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GenerousQuantum

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Sumy State University

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german_literature short_story social_studies contemporary_german_fiction

Summary

This document appears to be a collection of short stories or a chapter from a longer work. The stories describe various situations, mainly revolving around interactions with people, and offer glimpses of everyday life experiences. The characters often deal with interpersonal difficulties and decisions that impact their social lives. The author does not immediately stand out as readily identifiable, but is associated with German contemporary fiction.

Full Transcript

# Die Obstverkäuferin Angebote aus, die Straßenmusiker spielen munter ihre Melodien. Alles offen, bunt, natürlich. Ein Volksfest. Ich habe dort meine festen Orte: Käse an der Ecke, Fisch in der Mitte und die Weinhandlung neben der Bäckerei. Mein Lieblingsplatz aber ist der Obststand. Manchmal stehe...

# Die Obstverkäuferin Angebote aus, die Straßenmusiker spielen munter ihre Melodien. Alles offen, bunt, natürlich. Ein Volksfest. Ich habe dort meine festen Orte: Käse an der Ecke, Fisch in der Mitte und die Weinhandlung neben der Bäckerei. Mein Lieblingsplatz aber ist der Obststand. Manchmal stehen auch dort viele Leute, aber das macht nichts. Es gibt eine einfache Lösung: „Wer ist der Letzte?" und jemand antwortet: „Ich!" Dann kann man in Ruhe warten. Ich kenne die Verkäuferinnen: Leila und Fatima aus Marokko, Tata aus Ekuador. Ihre Arbeit muss stressig sein, den ganzen Tag stehen, und manche Kunden sind leider nicht sehr angenehm. Aber die drei sind immer fröhlich und haben etwas zu lachen. Und sie haben Humor. Oft grüßen sie mit: „Hola joven!" oder „Hola, guapo!" Jung, schön, nette Komplimente, denkt man zuerst. Aber dann kapiert man: Sie sagen das immer, auch zu dem alten, zahnlosen Großväterchen hinter mir. Aber gut so. Vielleicht kein Kompliment, aber ein schönes Ritual. Sie sind wirklich lieb und geben mir nur die frischesten Sachen. Nichts Altes, nichts Kaputtes. Sie sind richtige Komplizinnen, vor allem Tata: Ich will ein Kilo Mandarinen kaufen, aber sie sagt: „Achtung. Besser nicht. Die sind nicht gut heute." Sie spricht leise, der Chef ist auch da, der hört das nicht gerne. „Danke für den Tipp", flüstere ich zurück, „was soll ich dann nehmen?" „Die Pfirsiche oder die Bananen, die sind heute besonders gut." Ich glaube, sie gibt diese Tipps nicht allen. Vor allem nicht den Touristen. ## Die Obstverkäuferin Wir reden immer ein bisschen. Sie möchte ihr Deutsch verbessern. Das ist meistens unser Thema. Jedes Gespräch eine kleine Lektion. Heute sprechen wir aber nicht über Deutsch. Und heute ist sie auch nicht fröhlich. Sie ist sehr, sehr traurig. Ein Brief aus Ekuador. Ihr Mann und ihre Tochter könne nicht nach Europa kommen und hier mit ihr leben. Keine Papiere, definitiv. Die Bürokratie. Sie muss aber hier bleiben, sie brauchen das Geld. „Keine Chance, ich habe meine Familie schon fast zwei Jahre nicht mehr gesehen“, sagt sie und zeigt mir ein Foto. „Aber kannst du sie nicht wenigstens besuchen?", frage ich. Nein, antwortet sie traurig. Die Papiere ..., es ist zu kompliziert. Und dann verliert sie vielleicht auch die Arbeit. Und vor allem ist der Flug so teuer. Ein Monatslohn für sie. „Ekuador", flüstert sie, „das ist so furchtbar weit weg. Eine andere Welt und keine Brücke. Der Chef steht immer noch da, und die Leute warten. „Ich muss weitermachen“, sagt sie schnell und versucht wieder zu lächeln. Ich gehe nach Hause. Sie tut mir leid, eine so traurige Geschichte. So fern von zu Hause und kein Weg. In der Küche packe ich meine Einkäufe aus und lege das Obst auf den Tisch. Das Etikett auf den Bananen:, Frisch aus Ekuador. # Schlaflose Nacht Henry kann nicht einschlafen. Er liegt wach im Bett, neben ihm seine Frau. Sie schläft tief wie immer, atmet schwer. Er hört ihr Schnarchen, ziemlich laut. Es ist warm im Zimmer, sehr warm. Wie immer ist er heute von der Arbeit spät nach Hause gekommen, wie immer hat er mit ihr und den Kindern zu Abend gegessen, wie immer haben sie kaum gesprochen. Wie immer ist sie dann früh schlafen gegangen. Wie immer hat er dann noch lange alleine ferngesehen. Die Hitze, der Lärm, aber da ist noch etwas anderes ... Er hat im Bett ein bisschen gelesen. Das macht er oft so. Sein Schlafmittel. Dann hat er das Licht ausgemacht. Normalerweise kann er dann schlafen. Heute nicht. Licht aus, Augen zu, und dann plötzlich ... dieses Bild. Dieses Gesicht. Diese Frau. Lucia. Wann war das? Vor sechzehn Jahren? Vor achtzehn Jahren? Verdammt lang her, diese Geschichte. Er hat sie immer noch so klar vor Augen. Er, Mitte zwanzig. Seine Arbeit in der Elektro-Firma. Sein erster Job. Nicht schlecht. Ein fester Vertrag, gute Konditionen, ein bisschen monoton vielleicht. Aber er hat Glück gehabt. Andere sind arbeitslos. Seine kleine Wohnung, ein paar alte Freunde, die Familie am Wochenende. Sein Tennisclub. War das schon alles? Nein, er ist nicht unglücklich. Dann, eines Tages: sie. Die neue italienische Praktikantin. Lucia aus Siena. Zuerst sieht er sie kaum, nur manchmal, auf dem Korridor, in Besprechungen. Dann kommt sie in sein Büro. Sie soll ihm bei einem Projekt assistieren. Er will das nicht. Er braucht niemanden. Er macht das lieber alleine. Aber die Chefin möchte es so. Lucia lernt schnell und ist wirklich interessiert. Und ihr Deutsch! So süß, so charmant und jeden Tag besser. Die Arbeit macht plötzlich viel mehr Spaß. Manchmal essen sie mittags zusammen in der Kantine. Manchmal fährt er sie abends nach Hause. Sie haben praktisch den gleichen Weg. Anfangs sprechen sie fast nur über die Arbeit, dann erzählt sie auch ein bisschen von Italien. Über ihre Familie, ihre Stadt, ihr Land. „Das müssen Sie sehen! ", sagt sie immer wieder. Die Leute, das Essen, das Licht, das Meer. Ein anderes Leben. Henry setzt sich auf und sieht aus dem Fenster. Es regnet. Alles schwarz, keine Konturen. Seltsam, denkt er, wie genau er sich erinnert. Die Bilder, so klar. Ihre Stimme, er hört sie wieder. Sie präsentieren ihr Projekt, ein großer Erfolg. Die Chefin ist sehr zufrieden. Sie feiern in einem Restaurant. Danach kommt Lucia leider in eine andere Abteilung. Er denkt schon:,Alles aus', aber ihre Geschichte geht weiter. Sie lädt ihn zum Essen ein. Sie möchte für ihn kochen. Italienisch. Es schmeckt großartig. Danach, spät in einer Bar, der erste Kuss. Höchste Zeit. Dann diese verrückten Wochen. Sie bei ihm, er bei ihr. Konzertabende, Kinonächte. Ein Wochenende in den Bergen, mit Spielkasino. Einmal steigen sie nachts in ein Schwimmbad und baden in der Dunkelheit. Natürlich verboten, aber das macht nichts. Und einmal macht er sogar blau. Das erste Mal in seinem Leben! Ein Kurztrip zum Gardasee. Ein Hauch von Italien. Fantastisch. Und die Sprache. Diese Melodie! Wunderschön. Lucia lehrt ihn einige Wörter. Dann ist ihre Zeit zu Ende. Das Praktikum dauert nur drei Monate. Sie reden nie vom Ende. Sie genießen den Augenblick. Aber irgendwann ist es so weit. Sie will mit ihm sprechen. Ernst. Was kommt jetzt? Was soll jetzt kommen? Kann sie vielleicht bleiben? Henry hört ein Geräusch. Seine Frau bewegt sich, aber sie wacht nicht auf. Er wartet einen Moment, dann wieder ihr Schnarchen, ziemlich laut. Nein, sie kann nicht. Sie muss zurück. „Aus', denkt er., Alles aus.' Dann sieht sie ihn an. „Aber du? Warum kommst du nicht mit nach Italien?" Er ist überrascht. Aber das geht doch nicht. Er hat keinen Urlaub mehr. „Nein", flüstert sie, „nicht Urlaub, für immer." Die Firma ihres Vaters. Sie hat schon mit ihm gesprochen. Henry kann dort arbeiten. Ihre Familie hat auch eine Wohnung für sie beide. Alles da. Er muss nur ja sagen. Er sitzt auf dem Bett und sieht aus dem Fenster. Es regnet. Die Toskana. Die Sonne. Lucia. Das Meer. Die Leute. Lucia. Ein neues Leben. Seine Chance. Er muss nur einen Schritt machen. Er zögert. „Und später?", fragt er. " „Jetzt oder nie", sagt sie, „du liebst mich oder du liebst mich nicht." Sie wartet. Nervös. Traurig. „Du willst nicht", sagt sie leise. „Warte doch", sagt er, „das ist nicht so einfach für mich. Das geht alles so schnell." Sie steht auf, zieht sich an und geht zur Tür. „Ich fahre am Freitag. Du hast noch eine Woche Zeit." Dann geht sie. Ohne Kuss, ohne Abschied. Die letzten Tage, die Hölle für Henry. In der Firma kann er sich nicht mehr konzentrieren, abends geht er stundenlang spazieren. Zwei Wege und nur ein Leben. Er geht: der Skandal. In der Firma und auch privat. Niemand kann es glauben., Unmöglich! Du spinnst doch!' sagen alle. Alles plötzlich weg. Die Karriere. Familie. Freunde. Alles weg für ein kindisches Abenteuer, eine naive Illusion. Er bleibt: alles ruhig. Freundlich. Am Samstag ein Essen mit Kollegen, am Sonntag das Tennismatch. Wie immer. Und Lucia? Das Meer, das Licht, das andere Leben? Er sucht die Bilder, aber er findet sie nicht mehr. Die Melodie, die Wörter? Er hat sie vergessen. Er will noch einmal mit ihr sprechen. Aber in der Firma sieht er sie nicht mehr. Er ruft sie an, aber sie geht nicht an den Apparat. Bleibt der Bahnhof. Freitag, kurz vor Mitternacht. Der Nachtzug in den Süden. Abschiedsszene. Lucia mit ihrem Koffer, wortlos enttäuscht. Nein, das schafft er nicht ... ,So war das', denkt Henry,,was für eine Geschichte!' Jahre her. Warum denkt er heute an sie, warum lässt sie ihn so lange wach liegen? Langsam steht er auf. Er kann jetzt nicht schlafen. Seine Frau wacht auf, sie dreht sich zu ihm, blinzelt einen Moment. „Du schläfst ja nicht", murmelt sie und macht die Augen wieder zu. „Ist was los, Henry?" „Nein, nichts, alles in Ordnung. Ich gehe nur in die Küche und trinke noch ein Glas Wasser. Schlaf nur weiter, Lucia, buona notte." # Herr Kaffer geht spazieren Herr Kaffer geht heute spazieren. Es ist Montag und die Sonne scheint. Keine Proben, kein Theater, kein Publikum. Heute hat er frei. Hurra! Die Sonnenbrille auf die Nase, zwei Bananen in die Tasche und der Ausflug kann beginnen. Wo geht er spazieren? Im großen Park. Links ist dort der Zoo und rechts der botanische Garten. Die Stadt mag er nicht, dort sind immer so viele Menschen auf der Straße. Dieser Stress! Und die Autos! Nein danke! Den Zoo mag er auch nicht, da sind so viele Tiere. Alles so laut und die Luft ist auch nicht gut. Und diese armen Kreaturen! So unfrei, so unglücklich! Aber er liebt den botanischen Garten. Vor allem montags. Montags ist dort fast niemand. Dieses Grün und diese Ruhe! Pflanzen sind etwas Wunderbares. Sie sprechen nicht und wollen nichts. Nur Licht und Wasser. Und das gute Aroma in der Luft! Wie in der Natur. Ein Paradies und ganz gratis! Na ja, im Prinzip muss man auch hier Eintritt bezahlen. Vier Euro, an der Parkkasse, ganz schön teuer! Aber pssst ... Herr Kaffer zahlt nicht. Er kennt einen Trick. Die Mauern im Park sind nicht sehr hoch. Man sieht nach links, man sieht nach rechts, und eins, zwei, drei, schwupp! ... schon ist man im botanischen Garten. Gut, das ist nicht ganz legal. Aber billig! Und wen stört es? Niemanden. Also bitte! Der botanische Garten ist ein Themenpark mit verschiedenen Zonen: der Bonsai-Dschungel, die Kaktus-Oase, der Alpentraum. Der Lieblingsplatz von Herrn Kaffer ist aber der, Japanische Fluss': viel Wasser, viele Blumen und absolute Stille. Dort kann man wunderbar auf einer Bank sitzen, eine Banane essen und meditieren. Und genau das macht Herr Kaffer in diesem Moment. Er schaut ins Wasser, sieht sein Spiegelbild und philosophiert: Wer bin ich? Woher komme ich? Und genau in diesem Augenblick hört er eine Stimme: „Herr Kaffer, Herr Kaffer, bitte kommen Sie sofort zum Parkeingang! Herr Kaffer, Herr Kaffer, zur Kasse bitte!" Was? Wer? Wie bitte? Moment mal, hat er das geträumt? „Herr Kaffer, Herr Kaffer, bitte sofort zur Kasse!", hört er wieder. Nein, er hat nicht geträumt. Aber woher kommt die Stimme? Herr Kaffer sucht und findet: Da ist ein Lautsprecher zwischen den Bäumen. Aber woher wissen sie ...? Und was wollen sie? Komisch, sehr komisch. Gut, er hat nicht bezahlt, aber muss man ihn gleich ...? Herr Kaffer kratzt sich nervös am Kopf. Was tun? Die Frage ist nicht mehr: Woher komme ich? Die Frage ist jetzt: Wohin gehe ich? Weglaufen und schnell nach Hause? Oder doch schön brav zur Kasse? Vielleicht besser zur Kasse', denkt er. Er hat nicht bezahlt, aber er ist auch kein Krimineller. Und außerdem ist er ein bisschen neugierig. Langsam steht Herr Kaffer auf und geht los. Über die Mauer, durch den Zoo. Das geht schneller. Hilfe! Was ist denn hier los? Klar, der Zoo ist laut und turbulent. Das weiß er. Aber dieses Affentheater hat er nicht erwartet: ein Chaos! Alles rennt und ruft und schreit. Nein, nicht die Tiere! Die Menschen! Vielleicht ein Feueralarm oder so etwas', denkt Herr Kaffer,,ich muss fragen, vielleicht kann ich ja helfen.' Er will also fragen, aber die Leute laufen alle weiter, in wilder Panik. „Der Affe ist weg! Alarm! Der Affe ist weg!" Nur das versteht er. Komisch, sehr komisch. ,Na ja', denkt er,, ich gehe zur Kasse, die wissen sicher mehr.' Am Eingang gibt es eine Überraschung: Er kennt den Mann an der Information! Unglaublich! Da sitzt der Schröder vom Theater, der Mann von der Abendkasse.,Aha', denkt Herr Kaffer,,dann hat der Schröder also zwei Jobs. Vormittags Zookarten und abends Theaterkarten. Warum nicht? Und gut für mich, denn das mit der Eintrittskarte ist dann sicher kein Problem mehr.' Er muss lächeln. Ja, ja, Kontakte sind doch sehr wichtig im Leben! Und mit diesem Lächeln stellt er sich vor das Häuschen. „Tag, Schröder, wie geht's?", beginnt er fröhlich, „aber sag mal, was ist denn hier los?" Herr Kaffer lächelt immer noch, aber Schröder lächelt nicht zurück. Schröder sieht ihn an, ganz ernst. „Ganz ruhig", sagt Schröder, „ganz ruhig." „Ich bin ja ruhig", sagt Herr Kaffer, „aber kannst du mir vielleicht „Ganz ruhig und schön hierbleiben ..." „Ich bleibe ja hier, das heißt, ich möchte lieber zurück in den Botanischen Garten. Ich bezahle die Karte auch ... gerne ... wirklich ..." Das Gesicht von Schröder bleibt ernst. Langsam nimmt er ein Mikrofon in die Hand. „Jaaa, jaaa, schööön brav." ,Moment mal', denkt Herr Kaffer,, der ist auch nicht ganz normal. Dann spinnen heute alle hier ein bisschen. Vielleicht gehe ich besser nach Hause, jetzt sofort. Ist ja auch Zeit. Und morgen steht vielleicht was in der Zeitung.' Herr Kaffer grüßt und geht langsam zum Ausgang. Da! Plötzlich wieder die Stimme aus dem Lautsprecher: „Hier ist er! Ich habe ihn! Alle Mann herkommen! Zum Eingang! Schnell! Er läuft weg!" # Mozart, sonntags, gratis 15. Mai Zwei Karten für Mozart! Sonntag, 2. Juni, 18 Uhr, Musikpalast. Konzerte für Streichquartett KV 458, KV 421 und KV 387. Ich mag Quartette: zwei Violinen, eine Viola, ein Cello. Dieses kleine intime Format. Ich stehe vor dem Palast, sehe das Programm und kaufe sofort die Karten. Ich kenne das Ensemble nicht, junge Musiker aus einer kleinen Stadt. Nichts Spezielles, aber das ist mir egal. Ich bin kein Experte. Ich mag die Musik, und ich mag die Atmosphäre im Palast. Ich liebe diese Situation: die Musiker auf der Bühne, ernst und konzentriert und vor ihnen das Publikum, ernst und konzentriert. Eine archaische Situation, absolut zeitlos. Zwei Stunden nur Musik, Ruhe, Respekt. Keine Show, kein Event, kein Firlefanz. Die Karten sind nicht teuer. Normale Preiskategorie, 1.Rang, linke Seite, mein Lieblingsplatz. Die Akustik ist nicht optimal, aber man sitzt direkt über den Musikern. Man sieht sie spielen, ihre Gesichter, ihre Hände. Das fasziniert mich. Ich gehe oft alleine in den Palast. Ich brauche niemanden. Ich muss auf niemanden warten, niemand kann zu spät kommen. Und eine Pause ohne Kommentare. Dieses Mal habe ich zwei Karten. Warum zwei? Na ja, manchmal erzähle ich Freunden von einem Konzert und dann höre ich immer: „Aber warum sagst du nichts? Wir möchten auch mal mitkommen!" Plötzlich lieben alle klassische Musik. Aber das kann ich ja nicht wissen. „Na schön", antworte ich dann immer, „das nächste Mal rufe ich an, einverstanden?" Stimmt ja auch. Immer allein, das muss nicht sein. Das ist auch irgendwie egoistisch, denn diese Schönheit kann man teilen. Also habe ich jetzt zwei Karten. So kann ich jemanden einladen und ihm eine Freude machen. Aber unter uns: Im Prinzip ist die Karte nicht für meine lieben Freunde. Ich denke an die neue Italienisch-Dozentin. Lorena. Ich sehe sie manchmal im Lehrerzimmer. Ab und zu essen wir zusammen Mittag, mit Barton, dem englischen Kollegen. Sie ist sehr sympathisch. Und das Konzert die Chance für ein Rendezvous! Endlich! Mozart mit Sekt. Großartig. 16. Mai Mein Plan klappt nicht. Ich frage Lorena in der Kaffeepause, sie sieht lange in ihren Terminkalender. Am zweiten Juni hat sie schon etwas vor. „Warum?", fragt sie. „Ach nichts, nur eine Frage", antworte ich. ,Wie schade!', denke ich. 28. Mai, abends halb neun Noch fünf Tage. Ach ja, die Karte! Langsam muss ich das organisieren. Meine Einladung zu Mozart. Ich will eine alte Freundin fragen. Simone. Sie lebt allein und ist immer ein bisschen melancholisch. Fast depressiv. Ich rufe sie fast nie an. Die Karte, eine gute Chance für eine Entschuldigung. Das Konzert als Therapie, Mozart mit Kräutertee, na ja „Mensch", begrüßt sie mich, „du, das ist ja nett! Wie geht es dir?" ... ,Super', denke ich,, sie ist mir nicht böse. Und auch nicht depressiv. Wir sprechen über eine Stunde. Das heißt: Sie spricht. Sie hat einen neuen Freund. Ein Kollege von ihr. Ein fantastischer Typ. Die große Liebe. Sie wollen jetzt ein Kind haben und ein Auto kaufen und eine Wohnung. Aber zuerst in Urlaub fahren, zwei Wochen Türkei. Und, und, und. „Vielen Dank für deinen Anruf", sagt sie am Ende, „schön, von dir zu hören. Wir machen bald ein Fest, wir rufen dich an. Tschüs." Kein Wort von Mozart. Ich glaube, sie braucht keinen Mozart mehr. „Tschüs", sage ich. ,Schade' denke ich dieses Mal nicht. 29. Mai, abends halb elf Wen frage ich jetzt? Und so spät? Rendezvous, Therapie, vielleicht sind meine Mozartpläne zu kompliziert. Eine einfache Lösung, warum nicht? Mozart mit einem guten, alten Freund. Nicht sehr spannend, aber solide. Mozart mit Bier. Auch nicht schlecht. „Am Sonntag um sechs? Super", sagt Ralf, „und kostenlos? Klasse! Klar habe ich Zeit. Wann treffen wir uns?" ,Na also', denke ich,, so einfach geht das.' „Um kurz vor sechs", antworte ich, „vor dem ..." „Kurz vor sechs? Das ist ein bisschen spät, oder? Wir wollen doch gute Plätze, oder?" „Die Plätze sind nummeriert“, erkläre ich. „Nummeriert?", fragt er. „Sag mal, wo ist denn dieses Konzert?" „Im Musikpalast." „Ach so", sagt er, „aber da kommt doch normalerweise nur so alte Musik." „Mozart ist alte Musik", sage ich. „Mozart?", fragt er erstaunt. „Wieso Mozart?" Ralf kommt also auch nicht mit. Wir trinken nächste Woche mal ein Bier. Ohne Mozart. 30. Mai Noch drei Tage. Also gut, keine Experimente mehr. Sicherheit! Wer will immer mitkommen? Wer protestiert immer:, Warum rufst du nicht an?' Sonja. Eine Kollegin. Workaholic, aber sehr hilfsbereit. Leider spricht sie immer von der Arbeit. Mozart mit Lehrerkonferenz, na ja. Aber eine sichere Kandidatin. Sie liebt Mozart, das weiß ich. Und sie sitzt sonntags meistens alleine zu Hause. Das weiß ich auch. „Einladen? Du mich? Musikpalast? Super!", sagt sie sofort, „Mozart? Streichquartette? Toll! Wann?" ,Na also, alles klar', denke ich, und antworte: „Am Sonntagnachmittag." Stille. „Diesen Sonntag?", fragt sie zurück. „Ja“, sage ich. „Sechs Uhr." Stille. „Bist du verrückt?", höre ich sie fragen. „Nein, warum?" „Wir haben morgen die Prüfungen!" „Ja“, sage ich, „und?" „Die müssen wir bis Montag korrigieren." „Na und?", frage ich. „Wir haben das komplette Wochenende und bis Dienstag oder Mittwoch ist sicher auch in Ordnung." „Du bist verrückt", sagt sie. Fünf Minuten später weiß ich es: Mozart an diesem Sonntagnachmittag ist faul, unprofessionell und unsolidarisch. Aber ich soll sie das nächste Mal wieder informieren und ein bisschen früher, bitte. Dann kann sie das besser organisieren. „Ruf doch Ruth an", sagt sie zum Schluss, „die hat schon korrigiert." Ruth ist ihre beste Freundin. Auch Lehrerin. Sie arbeitet noch mehr und spricht noch mehr über die Arbeit. Sie spricht nur über Arbeit. Die rufe ich garantiert nicht an. „Gute Idee", sage ich, „mache ich, vielleicht ..." 2. Juni, zehn Uhr vormittags Ich korrigiere und korrigiere. Die Kartenfrage ist immer noch offen. Aber keine Panik! Ich habe genug Telefonnummern. Meine lieben Freunde. Der Palast-Fanclub. Ich mache eine Pause und gehe zum Telefon. Attacke! Zuerst rufe ich die Familie Mender an. Doppelte Chance. Er oder sie. „Super Idee", sagt Michael, „Paula duscht gerade, aber sie kommt garantiert mit. Die Kinder nerven heute, ich gehe mit ihnen auf den Spielplatz. Dann hat sie frei. Um Viertel vor sechs am Palast, prima." Volltreffer! Mann, bin ich froh. Ich mag Paula und ich muss nicht mehr telefonieren. Fünfzehn Minuten später ruft sie zurück. Sie kann leider nicht, sie muss mit den Kindern ins Schwimmbad. „Und was ist mit dem Spielplatz?", frage ich. „Spielplatz? Viel zu heiß. Fast 28 Grad! Wir wollen ein bisschen schwimmen ... ich meine, die Kinder wollen, verstehst du?" Ich verstehe. .... „Und Michael?", frage ich. „Michael? Ach, ich glaube, der braucht ein bisschen Ruhe heute." „Klar", sage ich. „Also dann", sagt Paula, „und ruf mich wieder an, das nächste Mal komme ich sicher mit. Ich oder Michael." 2. Juni, Viertel nach zehn bis halb eins Zwei Stunden permanent am Telefon. Circa zehn Versuche: Freunde, Kollegen, Nachbarn. Es hat keinen Sinn. Alle fragen mich etwas:, Warum so früh?' Ich weiß es nicht., Gibt es im Palast Air-Condition?' Weiß ich auch nicht., Warum ist es so heiß heute?' Keine Ahnung, verdammt! „Wer spielt denn?", fragt Ursula. Die Frage kann ich beantworten. Aber sie findet die Antwort nicht gut. " „Weißt du", sagt sie, „Mozart ist nicht gleich Mozart. Vielleicht sind die nicht gut und machen dann meinen Mozart kaputt." Und Ursula will sich ihren Mozart nicht kaputtmachen lassen. Nicht von so einer Provinztruppe. Außerdem hat sie schon Karten für Dienstag. Gastspiel Münchner Philharmoniker. Die Jupiter-Symphonie. „Denkst du, das Tennisfinale ist bis sechs zu Ende?", fragt mich Albert. Welches Tennisfinale, zum Kuckuck? „Ruf mich um kurz nach fünf nochmal an, dann weiß ich mehr. Vielleicht komme ich dann spontan mit." Auch Andrea kommt vielleicht spontan mit. Aber wahrscheinlich kommen ihre Eltern spontan zum Kaffeetrinken. „Oder hast du vielleicht vier Karten?" Halb eins So, basta, ich habe jetzt die Nase voll! Ich sehe auf meine Liste, ich habe alle Freunde, auch alle Kollegen, angerufen. Nur Barton nicht: Der interessiert sich definitiv nur für Fußball, Formel 1 und Weltpolitik. Und hört immer noch Queen und Phil Collins. Ruth rufe ich auch nicht an. Die macht mich nervös, ich kann einfach nicht. Unter uns: Ich habe es auch bei Lorena probiert. Vielleicht passiert ja ein Wunder. Zweimal. Die Festnetznummer. Die Handynummer habe ich nicht. Versuch Nr.1: Besetzt. Aha, sie ist also zu Hause! Versuch Nr.2: Die Leitung ist frei, aber sie geht nicht ans Telefon. So ein Pech! Zehn vor fünf Ich probiere es noch einmal bei Lorena. Niemand da. Nichts zu machen. Was soll ich tun? Albert? Nein, soll er ruhig Tennis glotzen! Andrea? Nee, viel Spaß mit Mama und Papa! Ruth? Ich kann nicht, ich kann einfach nicht! Zehn nach fünf Lorena, letzter Versuch. Sie ist nicht da. Okay, okay. Dann ist alles klar: Ich gehe alleine. Wie immer. Kein Stress, keine Diskussionen. Eine gute Lösung. Die zweitbeste. Natürlich, die Karte. Schade! Man kann sie nicht zurückgeben. Aber das macht nichts. Ich gehe an die Kasse und schenke sie jemanden. Einem Studenten oder einer Studentin. Eine gute Idee. Wer jetzt an der Kasse steht, muss Zeit haben und Lust auf Mozart. Garantiert. Zwanzig vor sechs Ich bin schon am Musikpalast und gehe zur Kasse. Die Schlange ist kurz, nur drei Leute: Eine schicke Dame bezahlt gerade ihre Karte, hinter ihr steht ein unsympathischer Mann. Typ: reicher Tourist. Mit dicker Kamera vor dickem Bauch. Aber am Ende wartet eine junge Frau. Eine ausländische Studentin, denke ich, aus Japan oder so. ,Prima', denke ich,, das passt doch.' Ich frage sie auf Englisch. Sie versteht mich auch, glaube ich. Aber sie antwortet: „No, no concert, visit, just visit. Thank you." Ich brauche einige Sekunden, dann kapiere ich: Sie will nicht in das Konzert, sie will den Palast sehen. Morgen Vormittag gibt es eine Tour für Touristen, auf Englisch. "Yes", sage ich, „but now there is a concert. Mozart, you know." "Yes", sagt sie, „but student ticket." ८८ „Okay", insistiere ich, „but my ticket is free, gratis, no costs." „No, Mister, thank you", sagt sie, „sorry, thank you, no, no. Ich sehe schon, das wird nichts. „Sorry", sage ich und gehe zur Seite. Die Leute schauen schon so komisch. Mein Gott, war ja nur eine Frage. Also gut, dann nicht. Ich gehe alleine und zum Teufel mit der Karte! In diesem Moment kommt der Mann vor der Japanerin zu mir und fragt: „Do you really have a free ticket? Really?" Sechs Uhr Ich sitze auf meinem Platz. Das Konzert beginnt. Der Amerikaner kommt zu spät und isst dann Bonbons. Er lehnt sich vor, und ich kann nichts sehen. Eine einzige Katastrophe. Und dann quatscht er auch noch. Die Akustik ist nicht gut hier, sagt er. Unten im Parkett ist die Akustik sicher viel besser. „Stimmt", antworte ich. ,Idiot', denke ich,, dann geh doch ins Parkett!' Halb sieben Ich kann mich nicht konzentrieren und sehe ins Publikum. Mensch! Dort oben, das ist doch die Japanerin! Aber warum, warum hat sie nicht ...? Aber gut, nichts nehmen von fremden Männern, ich weiß. Aber ich bin doch na ja, egal. Viertel vor sieben ... Der Tourist schaut die ganze Zeit ins Parkett. Ich kann die Musiker nicht sehen, also sehe ich auch ins Parkett. Aber das kann doch nicht wahr sein! Da ist sie! In der dritten Reihe! Lorena! Lorena ist hier! Aber warum hat sie nichts gesagt? Und neben ihr ... das gibt es doch nicht: Barton. Seine Hand auf ihrer Hand. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Zehn vor sieben Pause. Der Tourist will mit mir in das große Palastcafé unten gehen. „One beer or two", lacht er. „Nein, danke", antworte ich, „I must call someone, you understand?" Das stimmt natürlich nicht. Ich muss nicht telefonieren, ich will überhaupt nicht sprechen. Mit niemandem. Ich will meine Ruhe haben. Ich gehe nach oben, in den dritten Stock, da gibt es eine kleine Bar. Ich bestelle einen Whisky. Ruhig, Junge, sage ich mir, im Prinzip ist doch alles gut. Der Tourist nervt, aber egal. Die Japanerin da oben, auch egal. Und Lorena, na ja, auch egal. Ich will das Konzert hören, das ist alles. Ich darf mich einfach nicht stören lassen. Der Whisky tut gut. Sieben Uhr ... Plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Oh nein! Lorena? 'Ich kann dir alles erklären. Die Japanerin? 'Sorry, Mister.' Der Touri? 'Hey man, another beer?' „Hey, Mensch, du hier, das ist ja toll!" Zu spät. Ruth. Plötzlich steht Ruth da. Ein Wasserfall von Worten. „Bist du alleine? Warum hast du nichts gesagt? Und, schon alles korrigiert? Also, meine Klasse ist super dieses Jahr! Fantastische Resultate! Gehen wir nachher eine Cola trinken?" Zwanzig nach sieben Ich schließe die Augen. Musik. Nur Musik. Das mit Ruth war okay. Nur zwei Minuten, dann war die Pause aus. Ich muss später auch keine Cola mit ihr trinken, ich muss ja noch korrigieren. Das kennt sie, das versteht sie perfekt. Alles ist gut. Der Tourist sitzt nicht mehr neben mir. Vielleicht unten im Parkett oder immer noch in der Bar. Die Japanerin und Lorena und Barton sind noch da, aber sie sehen mich nicht, und das ist gut so. Ich öffne die Augen. Ich kann die Musiker jetzt genau sehen, ihre Gesichter, ihre Hände. Und die Musik, einfach wunderschön. Ich schließe die Augen wieder. Alles ist gut. In zwei Wochen ist wieder ein Konzert. Morgen kaufe ich eine Karte. Eine. # Der Siegertyp Soll ich euch diese Geschichte erzählen? Meine Geschichte. Gestern ist das passiert. Und vorgestern. Genau so. Oder fast so. Eine Kleinigkeit ist anders ... aber das erkläre ich später. Also, ich bin ein Siegertyp. Das sage ich euch gleich. Ein Gewinner. Ich will etwas und ich bekomme es auch. Ganz einfach. Vielleicht glaubt ihr mir das nicht, aber es ist so. Und auch diese Geschichte ist so. Das heißt: So leicht war es dieses Mal nicht. Aber am Ende ... Moment, beginnen wir mit dem Anfang, vor einem Monat. Also, ihr kennt die Situation: September, das neue Schuljahr beginnt. Der erste Schultag. Man trifft die lieben Schulkameraden wieder. Es gibt viel zu erzählen, die Sommerferien waren lang. Alle stehen vor der Schule und quatschen und quatschen. Nur ich nicht. Ich sitze cool auf meinem Motorrad und finde das kindisch. Mit der Jugendgruppe am Badesee, Kreuzfahrt mit den Eltern im Mittelmeer, das interessiert mich nicht, das habe ich hinter mir. Dann kommen sie natürlich und fragen: „Und Bobo, was hast du gemacht?" Ich klopfe nur auf meine Maschine und sage: „Frankreich." Wie die schauen! Also erzähle ich doch ein bisschen. Von dieser Super-Tour. Abenteuer pur. Und alle hören zu. Alle, nur dieser Alfred nicht. Der bleibt auf der Bank sitzen, nimmt ein Buch aus der Tasche und liest. Na ja, der ist auch nicht ganz normal. Und plötzlich steht sie da. Sie lächelt, grüßt und stellt sich neben die anderen. Mein Gott, sieht die toll aus! „Die Neue", sagt einer leise, „Tamara." ,Die kommt im richtigen Moment', denke ich und spreche gleich ein bisschen lauter. Die Nacht am Strand von Nizza, das ist ja auch eine klasse Story. Die muss ihr imponieren. Ich erzähle und erzähle, aber plötzlich sehe ich sie nicht mehr. Das macht mich nervös. Ich suche sie, sie sitzt neben Alfred und spricht mit ihm. Das kann doch nicht wahr sein! Mit Alfred, diesem Langweiler! Aber gut, sie ist neu hier und hat noch keine Ahnung. Oben, im Klassenzimmer, geht das aber so weiter. Ich setze mich ans Fenster, der Platz neben mir ist frei. Tamara kommt, ich lächle, sie lächelt zurück und setzt sich ... neben Alfred! Sag mal, was ist denn hier los? Nun, der Anfang war wirklich komisch. Nicht so einfach. Das habe ich ja schon gesagt. Es hat gedauert. Einen Monat, viel länger als normal. Also, der Unterricht beginnt wieder, Deutsch und Geschichte und der ganze Kram. In einigen Kursen sitze ich neben Bea. Nicht schlecht, sie war schon immer das attraktivste Mädchen der Kollegstufe, aber jetzt ... da ist doch jetzt diese Neue! Im Chemiekurs sehe ich manchmal zurück, in die letzte Reihe, da sitzen die beiden, Tamara und Alfred, und flüstern die ganze Zeit. Wie Komplizen. Also, der Typ gefällt ihr, das kann ich einfach nicht glauben. In der Pause geht das weiter. Ich möchte mit ihr sprechen, alleine, unter vier Augen, aber die beiden sind immer zusammen, auf einer Bank im Hof, und meistens haben sie ein Buch in der Hand. Quatschen pausenlos und lesen sich etwas vor. Kindisch, oder? Über was reden sie die ganze Zeit? Und was sind das für Bücher? Einmal sehe ich eins auf dem Tisch liegen: Hermann Hesse,,Demian', wer ist das denn? Nach der Schule das gleiche Spiel: Beide fahren mit dem Fahrrad und haben denselben Weg. Auch das noch! Ich überhole sie mit dem Motorrad, ganz lässig, aber das sehen die nicht einmal. Endlich, so nach einer Woche, treffe ich Tamara mal allein auf dem Parkplatz. Meine große Chance. „Hallo", sage ich, „und wie geht's so?" „Gut", sagt sie, „alles bestens." Sie ist wirklich sehr hübsch. „Und dir?", höre ich sie fragen. „Öh, auch gut, alles bestens", antworte ich. Nicht sehr originell und auch nicht sehr cool. „Freut mich", lächelt sie. Sie ist nicht nur hübsch. Auch echt sympathisch. Aber sie sagt nichts mehr und will weitergehen. Ich muss jetzt etwas sagen! Jetzt sofort! Aber was? Soll ich fragen:, Sag mal, findest du Alfred wirklich nett? Das ist doch ein Loser. Der ist doch total doof.' Geht nicht. Und was ist dein Lieblingsfach? Mathe? Geschichte?' Auch blöd. Plötzlich spreche ich von Frankreich, von meinem großen Abenteuer. Meine beste Nummer, die kommt immer gut an. Sie lächelt noch einmal und sagt dann: „Die Geschichte kenne ich schon." Und Tschüs. Zehn Minuten später sehe ich sie auf der Straße, auf dem Fahrrad neben Alfred. Bester Laune, sie lachen sich wieder mal kaputt. Ja, so war das. Wirklich schwer, richtig kompliziert. Aber jetzt hat es doch geklappt. Vorgestern, am Freitagabend auf der Schulparty. Ich liebe diese Partys. Super Musik und sehr laut. Genau mein Ding. Man muss nicht viel reden. Nur gut drauf sein und tanzen. Das kann ich. Das genügt. Alfred war auch nicht da. Sein Problem. Besser so. Also: Sie steht einen Moment alleine an der Bar. Meine Chance: Ich gehe zu ihr und frage sie: „Na, tanzen wir?" Wieder dieses Lächeln. „Warum nicht?" Und schon geht's los. Wir tanzen die ganze Nacht, wie verrückt. Ab und zu einen Drink an der Bar. Danach darf ich sie mit dem Motorrad nach Hause bringen. Und für den nächsten Tag habe ich natürlich auch schon einen Plan. „Morgen machen wir eine Tour", sage ich, „hast du Lust?" Natürlich hat sie Lust. Sie mag mich, das sehe ich doch. Ich glaube, sie ist schon ein bisschen verliebt. Alfred ist schon vergessen. Die Tour, das war gestern. Wirklich ein super Tag. Mein Plan war ja auch klasse. Also: Um drei habe ich sie abgeholt und wir sind aufs Land gefahren. Mit dem Motorrad durch die Natur! Das hat sie natürlich toll gefunden. Dann waren wir in meinem Lieblingsrestaurant. Drive King. Die Mega-Hamburger! Na ja, Tamara ist Vegetarierin, aber das konnte ich ja nicht wissen. Und da gibt es ja auch Salat und Pommes. Dann sind wir ins Kino gegangen. In das Multiplex am Heldenplatz. Sie hat etwas von einem spanischen Film gesagt, aber der ist da nicht gekommen. Macht ja nichts. Wir sind in einen Science-

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