Die Entstehung des modernen Schulsystems in Deutschland PDF

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This document details the historical development of the German school system, focusing on revolutionary educational ideas from the late 18th to early 19th century. It traces the evolution of education, including the move away from religious contexts and the transition to state control. This document also discusses significant educational figures and philosophies, along with their contributions to the evolution of German education.

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Die Entstehung des modernen Schulsystems in Deutschland: Revolutionäre Bildungsideen ab 1780 Wichtigste Entwicklungen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Entwicklung 1: Herauslösung des Bildungsbegriffs aus dem religiösen Kontext Entwicklung 2...

Die Entstehung des modernen Schulsystems in Deutschland: Revolutionäre Bildungsideen ab 1780 Wichtigste Entwicklungen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Entwicklung 1: Herauslösung des Bildungsbegriffs aus dem religiösen Kontext Entwicklung 2: Verstaatlichung der Bildung ab ca. 1800 Entwicklung 1: Herauslösung des Bildungsbegriffs aus dem religiösen Kontext Schritt 1: Drei Sichtweisen über Selbstlernen und Selbstdenken um 1800 mm ◦Sichtweise 1: Selbstlernen und Selbstdenken sind möglich —> damals neue Sichtweise ‣ Johann Gottfried Herder (1784) Wie unterscheidet sich der Mensch von der Tierwelt?? ◦Der Mensch ist lern- und denkfähig ◦Mensch kann gehen und sprechen; hat Hände, kann aufrecht gehen ◦Der „erste Freigelassene der Schöpfung“ (1784/1989, S. 145-146) ‣ Johann Gottlieb Fichte (1800) Der Mensch bestimmt selbst sein Handeln, und zwar um zu lernen „Der Grund warum ich etwas außer mir annehme, liegt nicht außer mir, sondern in mir selbst“ (1800/1845/20022, S.22) ◦Sichtweise 2: Selbstlernen und -denken erfordern Mut und Mühe ‣ Immanuel Kant (1784) Aufklärung ist, wenn Menschen jederzeit selbst denken Aufklärung: intellektuelle Bewegung des 18. Jahrhunderts Man muss sich trauen, sich seine eigenen Gedanken zu machen (s. Wikipedia) Dies ist nicht einfach, erfordert u.a. die Redefreiheit ‣ Kant‘s eigene Auffassung der Aufklärung ‣ Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit Unmündigkeit —> Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen Selbstverschuldet —> die Ursache der Unmündigkeit ist nicht Mangel des Verstandes, sondern eine Entschließung des Mutes, sicher seiner Leistung ohne Leitung eines anderen zu bedienen ‣ Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! —> Wahlspruch der Aufklärung ◦Sichtweise 3: Selbstdenken und -lernen bedürfen der Bildung als Erziehung dazu ‣ Jean-Jacques Rousseau (1762) Erziehung und Bildung notwendig —> ohne Erziehung durch die Umwelt ‚geht nix’ Korrupte Gesellschaft, keine geeignete erzieherische Richtschnur Erforderlich: eine passende erzieherische Umwelt (negative Erziehung) vergleicht Menschen mit Kulturpflanzen („Pflanzen werden durch Zucht geformt, Menschen durch Erziehung“) ‣ Immanuel Kant, geb. am 22. April 1724 (1776-1787) geht mehr ins Detail welche Bereiche der Erziehung des Menschen betroffen sind ALLES muss in der Erziehung bedacht werden ◦unterteilt in physische Erziehung („Die physische Erziehung ist diejenige, die der Mensch mit den Tieren gemein hat, oder die Verpflegung.“) & praktische Erziehung (Qualitäten, die die Zivilisation den Menschen bietet —> Umweltmerkmale (Traditionen, Wertmuster)) —> erschöpfend, sollen alles abdecken Zwang ist unentbehrlich, aber problematisch ◦ohne Zwang & Druck keine effektive Erziehung —> Menschen brauchen dies um eigene Gedanken zu formen Nach wie vor geht es langfristig um frei denkende Menschen ◦es geht ihm um die Erziehung sittlicher & selbstdenkender Menschen ◦haltet Schulen seiner Zeit unfähig gute Erziehung zu bieten ! Textauszug aus Rinks auf Grips (Zusammenfassung von Kants Pädagogik-Vorlesungen) ! ◦Nature vs. Nurture (Anage-Umwelt-Debatte) Schritt 2: Erste Konsequenzen für die Theorie der Schule (im 19. Jahrhundert) mm ◦Welches Schulsystem erzieht selbstlernende, selbstdenkende Menschen? ◦Wilhelm von Humboldt (1792/1809) —> Befasste sich mit der Frage nach guten Schulen ‣ Vorschläge für Schulreformen in Preußen im frühen 19. Jahrhundert ‣ Die „allgemeine Menschenbildung“ versus die „spezielle Bildung“ —> plädierte für die allgemeine Menschenbildung allgemeine Menschenbildung: vernünftig selbstdenkende Menschen spezielle Bildung: bringt Menschen Fertigkeiten in speziellen Domänen bei ‣ allgemeine Menschenbildung kommt zuerst und dann erst spezielle Bildung —> lernen zuerst wie sie denken und allgemeine Gedanken formulieren —> zuerst für alle Bildungsbedürftigkeit aller Menschen ‣ Bildungsinhalte einer freien „Nation“ (nicht vom Adel oder einem Alleinherrscher) —> es muss erst so etwas wie Meinungsfreiheit geben —> ansonsten würde eine Oberschicht die Bildungsinhalte allein bestimmen —> Konflikt mit Bildung eigener Gedanken und Meinungen ‣ „Der Königsberger und der Litauische Schulplan“ (1809) —> Auszug auf Grips ‣ Vorschlag Wilhelms von Humboldt für ein allgemeines Schul- und Bildungssystem Drei Stufen eines Schul- und Bildungssystems für die allgemeine Menschenbildung ◦Stufe 1: Elementarunterricht ‣ Menschen lernen abstrakte Dinge zu verstehen und einer Lehrperson zu folgen ◦Stufe 2: Schulunterricht ‣ Schüler lernen wie sie lernen & sich selbst Dinge beizubringen ◦Stufe 3: Universitätsunterricht ‣ Hervorbringung eigener Ideen ‣ sind im Stande sich eigene Gedanken zu machen soll für alle Menschen offen sein —> Entkoppelung von sozialer Herkunft Bildungswege nicht nach Herkunft, sondern gemäß Leistung und Fähigkeit Entwicklung 2: Verstaatlichung von Bildung ab ca. 1800 Ein großes Gefälle zwischen Ideen und Wirklichkeit um 1800 Erst viel später wurden die drei Sichtweisen vom Staat akzeptiert (Artikel 1 des Grundgesetzes) Ausprägung eines staatlichen Bildungssystems (1800-1918) Vielfalt und Unstimmigkeiten, aber dennoch eine Entwicklung Deutschland gab es noch nicht „Melange“ an ähnlichen schulhistorischen Entwicklungen (Geißler, 2013) Dennoch einige Hauptentwicklungen (5 Hauptentwicklungen): 1. Machtausübung durch Gesetze und Verordnungen seit ca. 1800 Merkmale: ◦Schulreformen wurden 1800 unternommen ◦Staaten übernahmen Verantwortung für Schulen in stärkerem Maße Resultat: ◦Schränkt Einfluss auf Schulen durch den Adel und die Kirchen ein (allmählich durch Gesetze) Anerkennung zweier Ideen über Bildungsbeteiligung ◦Universelle Volksbildung für die meisten Menschen —> niederes Schulwesen ◦Höhere Bildung für wenige männliche Schüler (wohlhabende) —> höheres Schulwesen Gesetze festigten Idee, dass es 2 Schulsysteme gab (für die meisten und die Höhere für die vermögenden Männer) 2. Entwicklung von zwei Schulwesen (Tabelle auf Grips) Niederes Schulwesen ◦Elementarschule (6-8 Schuljahre) ◦Pflichtfortbildungsschule (2-3 Schuljahre) ◦Lernziele: Indoktrination und Kulturtechniken (Religion, Staat, Lesen, Schreiben, Rechnen) ◦Adressatinnen und Adressaten: Die breite, arme Bevölkerung ◦Klassenlehrer für alle Fächer ◦Lehrerbildung im Schulsystem (ohne Studium) —> durch andere Lehrer ◦Keine Berechtigung für einen weiteren Bildungsgang ◦nicht im Sinne der Ideen und Ideale von Humboldt und anderen (zB. Kant) —> Fokus auf Gehorsam! Höheres Schulwesen ◦Vorschule (3 Schuljahre) ◦Gymnasium (9 Schuljahre) ◦Lernziele: Lernen lernen, eigene Ideen entwickeln, Vorbereitung auf ein Studium ◦Adressatinnen und Adressaten ‣ Zuerst wenige wohlhabende Jungen ‣ Abitur erst allmählich ab 1900 für Mädchen ‣ nur etwa 2% erreichten Abitur ◦Universitär ausgebildete Fachlehrkräfte ◦Berechtigung für ein Studium und für Staatsexamina ◦Primat der Wissenschaft und Bildung 3. Nebeneffekt der Volksbildungspflicht Prioritäten der Indoktrination ◦Ausweitung und Volksbildungspflicht im niederen Schulwesen aus Angst vor einer ‚Revolution von unten‘ ◦Beispielsweise die reaktionäre Schulreformen 1854 in Preußen unter Anton Stiehl: ‚nationale Gesinnung‘ und ‚wesentliche Inhalte‘ Positiver Nebeneffekt: Siegeszug der ‚Kulturtechniken‘ (Lesen, Schreiben, Rechnen, Kochen,… —> Fähigkeiten und Kompetenzen für die Menschen um sich in der eigenen Zivilisation zurecht zu finden) Lesen und Rechnen ◦weniger Anaplabetinnen und Analphabeten 4. Qualifizierung durch Leistung statt durch Standeszugehörigkeit Akademische Leistungen entscheiden über Universitätszugang (aber nur Männer) ◦Im 18. Jahrhundert hing der Universitätszugang u.a. von der Zugehörigkeit zum Adel ab ◦Einführung des Abiturs als Zugangsvoraussetzung für die Universität im frühen 19. Jahrhundert (z.B. 1834 in Preußen) ◦Prinzip der Leistung ersetzt Prinzip von Standeszugehörigkeit (wenn auch nicht für alle) ◦Beginn der Idee einer ‚Meritokratie‘ (eine Herrschaft des Verdiensts) ‣ Anerkennung der Idee einer Meritokratie ≠ Existenz einer Meritokratie ‣ Ursachen von akademischen Leistungen vielfältig ‣ Faktoren liegen im Individuum und in der Umwelt 5. Ausbau und Differenzierung der Schulen ab ca. 1870 Die Idee: Neue Schultypen und -angebote; neue Wege zur Universität Beispiele um 1900: ◦Etablierung eines dreigliedrigen Schulsystems (Mittel-/Realschule entsteht) ◦Abitur ab 1900 auch auf naturwissenschaftlichen und neusprachlichen Sekundarschulen ‣ Naturwissenschaftlich ausgerichtete ‚Oberrealschulen‘ ‣ Neusprachliche ausgerichtete ‚Realgymnasien‘ ◦Integration auch für Mädchen in das staatliche Schulsystem ◦Abitur auch für wohlhabende Mädchen (1900 in Baden und 1908 in Preußen) ◦Wachsendes Interesse an der ‚Reformpädagogik‘ (z.B. die Etablierung von ‚Arbeitsschulen‘ 1900 in München) Ursachen/Faktoren: ◦Schulleistung als Voraussetzung für die Universität ◦Von Humboldts Idee einer Abfolge aus allgemeiner, dann ‚spezieller‘ Bildung ◦Vermittlung von Staatstreue zur Vorbeugung vor ‚Revolutionen von unten‘ ◦Bevölkerungswachstum und Urbanisierung/Landflucht (viel höher als heute) ◦Industrialisierung und Technologisierung Konsequenzen ◦Schule und Schulsystem immer wichtiger für gesellschaftliche Teilhabe ◦immer stärker hingen Laufbahnen von schulischen Berechtigungen ab ◦Beispiele für die gestiegene Bedeutung von Bildung und Zeugnissen ‣ Gegenseitige Anerkennung von Reifezeugnissen für den Hochschulzugang (1872) ‣ Verkürzung des Militärdiensts auf nur 1 Jahr für Jungen der gymnasialen Oberstufe (2 statt 3 Jahre) —>Zugang zur Bildung wurde sehr wertgeschätzt ◦Verschiedene Reaktionen auf das ausdifferenzierte Schulsystem um 1900 ‣ Ablehnung eines Schulsystems der Zertifikate und Berechtigungen z.B. durch Friedrich Nietzsche (1872) z.B. in Romanen wie Thomas Manns Buddenbrooks: „Verfall einer Familie“ (1901) ‣ Positive Auffassung: Forderung nach einer Demokratisierung der Schule z.B. 1872 durch Wilhelm Liebknecht (Wissen als Macht) —> durch die Aneignung von Bildungsinhalten eignen sich Menschen gesellschaftliche Macht an z.B. im bildungspolitischen Programm der SPD (1906) —> Mehr gesellschaftliche Teilhabe und mehr Wohlstand durch Bildung möglich —> Nur fehlt eine gehaltvolle Allgemeinbildung für alle Menschen (!negativ!) Diskussion von Schule und Bildung auf dem Mannheimer Parteitag der SPD 23.- 29. September 1906 „Sozialdemokratie und Volkserziehung“ (ein Thema) Ist-Zustand von Schule und Bildung (Diagnose) Vorschläge für die Zukunft —> Genosse Schulz & Genossin Clara Zetkin (Vater war Dorfschullehrer) ◦Ein Auszug aus der Diagnose des Ist-Zustands im Jahr 1906 (Dokument auf Grips) ‣ sehr plausible Aussagen ‣ Clara hat Umstände als Mädchen und Teenagerin unmittelbar erlebt ‣ damalige Volksschule: nach Bedürfnissen der Gesellschaft aufgestellt ‣ Kapital —> Besitzer:innen von Industrie (die Reichen) —> Schule an Wirtschaft ausgerichtet —> Begriff geht auf Marxismus zurück ‣ Volksschule nach Oberschicht ausgerichtet ‣ Vergleich zwischen den beiden Schulwesen (höheres & niederes Schulwesen) ‣ Autor:innen sind der Meinung: Oberschicht hat intellektuellen und kognitiven Vorteil ‣ Volksschule: nicht Wissensvermittlung sonder Glaubensvermittlung (nicht nur religiös) Oberschicht lernt kritisch zu denken, Unterschicht lernt zu glauben und zu akzeptieren „gedrillt“ —> einfachste Form des Lernens, bei der Nachdenken keine Rolle spielt —> Folgen: letzter Satz im Text ‣ byzantinischer Geschichtsunterricht: Vermittlung von zahlreichen Einzelfällen (lose) ohne Zusammenhang ◦Hauptaspekte der Schul- und Bildungsgeschichte im zitierten Text ‣ Höheres Schulwesen bietet eine optimale Bildung im Sinne Wilhelms von Humboldt Wissensbasiert Sapereaude Allgemeine Menschenbildung Danach technische Bildung (von Humboldt: ‚spezielle Bildung‘ ‣ Niederes Schulwesen bietet dem Rest eine Indoktrination Soll einer Revolution vorbeugen Simple Glaubenssätze statt einer Wissenskultur Gehorchen Drill statt allgemeiner Menschenbildung Großer kognitiver Nachteil für die meisten Menschen ◦Forderungen für ein zukünftiges Schul- und Bildungssystem ‣ Aufhebung des Gegensatzes zwischen Hand- und Kopfarbeit bzw. Praxis und Theorie (bis heute diskutiert) ‣ Berücksichtigung des Individuums im Prozess der schulischen Erziehung (heute noch Relevant) ‣ weltliches und einheitliches Schulwesen ‣ ‚organische‘ Übergänge zwischen dem niederen und höheren Schulwesen ‣ absolute Unentgeltlichkeit für alle schulischen Angebote ‣ staatliche Förderung während der Weiterbildung für mittellose Menschen ‣ Gleichberechtigung von Frauen und Männern in den Lehrerschaften und Schulverwaltungen, … ‣ weltliche Vorschulen (Kindergärten) ‣ extracurriculare Angebote für Kinder an den Nachmittagen ‣ obligatorische Fortbildungsprogramme für Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ‣ Einführung des Arbeitsunterrichts in allen Schulen ‣ künstlerische Bildung ‣ besondere Klassen und Schulen für Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen ‣ höhere Standards für Schulgebäude (inklusive geeigneter Anlagen für Sportunterricht) ‣ usw. Demokratisierung (1918-1933) Die Weimarer Republik - Was war das? Ausrufung einer Republik durch Philipp Scheidemann (SPD) mitten in einer Revolution am 9. November 1918 ◦Ausruf nach 1. Weltkrieg (Unzufriedenheiten im Volk) —> dann Demokratie Reichsverfassung verabschiedet in Weimar am 11. August 1919 Aushebelung demokratischer Grundlagen der Weimarer Republik Februar/März 1933 Wichtigste Reformen im Jahr 1919: Tatsächliche Reformen in der Weimarer Reichsverfassung ◦11. August 1919 ◦Abschnitt 4: Bildung und Schule ◦Artikel 142-150 ‣ „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“ Beispiele: Gesamteinschätzung zu Schulreformen von 1919 Fazit zu Bildungsreformen der Weimarer Zeit nach Heinz-Elmar Tenorth (2019) –> „Das Bildungswesen selbst ist in seiner Struktur bis 1914/18 aber noch wesentlich von den alten Vorgaben bestimmt, trotz aller organisatorischen Differenzierung. Erst mit der Weimarer Republik, in den Beratungen der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 (Richter[] 1996) und in der darauf folgenden Gesetzgebung sowie in der - durchaus unterschiedlich akzentuierten - Bildungspolitik der Länder, beginnt der auch rechtlich fixierte Strukturwandel, dessen Ergebnis die Bildungsgeschichte im 20. Jahrhundert und das deutsche Bildungssystem in Grundzügen bis in die Gegenwart bestimmt." (S. 68) Entgleisung (1933-1945) Meilensteine der Schaffung eines antidemokratischen, rassistischen Schulwesens (wird nicht im Detail abgefragt) Ideologisches, antiintellektuelles Klima Veränderungen in den Lehrplänen im Sinne der NS-Ideologie, beispielsweise… ◦Fokus auf das sog. „Arteigene“ (Pseudowissenschaft) ◦Geschichte der „nordischen Rasse“ (Pseudowissenschaft) ◦„Vererbungslehre und Rassenkunde“ (Pseudowissenschaft) Im Biologieunterricht Einzug nationalsozialistischer Rituale und Symbole in die Schulen verändertes intellektuelles Klima (Gehorsam und Akzeptanz der NS-Ideologie) Außerschulische Indoktrination Jugendvereine mit Zwangsmitgliedschaft (andere Jugendvereine 1933 verboten) Ziel der Vereine: „Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geiste des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen." (Gesetz über die Hitlerjugend vom 1.Dezember 1936, Abs. 2) Pädagogisierung seit 1945 Schlaglichter seit 1945 Aus vielen möglichen Entwicklungen seien erwähnt … Meilensteine in der BRD und der DDR Hinwendung zur empirischen Bildungsberatung Pädagogisierung der Gesellschaft 1. Schlaglicht: Meilensteine in der BDR und der DDR Schulentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland bis 1990 zunächst progressive Schulreform im westlichen Sektor gemeinsame Grundschule auf 6 Jahre ausgelegt —> bald danach (außer in berlin) 4-jährige GS eingeführt Wiedererrichtung eines gegliederten Schulsystems wie in der Weimarer Republik (eher konservativ) Dennoch graduelle Reformen ◦Mindestschuldauer von 9 auf 10 Jahre ausgedehnt ◦Verwissenschaftlichung der ehemaligen Volksschulbildung (nun Hauptschule) ◦Pflicht einer ersten Fremdsprache für alle (Zeichen der Internationalisierung der BRD) ◦Entwicklung im Zusammenhang mit generellem kulturellem Wandel ◦universitäre Lehrkraft-Ausbildung für alle Lehrämter ◦Bundesausbildungsförderungsgesetz (1971) zur Steigerung der Chancengleichheit —> Einführung des BAfÖGs (hohe Anzahl an bedürftigen Lehramtsstudenten) —> zuerst: BAfÖG tatsächliches Stipendium ◦Versuche mit Gesamtschulen Beibehaltung des mehrgliedrigen Schulsystems, aber mit neuen Übergangsmöglichkeiten Schulentwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) bis 1990 Die DDR … Was ist das? ◦1945: Besetzung durch Sowjetunion (Russland) ◦1949: Gründung der DDR ◦Staatsideologie der DDR: Marxismus-Leninismus ◦Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) ◦Überwachung durch Ministerium für Staatsicherheit Oberstes Erziehungsziel des Staates: „Die Entwicklung der Jugend zu sozialistischen Persönlichkeiten“ (Jugendgesetz der DDR, 1974) „§1. (1) …“ „Einordnung des Individuums in die Gesellschaft“ (Geißler, 2015, S. 90) Bevölkerung aber nicht überzeugt davon (Geißler, 2015) ◦„Auch die in der DDR geborene Jugend hat sich zu keiner Zeit eindeutig im Sinne staatlicher Erziehungsziele entwickelt“ (Geißler, 2015, S.104) Einheitliches sozialistisches Bildungssystem im Sinne der Staatsideologie der DDR Zehnjährige gemeinsame allgemeinbildenden Schule: polytechnische Oberschule (POS) ◦Unterstufe: Jahrgangsstufe 1-3 ◦Mittelstufe: Jahrgangsstufe 4-6 ◦Oberstufe: Jahrgangsstufe 7-10 ◦Theorie und Praxis für alle („poly“= viel und „techne“ = Kunst oder Fertigkeit) Bildungswege ab der 11. Klasse zweijährige „erweitere Oberschule (EO)“ als Vorbereitung auf ein Studium (Abitur) erweiterte Oberschule mit Berufsausbildung Berufsausbildung ABER: Vorauswahl für die EO ab 7./8. Klasse ◦hing von schulischen Leistungen und gesellschaftlich wünschenswertem Verhalten ab —> z.B. Aktivismus in politischen Jugendparteien, wie der FDJ Schulentwicklung in Deutschland seit 1990 Entkoppelung von nominellem Bildungsgang (Schulform) und Schulabschlus —> eine der wichtigsten Entwicklungen des westdeutschen Bildungssystems bis heute Steigende Zahlen für höhere Schulabschlüsse ◦1952: 11% der 14-jährigen am Gymnasium, 52% Volks- oder Hauptschule ◦2004: 30% der 14-jährigen am Gymnasium, 22% Hauptschule besuchte Schulart der Kinder abhängig von allgemeinbildendem Schulabschluss der Eltern 2. Schlaglicht: Hinwendung zu empirischen Perspektiven auf Schule Was ist Empirie? systematische Gewinnung von Wissen durch Erfahrung Wissenschaftliche Arbeitsweisen Beispiele für die Hinwendung: international vergleichende Studien, z.B. … ◦Programme for International Student Assessment (PISA) von der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) ◦Studien der International Association for the Evaluation of Educational Achievement (IEA) ergebnisorientierte Bildungsforschung („outcomes“ statt „inputs“ 3. Schlaglicht: „Pädagogisierung“ seit 1945 (Tenorth, 2019) Eine Konstante im Schulsystem seit 1945? Schule dazu da, verschiedenste Probleme zu lösen (Pädagogisierung der Gesellschaft) Weitgehende Akzeptanz der Sichtweisen von Rousseau und dem SPD-Bildungsprogramm ◦Menschen lassen sich positiv beeinflussen, wenn sie eine günstige Umwelt haben (aber auch umgekehrter Effekt) —> nicht zu verwechseln mit negativer Erziehung! ◦Aufgabe der Schulen, unterstützt durch die Wissenschaft —> Schule soll bessere Menschen und bessere Gesellschaft hervorbringen ◦Wie kann das optimal umgesetzt werden? Schule als Hoffnungsträger für die Lösung mannigfacher gesellschaftlicher Probleme ◦Hervorbringung kompetenter Menschen ◦Ermöglichung gesellschaftlicher Aufstiege ◦Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit ◦Sicherung der ökonomischen Leistungsfähigkeit und Erfolg und Gesellschaft ◦Ermöglichung eines produktiven Umgangs mit Migration und gesellschaftlichem Wandel ◦...Bildung" [...] wird in der öffentlichen Diskussion inzwischen zu einer Formel, die man - nicht nur in Deutschland - primär an der Hochschulzugangsberechtigung misst und zugleich für die Lösung aller gesellschaftlichen Probleme einsetzt [...) „ ‚Bildung‘ wird in der gesamten Biografie wissenschaftlich beobachtet und zum Objekt pädagogisch-politischer Interventionen. Mit der frühkindlichen Bildung einsetzend, in der Altenbildung vollendet, wird die individuelle Praxis lebenslang, institutionell abgesichert pädagogisch-professionell begleitet, in der besten Absicht und zugleich doch mit der Überforderung der beteiligten Akteure und mit der Überfrachtung des Systems mit Erwartungen." (Tenorth, 2019, S. 75) Die Pädagogisierung betrifft übrigens auch junge Eltern und Großeltern ist folgerichtig aber eine große Bedeutung für die Eltern und Familie Eltern sind Druck zur Pädagogisierung ihrer Kinder ausgesetzt Erfordert tatkräftige Anerkennung von der gesamten Gesellschaft

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