Empirische Erziehungswissenschaft I PDF
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Rupert Mattig
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Summary
These lecture notes cover fundamental aspects of empirical educational science, examining historical contexts and methodologies. It explores the role of social sciences in educational research, highlighting key concepts and figures. The document delves into different approaches to educational research, emphasizing the importance of clear language and the application of scientific methods in the field.
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PROF. DR. RUPRECHT MATTIG EINFÜHRUNG IN DIE ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT UND IHRE THEORIEGESCHICHTE GRUNDBEGRIFFE DER ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT DIE EMPIRISCHE ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT I HISTORISCHE EINORDNUNG UND METHODOLOGISCHE GRUNDLAGEN Die Empirische Erziehungswissen...
PROF. DR. RUPRECHT MATTIG EINFÜHRUNG IN DIE ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT UND IHRE THEORIEGESCHICHTE GRUNDBEGRIFFE DER ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT DIE EMPIRISCHE ERZIEHUNGSWISSENSCHAFT I HISTORISCHE EINORDNUNG UND METHODOLOGISCHE GRUNDLAGEN Die Empirische Erziehungswissenschaft 2 Historischer Hintergrund: Gesellschaftliche Debatten in der BRD: „Sputnik-Schock“ (1957); „Deutsche Bildungskatastrophe“ (Georg Picht 1964); Hinweise auf Bildungsbenachteiligung: Schlagwort vom „Katholischen Arbeitermädchen vom Lande“. Politische Forderung nach Verbesserung des Bildungswesens. Seit ca. 1960er Jahren Kritik an Geisteswissenschaftlicher Pädagogik; Forderung nach einer „realistischen Wendung in der pädagogischen Forschung“ (Heinrich Roth 1963). Exkurs: Zur Pädagogik im Nationalsozialismus Zur Zeit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten waren viele Vertreter geisteswissenschaftlicher Pädagogik Universitätsprofessoren; Von 1933 bis 1945 herrschte an deutschen Universitäten ein ideologisches Verständnis von Pädagogik vor: „Das Ende wissenschaftlicher Pädagogik war damit besiegelt“ (Benner/Brüggen 2011). Im angelsächsischen Bereich machte die empirisch-pädagogische Forschung in dieser Zeit große Fortschritte; Mit Bezug auf Soziologie und Psychologie. Die Pädagogik in Deutschland verlor den Anschluss an diese Entwicklung. Erst nach dem Krieg und besonders seit den 1960er Jahren wurde (wieder) an internationale Forschungen angeknüpft. Die Empirische Erziehungswissenschaft 4 Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft Erziehungswissenschaft wird hier als empirische Sozialwissenschaft entworfen. Orientierung an der Naturwissenschaft: Naturwissenschaft: Erforschung von natürlichen Gesetzmäßigkeiten; Sozialwissenschaft: Erforschung von sozialen Regelhaftigkeiten. Grundgedanke: Erkenntnis geht von der Erfahrung des sinnlich Gegebenen aus. („Empirie“ von griech. empeiria = Erfahrung, erfahrungsgemäß.) Die Empirische Erziehungswissenschaft 5 Erziehungswissenschaft als Sozialwissenschaft Ansätze in den Sozialwissenschaften: Zwei verschiedene methodische Ansätze: Quantitative Forschung (v.a. statistisch, an der Überprüfung von Hypothesen interessiert); Qualitative Forschung (v.a. deskriptiv, an der Generierung neuer Hypothesen interessiert). In der Erziehungswissenschaft wurde zunächst der quantitative Ansatz aufgenommen; Der qualitative Ansatz erhielt erst ab den 1980er Jahren vermehrte Aufmerksamkeit. Die Empirische Erziehungswissenschaft 6 Definition der empirischen Bildungsforschung „Die Empirische Bildungsforschung untersucht die Bildungsrealität in einer Gesellschaft, wobei der Schwerpunkt auf der institutionalisierten Bildung liegt. Bildungsforschung fragt im Kern, wie Bildungsprozesse verlaufen, wer welche Qualifikationen und Kompetenzen im Bildungssystem erwirbt, wovon dieser Qualifikations- und Kompetenzerwerb abhängig ist, und welche Auswirkungen er hat“ (Cornelia Gräsel 2011). Es geht nicht um das Verstehen des „Geistes“ von Texten (wie in der Geisteswiss. Pädagogik), sondern um Aussagen über die pädagogische „Realität“. Ziel: „Verbesserung des Bildungswesens“ (ebd.) (insbesondere in Hinsicht auf Chancengleichheit). Die Empirische Erziehungswissenschaft 7 Erziehungswissenschaftliches Wissen nach Brezinka Erziehungswissenschaftliches Wissen hat die Form von Hypothesen über die pädagogische Wirklichkeit. Aufgaben dieses Wissens: Erklärungen; Prognosen; Technologische Lösungen. Die Empirische Erziehungswissenschaft 8 Erziehungswissenschaftliches Wissen nach Brezinka Zur Sprache in der Erziehungswissenschaft Nach Brezinka ist die Verwendung einer präzisen Sprache notwendig: „Eine wesentliche Voraussetzung für die klare Formulierung von wissenschaftlichen Fragen wie für die Prüfung von Hypothesen sind scharfe Begriffe. Beobachtungen und Experimente nützen wenig, solange man nur unklare Vorstellungen davon hat, was man sucht“ (Brezinka 1975). Sprache kann drei Funktionen haben: 1. informativ, 2. präskriptiv (normativ) und 3. emotiv. „Für wissenschaftliche Sätze und Satzsysteme ist es charakteristisch, daß sie in einer Sprache formuliert werden, die nur einem einzigen Zweck dient: der Information, der Darstellung von Gegenständen, der Mitteilung von Sachverhalten. Die Sätze der Wissenschaft haben einen informativen Gehalt. Sie können wahr oder falsch sein“ (Brezinka 1975). Die Empirische Erziehungswissenschaft 9 Erziehungswissenschaftliches Wissen nach Brezinka Brezinkas Vorwurf gegenüber der „Geisteswissenschaftlichen Pädagogik“: Ihre Sprache vermischt oft die drei Funktionen; So arbeitet sie z.B. auch mit normativen pädagogischen Schlagworten wie: „Erziehung vom Kinde aus“; „Erziehung zur Kreativität“; Viele Worte haben zudem einen emotiven Charakter, z.B.: „Autorität“; „Leistung“; „Humanität“; „Persönlichkeit“, etc. Brezinka: Die erziehungswissenschaftliche Sprache muss von präskriptiven und emotiven Gehalten befreit werden. Die Empirische Erziehungswissenschaft 10 Erziehungswissenschaftliches Wissen nach Brezinka Regeln zur Definition von wissenschaftlichen Begriffen 1. Begriffe einer Art dürfen sich nicht überschneiden (so müssen z.B. „Erziehung“ und „Politik“ klar voneinander abgegrenzt sein); 2. Begriffsdefinitionen dürfen nicht zirkulär sein („Erziehung“ sollte z.B. nicht als „planmäßige Tätigkeit, durch welche Erwachsene das Seelenleben von Heranwachsenden zu bilden suchen“ (Dilthey 1961) erklärt werden); 3. Die Begriffe, durch die ein Terminus erklärt werden soll, dürfen nicht unklarer sein als der zu definierende Terminus (z.B. sollte „Erziehung“ nicht als „die Freigabe des Menschen auf seine Menschlichkeit“ (Theodor Ballauf 1962) definiert werden); 4. Eine Definition sollte möglichst keine negativen Termini haben („Mündigkeit“ darf z.B. nicht als „Freisein von Unmündigkeit“ definiert werden). Die Empirische Erziehungswissenschaft 11 „Erziehung“ nach Brezinka Brezinkas Begriff der Erziehung muss vor dem genannten Hintergrund verstanden werden: „[E]rzieherische Handlungen sind Handlungen, durch die versucht wird, Menschen eine bestimmte Form zu geben“ (Brezinka 1975). „Die Verfassung, die der Erzieher im Educanden hervorbringen will, ist eine bestimmte Verfassung der Persönlichkeit. Er will dazu beitragen, daß der Educand bestimmte Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse, Einstellungen, Haltungen, Gesinnungen oder Überzeugungen erwirbt und beibehält“ (Brezinka 1978). Deskriptiver Erziehungsbegriff dient zur empirischen Beschreibung und Untersuchung erzieherischer Handlungen. verzichtet auf präskriptive/normative sowie emotive Aussagen. Die Empirische Erziehungswissenschaft 12 Aktuelle Beispielstudien aus dem Kontext der empirischen Erziehungswissenschaft: PISA-Studie (seit 2000) – Kompetenzen 15-jähriger werden international vergleichend erfasst; IGLU-Studie („Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“) International vergleichende Untersuchung des Leseverständnisses von Schülern der vierten Jahrgangsstufe; TIMSS-Studie (Trends in International Mathematics and Science Study) (seit 1995) in Mathematik und Naturwissenschaft in Grundschule, Sek I und Sek II. VERA (VERgleichsArbeiten) (seit 2004) Lernstandserhebungen in Klasse 3 und 8 in allen Bundesländern. Die Empirische Erziehungswissenschaft 13 Literatur: Koller, Hans-Christoph (2012) Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Eine Einführung. 6. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer, S. 179-195. Koller, Hans-Christoph (2012) Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Eine Einführung. 6. Aufl., Stuttgart: Kohlhammer, S. 48-55. Weiterführende Literatur: Brezinka, Wolfgang (1975) Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft. Analyse, Kritik, Vorschläge. München/Basel, S. 11-33. Reinders, Heinz; Ditton, Hartmut; Gräsel, Cornelia; Gniewosz, Burkhard (2011) Empirische Bildungsforschung: Strukturen und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag. Böhm-Kasper; Oliver; Schuchart, Claudia; Weishaupt, Horst (2009) Quantitative Methoden in der Erziehungswissenschaft. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.