Business-Controlling II - IU Internationale Hochschule - PDF

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This is a course book for Business-Controlling II, offered by IU Internationale Hochschule. It covers different aspects of controlling in various business functions including procurement, production, marketing, and finance. The book is structured into lessons, each focusing on a specific area of controlling.

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BUSINESS-CONTROLLING II BWBC02 BUSINESS-CONTROLLING II IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf...

BUSINESS-CONTROLLING II BWBC02 BUSINESS-CONTROLLING II IMPRESSUM Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de BWBC02 Versionsnr.:003-2023-0817 N.N. © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieses Lernskript ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Lernskript darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH (im Folgenden „IU“) nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet wer- den. Die Autor:innen/Herausgeber:innen haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber:innen und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dement- sprechende Nachricht. 2 INHALTSVERZEICHNIS BUSINESS-CONTROLLING II Einleitung Wegweiser durch das Studienskript................................................. 6 Basisliteratur..................................................................... 7 Weiterführende Literatur.......................................................... 8 Übergeordnete Lernziele......................................................... 10 Lektion 1 Beschaffungscontrolling 11 1.1 Gegenstand, Aufgaben und Ziele des Beschaffungscontrollings................... 13 1.2 Instrumente des Beschaffungscontrollings..................................... 17 Lektion 2 Produktionscontrolling 29 2.1 Steuerungsrelevante Aufgaben des Produktionsmanagements................... 30 2.2 Aufgaben und Instrumente des Produktionscontrollings......................... 33 Lektion 3 Marketing- und Vertriebscontrolling 41 3.1 Aufgaben des Marketingcontrollings........................................... 42 3.2 Instrumente des Marketingcontrollings........................................ 46 Lektion 4 Forschungs- und Entwicklungscontrolling 63 4.1 Aufgaben des F&E-Controllings................................................ 65 4.2 Instrumente des F&E-Controllings............................................. 69 Lektion 5 Finanzcontrolling 75 5.1 Aufgaben des Finanzcontrollings.............................................. 77 5.2 Instrumente des Finanzcontrollings........................................... 79 Verzeichnisse Literaturverzeichnis.............................................................. 90 Abbildungsverzeichnis........................................................... 92 3 EINLEITUNG HERZLICH WILLKOMMEN WEGWEISER DURCH DAS STUDIENSKRIPT Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript ste- hen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntyp- spezifische Anforderungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhandenen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lern- plattform unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie mindestens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klappen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skripten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Män- ner, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. 6 BASISLITERATUR Britzelmaier, B. (2020): Controlling. Grundlagen, Praxis, Handlungsfelder. 3. Auflage, Pear- son, München. Fischer, Th. M./Möller, K./Schultze, W. (2015): Controlling. Grundlagen, Instrumente und Entwicklungsperspektiven. 2. Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart. Jung, H. (2014): Controlling. 4. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, München. Littkemann, J./Derfuß, K./Holtrup, M. (Hrsg.) (2018): Unternehmenscontrolling. Praxishand- buch für den Mittelstand : Konzepte, Instrumente, praktische Anwendungen mit durch- gängiger Fallstudie. 2. Auflage, nwb, Herne. Schäffer, U./Weber, J. (Hrsg.) (2005): Bereichscontrolling. Funktionsspezifische Anwen- dungsfelder, Methoden und Instrumente. Schäffer-Poeschel, Stuttgart. 7 WEITERFÜHRENDE LITERATUR LEKTION 1 Piontek, J. (2016): Beschaffungscontrolling. 5. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, München, S. 150–175. Kummer, S./Grün, O./Jammernegg, W. (Hrsg.) (2018): Grundzüge der Beschaffung, Produk- tion und Logistik. 4. Auflage, Pearson, Hallbergmoos. LEKTION 2 Klein, A./Schnell, H. (2018): Produktionscontroller! Gefragter denn je! Zum Stand des Pro- duktionscontrollings von heute und morgen. In: Controller Magazin, Heft 4, S. 78–81. Klein, A. (Hrsg.) (2018): Modernes Produktionscontrolling für die Industrie 4.0. Konzepte, Instrumente und Kennzahlen, Haufe, Freiburg, München, Stuttgart. LEKTION 3 Reinecke, S. (2016): Marketingcontrolling in der Unternehmenspraxis. In: Becker, W./Ulrich, P. (Hrsg.): Handbuch Controlling, Springer Gabler, Wiesbaden, S. 199–222. Meffert, H. et al. (2019): Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung. Konzepte – Instrumente – Praxisbeispiele. 13. Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden. LEKTION 4 Brockhoff, K./Brem, A. (2021): Forschung und Entwicklung. Planung und Organisation des F&E-Managements. 6. Auflage, De Gruyter Oldenbourg, Berlin. Fiedler, R. (2020): Controlling von Projekten. Mit konkreten Beispielen aus der Unterneh- menspraxis – Alle Aspekte der Projektplanung, Projektsteuerung und Projektkontrolle, 8. Auflage, Springer Vieweg, Wiesbaden. LEKTION 5 Gleich, R./Linsner, R. (Hrsg.) (2019): Integrierte Planung und Steuerung von Erfolg und Liqui- dität. Die wichtigsten Konzepte, Werkzeuge und Kennzahlen. Haufe, Freiburg, München, Stuttgart. 8 Dobelli, R. (2011): Die Kunst des klaren Denkens. 52 Denkfehler, die Sie besser anderen über- lassen. Carl Hanser, München. 9 ÜBERGEORDNETE LERNZIELE Modernes Controlling ist Führungsunterstützung. Führungsentscheidungen betreffen sowohl Querschnittsthemen, sind aber meist auch als Funktions- oder Bereichsentschei- dungen darstellbar. Ein Bereichscontrolling, so wie es in diesem Lehrbrief dargestellt wird, stellt jeweils zwei Fragen: Was sind die bereichs- und funktionsspezifischen Aufgaben der Entscheidungsträ- ger und welche Aufgaben ergeben sich daraus ganz speziell für das zuständige Bereichs- controlling? Welche Instrumente stehen dem Bereichscontrolling jeweils zur Verfügung? Die Anzahl der Bereichscontrollings ist so groß wie die Anzahl der unterscheidbaren Berei- che und Funktionen, in die ein Unternehmen gegliedert werden kann. Deshalb wurde hier eine auf Wesentlichkeit basierende Auswahl der darzustellenden Bereiche getroffen. In diesem Lehrbrief ist zunächst die Grobstruktur des güter- und des finanzwirtschaftli- chen Bereichs gewählt worden. Gemäß des betriebswirtschaftlichen Grundmodells lässt sich der realwirtschaftliche betriebliche Leistungsprozess als das Dreiphasenmodell Beschaffung – Produktion – Absatz darstellen. In Abwandlung der letzten Phase in die moderne Bezeichnung Marketing und Vertrieb ist damit die theoretische Struktur für die ersten drei Lektionen gelegt: Es werden die drei damit verbundenen Bereichscontrollings beschrieben. Als weitere Unternehmensfunktion fiel die Wahl auf das Forschungs- und Entwicklungs- controlling, da dieser Bereich Controllingansätze für extrem unsichere Planungsparameter entwickeln muss, die sich zudem weitgehend monetärer Bewertung entziehen. Dieses Bei- spiel kreativen Umgangs mit Controllingherausforderungen enthält Lektion 4 dieses Lehr- briefs. Mit dem Finanzcontrolling beschließt ein Bereich diesen Lehrbrief, der die Realgüterper- spektive verlässt und die Nominalgütersphäre betritt. Hier sind dann wiederum Spezifika aufzudecken, die ebenfalls aufgrund ihrer typischen Fragestellungen eine eigene Behand- lung in Lektion 5 verdienen. In allen genannten Bereichen bestehen die globalen Lernziele darin, die spezifischen Fra- gestellungen zu verstehen und zu erkennen, wie Controlling darauf reagiert. Dabei soll jedes Mal verstanden werden, dass alle dem Controlling zugewiesenen Funktionen, näm- lich die der Information, der Kommunikation, der Koordination und die der Sicherstellung der Rationalität von Führungsentscheidungen, ihren Eingang in die Instrumente der jewei- ligen Bereichscontrollings gefunden haben. 10 LEKTION 1 BESCHAFFUNGSCONTROLLING LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche Aufgaben und Ziele des Beschaffungsmanagements das Beschaffungscontrol- ling unterstützt. – was Gegenstand, Aufgaben und Ziele des Beschaffungscontrollings sind. – wie die Instrumente des Beschaffungscontrollings systematisch kategorisiert werden können. – welche Instrumente des Beschaffungscontrollings in der Unternehmensrealität ver- breitet sind. – wie Kennzahlen und Kennzahlensysteme des Beschaffungscontrollings konzipiert sind. – wie der monetäre Erfolg des Beschaffungsmanagements, die Lieferanten, die Beschaf- fungsobjekte und Beschaffungsmärkte mit den Instrumenten des Beschaffungscontrol- lings analysiert werden können. 1. BESCHAFFUNGSCONTROLLING Einführung Beschaffung ist der Teil des betriebswirtschaftlichen Realgüterprozesses, der der Produk- tion und dem Absatz vorgelagert ist. Nach Michael E. Porter (Porter 2004) ist die Wert- schöpfung eines jeden Unternehmens anhand der primären und sekundären Aktivitäten der Produkterstellung darstellbar und jeweils auf Wettbewerbsvorteile zu untersuchen. Beschaffung nimmt dabei den Platz einer sekundären Aktivität ein, die – wie folgt abgebil- det – die primären Aktivitäten komplett begleitet. Abbildung 1: Wertkette Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung an Porter 2004, S. 37. Dabei wird deutlich, warum sich der Aufgabenbereich des Beschaffungsmanagements nur auf Realgüter und Dienstleistungen bezieht: Auch Humanressourcen und Kapital müssen genau genommen beschafft werden, aufgrund der Spezifika dieser Inputfaktoren werden diese in der betriebswirtschaftlichen Systematik aber in eigenen Bereichen verortet. Auch die im Rahmen von Forschung und Entwicklung erlangten Patente und das gesamte Wis- sen des Unternehmens bilden eine eigene sekundäre Aktivität ab. Die Beschaffung hat eine große Nähe zur Logistik. Die beschafften Produktionsfaktoren müssen das Unternehmen erreichen, sie müssen dort entgegengenommen und es muss entschieden werden, welcher der effizienteste Weg innerhalb des Unternehmens ist. Wenn auch Just-in-time-Beschaffung zwecks Minimierung von Lagerkosten fast schon eine Selbstverständlichkeit ist, muss dennoch entschieden werden, wie die unternehmensin- terne Logistik gestaltet und durchgeführt werden soll. Das ist Gegenstand des Logistik- controllings. 12 1.1 Gegenstand, Aufgaben und Ziele des Beschaffungscontrollings Aufgrund der Tatsache, dass die Beschaffungsfunktion sich im Vergleich zu anderen betrieblichen Funktionen in der Wissenschaft nicht voll etablieren konnte, ist eine Analyse der akademischen Diskussion darüber, was unter dem Begriff subsumiert werden soll, ernüchternd: Es fehlt nach wie vor an einer einheitlichen Nomenklatur (den Beweis dafür führt mittels einer ausführlichen Literaturdiskussion beispielhaft Sievers 2008, S. 18ff.). Unter der Beschaffung werden grundsätzlich alle Maßnahmen verstanden, die der Versor- gung des Unternehmens mit jenen Produktionsfaktoren dienen, welche durch das Unter- nehmen nicht selbst erstellt werden (Kummer et al. 2018, S. 136). Die betriebliche Funktion der Beschaffung ist also die der Versorgung des Unternehmens mit den für die Leistungserbringung notwendigen Produktionsfaktoren und Dienstleistun- gen. Vereinfachend wird die Beschaffung auch oft mit „Einkauf“ übersetzt. Beschaffung wird dann als betriebliche Funktion auch in Aufgabenspezifikationen hierarchischer Ein- ordnung in die Unternehmensorganisation als Einkaufsabteilung geführt. Zu den einge- kauften Objekten gehören alle materiellen Gegenstände wie Rohstoffe, Hilfs- und Betriebs- stoffe, Vorerzeugnisse, Maschinen, Werkzeuge u. ä., aber auch die immateriellen Voraussetzungen für den betrieblichen Leistungserstellungsprozess wie z. B. Rechte, Patente und Lizenzen. Eine Gleichsetzung von „Beschaffung“ und „Einkauf“ greift aber dann zu kurz, wenn auch die Gestaltung der Beziehungen zu den Lieferanten und die stra- tegischen Aufgaben der Beschaffungsmarktbeobachtung zum Gegenstand des Control- lings gemacht werden sollen. Einkauf ist dann eher der administrative Teil der Bestel- lungsabwicklung. Ebenfalls nur verwandt ist der Begriff der Materialwirtschaft. Er bezeichnet die operative Behandlung von Material im Unternehmen. Da heute in fast allen Branchen die Bedeutung von Dienstleistungen zunimmt, ist dieser Begriff mit dem starken Bezug auf physische Pro- duktionsfaktoren als eher unglücklich gewählt zu bezeichnen. Daher wird auch hier im Folgenden von der umfassenderen Beschaffungsfunktion die Rede sein. Weil bis vor wenigen Jahrzehnten Absatzprobleme lange Zeit im Vordergrund des Manage- menthandelns standen, hat Beschaffung erst in den letzten Jahrzehnten den Status eines Erfolgsfaktors erlangen können. Seit den 1980er-Jahren hat sich vor allem die strategische Bedeutung des Beschaffungsmanagements etablieren können. Die Gründe dafür werden in den grundlegenden Veränderungen der Beschaffungsmärkte gesehen. Nicht nur, dass Beschaffungsmärkte zunehmend digital und global zu verstehen sind, auch die Beschaf- fungsobjekte verändern ihre Rangordnung. Waren z. B. für die industrielle Fertigung über eine sehr lange Zeit Rohstoffe notwendig, die in großer Menge vorhanden und prinzipiell zur Verfügung standen, werden heute zunehmend auf der Welt auch nur sehr begrenzt vorhandene Rohstoffe wie „seltene Erden“ benötigt. Ergo werden nicht nur die Absatz- märkte zu umkämpften Territorien, sondern auch die Beschaffungsmärkte. Damit ergibt sich ein Bündel an neuen Aufgaben, die über das Einkaufen mit dem Preis als zentralem Argument weit hinausgehen. Auch das Beziehungsmanagement zu Lieferanten und das ständige Scannen des Beschaffungsmarktumfelds gehören heute zu den Aufgaben der 13 Beschaffungsmanager. Diese Aufgaben ähneln dann erstaunlich stark der Absatzseite, weshalb sich Anfang der 2000er der Begriff des „Beschaffungsmarketings“ teilweise etab- liert hat (Koppelmann 2004). Beschaffungsmarketing wird dann zu einem Gesamtsystem von Teilprozessen mit ent- sprechenden Instrumenten und Methoden unter Begleitung eines Informations- und Kon- trollsystems: Abbildung 2: Beschaffungsmarketing Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung an Koppelmann 2004, S. 86. Ziele des Beschaffungsmanagements Die Ziele der Beschaffung beziehen sich auf die Unternehmensziele der Effizienz und Effektivität zur Erfolgszielerreichung. Somit handelt es sich auch in diesem Funktionsbe- reich um abgeleitete Ziele aus den übergeordneten Globalzielen der Unternehmensfüh- rung. Die Ziele können sich auf die folgenden Kategorien beziehen: 14 Sachziel: materielle Liquidität, also die Befriedigung des Materialbedarfs (bzw. grund- sätzlich: Inputbedarfs) zur Erstellung von Gütern; Formalziel: die Optimierung der mit der Materialbereitstellung verbundenen Kosten und Leistungen, wodurch eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit erzielt werden soll, oder konkreter beschrieben entsprechend der Fristigkeit: strategische Ziele: Sicherstellung der Materialversorgung/Qualität (Material- und Tech- nologiestandards), Sicherung der Beschaffungsmarktposition/Preisstabilität und Perso- nalqualität; operative Ziele: Optimierung der Beschaffungskosten, Sicherung der Materialqualität/ Liquidität und Lieferbereitschaft. Unterstützung des Beschaffungsmanagements durch das Controlling In der Beschaffung der Inputfaktoren liegt dann ein Erfolgspotenzial, wenn es gelingt, einen Wettbewerbsvorteil in der Güte oder Art der beschafften Gegenstände und Dienst- leistungen zu erlangen. Somit wird das Beschaffungsmanagement zu einer Führungsauf- gabe mit Bedeutung für den Unternehmenserfolg. Es beinhaltet wie alle Managementauf- gaben die entsprechenden Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse. Schließt man sich der Controllingkonzeption der Rationalitätssicherung an, kommt dem Beschaffungscontrolling folgerichtig die Aufgabe der Bereitstellung aller relevanten Infor- mationen über Beschaffungsfragen zu, die das Management braucht, um über diese betriebliche Funktion Entscheidungen treffen zu können. Diese Entscheidungen betreffen insbesondere drei Kategorien: 1. die beschafften Güter und Dienstleistungen, 2. die Lieferantenauswahl und 3. die Beschaffungslogistik. Die Beschaffungslogistik ist die Schnittstelle zwischen dem Einkauf der benötigten Objekte auf Beschaffungsmärkten und der Verfügbarmachung am Ort der Produktion. Gerade in Zeiten zunehmend globalisierter Beschaffungsmärkte bekommt die Logistik eine zusätzliche Bedeutung, können die Quellen der Objekte z. T. doch sehr weit vom Pro- duktionsort entfernt sein. Die Zielsetzung der Beschaffung bzw. des Logistikmanagements ist Versorgung der Bedarfsträger mit den richtigen Gütern/Dienstleistungen in richtiger Art/Menge und Quali- tät zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu möglichst geringen Kosten. Hierzu kommen meist noch Sozialziele (unter Beachtung der Mitarbeiterinteressen) sowie Umweltziele (unter Beachtung von Umweltbelange/Nachhaltigkeit) (Kummer/Grün/Jummernig 2019, S. 142). Teilweise werden die Faktoren richtige(r) Ware/Menge/Qualität/Zeitpunkt/Kosten/Ort/ Daten und Wissen dabei auch als „8R“ bezeichnet. 15 Mit der schon beschriebenen gedanklichen Erweiterung auf ein Beschaffungsmarketing- system sind die Aufgaben des Beschaffungscontrollings schnell beschrieben. Wir haben uns im ersten Teil des Moduls mit der Erkenntnis beschäftigt, dass Controlling eine Steuer- ungsfunktion hat, dass es die Koordination der Teilprozesse und die Unterstützung der Verantwortlichen hauptsächlich durch ein funktionierendes Informations- und Kontroll- system zum Gegenstand hat. Überträgt man dies nun auf den Beschaffungsbereich, ergibt sich nämliches Ergebnis: Es geht um die Steuerung des Beschaffungsbereichs, die Koordi- nation der strategischen und operativen Teilziele der Beschaffung, die Koordination der in der Abbildung „Beschaffungsmarketing“ aufgeführten Prozesse und die Unterstützung des verantwortlichen Managements u. a. durch Informationsversorgung. Gegebenenfalls übernimmt das Controlling auch die Aufgabe der konkreten Gestaltung und Durchführung der Abstimmungsprozesse, jedoch nicht der operativen Aufgaben wie z. B. der Bestellab- wicklung. Das bleibt Aufgabe der zuständigen operativen Einheiten. Um die Beschaffungsentscheidungen auf möglichst genaue Werte auszurichten, hat das Beschaffungscontrolling die Aufgabe, Bewertungskriterien festzulegen, welche die Eigen- schaften möglichst objektiv messbar machen. Das betrifft ein ganzes Bündel von mögli- chen Kriterien, aus denen zwangsläufig eine aussagekräftige, realistische, vergleichbare und konsequent angewendete Auswahl getroffen werden muss. Somit kommt dem Beschaffungscontrolling eine ganz grundsätzliche Gestaltungs- und Informationsfunktion zu. Neben der Unterstützung der weiter oben schon aufgeführten strategischen Aufgaben des Beschaffungsmanagements kommt dem Beschaffungscontrolling die Unterstützung bei operativen Entscheidungen zu. Dazu können je nach Auffassung darüber, wie viele Bestandteile der Materialwirtschaft berücksichtigt werden sollen, die Optimierung von Preisen und Beständen, die Koordination der Zusammenarbeit mit Lieferanten, die Opti- mierung des Beschaffungssortiments, aber auch die Liquiditätsüberwachung und die Messung des Beschaffungserfolgs integriert werden. Strategisches Beschaffungscontrol- ling soll die Entscheidungsträger in die Lage versetzen, Umweltentwicklungen systema- tisch zu erfassen, um unternehmenspolitische Zielsetzungen, Programme und Planungen frühzeitig an neue oder veränderte Bedingungen anpassen zu können (vgl. Piontek 2016, S. 3–5). Da Controlling unternehmensweit die Aufgabe hat, ergebniszielorientiert zu sein und die Beschaffung keinen direkten Zugriff auf die Einnahmenseite hat, fällt beim Beschaffungs- controlling der Blick vornehmlich auf die Kosten. 16 1.2 Instrumente des Beschaffungscontrollings Überblick Dem Vorstehenden entsprechend gibt es mehrere Möglichkeiten, die zahlreichen Instru- mente des Beschaffungscontrollings systematisch zu erfassen. Es handelt sich dabei um Kennzahlen und Kennzahlensysteme, aber auch um komplexe Instrumente, die Wechsel- wirkungen sachlicher Zusammenhänge jeweiliger Erklärungsmodelle unterstellen. Wie beim Controlling ganz allgemein üblich, kommen dabei auch solche Instrumente zum Ein- satz, die geeignet sind, Normstrategien aus bestimmten Situationen, Szenarien oder Posi- tionierungen, einzelner Beschaffungsobjekte oder Beschaffungsmärkte abzuleiten. Diese, meist auf Portfoliotechniken basierenden Instrumente, entsprechen in ihrer Grundstruktur den Modellen, derer sich Controlling auch bei der Unterstützung des strategischen Mana- gements oder anderer Funktionsbereiche bedient. Da es an dieser Stelle nicht möglich ist, die vorhandenen Instrumente auch nur ansatz- weise vollständig darstellen zu können, muss eine Auswahl getroffen werden, die die Spe- zifika der einzelnen Instrumentengruppen möglichst repräsentativ darstellt (eine sehr umfangreiche Auflistung findet sich bei Schentler/Tschandl 2016, S. 38–41). Eine Umfrage aus dem Jahr 2007 über tatsächlich in Unternehmen eingesetzte Instru- mente des Beschaffungscontrollings ergab das folgende Ergebnis (vgl. Wagner/Weber 2007, S. 34): 17 Abbildung 3: Instrumente des Beschaffungscontrollings Quelle: Wagner/Weber 2007, S. 34. Die Instrumente beziehen sich auf: Kennzahlen und Kennzahlensysteme, den monetären Erfolg des Beschaffungsmanagements, die Lieferanten, die Beschaffungsobjekte und die Beschaffungsmärkte. Kennzahlen und Kennzahlensysteme Auch für das Beschaffungscontrolling ist die gesamte Bandbreite von Kennzahlen, Key Per- formance Indicators, Kennzahlensystemen, Benchmarks, Balanced Scorecards etc. entwi- ckelt worden. Wie in allen Controllingbereichen ist die Anzahl der vorgeschlagenen mathe- matischen Darstellungen und Auswertungen quasi unendlich. Grund dafür ist die leichte Handhabbarkeit dieser meist auf einfachen Divisionen beruhenden Abbilder komplexer Zusammenhänge. Daher sind Kennzahlen und die darauf aufbauenden Analysen wie etwa Benchmarks, Auditierung u. a. in der Praxis weit verbreitet. In der Literatur finden sich aus jeweils unterschiedlicher Perspektive überzeugende Systematisierungsansätze und Auflis- tungen konkreter Kennzahlen (z. B. Piontek 2016, S. 186ff.). 18 Kennzahlen beziehen sich u. a. auf die Kategorien Kosten, Ergebnis, Bestand, Kapazität, Innovation, Qualität, Mitarbeiter, Lieferanten, Effizienz und Kundenzufriedenheit. Weniger in der Unternehmenspraxis (vgl. Abbildung „Instrumente des Beschaffungscont- rollings“) als in der Theorie sind Balanced-Scorecard-Ansätze (BSC) für das Beschaffungs- controlling entwickelt worden. Dabei ist die Grundidee der BSC eine sehr wichtige: Häufig scheitert die Umsetzung von Strategien an der mangelnden Operationalisierung, und die betroffenen Mitarbeiter sind mit der Strategieimplementierung überfordert. Eine Strategie in operationalisierte und nicht zwangsläufig monetär beschriebene Teilziele zu überset- zen, ist Aufgabe der BSC, die im Beschaffungsbereich dann beispielsweise das folgende Aussehen annehmen kann (Kummer/Grün/Jammernegg 2019, S. 222f.): Tabelle 1: Beschaffungs-BSC Perspektive Ziele Kennzahlen Risikoindikatoren Interne Kunden Versorgungssicherheit Lieferbereitschaftsgrad Anzahl Fehlmengensitua- der Produktion der Beschaffung tionen hohe Zufriedenheit der Kundenzufriedenheitsin- unbeantwortete Anfra- internen Kunden dex gen Lieferanten Reduzierung der Liefer- Anteil A-Lieferanten antenanzahl Anteil C-Lieferanten Anzahl potenzieller Lie- feranten Anzahl der Substitute Optimierung der Liefer- Anzahl strategischer Ergebnisse der Lieferan- antenbindung Partnerschaften tenbewertung Anzahl gemeinsamer Entwicklungsprojekte Prozesse effiziente Beschaffungs- Prozesskosten eines Einkaufsvorgänge ohne prozesse Beschaffungsvorgangs Einschaltung eines Spe- zialisten Anteil des elektronisch abgewickelten Beschaf- fungsvolumen kurze Wiederbeschaf- Durchlaufzeit eines Anteil der Falschbestel- fungszeiten Beschaffungsvorgangs lungen Entwicklungspo- Weiterentwicklung der Schulungstage pro Mitar- Anzahl Schlüsselmitar- tenziale Beschaffungsspezialisten beiter beiter, Fluktuationsrate Anzahl umgesetzter Ver- besserungsvorschläge Qualität des Beschaf- Anzahl Zugriffe auf das Anzahl Systemausfälle fungsinformationssys- Beschaffungsinformati- tems onssystem 19 Perspektive Ziele Kennzahlen Risikoindikatoren Finanzen Erhöhung des Wertbei- erzielte Einsparungen realisierte Materialpreis- trags der Beschaffung pro Jahr reduktionen wettbewerbsfähige Mate- Anteil Materialkosten am Entw. der Einstands- rialkosten Umsatz preise zur Umsatzent- wicklung niedrige Lagerbestands- Wert des durchschnitt- durchschnittliche Lager- kosten lich im Lager gebunde- reichweite nen Kapitals Anteil der Lagerbes- Bestände ohne tandskosten an den Umschlag Gesamtkosten (Ladenhüter) Quelle: Kummer/Grün/Jammernegg 2019, S. 222f.. Der monetäre Erfolg des Beschaffungsmanagements Der Beschaffungserfolg ist, ganz allgemein gesagt, die Kostenreduzierung bei der Beschaffung. Er wird gemessen, indem das Verhältnis der Einstandspreise und Prozess- kosten zur Leistung der Beschaffung ermittelt wird. Es handelt sich also um eine klassi- sche Kennzahl. Kurzfristig steht die Senkung der Materialkosten, langfristig auch die mehr- periodische Betrachtung der Lieferanten und der Beschaffungsobjekte im Fokus. Dann werden die aus der Kosten- und Leistungsrechnung bekannten modernen Ansätze wie Total Cost of Ownership und Supplier Lifetime Values berechnet. Im Zusammenhang mit dem Kostenmanagement wird auch der „Härtegrad“ des Beschaffungserfolgs betrachtet: Dabei handelt es sich um die Unterscheidung zwischen den „weichen“ (Kostenvermei- dung) und „harten“ (Kostenreduzierung) Beschaffungserfolgen (vgl. dazu auch Wagner/ Weber 2007, S. 17ff.). Konkret werden bei der Bewertung zwei monetäre Indikatoren betrachtet: die „Einkaufs- leistung“ und das „Einkaufsergebnis“. Die Einkaufsleistung gibt – vereinfacht gesagt – die durch erfolgreiche Verhandlung erzielte Einsparung gegenüber dem niedrigsten Angebots- preis auf dem Markt an. Das Einkaufsergebnis ist die Veränderung der Preise im Vergleich zum Vorjahr bzw. zum Budget. Für die konkrete Berechnung der beiden Indikatoren ist jeweils zwischen zwei Fällen zu unterscheiden – der Wiederholbedarf (ständige, gleiche Beschaffung eines bestimmten Objekts) und der Einmalbedarf (einmalige Beschaffung eines bestimmten Objekts): 20 Abbildung 4: Einkaufsleistung vs. Einkaufsergebnis Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung Britzelmaier 2020, S. 459. Die Einkaufsleistung ergibt sich im Falle des Einmalbedarfs als Differenz des niedrigsten Angebotspreises auf dem Markt und des (tatsächlich gezahlten) Vergabepreises. Beim Wie- derholbedarf ist zu unterscheiden, ob der niedrigste Angebotspreis unter dem alten Verga- bepreis liegt oder nicht. Falls ja, so wird die Einkaufsleistung als Differenz des alten Preises und des Vergabepreises ermittelt, andernfalls ist Berechnung gleich wie im Falle des Ein- malbedarfs. Das Einkaufsergebnis ergibt sich im Einmalbedarfsfall aus der Differenz zwischen Budget und Vergabepreis und im Wiederholungsfall aus der Differenz des alten Preises zum Verga- bepreis. Die Einkaufsleistung ist stets größer oder mindestens gleich null, das Einkaufsergebnis hingegen kann positiv, null oder negativ sein. Insgesamt sind diese Instrumente sehr stark kostenrechnerisch orientiert und beziehen Plan und Budget als Kernelemente des Controllings mit ein. Lieferantenbezogene Controllinginstrumente Das Beschaffungscontrolling kann Lieferanten anhand verschiedener einzelner Kriterien wie z. B. dem Einkaufspreis, der Qualität oder der Verlässlichkeit oder nach einem Bündel von Kriterien bewerten. Hier spielt es letztlich eine entscheidende Rolle, wie präzise und wie aussagekräftig die Ergebnisse des Controllings sein sollen. Es gilt wie bei allen Fragen des Controllings die allgemeine Forderung, dass der Aufwand, der für eine Erkenntnis betrieben wird, in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen soll. Die oben zitierte Umfrage zeigt die Beliebtheit dieser Instrumente. 21 Eine solche Analyse des Nutzens ist auch die Nutzwertanalyse in Bezug auf Lieferanten. Die Grundstruktur einer Nutzwertanalyse ist immer gleich: Als Erstes werden Kriterien gesucht, nach denen die Lieferanten beurteilt werden sollen. Danach muss festgelegt wer- den, wie die Merkmalsausprägungen der Kriterien gemessen werden sollen. Es schließt sich der eigentliche Bewertungshebel an, nämlich die Gewichtung der einzelnen Kriterien. Anschließend wird gemessen und mit der Gewichtung multipliziert. In der Addition aller gewichteten Merkmalsausprägungen ergibt sich dann ein Endergebnis. Eine solche Nutzwertanalyse könnte dann unter Verwendung einer Auswahl möglicher Bewertungskriterien wie folgt aussehen: Abbildung 5: Lieferantenprofil Quelle: Stefan Frigger, 2014. Auf diese Weise ergibt sich für jeden Lieferanten eine Bewertung anhand eines Profils (grüne Linie). Dieses kann anschließend einem Wunschportfolio gegenübergestellt wer- den und somit Strategien abgeleitet werden, die auf einzelne Abweichungen von Kriterien reagieren. Als zweite Anwendung empfiehlt sich der Vergleich des Profils unterschiedli- cher Lieferanten. Beschaffungsobjektbezogene Controllinginstrumente Controllingansätze, die das einzelne Beschaffungsobjekt analysieren, beziehen sich ent- weder auf die Anwendung von Kennzahlen für erwartete Qualitäts-, Kosten- oder Zeit- aspekte oder beziehen Aspekte der Materialwirtschaft mit ein. 22 Empirische Analysen belegen hier einen gesetzmäßigen negativen Zusammenhang zwi- schen dem Beschaffungswert und der Anzahl der beschafften und/oder gelagerten Positi- onen. Hintergrund ist die Tatsache, dass gelagerte, aber nicht verbrauchte Materialien Kapital binden, was über die Berücksichtigung von Verzinsung schnell zu einem ernst zu nehmenden Kostenargument werden kann. Dabei zeigt sich, dass häufig besonders hohe Beschaffungswerte durch solche Beschaffungsobjekte gebunden werden, die insgesamt nur einen geringen Anteil an allen Bestell- und Lagerpositionen ausmachen. Teilweise sind die Lagermengen zwar hoch, der Wert aber relativ gering (z. B. Büromaterial im Vergleich zu Komponenten für zu fertigende Maschinen). Ein Kosteneinsparungspotenzial für das Beschaffungscontrolling wird nun in der Aufgabe gesehen, die einzelnen Beschaffungsob- jekte so zu kategorisieren, dass man sich im Beschaffungsmanagement auf die wirklich relevanten Beschaffungsobjekte und deren Kosten fokussiert. Dazu werden alle Beschaffungsobjekte nach dem Kriterium des Anteils am gesamten Beschaffungswert und dem Anteil an allen Positionen sortiert. Das kann dann in grafischer Darstellung z. B. das folgende Ergebnis erbringen: Abbildung 6: ABC-Analyse Quelle: Stefan Frigger, 2014. Dadurch entstehen Kategorien von Beschaffungsobjekten. Die 25 % der wertvollsten aller beschafften Teile machen 78,3 % des Gesamtwerts aus, die 60 % wertvollsten bereits 93,3 %. Die restlichen 40 % vereinen gerade einmal die letzten 6,7 % des Werts auf sich. Damit wird deutlich, dass für die so kategorisierten A-, B- und C-Objekte aus Kostenerwägungen unterschiedliche Beschaffungsstrategien zu empfehlen sind. Das Planungs- und Kontroll- instrumentarium für die A-Teile ist präziser und aufwendiger zu gestalten als das der C- Teile. Bei C-Teilen wird mitunter sogar empfohlen, für das Beschaffungswesen Outsour- 23 cing zu wählen, d. h., die Lieferanten mit der Material- und Beständebewirtschaftung zu beauftragen, um keine internen Ressourcen für eine vergleichsweise wertmäßig unbedeu- tende Aufgabe zu binden. Ähnlich in der Darstellung ist die XYZ-Analyse, die ebenfalls zu den Controllinginstrumen- ten mit starker Anbindung an die Materialwirtschaft gehört. Hier werden Verbrauchs- schwankungen und Vorhersagegenauigkeit gegenübergestellt und analog der ABC-Analyse Kategorien von Beschaffungsobjekten gebildet (Näheres dazu bei Britzelmaier 2020, S. 454–458): Tabelle 2: XYZ-Analyse Kategorie Verbrauchsschwankungen Vorhersagegenauigkeit X gering hoch Y mittel mittel Z hoch gering Quelle: Britzelmaier 2020, S. 458. Führt man nun die ABC-Analyse und die XYZ-Analyse zusammen, ergeben sich klare Hand- lungsempfehlungen für die jeweils so kategorisierten Beschaffungsobjekte: Tabelle 3: ABC- und XYZ-Analyse X Y Z A Just-in-time Just-in-time Einzelbeschaffung B Just-in-time Vorratshaltung Einzelbeschaffung C Vorratshaltung Vorratshaltung Vorratshaltung Quelle: Britzelmaier 2020, S. 458. Beschaffungsmarktbezogene Controllinginstrumente Die Instrumente des Beschaffungscontrollings, die sich auf die Beschaffungsmärkte bezie- hen, sind strategische Instrumente, da sie die Ableitung von Normstrategien aus idealtypi- schen Positionen in einem Portfolio ermöglichen. Das bekannteste Portfolio ist die Beschaffungsobjekt/-markt-Matrix, die die grafische Posi- tionierung einzelner Einkaufsobjekte im Zusammenspiel zwischen Wettbewerbsintensität auf dem Beschaffungsmarkt und der Spezifizierbarkeit des Objekts bereitstellt. Dazu wer- den in der bekannten Portfoliodarstellung in einer Matrix die relative Höhe der Rivalität unter den Anbietern auf der Ordinate und die relative Spezifizierbarkeit der Ware oder Dienstleistung, die dort bezogen werden soll, auf der Abszisse aufgetragen. Die Wettbe- werbsintensität hängt von der Anzahl der potenziellen Lieferanten, deren Verhandlungs- macht und Auslastung, der Existenz von Markteintrittsbarrieren oder Produktdifferenzie- 24 rungsmöglichkeiten ab. Der dahinterstehende Gedanke der Marktbeschreibung erinnert also nicht ganz unlogisch an das aus vielen anderen Zusammenhängen bekannte Modell der Five Forces. Auch die Spezifizierbarkeit der Beschaffungsobjekte greift auf ein bekann- tes Modell zurück, nämlich auf das des Target Costing. Dort werden Funktionen und Kom- ponenten unterschieden. Die Matrix bekommt dann das folgende Aussehen, das hier in der vereinfachten Version von Britzelmaier 2020, S. 447 dargestellt ist (vgl. auch Kaufmann/Thiel/Becker 2005, S. 7f.). Abbildung 7: Einkaufsobjekt/-marktportfolio Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung an Britzelmaier 2020, S. 447. Wie bei anderen Portfolios auch, sind hier zwei Aussagen möglich: Aus statischer Perspek- tive lässt sich ablesen, welche Beschaffungsobjekte wie positioniert sind (zusätzlich durch die Größe der Kreise auch die Information über deren Bedeutung), und aus dynamischer Perspektive lassen sich Handlungsempfehlungen aus Normstrategien ableiten. Diese Normstrategie wäre für das Feld 3 bei niedriger Spezifizierbarkeit und niedriger Wettbewerbsintensität die Gründung kooperativer Einkaufsstrategien. Es sollte eine enge partnerschaftliche Zusammenarbeit erfolgen und der Lieferant bereits in die Entwick- lungsprojekte einbezogen werden. Das ist vor allem dann vorteilhaft, wenn die Beschaf- fungsqualität und die Versorgungssicherheit im Vordergrund stehen. Weisen Einkaufsobjekte eine niedrige Spezifizierbarkeit auf und ist gleichzeitig eine hohe Rivalität auf dem Beschaffungsmarkt festzustellen, empfiehlt sich die Strategie der pro- duktbezogenen Einkaufsstrategie (Feld 1). Kosten können in einer solchen Situation 25 gesenkt werden, wenn die Beschaffungsobjekte standardisiert oder durch Forschung und Entwicklung Materialien substituiert werden können. Auch hier wissen wir durch das Modell der Five Forces, welchen Druck Substitute auf Wettbewerbssituationen ausüben können. So entsteht dem Nachfrager trotz niedriger Spezifikation eine potenzielle Ver- handlungsmacht. Eine besonders unbefriedigende Kostensituation entsteht in Kombinationen, in denen eine hohe Spezifizierbarkeit des Beschaffungsobjekts einer niedrigen Wettbewerbsintensi- tät gegenübersteht. Dann übt der Nachfrager keinen oder nur einen sehr geringen Druck aus. Hier kann nur die Empfehlung ausgesprochen werden, neue Lieferanten zu suchen oder sich auf ein kooperatives Verhältnis mit einigen wenigen Lieferanten zu konzentrie- ren (Feld 4). Letztlich bleibt noch die Situation des Felds 2. Hier trifft eine hohe Spezifizierbarkeit auf eine hohe Wettbewerbsintensität. Das ist für den Einkäufer die kostengünstigste Situation. Er kann zwischen vielen Wettbewerbern auf Seite der Lieferanten auswählen, die ihm sein standardisiertes Beschaffungsobjekt liefern können. Es liegt dann ein „Käufermarkt“ vor, weshalb sich hier die „käufermarktorientierte“ Strategie des Preisdrucks durch Lieferan- tenwechsel oder des Ausweichens auf alternative Bezugswege wie z. B. Onlineplattformen empfiehlt. Die Analyse der Verhältnisse auf den Beschaffungsmärkten kann auf weitere Portfolios zurückgreifen. Hier ist der Fantasie des Beschaffungscontrollers prinzipiell keine Grenze gesetzt. In der Praxis haben sich dafür mindestens die beiden folgenden Ansätze etabliert: Die sogenannte „Component Chart“ setzt – wieder sehr ähnlich dem Modell der Target Costs – die relative Relevanz der Komponenten eines Endprodukts für den Endverbrau- cher ins Verhältnis zu deren technologischer Komplexität (Kaufmann/Thiel/Becker 2005, S. 9f.). Die Kernaussage ist dabei, dass bei hoher Kundenrelevanz, hoher Komplexität und gleichzeitig hoher wirtschaftlicher Bedeutung des Beschaffungsobjekts ein partnerschaft- lich-kooperatives Verhalten zwischen Hersteller und Lieferant besonders zu prüfen ist. Sind diese Aspekte nicht oder nur teilweise erfüllt, sinkt die Notwendigkeit zu einem kooperativen Verhalten. Aufgrund der sehr speziellen Konstruktion des Modells, das ver- schiedene Komponenten mit unterschiedlichen Merkmalsausprägungen voraussetzt, ist die Component Chart zwar von ihrer Kernaussage her wertvoll, aber eben auch nur in ganz speziellen Unternehmen sinnvoll anwendbar. Das dritte verbreitete Instrument zur Analyse der Beschaffungsmärkte ist nach dem Blick auf die Wettbewerbsintensität und den Kooperationsdruck die Berücksichtigung der Macht, die Lieferanten und Einkäufer haben. Es handelt sich also wieder um einen Aus- schnitt aus dem Five-Forces-Modell. Danach ergibt sich die Macht der Einkäufer aus deren Kenntnis der Angebotsseite bezüglich Preis, Qualität und Verfügbarkeit, dem individuellen Einkaufsvolumen, geringen Wechselkosten und der Möglichkeit der Substitution bzw. Eigenfertigung der Beschaffungsobjekte. Lieferanten sind dann mächtig, wenn sie einen hohen Marktanteil erreichen, das nachfragende Unternehmen nur eine geringe wirtschaft- liche Bedeutung für den Anbieter hat, die Beschaffungsobjekte sehr wichtig für den Kun- den sind und dieser keine Möglichkeiten der Substitution oder Eigenfertigung besitzt (Brit- 26 zelmaier 2020, S. 447f.). Dann lassen sich (auch dieses Vorgehen ist aus anderen Zusammenhängen bekannt) die Machtverhältnisse in einer Neun-Felder-Matrix abbilden (ähnliche Abbildungen möglich, z. B. Kaufmann/Thiel/Becker 2005, S. 11): Abbildung 8: Marktmachtportfolio Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung an Britzelmaier 2020, S. 448. Die Situation einer hohen Einkäufermacht bei gleichzeitig niedriger Verkäufermacht ermöglicht Ausbaustrategien. Diese beinhalten die Möglichkeit des Preisdrucks durch hohe Mengen und die Schaffung von Abhängigkeiten des Lieferanten vom Käufer. Es kön- nen langfristige Rahmenverträge abgeschlossen und weitere Kosten wie z. B. Lagerhal- tungs- und Speditionskosten auf den Lieferanten abgewälzt werden. Diversifikationsstrategien sind dann zu empfehlen, wenn das Beschaffungscontrolling feststellt, dass die Macht der Lieferanten eher als groß und die der Kunden als niedrig ein- zuschätzen ist. Dann sind Eigenfertigung verstärkt zu prüfen und Engpässe durch eine höhere Lagerhaltung zu vermeiden. Eine mittlere Position nimmt die Empfehlung der Selektionsstrategien ein. ZUSAMMENFASSUNG Beschaffung ist die Versorgung des Unternehmens mit den betriebsnot- wendigen Produktionsfaktoren (Beschaffungsobjekten). 27 Beschaffungsmanagement ist ein komplexes System, das auch Logistik- komponenten und die Pflege der Lieferantenbeziehungen zu berück- sichtigen hat. Beschaffungscontrolling unterstützt das Beschaffungsmanagement mit der Koordination und Durchführung des Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesses der Beschaffung sowie deren Auswertung mit geeig- neten Instrumenten und Methoden und die Pflege des Informations- und Kommunikationssystems. Die Instrumente des Beschaffungscontrollings beziehen sich auf die Analyse des monetären Erfolgs des Beschaffungsmanagements, der Lie- feranten, der Beschaffungsobjekte und der Beschaffungsmärkte. Das Beschaffungscontrolling bedient sich der etablierten Controllingin- strumente wie Kennzahlen, Kennzahlensysteme, Portfoliotechniken u. a. 28 LEKTION 2 PRODUKTIONSCONTROLLING LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche steuerungsrelevanten Aufgaben das Produktionsmanagement besitzt. – was die vom Controlling unterstützten langfristigen und kurzfristigen Ziele des Produk- tionsmanagements sind. – was die Gegenstände der Produktionsplanung und -kontrolle sind. – wie die Aufgaben und Instrumente des Produktionscontrollings unterschieden werden. – wie Instrumente des strategischen und des operativen Produktionscontrollings unter- schieden werden und wie diese aussehen. 2. PRODUKTIONSCONTROLLING Einführung In der Betrachtung der klassischen Betriebswirtschaftslehre liegt im Realgüterprozess die Produktion in der Phasenbetrachtung zwischen der Beschaffung der Produktionsfaktoren und dem Absatz der fertigen Produkte. Die beschafften Produktionsfaktoren werden im Produktionsprozess transformiert, und die Umwandlung der Produktionsfaktoren in neue Produkte lässt einen Mehrwert entstehen, der über die Verkaufserlöse auf Absatzmärkten zu einem betrieblichen Erfolg des Unternehmens beiträgt. Die wissenschaftliche Betrachtung der Produktionswirtschaft hat daher immer zwei Per- spektiven: Zum einen wird technisch-operativ nach den effizientesten Methoden der Gütertransformation gesucht, zum anderen wird kostenrechnerisch argumentiert und nach den besten Beiträgen für eine Wertsteigerung des gesamten Unternehmens gesucht. 2.1 Steuerungsrelevante Aufgaben des Produktionsmanagements Das Produktionsmanagement hat, der allgemeinen Beschreibung des Managements fol- gend, die Aufgaben der Produktionsplanung, Produktionssteuerung und der Produktions- kontrolle. Das Produktionscontrolling hat, dieser Logik folgend, die Aufgabe, diesen Mana- gementprozess zu unterstützen. Wie wir schon im ersten Teil dieses Moduls herausgearbeitet haben, ist die aktive Steuerung des Planungsprozesses eine der elemen- taren Aufgaben des Controllings. Produktionsplanung Produktionsplanung ist die Erstellung von Grob- und Detailplänen für den effizienten Ein- satz von Produktionsfaktoren zur Hervorbringung von Produkten unter Berücksichtigung arbeitswissenschaftlicher und technologischer Erkenntnisse sowie wirtschaftlicher Ziele. Das technische Entscheidungsproblem ist dabei die Auswahl eines Produktionsprozesses aus einem Bündel möglicher Produktionsprozesse, die alle zum gleichen Ergebnis führen können. Diese Entscheidung für eine bestimmte Faktorkombination ist eine Problemstel- lung der klassischen Entscheidungstheorien der Betriebswirtschaftslehre und wird auf- grund von Produktionsfunktionen und Kostenrechnungen getroffen. Die Ergebnisse der Beschaffungsplanung gehen in die Produktionsplanung ein, welche berücksichtigt, dass nachfolgend noch eine Absatzplanung durchzuführen ist. Es gibt also auch einen Querverweis auf die Koordination der genannten Bereichspläne auf Unterneh- mensebene, wo dann noch zusätzlich Finanz-, Personal- und andere Pläne zu integrieren sind. 30 Die Produktionsplanung fasst die langfristige Produktionsprogrammplanung, die kurzfris- tige Produktionsplanung und die Aufgabe der Koordination der Teilpläne zusammen: Die langfristige Produktionsplanung besteht aus...... der Produktionsprogrammplanung: Im Vordergrund der langfristigen Planung des Produktionsprogramms steht die Bestimmung der Produktarten, die für ausgewählte Märkte und Kundensegmente hergestellt werden sollen. Einflussfaktoren der Planung sind dabei der technische Fortschritt, Kundenbedarfe und deren Veränderungen, Verän- derungen der Konkurrenzangebote und Wandlungen bei den sonstigen wirtschaftlich bedeutsamen Umfeldbedingungen. Diese können derart stark variieren, dass eine Neu- ausrichtung des gesamten Produktprogramms notwendig ist.... der Produkt- und Verfahrensforschung: Da Produkte und Verfahren erst nach dem fertigungstechnischen Austesten in die laufende Produktion übernommen werden kön- nen, ist es zweckmäßig und gerechtfertigt, diesen Bereich der Produktionsplanung weitgehend isoliert zu behandeln. Strategisch entscheidend ist die Ausstattung der Pro- dukt- und Verfahrensforschung mit ausreichenden finanziellen und personellen Res- sourcen in Form entsprechender Budgets.... der Ressourcenausstattung: Neben der Auswahl der Art von Produktionsanlagen (qualitative Kapazitäten) sind die Leistungsobergrenzen (quantitative Kapazitäten) aller Arbeitssysteme festzulegen. Das betrifft sowohl die Kapazitäten der Maschinen als auch die der Menschen. Qualitative Kapazitäten bestimmen die Präzision und die Anzahl rea- lisierbarer Werkverrichtungsarten, wobei die Entscheidung zwischen Spezialmaschinen oder Universalmaschinen den Extremfall bilden. Entsprechendes ist im Hinblick auf Ausbildung, Eignung und Anlernprozesse der Arbeitskräfte zu berücksichtigen, da die qualitativen und quantitativen Kapazitäten der Arbeitssysteme aus dem Zusammenwir- ken von Produktionsanlagen und Arbeitskräften resultieren.... dem organisatorischen Rahmen der Produktion: Im Rahmen langfristiger Produkti- onsplanung ist die grundlegende Organisation des Produktionsablaufs festzulegen. Der Ablauf des Produktionsprozesses hat hier naturgemäß den größten gestaltenden Ein- fluss, allerdings werden in den Feinjustierungen regelmäßig weitere Effizienzpotenziale identifiziert. Die kurzfristige Produktionsplanung umfasst...... das aktuelle Produktprogramm: Im Rahmen der kurzfristigen Produktplanung wer- den für die jeweils unmittelbar bevorstehenden Planungsperioden in der Feinplanung die Steuerungsgrößen des Produktprogramms vorgegeben. Das betrifft die Qualitätsva- rianten bei Einzelprodukten und Kleinserien, die Gesamtmengen und Losaufteilungen bei Sorten- und Serienprodukten sowie die Produkt- und Auftragsreihenfolge je Pro- duktart, Marge oder Auftrag. Die kurzfristige Produktprogrammplanung wird im Wesent- lichen durch die Absatzplanung und die verfügbaren qualitativen und quantitativen Kapazitäten der vorhandenen Arbeitssysteme bestimmt.... die Einsatzplanung von Mensch und Maschine: Basierend auf den technischen Anforderungen der ausgewählten Produktionsverfahren werden die Bereitstellung und der Einsatz der Produktionsanlagen und Arbeitskräfte geplant. Das führt letztlich zur konkreten Arbeitsvorbereitung, der Kombination von Arbeitssystemen und dem verfüg- baren Potenzialfaktorbestand. 31... die Produktionsterminierung: Bei der zeitlichen Koordinierung aller Teilprozesse und Phasen der Auftragsabwicklung sind von Anfang an potenzielle Störungen bei der Prozessrealisation, Materialzufuhr usw. zu berücksichtigen, da sich die zeitlichen Abläufe jederzeit verändern können.... der Einsatz von Hilfs- und Verbrauchsmaterialien: Der Bedarf an Hilfs- und Ver- brauchsmaterialien (Rohstoffe, Betriebsstoffe, Vorerzeugnisse etc.) lässt sich direkt aus der Produktionsprogrammplanung hochrechnen. Für diese Materialgruppe lässt sich in der Regel ein Verbrauch prognostizieren, der sich proportional zur Leistungsmenge ent- wickelt. Die Koordination der Teilpläne umfasst die Aufgaben der...... Systemgestaltung für Abstimmung und Zusammenfassung der Teilpläne: Hier kommen sämtliche Aufgaben zusammen, die die Koordinationsfunktion des Control- lings beschreiben. Es gilt, ein Abstimmungssystem zu finden und zu implementieren, das Abstimmungsverluste und Reibungsverluste verhindert, aber auch eine Diskussi- onskultur sicherstellt, die eine ergiebige und transparente Kommunikation erst ermög- licht.... Sicherstellung von Flexibilität: Kundenwünsche, die sich auf in Bearbeitung befind- liche Aufträge beziehen, oder auch Funktionsstörungen an den Fertigungsanlagen, Aus- fälle beim Personal, Überschreitungen der Vorgabezeiten bzw. Leistungsschwankungen bei den Arbeitssystemen, Mängel bei der Materialanlieferung usw. erfordern flexible Anpassungen in fast allen behandelten Teilen der Produktionsplanung. Dieser Umstand muss bereits in der Planungsphase berücksichtigt werden, ein späteres, unvorbereite- tes Auftreten gefährdet nicht nur die termingerechte Leistung, sondern kann in der Folge auch erhebliche negative Folgen für den Betriebserfolg nach sich ziehen. Produktionssteuerung und Produktionskontrolle Die Produktions- oder Fertigungssteuerung umfasst alle Entscheidungen und Maßnah- men, die unmittelbar vor, während und nach der Durchführung eines vorgegebenen Pro- duktionsplans notwendig sind. Die in der Produktionsplanungsphase erstellten Pläne wer- den umgesetzt und auf ihre Einhaltung hin kontrolliert. Bedarfsermittlung: Ausgehend vom Produktionsprogramm werden die erforderlichen Mengen aller Einsatzprodukte bestimmt. Hier gibt es einen direkten Zusammenhang mit der Funktion der Beschaffungsplanung und dem Beschaffungscontrolling. Die ABC- Analyse, die ja bekanntlich die ökonomische Relevanz der bestellten Einsatzfaktoren ermittelt, kann gleichzeitig auch auf Grundlage der Bedarfsermittlung durchgeführt werden. Ergebnis der Bedarfsermittlung ist eine Stücklistenauflösung, die mit der Beschaffung abgestimmt und von dieser bearbeitet wird. Materialdisposition und Bestellrechnung: Falls eine Make-or-buy-Analyse einen Bedarf an der Erstellung von Eigenteilen ergibt, werden optimale Losgrößen ermittelt und zu von der Materialdisposition bestimmten Eingangsterminen als Fertigungsauf- träge in die Produktion gegeben. Der Bedarf an Fremdteilen und Materialien wird mit dem Ziel der mengen- und termingerechten Bereitstellung über die Bestellrechnung verwaltet. Dabei werden Bestellzeitpunkte und Bestellmengen vor allem unter dem 32 Gesichtspunkt der Kostenwirtschaftlichkeit betrachtet. Zur Durchführung der Material- disposition und Bestellrechnung werden in der Regel Lagerhaltungsmodelle eingesetzt, die an die Bedarfsermittlung angeschlossen werden. Terminplanung: Die Durchlaufzeit eines Auftrags setzt sich aus Operationszeiten, Zwi- schenlagerzeiten und Transportzeiten zusammen. Falls sich bei der Vorwärtsterminie- rung eine Überschreitung des geplanten Endtermins bzw. bei der Rückwärtsterminie- rung eine Unterschreitung des frühestmöglichen Starttermins ergibt, müssen Maßnahmen zur Reduzierung der Durchlaufzeit der Aufträge ergriffen werden. Während dies bei den Operationszeiten prinzipiell unmöglich ist, lassen sich Durchlaufzeiten z. B. durch Überstunden oder Überlappungen bei der internen Logistik bzw. der Splittung von Arbeitslosen verkürzen. Da diese Maßnahmen zwangsläufig mit höherem Aufwand und meist auch höheren Kosten verbunden sind, empfiehlt sich eine sehr genaue Ana- lyse des Controllings in Zusammenarbeit mit der Kosten- und Leistungsrechnung des Unternehmens. Kapazitätsausgleich und Kapazitätsterminierung: Ungleichgewichte des im Rahmen der Durchlaufterminierung ermittelten Kapazitätsbedarfs je Maschinengruppe und Peri- ode können unter Berücksichtigung terminmäßiger und technischer Grenzen durch zeitliche Verschiebung von Aufträgen oder durch eine Umverteilung von Aufträgen beseitigt werden. Aufgabe der anschließenden Kapazitätsterminierung ist die Festle- gung der Reihenfolge der für die Feinplanung freigegebenen Aufträge und damit der exakten Starttermine der einzelnen Aufträge für jede Maschine. Auftragsfortschreibung und Kontrolle: Die Maschinenbelegungs- und Auftragsablauf- pläne bilden die Basis für die Auftragsfortschritts- und die Terminkontrolle. Der jewei- lige Istzustand wird mit dem Planungssoll verglichen und Abweichungen sofort vom Controlling festgestellt, analysiert und auf mögliche Gegenmaßnahmen hin geprüft. 2.2 Aufgaben und Instrumente des Produktionscontrollings Je nach Abgrenzung der unterschiedlichen Controllingdenkschulen können sich die Auf- gaben des Produktionscontrollings jeweils in den Schwerpunkten Koordination der Teil- pläne, Sicherstellung der Informationsflüsse oder Rationalitätssicherung der Führungs- entscheidungen wiederfinden (vgl. dazu ausführlich Weber/Spillecke 2005, S. 94f.). Letztlich lässt sich aber für alle Ansätze der Common Sense festhalten, dass für das Pro- duktionscontrolling – wie für jedes andere Funktions- oder Bereichscontrolling auch – ein allen anderen Zielen übergeordnetes Globalziel vorgegeben ist: die Wirtschaftlichkeit aller Prozesse und Entscheidungen im Unternehmen. Entsprechend der weiter oben aufgeführten Teilaspekte der Produktionsplanung ergeben sich bei Soll-Ist-Abweichungen vom Controlling identifizierte geeignete Gegenmaßnah- men z. B. mit dem Ziel der Reduzierung der Herstellkosten, Ausschussminimierung, opti- maler Kapazitätsauslastung, optimaler Beschaffung von Hilfsmitteln, Auswahl der richti- gen Technologie und des richtigen Fertigungsverfahrens, Rationalisierung, Betriebsunterbrechungsverhinderung, Qualitätsverbesserungen etc. 33 Je nach Schwerpunktlegung auf eine jeweils andere Controllingaufgabe können die Instrumente wie folgt unterschieden werden (jeweils nur Beispiele, keine vollständige Auf- zählung): Instrumente zur Informationsfunktion des Produktionscontrollings: ◦ Kennzahlen ◦ Kennzahlensysteme ◦ Kosten- und Leistungsberichte ◦ Kostenstellen-, Abteilungs-, Bereichsberichte ◦ Instandhaltungsberichte ◦ Lager- und Vorratshaltungsberichte ◦ … Instrumente zur Planungs- und Kontrollfunktion des Produktionscontrollings: ◦ Technologieportfolio ◦ Investitionsrechnung ◦ Plankostenrechnung ◦ Prozesskostenrechnung ◦ … Aus Controllingsicht hat die Planung, Steuerung und Kontrolle der Produktion sowohl eine strategische als auch eine operative Seite. Dabei bedient sich das Produktions-Con- trolling teils aus anderen Zusammenhängen bekannter Instrumente (vgl. Britzelmaier 2020, S. 470): Instrumente des strategischen Produktionscontrollings: ◦ Investitionsrechnung ◦ Technologie-Lebenszyklus-Analyse ◦ Technologieportfolio Instrumente des operativen Produktionscontrollings: ◦ Plankostenrechnung ◦ Verfahrenswahl ◦ Engpassoptimierung ◦ Betriebsunterbrechungsrisiko-Analyse ◦ Qualitätscontrolling In beiden Bereichen wird mit jeweils sinnvollen und aussagekräftigen Kennzahlen und Kennzahlensystemen gearbeitet. Dabei unterliegen Kennzahlen des Produktionsbereichs den gleichen Vor- und Nachteilen wie die anderer Bereiche: Sie verdichten Informationen über komplexe Zusammenhänge auf einfach handhabbare Zahlen, verlieren dadurch aber auch gleichzeitig an Aussage- kraft. Das jeweilige Erkenntnisinteresse kann dabei auf ganz unterschiedlichen Ebenen liegen. Die Ermittlung der Produktivität kann sich z. B. auf einen, mehrere oder alle Mitarbeiter beziehen: Produktionswert Mitarbeiterproduktivität = Anzahl der Mitarbeiter 34 Die Produktivität kann aber auch auf eine Maschine bezogen sein: Produktionswert Maschinenproduktivität = Maschine Diese Produktionswerte können für viele Vergleiche, z. B. für ein Benchmarking, benutzt werden, sie können aber auch als Planwerte in Soll-Ist-Vergleiche eingehen. Die Anzahl und Art der verwendeten Kennzahlen oder Kennzahlensysteme ist theoretisch wieder unbegrenzt (weitere Vorschläge bei Schnell 2018). So können auch rein operativ interessierende Aussagen ermittelt werden, wie z. B. der Maschinenstillstand: Laufzeit Maschinenverfügbarkeitsfaktor = Laufzeit+Stillstandszeit Weitere Kennzahlen können sich entweder auf die Ebene des Ressourcenverzehrs, des Leistungserstellungsprozesses, der Leistungserstellung selbst oder miteinander verfloch- tener weiterer Leistungsprozesse beziehen (diese Unterscheidung treffen Weber/Spillecke 2005, S. 93f.). Es können aber auch Kosten, Kapitalbindung und andere finanzielle Erwä- gungen abgebildet werden, kurz: An Anwendungsmöglichkeiten für Kennzahlen und Kennzahlensysteme fehlt es nicht. Beispiel für ein Kennzahlensystem: 35 Abbildung 9: Balanced Scorecard für das Produktionscontrolling Quelle: Stefan Frigger, 2014 in Anlehnung an Weber/Spillecke 2005, S. 98. 36 Während die BSC für die Ableitung operativer Pläne und Gegenmaßnahmen bei Abwei- chungen geeignet ist, sind weitere Instrumente für den Schwerpunkt der Informationsver- sorgung entwickelt worden. Dazu gehören Kosten- und Leistungsberichte, Instandhal- tungsberichte, Produktionsberichte, Lagerberichte u. a. Da solche Berichte zum Teil für jede Kostenstelle und aggregiert für einzelne Bereiche erstellt werden, wird schnell deut- lich, welch große Datenmenge dabei zusammengetragen wird. Das verdeutlicht die hier immer wieder vorgetragene These, dass quasi ständig auf einer Metaebene entschieden werden muss, ob das Berichtswesen insgesamt ein vertretbares Aufwand-Erkenntnis-Ver- hältnis aufweist. Instrumente für die Planungs- und Kontrollfunktion des Controllings Das Technologie- bzw. Innovationsportfolio stellt in einer Matrix die langfristige strategi- sche Bedeutung einer Innovationskompetenz der internen Ressourcenstärke gegenüber. Für jede technologische Kompetenz, die in dieser Matrix positioniert wird, kann – wie bei Portfolios üblich – eine Normstrategie abgeleitet werden: Abbildung 10: St. Galler Technologieportfolio Quelle: Gassmann/Wecht/Winterhalter 2018, S. 23. Die externe strategische Bedeutung steht für die Technologieattraktivität des Markts. Sie ergibt sich aus der vorhandenen Technologie, ihrer Verwendbarkeit in Produkten und dem Marktpotenzial. Im Gegensatz zur internen Ressourcenstärke kann die Technologieattrak- tivität des Markts vom Unternehmen selbst nicht beeinflusst werden. 37 Wie die obige Abbildung zeigt, sind auch aus diesem Modell Normstrategien für die Vari- able Ressourcenstärke ablesbar, wenn es gelingt, präzise Einordnungen vorzunehmen. Es wird schnell deutlich, dass Controlling mit diesen Methoden den enger gefassten Bereich des Produktionscontrollings verlässt und in den Bereich des F&E- und des strategischen Unternehmenscontrollings eintritt. Investitionsrechnung, Plan- und Prozesskostenrechnung Plan- und Prozesskostenrechnung sind Standards des Produktionscontrollings. Da sie aber gleichzeitig auch als Standards der Kosten- und Leistungsrechnung gelten, werden sie an dieser Stelle als hinreichend im entsprechenden Modul behandelt angesehen (eine knappe Wiederholung bei Weber/Spillecke 2005, S. 103–108). Investitionsrechnung ist deshalb ein zentrales Thema für das Produktionscontrolling, da jede Entscheidung für die Gewährleistung der Leistungsbereitschaft und für die Realisie- rung eines bestimmten Produktionsprogramms immer auch eine Entscheidung über die Bindung von Kapital bedeutet. Mit dieser Bindung von Kapital (= Anfangsauszahlung) wird ein Nutzen (z. B. in Form von Einzahlungen) in der Zukunft erwartet, ist aber meist mit Ungewissheit oder Risiko belegt. Hieraus wird deutlich, dass diese Sichtweise letztlich eine Investitionsbetrachtung ist und damit auch mit den Verfahren der Investitionsrech- nung betrachtet werden sollte. In solchen Fällen bedient sich das Produktionscontrolling der aus der Finanzierungs- und Investitionstheorie bekannten Bewertungsansätze. Es lassen sich statische und dynami- sche Investitionsrechenverfahren unterscheiden. Die statischen Verfahren setzen (bis auf die Amortisationsrechnung) auf der Ebene von Kosten und Leistungen an, während sich die dynamischen Verfahren auf der Ebene von Auszahlungen und Einzahlungen bewegen. Die statischen Verfahren legen meist eine hypothetische Durchschnittsperiode zugrunde, die dynamischen Verfahren hingegen berücksichtigen explizit mehrere Perioden und die Zeitstruktur der Zahlungen, d. h., die Zahlungen werden entsprechend abgezinst (Zeitprä- ferenz bzw. Zeitwert des Geldes!). Zum Überblick eine Aufstellung von Weber/Spillecke (zur Vertiefung sei ein beliebiges Lehrbuch zur Investitionstheorie empfohlen, z. B. das von Bieg/Waschbusch/Kußmaul 2016): 38 Abbildung 11: Überblick über Investitionsrechenverfahren Quelle: erstellt im Auftrag der IU. 39 ZUSAMMENFASSUNG Produktion ist die betriebliche Leistungsfunktion der Transformation der Produktionsfaktoren in Produkte. Im Zusammenhang mit der Produktion sind Managemententscheidun- gen zu treffen, die vom Produktionscontrolling vorbereitet und deren Umsetzung von ihm begleitet, kontrolliert und analysiert werden. Die Produktionsplanung umfasst langfristige und kurzfristige Planungs- aufgaben sowie die Koordinierung der Teilpläne. Das Produktionscontrolling verfügt über Instrumente zur Erfüllung der Informationsfunktion sowie der Planungs- und Kontrollfunktion. Dabei werden sowohl die strategischen als auch die operativen Pla- nungsaspekte berücksichtigt. 40 LEKTION 3 MARKETING- UND VERTRIEBSCONTROLLING LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … – welche Spezifika das Marketingcontrolling im Vergleich zu anderen Controllingberei- chen aufweist. – welche Aufgaben dem Marketingcontrolling zugewiesen werden. – wie das Marketingcontrolling die Effektivität und Effizienz der marktorientierten Unter- nehmensführung als Ziel verfolgt. – wie die Instrumente und Methoden des Marketingcontrollings kategorisiert werden können. – welche typischen Fragen ausgewählte Instrumente des Marketingcontrollings beant- worten können. 3. MARKETING- UND VERTRIEBSCONTROLLING Einführung Marketingcontrolling ist schon vom Wortsinn her das Bereichscontrolling, das die für das Marketing verantwortlichen Entscheidungsträger bei den Aufgaben der Planung, Steue- rung und Kontrolle rund um die Maßnahmen der Marktbearbeitung unterstützt. Je nach Sichtweise – das wurde bereits des Öfteren betont – liegt dabei der Schwerpunkt auf der Informations- oder Koordinierungsaufgabe oder gar bei der Rationalitätssicherung der Führung. Die wissenschaftliche Behandlung mit dem Thema Marketingcontrolling weist meist grundlegend darauf hin, dass die beiden Wortbestandteile „Marketing“ und „Controlling“ in einem Konfliktverhältnis zueinander stehen. So sei „Marketing“ eine Betrachtung vom Sachzielergebnis her und „Controlling“ eine wertzielorientierte Betrachtung vom Ergebnis her (Meffert 2019, S. 927–930). Wenn diese Betrachtung auch zunehmend anachronistisch zu werden scheint, so bleibt doch festzuhalten, dass das Marketingcontrolling einige Spe- zifika aufzuweisen scheint, die es von anderen Bereichscontrollings unterscheidet, denn „Marketing-Controlling darf sich nicht darauf beschränken, lediglich Konzepte des Con- trollings unreflektiert auf das Marketing zu übertragen; dadurch können weder Erkennt- nisfortschritte erzielt noch konkrete Handlungsanweisungen abgeleitet werden“ (Rein- ecke 2005, S. 130). Gleichzeitig steigt der Handlungsdruck in der Praxis: Empirische Befunde zeigen eine deutlich gestiegene Anforderung an das Marketing, die zugewiesenen Ressourcen nach- träglich zu rechtfertigen. So müssen zwei Drittel der Marketingführungskräfte in Großbri- tannien einen Return on Marketing nachweisen (diesen und weitere Hinweise listet Rein- ecke 2016, S. 202ff. auf). Wie soll das geschehen? Hat das Marketingcontrolling aussagekräftige und handhabbare Instrumente und Methoden entwickelt, um den Füh- rungskräften eine Hilfe zur Evaluierung ihrer Arbeit geben zu können? Ist es nicht eher so, dass der unterschiedlichen Autoren zugewiesene Spruch gilt, dass 50 % der Marketingaus- gaben verloren seien, man nur leider nicht wisse, welche Hälfte das ist? 3.1 Aufgaben des Marketingcontrollings Zunächst bleibt festzuhalten, dass auch das Marketingcontrolling dasselbe übergeordnete Ziel wie alle Controllingbereiche hat, nämlich die Effizienz und Effektivität des Unterneh- mensgeschehens und der anstehenden zielgerichteten Entscheidungen der für die betrieblichen Funktionen Verantwortlichen. 42 Führen wir die in den letzten beiden Lektionen begonnene Reihe der betrieblichen Leis- tungsfunktion weiter, ist nach Beschaffung und Produktion der Absatz der produzierten Güter die logische dritte Komponente. Eine ermüdende Diskussion über unterschiedliche begriffliche Abgrenzungen ersetzend, wollen wir festhalten, dass wohl ein Grundkonsens darüber besteht, dass „Absatz“ ein veralteter und „Vertrieb“ nur ein schwerpunktmäßig technisch-operativer Teilbegriff des Marketings ist. Marketing wird als Querschnittsfunktion betrachtet. Wenn sie auch organisatorisch regel- mäßig in einen entsprechenden Verantwortungsbereich eingebunden ist, so ist die expli- zite Orientierung am Kunden und der Konkurrenz für alle Unternehmen in Wettbewerbs- märkten eine Selbstverständlichkeit, die in sämtlichen Entscheidungen eine Rolle spielt. Aus der Marketingperspektive kann es konsequent gedacht keine Implementierung von Marketingstrategien und keine erfolgreiche Durchführung von Marketingaktivitäten geben, wenn diese nicht vom gesamten Unternehmen unterstützt werden. Dieses moderne Ver- ständnis der ganzheitlichen Ausrichtung aller Entscheidungsträger auf den Markt wird auch als Prinzip der marktorientierten Unternehmensführung bezeichnet (zur Vertiefung Meffert et al. 2019, S. 10–17). Ein solches Führungssystem ist von einer ausreichenden und zielführenden Informations- versorgung abhängig, muss aufgrund der angesprochenen Querschnittsfunktion zwangs- läufig aber auch besondere Ansprüche an die Koordinationsfunktion des Marketingcont- rollings stellen. Da sich viele Entscheidungen des Marketingmanagements auf nicht monetär beschreibbare Indikatoren stützen, ist dieser Controllingbereich für die Perspek- tive der Rationalitätssicherung der Führungsentscheidungen geradezu prädestiniert. Die Ansätze der modernen Entscheidungsmodelle unter Berücksichtigung von neurowissen- schaftlichen Erkenntnissen, Heuristiken, Wahrnehmungsverzerrungen, Biases etc. öffnen neue Türen für die Erklärung von Irrationalitäten bei marketingbezogenen Entscheidun- gen. So schließen wir uns Reinecke (2005, S. 133ff.) an, der die Aufgaben des Marketingcontrol- lings wie folgt zusammenfasst: 43 Abbildung 12: Aufgaben des Marketingcontrollings Quelle: Reinecke 2005, S. 133 mit Ergänzung. Informationsfunktion Die problemspezifische Informationsbündelung aus dem Rechnungswesen und der Markt- forschung hat vor allem die Aufgabe, rechtzeitig auf Veränderungen im Kundenverhalten oder in den kosten- und ertragsbezogenen Daten der Produkte, Produktgruppen, strategi- schen Geschäftsfelder etc. hinzuweisen. Dabei kommt dem Marketingcontrolling die besondere Aufgabe zu, die Interpretationen aus der Datenlage so aufzubereiten, dass sie von den Entscheidungsträgern verstanden und verarbeitet werden können. Planungsfunktion Dem Marketingcontrolling werden unter dem Gesichtspunkt der Rationalitätssicherung ganz bewusst auch Aufgaben der Generierung und Aufzeigung von Handlungsalternativen zugewiesen. Außerdem gehören zum Planungsmanagement die Gestaltung des strategi- schen und operativen Marketingplanungssystems und die Marketingbudgetierung. Das Segmentieren, die Identifizierung und Auswahl der Zielgruppen und die Positionierung strategischer Geschäftsfelder sind nach dem modernen Controllingverständnis genauso selbstverständliche Aufgabenfelder wie die Gestaltung von Anreizsystemen für Verkauf und Vertrieb. Auch die Gestaltung der Schnittstellen zwischen den einzelnen Komponen- ten des operativen Marketingmix werden hier verortet. 44 Kontrollfunktion Zur Überwachung gehören Abweichungsanalysen, Kontrollen und Audits. Audits sind umfassende, systematische Analysen einzelner strategischer Geschäftseinheiten. Gegen- stände eines solchen Audits können sämtliche Ziele, Strategien, Prozesse, die einzelnen Maßnahmen und die Organisation sein. Tabelle 4: Marketingaudits Verfahrensaudit Prüfung der Planungsverfahren Kontrollverfahren Informationsversorgung Strategienaudit Prüfung der zugrunde gelegten Prämissen strategischen Ziele Konsistenz von Schlussfolgerungen Marketingmixaudit Prüfung der Vereinbarkeit mit strategischen Grundkonzepten wechselseitigen Maßnahmenabstimmung Mittel-Zweck-Angemessenheit Organisationsaudit Prüfung der vollständigen Berücksichtigung von Marketingaufgaben Aufgaben entsprechenden Organisationsform Koordinationsregelungen Quelle: Köhler 2006, S. 42. Koordinationsfunktion Eine Beratung oder ein Coaching können z. B. dann angesagt sein, wenn es zu einer wesentlichen Änderung bisheriger Marketingstrategien kommt oder neue Marketingkenn- zahlensysteme eingeführt werden sollen. Strategisches vs. operatives Marketingcontrolling Einen anderen Zugang zu den Aufgaben des Marketingcontrollings ergibt die Unterschei- dung in strategische und operative Aufgaben des Marketings. Danach liegen die strategi- schen Aufgaben schwerpunktmäßig in der Analyse von Wettbewerbsmärkten, der Suche nach Zielgruppen, der Segmentierung von Teilmärkten, der Identifikation und der Aus- wahl von Zielsegmenten und strategischen Geschäftsfeldern sowie der Positionierung samt Marketingstrategien zur Verbesserung der Wettbewerbsposition. Die Aufstellung strategischer Marketingpläne stellt deshalb eine besondere Herausforderung dar, weil viele Ziele nicht monetärer Art sind (z. B. Bekanntheitsgrad, Image von Produkten). Hier gerät ein rechnungswesenbasiertes Controllingdenken schnell an seine Grenzen. Weil erfolgsrechnerische Größen (Periodengewinn, Deckungsbeitrag etc.) zwar auch vom Erfolg des Marketings abhängen, dessen Einfluss sich einer rein kostenrechnerischen Erfolgser- mittlung aber in weiten Teilen entzieht, entstehen hier für die Ermittlung eines Return on 45 Marketing besondere Herausforderungen. Das betrifft dann logisch auch die Plankontrolle sowie die Abweichungsanalysen. Operatives Marketing hingegen ist im Kern die ausgewo- gene und zielführende Zusammenführung aller möglichen Marketinginstrumente in den Marketingmix, bestehend aus der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspo- litik. 3.2 Instrumente des Marketingcontrollings Auch die Instrumente des Marketingcontrollings sind derart umfangreich, dass zwangsläu- fig eine Kategorisierung durchgeführt und eine Auswahl für die Darstellung getroffen wer- den muss. Zur Systematisierung bieten sich die Unterscheidung in strategische und operative Con- trollingaufgaben an, dann sind die Instrumente wie folgt zu unterscheiden (nach Reinecke 2005, S. 135): 1. Unterstützung der strategischen Marketingplanung und strategische Überwachung: a) Frühwarn-/Früherkennungs- und Aufklärungssysteme b) Branchenstrukturanalysen c) Stärken-Schwächen-Profile d) Benchmarking e) Portfolios f) Segmentierungs-, Image- und Positionierungsstudien g) Kundenwertrechnungen, Marktwertrechnungen h) Investitionsrechnungen i) langfristige Budgetierung j) Audits und Checklisten k) Kontrolle der Marketing- und Vertriebskernaufgaben 2. Unterstützung der operativen Marketingplanung und operative Marketingkontrolle: a) Versorgung mit Informationen aus Marktforschung, Außendienstberichten, Absatzstatistik und Rechnungswesen b) Informationen zur Planung und Abstimmung des Marketingmix c) kurzfristige Budgetierung d) Kontrolle des Marketingmix e) Marktleistungsgestaltung f) Preisgestaltung g) Kommunikationsgestaltung h) Distribution i) Ergebnis- und Abweichungsanalysen j) Beschwerdeanalysen 3. Übergreifende Koordinationsaufgaben: a) Gestaltung von Kennzahlensystemen für Marketing und Verkauf b) Gestaltung von Anreiz- und Provisionssystemen c) Target Costing 46 d) Analyse, Planung und Kontrolle von Marketing- und Verkaufsprojekten e) Analyse, Planung und Überwachung von Kooperationen f) Wissensmanagement Es ist aber auch möglich, die Instrumente nach den Controllingfunktionen (Informations- versorgung, Budgetierung/Planung, Kontrolle und Koordinierung/Steuerung), für die sie genutzt werden, zu kategorisieren. Ausgewählte Instrumente Einige der oben aufgeführten Instrumente sind bereits aus anderen Zusammenhängen bekannt. Das zeigt wieder einmal, dass es sich beim Controlling um eine Querschnittsauf- gabe handelt und dass viele Methoden und Instrumente der Managementlehre in unter- schiedlichen Zusammenhängen und mit ganz unterschiedlichen Erkenntnisinteressen ver- wendet werden können. An dieser Stelle kann nur auf einige typische Instrumente hingewiesen werden, die jeweils ein Spezifikum einer Fragestellung oder einer Vorgehensweise darstellen. Frühwarn-/Früherkennungs- und Aufklärungssysteme Die strategische Frühaufklärung gibt der Umfeldanalyse eine dynamische Perspektive. Ausgehend vom Status quo und der mehrperiodischen Trendanalyse aus Vergangenheits- daten wird versucht, die zukünftige Entwicklung derjenigen Indikatoren vorherzusagen, die für die Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit aussagekräftig und maßgeblich sind. Das Design und die Implementierung dieser Systeme ist eine typische Aufgabe des strate- gischen Controllings. Die bisher zur Verfügung stehenden Instrumente und Verfahren kön- nen ihrer Genese nach in den drei Entwicklungsstufen der Ersten, Zweiten und Dritten Generation geordnet werden. Die Verfahren, die unter dem Oberbegriff der „Ersten Generation“ zusammengefasst wer- den, haben eine qualitative Verbesserung und Weiterentwicklung der operativen Unter- nehmensplanung zum Gegenstand. Die dort durchgeführten Analysen mit Kennzahlen zur Beurteilung von Rentabilität, Liquidität und Finanzierungsstruktur werden anhand von Plausibilitätsannahmen in zukünftige Solldaten hochgerechnet. Das grundsätzliche Vorge- hen ist dabei so einfach, wie es klingt: Trends, die aus den Entwicklungen der Daten der Vergangenheit identifiziert werden können, werden in zukünftige Entwicklungen fortge- schrieben. Das Grundproblem liegt vor allem in der mangelnden Vorlauffunktion und der Nichtbe- rücksichtigung von Diskontinuitäten (unregelmäßige Verläufe) und Strukturbrüchen (unterbrochene Verläufe) begründet. Der erstgenannte Kritikpunkt an dem System der „Ersten Generation“ führte zur Entwicklung von Indikatoren, die zukünftige Entwicklungen bereits in der Planungsperiode identifizierbar machen sollen, also eine „Vorlauffunktion“ wahrnehmen (indikatorgestützte Ansätze der „Zweiten Generation“). 47 Es ist nun Aufgabe des strategischen Controllings, gemeinsam mit der Unternehmenslei- tung solche Indikatoren festzulegen, die externe und interne Einflussgrößen auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens und seines Umfelds sowie die Sicherstellung einer erfolgreichen Wettbewerbspositionierung treffsicher und aussagekräftig abbilden. Zur Ermittlung der relevanten Indikatoren werden nach den Ansätzen der „Zweiten Gene- ration“ Ursachenketten gebildet. Dazu wird die Frage beantwortet, welche Einflussfakto- ren wie auf eine Zielgröße einwirken. Die indikatorgestützten Ansätze der „Zweiten Generation“ werden nach wie vor weiterent- wickelt. Dabei steht die Aufgabe im Vordergrund, durch den Einsatz der Methode des ver- netzten Denkens und der entsprechend weiterentwickelten Informationstechnologien die Prognosefähigkeit der ansonsten sehr praktikablen Indikatorenansätze weiter zu verbes- sern. Die strategischen Frühaufklärungssysteme der „Dritten Generation“ treten an, das Prob- lem der Berücksichtigung von Diskontinuitäten und Strukturbrüchen zu beseitigen. Diese Modelle behaupten zwar nicht, externe Schocks und Strukturbrüche zuverlässig prognos- tizierbar zu machen, die Vorhersage ausreichend wahrscheinlich eintretender Ereignisse soll nach diesen Modellen allerdings durch die Wahrnehmung sogenannter „schwacher Signale“ möglich sein. Die Frühaufklärungsmodelle, die auf schwache Signale setzen, entwickeln keine neuen Instrumente, sondern versuchen, den optimalen zeitlichen Einsatzpunkt strategischer Maßnahmen zu bestimmen. Die Kunst des strategischen Controllings ist es nun, zusam- men mit der Unternehmensleitung für die oben beschriebenen Strategien die unterneh- mensindividuelle Festlegung der jeweiligen Instrumente und vor allem deren optimale Einsatzzeitpunkte festzulegen. Die Szenariotechnik ist geeignet, Entwicklungsalternativen des Unternehmensumfelds abzubilden. Ziel ist es dabei nicht, die Wahrscheinlichkeiten des Eintretens verschiedener Umfeldentwicklungen abzubilden, sondern deren konkretes Zustandekommen transpa- rent zu machen. Als „Szenario“ wird ein Bild von einem zukünftigen Zustand bezeichnet. Dieses Zukunfts- bild wird zunächst von der heutigen Situation aus betrachtet. Mit zunehmendem Zeitver- lauf werden die Einflussfaktoren, die die heutige Situation bestimmen, ihre Wirkung ver- lieren und neue Einflüsse auf die zukünftigen Situationen wirken. Somit ist aus heutiger Sicht eine Bandbreite von Szenarien denkbar, die sich zwischen der denkbar besten (Best Case) und schlechtesten (Worst Case) Situation ausbreitet. Aufgabe der Szenariotechnik ist es nun, aus den möglichen Szenarien mehrere alternative zukünftige Situationen und deren jeweilige Entwicklungspfade zu beschreiben. Grafisch wird dieses Vorgehen mit einem Trichter beschrieben, der die mit dem Zeitverlauf breiter werdenden Möglichkeiten der Entwicklung darstellt: 48 Abbildung 13: Szenariotrichter Quelle: Stefan Frigger, 2014. Der Trichter wird durch das beste und das schlechteste denkbare Szenario begrenzt. Wird vom gegenwärtigen Ausgangspunkt von einem Entwicklungspfad a ausgegangen, wird sich ohne Veränderung der Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen ein Szenario A ergeben. Kommt es in der Zukunft zu einem Störfall, einer Diskontinuität des Szenarios A (Pfeil), wird sich der Entwicklungspfad ändern. Kommt es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Gegenmaßnahme, wird der Entwicklungspfad b eingeschlagen, der im Szenario B endet. Mittlerweile steht zur Unterstützung der Szenariotechniken ausgereifte Software zur Verfü- gung. Obwohl dieses Instrument der strategischen Planung und Kontrolle aufwendig und komplex ist und hohe Anforderungen an die Qualität der zugrunde liegenden Daten stellt, überwiegt der Vorteil der intellektuellen Durchdringung zukünftiger Einflussfaktoren auf die Entwicklungstrends. Portfolios Die zentralen Methoden zur Informationsaufnahme und zur Entscheidungsvorbereitung strategischer Unternehmensplanung sind die Portfolioanalysen. Portfoliotechniken stammen ursprünglich aus der Finanzwirtschaft (Portfolio Selection Theory). Sie haben die optimale Zusammenstellung eines Wertpapierportfolios (frz.: portefeuille = Geldbeutel) zum Gegenstand. Die Erkenntnis dieser finanzwirtschaftlichen Ansätze ist, dass unter Berücksichtigung der zukünftigen Risiken und Renditen eine ausge- glichene Mischung die Erfolg versprechendste Anlagestrategie ist. Diese „Strategie der Ausgewogenheit“ wird nun auf die Ausstattung der strategischen Geschäftsfelder mit Mar- ketingbudgets übertragen, indem die verschiedenen strategischen Geschäftseinheiten wie Anlagealternativen betrachtet werden. 49 Die Entwicklungsperspektive führt die Grundidee des Produktlebenszyklus fort. Es wird davon ausgegangen, dass die betrachteten strategischen Geschäftseinheiten die idealtypi- schen vier Phasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung durchlaufen. Unter dieser Voraussetzung lässt sich die Entwicklung der betrachteten strategischen Geschäftseinhei- ten jeweils einzeln und in der Gesamtschau einschätzen und beurteilen. Es mag z. B. auf den ersten Blick zwar innovativ und zukunftsorientiert wirken, möglichst viele strategische Geschäftseinheiten in der Einführungsphase zu haben, da diese aber noch keinen positiven Cashflow erwirtschaften, können einem Unternehmen mit einem solchen Portfolio sehr schnell Finanzierungsschwierigkeiten erwachsen. Vice versa kann ein Portfolio, das überwiegend oder ausschließlich mit strategischen Geschäftseinheiten in der Reifephase bestückt ist, zwar einen hohen Cashflow generieren, aber in dem Augen- blick, in dem deren Sättigungsphase einsetzt, verfügt das Unternehmen dann über keinen zukunftssichernden Cashflow für strategische Geschäftseinheiten in der Einführungs- oder Wachstumsphase. Grafische Darstellung von Portfolios Die Darstellung der Portfolioanalyse erfolgt anhand einer zweidimensionalen Grafik, die immer dem gleichen Grundschema folgt. Das grundsätzliche Problem ist dabei, dass mul- tivariate Zusammenhänge nicht dargestellt werden können. Dieses Problem der Komple- xitätsreduktion auf lediglich zwei Faktoren ohne Verlust der Vollständigkeit, Genauigkeit und Sensibilität gilt in der Wissenschaft nach wie vor als ungelöst. In der Grundstruktur der Portfolioanalyse werden umfeldbezogene Faktoren unterneh- mensinternen Faktoren gegenübergestellt. Die Merkmalsausprägungen werden durch eine Trennung in Kategorien voneinander unterschieden, sodass sich bei einer Trennung in zwei Kategorien vier Felder ergeben. Werden mehr Kategorien voneinander getrennt, ent- stehen dementsprechend mehr Felder. Aufgrund der in der Matrix entstehenden Felder lassen sich Typologien entwickeln und Handlungsempfehlungen ableiten. Es sind die großen Unternehmensberatungen, die die Portfoliotechniken in Theorie und Praxis etabliert haben. Namentlich die Boston Consulting Group (BCG) und McKinsey füh- ren seit Jahrzehnten Analysen und Besprechungen anhand dieser Modelle durch. Darin liegt auch die große Attraktivität dieser Darstellungen: Sie sind einfach zu skizzieren und bieten eine anschauliche und übersichtliche Diskussionsgrundlage auch in komplexen Ausgangslagen. Sie unterscheiden sich in der Thematik der gegenübergestellten Katego- rien, wie im Folgenden erläutert wird. Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio Die Gegenüberstellung der beiden Variablen relativer Marktanteil und zukünftiges Markt- wachstum geht auf die Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) zurück. Diese Darstellung wird auch das „Boston-I-Portfolio“ genannt, da BCG auch andere Kate- gorien gegenüberstellt. 50 Sie nimmt von ihrer Grundidee her die Erkenntnisse des Lebenszyklus- und des Erfah- rungskurvenmodells auf und führt diese zusammen. Die Produkte durchlaufen einen logi- schen Zyklus: Sie beginnen bei Innovatoren als „Question Marks“ (Fragezeichen). Deren weiterer Lebenslauf ist noch offen. Die aufgelaufenen und aktuellen Investitionen für Ent- wicklung und Markteinführung sind sehr hoch; dementsprechend hoch ist das Risiko eines bei negativem Markterfolg endgültig verbleibenden negativen kumulierten Cashflows. Gelingt es allerdings, das Produkt zu etablieren, können durch die Kostenvorteile und den hohen Marktanteil gegenüber Nachahmern Gewinne abgeschöpft werden, sodass im günstigsten Fall ein positiver kumulierter Cashflow verbleibt. Abbildung 14: Ableitung der BCG-Matrix Quelle: Fischer/Möller/Schultze 2015, S. 161. Die Abbildung zeigt die Grundannahmen des Lebenszyklusmodells und der Erfahrungs- kurve im BCG-Portfolio. (Die „gedrehten“ Achsenbeschriftungen resultieren aus der Dar- stellung des Lebenszyklus und der Lernkurve!) Eine weitere Dimension der grafischen Dar- stellung ist möglich, indem die Kreise, die die Position der einzelnen Produkte bezeichnen, mit Daten gefüllt oder, je nach Erkenntnisinteresse (z. B. den Umsatz), mit unterschiedli- chen Kreisvolumina gezeichnet werden. Die Kernaussage lautet, dass das Risiko des Scheiterns eines Geschäftsfelds mit zuneh- mendem relativen Marktanteil sinkt. Wer den größten kumulierten Gesamtabsatz hat, hat nach der Erfahrungskurve auch den größten Kostenvorteil. 51 Aus dieser Grundüberzeugung heraus ergibt sich dann logisch auch das Ziel, eine ausge- wogene Altersmischung der Produkte sicherzustellen. Sicherlich haben Produkte mit hohem relativen Marktanteil aufgrund des positiven kumulierten Cashflows Renditevor- sprünge („Cash Cows“), Märkte mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten bieten aber dann Potenzial für hohe Renditen, wenn es gelingt, Produkte aus der Einführungsphase rechtzeitig in die Wachstumsphase zu bringen. Das ist aber nur dann möglich, wenn sich eine ausreichende Anzahl von Produkten als „Question Marks“ noch beweisen kann. Stürzen die Produkte im Umsatz nicht vorzeitig ab, durchlaufen sie die Phasen der „Stars“, in denen der „Free Cash Flow“ ins Positive dreht, der „Cash Cows“, in denen der Free Cash Flow seinen Höhepunkt erreicht und schließlich der „Poor Dogs“, in denen die strategische Aufgabe nur noch darin liegt, die Desinvestition des Produkts rechtzeitig, also vor dem Erreichen eines negativen Free Cash Flows vorzunehmen. Die daraus abgeleiteten Normst- rategien für das Marketing sehen dann eine investitionsintensive Offensivstrategie für „Question Marks“ vor, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein dynamischer Finanzausgleich über den gesamten Lebenszyklus-Cashflow realisiert wird. Die Starprodukte, die einen positiven Cashflow aufweisen, können mit diesem zur Investi- tion in Nachwuchsprodukte beitragen oder ihn selbst für notwendige Investitionen in einem Umfeld besonders starken Wachstums und kurzer Lebenszyklen verbrauchen. Bei Geschäftseinheiten, die den Reifegrad der „Cash Cow“ erreicht haben, wird der größtmög- liche Cashflow angenommen. Die Normstrategie heißt hier „Abschöpfen“, da eine weitere Investition nicht mehr zu späteren entsprechend höheren Renditen führen kann. Die Sättigungsphase verlangt die Normstrategie der „Desinvestition“, das bedeutet den geordneten Rückzug ohne jegliche weitere Investition. Da es sich bei den zugrunde liegenden Normstrategien im BCG-Portfolio grundsätzlich um Preis- und Kostenführerschaft handelt, kommt der realistischen Berechnung und Vorher- sage der zukünftigen Cashflows eines Produkts eine überragende Bedeutung zu. Nur so kann sichergestellt werden, dass nur so viele Question Marks auf dem Markt getestet wer- den, wie in Zukunft auch die damit verbundenen Investitionen getragen werden können. Hier wird wieder einmal deutlich, warum Controller ohne tiefgreifende Kenntnisse der Kostenrechnung, aber auch der Investitions- und Finanzierungsrechnungen nicht auskom- men können. Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärken-Portfolio nach McKinsey Der wesentliche Unterschied des Portfolios der Unternehmensberatung McKinsey zur BCG-Matrix ist die Erweiterung um deutlich mehr Erfolgsfaktoren zur Beurteilung der Marktposition einzelner Produkte. Der Vorteil dieses Portfolios liegt in der Möglichkeit, die Kriterien zur Beurteilung der Wettbewerbsstärke und der Marktattraktivität für den indivi- duellen Fall jeweils anzupassen. Auch hier werden den nicht unmittelbar beeinflussbaren unternehmensexternen Daten (Marktattraktivität) solche Daten gegenübergestellt, die selbst zu beeinflussen sind und einen erheblichen Einfluss auf die Marktposition haben (Wettbewerbsstärken). 52 Die Dimensionen, anhand derer die beiden Kategorien unterschieden werden, können z. B. die folgenden sein: Tabelle 5: Beurteilungsdimensionen im McKinsey-Portfolio Wettbewerbsstärke Marktattraktivität Entwicklung des relativen Marktanteils Marktvolumen und Marktwachstum Größe des Unternehmens branchenübliche Rentabilität Kapitalstruktur technologisches Niveau der Branche Rentabilität Wettbewerbsverhalten der Unternehmen Kostenführerschaft Eintritts- und Austrittsbarrieren Prozessexzellenz in der Produktion rechtliche Rahmenbedingungen Standortvorteile Stakeholdermacht Ressourcenzugang Ressourcenabhängigkeit der Branche Innovationsfähigkeit Globalisierung der Branche Qualität Energie- und Rohstoffpreise Qualifikationsstand der Mitarbeiter Preise

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