-51 52 53 4.4 623.7 76.7 12.8 57.4 29.3 44.3 36.8 93.2 106.0 28.9 72.9 16.4 49.2 25.7 17.8 332.7 105.4 227.3 3 005.9 Handel, Instandhaltung und Rep. von Kraftfahrzeugen Handel und Reparatur von Motorfahrzeugen Grosshandel Detailhandel Verkehr und Lagerei Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen Schifffahrt und Luftfahrt Lagerei sowie Erbring. v. sonst. Dienstl. für den Verk. Post-, Kurier- und Expressdienste 11 512.9 81.1 199.9 231.9 211.3 110.2 15.7 53.7 31.7 I J K L M N O P Q R S 55-56 55 56 58-63 58-60 61 62-63 64-66 64 65 66 68 69-75 69 Gastgewerbe/Beherbergung und Gastronomie Beherbergung Gastronomie Information und Kommunikation Verlagswesen, audiovisuelle Medien und Rundfunk Telekommunikation Informationstechnologische und Informationsdienstl. Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstl. Erbringung von Finanzdienstleistungen Versicherungen Mit Finanz- u. Versicherungsdienstl. verb. Tätigk. Grundstücks- und Wohnungswesen Erbringung von freiberufl., wissen. u. techn. Dienstl. Rechts- und Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung Unternehmensverwaltung u. -führung; 70 Unternehmensber. 71 Architektur- und Ingenieurbüros 72 Forschung und Entwicklung 73-75 Sonstige freiberufl., wissen. und techn. Dienstl. 77-82 Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstl. 77+7982 Erbringung von sonst. wirtschaftlichen Dienst. (ohne 78) 78 Vermittlung und Ãœberlassung von Arbeitskräften 84 Öffentliche Verwaltung 85 Erziehung und Unterricht 86-88 Gesundheits- und Sozialwesen 86 Gesundheitswesen 87 Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime) 88 Sozialwesen (ohne Heime) 90-93 Kunst, Unterhaltung und Erholung 94-96 Erbringung von sonstigen Dienstleistungen Die BESTA-Ergebnisse für das 4.Quartal 2020 wurden berichtigt. (Mai 2021) Bundesamt für Statistik, Beschäftigungsstatistik (BESTA) © BFS 2020 Auskunft: [email protected] 12 199.0 63.0 136.0 153.1 23.8 26.5 102.9 203.8 103.8 41.3 58.7 42.3 363.1 70.5 102.2 114.8 25.9 49.7 234.0 146.4 87.7 165.3 236.4 526.1 300.0 146.5 79.6 57.2 101.2 Leistungsbilanz - Ãœberschuss bei Güterhandel (auch ohne Transithandel) und Dienstleistungshandel - Primäreinkommen (regelmässiges Einkommen aus Arbeit und Kapital) geschrumpft wegen Grenzgänger und neuer Berechnung (Handel mit nicht-produziertem Sachvermögen, z.B. Lizenzoder Markenrechte) - Sekundäreinkommen (Ãœbertragungen): Entwicklungszusammenarbeit fällt kaum ins Gewicht 13 Exporte von Gütern - MEM aber nicht mehr an der Spitze bei den Exporten - Chemie/Pharma mit Abstand wichtigste Exportgruppe (40%) - sehr starkes Wachstum der Uhrenexporte (Hongkong bzw. China) - Deutschland mit Abstand der wichtigste Handelspartner - EU nur noch etwas mehr als 50 Prozent der Güterexporte (ohne UK weniger als 50%) - Quelle: Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit 14 4. Wird die Schweiz ein reiches Land bleiben? Erosion des traditionellen politischen Systems: gut oder schlecht? - Zentralisierung (http://www.admin.ch/aktuell/00089/index.html?lang=de&msg-id=54439) - Grund dafür ist das «Popitzsche Gesetz»: Ausgleich zwischen den Regionen nur durch übergeordnete Instanz möglich; Zentrale ist im Krisenfall stärker; Wachstum der Verwaltung führt zur Vereinheitlichung - Gemeindefusionen, fehlendes Personal für Milizämter - Zunahme der Initiativen und höhere Chancen für Initiativen (keine Erhöhung der Mindestunterschriftenzahl von 100’000 mehr seit den 1970er Jahren) - Tendenz zum Berufsparlament - Kanton Zürich wird immer dominanter (überholt Kanton Bern bei der Sitzzahl im Nationalrat) - starke regionale Konzentration der wettbewerbsfähigen Branchen, d.h. immer weniger Leute sind direkt mit Industrie in Kontakt Verteilung der Nationalratssitze auf die Kantone seit 1919 1919 1979 Total Zürich Bern Luzern St. Gallen Aargau Waadt Genf 189 200 25 35 32 29 8 9 15 12 12 14 16 16 8 11 Quelle: Bundesamt für Statistik, Statistik der Nationalratswahlen. 2019 200 35 24 9 12 16 19 12 Die Schweiz in der «Hyperglobalisierung»: Gewinner oder Verlierer? - Schweiz ist traditionell ein grosser Globalisierungsgewinner - weiterhin gute Karten, v.a. weil starke Dienstleistungen vorhanden sind und Industriestruktur komplementär zur chinesischen Wirtschaft ist (vs. USA: «rust belt») - wachsender Protektionismus der USA und der EU, Expansionsstrategie Chinas («Made in China 2015»), d.h. Einkauf westlicher Technologien (z.B. Syngenta) - Internationalisierung der Eliten, kaum noch Schweizer in den Führungsetagen (NZZ, 1. Juni 2017: 49 Prozent der CEO sind ausländisch, GB: 40%, D: 17%, USA: 13%, F: 10%) - grosse Technologie- und Wirtschaftsskepsis in der Schweiz, während in China technologische Fertigkeiten sehr geschätzt werden (ausserdem rekordhohe Zahl an Ingenieuren/-innen) Grund für Optimismus - Schweiz seit langem ein wirtschaftlich erfolgreich, d.h. Ende des Erfolgs unwahrscheinlich - Erfolgsfaktoren sind gut verankert: Stabilität, Rechtsstaat, Infrastruktur, Freiheit, Aussenhandel, Arbeitskräfte - Aber es gibt einige Probleme 15

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