VL-BScKliPI2-2_2024-10-28-Psychodynamische-Psychotherapie PDF
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Universität Wuppertal
2024
Dr. Alexandra Martin
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These lecture notes cover Psychodynamische Psychotherapie for BSc psychology. They include topics such as the historical development, theoretical assumptions, and technical aspects of this therapy approach.
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BSc Psychologie (Modul 4.3c): Klinisch-psychologische Intervention und Psychotherapie Psychodynamische Psychotherapie Prof. Dr. Alexandra Martin...
BSc Psychologie (Modul 4.3c): Klinisch-psychologische Intervention und Psychotherapie Psychodynamische Psychotherapie Prof. Dr. Alexandra Martin Universität Wuppertal Klinische Psychologie und Psychotherapie VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 0 Vorlesung – Themenübersicht im WS 2024/ 2025 VL „Klinisch-psychologische Intervention und Psychotherapie“ Psychotherapeutische Ansätze (in je 1 – 2 Terminen) Psychodynamische Therapien, Interpersonelle Therapie Verhaltenstherapie, Kognitive Therapie Humanistische Therapien Systemische Therapie (und Familientherapie) Psychotherapeutische Methoden Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) Neuropsychologische Therapie Beurteilung von Wirksamkeit von Psychotherapie und Behandlungsleitlinien Spezifische Indikationsgebiete und Besonderheiten spezifischer Gruppen Essstörungen [incl. Nachtrag aus SoSe24] Somatische Belastungsstörung [incl. Nachtrag aus SoSe24] Evtl. Substanzkonsumstörungen VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 1 2. Psychodynamische Psychotherapie Historische Entwicklung im Überblick Psychodynamische Psychotherapie – Definitionen Allgemeine Kennzeichen Wissenschaftliche Anerkennung (WBP) Verfahrensspezifische Diagnostik Theoretische Annahmen und Konzepte Ziele und Therapeutische Haltung Techniken Beispielaufbau: Analytische Psychotherapie Steckbrief: Übertragungsfokussierte Psychotherapie Steckbrief: Mentalisierungsbasierte Psychotherapie VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 2 Historische Einordnung Anton Mesmer (1734 -1815), Jean-Martin Charcot (1825 -1893), Pierre Janet (1859 - 1947), Joseph Breuer (1842 - 1925), Hypnosebehandlung u.a. der „Modekrankheit Hysterie“; Beobachtung, Hysterie häufig Folge eines schwerwiegenden Erlebnisses; während Hypnose Aufforderung zur Erinnerung und genauen Beschreibung der Szene half zur Linderung von Symptomen Sigmund Freud (1856 - 1939) lernte Hypnose 1885/86 bei Jean-M. Charcot, arbeitete später mit Joseph Breuer (1842 - 1925) zusammen u.a. „Fall Anna O.“ Prägte Grundkonzept zur Existenz des Unbewussten, das Großteil menschlicher Handlungen steuere VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 3 Historische Einordnung Strukturmodell oder „der psychische Apparat“ Freud (1923) Topographisches Modell (1915): Teile des psychischen Apparats sind das ICH Unbewusste, Vorbewusste, Bewusste ÜBER Strukturmodell (1923): Über-Ich, Ich ICH und Es ES Psychopathologische Symptome sind Resultat aus Konflikten (und Anforderungen der äußeren Realität) Es: Gesamtbereich der Triebe, Quelle der seelischen Energie, Operationen des Es sind unbewusst (als Primärprozess und Lustprinzip ausgeführt) Ich : mit Verstand, Triebverzicht/ -ausschub Über-Ich: als moralische Instanz mit Geboten/ Verboten Ich/ Über-Ich enthalten auch unbewusste Anteile VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 4 Entwicklung der psychoanalytischen Bewegung 1900 »Traumdeutung« erstes umfassendes Werk Freuds - Freud entwickelte seine ab Herbst 1902 Psychoanalytische-Mittwochs- Konzepte fortwährend weiter. Gesellschaft bei Freud - Die Schüler Freuds entwickelten 1908 erster Kongress für in der Kontroverse mit seinen Psychoanalyse in Salzburg Ideen neue Ansätze. 1909 - 1914 Jahrbücher psychoanalytischer und psychopathologischer Forschung 1910 Internationale Gesellschaft für Psychoanalyse, gegründet durch Carl Jung (1875 - 1961); 1913 Zerwürfnis mit Freud 1912/13 Gründung des „Komitees“, Mitglieder trugen Ring und standen per Brief in Kontakt 1938 Freud emigrierte mit seiner Tochter Anna (1895 - 1982) nach London 1900 1902 1908 1909 1910 1912 1938 VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 5 Historische Einordnung Psychoanalytischen Bewegung Aus: Kritz (2014), S.30 VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 6 Definition: Psychodynamische Psychotherapie „Die Psychodynamische Psychotherapie (PP) gründet auf der Psychoanalyse und ihren Weiterentwicklungen. Die Behandlungsprinzipien der PP bestehen in einer Bearbeitung lebensgeschichtlich begründeter unbewusster Konflikte und krankheitswertiger psychischer Störungen in einer therapeutischen Beziehung unter besonderer Berücksichtigung von Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand. Dabei wird je nach Verfahren stärker im Hier und Jetzt oder im Dort und Damals gearbeitet, die Stundeninhalte sind je nach Verfahren strukturierter (Technik: Fokussierung) oder unstrukturierter (Technik: freie Assoziation) und der Therapeut greift jeweils auf eine stärker aktive oder eher zurückhaltendere Interventionstechnik zurück.“ (aus der Stellungnahme des WBP, 2004) VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 7 Steckbrief Psychodynamische Psychotherapie Oberbegriff für alle psychoanalytisch begründeten Therapien (gem. WBP) Unterscheidung zwischen Analytischer und Tiefenpsychologisch-fundierter Therapie (gem. Psychotherapierichtlinie) Analytische Psychotherapie (AP) Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) Arbeit im ‚Dort und Damals‘ Arbeit im ‚Hier und Jetzt‘ Übertragung und Regression kaum Übertragung und Regression Wenig strukturierte Techniken fokussierte Techniken 160 - 300 h; 2-3 h pro Woche 60 - 100 h; 1-2 h pro Woche VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 8 Auswahl spezifischer Psychodynamische Psychotherapien Auswahl spezifischer psychodynamischer Psychotherapien: Strukturbezogene Psychotherapie (SP) Mentalisierungsbasierte Psychotherapie (MTB) (s. hinten) Übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) (s. hinten) Panikfokussierte psychodynamische Psychotherapie Supportiv-expressive Therapie (SET) Siehe auch Beitrag von: Boll-Klatt, Storck, Strauß & Taubner, 2021 in: Psychotherapie ein kompetenzorientiertes Lehrbuch VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 9 Wissenschaftliche Anerkennung Psychodynamischer Psychotherapie Wissenschaftliche Anerkennung durch Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie (2004, 2008) festgestellt für Anwendungsbereiche bei Erwachsenen: 1. Affektive Störungen (F 3) 2. Angststörungen (F 40-42) 3. Belastungsstörungen (F 43) 4. Dissoziative Störungen, Konversions- u. somatoforme Störungen (F 44,45,48) 5. Essstörungen (F 50) 6. Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F 54) 7. Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F 6) 8. Substanzkonsumstörungen - Abhängigkeit und Missbrauch (F 1, 55) 9. Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F 2) VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 10 PP in Krankenkassenversorgung in Deutschland Verteilung der durch die Krankenversicherung finanzierten Psychotherapien (Multmeier & Tenckhoff, 2014): 45 % der tiefenpsychologische Psychotherapie ca. 2 % analytische 3 % kombinierte Psychotherapien; die übrigen 50 % Verhaltenstherapien. VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 11 Diagnostik zur Indikationsstellung Erstinterview unter psychodynamischen Gesichtspunkten, d.h. unter Beachtung von Übertragung und Gegenübertragung. -> Ergebnis ist eine psychodynamische Hypothese über den Zusammenhang von Symptomentstehung und Persönlichkeitsentwicklung im biografischen und sozialen Kontext. ”Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik” (Arbeitskreis OPD 2006), teilstrukturiertes Interview (unter Berücksichtigung von Testgütekriterien) zur Erfassung von: I. Krankheitserleben und Behandlungsvoraussetzungen II. Beziehung (Identifikation zyklisch-maladaptiver Beziehungsmuster) III. Konflikt (sieben Konflikttypen, Vermeidungsmodus) IV. Struktur (psychische Funktionen und Fähigkeiten, z.B. Affektregulation) V. Psychische und Psychosomatische Störungen (Symptomatik nach ICD-10) Befunde als Basis zur Indikationsstellung für Vorgehen: z.B. konflikt-aufdeckende fokale Therapie oder strukturstützende Therapie bei starker Strukturschwäche VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 12 Theoretische Annahmen und Konzepte Patient(in) erlebt sich Beziehung immer wieder so, dass sie (andere bzw. an andere)… Einschätzung zyklisch- maladapiver Beziehungsmuster (OPD Achse II) Andere (auch Auf Basis von Therapeut(in) erleben sich Interpersonelle Patient(in) erlebt andere Beziehungsepisoden, ggü. Pat. immer Positionen immer wieder wieder so, dass so, dass sie … Selbsterleben und Erleben sie … anderer Personen Andere (auch Therapeut(in) erleben, dass die Pat. immer wieder … Abb. nach Boll-Klatt et al. (2021). In: Psychotherapie. Ein kompetenzorientiertes Lehrbuch. VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 13 Beziehungsmuster verstehen in Therapeutischer Interaktion Übertragung: Wiederholung alter Beziehungserlebnisse und – wünsche, die unbewusst den jetzigen Umgang mit neuen wichtigen Beziehungspersonen färben Beispiel: sich unterwürfig und ängstlich verhalten Gegenübertragung: Unbewusste Reaktion von Therapeut(in) auf die Übertragung eines Patienten/ einer Patientin Beispiel: ist ärgerlich und fühlt sich dominant VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 14 Theoretische Annahmen und Konzepte Konflikte Unbewusste Konflikte entstehen aufgrund unterschiedlichen Bestrebungen unterschiedlicher innerer Instanzen, Trieben oder Kräften oder aufgrund verinnerlichter schwierigen Beziehungserfahrungen in der Kindheit. Bildquelle: https://geek-and.poke.com by Oliver Widder VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 15 Theoretische Annahmen und Konzepte Drei grundlegende Modelle: Triebkonflikt-Modell: Libidinöse und aggressive Triebimpulse suchen nach Befriedigung – es kommt dabei unvermeidbar zu Frustration und Traumatisierung und in Folge zu Unterdrückung und Verdrängung (Abwehr) von Triebimpulsen (Prototyp des Konflikts: Es vs. Über-Ich) Entwicklungsdefizit-Modell: Störung entsteht, weil wesentliche Bedürfnisse nach Selbstkohärenz von wichtigen Bezugspersonen (z. B. Eltern) nicht befriedigt wurden. Diese sind aufgrund eigener Defizite nicht fähig, für ihre Kinder aus- reichende Selbstobjektfunktionen zur Verfügung zu stellen. Beziehungskonflikt-Modell: Menschen bevorzugen unbewusst diejenigen Beziehungsformen, die ihnen aus der Lebensgeschichte vertraut sind. Mit Hilfe von Kommunikationssignalen bringen sie ihr Gegenüber dazu, sich entsprechend der alten Beziehungserfahrungen zu verhalten. Dann problematisch, wenn diese Beziehungsmatrix stark geschlossen ist. nach Mertens, 2007 VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 16 Theoretische Annahmen und Konzepte Kernkonflikte gemäß Operationalisierten psychodynamischen Diagnostik (Arbeitskreis OPD,2006) 1. Individuations-Abhängigkeits-Konflikt 2. Kontrolle-Unterwerfungs-Konflikt 3. Autarkie-Versorgungs-Konflikt 4. Selbstwertkonflikt 5. Schuldkonflikt 6. Ödipaler Konflikt 7. Identitätskonflikt VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 17 Theoretische Annahmen und Konzepte Abwehr Die Abwehr solcher Konflikte dient der Selbsterhaltung. Es handelt sich um einen unbewussten Prozess, bei dem gewisse Aspekte der Wahrnehmung (des selbst, der Umwelt) verändert sind, d.h. ausgeblendet, entstellt oder verzerrt. Beispiel reife Abwehr: Rationalisierung oder Humor Beispiel unreife Abwehr: Verleugnung, Idealisierung oder Entwertung „Neurotische“ Symptome stellen eine Äußerung von schwer oder nicht Abgewehrtem dar und sorgen für einen vorübergehenden Ausgleich. D. h. Symptome sind nicht Folge aktueller Lebensumstände VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 18 Theoretische Annahmen und Konzepte Abwehrmechanismen nach Anna Freud Verdrängung Regression Reaktionsbildung Isolierung Ungeschehen machen Projektion Introjektion Wendung gegen die eigene Person Verkehrung ins Gegenteil Sublimierung VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 19 Theoretische Annahmen und Konzepte Widerstand: die »sichtbare« Seite der Abwehr (Anna Freud) bzw. was immer die Fortsetzung der Behandlung stört (Sigmund Freud). Die Aufdeckung von unbewussten Konflikten ist unangenehm und destabilisierend. Der Widerstand gegen die Aufdeckung von Konflikten bestrebt die Bewusstwerdung zu verhindern. Beispiele: Verspätung, am Ende das Wichtige ansprechen, Schweigen VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 20 Konfliktmodell nach Rudolf (2012) Betonung früher Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen Bsp.: Zurückweisung, Misshandlung Ausbildung früher Konflikte (Vulnerabilität) Aktualisierung in konflikthaften Situationen des Erwachsenenalters Psychodynamisches Konfliktmodell. (aus Rudolf 2012; vgl. auch Hoyer & Knappe, 2021) VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 21 Vom Konflikt zur Symptomausbildung – Bsp. Essstörung Erarbeitung der subjektiven „Bedeutung“ von Symptomen Konflikte entstehen in der Interaktion mit entwicklungspsychologisch frühen wichtigen Bezugspersonen (Objektbeziehungstheorie) -> es kommt zur Re-Inszenierung in aktuellen Beziehungssituationen Hinweischarakter des Symptoms auf die (meist unbewussten) psychischen, biographischen und sozialen Zusammenhänge – unter Berücksichtigung der selbstschädigenden Aspekte -> Die Essstörungssymptomatik als „bessere Alternative“ verstehen vgl. mit den unangenehmen Gefühlen, die ohne das Symptomverhalten auftreten würden Autonomie-Abhängigkeitskonflikt Manifestation der Anorexie-Symptomatik in Adoleszenz „(Zweite) Loslösung und Individuation“ – konfliktreiche Entwicklung vom abhängigen Mitglied der Familie zum innerlich wie äußerlich autonomen Individuum. Die Symptombildung ist Ausdruck einer suboptimalen Lösung des Konflikts VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 22 Theoretische Annahmen und Konzepte Struktur und Strukturpathologie Heterogene Definitionen; heute häufig genutzt gemäß Arbeitskreis OPD (2006, S. 255): „Struktur bezieht sich auf das Selbst und seine Beziehungen zu den Objekten [i.d. Regel: relevante Bezugspersonen], genauer gesagt, auf die Verfügbarkeit über psychische Funktionen in der Regulierung des Selbst und seiner Beziehung zu den inneren und äußeren Objekten.“ Strukturelle Störung (heute häufig gleich Persönlichkeitsstörung): psychische Störung resultiert aufgrund fehlender Verfügbarkeit basaler psychischer Funktionen. Zu den strukturellen Fähigkeiten zählt bspw. Affektregulierung, Bindungsfähigkeit, Selbstwertregulierung, realistisches Objekterleben, Empathie VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 23 Theoretische Annahmen und Konzepte Strukturachse der OPD-2 Ausmaß der Fähigkeit, eigene innerseelische Vorgänge differenziert Selbstwahrnehmung und wahrzunehmen, Kohärenz des Selbstbildes (Identität), andere realistisch Objekt-wahrnehmung wahrzunehmen und Eigenes vs. Fremdes zu trennen. Bsp.: Selbstreflexion, Affektdifferenzierung Ausmaß der Fähigkeit, sich als Urheber der eigenen Handlungen zu erleben, Selbstregulierung und daraus Selbstwert zu ziehen, Selbstwert, Affekte und Impulse zu regulieren, Regulierung des eigene Wünsche/ Interessen in Beziehungen wahren zu können und Objektbezugs Bedürfnisse anderer respektieren und deren Reaktionen zu antizipieren. Bsp.: Impulssteuerung, Selbstwertregulierung Ausmaß der Dialogfähigkeit mit sich selbst und anderen einschl. des Kommunikation nach emotionalen und körperlichen Erlebens. innen und nach außen Bsp.: Affekterleben, Empathie Verinnerlichung von Beziehungserfahrungen, sodass diese als Repräsentationen verfügbar sind, um sich selbst zu beruhigen, sich emotional Bindung an innere und an andere zu binden, Konflikte klären (z.B. verzeihen) und Abschied nehmen äußere Objekte zu können. Bsp.: Variable Bindung, Bindungsfähigkeit VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 24 Theoretische Annahmen und Konzepte Strukturniveaus in der OPD (Arbeitskreis OPD,2006): 1. gut integriert strukturierter Binnenraum, regulationsfähig auch bei Belastung, Selbstreflexion und realistische Wahrnehmung anderer; zentrale Angst: Verlust der Zuneigung von Objekten 2. mäßig integriert eingeschränkte Selbstregulation, ausgeprägte innere Konflikte, Objektbilder u. Beziehungsmuster eingeschränkt; zentrale Angst: Verlust oder Zerstörung des wichtigsten Objekts 3. gering integriert wenig entwickelter Binnenraum, interpersonelle anstelle von intrapsychischen Konflikte; zentrale Angst: Zerstörung des Selbst durch das böse Objekt oder durch Verlust des guten Objekts 4. desintegriert keine kohärente Selbststruktur, fragmentarisches Erleben; zentrale Angst: Verschmelzung von Selbst- und Objektrepräsentanz und in Folge Selbstverlust VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 25 Psychodynamische Therapieplanung Identifikation der Fokusse (insbes. aus Beziehungs- und Strukturachse): Fokusse sind die Merkmale des OPD-Befunds, die die Störung mitverursachen und aufrechterhalten Typologie struktureller Störungen (nach Rudolf, 2006) Stufe 1 gut integriert -> neurotischer Konflikt Stufe 2 gut bis mäßig -> neurotischer Konflikt mit strukturellen Ausfällen, z.B. somatoforme Störungen Stufe 3: mäßig integriert ->Bewältigung struktureller Störung durch Charakterabwehr -> z.B. narzisstische Persönlichkeitsstörung Stufe 4: mäßig bis gering integriert -> Bewältigung struktureller Störungen durch symptomwertiges Verhalten -> z.B. Spielsucht Stufe 5: gering integriert -> z.B. Borderline PS Stufe 6: desintegriert -> dissoziale PS Mit steigender Stufe haben strukturelle Störungen eine zunehmende Bedeutung und klassische (Persönlichkeits-)Konflikte eine geringere Bedeutung VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 26 Ziele in psychodynamischen Therapien Ziele Aufdeckung unbewusster Konflikte Bezug zu biographischen Erlebnissen herstellen Einfluss auf das aktuelle Verhalten und Erleben klären Strukturelle Veränderungen der Persönlichkeit (AP) Reifere Verarbeitung und Manifestation unbewusster Konflikte in aktuellen Lebensumständen, insbesondere in gegenwärtigen interpersonellen Beziehungen (TP) VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 27 Übergreifende Merkmale der Psychodynamischen Psychotherapie(n) Übergreifende charakteristische Merkmale der unterschiedlichen Ansätze Psychodynamischer Psychotherapien (Shedler, 2011) der Fokus liegt auf Emotion und Gefühlsausdruck, Explorieren von Versuchen, belastende Gedanken und Gefühle zu vermeiden und zu verdrängen, Identifizierung von wiederkehrenden Themen und Mustern, Auseinandersetzung mit Erfahrungen in der Vergangenheit, Fokus auf zwischenmenschliche Beziehungen, Fokus auf die therapeutische Beziehung, Erforschung des Unbewussten und des Fantasielebens. VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 28 Therapeutische Haltung Freie Assoziation Therapeut(in) ermutigt Patient(in) dazu, ALLES zu erzählten was ihm/ihr in den Sinn kommt, ohne dabei Rücksicht auf soziale Normen zu legen. Gleichschwebende Aufmerksamkeit Während Patient(in) das Thema und den Verlauf der Erzählungen bestimmt, priorisiert Therapeut(in) keinen Aspekt dieser Erzählungen. Hierdurch soll Therapeut(in) von nichtverbalisierten/ nichtbewussten Erlebensanteile der Patient(in) erreichbar sein Anm.: gilt vor allem in analytischer Psychotherapie; stärkere Strukturierungen bspw. in Kurzzeit-PP-Ansätzen VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 29 Therapeutische Haltung Abstinenz Therapeut(in) soll abstinent sein bezogen auf den Impuls, eigene Triebe (Bedürfnisse) zu befriedigen. Dazu gehören auch persönlich Stellungnahmen. Technische Neutralität „Objektivität und Unparteilichkeit“; Therapeut(in) ist unparteiisch gegenüber verschiedenen psychischen „Instanzen“ (Triebhaftigkeit, Gewissenhaftigkeit, Ausrichtung an der sozialen Realität). Aber: bestimmte psychodynamische Behandlungsansätze sehen (phasenweise) stärkere Unterstützung der Patient(in) in bspw. der Wahrnehmung der sozialen Lebensrealität vor = Therapeut(in) verlässt gesteuert und passager den Standpunkt technischer Neutralität. VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 30 Techniken Ziel: Modifizierter Umgang mit dem Unbewussten Konzept des ‚dynamischen Unbewussten‘: Psychische Inhalte werden vom psychischen Apparat gezielt unbewusst gemacht (Verdrängung) und unbewusst gehalten Interventionsformen (Greenson, 1967): Konfrontation Klärung Deutung Durcharbeiten Konstruktion VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 31 Techniken Konfrontation In der Konfrontation soll ein (vermeintlicher) Widerspruch innerhalb Erzählungen oder zu Verhalten thematisiert werden. Beispiel: „Sie erzählen mir von der Angst, die Sie um Ihre Mutter hatten, und wirken gleichzeitig auf mich unberührt und nüchtern.“ Klärung [Klarifikation] In der Klärung werden Fragen zum Verständnis oder zum Zusammenhang von Erzählungen gestellt. Beispiel: „Verstehe ich es richtig, dass…?“, „Können Sie mir noch einmal erklären, was zuvor in Ihnen vorging?“ VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 32 Techniken Deutung Die Deutung zielt auf die Aufdeckung von unbewussten Konflikten, Kindheits- erfahrungen, von Widerstand oder Übertragungen ab. Es soll Bezug zu biographischen Inhalten, Beziehungserleben oder zu unzugänglicher aktueller verzerrter Wahrnehmung hergestellt werden. Varianten: Abwehrdeutung (noch nicht inhaltlich); Inhaltsdeutung mit Benennung des Abgewehrten, Übertragungsdeutung Beispiel: „Sie wechselten nach der Beschreibung der damaligen Situation sofort das Thema, weil Sie eigentlich fürchteten, dass Ihr großer Ärger überhand nehmen und sich zeigen könnte.“ VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 33 Techniken Durcharbeiten Die gleiche schmerzhafte Situation immer wieder in verschiedenen Zusammenhängen und zu verschiedenen Zeitpunkte betrachten und durchsprechen, trotz Widerstand. Konstruktion z. B. biographische Rekonstruktion mit dem Ziel, das Erleben in bestimmten Situationen in Zusammenhang mit früherem Erleben zu bringen , bspw. die Frage zu klären „wie war das wirklich?“. Zweck: innere Sinngebung, Erarbeiten einer subjektiven Wirklichkeit VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 34 Fallbeispiel Beispiel aus dem stationärem Setting, Essstörung Prof. Dr. Antje Gumz demonstriert mit einer Schauspiel-Patienten das Bearbeiten eines Beziehungswunsches in der Übertragung als Beispiel für Übertragungen im stationären Setting und für das aktive Aufgreifen eines Konflikts im Hier und Jetzt der therapeutischen Beziehung. https://www.youtube.com/watch?v=P4A81zwv8rg Ausschnitt aus der DVD »Beltz Video-Learning: Psychodynamische Psychotherapie in der Praxis“ VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 35 Aufbau am Beispiel der Analytischen Psychotherapie Probatorik Diagnostik mit Hilfe des OPD-Interviews Aufklärung über Ziele und das Verfahren, u.a. über minimale Strukturierung und Gründe hierfür, übliche Arbeit mit Vorstellungen, Möglichkeit der Destabilisierung thematisieren Einleitungsphase (ca. Sitzung 30-50) therapeutische Beziehung stärken Behandlungswiderstände bearbeiten mit Übertragungsprozessen arbeiten und Regression fördern Hauptphase (ca. Sitzung 50-250 h) Durcharbeiten der Übertragungs-Gegenübertragungs-Beziehung mittels Deutung Beendigungsphase (ca. Sitzung 250-300) Loslösung Konsolidierung der neuen Entwicklung VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 36 Frage Wie informiere ich Patient*in über Psychodynamische Psychotherapie? VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 37 Variante: Übertragungsfokussierte Therapie (TFP) „Transference-focused psychotherapy“ TFP, begründet von Kernberg und Arbeitsgruppe 1989 (Lit.: Clarkin, Yeomans & Kernberg, 2006) Zielgruppe: Borderline Persönlichkeitsstörung Ätiologie: Konflikte, Defizite und Traumatisierungen in der frühen Entwicklung (1.-3. Lj.) verhindern strukturell Ausbildung der Fähigkeit, innerlich zwischen Selbst und Objekt zu differenzieren [Objektbeziehungstheorie]. Emotionale Labilität, Wut und interpersonelles Chaos mit verzerrter Selbst- und Fremdwahrnehmung aufgrund unzureichender Integrationsfähigkeit von positiven (idealisierten) und negativen (entwertenden) Anteilen früherer Beziehungen mit wichtigen Bezugspersonen (Objektbeziehungen) Therapeutischer Fokus: in therapeutischer Interaktion aktualisierte Emotionen, Objektbeziehungen, Abwehrreaktionen und Identitätsstörung Ziel: Integration von Selbst- und Objektrepräsentanzen (reife psychische Repräsentanzen) > stabilere Affektregulation, Impulskontrolle, kohärente Identität Techniken: Klärung, Konfrontation und Übertragungsdeutungen im Hier und Jetzt Umfang: ca. 200 Stunden; 2 x wöchentlich über 2 – 3 Jahre VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 38 Variante: Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) Mentalisierungsbasierte Therapie MBT, Bateman und Fonagy (2016) Zielgruppe: Borderline Persönlichkeitsstörung Ätiologie: Frühere Entwicklungserfahrungen begründen Bedrohung des Bindungssystem (Angst, verlassen zu werden) [Bindungstheorie] -> beeinträchtigen Ausbildung der Mentalisierungs-Fähigkeit und Affektregulation Mentalisierung: Interpretation (erschließen, verstehen) menschlichen Verhaltens auf Basis mentaler Befindlichkeiten (u. a. Ziele, Wünsche, Gefühle). Dazugehörig: Neugierde an mentalen Gründen, Flexibilität (Interpretationen zu revidieren) Folgen: intensive Affekte + dysfunktionale interpersonale Strategien (z.B. drohen) + impulsives Verhalten (z.B. Selbstverletzung) Therapeutischer Fokus: Mentalisierung ↑, auch in therapeutischer Beziehung; Realbeziehung wichtiger als Übertragungsbeziehung. Techniken: kontrollierte Selbstöffnung, Authentizität, Haltung des „Nichtwissens“ seitens Therapeut*in; supportive Interventionen (bei starken Affekten), Klärung; „Stoppen, Zurückspulen und Explorieren“ anstelle Pseudomentalisieren o.ä. Umfang: Gruppe und Einzelsitzungen, d.h. 2 x wöchentlich über 1 – 1,5 Jahre VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 39 Zitierte Quellen Zitierte Quellen (auszugsweise): Arbeitskreis OPD. (Hrsg.). (2014). Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik. OPD-2. Das Manual für Diagnostik und Therapieplanung (3., überarb. Aufl.). Bern: Huber. Beutel, M. E., Doering, S., Leichsenring, F. & Reich,G. (2020). Psychodynamische Psychotherapie (2. überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. Buchheim, A. & Buchheim, P. (2020). Psychodynamische Psychotherapie: Anwendungsprinzipien und Verfahrensformen. In: J. Hoyer & S. Knappe (Hrsg.). Klinische Psychologie & Psychotherapie (3. Aufl.) (Kap. 15). Heidelberg: Springer. Freud, S. (1923). Das Ich und das Es. Internationaler Psychoanalytischer Verlag. Gumz, A. & Hörz-Sagstetter, S. (2018). Psychodynamische Psychotherapie in der Praxis. Weinheim: Beltz Video-Learning. Kriz, J. (2014). Grundkonzepte der Psychotherapie (7., überarb. u. erw. Aufl.). Weinheim: Beltz. Rief, W., Schramm, E. & Strauß, B. (Hrsg.) (2021). Psychotherapie. Ein kompetenzorientiertes Lehrbuch. München: Elsevier. Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie (2004). Stellungnahme zur Psychodynamischen Psychotherapie bei Erwachsenen. https://www.wbpsychotherapie.de/wissenschaftliche-beurteilungen- gutachten/abgeschlossene-gutachten/psychodynamische-psychotherapie Wissenschaftlicher Beirat Psychotherapie (2008). Ergänzung der Stellungnahme zur Psychodynamischen Psychotherapie vom 30. Juni 2008. https://www.wbpsychotherapie.de/wissenschaftliche-beurteilungen- gutachten/abgeschlossene-gutachten/psychodynamische-psychotherapie VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 40 Anlage: Wie erkläre ich …PP „Psychodynamische Psychotherapie ist der Oberbegriff für eine Reihe an Vorgehens- weisen in der Psychotherapie. Dabei stellt man sich vor, dass psychische Erkrankungen dadurch entstehen, dass jemand zwei Sachen auf einmal möchte oder zwei Gefühle auf einmal hat, die irgendwie nicht miteinander vereinbar sind: also z.B. jemandem nah sein wollen, aber auch Angst davor zu haben, was dann passiert, oder nicht zu wissen, was passiert, wenn man wütend auf jemanden ist, den man eigentlich gern hat. Wenn jemand es nicht schafft, für solche inneren Konflikte eine gute Lösung zu finden, können Symptome entstehen, sozusagen als Versuche der Bewältigung, die aber den hohen Preis haben, dass es der betreffenden Person schlecht geht oder sie in ihren Handlungen oder Gefühlen eingeschränkt ist. Man nimmt an, dass dabei auch unbewusste Prozesse eine Rolle spielen. In der psychodynamischen Psychotherapie geht es darum, dass die Beziehung zur Therapeutin dazu genutzt wird, solche Konflikte und den Umgang damit besser verstehen zu lernen und andere Wege zu finden, damit umzugehen.“ Boll-Klatt, Storck, Strauß & Taubner (2021). In Psychotherapie. Ein kompetenzorientiertes Lehrbuch, S. 522. Siehe auch Patient*innen Information der BPtK zu AP und TP unter: https://www.wege-zur-psychotherapie.org/die-behandlung-in-der-praxis/#verfahren VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 41 Anhang: Wie erkläre ich … TP „Die Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie hat … nimmt an, dass aktuelle Konflikte oder schmerzhafte Erfahrungen aus früheren Lebensphasen zu psychischen Erkrankungen führen können. Auch Armut … an emotionaler Zuwendung und Unterstützung in der Kindheit können psychisch krank machen. Insbesondere schmerzhafte Erlebnisse und heftige Konflikte mit Eltern und Geschwistern oder anderen wichtigen Personen werden häufig verdrängt. Solche unbewussten Konflikte erinnern wir nicht. Sie können aber dennoch unser Leben prägen. Sie beeinflussen, wie wir denken, fühlen und uns verhalten oder wie wir unsere aktuellen Beziehungen gestalten. So kann, was wir als Kind in Beziehungen gelernt oder auch nicht gelernt haben, … psychisch krank machen. Die Beziehungen zu Lebenspartner*innen, … können deshalb schwierig sein oder sogar scheitern. Psychotherapeut*innen sprechen von einem krankmachenden Konflikt zwischen prägenden Erfahrungen und aktuellen Bedürfnissen und Erwartungen. (Die) Psychotherapeut*innen …helfen Ihnen, Ihre unbewussten Konflikte und Gründe zu erkennen, die Ihren aktuellen psychischen Beschwerden zugrunde liegen, sich mit diesen auseinanderzusetzen und Ihr Verhalten zu ändern. Sie unterstützen Sie dabei, wiederholende Beziehungsmuster und psychische Konflikte, … , zu verstehen und zu verändern. Das kann zum Beispiel der Konflikt sein zwischen dem Bedürfnis, in einer Beziehung versorgt zu werden oder sich unabhängig zu fühlen und auf niemanden angewiesen zu sein. In der Beziehung zu Ihrer Psychotherapeut*in können Sie Ihre prägenden Erfahrungen ausdrücken und Ihre Beziehungsmuster und psychischen Konflikte besser verstehen und verändern. Mit ihr können Sie andere Beziehungserfahrungen machen und neue Verhaltensweisen erproben. Ziel ist es, die bisher unbewussten Konflikte zu lösen, sodass diese Sie nicht mehr krank machen.“ Aus Information der BPtK: https://www.wege-zur-psychotherapie.org/die-behandlung-in-der-praxis/#verfahren VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 42 Anhang: Wie erkläre ich … AP „Die Analytische Psychotherapie geht auf die Psychoanalyse zurück, die von Sigmund Freud … Ende des 19. Jh. begründet … und seither weiterentwickelt worden ist. Nach der AP werden psychische Erkrankungen durch innere Konflikte verursacht, die Menschen in ihrem Leben und ihren Beziehungen – insbesondere in den ersten Lebensjahren – erlebt haben. Die Psyche des Menschen sorgt dafür, dass schmerzhafte Erfahrungen und besonders belastende Erlebnisse durch psychische Abwehrmechanismen aus der bewussten Wahrnehmung verdrängt oder anders erträglich gemacht werden. Die Konflikte beeinflussen jedoch trotzdem weiter, wie wir denken, fühlen und handeln. Die frühen Beziehungen … prägen dadurch beispielsweise unsere späteren Beziehungen als Erwachsene. Sie können auch zu psychischen Erkrankungen führen, wenn sich die unbewussten Bewältigungs-muster, die als Kind hilfreich waren, im weiteren Leben als störend oder unbrauchbar erweisen. Psychisch kranke Menschen wiederholen nach der psychoanalytischen Theorie Beziehungsmuster, die ursprünglich einmal eine Lösung waren, sich aber … als nicht mehr hilfreich erweisen. In der AP hilft die Psychotherapeut*in Ihnen, sich die Beziehungsmuster und damit verbundene verdrängte Gefühle, Erinnerungen und innere Konflikte bewusst zu machen. Dafür beschreiben Sie ihr, was Ihnen an Gedanken … durch den Kopf geht, ohne das Gesagte zu bewerten oder zu beurteilen. Sie geht dabei davon aus, dass diese Assoziationen nicht zufällig sind, sondern etwas darüber sagen, was Sie innerlich bewegt und Ihr Verhalten prägt. Dabei achtet Ihre Therapeut*in auch darauf, wie Sie die Beziehung mit ihr gestalten. Sie geht davon aus, dass auch in der Beziehung zu ihr die Muster und Konflikte erkennbar werden, die Sie insbesondere als Kind erlebt haben oder die durch traumatische Erfahrungen geprägt sind und die sich immer wiederholen. Im Gespräch über Ihre Assoziationen und Beziehungen können Sie so erkennen und klären, warum Sie so fühlen und handeln, wie Sie es tun, und ob dies aktuell noch passend ist. Ziel ist es, durch ein vertieftes Verständnis für sich selbst neue Wege aus den sich wiederholenden seelischen Sackgassen zu finden.“ Aus Information der BPtK: https://www.wege-zur-psychotherapie.org/die-behandlung-in-der-praxis/#verfahren VL (BSc) »Klinisch psychol. Intervention und Psychotherapie « Prof. Dr. Alexandra Martin (Stand 28.10.2024) 43