Personalmanagement - TM02 PDF
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Fachhochschule des Mittelstandes (FHM)
Walter Niemeier, Sebastian Rauch
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This document provides an overview of personal management, covering topics such as the concept of personal management, its various fields, and a roadmap. The document also discusses several crucial aspects of human resource management including planning, recruitment, training, employee retention, and termination.
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Prof. Dr. Walter NiemeierProf. Dr. Walter Niemeier | Sebastian Rauch Auf einen Blick Qualifikationsziele Die Studierenden lernen im Überblick die zentralen Aufgabenbereiche eines zeitgemäßen Personalmanagements kennen. Sie befassen sich mit der Analyse, Bewertung und Gestaltung aller Personalaspekt...
Prof. Dr. Walter NiemeierProf. Dr. Walter Niemeier | Sebastian Rauch Auf einen Blick Qualifikationsziele Die Studierenden lernen im Überblick die zentralen Aufgabenbereiche eines zeitgemäßen Personalmanagements kennen. Sie befassen sich mit der Analyse, Bewertung und Gestaltung aller Personalaspekte eines Unternehmens. Die Studierenden sollen die Methoden und Vorgehensweisen von Personalplanung, -auswahl, -einsatz, - entwicklung, -erhaltung und -freisetzung verstehen und anwenden können und die wichtigsten Aspekte der Personalführung beherrschen. Am Ende dieses Teilmoduls … ▪ sind die Studierenden in der Lage Zielsetzungen des Personalmanagements zu benenn und im Hinblick auf die Umsetzbarkeit in der Praxis einzuschätzen, ▪ wissen die Studierenden um die Handlungsfelder des Personalmanagements, ▪ sind die Studierenden befähigt, die Bedeutung des Faktors Personal in Unternehmen und Organisationen zu reflektieren. Roadmap Abbildung 1: Wissenslandkarte Personalmanagement (eigene Darstellung) INHALTSVERZEICHNIS AUF EINEN BLICK 1 QUALIFIKATIONSZIELE 1 ROADMAP 2 EINLEITUNG 1 GRUNDLAGEN DES PERSONALMANAGEMENTS 3 BEGRIFF DES PERSONALMANAGEMENTS 3 GESTALTUNGSFELDER DES PERSONALMANAGEMENTS 14 STRUKTUR DES PERSONALMANAGEMENTS 18 ZUSAMMENFASSUNG 22 PERSONALPLANUNG 23 TEILBEREICHE DER PERSONALPLANUNG 26 UMSETZUNG DER PERSONALBEDARFSPLANUNG 29 ZUSAMMENFASSUNG 43 PERSONALBESCHAFFUNG 44 WEGE DER PERSONALBESCHAFFUNG 44 Active Sourcing 49 Reverse Recruiting 53 Employer Branding 54 ZUSAMMENFASSUNG 64 PERSONALEINSATZ 65 GRUNDLAGEN DES PERSONALEINSATZES 65 ZUSAMMENFASSUNG 76 PERSONALENTWICKLUNG 77 GRUNDLAGEN DER PERSONALENTWICKLUNG 77 ZUSAMMENFASSUNG 94 PERSONALERHALTUNG 95 GRUNDLAGEN DER PERSONALERHALTUNG 95 BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT 108 ZUSAMMENFASSUNG 113 PERSONALFREISETZUNG 114 GRUNDLAGEN DER PERSONALFREISETZUNG 114 ZUSAMMENFASSUNG 121 TRENDS IM PERSONALMANAGEMENT 122 HINWEISE AUF WEITERFÜHRENDE LITERATUR UND QUELLEN 126 LITERATURVERZEICHNIS 128 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 133 Einleitung Im Zeitalter der Wissensgesellschaft und der Digitalisierung gewinnen die Mitarbeiter1 als erfolgsbestimmender Faktor an Bedeutung. Das Personalwesen hat sich in seiner Relevanz und Aufgabenstellung in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt. Standen bis Mitte der 1960er Jahre noch die Personalverwaltung und die Sozialfunktion im Vordergrund, so ist heute aus der Personalarbeit eine vorwiegend gestalterische und steuernde Aufgabe geworden, die zunehmend gleichrangig neben den anderen Aufgaben der Unternehmensführung steht. Für die zielorientierte Wirkung des Faktors Personal sind eine systematische Planung, Auswahl, Einsatz, Entwicklung und Freisetzung notwendig. Aufgabe eines modernen Personalmanagements ist es daher, dafür zu sorgen, dass Mitarbeitende in der erforderlichen Anzahl mit adäquater Kompetenz zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit entsprechender Leistungsbereitschaft zur Verfügung stehen. Aufgrund des demografischen Wandels und des Fach- und Führungskräftemangels verändert sich die Konstellation auf dem Arbeitsmarkt zunehmend. Gleichzeitig besteht ein Spannungsfeld mit individuellen Ansprüchen der Beschäftigten, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dies bedeutet, dass veraltete Vorstellungen über Funktion und Rolle des Mitarbeiters als austauschbarer Produktionsfaktor, der eingekauft, eingesetzt und gegebenenfalls entlassen werden kann, nicht mehr greifen und immer stärker in den Hintergrund treten. Die Ressource Mensch ist eine Human-Investition und kann nicht nur als Kostenfaktor des betrieblichen Rechnungswesens betrachtet werden. Damit 1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. 1 einher gehen veränderte individuelle und gesellschaftliche Werteorientierungen und erhöhte Anforderungen an die Führung. Ulrich (1970) betont den Unterschied zwischen Mensch und Maschine: „Der Mensch trägt als Lebewesen einen Sinn in sich selbst und ist nicht nur Mittel zum Zweck; er weist einen Selbstwert auf und stellt selbst Anforderungen an seine Umwelt. Vom menschlichen Standpunkt aus kehrt sich die Mittel-Zweckbeziehung geradezu um: Nicht der Mensch ist ein Mittel zur Erreichung unternehmerischer Ziele, sondern die Unternehmung ist ein Mittel zur Erfüllung menschlicher Zwecke." (S. 246). Das Streben nach Sinnhaftigkeit ist eines der Grundwerte, insbesondere der Generationen Y und Z. Neben dem operativen Personalmanagement wird ein Einblick in das strategische Personalmanagement gegeben und der Anschluss an die Unternehmensführung dargestellt. 2 Grundlagen des Personalmanagements Begriff des Personalmanagements Aufgabe des Personalmanagements ist es, die entsprechenden Bedingungen herzustellen, um der menschlichen Arbeit als wichtiger und erfolgskritischer Faktor Rechnung zu tragen. Dem Personalmanagement kommt eine zunehmend wichtige Aufgabe im Rahmen der Unternehmensführung zu. Damit geht ein historischer Paradigmenwechsel einher: in der Vergangenheit war das Personalmanagement eher ein “Anhängsel“ der Unternehmensorganisation und wurde als Bestandteil der Verwaltung betrachtet. Seit Mitte der 1980er-Jahre verwendet man im deutschsprachigen Raum den Begriff Personalmanagement. Dieser Begriff gilt mittlerweile als Synonym für Personalwirtschaft. Außerdem wird mit der Bezeichnung Personalmanagement hervorgehoben, dass die mitarbeiterbezogenen Aufgaben einen unverzichtbaren Bestandteil des Managementprozesses bilden. Dem systematischen Management von Personal kommt eine für den Erfolg und das Überleben des Unternehmens strategisch wichtige Bedeutung zu. Folgende Aspekte zeigen die zunehmende Relevanz des Themas Personal auf: ▪ Personalkosten sind ein großer Kostenblock in einem Unternehmen – besonders in einem Hochlohnland wie Deutschland; ▪ Je stärker die Rationalisierung und Automatisierung, desto höher werden die Ansprüche der verbleibenden Mitarbeiter; ▪ Der demografische Wandel und der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund bedeuten: Arbeitskräfte werden knapper, älter, bunter; ▪ Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens hängt zunehmend vom Wissen und vom Verhalten der Mitarbeiter ab; 3 ▪ Mitarbeiter werden wichtiger, teurer und ein für den Erfolg entscheidender Produktionsfaktor. Zum Begriff Personalmanagement gibt es in der Theorie und in der Praxis keine einheitliche Auffassung. Im Folgenden werden zwei Definitionen dargestellt: Eine Definition des Begriffs geben Berthel und Becker (2017), die die beiden Aspekte der Verhaltenssteuerung und der Systemgestaltung in den Vordergrund stellen: Definition „Personal-Management im Sinne von Tätigkeiten der Verhaltenssteuerung ist gleichbedeutend mit Führung des Personals, mit »Mitarbeiterführung« durch die unmittelbaren Vorgesetzten und mit Führungsaktivitäten durch andere Führungskräfte, wenn diese im Rahmen der Systemgestaltung geschaffene Systeme handhaben. (...) Personal-Management in seinem zweiten Begriffsteil, der Systemgestaltung, meint Führungstätigkeiten für das Personal. Denn die geschaffenen Systeme existieren für das Personal insofern, als sie sich auf die Mitarbeiter selbst beziehen, indem sie deren Beschaffung, Auswahl, Entwicklung, Vergütung etc. regeln.“ (Berthel & Becker 2017: S. 9). Stock-Homburg & Groß (2019) definieren den Begriff Personalmanagement folgendermaßen: 4 Definition „In der Unternehmensstrategie verankerte Aktivitäten zur Gestaltung der Personalmanagement-Systeme und der Führung von Mitarbeitern bzw. Teams, die der langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens dienen. Die Aktivitäten des Personalmanagements liegen in der Verantwortung aller Bereiche im Unternehmen.“ (Stock- Homburg & Groß 2019: S. 21). Das Verständnis des Personalmanagements differiert je nach Sichtweise darauf. Unterschieden werden vier Perspektiven, daraus leiten sich unterschiedliche Aufgaben für das Personalmanagement ab. Abbildung 2: Systematisierung der Perspektiven zum Personalmanagement (Stock-Homburg & Groß 2019: S. 14) 5 Bei der strategischen Perspektive wird der Zeitraum von drei bis fünf Jahren betrachtet, die langfristigen Aktivitäten des Personalmanagements stehen im Fokus in Abstimmung mit bzw. abgeleitet aus der übergreifenden Unternehmensstrategie. Bei der operativen Perspektive wird kurz- bis mittelfristig agiert, also eher in einem Zeitraum bis sechs Monaten. Beispielhaft ist die Lohn- und Gehaltsabrechnung zu nennen. Die taktische Perspektive vermittelt zwischen der strategischen und operativen Perspektive, hier werden z.B. strategische Ziele auf die operativen Ebenen des Unternehmens bzw. der Unternehmensbereiche übertragen. Bei der administrativen Zielsetzung des Personalmanagements geht es eher um die Verwaltung und Dokumentation der Personalprozesse, z.B. die Dokumentation der Personalauswahl. Bei der wertschöpfenden Perspektive werden die Führungskräfte und Mitarbeiter dabei durch das Personalmanagement unterstützt, Wertschöpfung zu generieren, also die Aufgaben im Interesse des Unternehmens bestmöglich zu erfüllen. Die Förderung von Mitarbeitern ist eine der zentralen Aufgaben. Bei der Wettbewerbsperspektive steht das Erzielen von Wettbewerbsvorteilen im Vordergrund, marktrelevante Aspekte stehen im Fokus. Bei der Personalgewinnung steht die Frage im Raum, mit welchen Kompetenzen eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit erreicht werden kann. Bei der inhaltlichen Perspektive wird nach der systembezogenen und der integrierten Perspektive unterschieden. Systembezogen bedeutet, dass Systeme entwickelt werden, z.B. für eine systematische Personalentwicklung oder Vergütung. Die integrierte Perspektive geht über die systembezogene Perspektive hinaus, sie integriert auch die (individuelle oder teambezogene) Personalführung. Bei der funktionsorientierten Perspektive werden die Aufgaben des Personalmanagements hauptsächlich in der Personalabteilung umgesetzt, bei der übergreifenden Perspektive sind auch die einzelnen Abteilungen für Aspekte des 6 Personalmanagements mit verantwortlich, z.B. bei der Planung von Personalentwicklungsprozessen und der Auswahl von Mitarbeitern. Die Personalwirtschaft verfolgt dabei sowohl wirtschaftliche als auch soziale Ziele. Abbildung 3: Ziele der Personalwirtschaft (eigene Darstellung) Personalmanagement ist interdisziplinär angelegt, es bezieht sich auf verschiedene wissenschaftliche Fachgebiete. So sind arbeitsrechtliche und sozialrechtliche Belange bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zu berücksichtigen. Die Themen Arbeitsschutz, Arbeitssicherheit und besonders Gesunderhaltung der Mitarbeiter gewinnen an Bedeutung. Vor dem Hintergrund der Arbeitsmarkt- und Bevölkerungsentwicklung sind volkswirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Das Personalmanagement ist als Business-Partner der Geschäftsführung mit betriebswirtschaftlichen Aspekten wie Kennzahlen oder Personalcontrolling befasst. Die Arbeitswissenschaften beschäftigten sich mit der Bewertung menschlicher Arbeit, also mit der Planung, Gestaltung, Leistung und Durchführung der Arbeit. Die Arbeits- und Betriebspädagogik betrachtet 7 insbesondere die Lernprozesse im Rahmen der Aus- und Weiterbildung. Die Betriebssoziologie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung von Unternehmen und Gesellschaft wie auch mit sozialen Strukturen in Unternehmen. Die Arbeits- und Organisationspsychologie fokussiert das Verhalten von Menschen in Unternehmen und Organisationen, aber auch deren Beeinflussung und Optimierung. Abbildung 4: Interdisziplinarität des Personalmanagements (eigene Darstellung) Bei der Beschäftigung mit dem Thema Personal ist zunächst die Frage zu beantworten, was Personal ist. Je nach analytischem Ansatz gibt es verschiedene Definitionen: 8 Definition Personal ist „die Gesamtheit der Arbeitnehmer von Organisationen, die zur Realisierung von Geschäftsprozessen und damit zur Leistungserbringung (Performanz Management) beitragen. Arbeitnehmer ist, wer seine Arbeit aufgrund eines Arbeitsvertrages und somit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit verrichtet. Dabei gilt der Begriff Arbeitnehmer herkömmlich als Zentralbegriff des Arbeitsrechts. Zum anderen werden unter den Begriff Personal verstanden: Alle gegenwärtigen Arbeitnehmer, Leitenden Angestellten und Organmitglieder eines Unternehmens bzw. einer Organisation.“ (Nissen 2017: web). 9 Definition „Zum Personal zählen zunächst die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, also Personen, die in Anlehnung an § 84 des Handelsgesetzbuches und § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches auf privatrechtlicher Grundlage, dem Arbeitsvertrag, von einem anderen, dem Arbeitgeber, gegen die Zusage einer Gegenleistung, dem Arbeitsentgelt, beschäftigt werden, also in eigener Person für ihn Arbeit verrichten, und zu diesem Arbeitgeber in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis stehen, also weisungsgebunden sind.“ (Bröckermann 2016: S. 1). Die folgende Abbildung zeigt die Differenzierung von Personal und Arbeitnehmern. 10 „ “ Belegschaft = Beschäftigte = Arbeitskräfte = Mitarbeiter/innen = Personal Arbeit- Organ- Selbst- Arbeit- Heim- Leiharbeit- nehmer mitglieder ständige = nehmer- arbeiter nehmer Freelancer ähnliche Arbeiter- (einfache) leitende Auszubil- Praktikan- (innen) Angestellte Angestellte dende t(inn)en Abbildung 5: Was ist Personal? (Bröckermann 2016: S. 1) Arbeiter, auch gewerbliche Mitarbeiter genannt, üben eine überwiegend körperliche Tätigkeit aus. Angestellte sind kaufmännische und technische Mitarbeiter, die hauptsächlich geistige Tätigkeiten verrichten. Nach Betriebsverfassungsgesetz ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berechtigt ist oder Generalvollmacht bzw. Prokura besitzt. Auszubildende werden zum Zwecke der Ausbildung auf der Basis eines Ausbildungsvertrages beschäftigt. Praktikant ist, wer vorübergehend zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen eine bestimmte betriebliche Tätigkeit ausübt. Wer ein Pflichtpraktikum absolviert, ist kein Arbeitnehmer. Freiwillige Praktika sind in der Regel Ausbildungsverhältnisse. Volontäre arbeiten sich in die Praxis eines journalistischen Berufs ein. 11 Keine Arbeitnehmer, aber doch Beschäftigte, sind die Gesellschafter von Personengesellschaften und Vorstandsmitglieder juristischer Personen, sie sind Organmitglieder. Sie sind für das Unternehmen aufgrund einer besonderen gesellschaftsrechtlichen Beziehung oder auf der Basis eines freien Dienstvertrags tätig. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern stehen die Selbstständigen, also freie Mitarbeiter, zu ihrem Vertragspartner in keinem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis. Trotzdem zählen sie zu den Beschäftigten. Sie werden als sogenannte Freelancer aufgrund von freien Dienstverträgen tätig, mit denen sie sich verpflichten, bestimmte Dienstleistungen zu erbringen. Beschäftigte, die zwar als Selbstständige oder Handelsvertreter bezeichnet werden, aber in die wirtschaftliche Abhängigkeit eines Auftraggebers geraten, sind als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen. Das ist der Fall, wenn sie vertraglich nur für einen Unternehmer tätig werden dürfen oder nach Art und Umfang der von ihnen verlangten Tätigkeit nur für einen Unternehmer tätig sein können, und wenn sie mit dieser Tätigkeit im Durchschnitt der letzten sechs Monate die Hälfte ihrer gesamten Erwerbseinnahmen erzielen. Auch Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter sind arbeitnehmerähnliche Personen. Da sie sich im Auftrag von Gewerbetreibenden gewerblich betätigen, sind sie an sich keine Arbeitnehmer. Regelmäßig stehen Heimarbeiter in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Auftraggeber. Deshalb legt das Heimarbeitsgesetz zu ihrem Schutz unabdingbare Mindestbedingungen fest. Die Leiharbeitnehmer gehören der Arbeitnehmerschaft an, aber nicht der des Unternehmens, in dem sie tätig werden, sondern der eines gewerbsmäßigen Verleihers von Personal. Trotzdem sind sie Beschäftigte des Unternehmens, in dem sie tätig werden, denn sie stellen jenem Unternehmen ihre Arbeitskraft zur Verfügung. Neben vielen Arbeitnehmern sind Beamte im öffentlichen Dienst tätig. Sie arbeiten also nicht auf privatrechtlicher, sondern auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Aus diesem 12 Grund sind sie keine Arbeitnehmer, wohl aber Beschäftigte. Dasselbe gilt für Soldaten und Richter. Wer aufgrund einer familienrechtlichen Pflicht für ein Familienmitglied Arbeitsleistungen erbringt, leistet sogenannte familienrechtliche Mitarbeit, ohne Beschäftigter des Familienmitgliedes oder des Auftraggebers der Arbeitsleistungen zu werden. Arbeitgeber sind alle natürlichen oder juristischen Personen und Körperschaften des öffentlichen Rechts, die mindestens eine Person beschäftigen, der sie für ihre Tätigkeit eine Gegenleistung versprochen haben. Das Unternehmen ist eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit, die aus einem oder mehreren Betrieben, das heißt organisatorischen Gefügen, besteht (vgl. Bröckermann 2016: S. 1 ff.). 13 Gestaltungsfelder des Personalmanagements Die Verwaltungsaufgaben der Personalwirtschaft bezeichnet man als Personalarbeit. Diese Aufgaben sind einerseits ordnender Natur, andererseits gibt es eine Reihe von Vorgängen, die kontinuierlich überwacht werden müssen. Zu den Gestaltungsaufgaben zählen Personalbeschaffung, Personaleinsatz, Personalbeurteilungen, Entgeltfindung und -abrechnung, Personalführung, Personalservice, Personal- und Organisationsentwicklung, Personalfreisetzung sowie Personalcontrolling (vgl. Bröckermann 2016: S. 14). Das Personalmanagement kann idealtypisch in verschiedene Gestaltungsfelder aufgeteilt werden, die alle Anforderungen an die Personalarbeit abdecken. Üblicherweise beginnt das Personalmanagement mit der Personalplanung und endet mit der Personalfreisetzung. Damit ist der Personalzyklus vom Eintritt bis zum Austritt aus der Organisation dargestellt. Dennoch gibt es Elemente der Personalarbeit, die übergeordnete Felder bzw. Felder sind, die über den gesamten Prozess wirken. In der Praxis kann man die genannten Aufgabenfelder der Personalwirtschaft nicht Schritt für Schritt und voneinander getrennt bearbeiten. Die Herausforderungen des Alltags liegen in vernetzten Aufgaben, zu deren Lösung Elemente vieler Aufgabenfelder notwendig sind. So kann z. B. die Personalentwicklung bereits in die Personalplanung und - beschaffung integriert werden und die Personalauswahl auch auf das Entwicklungspotenzial von Bewerbern aufbauen. Im Folgenden ist das Modell des Personalzyklus dargestellt. 14 Abbildung 6: Überblick über das Personalmanagement als Personalzyklus (eigene Darstellung) Aufgabe der Personalplanung und -bedarfsermittlung ist die Feststellung einer Personalunterdeckung oder Personalüberdeckung in qualitativer, quantitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Daran schließt sich die Personalbeschaffung mit der Aufgabe an, das aus der Personalbedarfsermittlung entwickelte Delta bzw. die Überdeckung in qualitativer, quantitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht zu lösen, also Personal nach den genannten Kriterien zu suchen und einzustellen bzw. freizustellen (was nicht automatisch Entlassung bedeuten muss). Im Bereich des Personaleinsatzes wird das Personal entsprechend der Kompetenzen oder der Personalzahlen räumlich oder zeitlich eingesetzt. Neben den betrieblichen 15 Erfordernissen werden immer stärker auch die individuellen Bedürfnisse und Anforderungen des Personals berücksichtigt. Durch Personalentwicklungsmaßnahmen soll der Bedarf in qualitativer, quantitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht gedeckt werden. Das geschieht durch Ausbildung, Fort- und Weiterbildung, Sozialisation in den Betrieb und Entwicklung der Organisation. Personalerhaltung erhält vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, mit dem eine zunehmende Alterung der Belegschaft einhergeht, dem wachsenden Fach- und Führungskräftemangel und dem Wertewandel eine zunehmende Bedeutung. Hierzu gehören Elemente wie Mitarbeiterbindung (Retention Management), betriebliches Gesundheitsmanagement oder betriebliches Eingliederungsmanagement. Personalfreisetzung umfasst die Trennung von Personal nach qualitativen, quantitativen, räumlichen oder zeitlichen Kriterien, wozu sowohl die endgültige oder auch zeitlich befristete Trennung als auch ebenso natürliche wie geplante Trennungsprozesse gehören. Die Gesamtheit aller Human Ressource (HR)-relevanten Themen hat die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) nach zwölf sogenannten HR-Gestaltungsfeldern unterteilt. Die zwölf Gestaltungsfelder decken alle Anforderungen an moderne Personalarbeit ab. 16 Abbildung 7: HR-Gestaltungsfelder (Deutsche Gesellschaft für Personalführung 2004) Mit diesem Modell integriert die DGFP Aspekte moderner Personalmanagements, sie betont sowohl den strategischen Ansatz, die übergeordneten Gestaltungsfelder (die teilweise an das St. Gallener Management-Modell angelehnt sind) als auch die Individualisierung des Personalmanagements, zum Beispiel durch die Lebenszyklusorientierung. 17 Struktur des Personalmanagements Das Personalmanagement hat einerseits eine strategische Bedeutung, also die Betrachtung des Personalmanagements in einer zeitlichen Perspektive von über drei Jahren bis in der Regel fünf Jahre. Die strategische Perspektive des Personalmanagements wird im HRM-Harvard-Ansatz besonders hervorgehoben. „Im Harvard-Ansatz des HRM werden eine strategische Orientierung der Personalfunktion und deren Abstimmung mit der Unternehmensentwicklung gefordert. Der Ansatz ist langfristig ausgerichtet, berücksichtigt verschiedene Anspruchsgruppen und ermöglicht eine hohe Partizipation der Mitarbeitenden.“ (Zaugg 2009: S. 37). Basis ist der Grundgedanke, dass von internen und externen Faktoren die Auswahl und Gestaltung der Personalmanagementsysteme bestimmt wird und sich dieses auf das Mitarbeiterverhalten und die Leistungsfähigkeit des gesamten Unternehmens auswirkt. Die folgende Abbildung zeigt die Einflussvariablen und den Zusammenhang auf (vgl. Dorozolla & Hegewald 2016: S. 16). Abbildung 8: Human Ressource Management nach dem Harvard-Ansatz (Dorozolla & Hegewald 2016: S. 16.) 18 Der Harvard-Ansatz basiert auf einem positiven Menschenbild mit der daraus folgenden Forderung, dass das Personalmanagement potenzialbezogen ausgerichtet werden sollte. Interne und externe Stakeholder beeinflussen die Ausrichtung der Personalpolitik eines Unternehmens. Aber situative Faktoren wie Unternehmensstrategie oder die Werteorientierung haben Einfluss auf die Personalpolitik. In diesem Feld werden die grundsätzlichen Leitlinien des Personalmanagements festgelegt. Aus der operationalisierten Personalpolitik werden konkrete Ziele fokussiert und Ergebnisse erreicht. Die strategische Personalpolitik wie auch das operative Personalmanagement erzielen eine Langfristwirkung, die wiederum Einfluss auf gesellschaftliche oder betriebliche Interessengruppen und auf situative Faktoren haben und den Kreislauf damit schließen. Im Sinne des strategischen Personalmanagements ist es hilfreich und korreliert mit dem Harvard-Ansatz, das St. Galler Management-Modell strukturell im Sinne eines Transfers der sechs Grundkategorien mit ihren Teilkategorien im Hinblick auf den Einfluss auf die Personalmanagement-Strategie einzubinden. Die Grundkategorien sind ▪ Umweltsphären ▪ Anspruchsgruppen ▪ Interaktionsthemen ▪ Prozesse ▪ Ordnungsmomente ▪ Entwicklungsmodi. 19 Abbildung 9: St. Galler Management-Modell (Rüegg-Stürm 2003: S. 22) Die operative und strategische Perspektive des Personalmanagements betrachtet Becker (2005). Er hat eine Matrix entwickelt, in der er mit Hilfe von vier Kategorien betrieblicher Personalarbeit das Personalmanagement verortet. Damit lässt sich die Personalmanagement-Praxis in Bezug auf den Konzeptionsgrad und den Aktionsgrad bewerten. Der Konzeptionsgrad meint die Fähigkeit der Personalarbeit, personalpolitische Konzepte zur Bewältigung turbulenter Zeiten zu entwickeln, unter Aktionsgrad wird die Fähigkeit verstanden, diese Konzepte in konkrete personalwirtschaftliche Aktivitäten umzusetzen. 20 Abbildung 10: Vier Kategorien der Personalarbeit (Becker 2005: S. 18) 21 Zusammenfassung Personalmanagement schafft die Bedingungen moderner Personalarbeit in Unternehmen. Dabei berücksichtigt es die sich verändernden Faktoren auf gesellschaftlicher, Unternehmens- und individueller Ebene. Personalmanagement umfasst die systemische Ebene wie auch die Ebene der Führung, wie sie in den beiden Definitionen dargestellt wird. Der Personalmanagementzyklus, der die Aspekte der systemischen und der Führungs- Ebene beinhaltet, umfasst dabei den Zyklus von der Personalplanung, der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes, der Personalentwicklung, der Personalerhaltung bis zur Personalfreisetzung. Dabei werden die Rahmenbedingungen wie auch Trends eingebunden. Der Harvard-Ansatz betont insbesondere die strategische Dimension, er fokussiert dabei auf die Potenzialorientierung. Eine Einordung des Personalmanagements auf strategischer und operativer Ebene ist mit der Matrix von Becker (2005) möglich. 22 Personalplanung Die Personalplanung ist darauf ausgerichtet, freie Stellen zeitlich befristet oder unbefristet zu besetzen. Personal soll in der erforderlichen Anzahl mit der erforderlichen Kompetenz zu dem für die Erstellung der betrieblichen Leistung notwendigen Zeitpunkt oder Zeitraum an dem jeweiligen Einsatzort verfügbar sein. Die Personalbeschaffung wird auch als Recruitment, Recruiting, Rekrutierung, Mitarbeiter- oder Personalakquisition bezeichnet (vgl. Bröckermann 2016: S. 29). Mit den gesellschaftlichen Megatrends wie dem demografischen Wandel, dem Wertewandel, der zunehmenden Dynamik und Komplexität, der Digitalisierung etc. erhält die Personalplanung einen hohen Stellenwert in der Unternehmensplanung. Vor dem Hintergrund der komplexen Zusammenhänge der VUCA-World reicht eine ausschließlich operative Personalplanung nicht mehr aus, die strategische Personalplanung wird zunehmend wichtig in der Unternehmensstrategie. VUCA als Acronym steht für volitality, uncertainty, complexity, abigutity. Damit wird gesagt, dass schnelle, schwankende Entwicklungen mit Unvorhersehbarkeiten einhergehen. Gleichzeitig steigt die Zahl von Einflussfaktoren und deren gegenseitiger Abhängigkeiten bzw. Interaktionen. Ambiguität beschreibt die Mehrdeutigkeit einer Situation oder Information. Diese vier Aspekte beeinflussen die Unternehmenswelt und das Personalmanagement zunehmend. Das Erfordernis, die Personalplanung in die Unternehmensplanung zu integrieren, ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit, denn sie ist bezüglich der übrigen Teilplanungen (insbesondere Absatz-, Investitions- und Finanzplanung) des Unternehmens interdependent (vgl. Berthel & Becker 2017 S. 665 f.). Die Absatzplanung hat maßgeblichen Einfluss auf die Anzahl und die erforderliche Kompetenz des benötigten Personals. Auswirkungen hat darüber hinaus die Investitionsplanung, wenn z. B. weitere 23 Filialen oder neue Produktionsstätten errichtet werden. Der Personalbereich beeinflusst wiederum die Finanzplanung mit den aktuellen und zukünftigen Personalkosten. Aber auch umgekehrt beeinflusst die Personalplanung die Teilplanungen. Das ist dann relevant, wenn es einen Fachkräftemangel und es dadurch einen Engpassfaktor gibt wie z.B. im sozialen Sektor, in der Pflege oder in technischen Bereichen. Der Engpass bestimmt dann die Teilplanungen und die Gesamtplanung. Die Gesamtstrategie ergibt sich aus mehreren Teilstrategien, z.B. der Produkt- und Marktstrategie, der Personalstrategie und der Finanzstrategie. Wenn sich Unternehmensstrategie und Personalstrategie gegenseitig bedingen, ist das die zielführendste Strategie. Abbildung 11: Personalplanung als Teil der Unternehmensplanung (Berthel & Becker 2017: S. 666) Die Aufgabe der Personalplanung ist es, die Leistungsfähigkeit und Zielerreichung des Unternehmens zukunftsorientiert und langfristig zu sichern. 24 Bei der Personalbedarfsermittlung wird die Personalunterdeckung oder Personalüberdeckung in qualitativer, quantitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht festgestellt. Bei der strategischen Personalplanung umfasst der Betrachtungszeitraum drei bis fünf Jahre und orientiert sich vor allem an der Unternehmensstrategie und deren Teilstrategien. Bei der operativen Personalplanung liegt der Betrachtungszeitraum in der Regel bei bis zu einem Jahr. Die ausschließliche Betrachtung der quantitativen Kriterien führt schnell zur Fehlbesetzung. „Die Information, dass drei Mitarbeiter benötigt werden, ist aussagearm, wenn nicht hinzugefügt wird, dass es sich dabei z. B. um einen Buchhalter, Verkäufer und einen Mechaniker handelt.“ (Olfert 2005: S. 67). Die Demografieanalyse der Altersstruktur ist eine einfache und schnelle Methode, die Zusammensetzung der Mitarbeiter zu analysieren, sie bildet eine gute Grundlage für die weitere Planung. Die Analyse setzt auf der Abteilungsebene an und wird dann für Unternehmensteile bis zum gesamten Unternehmen fortgeführt. Die wesentlichen Veränderungen in der Mitarbeiterstruktur sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Zugänge Abgänge Neueinstellung Kündigung Rückkehr nach der Familienphase Übergang in Rente (Eltern- oder Pflegezeit) Übernahme von Auszubildenden Auslaufen von Zeitverträgen Wiedereinstieg nach Krankheit Krankheit, Unfall Wiedereinstieg nach Beurlaubung oder Sabbatical, Langzeiturlaub Sabbatical 25 Arbeitsgerichtsentscheidung langfristige Qualifizierung Todesfall Abbildung 12: Gründe für Veränderungen der Mitarbeiterstruktur (eigene Darstellung) Teilbereiche der Personalplanung Im Fokus sowohl der strategischen als auch operativen Personalplanung steht die Sicherstellung der optimalen Stellenbesetzung zur Sicherung der Unternehmensziele in Bezug auf Qualität und Quantität, Vermeidung von Personalengpässen oder Überkapazitäten sowie Vermeidung von Folgekosten durch Personalveränderungen. Die Teilbereiche der Personalplanung sind sowohl für die strategischen als auch für die operativen Aspekte relevant. Teilbereiche der Personalplanung sind: ▪ Personalbedarfsplanung, ▪ Personalbeschaffungsplanung, ▪ Personalfreisetzungsplanung, ▪ Personalentwicklungsplanung. Die Bereiche der Personalplanung lassen sich grafisch folgendermaßen darstellen: 26 Abbildung 13: Funktionen der Personalplanung (Horsch 2006: S. 11) Bei der Personalplanung gilt es, verschiedene Prinzipien zu bedenken (vgl. Bröckermann 2016: S. 29 ff.) Die Personalbeschaffung muss sich am Arbeitsmarkt orientieren, wobei das Arbeitsmarktprinzip eine rechtzeitige und fundierte Planung bedingt. Zudem 27 bestimmen die Gewohnheiten und Erwartungen der Interessenten die Auswahl der Personalbeschaffungswege. Neuzugänge sollten nach dem Flexibilitäts- und Personalbindungsprinzip möglichst vielseitig sein, sich aber zugleich dauerhaft an das Unternehmen binden. Dem Personalpassungsprinzip zufolge will man leistungsfähige und -willige, verträgliche Beschäftigte gewinnen, deren Eignung sich dauerhaft mit den an sie gestellten Anforderungen deckt. Die Personalauswahl dient allein der Ermittlung der Passung. Sie darf das Prinzip der Menschenwürde nicht verletzen. Das Diversity-Prinzip besagt, dass in der Belegschaft verschiedene Bevölkerungsgruppen und Geschlechter in einem angemessenen Verhältnis vertreten sein sollten. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erhebt der Gesetzgeber das Diversity- Prinzip zur Verpflichtung, die alle Beschäftigten und Bewerber betrifft. Der Arbeitgeber muss Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern oder beseitigen, auch und gerade bei der Personalbeschaffung. Im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips gilt es insbesondere, das Arbeitsrecht inklusive des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu beachten. Das Vertragswerk muss rechtssicher gestaltet werden. 28 Umsetzung der Personalbedarfsplanung Der Beschaffungsprozess lässt sich in folgende Phasen gliedern: 1. Ermittlung des quantitativen und qualitativen Netto-Personalbedarfs mit Hilfe der Personalplanung, 2. Gewinnung und Analyse personalbeschaffungsrelevanter Informationen (Arbeitsmarktmarktforschung), 3. Erstellung einer Personalanforderung, 4. Festlegung von Beschaffungswegen und -arten, 5. Maßnahmenplanung (Termine, Beteiligte), 6. Durchführung eines mehrstufiges Personalauswahlverfahrens, 7. Entscheidung für einen Bewerber, 8. Vertragliche Bindung und Regelung der Arbeitsbedingungen, 9. Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Im ersten Schritt erfolgt die Personalbestandsplanung. Dabei wird der aktuelle Personalbestand bezogen auf einen bestimmten Stichtag analysiert. Daraufhin wird der ermittelte aktuelle Personalbestand in die Zukunft perspektivisch fortgeschrieben. Dabei müssen Einflussfaktoren und deren Wahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Beispielhaft werden im Folgenden einige interne Einflussfaktoren genannt: ▪ Erweiterung oder Reduzierung der Produktion, ▪ Umstellung auf neue Produkte, ▪ Start neuer Entwicklungsvorhaben, ▪ Kooperation/Joint Venture mit anderen Unternehmen, 29 ▪ Übernahme anderer Unternehmen, ▪ Verlagerung des Unternehmens oder von Teilen an andere Standorte im In- oder Ausland, ▪ Umstrukturierung des Unternehmens (Veränderung der Aufbau- oder Ablauforganisation), ▪ Outsourcing (d. h. Übertragen von Aufgaben, die bislang im eigenen Unternehmen erledigt wurden, an andere Firmen). Je genauer die Prognosen sind, desto genauer kann die Planung erfolgen. Im besten Fall werden nur die verifizierten Informationen berücksichtigt. Dies sind insbesondere bereits feststehende personelle Einzelmaßnahmen (Personalbeschaffung, -anpassung und -entwicklung) sowie Kennzahlen aus der Vergangenheit (das können z. B. Fluktuationsraten oder Ausfallraten sein). Der Bruttopersonalbedarf ist für die jeweilige Mitarbeitergruppe als Soll-Wert in Bezug auf die Anzahl der zur Durchführung der betrieblichen Aufgaben notwendigen Mitarbeiter zu bestimmen. Eingeplant werden muss eventuell ein erforderlicher Reservebedarf, der Risiken wie Krankheitsausfall, Urlaub oder Mitarbeiterfluktuation auffangen kann. Der Saldo zwischen Bruttopersonalbedarf und Personalbestand, der sogenannte Nettopersonalbedarf, ergibt zu den jeweiligen Betrachtungszeitpunkten entweder eine Personalüberdeckung oder eine Personalunterdeckung. Die folgende Grafik zeigt den Ablauf der Personalbedarfsplanung schematisch: 30 Abbildung 14: Ablauf der Personalbedarfsplanung (Berthel & Becker 2017: S. 314) 31 Hinweis auf Film Personalplanung und Personalbedarf einfach erklärt Stellenplanmethode In der Praxis wird häufig die Stellenplan- oder Stellenmethode angewandt, die dann zu exakten Ergebnissen führt, wenn genaue Informationen vorliegen. Man zeichnet die Veränderungen im Stellengefüge, soweit absehbar, auf. Dadurch wird deutlich, dass die Streichung von Stellen oftmals durch neue Stellen in der gleichen oder einer anderen 32 Abteilung ausgeglichen wird. Bezugsgröße ist die gegenwärtige und die künftige Organisationsstruktur des Unternehmens. Dabei wird anhand von Stellenplänen und der dazugehörigen Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofile, die in die Zukunft fortgeschrieben werden, der künftige Personalbedarf unter Berücksichtigung der geplanten Veränderungen im Unternehmen ermittelt. Der gravierende Nachteil der Methode, dass aus dem in der Vergangenheit herrschenden Status quo, der sich in dem Stellenplan ausdrückt, der zukünftige Personalbedarf abgeleitet wird, lässt sich nur vermeiden, wenn alle potenziellen Veränderungen in den Aufgabenfeldern, dem Produktions- und Absatzprogramm, den geplanten Investitionen, der Arbeitszeit und der Produktivität, in ihrer Wirkung auf den Personalbedarf einbezogen werden. Die Methode ist für Betriebe aller Größenordnungen besonders zur Ermittlung des kurz- und mittelfristigen Personalbedarfs geeignet. Abbildung 15: Stellenplan (eigene Darstellung nach Bröckermann 2016: S. 34) 33 Hinweis auf Film Stellenplanmethode einfach erklärt Stellenbesetzungsplan Der Stellenbesetzungsplan stellt in Form eines Organigramms die Stellen in ihrer hierarchischen Gliederung dar. Anhand des Plans können Kerninformationen auf den ersten Blick gewonnen werden. Der Stellenbesetzungsplan basiert auf dem jeweiligen Stellenplan und zeigt, ▪ ob Stellen besetzt sind (wenn nicht: Vakanz), ▪ von wem die Stellen besetzt sind. 34 Abbildung 16: Stellenbesetzungsplan (eigene Darstellung nach Bröckermann 2016: S. 33) Stellenbeschreibung Die Stellenbeschreibung stellt mit der Auflistung der durchzuführenden Aufgaben eine wichtige Grundlage für die Besetzung dar. Im Idealfall gibt sie auch Auskunft über die erforderlichen Kompetenzen des benötigten Personals, das heißt über das AnforderungsprofiI, dem der Stelleninhaber genügen muss. Die Kenntnis der Anforderungen jedes Arbeitsplatzes ist eine wichtige Voraussetzung für eine optimale Stellenbesetzung. Diese beruht auf einem Vergleich der Stellenanforderungen mit den Kompetenzen der Bewerber (Soll-Ist-Vergleich). Als Kompetenzen bezeichnet man die Fähigkeiten, die Menschen in die Lage versetzen, sich in offenen und unüberschaubaren, komplexen und dynamischen Situationen selbstorganisiert zurechtzufinden. Kompetenzen lassen sich damit als Fähigkeiten, sich selbst zu organisieren, beschreiben. Kompetenzen sind notwendig, um in der von Unsicherheit geprägten Welt selbstorganisiert handlungsfähig zu sein, sie sind Selbstorganisationdispositionen. Dazu zählen die personale Kompetenz, die Aktivitäts- 35 und Handlungskompetenz, die Fach- und Methodenkompetenz und die sozial- kommunikative Kompetenz. ▪ Personale Kompetenzen sind Fähigkeiten, reflexiv selbstorganisiert zu handeln. ▪ Aktivitätsbezogene Kompetenzen sind Fähigkeiten, aktiv und gesamtheitlich selbstorganisiert zu handeln und dieses Handeln auf die Umsetzung von Absichten, Vorhaben und Plänen zu richten. ▪ Fachlich-methodische Kompetenzen sind Fähigkeiten, bei der Lösung von gegenständlichen Problemen selbstorganisiert zu handeln. ▪ Sozial-kommunikative Kompetenzen sind Fähigkeiten, kommunikativ und kooperativ selbstorganisiert zu handeln. Die Ausprägung der vier Kompetenzbereiche sagt etwas aus über individuelle Schwerpunkte und Handlungsmöglichkeiten. So ist das Kompetenzprofil eines Bilanzbuchhalters anders als das eines Sozialarbeiters. Ein Instrument zur Diagnose des persönlichen Profils ist KODE®, das von Heyse und Erpenbeck entwickelt wurde. Mittels eines Fragebogens werden die Ausprägungen der individuellen Kompetenzen gemessen und können anhand des Kompetenzatlas dargestellt und interpretiert werden. 36 Abbildung 17: Abbildung 8: Kompetenzatlas (©KODE GmbH 2019) 37 Hinweis auf Film Wie messe ich Kompetenzen? Um die Kompetenz des benötigten Personals abschätzen zu können, bedarf es genauer Informationen über die Aufgaben, die innerhalb einer Stelle wahrgenommen werden. Diese Informationen liefern Stellenbeschreibungen. 38 Abbildung 18: Stellenbeschreibung (Bröckermann 2016: S. 42) Die Stellenbeschreibung selbst gibt aber noch keine Auskunft über die erforderliche Kompetenz des benötigten Personals, also über das Anforderungsprofil, dem der Stelleninhaber/-bewerber genügen muss. Die Stellenbeschreibung ist aber die Grundlage für die Ermittlung des Anforderungsprofils, denn sie enthält Angaben über die Aufgaben, die der Stelleninhaber wahrzunehmen hat. Mit einer Anforderungsanalyse ermittelt man, welche Faktoren und Verhaltensweisen bei der Aufgabenerfüllung mehr oder weniger Erfolg versprechend sind. Dabei finden 39 verschiedene Verfahren Anwendung: Szenariotechnik, Schätzverfahren und Expertenbefragungen sowie Trendverfahren. Zudem kann man die Critical Incidents Technique einsetzen. Dabei werden in einem festgelegten Zeitraum alle positiven und negativen Begebenheiten dokumentiert, die auf der betreffenden Stelle beobachtet wurden. Oft lassen sich daraus Anforderungen ableiten. Eine in der Regel wenig aufwändige Ermittlung der benötigten Informationen kann das Personalwesen in Zusammenarbeit mit den Fachvorgesetzten durch mündliche oder schriftliche Befragungen vornehmen: ▪ der ehemaligen oder derzeitigen Stelleninhaber, ▪ des Kollegenkreises, ▪ der Führungskräfte, gegebenenfalls auch ▪ der Kunden und Lieferanten, mit denen der Stelleninhaber Kontakt halten muss. Hier hängt die Aussagefähigkeit der Ergebnisse allerdings in hohem Maße von der Bereitschaft der Betroffenen zur Mitwirkung ab. Für die Anforderungsanalyse müssen Anforderungskriterien definiert werden, etwa Qualifikations- oder Kompetenzfelder. Das geschieht durch eine analytische Arbeitsbewertung. Dabei werden die Arbeitsanforderungen in Anforderungskriterien zerlegt. Jedes Anforderungskriterium wird einzeln einer wertenden Betrachtung unterzogen. Mit der Festlegung der Anforderungskriterien und -merkmale entsteht ein sogenannter Anforderungskatalog. Er sollte ▪ die Stelle identifizieren, beispielsweise durch Stellennummer, Stellenbezeichnung, Abteilung, Kostenstelle und Vergütungsgruppe, 40 ▪ allgemeine Anforderungskriterien wie Alter und Geschlecht nennen, falls das unumgänglich ist, ▪ körperliche Anforderungskriterien auflisten, etwa hinsichtlich der Muskelbelastung, Körperhaltung und Motorik sowie der Umgebungseinflüsse auf die Sinne und Nerven, ▪ Qualifikationskriterien darstellen, zum Beispiel die notwendige Ausbildung, die erforderliche Fortbildung, Berufs-, Branchen- und Firmenerfahrung sowie die gewünschten fachlichen Qualifikationen, ▪ schließlich müssen notwendige Kompetenzen, etwa mit Hilfe des obigen Kompetenzatlas, ermittelt werden. Die Anforderungsmerkmale werden entsprechend ihrer Bedeutung gewichtet. Mit der Gewichtung legt man fest, in welcher Ausprägung das jeweilige Anforderungsmerkmal vorhanden sein sollte. Die Gewichtung wird entweder in Form einer Notenskala, in abgestuften Verbalinformationen (sehr gut, gut usw.) oder in Plus- und Minuszeichen festgehalten. Das Anforderungsprofil für eine Personalentwicklungsreferentin ist beispielhaft in der folgenden Abbildung dargestellt. 41 Abbildung 19: Anforderungsprofil (Bröckermann 2016: S. 44) 42 Zusammenfassung Zusammenfassend stellt die Personalbedarfsplanung eine mehrdimensionale Herausforderung dar, das vier Aspekte enthält: ▪ qualitativ: Welche Kompetenzen werden benötigt? ▪ quantitativ: In welchem Ausmaß werden diese Kompetenzen benötigt? ▪ zeitlich: Zu welchem Zeitpunkt werden die Kompetenzen benötigt? ▪ räumlich: Wo, das heißt in welchen Funktionsbereichen bzw. Standorten, werden diese Kompetenzen benötigt? Mit Hilfe des Stellenbesetzungsplans kann eine relativ genaue Bedarfsplanung erfolgen. Um die Anforderungen an eine Stelle zu definieren, helfen Instrumente wie das KODE®- Verfahren oder die Stellenbeschreibung. 43 Personalbeschaffung Wege der Personalbeschaffung Im Rahmen der PersonaIbeschaffungs- und -auswahlplanung soll der in der Personalbedarfsplanung konstatierte Personalfehlbestand (Nettopersonalbedarf) beseitigt werden. Das bedeutet, die ermittelte Anzahl an Arbeitskräften den Anforderungsprofilen der Arbeitsplätze entsprechend rechtzeitig bereitzustellen. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, sind bestimmte Planungsaufgaben zu erfüllen. Hierzu zählen insbesondere (vgl. Horsch 2005: S. 228): ▪ laufende Beobachtung des Arbeitsmarktes, ▪ organisatorische Vorsorge für den Einzelfall der Personalbeschaffung, ▪ grundsätzliche Überlegungen und Entwicklung von Kriterien zur Entscheidung, ob der Personalbedarf intern oder extern gedeckt werden soll, ▪ Festlegung, welche Personalauswahlverfahren Anwendung finden. Die Beschaffung von Personal kann nur dann kurzfristig erfolgen, wenn Mitarbeiter einer bestimmten Kompetenzausprägung in ausreichender Menge auf dem in- oder externen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ist das Arbeitskräfteangebot jedoch knapp, so muss die Personalbeschaffungsplanung um Maßnahmen des Personalmarketings ergänzt werden. In der folgenden Abbildung ist der Ablauf der Personalbeschaffung und -auswahl dargestellt. 44 Abbildung 20: Ablaufplan der Personalbeschaffung und -auswahl (Horsch 2003: S. 229) 45 Grundsätzlich werden zwei Personalbeschaffungsmärkte unterschieden: ▪ der interne Beschaffungsmarkt, gemeint sind Arbeitskräfte, die bereits für das Unternehmen tätig sind, und ▪ der externe Arbeitsmarkt. Ebenso kann man interne und externe Personalbeschaffungswege unterscheiden. Die internen Beschaffungswege sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Abbildung 21: Interne Beschaffungswege (vgl. Bröckermann 2016: S. 48) Bei einer Versetzung müssen zunächst in einem Stellenclearing die Tätigkeitsart, der Tätigkeitsort, der Umfang der bisherigen und der neuen Stelle abgeklärt werden. Stimmt der Arbeitnehmer der Versetzung zu, wird ein Änderungsvertrag geschlossen - das kann auch eine Ergänzung zum bisherigen Arbeitsvertrag sein. Stimmt der Arbeitnehmer der Versetzung nicht zu, so führt eine Änderungskündigung dazu, dass bei Nichtannahme der Versetzung automatisch die Kündigung des Arbeitnehmers erfolgt ist. 46 Durch vorausschauende Personalentwicklung kann die Flexibilität des internen Arbeitsmarktes erhöht werden. Die Personalentwicklung ist eine Teilfunktion des Personalmanagements und strebt die Deckung des Personalbedarfs durch die Qualifizierung der Mitarbeiter an. In Anlehnung an Krämer beginnt der Personalentwicklungsprozess mit der ersten Kontaktaufnahme im Rekrutierungsprozess und endet mit dem Ausscheiden des Individuums aus der Organisation (vgl. Krämer 2007: S. 15). Eine interne Entwicklungsmaßnahme ist Personalentwicklung on-the-job - die Maßnahmen werden direkt am Arbeitsplatz umgesetzt. Der Arbeitnehmer übt nach wie vor seine normale Arbeit aus und entwickelt sich direkt am Arbeitsplatz weiter. Dieses Instrument wird eingesetzt, wenn sich Aufgabeninhalte verändert haben oder sich das Aufgabenspektrum eines Unternehmens erweitert hat. „Da Personalauswahl zukünftig z. T. durch Personalentwicklung ersetzt wird, steigt der Bedarf an Personalentwicklung-Maßnahmen. On-the-job und near-the-job - Konzepte erscheinen in diesem Kontext als kostengünstige sowie praxisorientierte Ansätze." (Wunderer & Dick 2007: S. 138). Insbesondere die Personalentwicklungsinstrumente Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation sind geeignet, über interne Personalentwicklung die Flexibilität der Mitarbeiter zu erhöhen. Um das Potenzial des internen Arbeitsmarktes ausschöpfen zu können, ist eine Kommunikation in Form von internen Stellenausschreibungen notwendig. Das kann durch social media, Intranet, Rundschreiben, das Schwarze Brett oder die Werkszeitung erfolgen. Die interne Personalgewinnung kann besonders für Führungspositionen sinnvoll sein, denn damit wird internes know-how gesichert und ausgebaut. Dem steht das Risiko gegenüber, dass das Wissen im Unternehmen veralten kann, wenn nicht mit Personalentwicklungsmaßnahmen gegengesteuert wird. Unternehmen, die neues Wissen oder neue Impulse z.B. zur Steigerung der Innovationsfähigkeit generieren wollen, nutzen die externe Personalgewinnung. Möglicherweise muss (z.B. bei 47 entsprechenden Betriebsvereinbarungen) die Stelle zunächst intern ausgeschrieben, bevor der Blick nach außen gerichtet werden kann. Ist der interne Arbeitsmarkt erschöpft oder die Stelle soll extern besetzt werden, so müssen externe Beschaffungswege gewählt werden, wie sie in der folgenden Abbildung dargestellt sind. Abbildung 22: Externe Beschaffungswege (Bröckermann 2016: S. 52) Der Arbeitsmarkt hat sich grundsätzlich von einem Arbeitgebermarkt zu einem Arbeitnehmermarkt entwickelt. Das bedeutet, dass in vielen Branchen die Zahl der offenen Stellen größer ist als das Arbeitskräfteangebot der Fach- und Führungskräfte. Wesentliche Treiber sind der demografische Wandel, die Internationalisierung der Arbeitsmärkte mit der Folge eines größeren Wettbewerbs der Arbeitgeber oder die 48 zunehmende Digitalisierung mit dem steigenden Bedarf an gut qualifizierten Mitarbeitern. In ausgewählten Branchen haben sich die Machtverhältnisse verschoben, z.B. im IT-Bereich, hier entscheiden die Bewerber, zu welchem Arbeitgeber sie gehen wollen. Diese Verschiebung führt zu neuen Strukturen auf dem Arbeitsmarkt, so beim active sourcing (der individuellen Kandidatenansprache) oder dem Reverse Recruiting (einer Umkehrung der Bewerbung). Arbeitgeber bauen hierfür eine Arbeitgebermarke auf, das sogenannte Employer Brand. Active Sourcing Mit Active Sourcing bezeichnet man die Maßnahmen im Rahmen des Recruiting, durch die man Kontakt zu potenziellen Kandidaten herstellt und diesen versucht zu halten, um auch zu einem späteren Zeitpunkt bei der Besetzung von offenen Stellen Bezug zu diesen Kandidaten nehmen zu können. Hierzu wird ein Talentpool aufgebaut, über den beide Seiten mittel- oder langfristig Kontakt halten und profitieren können. Personaler können durch entsprechende Recherche individuell auf die potenziellen Kandidaten eingehen und damit auch ein hierfür speziell entworfenes Angebot unterbreiten. Damit verlässt das Unterhemen die passive Personalgewinnung nach dem Motto Post and Pray, bei der eine Stellenanzeige geschaltet wird und gehofft wird, dass sich die passenden Talente darauf bewerben. Die direkte Ansprache von potenziellen Bewerbern bietet eine größere Kontrolle und kann schneller zum Erfolg führen, ist damit möglicherweise auch effektiver. Der Ablauf des Active Sourcing ist in der folgenden Abbildung dargestellt: 49 Abbildung 23: Ablauf des Active Sourcing (eigene Darstellung) Hinweis auf Film Was ist … Active Sourcing? 50 Die Vorbereitung, also Analyse des Bedarfs und des Anforderungsprofils bildet die Grundlage. Hierauf aufbauend werden die Kommunikationswege festgelegt und im letzten Schritt erfolgt die direkte Ansprache. Die Kommunikationskanäle werden dabei in Abhängigkeit von den Kommunikationszielen gewählt. Die Möglichkeiten sind in der folgenden Abbildung dargestellt. Abbildung 24: Auswahl von Kommunikationskanälen in Abhängigkeit vom Kommunikationsziel (Stock-Homburg 2019: S. 197) Wichtig in der proaktiven Bewerbersuche ist in erster Linie, Kontakt herzustellen und als Unternehmen positiv im Gedächtnis zu bleiben als Basis für eine berufliche Zusammenarbeit, sobald passende Stellen zu besetzen und die Kandidaten auf Jobsuche oder bereit sind für den Jobwechsel. 51 Hierzu müssen die Unternehmen wissen, welche Kanäle die potenziellen Kandidaten nutzen, um durch Unternehmen identifiziert und angesprochen zu werden. Die Studie „Social Recruiting and Active Sourcing“ von Monster zeigt die Kanäle auf: Abbildung 25: Anteil an Kandidaten, der die Top-5-Active-Sourcingkanäle häufig nutzt, um durch Unternehmen identifiziert und angesprochen zu werden (Monster Worldwide Deutschland GmbH 2020: web) Diese Kanäle sind auch für die Ansprache mittels Reverse Recruiting relevant. 52 Reverse Recruiting Reverse Recruiting bedeutet, dass sich die Unternehmen bei den potenziellen Mitarbeitern bewerben und so gegenüber dem klassischen Bewerbungsverfahren die Rollen vertauscht sind. Insbesondere in den MINT-Berufen können sich die Fachkräfte ihre Stellen aussuchen, daher erwarten sie eine entsprechende Ansprache und Präsentation möglicher Arbeitgeber. Eine unpersönliche Ansprache auch über social media wie LinkedIn oder Xing führt nicht zum Erfolg, ebenso wenig wie (online) Stellenangebote. Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer erhalten eine höhere Bedeutung, insbesondere bei den Generationen Y und X. Aspekte nicht-monetärer Art wie Sinnhaftigkeit der Arbeit, Kollegialität, Nachhaltigkeit, Work-Life-Balance oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewinnen an Bedeutung. Aber auch das Image des Unternehmens spielt eine zunehmende Bedeutung. Das führt dazu, dass Unternehmen, die Revers Recruiting betreiben wollen, transparenter und offener kommunizieren und ihre Vorteile glaubwürdig darstellen müssen. Unternehmen müssen sich die Frage stellen, was sie neuen Mitarbeitern bieten können und wollen, was die Stärken (und Schwächen) des Unternehmens sind, welche Werte sie vertreten und welche Mitarbeiter zu ihnen passen. Reverse Recruiting funktioniert nicht innerhalb der Unternehmen, da sich immer wieder die typische Arbeitgeber-Bewerber-Situation ergibt. Notwendig ist in der Regel, dass ein Neutraler zwischen die Parteien tritt. Das kann die Ausrichtung einer speziellen Messe sein. Ein Beispiel ist der Karrieretag Familienunternehmen, auf dem vorausgewählte akkreditierte Bewerbungskandidaten auf ausgewählte Familienunternehmen treffen, die sich den Interessenten präsentieren und um sie werben. Andere Beispiele sind die Pitch Club Data Expert Edition für Datenexperten oder die Pitch Club Developer Edition für Softwareentwickler. Hier präsentieren sich die Unternehmen auf der Bühne für sechs Minuten, stehen für drei Minuten für Fragen zur Verfügung, anschließend gibt es in 53 lockerer Atmosphäre die Möglichkeit individueller vertiefender Gespräche. Dieses Format wird auch online umgesetzt, z.B. von Honeypot aus Berlin, das im April 2019 von XING übernommen wurde. Employer Branding Um auf dem enger werdenden Arbeitsmarkt für Bewerber grundsätzlich interessant zu sein und als Arbeitgeber in Frage zu kommen, ist die Investition in die Arbeitgeberattraktivität, in die eigene Marke als Arbeitgeber, das Employer Branding ein sinnvoller Weg. Employer Branding bedeutet die Bildung einer Arbeitgebermarke. Dazu gehören alle strategischen Maßnahmen, die dazu dienen, ein Unternehmen so zu positionieren, dass es für aktuelle Mitarbeiter und potenzielle Bewerber attraktiver als andere Unternehmen ist. Damit sind die zwei Zielgruppen definiert: einerseits die aktuellen Mitarbeiter des Unternehmens und andererseits potenzielle Bewerber. Das Ziel für die Zielgruppe der potenziellen Bewerber ist die Mitarbeitergewinnung. Die Arbeitgebermarke soll attraktiv für Bewerber sein, um die besten Talente für sich zu gewinnen. Das Ziel des Employer Branding für die Zielgruppe der aktuellen Mitarbeiter ist die Mitarbeiterbindung (Retention Management). Es soll Loyalität erzeugt und somit verhindert werden, dass eigene Mitarbeiter zu anderen Arbeitgebern abwandern. Darüber hinaus ist die Produktivität zufriedener Mitarbeiter höher als die nicht zufriedener Mitarbeiter (vgl. kununu 2019: web) Eine weitere Wirkung wird erzielt, wenn auch die verschiedenen Marken einbezogen werden, nämlich der Ruf der Produkte (product brand) oder das Image des Unternehmens (corporate brand). 54 Darüber hinaus gibt es eine Wechselwirkung mit der Unternehmenskultur, die ebenfalls positiv beeinflusst wird. Hier ist zu bedenken, dass eine gelebte Unternehmenskultur nur langsam veränderbar ist. Die Arbeitgebermarke muss gleichzeitig glaubwürdig sein, sie darf nichts darstellen oder versprechen, was sie nicht halten kann. Die Suche nach Sinn und Orientierung wird intensiver - nicht nur für Führungskräfte, sondern auch für Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Neben den materiellen Werten wie Einkommen, Wohlstand und Sicherheit, die an Stellenwert gewonnen haben, wünscht sich eine Mehrheit einen stärkeren Ausgleich zwischen Arm und Reich, mehr Solidarität von Alt und Jung oder die bessere Integration von Ausländern (vgl. Bertelsmann-Stiftung 2009: web). „Werte sind Strukturen normativer Erwartungen, die sich im Zuge reflektierter Erfahrung (Tradition, Sozialisation, Entwicklung einer Weltanschauung) herausbilden. Werte strukturieren das Erkennen, Erleben und Wollen, indem sie Orientierungsmaßstäbe für die Bevorzugung von Gegenständen oder Handlungen bilden.“ (Piekenbrock 2002: S. 494). Als Werte werden jene Zustände des individuellen oder gesellschaftlichen Lebens verstanden, die als besonders wichtig oder erstrebenswert erachtet werden, wozu ebenso Leitlinien des Verhaltens und übergeordnete Orientierungseinheiten gehören (vgl. Bartscher, Stöckel & Träger 2012: S. 30). In Unternehmen kann Werteorientierung zum einen monetärer Natur sein (relativer Wert), z. B. die Gewinnmaximierung als Unternehmensziel und die konsequente Verfolgung des Shareholder-Value-Ansatzes. Sogenannte weiche Faktoren als moralisch- ethische Wertevorstellungen (z. B. Respekt, Offenheit, Integrität und Loyalität) als Teil der Unternehmenskultur stellen die absoluten Werte dar (vgl. Kunze 2008). Werte dienen als Ordner in einer von Komplexität, Unübersichtlichkeit und Unsicherheit geprägten Welt. 55 Werteorientierte Unternehmensführung muss Unternehmensziele, Verhaltensnormen, gesetzliche Bestimmungen, persönliche Erwartungen, Interessen und Bedürfnisse der Menschen, aber auch konkrete Prozesse und Handlungen in Übereinstimmung bringen. „Aber wenn man sich einmal auf Werte verpflichtet hat, muss man diese auch umsetzen, Führungskräfte müssen diese Werte leben, nicht nur im Berufsleben, sondern auch privat. Und es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, im Gespräch mit Kollegen und Vorgesetzen immer wieder über die konkrete Bedeutung dieser Werte zu diskutieren.“ (Nezmeskal-Berggötz 2009: S. 9). Die Verankerung von Werten im Unternehmen geschieht in mittelständischen Unternehmen weniger durch explizite Vorschriften oder z. B. formale CSR-Instrumente, sondern viel häufiger durch die von den Führungskräften vorgelebte und im Unternehmen internalisierte Unternehmenskultur. „So kann ein Mitarbeiter nur dann ein „Wir-Gefühl“ entwickeln, wenn er die Vision und die Ziele des Unternehmens kennt und sich mit ihnen identifiziert.“ (Baetge 2007: S. 3). Die Vermittlung der Werte erfolgt dabei in mittelständischen Unternehmen oft in ungesteuert und unbewusst ablaufenden Sozialisierungsprozessen, in denen die Kultur des Unternehmens vorgelebt wird, in denen Geschichten oder Anekdoten erzählt werden oder sich in Artefakten ausdrücken. Prahalad (2010) hebt die Rolle der Führungskräfte hervor: „Führung hat mit Veränderung zu tun, mit Hoffnung und zukunftsgerichtetem Handeln. Führungskräfte müssen sich auf unerforschtes Terrain vorwagen.“ (S. 10). Auf diesem unbekannten, von Unsicherheit geprägten Gebiet dienen die Werte als Ordner, insbesondere in von Komplexität geprägten Situationen und ermöglichen wertebasiertes konsistentes Handeln. Die Studie Führungskräftebefragung 2013 der Wertekommission der Initiative „Werte Bewusste Führung“ zeigt, dass die hohe Bedeutung der Werteorientierung von Führungskräften auf. Auf den ersten Rängen liegen Vertrauen, Integrität, 56 Verantwortung, Respekt, Nachhaltigkeit, Mut, Werte der Familienorientierung oder Work Life Balance. Gleichzeitig betonen 85% der Befragten, dass auf Werten aufgebaute Geschäftsbeziehungen stabiler und erfolgreicher sind und dass Werte für die Motivation der Mitarbeiter immer wichtiger werden. Sie sehen einen Zusammenhang zwischen Werten und Wertschöpfung, danach erhöhen Werte die Produktivität (vgl. Wertekommission 2013: S. 10 ff.). Erfolgreiche Unternehmen weisen eine auffallend hohe Korrelation in ihren Wertekulturen auf – ebenso nicht erfolgreiche. Als Erfolgswerte wurden Bodenständigkeit, Tradition, Erfahrung, Verantwortung für Mitarbeiter und Gesellschaft und ein Umfeld, das den Mitarbeitern Selbstverwirklichung in der Aufgabe, Selbstachtung bei der Erfüllung von Leistung und Chancengleichheit im Unternehmen bieten, identifiziert. Mitarbeiter verlangen in diesem Sinn keine Gefälligkeiten, sondern Fairness und Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten (vgl. Prahalad 2010: S. 26 f.). Die Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg und gesellschaftlicher Verantwortung belegt eine Studie des Bundesfamilienministeriums. Sie zeigt den Nutzen familienfreundlicher Angebote: so gelingt es Unternehmen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern, schneller und einfacher, Mitarbeiter zu finden und die Fluktuation zu senken. In der Studie wird ein Return on Invest von 15-25% errechnet. Der Return ist danach umso höher, je länger das unternehmerische Engagement aufrechterhalten wird und auf das interne Arbeitsklima und das externe Arbeitgeberimage wirken kann (vgl. BMFSFJ 2008: S. 31). Die jüngeren Beschäftigten haben andere Vorstellungen von einem “guten“ Arbeitsplatz und eine „gute“ Arbeitsumgebung. Während Ältere durch ein höheres Gehalt und durch Beschäftigungssicherheit eher an einen Arbeitgeber gebunden werden können, legt die Mehrheit der Jüngeren (hier der 14 bis 17jährigen) Wert auf folgende Kriterien: 57 Abbildung 26: Kriterien bei der Berufswahl (Calmbach et al. 2020: S. 243) Die 18. Shell-Studie hat die Erwartungen an die Berufstätigkeit von jungen Menschen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass es einen Werte-Mainstream gibt: sie sind pragmatisch bereit, sich stark an Leistungsnormen zu orientieren, und hegen gleichzeitig den Wunsch nach stabilen sozialen Beziehungen im persönlichen Nahbereich. Dazu gehören die Werte Familienorientierung, Fleiß und Ehrgeiz, Macht und Einfluss und Sicherheit, sie werden mit den Selbstverwirklichungswerten Kreativität, Unabhängigkeit, Lebensgenuss und Lebensstandard kombiniert. Viele Jugendliche legen inzwischen Wert auf eine deutlich bewusstere Lebensführung und artikulieren ihre Ansprüche an eine nachhaltige Gestaltung von Umwelt und Gesellschaft. Ihre Erwartungen an die Berufstätigkeit sind geprägt von einem sicheren Arbeitsplatz, der ihnen gleichzeitig Sinnhaftigkeit bietet. Darüber hinaus sind sie leistungsbereit, aber im begrenzten Rahmen ihrer Work-Life- Balance. 58 Abbildung 27: Shell Jugendstudie 2019 (Albert et al. 2019: web) Einen Überblick über die Werteorientierungen der verschiedenen Generationen und deren Auswirkungen auf das Arbeitsverhalten gibt die folgende Grafik. Erkennbar ist eine zunehmende Tendenz zur Sinnorientierung und Verringerung der Bedeutung der sogenannten preußischen Tugenden. Gleichzeitig findet der Trend zur stärkeren Individualisierung statt, verbunden einer geringeren Bindung an den Arbeitgeber. Die Lebenslust verbunden mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf tritt stärker in den Vordergrund. 59 Abbildung 28: Werte der Generationen (eigene Darstellung) Gleichzeitig müssen Unternehmen mit sich stärker unterscheidenden Werteorientierungen, die in einem Team vertreten sind, umgehen und diese in Einklang mit den Unternehmenswerten bringen. Baby-Boomer Genera on X / Y Leistungsorien erung, verbunden mit Leistungsorien erung, verbunden mit Pflicht und Disziplin Spaß Führung im Sinne von Par zipa on Führung im Sinne von Delega on Entscheidung für Beruf oder Familie Vereinbarkeit von Beruf und Familie Solidarität und Kollegialität im Team Team als Zweckgemeinscha Starkes Sicherheitsbedürfnis Sicherheitsbedürfnis, aber: Sicherheit nicht um jeden Preis Abbildung 29: Werte-Konflikt (eigene Darstellung) 60 Die folgende Abbildung zeigt die Erfolgsauswirkungen und Wechselwirkungen des Employer Brandings. Abbildung 30: Erfolgsauswirkungen des Employer Brandings auf verschiedenen Ebenen (Stock-Homburg 2019: S. 175) Zur Entwicklung einer Arbeitgebermarke sind vier Schritte nach Stock-Homburg erfolgversprechend. Bevor eine mögliche Strategie für das Employer Branding entwickelt wird, muss zunächst die aktuelle Situation analysiert werden. Hierbei sollte analysiert werden, wie das gegenwärtige Arbeitgeberimage ist, welches Feedback der Arbeitgeber von den Mitarbeitern erhalten hat (direkt oder über Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu oder Glassdoor) oder wo Problempunkte bei der Positionierung als attraktiver Arbeitgeber bestehen. Darüber hinaus müssen die Bedürfnisse und Erwartungen aktueller und zukünftiger Mitarbeiter analysiert werden. Trotz aller Kritik an Generationenmodellen ist die Analyse nach Generationen durchaus hilfreich (z.B. Shell- Jugendstudie). Aufbauend auf die Analyse wird im zweiten Schritt festgelegt, welches Arbeitsmarktsegment relevant ist und wie dieses Segment beschaffen ist, z.B. in Bezug auf Größe und Umfang, Mobilität oder Gehaltserwartungen. Anschließend wird die Markenarchitektur definiert, dabei wird die das gesamte Markenportfolio einbezogen, also auch das product brand oder das corporate brand. 61 Der dritte Schritt ist die Umsetzung der zuvor festgelegten Strategie. An diesem Punkt werden zunächst Kommunikationskanäle gewählt und anschließend konkrete Maßnahmen geplant, um die im vorherigen Schritt festgelegten Ziele zu erreichen. Eine Auswahl der Kommunikationskanäle und Maßnahmen, die für das Employer Branding genutzt werden können, sind in Abbildung 23 aufgezeigt. Im letzten Schritt erfolgt die Markenkontrolle. Hierbei wird überprüft, ob die getroffenen Maßnahmen angestrebten Ziele erreicht haben. Dazu können Analysen herangezogen werden, z.B. Quoten, wie sich die Zahl passender Bewerbungen auf eine ausgeschriebene Stelle entwickelt hat. Abbildung 31: Prozess des Employer Branding (Stock-Homburg, 2019: S. 170) 62 Hinweis auf Film Employer Branding 63 Zusammenfassung Grundlage der Personalbeschaffung ist eine gute Personalbeschaffungsplanung. Bei der Beschaffung stehen interne und externe Beschaffungswege zur Verfügung. Um für Mitarbeiter und potenzielle Bewerber attraktiv zu sein, ist Employer Branding sinnvoll, die Schaffung einer Arbeitgebermarke. Über die passive Suche nach externen Mitarbeitern gewinnt das Active Sourcing an Bedeutung wie auch das Reverse Recruiting. 64 Personaleinsatz Grundlagen des Personaleinsatzes Der Personaleinsatz erfolgt unter Beachtung wesentlicher Grundsätze (vgl. Bröckermann 2016: S. 124). Die Mitarbeiter müssen nach den betrieblichen Erfordernissen eingesetzt werden. Da sie unterschiedliche Kompetenzen besitzen, müssen Ihnen Tätigkeitsbereiche und Arbeitszeiten so zugewiesen werden, dass ihr Einsatz wirtschaftlich rentabel ist, also eine optimale Relation von Personalkosten und Leistungsergebnis erreicht wird. Die Personaleinsatzplanung sollte nicht nur unter dem Blickwinkel der kurzfristigen Personalkosten beleuchtet werden, sie soll über einen längeren Zeitraum relativ verlässlich sein. Also muss bedacht werden, welche Mitarbeiter eine Tätigkeit längerfristig und zuverlässig ausüben können. Dabei gilt es außerdem zu berücksichtigen, wie die Flexibilität des Einsatzes verbessert werden kann, damit jederzeit eine möglichst reibungsarme Anpassung an geänderte betriebliche Anforderungen gewährleistet ist. Wie bei der Auswahl von Mitarbeitern geht es auch bei der Personaleinsatzplanung darum, eine weitgehende Übereinstimmung der Kompetenzprofile der Mitarbeiter mit den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes zu erreichen. Mitarbeiter, die unter- oder überfordert sind, schöpfen ihr Leistungsspektrum nicht vollständig aus oder sind möglicherweise unzufrieden. Eine eignungs- und anforderungsgerechte Besetzung der Arbeitsplätze trägt zur Arbeitszufriedenheit bei. Wenn das Soll-Profil durch das Ist-Profil nicht erfüllt wird (Unterdeckung bzw. Überforderung), kann die Stelle erst nach Personalentwicklungsmaßnahmen besetzt werden oder ihre Anforderungen werden der Eignung des Mitarbeiters angeglichen (Stellenänderung). Als Alternative kommt die Versetzung auf eine passende Stelle und 65 als letzte Möglichkeit die Kündigung in Betracht. Wenn das Anforderungsprofil durch das Eignungsprofil mehr als erfüllt wird (Überdeckung bzw. Unterforderung), sollte eine Versetzung auf eine höherqualifizierte Position oder eine Änderung der Stelle (z. B. Job Enlargement, Job Enrichment, Job Rotation) erfolgen. Basis der Personaleinsatzplanung ist die Personalplanung und ist vom Ablauf her gleich. Der Personaleinsatz kann nur dann geplant werden, wenn der Personalbestand qualitativ und quantitativ bekannt ist. Aber auch die Interessen und Motivation der Mitarbeiter sind zu berücksichtigen. Es ist nicht sinnvoll, Mitarbeiter an Arbeitsplätzen oder zu Arbeitszeiten einzusetzen, die auf Ablehnung stoßen. Klassisch ist die Einarbeitung im Rahmen des Personaleinsatzes. Diese Phase des Onboarding ist die Basis für die Zusammenarbeit im Unternehmen, hier werden die Weichen für Motivation, Zufriedenheit und Engagement gestellt oder auch in letzter Konsequenz für die Kündigung in der ersten Arbeitsphase. Ein gelungenes Onboarding wirkt sich ebenso positiv auf das Arbeitgeberimage aus und somit auch auf das Personalmarketing. Systematisches Onboarding, welches zu einer langfristigen Integration sowie einer sozialen Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen führt, gewinnt zunehmend an Bedeutung (vgl. Richter& Katter 2018: S. 569). Es umfasst die ganzheitliche Einarbeitung und Integration eines neuen MA auf fachlicher, sozialer und wertorientierter Ebene (vgl. Brenner 2020: S. 11). Die fachliche Integration bezieht sich auf das faktische Wissen am neuen Arbeitsplatz. Der neue Mitarbeiter hat sich konkret mit seinem Aufgabengebiet, Aufgabenspektrum, Regelwerken und Arbeitsmitteln auseinander zu setzen. Außerdem sollte sich der Mitarbeiter Kenntnisse über das Unternehmen, wie z. B. Organisations- und Prozessstrukturen aneignen. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Einarbeitung in bestimmte Aufgabenstellungen, Aneignung von Faktenwissen und der konkreten Umsetzung im Sinne der Unternehmensziele (vgl. Brenner 2020: S. 11). 66 Ziel der sozialen Integration ist es, den neuen Mitarbeiter mit dem Arbeitsumfeld und den Gepflogenheiten des Unternehmens vertraut zu machen. Das direkte Umfeld soll den neuen Mitarbeiter als vollwertiges Teammitglied ansehen und ein gegenseitiges Vertrauen soll geschaffen werden (vgl. Richter & Katter 2018: S. 570). Soziale Kontakte durch den Umgang mit dem Vorgesetzten, den Kollegen und internen sowie externen Kunden werden gesammelt. Wichtig dabei ist das Arbeiten im Team, die Abstimmung mit Kollegen oder die Erarbeitung der eigenen Position innerhalb der Bereichs- oder Abteilungsstruktur. Die soziale Integration kann als erfolgreich bezeichnet werden, wenn der Mitarbeiter als Teil der Gemeinschaft akzeptiert wurde und er ein Wir-Gefühl entwickelt hat. Die wertorientierte Integration bezieht sich auf die Ziele und Werte des Unternehmens und dessen Führungsgrundsätze. Sie gilt als schwierigster Baustein des Onboarding, da die Unternehmenskultur für einen neuen Mitarbeiter schwer greifbar ist und sich Werte und Normen nur sukzessiv verankern lassen. Die Werte lassen sich nur durch informelle Beziehungen zwischen der Belegschaft und dem neuen Mitarbeiter vermitteln (vgl. Richter & Katter 2018: S. 570). Die Identifikation mit dem Unternehmen und dessen Kultur, Werten und Ethik ist wichtig, da sonst auf langfristige Sicht ein Arbeitgeberwechsel vorhersehbar ist. Die eigenen ungeschriebenen Gesetze eines Unternehmens, deren Inhalte sich dem Mitarbeiter erst im Laufe der Zeit erschließen, und deren implizierten Erwartungen an die MA erweisen sich als größte Hürde. Bei den jeweils zu ergreifenden Maßnahmen muss individuell auf den neuen Mitarbeiter eingegangen werden, da individuell unterschiedliche Voraussetzungen vorliegen. Generell soll dem neuen Mitarbeiter das Gefühl vermittelt werden, dass sich das Unternehmen auf ihn vorbereitet hat und ihn als Bereicherung für das Team ansieht. Die Phasen des Onboarding sind in der folgenden Darstellung abgebildet: 67 Abbildung 32: Phasen des Onboarding (eigene Darstellung) Die Eingliederung sollte schon mit der Preboardingphase vor dem ersten Arbeitstag beginnen, z. B. durch eine Einladung firmeninternen Veranstaltungen. Zudem kann das Unternehmen dem neuen Mitarbeiter vielfältige Informationen bezüglich des Unternehmens und seiner Arbeit zukommen lassen, z.B. durch Broschüren oder Zugang zum Intranet. Durch einen Einarbeitungsplan, welcher den organisatorischen Ablauf darstellt, wird die Weitergabe von Informationen erleichtert und die Integration ins Team beschleunigt. Bei einem Wohnortwechsel kann das Unternehmen durch den sog. Relocation-Service bei der neuen Wohn- und Lebenssituation unterstützen, so dass sich der Mitarbeiter vom ersten Tag an auf den neuen Job konzentrieren kann. In der Orientierungsphase geben Einführungsveranstaltungen einen Überblick über verschiedene Unternehmensaktivitäten und dienen dazu, die relevanten Fachbereiche und Kollegen anderer Abteilungen kennenzulernen. Solche Veranstaltungen tragen zum Wir-Gefühl bei, verbessern die Kommunikation innerhalb des Teams und stärken die innerbetriebliche Zusammenarbeit. In der Lern- und Integrationsphase kann ein Paten- oder Mentorenprogramm unterstützen und gleichzeitig Führungskräfte entlasten. Als Paten werden fachlich erfahrene Kollegen ausgesucht, welche die neuen Mitarbeiter bei der Integration unterstützen und bei alltäglichen Fragen als Ansprechpartner fungieren. 68 Spätestens nach drei Monaten sollte sich die Führungskraft ein umfassendes Bild vom neuen Mitarbeiter gemacht haben und ein erstes Beurteilungsgespräch führen. In einem Feedbackgespräch ermitteln die Vorgesetzten den Qualifikationsbedarf des Neuzugangs und leiten deren Umsetzung ein. Als abschließende Maßnahme des Onboardings findet eine Erfolgskontrolle statt. Abbildung 33: Onboardingprozess im Zeitverlauf (Brenner 2020: S. 34) Das virtuelle Onboarding gewinnt im Rahmen der Digitalisierung und verstärktem Home Office an Bedeutung. Die Herausforderung liegt darin, ein gelungenes Onboarding des neuen Mitarbeiters auch ohne persönliche Kontakte / mit geringen persönlichen Kontakten durchzuführen. Die größte Hürde ist, auch beim virtuellen Onboarding die soziale Integration nicht zu vernachlässigen und persönliche Beziehungen aufzubauen, da bei einem virtuellen Onboarding der persönliche Kontakt zu Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Kunden fehlt. 69 Hinweis auf Film Strukturiertes Mitarbeiter-Onboarding aus dem Homeoffice Maßnahmen, um den neuen Mitarbeiter systematisch einzuarbeiten, sind z. B. Videocalls, welche jede Woche fest terminiert sind. Das Ziel dabei ist, die Teamkollegen persönlich kennenzulernen. Es wird versucht Nähe zu schaffen, das Team-Gefühl zu fördern, den Austausch zu erleichtern und den Mitarbeiter einzubinden. Auch Willkommenstage können per Videokonferenz durchgeführt werden. Die Voraussetzung für diese Maßnahmen ist die Bereitstellung der technischen Ausrüstung. Auch das Paten- Programm kann beim virtuellen Onboarding zum Einsatz kommen kann. Durch Teamchats oder andere Chattools kann ein Unternehmen versuchen, dem neuen Mitarbeiter das virtuelle Onboarding so effektiv wie möglich zu gestalten und den neuen 70 Mitarbeiter zu unterstützen. Die Kontaktdichte und Regelmäßigkeit sollte gegenüber dem Präsenzonboarding höher sein. Tutorials in Videoformat können für die neuen Mitarbeiter aufgenommen werden, um bestimmte Arbeitstools leichter zu erklären. Der neue Mitarbeiter sollte bei dem virtuellen Onboarding darauf achten, sich aktiv einzubringen. Eine fundierte Einarbeitung gewährleistet, dass die Mitarbeiter ihre Aufgaben kennen, sie akzeptieren und aktiv annehmen und erlernen. Darüber hinaus wird die soziale und werteorientierte Integration gefördert. Durch eine Stellenzuweisung werden Personen den Stellen zugeordnet. Durch Maßnahmen der Personalentwicklung können sie auf die Anforderungen der Stelle vorbereitet werden. Eine Versetzung in diesem Sinne meint die kurzfristige, in der Regel max. 4 Wochen dauernde Versetzung. Wenn z.B. die Telefonzentrale wegen Erkrankung unbesetzt ist, ist die Versetzung sinnvoll. Der Engpass wird dadurch aber nur aufgesplittet und wird nicht dauerhaft gelöst. Unter Umständen ist es notwendig, dass Stellen angepasst werden in ihrem Umfang und Inhalt an die Ressourcen sowie auf die physischen und psychischen Bedürfnisse der Beschäftigten, d.h. die Stellen werden den Personen angepasst. Das ist insbesondere bei Personalknappheit oder Fachkräftemangel notwendig (vgl. Bröckermann 2016: S. 124). Im Rahmen der Zeitwirtschaft können die Arbeitszeiten und Urlaubszeiten der Mitarbeiter angepasst und gestaltet werden, so dass die Erfordernisse des Unternehmens und der Mitarbeiter austariert werden können. 71 Abbildung 34: Verfahren des Personaleinsatzes (Bröckermann 2016: S. 124) 72 Möglichkeiten der Arbeitsstrukturierung und des optimalen Arbeitseinsatzes sind Beispielhaft Job Enlargement, Job Enrichment und Job Rotation. Hinweis auf Film Arbeitsstrukturierung Job Enlargement, Job Enrichment, Job Rotation Job Enlargement Bei dieser Form der Personalentwicklung handelt es sich um eine quantitative Ausdehnung des Tätigkeitsfeldes, das heißt, ein Aufgabengebiet wird um Tätigkeiten auf gleicher Ebene horizontal erweitert. Durch die Erweiterung des Tätigkeitsbereiches wird den Arbeitnehmern eine umfassendere Arbeitsaufgabe geboten, es kommt zur Erhöhung der Flexibilität, zu einer Motivationssteigerung und zur Erweiterung der vorhandenen Kenntnisse und Fähigkeiten. Ausgestaltungsmöglichkeiten für diese Personalentwicklungsmaßnahme on the job können beispielsweise eine dauerhafte 73 Beschäftigung der Personen in neuen Projekten oder die Betrauung mit Sonderaufgaben sein. Abbildung 35: Job Enlargement (Institut für Arbeitswissenschaft 2005: S. 14 Job Enrichtment Die Maßnahme des Job Enrichment ist eine Arbeitsanreicherung, bei der eine Erweiterung der Qualitätsanforderung der Arbeit im Sinne einer vertikalen Erweiterung des Tätigkeitsbereichs erfolgt. In vorhandenen Arbeitsstrukturen wird den Mitarbeitern so die Möglichkeit geboten, über den bisherigen Tätigkeitsspielraum hinaus höhere Aufgaben anzunehmen. „Durch die qualitative Bereicherung des Arbeitsinhalts wird der Handlungsspielraum der Mitarbeiter vergrößert, d. h. er hat mehr Entscheidungs-, Kontroll-, Durchführungs- und Verantwortungskompetenzen als zuvor." (Koschnick 1998: S. 366). Durch die Übernahme von Aufgaben wird eine Steigerung der Leistungsfähigkeit und somit eine Qualifizierung für höhere Positionen entwickelt. 74 Abbildung 36: Job Enrichment (Institut für Arbeitswissenschaft 2005: S. 15) Job Rotation Job Rotation ist ein systematischer Arbeitsplatzwechsel. Arbeitnehmer wechseln nach einem festgelegten oder variablen Schema ihren Arbeitsbereich. Tätigkeitsbereiche und Entscheidungsspielräume werden verändert, um den Mitarbeitern zusätzliche Kenntnisse zu vermitteln (vgl. Gutmann & Klose 2005: S. 55). „Grundidee von Job Rotation ist die individuelle Qualifizierung eines Mitarbeiters durch den planmäßigen Wechsel von Arbeitsplätzen. Dieser Arbeitsplatzwechsel schließt Veränderungen sowohl hinsichtlich Aufgabe, Kompetenz als auch Verantwortung mit ein, bezieht sich also auf die gesamte Arbeitssituation und unterscheidet sich insofern nicht von einer regulären Versetzung. Sie geschieht, damit die Mitarbeiter durch Hinzugewinnen neuer Fach- und Führungserfahrungen ihre Erfahrungsbasis verbreitern und durch Qualifikationsausweitung ihre Flexibilität erhöhen.“ (Berthel& Becker 2017: S. 556). Arbeitnehmer lernen verschiedene Unternehmensbereiche und Abteilungen kennen, dadurch kann die Kommunikation untereinander und im Unternehmen verbessert werden. Zusätzlich wird das vernetze Denken durch das Kennenlernen von betrieblichen Zusammenhängen gefördert. Job Rotation kann auch mit einem Ortswechsel verbunden sein, um andere Unternehmensstandorte kennenzulernen. Der Mitarbeiter wird so flexibler und kann in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. In Bezug auf die 75 Personalentwicklung werden Fachkompetenzen und die Selbstständigkeit von Arbeitnehmern gefördert. Abbildung 37: Job Rotation (Institut für Arbeitswissenschaft 2005: S. 16) Zusammenfassung Der Personaleinsatz erfolgt unter Beachtung bestimmter Grundsätze wie Wirtschaftlichkeit oder optimaler Einsatz in Bezug auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter. Um den Einsatz zu verbessern, sind Elemente wie Job Enlargement, Job Enrichment oder Job Rotation geeignet. 76 Personalentwicklung Grundlagen der Personalentwicklung Die Arbeitswelt hat sich im letzten Jahrzehnt dramatisch verändert (vgl. Niemeier 2014). Megatrends wie die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft oder die voranschreitende Globalisierung und Internationalisierung führen zu neuen Anforderungen und bieten gleichzeitig Möglichkeiten zur individuellen Ausgestaltung des Arbeitslebens (vgl. Horx-Strathern 2002). Veränderungen und steigende Dynamik, verbunden mit wachsender Komplexität bilden eine Konstante in der Wirtschaft. Die aktuellen Entwicklungen stellen aber auch hohe Anforderungen an die Arbeitnehmer. Ständige Veränderungen in allen Bereichen verlangen flexibel denkende und agierende Mitarbeiter, die mit Unsicherheit und Veränderung umgehen können müssen. Um diese Impulse des Fortschrittes auch aus dem eigenen Unternehmen heraus aufzunehmen und zu entwickeln bzw. neu erworbenes Wissen anzuwenden und umzusetzen, hat sich seit den 1980er Jahren die Personalentwicklung immer mehr etabliert. Gleichzeitig führt der Fachkräftemangel und die erschwerte Personalgewinnung dazu, dass Unternehmen verstärkt auf Personalbindung und Entwicklung der vorhandenen Fach- und Führungskräfte setzen (Stock-Homburg 2020: S. 246) Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg in einer von zunehmendem Wettbewerb geprägten Welt sind aufgeschlossene und motivierte Mitarbeiter (vgl. Kienbaum 1999: S. 79). Ihren Niederschlag findet der Anspruch in den Unternehmensgrundsätzen oder Leitbildern. Aufgabe der Personalentwicklung ist es, zur Erreichung der Unternehmensziele das Leistungs- und Lernpotenzial der Mitarbeiter zu erkennen, zu erhalten und systematisch zu fördern (vgl. Schmitz 2005: S. 263). Neben der Definition des Personals als Aggregat (dabei steht die Verwertungsabsicht im Vordergrund) gibt es noch einen weiteren Fokus der Personalentwicklung: die Anlagen und Fähigkeiten der Mitarbeiter zu entwickeln und zu fördern in Abstimmung mit ihren Erwartungen und 77 unter Berücksichtigung der Veränderungen der Arbeitsplätze und Tätigkeiten (vgl. von Rosenstiel 2003: S. 151). Vor allem in Zeiten raschen technologischen und wirtschaftlichen Fortschrittes muss eine ständige Entwicklung der Mitarbeiter erfolgen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aufrecht zu erhalten. Der demografische Wandel führt dazu, dass die Veränderungen mit alternden Stammbelegschaften bewältigt und Innovationen umgesetzt werden müssen. Damit ist ein Ausbau der Kompetenzen (sowohl der rein fachlichen als auch der überfachlichen) notwendig, um auf die Veränderungen und wachsenden Anforderungen angemessen reagieren zu können. Da das Ziel eines Unternehmens die Beibehaltung oder Steigerung der Produktivität, der Innovationsfähigkeit und der Wettbewerbsfähigkeit ist, folgt daraus, dass die Investition in Humankapital zukünftig eine noch größere Rolle spielen wird als bisher. Dabei stehen aus Sicht des Unternehmens die unternehmensbezogenen Ziele im Vordergrund, aus Sicht des Individuums steht die Beschäftigungsfähigkeit im Zentrum. Die internen und externen Faktoren führen dazu, dass die Unternehmen sich ständig den Bedingungen anpassen müssen. Hier kann beispielhaft der Kündigungsschutz oder das Bildungsbedürfnis der Mitarbeiter genannt werden. Als Beispiele für externe Faktoren stehen die demographischen Herausforderungen (vgl. Drumm 2008: S. 332 f.). Unter dem Begriff der Mitarbeiter- bzw. Personalentwicklung können inhaltlich unterschiedliche Auffassungen verstanden werden (vgl. Becker 2009: S.3). Personalentwicklung wird zumeist anhand ihrer inhaltlichen Reichweite nach enger, weiterer und weiter Personalentwicklung differenziert. 78 Abbildung 38: Inhalte der Personalentwicklung (Becker 2005: S. 4) Die Personalentwicklung dient zur Erweiterung und Vertiefung von Qualifikationen sowie Kompetenzen mit dem Ziel, die zu verrichtenden gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben zu bewältigen. Definition Nach Becker umfasst „Personalentwicklung alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden.“ (Becker 2010: S. 5). 79 Personalentwicklung ist notwendig bei Personalabbau, um verbleibendes Personal zu qualifizieren, damit die anfallenden Aufgaben weiter ausgeführt werden, darüber hinaus kann das ausscheidende Personal unterstützt werden. Zum anderen ist es notwendig, die Kompetenzen der Mitarbeiter bei fortschreitender technologischer Entwicklung anzupassen. Die Mitarbeiter sollten jederzeit auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und fähig sein, die theoretischen Planungen praktisch umzusetzen. Personalentwicklung ist dabei mehr als das Angebot rein betrieblicher Seminare, mehr als Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Neben dem gezielt organisierten formellen Lernen erfolgt die Personalentwicklung häufig auch in nicht-intendierten informellen Lernsituationen (vgl. Staudt & Kriegesmann 1999). Die Investition in das Humanvermögen der Mitarbeiter ist gleichzusetzen mit einer Investition in das Unternehmen. Aus diesem Grund muss die Personalentwicklung als ein langfristiger Prozess betrachtet werden. Es darf sich hierbei nicht um einmalige Schulungen nach dem “Gießkannenprinzip“ oder um Incentives handeln. Da Personalentwicklung Kosten verursacht, die zum größten Teil von dem Betrieb übernommen werden, muss ein ständiges Controlling der Personalentwicklung erfolgen. Dem Nutzen und der Nachhaltigkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen muss besonderes Augenmerk gewidmet werden. Ständiger Wettbewerbsdruck und Suche nach Kostenvorteilen führen zu erhöhtem Druck auf die Personalentwicklung. In den Unternehmen werden immer häufiger Programme zum Umgang mit Veränderungen sowie Innovationsprogramme aufgelegt, damit steigen die Budgets der Personalentwicklung. Gleichzeitig begleitet die Personalentwicklung oft Reorganisationsmaßnahmen oder die Einführung oder Verbesserung neuer Prozesse. Der Aufwand für Weiterbildung beträgt in Deutschland pro anno ca. 60 Mrd. Euro, 75% davon fließen in die berufliche Weiterbildung und davon sind knapp 50% als betriebliche Weiterbildung im engeren Sinne anzusehen (vgl. Frieling et al. 2000). 80 Die Maßnahmen der Personalentwicklung müssen evaluiert werden, um die Angemessenheit des Aufwands zu überprüfen und zu argumentieren. Die Komplexität von Personalentwicklung und die kaum mögliche Abgrenzung von Effekten und divergierender Interessen lässt eine wissenschaftlich exakte Evaluation nicht zu. Hier sind praxisorientierte, handhabbare Evaluationen mit der Betrachtung von Teilaspekten adäquat einzusetzen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist notwendig, muss allerdings den qualitativen Aspekt mit einbinden. Dem Transfer und der Transfersicherung ist ein größeres Augenmerk zu schenken als dem rein wirtschaftlichen Fokus. Insofern wird eine quantitative und qualitative Evaluation diesen Forderungen am ehesten gerecht, um die an der Unternehmensstrategie ausgerichtete Personalentwicklung zu überprüfen und zu steuern. Entstehende Kosten sind in erster Linie die direkten Kosten wie Trainerkosten, Raumkosten, Fahrtkosten sowie Kosten für Lehr- und Lernmaterialien. Daneben können die indirekten Kosten (Opportunitätskosten) erfasst werden wie Ausfallzeiten der Lernenden im Betrieb. Bei genauerer Betrachtung müssten aber auch Nutzensformen davon subtrahiert werden, wenn z. B. die Lernenden als Multiplikatoren im Betrieb agieren und ihr Wissen weitergeben und teilen. Auch sind die Kosten für informelles Lernen nicht zahlenmäßig zu fassen. Daraus folgt, dass die Evaluation der Kosten immer von Unschärfe geprägt ist und jedes Unternehmen vor dem Hintergrund seines spezifischen Ansatzes entscheiden muss, wie detailliert und aufwendig das Controlling erfolgen soll. Die Transparenz der direkten und der indirekten Kosten ist in jedem Fall sinnvoll. Die Ziele der Unternehmen richten sich primär an ökonomischer Effektivität und einer guten Positionierung im Wettbewerb aus. Es sollte hierbei sichergestellt werden, dass ▪ möglichst alle Funktionen im Unternehmen mit Mitarbeitern besetzt sind, die über ein hohes Maß an Leistungsfähigkeit und -bereitschaft verfügen, 81 ▪ jeder Mitarbeiter den gegebenen und sich wandelnden Anforderungen seines Arbeitsplatzes entspricht, ▪ förderungswürdige Mitarbeiter auf die Übernahme zukünftig zu besetzender anspruchsvoller Fach- und Führungsaufgaben vorbereitet werden, ▪ das Unternehmen unter qualitativen Gesichtspunkten jederzeit einen hohen Humankapitalwert aufweist. Demgegenüber orientieren sich die Ziele der Mitarbeiter vornehmlich an der Minderung von Beschäftigungsrisiken, die sich aus dem wirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Wandel ergeben, ▪ Sicherung eines ausreichenden Arbeitseinkommens und Verbesserung des eigenen Arbeitsmarktwertes, ▪ Bewältigung der Arbeitsanforderungen, Erweiterung von Handlungsspielräumen sowie Realisierung von Karrierechancen, ▪ Befriedigung von Bedürfnissen nach Selbstentfaltung und Verwirklichung individueller Entwicklungspotenziale. Da die Personalentwicklung im Einklang mit der für das jeweilige Unternehmen vorgesehenen bzw. geplanten Entwicklung erfolgen soll, ist eine angemessene Verknüpfung zwischen den Personalentwicklungsaktivitäten und der Unternehmensstrategie bzw. den Bereichsstrategien herzustellen. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Unternehmensstrategie als Ausgangspunkt für eine strategische Personalentwicklung. 82 Abbildung 39: Unternehmensstrategie als Ausgangspunkt für strategische Personalentwicklung (Schindler 2008: S. 12) 83 Um Personalentwicklung sowohl effektiv als auch effizient durchführen zu können, bedarf es einer systematischen Vorgehensweise. Diese kann durch den Funktionszyklus der Personalentwicklung erreicht werden, der durch sechs verschiedene Phasen gekennzeichnet ist. Diese sind miteinander verknüpft, beeinflussen sich gegenseitig und greifen ineinander. Abbildung 40: Funktionszyklus der Personalentwicklung (Becker 2005: S. 17) Die Bedarfsanalyse ist die Grundlage einer systematischen Personalentwicklung. Auslöser für den Entwicklungsbedarf können sowohl interne als auch externe Entwicklungen im Umfeld oder im Unternehmen selbst sein. Beispielhaft hierfür sind das Absinken der Qualität oder eine hohe Mitarbeiterfluktuation zu nennen. Zu unterscheiden sind eine reaktive und eine proaktive Bedarfsanalyse. Unter einer proaktiven Analyse ist ein frühzeitiges und differenziertes Erkennen/Vorbereiten - bevor 84 die Nachfrage entsteht - zu verstehen. Die reaktive Bedarfsanalyse erfolgt, wenn das Handeln erst auf Anstoß von außen erfolgt. Die Bedarfsanalyse besteht aus drei Aspekten. Der erste ist die Tätigkeitsanalyse, in der zunächst die Stellen oder Tätigkeiten einer Job-Familie untersucht und auf ihre Spezifikationen hin geprüft werden. Die sich anschließende Anforderungsanalyse gilt als Grundlage für eine adäquate Ist-Bewertung, in der Anforderungen und Kompetenzvoraussetzungen sowie Potenziale der Mitarbeiter untersucht werden. Die Analyse der Ist-Befähigung, Qualifikationen und Motivationen der Mitarbeiter werden mit den entsprechenden Soll-Anforderungen verglichen. Diese zeigt auf, ob Mitarbeiter für die Stelle über- oder unterqualifiziert ist.