Zusammenfassung Empirische Sozialforschung PDF
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This document provides a summary of empirical social research, covering definitions, problems, research, and various methods. It discusses the importance of empirical data, systematic methods, and the role of theory in the research process.
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Empirische Sozialforschung Lektion 1: Grundlagen Definitionen Empirische Spezialforschung Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Tatbestände. Gesamtheit von Methoden, Techniken und Instrumenten zur wissenschaftlich korrekten Durchführung von Un...
Empirische Sozialforschung Lektion 1: Grundlagen Definitionen Empirische Spezialforschung Empirische Sozialforschung ist die systematische Erfassung und Deutung sozialer Tatbestände. Gesamtheit von Methoden, Techniken und Instrumenten zur wissenschaftlich korrekten Durchführung von Untersuchungen des menschlichen Verhaltens und weiterer sozialer Phänomene Querschnittsdisziplin mit dem gemeinsamen Ziel der Sammlung von Erkenntnissen über die soziale Realität Diese Erkenntnisse basierend auf der systematischen Sammlung, Aufbereitung und Analyse empirischer Daten 3 Probleme: 1. Was bedeutet empirisch? Erfahrungsgemäß/ sinnlich wahrnehmbar 2. Was bedeutet systematisch? Die Wahrnehmung erfolgt nach festen Regeln 3. Was sind soziale Tatbestände? Handeln: jedes beobachtbare menschliche Verhalten Materiell: Gegenstände und Hinterlassenschaften Immateriell: durch Sprache vermittelte Meinungen, Informationen, Einstellungen, Werturteile, Absichten, usw. Forschung Forschung ist eine Tätigkeit, die darauf zielt, neues Wissen zu erarbeiten, indem der Forschungsgegenstand mit Methoden untersucht wird, die das Ergebnis sachlich begründet und intersubjektiv begründbar machen. Wahrnehmung unsystematisch systematisch „Trial and error“ (Versuch & Irrtum) Experimente Stammtisch Umfragen/Meinungsforschung Alltagserfahrung Ethnographische Beobachtungen Wikis Dokumenten-/Inhaltsanalysen Empirie Auf systematischen Erfahrungen und theoretischen Modellen basiertes Wissen Spezifische Form von Aussagen zur Beschreibung der Wirklichkeit, die sich im Unterschied zur Theorie noch nicht bewährt haben Der Übergang zwischen empirischem Erfahrungswissen und theoretischem Wissensstand ist fließend Theorie und Empirie stehen in einem dialektischen Verhältnis Theorien Systeme bzw. Netzwerke von widerspruchsfreien Aussagen über einen Gegenstandsbereich (politische Wahlen, Lernerfolge o.Ä.) Sie ordnen und definieren Sachverhalte innerhalb des Gegenstandsbereiches, erklären (soziale) Tatbestände oder sagen diese voraus (Prognosen) Die einzelnen theoretischen Aussagen des Systems müssen logisch konsistent und widerspruchsfrei verknüpft sein Sie besitzen einen empirischen Wahrheitsgehalt, müssen aber nicht völlig fehlerfrei sein Aufgabe der Forschung und der Wissenschaft ist es, möglichst fehlerfreie Theorien auszuarbeiten, zu prüfen und zu verbessern. Empirische Daten Gezielt im Hinblick auf ein Forschungsproblem ausgewählte und dokumentierte Informationen über die Erfahrungswirklichkeit Gesammelt mit wissenschaftlichen Datenerhebungsmethoden (z.B. Beobachtung, Interview, Umfragen, psychologische Tests, physiologische Messungen, Dokumentenanalyse) Mit standardisierten oder nicht-standardisierten Erhebungsinstrumenten (Beobachtungsplan, Interviewleitfaden, Fragebogen, Messgerät, etc.) Nur aussagekräftig, wenn sie mit einem angemessenen Forschungsprozess und Untersuchungsdesign an einer passenden Population erhoben wurden, sachgerecht ausgewertet und theoriebezogen interpretiert werden Empirische Methoden Bestandteil der Empirischen Sozialforschung Handlungsanweisungen und formale Regeln, um sozialwissenschaftliche Erkenntnisse realisieren, bestimmte Resultate erzielen oder Informationen sammeln zu können „Methoden dienen damit stets der Erreichung eines bestimmten Ziels.“ Es hat sich durchgesetzt, qualitative und quantitative Methoden zu unterscheiden Techniken/Instrumente Konkrete Ausgestaltungen der Methoden Es gibt zahlreiche Variationen Diese können je nach Problemstellung und Erkenntnisinteresse auch kombiniert werden Methodologie Synonyme: Methodenlehre, Forschungslogik Fachspezifischer Kanon zur Anwendung von Handlungsanweisungen und Regeln Analogie: Werkzeugkiste Gefahr der Trivialisierung: o Weil viele Techniken (Werkzeuge) aus dem Alltag stammen, wird oft fälschlich angenommen, jeder könne sie auf Anhieb – ohne Gebrauchsanweisung – beherrschen Wissenschaftliche Fragen Ist das so? (z.B. auch Erkenntnisphilosophie) o Skepsis: Prüfung auch von scheinbaren Selbstverständlichkeiten. Hinterfragt traditionelle Wissensbestände Warum ist das so? (z.B. auch VWL, BWL o. MINT) o Kausale Neugier: Kausalmodelle sind ein wichtiger Schritt bei der Projektplanung Was ist das? o Beschreibung/Klassifikation: o Beschreibung ermöglicht Beobachtung, erlaubt Vergleiche und zwingt zu Auswahl bzw. Fokus o „Was-ist-Operationalisierungen“ enthalten Vergleiche o Systematiken / Inventare sind ein Element wiss. Arbeit o Wiss. Beschreibungen listen nicht nur auf, sondern benennen Basiselemente Max Weber: „Soziales Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ Lektion 2: Wissenschaftstheorie Nicht-wissenschaftliche Begründungen von Wissen Begründung Vorgehen Grenzen Autoritäten Berufung auf Autoritäten/Experten Unklare, widersprüchliche oder interessengeleitete Expertisen Religion Berufung auf Dogmen/religiöse Anerkennung von Offenbarungen Offenbarungen setzt jeweiligen Glauben voraus Tradition Berufung auf Überlieferungen Missverständnisse, früherer Generationen Fehlinterpretationen, Mythen u.ä. Gesunder ‚common sense‘ als gemeinsam Variiert zwischen sozialen Menschenverstand geteilte Überzeugung Gruppen (Vorurteile/Interessen) Intuition ‚Bauchgefühl‘/‘Instinkt‘ Vorurteile, Wunschdenken, u.ä. Anekdotische Lebenserfahrung und/oder Lebenserfahrungen sind durch Evidenz Vorbilder aus dem Umfeld Persönlichkeitsmerkmale verzerrt Logik Berufung auf logische Argumente Menschen/Organisationen handeln nicht immer logisch Tempel der Wahrheit Vier Wahrheitskriterien Definitionen Rechtsextreme Einstellungen „Rechtsextreme Einstellungen definieren wir wie folgt: Der Rechtsextremismus ist ein Einstellungsmuster, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen darstellen. Diese äußern sich im politischen Bereich in der Affinität zu diktatorischen Regierungsformen, chauvinistischen Einstellungen und einer Verharmlosung bzw. Rechtfertigung des Nationalsozialismus. Im sozialen Bereich sind sie gekennzeichnet durch antisemitische, fremdenfeindliche und sozial-darwinistische Einstellungen.“ Drei philosophische Paradigmen Was ist ein Paradigma? Definition Begriff für die eine Wissenschaft in einem bestimmten Zeitraum prägenden allgemein akzeptierten Auffassungen. In der Wissenschaftstheorie: Zu Paradigmen zählen sowohl methodologische Konzepte als auch intuitive Grundeinstellungen zu Phänomenen. Ein Paradigma regelt, was als untersuchenswerter Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung zu gelten hat, die Art und Weise, wie dieser Gegenstand zu beobachten ist und was als befriedigende Lösung eines wissenschaftlichen Problems anzusehen ist. Kritischer Rationalismus (Vorläufige) Definition Kritisch rationale Überprüfung wissenschaftlicher Theorien (Hypothesen) mit dem Ziel ihrer vorläufigen Bestätigung durch den permanenten vergeblichen Versuch ihrer Widerlegung (Falsifikation). Konstruktivismus (Vorläufige) Definition Erkenntnistheorie, die sich mit der Frage beschäftigt, wie wir zu unseren Erkenntnissen bzw. zu unserem Wissen kommen. Der Konstruktivismus geht davon aus, dass gewisse Zweifel an dem Glauben angebracht sind, dass Wissen und Wirklichkeit übereinstimmen (GWL). Alle sozialkonstruktivistischen Annahmen bauen auf drei Axiomen auf: 1. Axiom: Wirklichkeit ist immer kontingent, da sie stets konstruiert ist! 2. Axiom: Alles hat bzw. ergibt einen Sinn! 3. Axiom: Nichts ist selbstverständlich! Pragmatismus Allgemeine Definition Theorie des Wissens, der Erfahrung und der Realität Denken ist biologisch und sozial bedingt Nützlichkeitserwägungen spielen die entscheidende Rolle o Wahr ist, was nützlich ist o Wahrheit ist das, was zu sinnvollen Handlungen führt Wissen ist prinzipiell fehlbar Wahrheitstheorien und sozialwissenschaftliche Paradigmen Sozialphilosophische Paradigmen Methodologischer Individualismus (Vorläufige) Definition Forschungsleitende Idee, derzufolge die Grundbestandteile der sozialen Welt Individuen sind (Individualismus), sodass soziale Prozesse und Institutionen unter Rückgriff auf theoretische Aussagen über individuelles Verhalten bzw. Handeln erklärt werden müssen. Methodologischer Kollektivismus Ausführliche Definition: Auch Holismus; forschungsleitende These, die i.d.R. damit begründet wird, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile (Kollektivismus). Spielarten des methodologischen Kollektivismus innerhalb der Sozialwissenschaften sind der Marxismus und der Funktionalismus. Ausgangspunkt der Analyse ist das soziale System, dem (v.a. vom Funktionalismus) ein allg. Überlebensziel zugeschrieben wird, im Gegensatz zum methodologischen Individualismus. Methodologischer Konstruktivismus Kurzbeschreibung: Der Erlanger Schule geht es um eine strukturierte, widerspruchsfreie, vollständige, wie sie es nennen ‚methodische‘ Begründung aller Wissenschaften. Sie knüpft an Wittgensteins Auffassung an, dass Sprache und Wirklichkeit nicht trennbar seien. Eine kritische Rekonstruktion der sprachlichen Mittel der Wissenschaften sei deshalb immer auch eine ‚Konstruktion‘ ihrer Gegenstände. Daher der Begriff ‚Methodischer Konstruktivismus‘. Wer a sagt, muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch war. -Der Neinsager (der Knabe); Bertolt Brecht Was ist Wissenschaftstheorie? Kurzdefinition Wissenschaftstheoretische Grundlage und Methode der Erkenntnisgewinnung Aufgabe der Wissenschaftstheorie/Metatheorie/Methodologie: Jede Theorie beruht in ihrer Entstehung auf der Anwendung einer bestimmten Methode der Erkenntnisgewinnung. Dabei existieren unterschiedliche Methoden der Theoriegewinnung. Die Methodologie als Wissenschaft von der Wissenschaft systematisiert die Methodenvielfalt und versucht, eine allgemeingültige und verbindliche Methode zu entwickeln. Wissenschaftstheorie Was heißt Ontologie? Die Lehre des Seienden Bei der Ontologie gejt es innerhalb der Wissenschaftstheorie um die Frage, wie der Gegenstand einer Wissenschaft beschaffen ist. Was heißt Axiologie? Die Lehre von den Werten. In der Axiologie beschäftigt man sich innerhalb der Wissenschaftstheorie mit Werten und ihrer Bedeutung im Kontext der Wissenschaft. In den Sozialwissenschaften interessiert herbei z.B. die Frage, welchen Einfluss die Wertvorstellungen der Forschenden (insbesondere ihre Haltung zu sozialen und gesellschaftlichen Problemen) auf ihre Forschungsaktivitäten haben können und sollen. Was heißt Epistemologie? Die Lehre von der Erkenntnis. Die Epistemologie widmet sich vordringlich der Frage, auf welchen wegen bzw. mit welchen Methoden wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können. Dabei spielt die Logik eine besondere Rolle. Denn wir verlangen von wissenschaftlichen Aussagen in jede, Fall, dass sie logisch widerspruchsfrei sind. Induktion Schlussfolgerung von Speziellen auf das Allgemeine In der empirischen Sozialforschung: o Schlussfolgerung von empirischen Daten über Einzelfälle auf verallgemeinernde Theorien über viele Fälle Vorgehen: o Aus Daten werden schrittweise Muster ausgearbeitet o Induktionen bilden oder betätigen Theorien o Die zentrale Schlussweise im qualitativen Paradigma der empirischen Sozialforschung Das Induktionsproblem Definition: Beim Induktionsproblem – auch das Humesche Problem – handelt es sich um ein Grundproblem der Erkenntnistheorie Es problematisiert, ob und wann ein Schluss durch Induktion von Einzelfällen auf ein allgemeingültiges Gesetz zulässig ist. Es geht darum, ob Menschen überhaupt etwas über die Welt und somit auch von anderen Menschen wissen können. Obwohl es im Empirismus formuliert wurde, ist es ein Problem aller Wissenschaften, die Induktionsschlüsse als Beweisverfahren zulassen. Deduktion Schlussfolgerung vom Allgemeinen auf das Spezielle In der empirischen Sozialforschung: o Schließen von allgemeingültigen Theorien auf empirische Daten oder Zusammenhänge Vorgehen: o Das dedkutiv-nomologische Erklärungsmodell dient in der quantitativen Sozialforschung der Theorieprüfung. o Erkenntnis beginnt mit Theorien und Hypothesen o Hypothesen widerlegt (Falsifikation) →Theorie wird kritisiert bzw. modifiziert o Hypothesen nicht widerlegt →Theorie gilt vorläufig! Als bestätigt (Verifikation) Fünf Definitionen: 1. Logisches Schließen vom Allgemeinen auf das Besondere. Eine Lehrmethode, bei der von allgemeinen Gesetzen oder Regeln ausgegangen wird, die auf konkrete Fälle angewendet werden. 2. Methode aus dem Allgemeinen, das Besondere abzuleiten. Die Deduktion bildet das gegensätzliche Vorgehen zur Induktion. 3. Von „Deducere“, ein Denkverfahren, das vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Abstrakten auf das Konkrete und vom umfassenden auf das Einzelne schließt. Das Besondere wird als Folge oder Spezialfall einer Regel oder eines Gesetzes erkannt. 4. Bezeichnet das Schließen durch bereits vorhandenes Wissen (Prämisse und Vorannahmen) vom Allgemeinen auf das Einzelne. 5. Ableitung besonderer Sätze (Erkenntnisse, Wahrheiten) aus allgemeinen. Die Form dieser Ableitung ist der Schluss i.e.S. In der Logistik geht man von Axiomen mit Hilfe von Deduktionen zu beweisbaren Sätzen. Die Deduktion bildet damit die Grundlage der exakten, insbes. Der mathematischen Beweisführung. Abduktion In der Sozialforschung: Im qualitativen Paradigma neben der Induktion genutzt Im Gegensatz zur Induktion werden keine Muster herausgearbeitet, Sondern unverständliche Merkmalskombinationen betrachtet und durch ad hoc Hypothesen erklärt. →kreativer Erkenntnisprozess zur Generierung neuer Hypothesen aus Daten Definition: Eine von C.S. Pierce konzipierte Logik, die versucht das Entstehen von Hypothesen zu erfassen, im Unterschied etwa zur Induktion, bei der von bekannten Fällen auf ähnliche Fälle geschlossen wird. Bei der Abduktion schließt man auf allgemeine Prinzipien oder Hintergründe, die beobachtete Daten erklären könnten. Ein abduktiver Schlusskann durch Evidenz widerlegt werden. Die wichtigsten Unterschiede zur induktiven Schlüssen sind der meist kreative Prozess, mit dem ein Schluss erreicht wird, und das Auffinden neuer Zusammenhänge. Abduktives Schließen liegt z.B. auch der klinischen Diagnostik, der Fehlersuche in technischen Systemen, der juristischen Interpretation von Sachverhalten und vielen Kausalattributationen des Alltags zugrunde. Empirische Befunde legen nahe, dass derartige Schlussfolgerungen systematisch von normativen Modellen der Logik abweichen Deduktion vs. Induktion vs. Abduktion Methoden-Schisma Der Unterschied zwischen quantitativem und qualitativem Paradigma liegt auf der Ebene der wissenschaftstheoretischen Begründung des Vorgehens. Was ist ein Schisma? Mixed methods Kurzdefinition Mixed methods bezeichnet eine Forschungsmethode, die eine Kombination von Elementen qualitativer und quantitativer Forschungstraditionen beinhaltet, typischerweise (aber nicht notwendig) innerhalb einer Untersuchung. Quantitative Forschung Drei Grundpositionen quantitativer Forschung 1. Kritischer Rationalismus Theorien = Vermutungen über die Realität Ableitung empirisch prüfbarer Hypothesen Anhand von Daten kritisch durch die Wissenschaftsgemeinschaft geprüft Methodenkritik (kritische Auseinandersetzung mit der Datengewinnung sowie alternative Theorien und Hypothesen) 2. Verifikation und Falsifikation Bestätigung von Theorien (=Verifikation) unmöglich Nur Widerlegung von Hypothesen (=Falsifikation) ist sinnvoll 3. Falsifikationismus bzw. Kritizismus Erkenntnisfortschritt durch Aussondern falsifizierter Theorien Beibehalten vorläufig nicht-falsifizierter Theorien Gegenmodell zum auf Verifikation basierenden Empirismus bzw. Positivismus Kritischer Rationalismus (Vorläufige) Definition: Kritisch rationale Überprüfung wissenschaftlicher Theorien (Hypothesen) mit dem Ziel ihrer vorläufigen Bestätigung durch den permanenten vergeblichen Versuch ihrer Widerlegung (Falsifikation). Qualitative Forschung Fünf Grundprinzipien der qualitativen Forschung 1. Ganzheitliche Rekonstruktion lebensweltlicher Phänomene Menschliches Erleben und Handeln kann nur aus individuellen Weltsichten und Sinngebungen der Beteiligten im Alltagszusammenhang verstanden und erklärt werden 2. Reflektierte theoretische Offenheit Vorverständnis kritisch hinterfragen Offen für Widersprüche zu bisherigen theoretischen Vorstellungen 3. Zirkularität und Flexibilität des Forschungsprozesses „Revisionen sind bisweilen nötig und erlaubt!“ 4. Kommunikation und Kooperation zwischen Forschenden und Beforschten „Arbeitsbündnis“ als notwendige Voraussetzung für Erkenntnisgewinn 5. Selbstreflexion der Subjektivität und Perspektivität Erkenntnis ist untrennbar mit Forschenden verknüpft Das ist ständig kritisch zu hinterfragen und gilt ebenfalls als Erkenntnisquelle Synopse qualitative vs. Quantitative Forschung Linearität und Zirkularität Grenzen der Zirkularität „Feldforschung braucht Zeit!“ o Problem: Budget-, Personal- und Zeitplanung In der Praxis sind Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung oft nicht zirkulär o →Qualitätseinbußen, „deren Konsequenzen (…) zu bedenken und zu diskutieren sind“ Viele meinen, „bei Projektanträgen oder Qualifikationsarbeiten gegenüber Gutachtern Kompromisse machen zu müssen“ o →unerfreuliches Durcheinander von „qualitativem“ Material und quantifizierender Interpretation o →standardisierte Forschungslogik, ohne deren Qualitätskriterien zu erfüllen Drei Forschungsparadigmen Methodentriangulation vs. Mixed-methods 4 Major Mixed Methods Designs Lektion 3: Theorien in der empirischen Sozialforschung Was sind Theorien? Systeme bzw. Netzwerke von widerspruchsfreien Aussagen über einen Gegenstandsbereich (politische Wahlen, Lernerfolg o.Ä.) Sie ordnen und definieren Sachverhalte innerhalb des Gegenstandsbereiches, erklären (soziale) Tatbestände oder sagen diese voraus (Prognosen) Die einzelnen theoretischen Aussagen des Systems müssen logisch konsistent und widerspruchsfrei verknüpft sein Sie besitzen einen empirischen Wahrheitsgehalt, müssen aber nicht völlig fehlerfrei sein Aufgabe der Forschung und der Wissenschaft ist es, möglichst fehlerfreie Theorien auszuarbeiten, zu prüfen und zu verbessern →WIE? Woraus bestehen Theorien? Modell vs. Erklärungen Theorien sind Systeme bzw. Netzwerke widerspruchsfreier Aussagen. Arten von Aussagen Merke: Die Wissenschaftstheorie unterscheidet drei Typen von Aussagen: 1. Logische Sätze 2. Präskriptive Sätze 3. Empirische Sätze Logische bzw. analytische Sätze Sind immer wahr (=Tautologien) bzw. immer falsch (=Kontradiktionen) – unabhängig vom Zustand der Welt Elemente: o Axiome (Formalwissenschaft) – z.B. 1+1=2 o Definitionen: „Soziales Handeln“ o Tautologien: „Meist findet Überraschung statt, wenn man sie nicht erwartet hat.“ o Kontradiktionen/Antinomien/Paradoxien: ▪ Beispiele: 1. „Ich lüge gerade.“ (Lügner Paradoxon) 2. (Epimenides der Kreter: „Alle Kreter sind Lügner.“) Tautologien und Kontradiktionen liefern keinen Erkenntnisgewinn und sind deshalb in der Wissenschaft unbrauchbar! Was ist ein Axiom? Ein „als absolut richtig bzw. wahr anerkannter Grundsatz, der seinen Wahrheitsgehalt und Einsichtigkeit in sich selbst trägt und keines Beweises bedarf. Grundannahme einer wissenschaftlichen Theorie, die dazu dient, andere Aussagen (.) aus ihnen abzuleiten.“ Definitionen und Begriffe Eine notwendige Voraussetzung zur Beschreibung oder Erklärung sozialer Tatbestände ist deren begriffliche Präzisierung. Üblicherweise durch →Nominaldefinitionen Bestandteile von Definitionen Definiendum: der zu definierende Begriff, dessen Bedeutung festgelegt wird Definiens: Begriffe, die den Inhalt des Definiendums darstellen Problem: Falls das Definiens unklare oder mehrdeutige Begriffe enthält, müssen diese ebenfalls definiert werden. Das geht wiederum nur mit Begriffen, die auch erklärungsbedürftig sind, etc. pp. →es drohen „infiniter (definitorischer) Regress“ oder logischer Zirkel Logik von Definitionen Intensionale Bedeutung: Merkmalsraum = Menge aller Merkmale (Eigenschaften), die gegeben sein müssen, damit Objekte unter einen bestimmten Begriff fallen. Extensionale Bedeutung: Objektrau, = Menge aller Objekte, die die Intension eines Begriffs erfüllen Real- vs. Nominaldefinitionen Realdefinitionen: (bzw. Wesensdefinitionen) müssten immer sämtliche Objekte umfassen (→Extension), die sie betreffen. Dies ist meist unmöglich! (Oder der Begriff ist derart simpel, dass es gar keiner Definition „verdient“!) Nominaldefinitionen: sind „tautologische Transformationen auf rein sprachlicher Ebene“, die den Merkmalsraum festlegen (→Intension) Struktur: von A sprechen wir, wenn x, y und z gegeben sind. (Nominal-)Definitionen sind beliebig! Weil sie NICHT den Anspruch erheben, das WESEN eines Sachverhaltes zu beschreiben. Was sind Tautologien? Tautologie (altgr. = Wiederholung des Gesagten) Sie sind immer wahr und daher nicht falsifizierbar o Bsp. Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist (Bauernregel) Logik: Tautologien haben keinen empirischen Gehalt Hypothesen und Theorien müssen empirischen Gehalt haben Nominaldefinitionen sind tautologische Transformationen auf sprachlicher Ebene Somit können Nominaldefinitionen weder Hypothesen noch Theorien sein! Kontradiktionen/Antinomien/Paradoxien Aussagenverbindungen, die immer wahr sind, werden tautologisch genannt. Aussagenverbindungen, die immer falsch sind, werden kontradiktorisch genannt (z.B. Denkfallen, Paradoxien, Widersprüche, etc.) Aussagenverbindungen, die weder tautologisch noch kontradiktorisch sind, heißen erfüllbar oder kontingent. Eine Antinomie ist ein Widerspruch, eine ernsthafte logische Schwierigkeit, bei der zwei Aussagen einander widersprechen, obwohl für beide gleich gute Grpnde vorliegen. Ihr Auftreten hat bspw. Zu Beginn des 20. Jh. Die Grundlagen der Mathematik erschüttert. Als besonders anfällig für Antinomien erwies sich die Mengenlehre. Präskriptive Sätze =Werturteile, Normen, Soll-Sätze Haben keinen empirischen Gehalt und können deshalb durch empirische Forschung nicht begründet werden. Aus dem „Sein“ das „Sollen“ abzuleiten ist unmöglich (naturalistischer Fehlschluss). Werturteile sind Setzungen, die wissenschaftlich nicht (endgültig) begründbar sind! Naturalistischer Fehlschluss Irrtümlicher Versuch, nur aus der „Natur“ der Dinge abzuleiten, wie diese sein sollten und ihnen damit einen moralischen Wert zu unterstellen. Aus einer Aussage, die beschreibt, wie es ist (deskriptive Aussage), kann man keine Aussage treffen, wie es sein soll (normative Aussage). Moralphilosophischer Begriff nach dem es unzulässig ist, von beobachteten Fakten auf moralische Normen zu schließen. Brisant wird der n.F., wenn versucht wird, mit Hilfe von „Ist“-Zuständen der Natur moralische Normen menschlicher Gesellschaften zu legitimieren. Weil die Natur moralisch völlig indifferent ist, hat die biologische Evolution auch keine moralischen Dimensionen. Damit gibt es auch keine Tiervorbilder. Der naturalistischen Fehlschlusses geht auf den engl. Philosophen David Hume zurück und wird deshalb auch „Hume’s law“ (Humes Gesetz) genannt. Max Weber „Unsere Zeitschrift als Vertreterin einer empirischen Fachdisziplin muß, wie wir gleich vorweg feststellen wollen, diese Ansicht grundsätzlich ablehnen, denn wir sind der Meinung, daß es niemals Aufgabe einer Erfahrungswissenschaft sein kann, bindende Normen und Ideale zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können.“ Wertfreiheitspostulat Max Weber (1909) forderte im Verein für Socialpolitik: „Wissenschaft muss wertfrei sein!“ Auszüge aus der Definition (des GWL): o Aussage des Wertefreiheitspostulats: Erfahrungswissenschaftler sollen sich der Abgabe von Werturteilen enthalten. o Das Wertfreiheitspostulat bedeutet nicht, dass Wertungen in der Wissenschaft generell unterbleiben sollen. o Wertungen im Aussagenbereich können intersubjektiv nicht überprüft werden und bleiben insofern beliebig. Wissenschaft sollte sich deshalb auf Information über die Realität oder über prinzipielle Handlungsmöglichkeiten beschränken. Was sind Werte? Definition: „Ein Wert ist eine explizite oder implizite, für das Individuum kennzeichnende oder für eine Gruppe charakteristische Konzeption des Wünschenswerten, die die Selektion von vorhandenen Arten, Mitteln und Zielen des Handelns beeinflusst.“ Aber, Normen (präskriptive Sätze) … … lassen sich empirisch begründen oder sogar herleiten. Beispiel: Du sollst nicht töten. (präskriptiv) Durch privaten Waffenbesitz steigt die Zahl der Morde. (empirisch) Ein Waffenverbot verringert die Zahl privater Waffen. (empirisch, Rechtsfolge) Ergo: Privater Waffenbesitz ist zu verbieten! (abgeleitete Norm) Empirische Sätze… …stellen Behauptungen über prinzipiell beobachtbare Sachverhalte auf, die wahr oder falsch sein können: Gegenbeispiel: „Wenn ein Münchner stirbt, kommt er in den Himmel“ (wahre oder falsche Behauptung – aber nicht beobachtbar) Singuläre Existenzsätze: raum-zeitlich fixiert „Mannheim ist eine schöne Stadt.“ Hypothetische Sätze: raum-zeitlich unbegrenzt (Allsätze) Hypothesen: Wenn…, dann… - Je…, desto… Gesetze: =empirisch vorläufig „bestätigte“ Hypothesen Quasi-Gesetze (mit raum-zeitlich begrenzter Gültigkeit Merke: Die Überprüfung der Wahrheit empirischer Sätze ist eine Hauptaufgabe empirischer Sozialforschung Arten von Hypothesen Arten von sozialwissenschaftlicher Theorien Theorien unterschiedlicher Reichweite Theorien mittlerer Reichweite Was heißt das nun für Sie? 1. Akzeptieren Sie, dass nicht alle theoretischen Modelle gleichermaßen für die Ableitung von Hypothesen und damit für die (quantitative) empirische Sozialforschung geeignet sind. 2. Hinterfragen Sie stets, den Abstraktionsgrad und den empirischen Gehalt von Theorien. 3. Unterscheiden Sie dabei Theorien mittlerer Reichweite – „from which to derive hypotheses that can be empirically investigated” – von Meta-Theorien! Lektion 4: Operationalisierung Wie gelingt es, fehlerfreie (wahre) Theorien zu entwickeln? 1. Möglichst informationshaltige Hypothesen ableiten 2. Versuch der Falsifikation a. Nach misslungener Falsifikation →Annahme gilt vorläufig als wahr b. Bei einmaliger Falsifikation →Annahme wird (vorerst) beibehalten c. Nach mehrfacher Falsifikation →Annahme wird modifiziert d. Bei mehrfacher Falsifikation sowie bei logischen Widersprüchen →Annahme wird verworfen (Paradigmenwechsel) Paradigmenwechsel Kurzbeschreibung: Thomas S. Kuhn: US-amerikanischer Physiker, Wissenschaftstheoretiker und Wissenschaftshistoriker; Seine wichtigste philosophische, oder erkenntnistheoretische Leistung Kuhns besteht nach Auffassung vieler Fachleute in seiner Theorie vom Paradigma. Es gebe aber immer „Anomalien“, die sich in einem Paradigma nicht lösen lassen. Die Anhäufung von Anomalien und Versuche ihrer Lösung führen zu einem Paradigmenwechsel. Es komme zu einer wissenschaftlichen Revolution. Als Paradebeispiel gilt der Wechsel von der newtonschen Physik zur Relativitätstheorie Einsteins. Geo- vs. Heliozentrisches Weltbild Epizykeltheorie Informationsgehalt Kriterium zur Beurteilung empirischer Theorien, Gesetze und Hypothesen →Informationsgehalt = empirischer Gehalt = Grad der Falsifizierbarkeit = Grad der Allgemeingültigkeit empirischer Sätze Definition (Laut GWL) Es sind Allgemeinheit und Präzision einer Aussage zu unterscheiden. Meist erklärt anhand von Wenn-dann-Sätzen. Nach Popper besteht zwischen empirischem Gehalt und Falsifizierbarkeit einer Aussage ein positiver Zusammenhang: Je gehaltvoller sie ist, desto leichter ist sie falsifizierbar. (=Popper-Kriterium) Dabei ist jedoch streng zwischen Falsifizierbarkeit als logischer Eigenschaft einer Aussage und ihrer tatsächlichen Falsifikation zu unterscheiden. Allgemeinheit und Präzision (erläutert mit Je-Desto-Aussagen anhand von Wenn-Dann- Beispielen) 1. Je allgemeiner die Wenn-Komponente formuliert ist, desto größer ist der Informationsgehalt; die Hypothese gilt universell ohne Einschränkungen. 2. Je präziser die Wenn-Komponente, desto geringer ist der Informationsgehalt; die Konsequenz wird in der Dann-Komponente nur unter Einschränkungen behauptet. 3. Je allgemeiner die Dann-Komponente formuliert ist, desto geringer ist der Informationsgehalt; die Konsequenz kann sich auf verschiedene Art und Weisen einstellen. 4. Je präziser die Dann-Komponente ist, desto höher ist der Informationsgehalt; im besten Fall wird nur eine ganz spezifische Konsequenz zugelassen. Zur Klärung Falsifizierte empirische Sätze haben keinerlei empirischen Gehalt. Sie sind nicht mehr potentiell falsifizierbar, sondern tatsächlich falsifiziert. Präskriptive Aussagen und logische Sätze (=Axiome, Definitionen, Tautologien, Antinomien, Kontradiktionen) sind nicht falsifizierbar und haben daher keinen empirischen Gehalt Merksätze „Der Gehalt einer Wenn-Dann-Hypothese wächst (1) gleichsinnig mit dem Gehalt der Dann-Komponente und (2) gegensinnig zum Gehalt der Wenn-Komponente.“ Bsp. 1: „Wenn unter sonst gleicher Bedingungen der Preis eines Konsumgutes steigt, dann sinkt die Nachfrage nach ihm.“ →kein empirischer Gehalt Bsp. 2: „Wenn menschliches Handeln belohnt wird, dann stellen sich (starke) positive Gefühle und physiologische Erregung ein.“ →hoher empirischer Gehalt Ziel wissenschaftlicher Theoriebildung sind möglichst informationshaltige Hypothesen!! Induktion und ihre Probleme Der klassische Einwand gegen die Induktion lautet, dass es keine innere Notwendigkeit gibt, die derartige Verallgemeinerungen als zulässig ausweisen könnte Klassischer Fall: Man beobachtet tausende schwarze Raben, verallgemeinert, und dann stellt sich heraus, dass auch weiße Raben existieren. →Die Theorie ist widerlegt. Falsifikationsprinzip Ziel: Prüfung universeller Gesetzmäßigkeiten (=Allaussagen) Beispiel: „Alle Schwäne sind weiß.“ Existenzsatz: „Es gibt nicht-weiße Schwäne.“ →Ein Gegenbeispiel genügt, um den Allsatz zu falsifizieren. →Wissen entsteht (im kritischen Rationalismus!) durch fortgesetzte Falsifikationsversuche. Deduktion Schlussfolgerung vom Allgemeinen auf das Spezielle In der empirischen Sozialforschung: o Schließen von allgemeingültigen Theorien auf empirische Daten oder Zusammenhänge Vorgehen: o Das deduktiv-nomologische Erklärungsmodell dient in der quantitativen Sozialforschung der Theorieprüfung. o Erkenntnis beginnt mit Theorien und Hypothesen. o Hypothesen widerlegt (Falsifikation) →Theorie wird kritisiert bzw. modifiziert o Hypothesen nicht widerlegt →Theorie gilt vorläufig als bestätigt (Verifikation) Deduktiv-nomologisches-Modell/Hempel-Openheim-Schema Nach C.G. Hempel und P. Oppenheim benanntes Muster wissenschaftlicher Erklärungen (auch deduktiv-nomologisches Erklärungsmodell) Philosophie: Syllogismus (altgr. „Zusammenrechnen“) logischer Schluss 3 Beispiele Wie komme ich von theoretischen Aussagen zu beobachtbaren Sachverhalten? Was ist ein Indikator? (von lat. Indicare = Anzeiger) Direkt messbarer Sachverhalt, der die Ausprägung eines nicht direkt beobachtbaren (=latenten) Sachverhaltes anzeigt. Ihre Funktionsweise wird durch Messvorschriften (=Korrespondenzregeln) begründet. Diese Vorschriften werden theoretisch begründet Allerdings kann eine Messregel auch falsch sein →Korrespondenzproblem Beispiele für Indikatoren Woher wissen Sie, ob ein Indikator misst, was er messen soll? 1. Theoriegeleitete Festlegung der Messung durch Korrespondenzregeln →Korrespondenzproblem 2. Empirische Prüfung der Messgenauigkeit →Basissatzproblem oder infiniter Regress Basissatzproblem Hypothesen gelten als falsifiziert, wenn sie nicht mit der Realität übereinstimmen. Hypothesen werden nie direkt durch Beobachtungen falsifiziert, sondern durch Aussagen über Beobachtungen. Aber auch Beobachtungsaussagen können falsch sein. Basissätze gelten daher qua Konvention. Poppers „Sumpflandmetapher“: „Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. (…) (S)ie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeiler sich von oben her in den Sumpf senken. (…) (W)enn man hofft, daß sie das Gebäude tragen werden, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen.“ Vergleich Basissatz- vs. Korrespondenzproblem Vorlesung 5: Sozialwissenschaftliches Messen Messen – Schematische Darstellung Was heißt Messen? 1. „Zuordnung von Zahlen zu Objekten nach bestimmten Regeln“ 2. „Eine Messung (…) ist eine strukturierte Abbildung“ Messen in den Sozialwissenschaften Die Welt ist das Resultat sozialen Handelns Quantitativ – menschliches Handeln messen: Erfolgt; nicht erfolgt (Prävalenz) Handlungsneigung ausgedrückt als Anzahl der Handlungen (Inzidenz) Qualitativ – menschliches Handeln interpretieren Sinn der Handlung rekonstruieren Handlungsintention retro-/prospektiv in Worte fassen Zentrale Begriffe Messen/Messung: regelgeleitete und strukturtreue Zuordnung von Zahlen zu →Merkmalen von Objekten Merkmal: Information, die für eine Untersuchungseinheit vorliegt Ausprägungen: mögliche →Werte, die ein →Merkmal aufweisen kann Wert: eine konkrete →Merkmalsausprägung Messung mit Einzelindikatoren Beispiele 1. (Untersuchungs-)Objekt: Frau Maria Mustermann Merkmal: Geschlecht mit den Ausprägungen: Mann/Frau Korrespondenzregel: Mann = 0/Frau = 1 2. Das Merkmal Parteipräferenz Ausprägungen: CDU, CSU, B‘90/ Grüne, Linke, etc. Korrespondenzregel: 1 (=CDU), 2 (=CSU), 3 (=SPD), 4 (=B‘90/Grüne), 5 (=Linke) … Zentrale Begriffe der Daten Daten: Informationen über die zu untersuchenden sozialen Tatbestände Variable: statistische Repräsentation der Merkmale als codierte Werte im Datensatz Variablenwerte: Repräsentation der Merkmalsausprägungen im Datensatz Skala: in der Messtheorie, eine Regel zur Zuordnung von numerischen zu empirischen Relationen 5 Mess-/Skalenniveaus Nominalskalen Ordinalskalen Metrische Skalen o Intervallskalen o Ratio-/Verhältnisskalen o Absolutskalen Merke: „Generell ist es sinnvoll auf dem höchstmöglichen Skalenniveau zu messen, da höhere Skalenniveaus immer mehr Informationen enthalten als niedrigere.“ Nominalskala Niedrigstes Messniveau „Die höheren Skalen besitzen die Eigenschaften aller niedrigeren Skalen.“ Nominalskalen unterscheiden die Ausprägungen von Merkmalen lediglich im Hinblick auf Gleichheit oder Ungleichheit. Alles, was sich benennen lässt Typische Beispiele o Geschlecht o Parteipräferenz/-identifikation o Haarfarbe o Religionszugehörigkeit Ordinalskalen mit Beispielen Daten werden Ränge oder Wertigkeiten zugewiesen. Aussagen, ob etwas größer oder kleiner, besser oder schlechter, mehr oder weniger akzeptabel als etwas anderes ist. Abstände zwischen den Ausprägungen bleiben offen, d.h. sie werden nicht festgelegt. Schulnoten (sehr gut, gut, …) Beurteilung der Temperatur (heiß, warm, kühl, etc.) Zustimmungstendenz (stimme … zu, teilweise zu, lehne … ab) Schulabschlüsse (ohne Abschluss, Hauptschule, Realschule, (Fach-)Abitur) As if: Quasi-metrische Skalen „In der sozialwissenschaftlichen Praxis wird auch der Begriff von quasi- bzw. pseudo- metrischen Variablen verwendet. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Merkmalsausprägungen einer Variablen den Ansprüchen des →metrischen Skalenniveaus zwar nicht gerecht werden, aber unter Vorbehalt wie ein solches behandelt werden. Ein Standardinstrument, das eine solche Sonderstellung einnimmt, ist die →Likert-Skala.“ Intervallskala Kann fest stehende Differenzen ausdrücken „Merkmale sind intervallskaliert, wenn deren Ausprägungen nicht nur eine Rangfolge (und damit auch die Unterschiedlichkeit) aufweisen, sondern auch Abstände zwischen Ausprägungen sinnvoll interpretiert werden können.“ Ratio- bzw. Verhältnisskalen Haben ein absoluter – d.h. natürlicher Nullpunkt, Der Verhältnisse (engl. Ratios) interpretierbar macht. o Ein 20 Jähriger ist halb so alt wie ein 40 Jähriger. o 300 K (=26,85°C) sind doppelt so warm wie 150 K (=-123,15°C). Beispiele: Alter in Jahren, Einkommen, Körpergewicht, oder Temperatur in (Grad) Kelvin „künstliche“ Einheiten – z.B. Einkommen (bis 17.12.2002: DM & Pfennig – heute: € & Cent) Absolutskala Alle Zählvariablen „Absolutskalen besitzen zusätzlich zu den bisher diskutierten Eigenschaften der anderen Skalen eine natürliche Skaleneinheit.“ Anders als bei Intervall- oder Ratioskalen sind keine Maßeinheiten (m, kg, °C, $, €, K o.ä.) nötig, sondern alle Messwerte sind direkt interpretierbar. Beispiele: Anzahl von Bürgerkriegen, Semestern oder Kindern Übersicht Variablen und Skalenniveaus Guttman Skala Messverfahren, mit dem Einstellungen gemessen werden können, z.B. gegenüber Personen, Personengruppen, Verhaltensweisen, etc. Befragten werden Aussagen (→“Items“) vorgelegt, die sie bejahen oder verneinen sollen (→binäre Messung) Es wird angenommen, die Aussagen können in eine Reihenfolge gebracht werden, die abgestufte Auffassungen gegenüber dem Objekt ausdrücken Auch wird angenommen, dass ein Befragter, der einer Aussage zustimmt, dies auch bei allen vorigen getan hat Beide Annahmen werden mit Guttmans Reproduzierbarkeitskoeffizienten (CR) geprüft: Für akzeptable Guttman-Skalen gilt: Struktur einer 3er Guttmann Skala Rating-Verfahren Beurteilung von Merkmalen Auf einer Skala, wird die Intensität der Beurteilung von Merkmalen bzw. der Zustimmung zu Aussagen über Untersuchungsobjekte erfasst Streitpunkt: gerade vs. Ungerade Skalen „Werden hier nur drei oder vier Abstufungen vorgenommen, betrachtet man die Ratingskala meist als ordinale Messung, während bei fünf und mehr annähernd gleichabständigen Stufen auf der Ratingskala heute oft Intervallskalenniveau zugrunde gelegt wird.“ →Pseudometrik der Likert-Technik Likert-Technik Alle ordinal gemessen Itemwerte werden zu einem Summenindex aufaddiert (und ggf. gewichtet). Darum gilt die Likert-Skala als quasimetrisch. Antwortkategorien der Likert-Technik Typische Gütekriterien: Itemschwierigkeit Trennschärfe Interne Konsistenz = durchschnittliche Korrelation zwischen allen Einzelitems Semantisches Differential Weitere Anwendung des Ratingverfahrens Einstellungsmessung uzum Image von Objekten, Personen, etc. Ranking-Verfahren Auch Rangreihenverfahren Globale Beurteilung von Objekten nach individuellen Präferenzen Sortieren der Objekte in einer Präferenzordnung Beispiel: Inglehart-Index Inglehart-Index – Anwendung des Rankingverfahrens „Auch in der Politik kann man nicht alles auf einmal haben. Auf dieser Liste finden Sie einige Ziele, die man in der Politik verfolgen kann. Wenn Sie zwischen diesen verschiedenen Zielen wählen müssten, welches Ziel erschiene Ihnen persönlich am wichtigsten? Und welches Ziel erschiene Ihnen am zweitwichtigsten?“ A. Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung (materialistisch) B. Mehr Einfluss der Bürger auf die Entscheidungen der Regierung (post-materialist.) C. Kampf gegen die steigenden Preise (materialistisch) D. Schutz des Rechts auf freie Meinungsäußerung (post-materialistisch) Unter der Annahme, dass die Befragten alle Ziele ordnen können und auch kein Rang mehrfach vergeben wird, können alle Befragten in vier Typen unterteilt werden: Reine Materialisten =1. Rang Ziel A oder C und 2. Rang Ziel C oder A Eher Materialisten =1. Rang Ziel A oder C und 2. Rang Ziel B oder D Eher Postmaterialisten =1. Rang Ziel B oder D und 2. Rang Ziel A oder C Reine Postmaterialisten =1. Rang Ziel B oder D und 2. Rang Ziel D oder B Lektion 6: Auswahlverfahren & Stichproben Übersicht: Auswahlverfahren Gelegenheitsstichprobe Auch Gelegenheitsstichprobe (engl. „conveniance Samples“) Ist für wissenschaftliche Zwecke wertlos Beispiele: Straßenumfragen, Leser-, Zuhörer-/Zuschauerbefragungen oder Televoting „Auswahl aufs Geradewohl“ Vollerhebung oder Stichprobe? Zufallsauswahlverfahren Einfache Zufallsstichproben Mehrstufige Zufallsauswahlen (Kombination mehrerer einfachen Zufallsauswahlen) Geschichtete Zufallsstichproben (Kombination aus Zufalls- und bewussten Auswahlen) Klumpenstichproben (Kombination aus Zufallswahl und Vollerhebung) Einfache Zufallsauswahl Jedes Element der Grundgesamtheit hat die gleiche Wahrscheinlichkeit (p>0), in die Stichprobe zu gelangen. Basismodell jeder statistischen Hochrechnungen! Zweistufige Zufallsauswahl Mehrstufige Auswahlen Zufallsauswahlen können beliebig oft gestuft werden! Geschichtete Zufallsauswahl Für Kontext- und Mehrebenenanalysen Formen der Schichtung Klumpenstichprobe Einfache Zufallsauswahl von Subgruppen (Klumpen), die mehrere Untersuchungseinheiten umfassen (z.B. Niederlassungen eines Konzerns, Schulklassen, etc.) Anschließend: Vollerhebung in der/den Subgruppe(n) Repräsentativität – ein schwieriges Gütekriterium „Eine Stichprobe ist dann repräsentativ, wenn ihre Ergebnisse ohne systematischen Fehler auf die Grundgesamtheit hochgerechnet werden können“ Externe Validität: wie gut kann vom empirischen Ergebnis auf einen Populationswert hochgerechnet werden Döring und Bortz unterschieden merkmalsspezifische vs. Global-repräsentative Stichproben. Merkmalsspezifisch-repräsentativ Die Stichprobe entspricht der Population hinsichtlich ausgewählter Merkmale. Dies wird meist durch eine nicht-zufällige →Quotenstichprobe erreicht. Global-repräsentativ Die Stichprobe entspricht in allen Merkmalen der Grundgesamtheit. Das ist NUR durch große einfache Zufallsstichproben erreichbar. Globale Repräsentativität ist daher mit dem Prinzip der einfachen Zufallsauswahl identisch und als Begriff somit überflüssig. Quotenstichprobe Quotenstichproben sind KEINE Zufallsauswahlen! Vergleiche in der Politikwissenschaft Die UNO erkennt weltweit 195 Staaten an 193 davon sind auch UN-Mitglieder (Ausnahmen: Vatikan und Palästina) Deshalb sind Studien in den IB oder in der vergleichenden Politikwissenschaft auf mittlere (10