Klinische Kinder- und Jugendpsychologie - Epidemiologie psychischer Störungen - PDF
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Das Dokument beschreibt die Epidemiologie psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Es umfasst deskriptive und analytische Epidemiologie, Studiendesigns, Massnahmen zur Bestimmung der Auftretenshäufigkeit wie Prävalenz und Inzidenz sowie den Verlauf von psychischen Störungen. Die Informationen scheinen für Studierende der klinischen Kinder- und Jugendpsychologie gedacht zu sein.
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KLINISCHE KINDER UND JUGENDPSYCHOLOGIE: VL 2 Literatur: Petermann, S.46-52 EPIDEMIOLOGIE PSYCHISCHER STÖRUNGEN 2.1 Epidemiologische Massnahmen - Deskriptive Epidemiologie: Ziel ist Einschätzung von Häufigkeit & natürlichem Verlauf psych. KH in der Bevölkerung und ihren versch. Gruppen...
KLINISCHE KINDER UND JUGENDPSYCHOLOGIE: VL 2 Literatur: Petermann, S.46-52 EPIDEMIOLOGIE PSYCHISCHER STÖRUNGEN 2.1 Epidemiologische Massnahmen - Deskriptive Epidemiologie: Ziel ist Einschätzung von Häufigkeit & natürlichem Verlauf psych. KH in der Bevölkerung und ihren versch. Gruppen - Analytische Epidemiologie: risikoerhöhenden, aufrechterhaltenden, protektive Faktoren identifizieren - Epidemiologie zur Identifikation von Ursachen von KH zur Anwendung in der Gesundheitsplanung - Starke Unterversorgung in Kinder-und Jugendpsychiatrie/-psychologie für institutionellen und privaten Sektor - Zürich: Wegen Platzmangel kommen ½ Jugendliche in Erwachsenenpsychiatrie Studientypen: - Querschnittsstudien: 1 Messzeitpunkt = Momentaufnahme - Längsschnittstudien: mehrere MZ's = Erfassung vom Verlauf KH Masse zur Bestimmung der Auftretenshäufigkeit psych. Störungen: - Prävalenz: Alle Fälle innert definiertem Zeitraum - Prävalenz: % von Individuen einer Population mit KH = Personen mit KH/Alle Personen - Inzidenz: Anzahl neue Fälle einer Population innert definiertem Zeitraum = Mass für Häufigkeit des Neuauftretens einer psych. Störung in bestimmtem Zeitraum, unabhängig davon, ob KH am Stichtag noch besteht - Inzidenzraten bei 1.3 Mill. Kindern: 15.01% Diagnose psych. KH vor dem 18. LJ (m: 15%, w: 14%), 2.31% vor 6. LJ - Punkt-Prävalenz: Häufigkeit in Gruppe zu einem Zeitpunkt - Bei psych. Störungen im Kindes-und Jugendalter: 13-21% - Perioden-Prävalenz: Häufigkeit in bestimmter Zeitperiode (z.B. Jahresprävalenz) - Administrative Prävalenz: Häufigkeit mit der psych. KH in Institutionen registriert werden (z.B. Krankenkasse) - Verlauf von psych. KH in Epidemiologie: Stabilität/Persistenz, Fluktuation der Symptome, Genesung, Wiedererkrankung an KH Epidemiologie bei Kindern und Jugendlichen: - Bis zum 13. LJ: Höhere Gesamtprävalenz Jungs (geistige Behinderung, Autismus, Entwicklungsstörungen) - Männliche Kinder und Jugendliche: ADHS, Störungen Sozialverhalten, Störungen Substanzmissbrauch, Tics, Enuresis - Weibliche Kinder: Essstörungen, psychosomatische Störungen - Depression: Schulalter häufiger bei Jungs, Jugendalter und früh Erwachsen bei Mädchen - Ängste: Bis zum Jugendalter gleich m-w, dann Zunahme bei w Epidemiologie Kinder/Jugend -\> Erwachsenenalter - 60% auch Erwachsen psych. KH, unter 6 Monate 50% keine spätere psych. KH - Lange Dauer psych. Störung in Adoleszenz = stärkster Prädiktor - Reduktion adoleszenter Störungen v.a. in späten 20ern - Wichtig sind also: Interventionen zur Verkürzung der Krankheitsdauer Risikomasse analytische Epidemiologie: - Relatives Risiko: Gibt Faktor an, um den die Prävalenzrate einer KH erhöht ist, wenn eine bestimmte Bedingung gegeben ist, im Vergleich zur PR, wenn Bedingung nicht vorliegt. - RR = 4 -\> Person in Bedingung hat 4x höheres Risiko an KH zu erkranken - Ursache noch nicht identifizierbar, nur Hinweis - Odds Ratio: Verallgemeinerung des RR 2.2 Prävalenz psych. Störungen Übersicht Costello: - 45% der Kinder erfüllen Kriterien für psych. KH - Prävalenz liegt jedoch zwischen 3-18%, Median bei 12% - Bei der Bestimmung von Prävalenzen werden die Funktionseinschränkungen nicht berücksichtigt, die nach Klassifikation bei vielen Störungen vorliegen müssen, damit Diagnose gestellt wird - Berücksichtigung führt zu starker Reduktion der Prävalenzrate, noch stärker, wenn psychosoziale Beeinträchtigung zugrunde liegt - Im Median treten am häufigsten auf: Angststörungen \> externale/disruptive Störungen (AD(H)S) und Störungen des Sozialverhaltens und Depression, Substanzmissbrauch Warum variieren Prävalenzen so stark? - Komplex: Abhängigkeit vom - Studien: oft nicht nur Bewertung von Symptomerfüllung einer Störung sondern auch globales -- und psychosoziales Funktionsniveau - Unterschiedliche Möglichkeiten zur Definition des Schweregrades einer KH - Entscheidend, welche Informationsquellen (Eltern, Lehrer\*innen, etc.) als Basis für Einschätzung sind. Prävalenz geringer, wenn alle/mehrere Einschätzungen übereinstimmen müssen. - Systematische Verzerrungen: Bei internalisierenden Störungen werden Kinder befragt, bei externalisierenden eher die Eltern - Fehlereinschätzungen: Grossteil der Betroffenen liegt nur knapp über diagnostischer Schwelle - Reanalysen zeigen: Geringere Prävalenzen resultieren, wenn neben diagnostischen Kriterien auch nach globalem und/oder diagnosespez. psychosoz. Funktionsniveau bewertet wird Kategoriale Systeme: - Störungen als diskrete Einheiten - DSM, ICD Multiaxiale Klassifikation: - KH auf mehreren Achsen, auch medizinische Faktoren oder psychosoziales Funktionsniveau wird beurteilt - Störungen des Erwachsenenalters können auch auf Kinder und Jugendliche angewendet werden Komorbidität: - Gleichzeitiges Auftreten psych. Störung, solang nicht differenzialdiagnostisch ausschliessbar Dimensionale Systeme: - Empirisch gewonnene Dimensionen also Grundlage für psych. KH - Psych. KH als kontinuierliche Merkmale - Optimalerweise sollte dimensional und kategorial kombiniert werden Verständnisfragen: 1. Unterschied kategorial/dimensional a. Kategoriale Klassifikation: Psychische Störungen als diskrete, abgrenzbare Einheiten b. Dimensionale Klassifikation: Psych. KH. als kontinuierliche Merkmale 2. Welche Kriterien können für Diagnose berücksichtigt werden? a. Globales Funktionsniveau, psychosoziales Funktionsniveau, Symptomatik für Kriterien einer psych. KH. VL 3: KLASSIFIKATION Unterkapitel 1. Klassifikation Klassifikation psychischer Störungen Unterscheidung «psych. Normal» vs. «psych. gestört» unterliegt versch. Normbegriffen - Ideale Norm = beschwerdefreies Leben - Soziale Norm = Leben entspricht sozialen Erwartungen - Statistische Norm = Person gehört Mehrheit aller Personen an - Funktionelle Norm = Person kann ihre Aufgabe erfüllen Unterscheidung von 2 Ansätzen der Klassifikation Kategorial: - Psych. KH als diskrete, voneinander abgrenzbare Krankheitseinheiten - ICD und DSM Dimensional: - Stabile psych. Merkmale, die in ihrer Intensität kontinuierlich variieren können - Basieren auf methodischen Grundlage der Psychometrie und multivariater statistischer Verfahren - Klassifikation psych. Auffälligkeiten anhand empirisch gewonnener Dimensionen - Kontinuierlich verteilte Merkmale, bestimmter Prozentsatz von Auffälligkeiten -\> Dimensionen DSM-5: - Psych., biolog. Oder Entwicklungsprozesse - Zentral: Klinisch bedeutsamer Leidensdruck oder Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveau oder Partizipationsfähigkeit des Kind/Teenie 1. Kategoriale Klassifikation psych. Störungen Kriterien für Diagnose: - Vorliegen von Symptomen, bestimmte Mindestzahl von Symptomen - Häufig Zusatzkriterium der klinischen Bedeutsamkeit = klinisches Leiden - Ausschlusskriterien, die nicht zutreffen dürfen = differenzialdiagnostische Abgrenzung - Beginn, Verlauf Symptome teilweise - Selten: ätiologische Faktoren zur Entwicklung der Symptome Ätiologische Konzepte - Früher häufig angewendet, heute weniger weil nicht gesichert - Nur bei gesicherter Pathogenese, z.B. Störungen bedingt durch Alkohol Leitlinien und Forschungskriterien ICD-10 - Umfassende Beschreibung der Störungen - Viel Spielraum für Diagnostiker - Forschungskriterien streng und eindeutig operationalisierte Kriterien - Häufige Übereinstimmung Formulierungen DSM-5 und ICD-10-Forschungskriterien Hauptkategorien ICD-10 - F8 und F9: Störungen mit Beginn im Kindes-und Jugendalter - Auch andere Störungen für KJ übertragbar, z.b. Essstörungen oder Depression = hier gleiche Kriterien für Erwachsene - Angst und depressive Störungen ergänzende spezifische Kriterien Entwicklungsstörungen ICD-10 - Beginn im Kleinkindalter oder Kindheit - Einschränkung oder Verzögerung der Entwicklung von Funktionen liegt vor, eng verknüpft mit biologischer Reifung ZNS - Stetiger Verlauf ohne für psych. KH sonst typischen Remissionen (Rückgang Symptomatik) und Rezidive (Rückfälle) Gleiche Bezeichnungen der Diagnosen ICD 10 und DSM-5: - Expressive Sprachstörung - Rechenstörung - Tiefgreifende Entwicklungsstörungen - Atypischer Autismus -\> gibt's nur im ICD-10 - Überaktive Störung mit IQ-Minderung und Bewegungsstereotypien -\> gibt's auch nur im ICD-10 ICD-10: häufig gemeinsame Störungen -\> Kombinationsdiagnose DSM-5: kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung (ICD-10), DSM-5 Mehrfachdiagnosen notwendig Unterschiede (trotz grosser Übereinstimmung) - ADHS: im DSM-5 unterteilt in Subtypen, im ICD-10 nicht - Störungen des Sozialverhaltens: stärkere Differenzierung in Subkategorien im ICD-10 als im DSM-5 - DSM-5: keine Kategorie für emotionale Störungen ausser Trennungsangst - Versch. Angststörungen: im DSM unter den allgemeinen Diagnosen für Angststörungen klassifiziert Veränderungen im DSM-5 1. Aufgabe der DSM-5-Kategorie für Kinder und Jugendliche - KKJP-Störungen werden in neue Hauptkategorien integriert 2. Störungen der neuropsych. Entwicklung - Enthalten: - Intelligenzminderung (=Intelligenzentwicklungsstörungen - Entwicklungsstörungen - Autismus-Spektrum-Störungen (früher autistischer Formenkreis) - ADHS - Tic-Störungen - Betonung: enge Verbindung zur neuronalen Entwicklung 3. Neue Schweregraddefinition - Für Intelligenzentwicklungsstörungen werden neue Schweregradkriterien eingeführt 4. Autismus-Spektrum-Störungen - Autistischer Formenkreis -\> eine einzige Diagnosekategorie 5. Motorische Störungen - Tic- und Tourette-Störungen - Entwicklungskoordinationsstörungen - Stereotype Bewegungsstörungen 6. Neuzuordnung anderer Störungen - Trennungsangst: Eingliederung in Angststörungen - Bindungsstörungen: Eingliederung in Trauma-und belastungsbezogene Störungen 7. Altersbezogene Spezifikationen - Altersübergreifende Diagnosekategorien mit spez. Kriterien für Kinder: - Soziale Angststörung - Spezifische Phobien - Beispiele: Kinder zeigen Angst durch Schreie, Wutausbrüche, Klammern 8. Einführung neuer Störungen: - Disruptive Stimmungsregulationsstörung (disruptive mood regulation disorder - Häufige Wutausbrüche und Stimmungslabilität - Änderungen verdeutlichen Fokus vom DSM-5 auf die Anpassung und Differenzierung der Diagnostik für versch. Altersgruppen Multiaxiale Klassifikation nach DSM-5 und ICD-10 1. Grundstruktur - Psych. Störungen und relevante Faktoren werden auf verschiedenen Achsen klassifiziert 2. Bespiel multiaxialer Klassifikation (ICD-10) - 1: klinisch-psych. Syndrom - 2: Umschrieben Entwicklungsstörung - 3: Körperliche Symptomatik - 4: Assoziierte psychosoziale Umstände - 5\. Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung 3. Zusammenhänge von medizinischen Faktoren und psych. Störungen - Medizinische Faktoren sind relevant für Entwicklung und Verständnis psych. Störungen, ohne zwingende Kausalitätsannahme - Direkte Ursache, Zusammenhang zur Entwicklung, Bedeutung für Behandlung 4. Psychosoziale und umgebungsbedingte Probleme - Psychosoziale Stressoren relevant - Globalbeurteilung des psychosozialen Funktionsniveaus anhand 9-10stufiger Skalen (gute Anpassung bis massive Beeinträchtigung) Komorbidität und Differenzialdiagnose in der kategorialen Klassifikation 1. Definition und Bedeutung Komorbidität 2. Statistische Kennziffern zur Bestimmung des Risikos - Odds ratio (OR): Risiko für das Auftreten einer zusätzlichen Störung quantifizieren - Odds ratio von 11 = 11x höheres Risiko fürs gleichzeitige Auftreten 3. Muster und Zusammenhänge von Komorbidität - Hohe Komorbiditätsraten häufiger zwischen: - Häufigen Störungen, z.B. Aggression und Depression - Ähnlichen Störungsbildern, z.B. Angststörungen und depressive Störungen - Methodische Probleme wie überschneidende diagnostische Kriterien -\> artifiziell hohe Komorbiditätsraten 4. Differenzialdiagnose zur Reduzierung überhöhter Komorbiditätsraten - Ausschlusskriterien - Prüfung ob: keine tiefgreifendere Störung vorliegt oder die Symptomatik besser durch andere Diagnose erklärt wird 5. Differenzialdiagnostische Abgrenzungen: ICD-10 und DSM-5 wird für jede Störung spezifische differenzialdiagnostische Kriterien formuliert, um genaue Zuordnung der Diagnose sicherzustellen Dimensionale Klassifikation psych. Störungen 1. Grundprinzip der dimensionalen Klassifikation - Kontinuierlich verteilte Merkmale - Multivariante Verfahren, Faktorenanalyse -\> Reduktion vieler Merkmale auf wenige Dimensionen - Fragebögen 2. ASEBA-System - 8 Dimensionen: - Internale Probleme: Rückzug/Depression, körperliche Beschwerden, Ängstlichkeit/Depression - Externale Probleme: Regelverletzendes Verhalten, aggressives Verhalten - Gemischte Probleme: Soziale Probleme, repetitives Verhalten/Schlafprobleme, Aufmerksamkeitsprobleme 3. Vorteile und Herausforderungen dimensionaler Klassifikation - Höherer Informationsgehalt, erfassen auch subklinische Ausprägungen - Bessere Reliabilität: Erhöhte Interrater-Reliabilität im Vergleich zu kategorialen Diagnosen - Verlaufsaspekte: Im Gegensatz zur kategorialen Diagnostik werden ätiologische und Verlaufsfaktoren weniger berücksichtigt 4. Vergleich kategoriale und dimensionale Diagnostik - Kategoriale Diagnostik: Festlegung klarer Grenzwerte, aber problematisch bei kontinuierlich verteilten Merkmalen - Dimensionale Diagnostik: Erfasst Symptome auf Kontinuum, jedoch komplexer in der praktischen Anwendung - Praktikabilität: Kategoriale Diagnosen sind oft leichter kommunizierbar - Kombination beider Ansätze: Empfohlen, da beide spezifische Vor-und Nachteile haben 5. Fazit: - Kombination: kann jeweiligen Schwächen der Ansätze ausgleichen - Empirische Studien zeigen zwar Konvergenz beider Ansätze, aber sie sind nicht völlig austauschbar VL 4: UMSCHRIEBENE ENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN Allgemeine Merkmale umschriebener Entwicklungsstörungen 1. Definition: Abweichungen in einem bestimmten Entwicklungsbereich (Sprache, Motorik, schulische Fertigkeiten) ohne allgemeine Intelligenzminderung oder sensorische Beeinträchtigung 2. Beginn: Kleinkind-oder Kindesalter 3. Verlauf: Stetig, ohne Rezidive oder Remissionen 4. Ursachen: Keine neurologischen Störungen, emotionale Probleme sind Folge, nicht Ursache Hauptarten 1. Sprach-und Sprechstörungen: Fehler in Lautbildung, Grammatik, Wortschatz, Sprachverständnis 2. Motorische Entwicklungsstörungen: Defizite in Fein-und Grobmotorik, wirken plump und unbeholfen 3. Lesestörungen: Fehlerhaftes Vorlesen, mangelndes Leseverständnis 4. Rechtschreibestörungen: Fehler bei Grossschreibung, Buchstabenvertauschungen/-auslassungen 5. Rechenstörung (Dyskalkulie): Schwierigkeiten mit Grundrechenarten, höhere mathematische Fertigkeiten bleiben unbetroffen Zentrale diagnostische Kriterien: 1. Normalitätsannahme: Normaler IQ, keine Sinnesbeeinträchtigung 2. Diskrepanzannahme: Unterschied zw. allgemeinem Leistungsniveau und spezifischen Leistungen Prävalenz und Verlauf: 1. Gesamthäufigkeit: 5-8% nach ICD-10 2. Sprachstörungen: variiert je nach Alter zw. 3-20% 3. Motorische Störungen: 5-6% 4. Lese-Rechtschreibestörung: 5-14%, 1% schwer betroffen 5. Nichtsprachliche Lernstörungen: keine gesicherten Prävalenzen Geschlechterunterschiede: Jungs häufiger betroffen als Mädchen Prävention und Intervention: 1. Interdisziplinäre Behandlung 2. Bedeutung von Prävention: frühzeitige Diagnostik durch Erkennung von Vorläuferstörungen + Präventionsprogramme im Vorschulalter 3. Förderung in spez. Bereichen: - Rechenstörungen: Förderung math. Basiskompetenzen - Visuelle Differenzierung, räumliches Vorstellen, Mengenerfassung, Zahlbegriff, etc. - Kurzfristige Erfolge direkt nach Vorschulprogrammen - Lesestörungen: Förderung phonologisches Bewusstsein - Lese-Rechtschreibestörung: Einfluss von Vorläuferfähigkeiten auf schulische Leistungen 4. Einflussfaktoren auf Entwicklung - Sozioökonomischer Status, häusliche Lernumgebung - Narrative Reviews verdeutlichen familiäre, schulische und umweltbezogene Faktoren 5. Kognitive Teilleistungsdefizite bei motorischen Entwicklungsstörungen: - Defizite in visueller Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis - Geringere Leistungen im Wechsler-Intelligenztest bei Kindern mit motorischen Entwicklungsstörungen VL 5: TIEFGREIFENDE ENTWICKLUNGSSTÖRUNGEN, KAPITEL 7 1. Grundlegende Merkmale - Angeboren, erworben in frühster Kindheit - Schwere Abweichung von normalem Entwicklungsverlauf - Keine Remissionen oder Rezidive - Eng verknüpft mit Reifung des ZNS 2. Definition ICD-10 - Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion und Kommunikation - Eingeschränktes, stereotypes und wiederholendes Repertoire and Interessen und Aktivitäten - Verhalten entspricht nicht dem IQ 3. Kernsymptome: - Beeinträchtigung zwischenmenschliche Beziehungen, verbale und nonverbale Kommunikation, beschränktes Aktivitäts-und Interessenrepertoire 4. Spektrum - Von geistiger Behinderung ohne Sprachentwicklung bis zu überdurchschnittlich begabten Personen mit gut entwickelter Sprache - Simultane und sukzessive Komorbiditäten möglich (z.B. Kombi mit anderen psych. Störungen) Aktuelle Klassifikation nach ICD-10 1. Erfasste Störungen nach ICD-10 - Frühkindlicher Autismus - Atypischer Autismus - Asperger-Syndrom - Rett-Syndrom - Desintegrative Störung des Kindesalters - Hyperkinetische Störung mit IQ-Minderung und Bewegungsstereotypien 2. Kriterien frühkindlicher Autismus - Manifestation vor 3. LJ - Auffälligkeiten in: - Funktionales oder symbolisches Spiel - Rezeptiver oder expressiver Sprache - Selektiver sozialer Zuordnung - Qualitative Auffälligkeiten in sozialer Interaktion - Mangel an sozial-emotionaler Gegenseitigkeit - Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzunehmen - Fehlender Blickkontakt, Mimik, Gestik in sozialen Interaktionen - Auffälligkeiten in Kommunikation - Verzögerte oder gestörte Sprachentwicklung - Stereotype und repetitive Sprachverwendung - Mangel an «als-ob»-Spielen oder sozialen Imitationsspielen - Repetitive und stereotype Verhaltensmuster - Intensive Beschäftigung mit begrenzten Interessen - Zwanghafte Anhänglichkeit an Rituale - Stereotype motorische Manierismen, z.B. Handbewegungen 3. Atypischer Autismus: - Nicht-Erfüllung aller Kriterien des frühkindlichen Autismus - Abweichungen nach 3. LJ 4. Kriterien für Asperger-Syndrom (ICD-10) - Keine Verzögerung der Sprach-oder kognitiven Entwicklung - Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen (wie beim Autismus) - Umschriebene, intensiv verfolgte Interessen oder repetitive Verhaltensmuster 5. High-Functioning Autismus - Frühkindliche Autismus mit guter intellektueller Begabung (IQ\>70) 6. Multiplex Developmental Disorder: - Nicht in ICD-10 oder DSM-5 - 3 Merkmalskomplexe: Beeinträchtigung der Affektregulation, des Kommunikations-und Sozialverhaltens sowie Denkstörungen - Auffälligkeiten erst späterer Beginn, weniger ausgeprägte Stereotypien und Empathieprobleme Überprüfung der Diagnosekriterien für tiefgehende Entwicklungsstörungen 1. Problem: - Mangelnde Unterscheidbarkeit zw. frühkindlichem Autismus, Asperger-Syndrom und andere tiefgreifenden Entwicklungsstörungen - Ziel: Überprüfung der üblichen Diagnosekriterien 2. Änderungsvorschläge (Alpha-Draft für ICD-11): - Zusammenfassung: Frühkindlicher Autismus, Asperger, desintegrative Störungen des Kindesalters, nicht näher spezifizierte Entwicklungsstörungen werden in einer Kategorie zusammengefasst - Kategorie: Autismus-Spektrum-Störungen, unter entwicklungsneurologischen Störungen 3. Neue Diagnosekriterien - Zwei Symptomgruppen: - Kontextunabhängige qualitative Defizite in sozialer Kommunikation und Interaktion. - Eingeschränkte, sich wiederholende Verhaltensmuster, Interessen oder Tätigkeiten. 4. Begründung des Vorschlags: - Kombination von Kommunikation und Sozialverhalten: weil eng miteinander verbunden - Sprachstörungen: sind nicht zwingend nötig für die Diagnose - Lockerung vom Kriterium C -- Frühkindliches Auftreten: muss kein starres Auftretenalter vorliegen, die Symptomatik sollte erst sichtbar werden, wenn betreffende Funktion entwicklungsgemäss beherrscht werden sollte 5. Ergebnisse der Überprüfung durch Frazier et al. - Vergleich von Diagnosemethoden: Kombination aus kategorialer Diagnose und zwei Subdimensionen zeigt höhere Spezifität bei fast gleicher Sensitivität - Ergebnis: Reduktion von falsch-positiven Diagnosen, was besonders für eine frühe Diagnosestellung von Bedeutung ist 6. Beurteilung der Krankheitswertigkeit von ASS - Kriterium D: KHW wird durch Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen bestimmt - Änderung der Ausprägung: Der bisherige Kategorieansatz wird durch dreistufige Beurteilung der Symptomatik in beiden Dimensionen ersetzt 7. Dreistufige Beurteilung der Schweregrade (Tabelle) - Niveau 3 (Verlangt sehr intensive Unterstützung) - Soziale Kommunikation - Repetitives Verhalten - Niveau 2 (verlangt wesentliche Unterstützung) - Niveau 1 (verlangt Unterstützung) Epidemiologie und Verlauf 1. Prävalenz: ist gestiegen von 0.04% auf 0.65 -\> Veränderung in Erhebungsmethodik und Falldefinition 2. Korrelation: Prävalenzraten steigen mit der Sensibilität der Diagnosetools und dem Umfang der Stichproben. Neuere Erhebungen -\> beinhalten zunehmend leichtere Störungsbilder 3. Intelligenz: Anteil Personen mit IQ-Minderung hat abgenommen 4. Inzidenz: derzeit keine Studien 5. Geschlechterverhältnis für alle tiefgreifenden ES: 4,3:1 6. Echte simultane Komorbiditäten (sukzessive Komorbiditäten): Überzufällig häufig assoziiert treten Intelligenzminderungen, Aktivitäts-und Aufmerksamkeitsstörungen und hirnorganische bzw. Systemerkrankungen auf. Verlauf: 1. Verlauf ins Erwachsenenalter ist unzureichend untersucht. - Besonders Verbesserungen bei Adoleszenten = soziale reziproke Interaktion - Erwachsene = Verbesserung repetitives, ritualisiertes, stereotypes Verhalten - Veränderungen Sprache - Geringe Symptomverbesserung «Freundschaften haben» 2. Systematische Längsschnittstudien Autismus - Selten - Kleine und heterogene Stichproben - Prognostische Kriterien im Alter von 6LJ: IQ, Sprache, Schweregrad, Dauer der Echolaliephase, Spielverhalten, Schulerfolg - Verhinderung Depression - Übersichtsarbeit: - Asperger und High-Functioning Autismus: 5-44% Arbeit , 16-50% selbständig lebend - «Guter Verlauf» 16-44% - 53% geistig Behinderte AP in Werkstätten - 19% normal Begabten mit Tätigkeit auf dem freien Arbeitsmarkt - Sprachdefizite - Müssen nicht von Geburt an bestehen, kann auch im 2. Oder 3. LJ entstehen - Qualitative Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion -\> sozialer Rückzug - Rett-Syndrom = progrediente demenzielle Prozesse - Erhöhte Mortalität - Intelligenzminderung - Epilepsie - Weibliches Geschlecht - Todesursachen: Unfälle, Selbstverletzung, Folgen des Anfallleidens - Nächsthöchste sukzessive Komorbidität = depressive Störung (20-40%) - Jugendalter: Störungen der Sexualpräferenz - Delikte = selten oder einmalig - Angaben zum Substanzkonsum fehlen - Lebensqualität: kaum untersucht, niedrige LQ im vgl. zu gesunden Individuen. Ausprägung LQ im Zusammenhang mit Alltagsfertigkeiten Diagnostik und Differenzialdiagnostik Diagnostik: - Früherkennung = wichtig, zu früher Förderung Sprache und Sozialverhalten - Ausgenommen: Rett-Syndrom, Desintegrative Störung des Kindesalter (demenzielle Prozesse -\> ungünstige Prognose) - Frühkindlicher Autismus: sicher erkennbar mit 18 Lebensmonaten, durchschnittlich registrieren Eltern im 3. LJ, bei Asperger 4-6.LJ, häufig erst in der Schule - Diagnostik - Screening-Fragebögen - Fragebogen zu Sozialer Kommunikation - Asperger: Australian Scale for Asperger-Syndrome, AMrkburger Beruteilungsskala (kann auch für High-Functioning Autismus angewendet werden) - Kleinkindalter: Checklist for Autism Toddlers - Strukturierte Interviews - Mit Eltern: Autismus Diagnostisches Interview - SEAS-M: Unterscheidung tiefgreifende ES, nicht näher bezeichnet und geistige Behinderung - Standardisierte Verhaltensbeobachtung: - Erfasst Kommunikation, soziale Interaktion, Spielverhalten, Fantasiespiel mit Gegenständen - Beobachtungsinventar aus 4 Modulen, geeignet für Kinder und Erwachsene unterschiedlicher Entwicklungsniveaus und sprachlicher Entwicklungsstufen - Neben autistischer Symptomatik: Beurteilung kognitive Fähigkeiten - Sprachlcihe EInschärnkungen verfälschen oft Ergebnisse - IQ-Test deshalb schwierig - Min. Einschätzung des Funktionsniveaus mit Vineland Skalen - Oder Einschätzung Entwicklungsstand durch spezfischen Entwicklungstest - Hör-, Sehprüfung, neurologische Abklärung, Ableitung EEG, mind. 1x Untersuchung mit Hilfe von bildgebendem Verfahren (CT oder MRT), Durchführung einer chromosomalen Untersuchung, neuropsychologische Testung insbesondere der Aufmerksamkeits-und exekutiven Funktionen Differenzialdiagnostik Folgende Störungsbilder müssen abgegrenz werden: - IQ-Minderung mit nur autistischen Symptomen ohne Interaktzions/Kommunikationsstörung - Entwicklungsstörung der rezeptiven Sprache - Schizophrene Erkrankungen - Angstsyndrome, selektiver Mutismus ≠ Interaktionsstörung - Bindungsstörung -\> eingeschränktes Interesse und Aktivitäten - Asperger -\> Abgrenzung zur schizoiden Persönlichkeitsstörung im Jugendalter = sozialer Rückzug, fehlender Wunsch nach engen Beziehungen, Fähigkeit zur wechselseitigen Interaktion ist jedoch vorhanden - Zwangsstörung -- Auffälligkeiten der Interaktion fehlen + Betroffene empfinden Symptomatik als ich-dyston = d.h. als etwas Fremdes - Verwechslung mit ADHS -\> häufig komorbide Symptomatik Erklärungsansätze: 1. Exekutive Funktionen a. Defizite Planung, Orga, kognitive Flexibilität b. Weniger ausgeprägt bei Asperger-Syndorm 2. Zentrale Kohärenz c. Schwache Verarbeitung von Kontextinformationen d. Fokus auf Details statt ganzheitliche Bedeutung 3. Theory of Mind (TOM) e. Beeinträchtigtes Verständnis Gedanken, Emotionen , Absichten anderer f. Schwierigkeiten Ironie, Witz, fiktive Spiele g. Eingeschränkte Fähigkeit zur faszialen Emotionserkennung 4. Imitationsdefizite h. Beeinträchtigung Nachahmung Gesten, Handlungen i. Frühsymptom: fehlende gemeinsame Aufmerksamkeit (tryadische Koordination) 5. Spiegelneuronen-Dysfunktion j. Spiegelneuronen aktivieren sich beim Beobachten & Ausführen von Handlungen k. Fehlentwicklung wird als Ursache für beeinträchtigte soziale Imitation vermutet Substanzielle unf funktionelle Abweichungen der Hirnentwicklung (Erklärungsansatz) 1. Strukturelle Auffälligkeiten a. Frühkindlicher A: Funktionsstörungen linke Hirnhälfte, Stammhirnveränderungen, Kleinhirnwurm-Hypoplasie b. Asperger: fronrostratialer Bereich, graue Substanz Reduktion 2. Elektrische Aktivität und EEG c. Rett: verlangsamtes Schädelwachstum, fokale Spike-Entladungen d. Desintegrative Störung: EEG-Veränderungen und zerebrale Anfälle bei ca. 50% 3. Funktionale Bildgebung e. Veränderungen im Hippocampus: Beziehungslern-Defizite f. Amygdala: Sozial-emotionales Lernen g. Veränderungen im Stratium: Entwicklunsdyspraxie Interventionen bei tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (Autismus-Spektrum-Störungen) 1\. Allgemeine Merkmale der Interventionen - Symptomatische Behandlung: Keine ursachenbasierte Therapie verfügbar. - Multimodale Ansätze: Kombination aus Einzel-/Gruppentherapie, Elternberatung und Kooperation mit Fachleuten (z. B. Ergotherapie). - Frühzeitiger Beginn: Interventionen sollten möglichst früh und langfristig angelegt sein. - Hochstrukturierte Methoden: Förderung der Generalisierung von erlerntem Verhalten. 2\. Auswahl von Behandlungszielen - Individuelle Entwicklungsstände: Berücksichtigung der Entwicklungsstufe des Kindes. - Schrittweise Zielsetzung: Erfolg in kleinen Schritten, um Motivation zu fördern. - Vermeidung der Verstärkung autistischer Symptome: Interventionsziele dürfen die Symptomatik nicht verschärfen. 3\. Evaluierte Verfahren - TEACCH-Programm: Strukturierte Förderung zur Verbesserung von Autonomie, Kommunikation und sozialer Kompetenz. - Empirisch gut, jedoch methodisch nicht optimal abgesichert. - Angewandte Verhaltensanalyse (ABA): Fokus auf Sprachentwicklung, soziale Aufmerksamkeit und Selbsthilfe. - Hoher zeitlicher Aufwand (bis zu 40 Stunden/Woche). - Bessere Wirksamkeit bei Kindern mit schwächerer Symptomatik. - PECS (Bilderaustausch-Kommunikationssystem): Förderung visueller Kommunikation durch Bildkarten. - Theoretisch gut begründet, aber wenig Wirkungsstudien. - Soziale Geschichten: Erhöhung des sozialen Verständnisses, besonders bei High-Functioning Autismus. - Anpassung an die individuellen Bedürfnisse der Betroffenen. - Gruppentherapien: Förderung sozialer Interaktion und Kommunikationsfähigkeiten in Gruppen. - Besonders wirksam bei High-Functioning Autismus und Asperger-Syndrom. 4\. Psychopharmakotherapie - Einsatz zur Behandlung von komorbiden Symptomen (z. B. Hyperaktivität, Aggression, Zwänge). - Medikamente: - Psychostimulanzien: Methylphenidat, Amphetamin (für Hyperaktivität, Impulsivität). - Atypische Neuroleptika: Risperidon, Olanzapin (für Aggression, Stereotypien). - Antidepressiva: SSRIs und trizyklische Antidepressiva (für Zwänge, Depression, Angst). - Psychopharmaka oft notwendig zur Ermöglichung anderer Interventionen. 5\. Altersbezogene Überlegungen - Säuglings- und Kleinkindalter: Fokus auf Elternberatung und Sprachförderung. - Vorschulalter: Förderung von Sprache und sozialem Spiel, oft mit visualisierenden Hilfsmitteln. - Schulalter: Wahl der passenden Schulform; Betonung sozialer Kompetenz gegenüber kognitiven Leistungen. - Jugendalter: Psychotherapeutische Intervention bei Depressionen und psychosexuellen Problemen. Diese Liste fasst wesentliche Aspekte der Interventionsansätze für tiefgreifende Entwicklungsstörungen zusammen, wobei die Evidenzlage und spezifische Zielgruppen berücksichtigt werden. VL 6: ADHS UND STÖRUNGEN DES SOZIALVERHALTENS ADHS: KAPITEL 14 Kennzeichen - Aufmerksamkeitsstörungen, Impulsivität, Hyperaktivität - Störungen der Aufmerksamkeit (Aufgabe von Tätigkeiten bevor sie beendet wurden) - Impulsivität (kognitive Impulsivität = Tendenz erstem Handlungsimpuls zu folgen; motivationale Impulsivität: Schwierigkeiten, Bedürfnisse aufzuschieben und abzuwarten) - Hyperaktivität (v.a. in Situationen die ein hohes Mass an Verhaltenskontrolle erfordern) - Symptome treten meist in Situationen auf, in denen sie eine längere Aufmerksamkeitsspanne und Ausdauer brauchen, z.B. im Unterricht oder bei Hausaufgaben Klassifikation - Unterscheiden sich kaum in Definition aber in Kombination der Symptomkriterien - ICD-10: hyperkinetische Störung oder einfache Aktivitäts-und Aufmerksamkeitsstörung - Symptome \> 6 Monate - Bereits vor 7. LJ - Symptome in zwei oder mehr Lebensbereichen manifestiert - Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchtigung in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen - Unterschiede deutlich bei Kombination der Symptomkriterien - ICD-10: muss vorhanden sein = Aufmerksamkeitsstörungen, Überaktivität, Impulsivität (Wenn noch Störung des Sozialverhaltens zu diesen 3 Symptomen dazukommt -\> Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens)) - DSM-5: drei Subtypen (Mischtyp (Aufmerksamkeit + Hyperaktivität/Impulsivität), vorwiegend unaufmerksamer Typ (Aufmerksamkeit -- Hyperaktivität/Impulsivität), vorwiegend hyperaktiv-impulsiver Typ (Hyperaktivität/Impulsivität -- Aufmerksamkeitsstörung), nicht näher bezeichnete ADHS (nicht alle Kriterien erfüllt)) Epidemiologie und Verlauf - Häufigkeit: nach oppositionellem und aggressivem Verhalten sind Leitsymptome von ADHS am häufigsten festgestellt - Prävalenz Kinder: 3.6-6.7% - Jugendliche: 2.2-2.3% = deutlich geringer - Weltweit durchschnittlich: 5.3% Komorbidität: - Fast immer vorhanden, 80% haben komorbide Störung - V.a. oppositionelle Störung des Sozialverhaltens (bis zu 50%) - Stärker ausgeprägte Störungen des Sozialverhaltens ( 30-50%) - affektive/v.a. depressive Störungen (15-20%) - 15-19% Rauchen oder Substanzabhängigkeit - Öfter: Tic-Störungen, Sprech-und Sprachstörungen, Störungen motorischer Funktionen Verlauf: - Verminderung Symptomatik mit Alter v.a. Hyperaktivität und Impulsivität - Kriterien für Diagnose werden jedoch weiterhin erfüllt im Erwachsenenalter, jedoch oft ohne Vollbild von ADHS Erklärungskonzepte Primäre Faktoren: - Genetische Faktoren - Schädigung des ZNS (Nikotin, Alkohol, geringes Geburtsgewicht, Hirnschädigungen nach Geburt) - Nahrungsmittelbestandteile (erniedrigter Serumspiegel ungesättigter Fettsäuren. Verminderung von Symptomen wenn man diese zu sich nimmt) - Psychosoziale Belastungen (Schweregrad der Symptomatik, Verlauf, Komorbidität hängt hiervon ab) Vermittelnde Prozesse: - Neurobiologische Prozesse (Exekutive Funktionen, motivationale Störungen) - Duales Modell inhibitorischer und motivationaler Dysfunktionen Intervention: - Multimodale Therapie - Pharmakotherapie mit Psychostimulanzien = wichtig - Meistens auch verhaltenstherapeutische Behandlung sinnvoll - Patientenzentrierte Interventionen (Selbsttraining, Selbstmanagement, Selbstinstruktionstraining) mit eltern-und familienzentrierten Interventionen und kindergarten-oder schulzentrierten Interventionen kombiniert. - Die umfeldzentrierten Interventionen sind wichtiger als die patientenzentrierten! SVV: KAPITEL 15 VL 7: MUTISMUS, KAPITEL 34 VL 8: TIC STÖRUNG, KAPITEL 16 VL 9: TRAUMA UND PTSD, KAPITEL 35 VL 10: DEPRESSION UND SUIZIDALITÄT, KAPITEL 38 VL 11: ANGSTSTÖRUNGEN