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Angela Blattmann
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This document is a historical overview of ethnology in the 20th century. It focuses on various schools of thought, including evolutionism and its proponents. It examines key concepts, figures, and publications related to the field. The document serves as a study resource for individuals, particularly those in postgraduate studies.
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Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 6. Evolutionismus (1860-1900) ➔ Interesse am Ursprung und der Entwicklung menschlicher Gesellschaften ➔ Charles Darwin (1809-1882): Schrift über den Ursprung der Arten --> eröffnet den Diskurs um di...
Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 6. Evolutionismus (1860-1900) ➔ Interesse am Ursprung und der Entwicklung menschlicher Gesellschaften ➔ Charles Darwin (1809-1882): Schrift über den Ursprung der Arten --> eröffnet den Diskurs um die biologische Evolution ➔ Herbert Spencer (1820-1903) übertrug Darwins Evolutionsmodell auf menschliche Gesellschaften Evolutionismus: Allgemein bezeichnet Evolutionismus jene Denkformen, die die Entstehung «komplexer, fortgeschrittener und entwickelter» Kulturen aus «einfachen und älteren» Formen zu Er- klären versuchen. Der ethnologische Evolutionismus wendet sich im 19. Jh. Gegen die Annahme, dass die unterschiedlichen Rassen verschiedene biologischen Spezies angehören, und begreift stattdessen die Menschheit als eine einzige Spezies mit einer psychischen Einheit. Hauptthesen Universalgeschichte Übertragung biologischer Erkenntnisse zur physischen Evolution (Charles Darwin) auf die geistig/seelische Evolution der Menschheit (Annahme Tylors) geistig/seelische Einheit der Menschheit Idee der unilinearen Entwicklung der Gesellschaft von einer Entwicklungsstufe zur nächsten o meist drei Entwicklungsstufen (Wildheit => Barbarei => Zivilisation) deterministische Geschichtsauffassung impliziert gleiche Entwicklung bei allen Völ- kern Kulturen sind in Bezug auf bestimmte Kulturelemente vergleichbar (Vergleichende Methode) Methoden Vergleich von Quellen (z.B. Reiseberichten, Berichten von Missionaren, etc.) Historische Spekulation "Survivals" als Ausgangspunkt der Rekonstruktion der menschlichen Vergangenheit Vertreter Ferguson, Adam (1723-1816) Comte, Auguste (1798-1857; Wegbereiter des Positivismus und Evolutionismus Johann Jakob Bachofen (1815-1887) Morgan, Lewis H. (1818-1881; Vater der Verwandtschaftsethnologie Herbert Spencer (1820-1903; prägte den Begriff des Sozialdarwinismus Henry Maine (1822-1888) Bastian, Adolf (1826-1905) Tylor, Edward Burnett (1832-1917; Vater der britischen Kulturanthropologie Frazer, James George (1854-1941) Mary Kingsley (1862-1900) 4 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Bedeutende Werke Frazer, James George: "The Golden Bough, a study of comparative Religion", 1890 Tylor, Edward Burnett: "Researches into the early history of mankind" Tylor, Edward Burnett: "Primitive Cultures" Kritik Deduktiver Ansatz der Lehnstuhlethnologen Vernachlässigung der Kenntnisse existierender Gesellschaften Ethnozentristisches Weltbild der Evolutionisten Konzentration auf Aufrechterhaltung der Entwicklungsschemata Vorstellung die gesellschaftliche Entwicklung sei unilinear Evolution nach kapitalistischem Vorbild als Wettbewerb zwischen Gesellschaften 5 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 II. Deutschsprachige historische Völkerkunde Vertreter: Bastian, Adolf (Evolutionismus) Ratzel, Friedrich (Diffusionismus) Kulturhistorische Schule: o Schmidt, Wilhelm (Wiener Schule, Kulturkreislehre) o Frobenius, Leo (anfangs Kulturkreislehre, später Kulturmorphologie) o Adolf Ellegard Jensen (Schüler von Frobenius) Bernhard Ankermann (Kulturkreislehre) Fritz Graebner (Kulturkreislehre) Wilhelm Emil Mühlmann Richard Thurnwald 1. Kulturhistorische Schule – Diffusionismus – Kulturkreislehre - Kulturmorphologie (1900-1950) Wichtige Konzepte Diffusionismus: Ausgangspunkt des Diffusionismus ist die Annahme, dass menschliche Innovationsfähig- keit begrenzt ist --> Treten in Verschiedenen Kulturen Ähnlichkeiten von Ideen und Arte- fakten auf, legt dies eine Diffusion, also eine Übernahme aus anderen Kulturen und Re- gionen nahe. Kulturkreislehre: Um das Auftreten desselben Kulturelements in weit voneinander entfernten Kulturen 6 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 erklären zu können, postuliert Frobenius einen gemeinsamen Ursprung. Ein gemeinsa- mer Ursprung wird dabei durch zwei Kriterien nachgewiesen: Das Form- bzw. Qualitäts- kriterium und das Quantitätskriterium. Die Gebiete, in denen gleiche Kulturelemente auftreten, fasst er als Kulturkreise zusammen. Aus der Verteilung der Kulturgüter auf der Erde meint Frobenius Primärkulturen rekonstruiert zu können, die sich im Verlauf der Geschichte über die ganze Erde ausbreiteten. Kulturkreise seien dort entstanden, wo Kulturelemente korrelierten Kulturmorphologie: Der Kulturmorphologie „liegt die Annahme zugrunde, dass Kulturen analog zur individu- ellen Entwicklung des Menschen die Phasen von Jugend, Blütezeit, Alter und Tod durch- laufen, und zwar nach einem ihnen innewohnenden Programm, auf das der Mensch nur sehr begrenzten Einfluss nehmen kann.“ Kultur wird damit als etwas den Menschen Übergeordnetes angesehen, nicht als etwas von ihnen Geschaffenes. Frobenius unterteilte jede Kultur in drei Phasen: Ergriffenheit (Frühphase), Ausdruck (Reifephase) und Anwendung (Endphase). „Die Ergriffenheit/Jugend ist die Phase des kreativen Schaffens von Kulturgütern; in der Phase des Ausdrucks/der Reife erhalten Kulturgüter ihre volle Wirksamkeit, während der Anwendung/im Alter werden sie schließlich zunehmend abgenutzt und sinnentleert: Die Kultur geht ihrem Verfall entge- gen 2. Adolf Bastian (1826-1905) Adolf Bastian (1826-1905) gilt als Initiator der deutschsprachigen akademischen Ethnologie über- haupt. Er wird gemeinhin als Evolutionist verstanden, wenngleich seine Theorie einige Unterschiede zum klassischen englischen Evolutionismus aufweist. ➔ Initiator der deutschsprachigen akademischen Ethnologie ➔ Im Jahre 1869 in Berlin der erste Universitätsdozent für Völkerkunde in Deutschland o Damit Professur noch vor Tylor und Boas ➔ Motivation: Sammeln und Dokumentieren von Daten über seiner Ansicht nach zum Unter- gang verurteilte Kulturen, noch bevor diese ganz verschwunden sind ➔ Methoden: o Induktives Vorgehen → Zwischen 1850 und 1905 ausgedehnte Reisen (insgesamt fast 25 Jahre) → Dabei Sammlungen von riesigen ethnographischen Datenmengen o Dennoch im Prinzip keine „Feldforschung" im modernen Sinne, da wissenschaft- lich und theoretisch konzeptlos o Sucht überall nach universell anwendbaren Regeln (naturwissenschaftliche Arbeitsweise) ➔ Thesen: o Menschlicher Geist ist Triebkraft hinter historisch-gesellschaftlicher Entwicklung 7 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 o Da Bastian von einer geistigen Einheit der Menschheit ausgeht, gilt dies für alle Gesellschaften gleichermaßen → daraus leitet er das Konzept von „Elementargedanken" und „Völkergedanken" ab: Die einen seien universell für die ganze Menschheit gültige und zeitlose Ideen, während die anderen von Kultur zu Kultur unterschiedlich und his- torisch einmalig wären. o die Idee der geistigen Einheit der Menschheit unterscheidet Bastian von den spä- ter im deutschen Sprachraum so bedeutenden Diffussionisten ➔ Kritik: o Riesiges Werk (ca. 80 oft mehrbändige Bücher, mehrere hundert Artikel) ist zwar prinzipiell eine Fundgrube für Ethnologen, aber es ist unstrukturiert, praktisch un- verständlich geschrieben und in Bezug auf die von ihm vertretenen Theorien un- einheitlich → Sicherlich ist dies ein Grund dafür, dass er keine eigene Schule begründete und auch sein sonstiger Einfluss auf die Ethnologie nach ihm begrenzt blieb. o Widerspruch in seiner Theorie: → Einerseits bleibt er Evolutionismus verhaftet → Andererseits stößt ihn seine Feldforschung darauf, dass es keine uniline- are Entwicklung im klassischen evolutionistischen Sinne gibt → Obwohl er also induktiv vorgeht, bleibt er dem Konzept einer Universalge- schichte verhaftet → Insgesamt sind seine Grundpositionen daher schwer auszumachen 3. Friedrich Ratzel (1844-1904) 1882 „Anthropogeographie“ 1885 „Völkerkunde“ ➔ Beeinflusst durch Evolutionismus ➔ Diffusion statt Evolution / Entwicklung(en) und deren Re- konstruktion ➔ Kontakte zentral: Migrationstheorie ➔ Keine prinzipiellen Unterschiede zwischen Völkern: "Nicht Klüfte, sondern Gradunterschiede trennen die Teile der Menschheit. Aufgabe der Völkerkunde ist daher nicht zuerst der Nachweis der Unterschiede, sondern der Nach- weis der Übergänge und des inneren Zusammenhanges; denn die Menschheit ist ein Ganzes, wenn auch von man- nigfaltiger Bildung." ➔ Methode und Theorie o keine Feldforschung o Menschen sind nicht prinzipiell unterschiedlich, dies war damals sehr progressiv o weniger hierarchisch als Evolutionismus o wenig Interesse für Europa, Kartierung außereuropäischer Kulturen o Übergänge und nicht Unterschiede 8 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 o gegen Betonung von Rassen o Vermischung hat kreatives Potenzial o «Naturvölker» sind nicht kulturarm, sondern an ihre natürliche Umgebung ange- passt o Beeinflusst durch Geographie und Zoologie o Gegenstand der Ethnologie: Völker ohne schriftliche Quellen o Gegen Evolutionstheorie, stattdessen: Verbreitung (seltener) Erfindungen o Zusammenhang Zeit und Raum o Migration und Kontakt o Untersuchung von Diffusion: materielle Kultur, Verbreitungstatsachen, Kartierungen o Feststellung von Elementen, Komplexen und deren weltweiten Zusammenhängen ➔ Anthropogeographie, diese geht davon aus, dass vor allem Völkerwanderungen, Handels- kontakte und andere Kulturkontakte für die Verbreitung von Kulturelementen verantwort- lich seien (daraus macht Frobenius später Kulturkreislehre und Kulturmorphologie) o Erfindung eines gewissen Grundinventars von Kulturelementen wird im frühesten Stadium menschlicher Entwicklung angesiedelt (z.B. Verbreitung afrikanischer Bo- genformen) o Topographische und klimatische Faktoren spielen eine Rolle dabei, was erfunden wird = Umweltdeterminismus (Ratzel war Geograph) Adolf Bastian (Berlin) vs. Friedrich Ratzel (Leibzig) ➔ Gemeinsam: Gleiche Anlagen der Völker, keine Entwicklungsstufen Positivist Kartierungen, ebenfalls weltweite Da- Datensammlung und Theoriekritisch tensammlung Mehrfache unabhängige Entstehung Einmalige Entstehung und Übertra- von Ideen (wie Evolutionisten) gung 4. Leo Frobenius (1873-1938) Hintergrund und Persönlichkeit: ➔ Geb. 1873 in Berlin, kein Abitur --> Autodidakt ➔ Ethnographische Sammlungen und frühe Publikationstätigkeit ➔ 1898 „Der Ursprung der afrikanischen Kulturen“ o Interessengebiet: Afrika o Kulturmorphologie o Kulturentwicklung (nicht Evolution!) o Begründer Kulturkreislehre ➔ 1922 Gründung Forschungsinstitut für Kulturmorphologie, München o Als Privatperson o Gut Vernetzt --> Genoss Interesse der Öffentlichkeit und von Politikern o Medienpräsenz; macht eindrucksvolle Werbung für das Institut 9 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 o Institut wird Teil der Universität? ➔ 1925 Übersiedlung nach Frankfurt am Main ➔ Felsbildforschung --> Heuert Frauen zum Abzeichnen und Fotografieren der Felsbil- der an ➔ Frauen übernehmen Rollen im Institut als Männer im 2. WK eingezogen werden ➔ 1946 Umbenennung Frobenius-Institut Methodologie: 1. Untersuchte „Verbreitungstatsachen“ der materiellen Kultur 2. Kartiert die Verbreitung jedes „Typs eines Elements“ 3. Bei ähnlicher Verbreitung von Elementen: Feststellung von „Kultur“ oder „Kultur- kreis“ 4. Vergleich mit anderen Kontinenten 5. Bestimmung der Abfolge von Kulturen anhand des Alters Kulturen/Kulturkreise 1. Nigritische 2. Malajonigritische 3. Asiatische 4. Afrikanische Kulturkonzept: ➔ „Kultur“ als Organismus ➔ Paideuma (Seele einer Kultur) ➔ Kultur sei bipolar (in der Kultur wirken Kräfte zwischen zwei Polen, z.B. männlich/weiblich ➔ Tellurische (auf die Erde bezüglich, von der Erde herrührend) / chthonische (der Erde angehörend; unterirdisch) ➔ Pendelschwingungen ➔ Kultur selbstständig ➔ Kultur und „Rasse“ unabhängig Wissenschaftsauffassung: ➔ Gegen Mechanistische Weltauffassung --> Suche nach Gesetzmässigkeiten, naturwissenschaftlich ➔ intuitive Weltauffassung --> Einfühlung und Ergriffenheit sind Voraussetzungen der Wissenschaft ➔ Anti-Rationalismus bei gleichzeitigem Nationalismus --> Pro Hitlers Machtergreifung ➔ Außenseiter der Wissenschaft, gute Publikumswirkung 10 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 ➔ Begeistert von Nationalsozialismus ➔ Gegner der Rasse-Ideologie (Verein zur Abwehr des Antisemitismus) o Äussert sich deutlich dagegen auch während der NS-Zeit o Wurde überwacht, aber in Ruhe gelassen Kritik: ➔ Unsystematisch, nicht nachvollziehbar, überheblich ➔ Verbindung seines Mystizismus mit Ideologie des Nationalsozialismus ➔ Schwierige Persönlichkeit 5. Adolf E. Jensen (1899-1965) ➔ Schüler und Nachfolger Frobenius ➔ Ethnologie als Geschichtswissenschaft o Problem der „Kulturkreise“ --> Frankfurter Schule der Kulturkreise o Sinn von Kultur-Erscheinungen und sinnvoller Zusammenhang ➔ Nachfolger: C. A. Schmitz, Eike Haberland. Karl-Heinz Kohl „Frankfurter Schule“ –> Schuster (Basel) 6. Bernhard Ankermann / Fritz Graebner 1904 Sitzung der Berliner Gesellschaft f. Anth- ropologie: ➔ B. Ankermann „Kulturkreise und Kultur- schichten in Afrika“ ➔ F. Gräbner „Kulturkreise und Kultur- schichten in Ozeanien“ (beide Zeitschrift für Ethnologie 1905) Weitere Verbreitung der Kulturkreis-Theorie 11 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 7. Pater Wilhelm Schmidt (1868-1954) Hintergrund & Persönlichkeit: ➔ Priester im Missionsorden SVD (Societas Verbi Divini) ab 1895 Professor am Priester Seminar ➔ Studiert Linguistik nebenbei ➔ gründet Anthropos 1906 (Zeitung mit Publikationen von Missionaren) & Anthropos-Institut 1932 Wien, 1938 Freiburg/CH ➔ Begründer der „Wiener (kulturhistorischen) Schule“ ➔ „Ursprung der Gottesidee“ (12 Bde.) ➔ Entwicklung des Systems der Kulturkreise Kulturkreise: Kulturkreise ➔ Wirtschaftsweise steht im Mittelpunkt zur Kategorisierung (Nicht im Evolutionistischen Sinn, nicht jede Kultur durchläuft die gleichen Stufen) Ansichten ➔ Zwar Wirtschaftlich-technische Entwicklung, aber Degenera- stark geprägt tion im religiös-sozial-moralischen Bereich durch Reli- gion geprägt ➔ Monogamie & Kleinfamilien am Anfang der Entwicklung Anders als die Evolutionisten, die es als Endstadium sahen ➔ Konzept des Urmonotheismus in Wildbeutergesellschaften ➔ Ur-Offenbarung der Menschheit ➔ Urkulturen ➔ Primäre Kulturkreise ➔ Sekundäre Kulturkreise ➔ Tertiärkulturen ➔ Forschungen von: o Martin Gusinde o Wilhelm Koppers o Paul Schebesta Aussenwissenschaftliche Einflüsse: ➔ Verbreitung des Katholizismus als Hauptziel ➔ Starker Verfechter der Monarchie, Militarist, Pro Russland Annexion ➔ Gegner der NS-Rassenideologie ➔ Verbreitete Antisemitische Schriften ➔ Anthropos gibt es noch immer 12 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 III. Émile Durkheim (1858-1917) Zusammenfassung: 1. (Organisatorisch-institutionelle Bedeutung für Soziologie) 2. Soziologie als „positive“/scientific (natur-) Wissenschaft 3. Gegenstand: Soziale Tatsachen 4. Das Soziale als unabhängiger Bereich, nur aus sich heraus zu erklären --> Phänomen sui generis (NICHT ERKLÄRBAR DURCH INDIVIDUELLE PSYCHOLOGIE oder BIOLOGIE) 5. Funktion von Institutionen: Erfüllen Bedürfnisse der Gesellschaft, schränken Indivi- duum ein (Religion primordial) 6. Kollektives Bewusstsein [Gewissen] prägt Gewohnheit, steuert Verhalten (vgl. „Kultur“) --> schweben über dem Menschen 7. Arbeitsteilung: Mechanische und organische Solidarität (primitiv/zivilisiert) Wissenschaftsverständnis: ➔ Geprägt durch den Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) ➔ 3. Französische Republik: Durkheim verinnerlichte die liberalen und säkularen Prin- zipien ➔ Auguste Comte (Der Vater des Positivismus) --> Observation, Experimentator und Vergleich als Grundprinzipien der Wissenschaft o Suche nach Gesetzmässigkeiten (search for laws) o Aus Geschichte lassen sich keine Gesetze ableiten Thesen: Soziale Tatsachen = «jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhän- giges Eigenleben besitzt.» Hauptprinzipien seiner frühen Arbeiten: 1. an insistence upon the emergent, or sui generis, nature of social life (for example 1975:18 ); 2. social life has a moral and ideational basis; the social involves equally and insepa- rably the imposition of obligations and the creation of ideals (1971 ); 3. as the source of morality, upon which social life depends, religion is a primordial social institution, through which humans are attached to society and its ideals are symbolised, for in addition to regulating conduct it regulates the conscience (1975: 21 ) 4. society moulded human conduct, but does so by moulding our thought. (Our consciousness [Bewusstsein] and not just our conscience [Gewissen]) 13 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Kollektivbewusstsein (conscience collective) ➔ Ist der überindividuelle normative Bereich (Normen, Regeln, Moralvorstellungen), an dem sich das Verhalten des Einzelnen ausrichtet ➔ Es verflüchtigt sich in der städtischen oder industrialisierten Lebenswelt. Dies führt zu Regellosigkeit und Orientierungslosigkeit des Individuums. --> Anomie = Aufgrund von Gesetz- und Regellosigkeit sei dann die gesellschaftli- che Integration nicht länger gewährleistet, dies führt beim Individuum zu Angst und Unzufriedenheit --> kann auch zu Suizid führen («anomischer Suizid») ➔ Durkheim verwendete später den Begriff «collective representation» anstelle Kol- lektivbewusstsein ➔ Den Menschen versteht Durkheim als homo duplex („Doppelwesen“). Die Conditio humana besteht für ihn aus zwei Teilen: o Einem natürlichen Teil, der triebhaft gesteuert und zügellos nach Bedürf- niserfüllung strebt. o Einem sozialen Teil, der den natürlichen Teil durch den gesellschaftlichen Sittenkodex, Moral- und Normkompass reglementiert. Religion: ➔ The social and the symbolic-religious become very tightly bound together (im- portance of rituals). ➔ Three central claims in the Elementary forms: o that religion is an effect of social causes; o that religion is both symbolic and expressive of social reality and o that religion is functional in the maintenance of social life (as well as func- tioning to strengthen and uplift each individual) ➔ Er unterschied zwischen religiösen Handlungsweisen (Riten) und kollektiven Reprä- sentationen (Glaubenssystemen) ➔ Religion channels our disgust --> ideas about good / bad ➔ Dualität Sakral - Profan o Alle Gesellschaften haben ein duales Ordnungsschema, nach dem sie alle Dinge entweder dem sakralen oder profanen Bereich zuordnen o Was profan und sakral ist bestimmen die Menschen (über das Kollektivbe- wusstsein) selbst 14 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Arbeitsteilung: Mechanische Solidarität (primitiv) Organische Solidarität (zivilisiert) ➔ tritt in "primitiven Gesellschaften" ➔ tritt in großen Gruppen auf, die mit weitgehend homogenen sozia- stärker heterogen und differenziert len und kulturellen Verhältnissen sind auf ➔ starke Arbeitsteilung ➔ wenig ausgeprägte Arbeitsteilung ➔ Die einzelnen Teile der Gesellschaft ➔ Zusammenhalt der Gruppen ist sind durch die starke Arbeitsteilung stark aufeinander angewiesen wie die ➔ der Einzelne unterliegt dem Kollek- Organe eines Körpers (der Körper tivbewusstsein als Ganzes ist die Gesellschaft, die selbstverständlich auch auf das Funktionieren ihrer Teile angewie- sen ist) ➔ das Individualbewusstsein in sol- chen Gesellschaften ist stärker aus- geprägt Kritikpunkte: ➔ Hard to reconcile his conceptions of human action (lead to “cultural dope” views) ➔ Hard now to defend his Comtean conception of causal analysis and the criteria of “science”. ➔ Problematik Funktionalismus: Institutionen erfüllen gewisse Bedürfnisse (der Ge- sellschaft) und Schränken das Individuum ein --> Wie erklärt man schlecht funktionierende oder sinnlose Institutionen (Durkheim versuchte dies durch das Konzept der Anomie zu beachten) 15 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 IV. Französischer Strukturalismus Anfänge des Strukturalismus ➔ Ethnologie und Linguistik (Roman Jakobson, Ferdinand de Saussure) ➔ Gründung der Zeitschrift Année Sociologique (1898 Durkheim, später Mauss) ➔ Untersuchung von kollektiven Vorstellungen und „totalen sozialen Tatsachen“ ➔ Ab 1925 Institut d'Ethnologie in Paris (M. Mauss) Strukturalismus= Theorie, die davon ausgeht, dass die Bedeutung empirischer sozialer Phänomene diesen Phänomenen weder inhärent ist, noch sich von ihnen ableiten lässt, wenn man sie als iso- lierte Elemente betrachtet. Die Bedeutung wird allein bestimmt durch die Systeme von Beziehungen, welche die Phänomene miteinander verbinden. Die Organisation der Bezie- hungssysteme wird Struktur genannt. (Elemente nur aus Beziehungen verstehbar) Beobachtbare Phänomene gelten als Ausdruck eines Beziehungsgeflechts (Struktur), das der spezifischen Kultur zugrunde liegt und sich auch in anderen Phänomenen der Kultur wiederfinden lässt. Eine spezifische Struktur drückt den besonderen Charakter eines Sys- tems aus. Die Form der einzelnen Phänomene, nicht jedoch die Struktur selbst gilt im Strukturalismus als beobachtbar; die bleibt im Unbewussten verborgen und lässt sich nur über die Strukturanalyse erschliessen. ➔ Ermöglicht den Kulturvergleich als Vergleich von Strukturen 1. Ferdinand de Saussure (1857-1913) ➔ Langue (Sprache als System) – parole (Sprache als Aktion) ➔ Zeichenbeziehungen Semiotik ➔ Allgemeine Prinzipien, nicht Entwicklung ➔ Phoneme: minimale Lauteinheiten, Bedeutungsträger (z.B. ba & pa) ➔ Daraus kombiniert Wörter ➔ Grundlegende Ideen des Strukturalismus Trichotomien (Dreipaare): Sprache als menschliche Fähigkeit (langage) – Sprache als Zeichen und Regelsystem (langue) – Sprechen (parole) Zeichen (signe): Bezeichnendes/Laute, Schrift (signifiant, Zeichenform) – Bezeichnetes (signifié, Inhalt, Begriff) Später Begriff des séme für das ganze Zeichen 16 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Kritik: ➔ Wenig Platz für sozialen Wandel --> Fokus auf konstante Systeme --> Wandel in Kultur und Sprache nicht erklärbar 2. Marcel Mauss (1872-1950) Hintergrund: ➔ Neffe von Durkheim, seinem Mentor ➔ Begründer der französischen Ethnologie ➔ Empirische Orientierung ➔ Untersuchung „totaler sozialer Tatsachen“ = Totale soziale Tatsachen im Sinne Mauss', vereinen alle Aspekte des gesellschaft- lichen Lebens (wirtschaftliche, politische, juristische, religiöse, mythologische), ver- flechten Individuen, Gruppen und Institutionen miteinander und halten auf diese Weise die Gesellschaft in ihrer Totalität in Gang ➔ Wichtige Publikationen: o 1923/24 „Die Gabe“ (–> OLAT) o Aufsätze „Über den jahreszeitlichen Wandel der Eskimogesellschaften“, „Körpertechniken“ ➔ Begründer des Interaktionismus, zahlreiche wichtige Schüler Die Gabe: Reziprozitätszwang 1. Totale gesellschaftliche Tatsache: Das Geben und Nehmen ist eine umfassende ge- sellschaftliche Handlung, die in vielen Bereichen des sozialen Lebens präsent ist. 2. Pflicht des Gebens: Diese Pflicht ist essenziell, weil das Nichterfüllen einer Gabe einer Kriegserklärung gleichkommt. Entweder es kommt zum Austausch oder zur Feindschaft (S. 37, 180 f.). 3. Hierarchien und Prestigedenken: Durch Rituale wie den Potlatsch werden große Mengen an Gütern übergeben und oft sogar zerstört, um Überlegenheit zu de- monstrieren. Wer eine Gabe nicht erwidert, signalisiert Unterordnung und bestä- tigt das Prestige des Reicheren (S. 169-171). 4. Solidarität und Bindung: Gaben schaffen Bindungen und drücken Dankbarkeit aus. Der Reziprozitätszwang fördert das Teilen von Reichtum, wodurch Verpflichtungen und Beziehungen entstehen (S. 172, 174). 5. Moralische und soziale Dimension: Dienste, die Einzelne für die Gemeinschaft er- bringen, sollen mehr als durch einen Lohn gewürdigt werden. Eine Gabe nicht zu erwidern, verletzt das Prinzip der Solidarität und verweigert die Beziehung (S. 160, 174). 6. Symbolische Bedeutung der Gaben: Gaben tragen eine Art „Seele“ und repräsen- tieren die Zeit, das Leben und den sozialen Kontext des Gebenden. Sie sind mehr als materielle Güter; sie schaffen und pflegen soziale Verbindungen (S. 157, 174). 17 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 3. Claude Lévi-Strauss (1908-2009) Hintergrund: ➔ Studium Philosophie und Jura, Lehrer ➔ Zweitstudium in Brasilien, 1936 Feldforschung im Mato Grosso ➔ Unterrichtete in New York, dort Einfluss Roman Jakobsons ➔ Ab 1945 in Paris am ethnologischen Institut ➔ Struktur: Bedeutung durch Beziehungen von Elementen zueinander und deren Transformationen Publikationen: ➔ 1943-47 „Die Elementaren Strukturen der Verwandtschaft“ o Betrachtet nicht nur Abstammung, sondern die Beziehung von Gruppen be- gründet durch Heirat o 1954 „Traurige Tropen“ (Reisebericht, Autobiographie, Reflexion, Zivilisati- onskritik) o 1958 „Strukturale Anthropologie“ o 1962 „Das Ende des Totemismus“ und „Das wilde Denken“ o 1964-1971 „Mythologica“ (vier Bände) Text „der Mythos von Asdiwal“ Mytheme = abgeleitet von Phonemen & Lexemen; kleinstmögliche Bedeutungseinheit von Mythen Strukturale Analysen: (Erforschte Ethnische Gruppen: Bororo & Nambikwara) ➔ Verwandtschaft und Heirat (Inzest-Tabu) ➔ Denken und Sprache ➔ Mythen ➔ Totemismus ➔ Kunst ➔ Rituale und Zeremonien Ethnische Gruppen: Bororo & Nambikwara Kritik: 1. Statisch, ahistorische Herangehensweise a. Keine Beachtung von Historischen Veränderungen (historisch-politischer Kontext); Analyse beachtet gesellschaftlichen Stress nicht, erforschte Kulturen waren nicht in ihrem «natürlichen Zustand» 2. Gutes ethnographisches Material, aber dekontextualisiert 3. Psychologische Vorstellungen problematisch (ignoriert Individuum) 4. Innerer Widerspruch („Mythologica“): Sprache langue als abstraktes überindividu- elles System von Zeichen losgelöst vom aktuellen Sprechen parole 18 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 V. US-amerikanische Cultural Anthropology Zentrale Aspekte / Probleme der Cultural Anthropology: 1. Natur- oder Geisteswissenschaft, Soziologie / Geschichte, Gesetze / Partikuläres: Boas, Kroeber, Benedict / White, Murdock 2. Tendenz Induktion oder Deduktion: Comnunity Study Method / White, Murdock 3. Empirismus: Gegen jegliche Spekulation, Datensammeln 4. Relativismus oder Vergleichbarkeit, etic- und emic-Ansatz, Objektivismus oder Subjektivismus: Kognitive Anthropologie / Cross cultural Stu- dies (eher ein kleiner Nebenzweig) 5. Ganzheit und Teile: patterns, Konfiguration, Integration – trait lists 6. Bedeutung des Individuums: aktiv oder passiv, Kultur-Determinismus 7. Reduktionismus: Kultur als eigener Bereich, superorganic, "culturology“ 8. Basis-Überbau-Problem: reality culture und value culture, Kumulation und Verän- derung, Begrenzung und Phantasie --> Wo findet der Kulturwandel tatsächlich statt? 9. Determinismus: determiniert Basis den Überbau?, biologische, Umwelt-Determi- niertheit 10. Umwelt und Kultur: Kulturareale, Cultural ecology begrenzend / determinierend 11. Kultur als Prozess: Diffusion, Integration, Erfindungen, Akkulturation 12. Veränderung als Fortschritt? Evolution, Neo-Evolutionismus, Folk-urban 13. Anwendung wissenschaftlicher Ergebnisse (Applied-/Action-Anthropology) 19 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 1. Franz Boas (1858-1942) Lebenslauf und Forschung: ➔ Aus intellektueller jüdischer Familie in Minden --> geprägt durch Antisemitismus ➔ Studium: Physik, Mathematik, Geographie (Heidelberg, Kiel) ➔ 1881 Promotion über die Farbe des Meerwassers ➔ 1883 Kontakt zu Verwandten in den USA ➔ Baffinland-Expedition (1883-1884) o Geophysikalische Expedition o Reise finanziert durch «Tageblatt» o Pläne auszuwandern o Schwierigkeiten Arbeit zu finden o Abhängigkeit von Eskimo --> Faszination Innuit, wie sie in der Landschaft leben können ➔ 1. Ethnografie: The Central Eskimo (1888) ➔ Zurück in Berlin, 1885 o Heirat in New York o Assistenz bei Bastian in Berlin o Habilitation für Geografie 1886 o Bella Coola-Gruppe in Berlin o 1886/87 Forschungen an der amerikanischen Nordwestküste ➔ Institutionalisierung Ethnologie in Amerika o 1888 Dozent Clark University o Ab 1899 Professor of Anthropology Columbia University New York o American Folklore Society 1888 o American Anthropological Association 1902 o Politische Stellungnahmen im 1. Weltkrieg o Positioniert sich gegen Rassenforschung und Eugenik ➔ Jesup North Pacific Expedition (1897-1902) o Norwestküsten-Indianer ➔ Four field approach: o Archaeology o Linguistics o Folklore o Physical Anthropology ➔ Arbeit mit George Hunt (Ko-Publikationen) 20 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Beitrag: ➔ 600 Artikel + Grosse Datensammlungen ➔ Lehre: zwei Kurse, aber sehr viele Schüler (Promotionen) ➔ Theoretisch o ‚Rasse‘, Sprache und Kultur sind nicht miteinander verbunden o Empirismus : möglichst viele Daten sammeln o Hypothese : strenge Prüfung an Daten o Induktion : Schlüsse aus den Daten Thesen: Kulturareale (cultural areas): ➔ Keine Gesetzmäßigkeiten ➔ Jeder Einzelfall muss untersucht werden --> Kritik an Evolutionismus / Diffusionismus; an der Annahme, dass gleiche Er- scheinungen auch den gleichen Ursprung haben ➔ Geographische Areale ➔ Kontinuität d. Verbreitung Beweis von Zusammenhang ➔ Clark Wissler übernahm u. etablierte das Konzept ➔ Induktion: Massen von Rohdaten Kulturwandel: 1. Wandel ist ein historisches Problem --> Ansatz nahe an Archäologie 2. Alle kulturellen Formen befinden sich in ständigem Wandel 3. "actual conditions of cultural change“ sind genau zu untersuchen 4. Induktive Forschung mit direkten und indirekten Methoden 5. Das Individuum ist von zentraler Bedeutung 6. Jedes soziokulturelle Phänomen ist sowohl Ursache als auch Wirkung Feldforschung: ➔ Langdauernd und wiederholt ➔ Einheimische Sprache zentral ➔ Teilnahme nicht gefordert ➔ Befragung wichtiger als Beobachtung --> freie Interview & Training von einheimischen Hilfskräften für einheitliche Da- tensammlung ➔ Hauptinformant von großer Bedeutung ➔ Freie Interviews 21 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Kultur-Konzept: Keine Theorie im strengen SInne ➔ Geprägt von dem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext o In Abgrenzung zum Evolutionismus --> keine Suche nach Gesetzmässigkeiten o In Auseinandersetzung mit Antisemitismus u. Rassismus o Gegen Eugenik-Bewegung in den US ➔ Unabhängig von Biologie und Rasse ➔ Erklärungsmodell für Unterschiede ➔ Keine Suche nach Gesetzmässigkeiten ➔ Charakteristikum aller Menschengruppen ➔ Kultur = alles erlernte Verhalten ➔ Jeweils aus eigener Geschichte heraus zu verstehen (historischer Partikularismus = Jede Kultur hat ihre eigene Geschichte) o Multikausalität historischer Entwicklungen o Jeder historische Augenblick ist unvergleichbar mit jedem anderen his- torischen Augenblick, jede historische Erscheinung ist einzigartig ➔ Neu bei Boas: o Kulturen im Plural = soziale Kollektive o Starker Kulturrelativismus = Kultur ist nur aus sich heraus verständlich Zielvorstellungen: 1. Emische Sicht (Perspektive einer Person aus der Kultur; gegenstück etic = Sicht von Aussen auf die Kultur, Forschungsblick) / Relativismus 2. Kulturdeterminismus --> durch die Kultur bestimmt wie sich jemand Verhält (Sozia- lisierung mit Spielraum) 3. Anti-Intellektualismus --> Gegen die Vorstellung, dass Fortschritt durch Denken an- getrieben wird 4. Gewohnheit zentral 5. Prozesse statt Gesetze --> Prozesse unterliegen keiner Gesetzesmässigkeit 6. Keine invarianten Beziehungen: Modifikation und Integration (Elemente von Kulturen werden modifiziert und frei integriert) 7. Kreative (dynamische, subjektive Sphäre) und begrenzende Faktoren (statische Sphäre z.B. Umweltfaktoren) 8. Bedeutung des Individuums 22 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 2. Ruth Benedict (1887-1948) ➔ 1934 Patterns of Culture ➔ Integration von Kultur durch Muster, keine trait lists (Kultur als integriertes Gan- zes; übernommen von Boas) ➔ Gestalt-Psychologie (configuration) --> Persönlichkeiten ➔ Pattern & Ethos = Dominantes Set von Kulturelementen, die das Gesamtbild be- stimmten --> Geist/Seele einer Kultur ➔ Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile (Holismus) ➔ Verschiedene Grade der Integration ➔ Ignoriert Interkulturelle Konflikte Muster/Konfigurationen: ➔ Appolonisch (Ordnung, Ausgeglichenheit, Konflikt als Übel) ➔ Faustisch (Kampf gegen Widerstände, Entwicklung, Konflikt Essenz der Existenz) ➔ Dionysisch (Exzess, Überwindung von Grenzen ➔ Verschiedene Metaphern 1. Pattern (Muster) ➔ Kulturen ähnlich zu Persön- 2. Configuration (Gestalt, lichkeiten Gestaltung) (Nationalcharakterstudien) 3. Ethos (Seele, Genius, ➔ Personifizierung von Kultu- «Feel») ren ➔ Grundthese: Gesellschaften ➔ fördern einen bestimmten Typus von Person; Individuen profitieren, wenn sie diesem Typus entspre- chen; dies wiederrum propagiert den Typus 3 Typen: ➔ 1. Kwakiutl /NWK 1. Apollonisch Zuschrei- --> faustisch 2. Faustisch bung zu 2. Zuni --> apollonisch 3. Dionysisch Ethnien 3. Dobu --> dionysisch The Chrysanthemum and the Sword (1946) ➔ 1944 Auftrag vom Office of War Information (OWI) ➔ Anthropology at a distance ➔ „Den Feind“ verstehen und kennen --> Achsenmächte ➔ Revidierung des Klischees des „barbarischen Japaners“ ➔ Beschreibung des Höflichkeitssystems, der Konzepte von Schuld / Scham 23 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 3. Margaret Mead (1901-1978) ➔ Schülerin von Boas --> Bestätigung von Boas’ Kultur-Determinismus ➔ 1925 Feldforschung in Samoa ➔ Pubertät als soziokulturelles Phänomen ➔ Betonung des Lernens und der Kultur ➔ Mead-Freeman-Kontroverse Publikationen: "Coming of Age in Samoa" (1928) --> Entwicklung von Mädchen auf Samoa "Growing up in New Guinea" (1930) "Sex and Temperament in Three Primitive Societies" (1935) ➔ Erkenntnis: Geschlechterunterschiede kulturell bedingt 4. Kultur & Persönlichkeit (Anfänge psychological anthropology) Nationalcharakter-Studien: ➔ Ruth Benedict ➔ Margaret Mead ➔ Edward Sapir o Linguist o Sapir-Whorf-Hypthese: Denken ist durch die Sprache vorprogrammiert ➔ Ralph Linton ➔ Gregory Bateson ➔ Jane Belo ➔ Geoffrey Gorer Ethnologie & Militär: ➔ Zweiter Weltkrieg o Contemporary Cultures Project an der Columbia University (Japan, Sowjet- union) o Zusammenarbeit mit Office of War Information (OWI) o Anthropology at a distance ➔ Danach o 1960er Jahre, Vietnam und Chile: Project Camelot o Irak und Afghanistan: Human Terrain Systems and Teams (HTS / HTM) AAA Statement 24 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Psychoanalytische Einflüsse: Sigmund Freud, Géza Róheim, Erich Fromm, Abram Kardiner, Cora DuBois, Geoffrey Gorer, John Whiting & Irving Child Sigmund Freud: ➔ «Totem & Tabu» ➔ Ethnologisches Werk: Ödipus-Komplex als Ursprung des Totemismus o Primitive Gesellschaften bestehend aus Männerhorden o Vatermord am ältesten Mann o Schuldgefühle --> Identifikation des Vaters mit Totemtier o Urerinnerung an Vatermord Culture & Personality: ➔ Äusserer Anlass: Zeit nach 1. Weltkrieg --> Problematik applied & action anthropo- logy (in Kriegsgebieten) ➔ Allgemeine Zunahme Bedeutung Psychologie ➔ Anwendbarkeit auf andere Gesellschaften? ➔ Individuum : Kultur ➔ Kindererziehung ➔ Symbole ➔ Beziehungen in Familie: Verwandtschaft ➔ Mythendeutung ➔ Testverfahren: Rohrschach, TAT --> Interpretation angepasst an Kontext 5. Gemeindestudien ➔ „Gemeinden“ statt „Stämmen“ / Ethnien ➔ Zusammenhang mit Akkulturationsstudien (Akkulturation = bezieht sich als weit gefasster Oberbegriff auf alle Anpassungs- prozesse von Personen oder sozialen Gruppen an eine Kultur in Hinsicht auf Wert- vorstellungen, Sitten, Brauchtum, Sprache, Religion, Technologie und anderes) ➔ Erweiterung des Typus von Gesellschaften (Land-Stadt Beziehungen) ➔ Peasant studies, folk culture o Bauer einer „traditionellen“ Gemeinschaft der in komplexer staatl. Gesell- schaft für Markt produzieren muss ➔ Austausch Soziologie : Ethnologie ➔ Entstehung Stadtethnologie 25 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 6. Kognitive Ethnologie ➔ „subjektiver Ansatz“, emische Sicht: verstehen zentral, Sprache & Texte ➔ Kulturelles Wissen und Denken im Mittelpunkt o Alle menschlichen Gesellschaften versuchen Phänomene durch Kategorisie- ren & Sortieren verständlich zu machen o Auswählen (Was wichtig ist bezeichnet zu werden?), Unterscheiden, usw. ➔ 1956 Goodenough und Lounsbury wichtige Aufsätze ➔ Ethnoscience, New Ethnography, Ethnolinguistics, Ethnosemantics Zentrale Fragestellung: ➔ Indigenes Wissen, Ordnungs- und Denksysteme o Auswählen o Abgrenzen und Zusammenfassen o Ordnen o Benennen ➔ Verwandtschaftsterminologie, Botanik, Zoologie, Farben ➔ Mental Maps ➔ Entwicklung von Taxonomien ➔ Stephen A. Tyler: Cognitive Anthropology. Readings. New York 1969 26 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 VI. Britische Social Anthropology Vorläufer 1890-1920: ➔ Evolutionisten ➔ Hyper-Diffusionisten (Ägypten als Ursprung von Kultur) ➔ Torres-Straits-Expedition (interdisziplinär) 1898 – 1899: o Expedition, die der ethnographischen Erforschung der Ureinwohner der In- selwelt in der Torresstraße dienen sollte. London School of Economics (LSE = „Die Ursache der Dinge erkennen“) 1895 University of Cambridge 1209 University of Oxford 12. Jh. 1. Bronislaw Malinowski (1884-1942) Hintergrund: ➔ Geboren in Polen, Studium in Krakau, Leipzig und London (LSE) ➔ Lehrer: Alfred C. Haddon (Leiter Torres-Straits-Expedition), Charles G. Seligman und William Halse Rivers ➔ 1914 Australienreise ➔ Ethnographische Forschung auf den Trobriand-Inseln ➔ Funktionalistischer Ansatz ➔ Publikationen: o 1913: The Family Among the Australian Aborigines o 1922: Argonauts of the Western Pacific. o 1926: Crime and Custom in Savage Society. o 1927: The Father in Primitive Psychology. o 1929: The Sexual Life of Savages in North-Western Melanesia. o 1935: Coral Gardens and Their Magic. Ethnographie: ➔ Ethnographie = Beschreibung fremder Lebensweisen, deren Interpretation sowie deren Ergebnis (Resultat & der Vorgang selbst) ➔ Seit Herodot Beschreibungen des Fremden (ethnos graphein) ➔ Aufenthalte „im Feld“ (Missionare, Verwalter, Händler --> Hatten bereits Kontakt mit den einheimischen) ➔ 19. Jh.: Fragelisten und Expeditionen ➔ Boas: empirische Daten zentral, Sprache und Befragung von Hauptinformanten 27 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 ➔ Malinowski: Ethnographische Forschung & Teilnehmende Beobachtung o Teilnahmen bedeutete bei Malinowski mehr im Dorf anwesend sein als wirklich aktives Teilnehmen an den Geschehnissen o Das Alltägliche im Fokus der Beobachtung Prinzipien ethnographischer Arbeit (1922) ➔ Wissenschaftliche Zielsetzung o Theoretische Annahmen überprüfen und revidieren o Auffinden von Gesetzen und Regelmäßigkeiten o Erfassen der Sicht des Einheimischen ➔ Unmittelbar im Geschehen o Direkte Aufnahme von Informationen in der Gegenwart o Langdauernder Aufenthalt o „Stammesleben“ in allen Aspekten nicht nur Einzelprobleme --> Alltag ➔ Anwendung empirischer Methoden o Beobachtung und umfassende Beschreibung o Tabellen und synoptische Karten o Kontrolle von Beobachtungsfehler Malinowskis Funktionalismus (biocultural/psychological functionalism): ➔ Beziehungen verschiedener institutioneller Elemente einer Kultur zueinander ➔ Gesellschaft ein integriertes Ganzes von Institutionen (eingeschränkt!) ➔ Kultur dient der Bedürfnisbefriedigung o Primäre biologische Bedürfnisse (bei allen Menschen gleich) o Sekundäre kulturelle Bedürfnisse o Beziehung zwischen beiden unklar ➔ Magie hat eine psychologische/ emotionale Funktion o Magic gives luck/confidence o Trennung spirituelles / praktisches 28 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 2. Alfred Reginals Radcliffe-Brown (1881-1955) Wissenschaftsverständnis: ➔ Stark beeinflusst durch Durkheim --> soziales als unabhängig analysierbare Ebene ➔ Feldforschung in Wildbeuterkulturen bzw. «vorstaatliche Gesellschaften» (Andamanen, Australien) ➔ Historische Rekonstruktion = Spekulation ➔ Alle Phänomene in der Welt unterliegen Gesetzmäßigkeiten ➔ Vergleichende Methode --> Ahistorische Betrachtung; Einheiten durch Raum und Zeit abgeschnitten ➔ Typologie sozialer Systeme ➔ Society and its structure are reflected in the institution ➔ Prozess eher nebensächlich (also basierend auf Durkheim, nicht Weber) ➔ Ein Mensch in der Gesellschaft ist gleichzeitig ein Organismus (Individuelles biolo- gisches Wesen & eine Person (soziale Rolle & soziale Beziehungen) Publikationen: ➔ 1922 The Andaman Islanders ➔ Posthum o 1952 Structure and Function in Primitive Society o 1957 A Natural Science of Society o 1958 Method and Social Anthropology (selected essays) Namenstabus: ➔ Die Institution erklärt/erzeugt die Psychologie nicht andersherum ➔ Institution die einen Statuswechsel markiert o Verdeutlicht die Struktur und schützt diese o Tabu soll Leute in empfindlichen «Transitionperiods» schützen (Funktion) Struktur-funktionalismus: ➔ Analogie des Organismus = Kultur ist ein Organismus, dessen Institutionen die Or- gane bilden und somit abhängig voneinander sind --> Ziel alles am laufen zu halten o Alle Teile voneinander abhängig o Alle Komponenten stützen sich gegenseitig: Systeme tendieren zum Gleich- gewicht (Equilibrium), Feedback Systems: Tendenz zu Homeostasis o Sie sind so wie sie sind aufgrund ihres Beitrags zum Ganzen ➔ Struktur o Beobachtbare Beziehungen zwischen Individuen / Teilen (z.B. Institutionen) o Funktionale Einheit (beruht auf Analogie des Organismus) ➔ Funktion ≠ Cause, Erklärung (Durkheim --> Radcliffe-Brown macht diese Unterscheidung nicht wirklich) 29 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 o Beitrag eines Teils zum Ganzen o Nicht jeder Aspekt des Ganzen muss eine Funktion haben?! o Die Funktion kann nicht als Existenzerklärung einer Institution verwendet werden Funktion: ➔ Bei B. Malinowski: Bedürfnisbefriedigung ➔ Integration: Beziehungen aller kulturellen Element aufeinander ➔ Aufgabe / Leistung einer soziokulturellen Erscheinung bezogen auf eine höhere Einheit (Gesellschaft) ➔ Nach Lévi-Strauss sind diese Elemente bereits im Denken/Gehirn festgelegt 3. Sir Edward Evans-Pritchard (1902-1973) Hintergrund: ➔ Schüler von B. Malinowski und A. R. Radcliffe-Brown ➔ Forschungen bei den Nuer und Zande ➔ Professor in Oxford ➔ Vertreter u. Veränderer des britischen (Struktur-) Funktionalismus Zande (Sudan): Hexerei ➔ Feldforschung bei den Zande 1926-30 ➔ 1937: Witchcraft, Oracles and Magic among the Azande ➔ Funktion Hexerei o Ersatz und Ablehnung von Zufall o Stress- und Spannungsabbau o Erklärung des Unerklärlichen o Verstärkung sozialer Normen (z.B. ehelicher Treue) Ansatz und Interessen: ➔ Bruch mit Radcliffe-Brown: Ethnologie keine Naturwissenschaft ➔ Rationalität menschlichen Handelns (Azande Monographie) ➔ Herstellung von Ordnung in Abwesenheit von Staat und Kirche ➔ Gesellschaft als moralische, symbolisch-rituelles (religiöses) System ➔ Prozesse zentral: Social Anthropology als vergleichende Geschichtsschreibung ➔ Struktur-Funktionalistisch ohne Suche nach universellen Regeln --> nur auf jewei- lige Kultur bezogen ➔ Späterer übergang von Structure to meaning Publikationen: 30 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 ➔ 1937: Witchcraft, Oracles and Magic among the Azande ➔ 1940: A Description of the Modes of Livelihood and Political Institutions of A Ni- lotic People. ➔ 1951: Kinship and Marriage among the Nuer. ➔ 1965: Theories of Primitive Religion. Nuer (Südsudan): Segmentäre Gesellschaften ➔ E. Evans-Pritchard 1940: The Nuer, Oxford. ➔ S. Hutchinson, 1996: Nuer Dilemmas, Berkeley. ➔ Größte ethnische Gruppe, heutiger Süd-Sudan ➔ Hirse u. Maisanbau, Viehhaltung ➔ Sesshaft in Weilern: patrilinear verwandte Männer (segmentäres Lineage-System) ➔ Mehrere Weiler = ein Dorf ➔ Paralleles Territorial-System: Clans besitzen Land Segmentäre Gesellschaften ➔ Ohne Staat und zentrale politische Instanz («tribes») ➔ Patrilineare/patrilokale lineages beziehen sich auf entfernte gemeinsame Vorfah- ren ➔ Komplementäre Oppositionen: fission & fusion --> Verwandtschaftssystem ist aus komplimentären und Gegensätzlichen Teilen aufgebaut ➔ Konflikte werden auf höheren Ebenen geregelt ➔ Factions: informelle Konfliktparteien aus Führern und Gefolgsleuten Nuer: «Complementary Opposition» «Tribal subgroups are also charged with security and are defined as having “collective re- sponsibility”; that is, the moral norm is that each member is responsible for what other members do and, as a consequence, all members are seen by outsiders as equivalent. There is also a moral norm to aid fellow tribesmen, the obligation stronger for close kin, weaker for more distant kin. Internal tribal relations among subgroups are based on what anthro- pologists call “balanced opposition” or “complementary opposition.” Each tribal subgroup is “balanced” against other subgroups of the same genealogical order, which in principle, and often in practice, serves as a deterrent against hostile acts.» 31 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 4. Ab 1960 Einflüsse französischer Ethnologie und Auseinandersetzung mit US Cultural Anthropology ➔ Edmund Leach (Schüler und Kritiker Evans-Pritchards, Burma & Sri Lanka, Politik- & Verwandtschaft) ➔ Meyer Fortes (Verwandtschaftsethnologie) o Weg von Struktur --> Analyse der Emotionen von Verwandtschaft ➔ Mary Douglas (Purity and Danger) o Schmutz und Reinheit als Ordnungsmechanismus ➔ [Fredrik Barth (Ethnische Grenzen) Norwegian] o Studierte in UK o Fokus: Abgrenzung von sozialen Einheiten ▪ Prozesse & Interaktionen an ethnischen Grenzen bringen die Unter- schiede hervor (Transaktion) ▪ Wurde kritisiert für methodischen Individualismus ➔ Victor Turner (Ritual und Symbol) 32 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 VII. Wandel: Structure to Meaning Bedeutung/Meaning Definition: ➔ 1a. [ohne Plural] Sinn, der in Handlungen, Gegebenheiten, Dingen, Erscheinungen liegt "die Bedeutung eines Traumes erklären" ➔ 1b. das Bedeuten (1a); Referenz und begrifflicher Inhalt eines Zeichens; Beziehung zwischen Wortkörper und begrifflichem Inhalt "die ursprüngliche, eigentliche, übertragene Bedeutung“ ➔ Significance / Wichtigkeit (kausal: interest rates) ➔ Intention (zwinkern) ➔.... 1. Clifford Geertz (1926-2006): Hermeneutische Ethnologie ➔ Wandel der Ethnologie von einer Sozialwissenschaft zu einer Geisteswissenschaft Hintergrund: ➔ Studium Philosophie und Literaturwissenschaft ➔ Einfluss von Weber, Durkheim via Talcott Parsons UND Wittgenstein, Ryle ➔ Promotion Harvard, später Chicago, Anstellung ab 1970 in Princeton ➔ Feldforschungen in Java, Bali und Marokko Geertz, Clifford (1987), Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main: Suhrkamp. ➔ Dichte Beschreibung ➔ Religion als kulturelles System ➔ „Deep play“: Bemerkungen zum balinesischen Hahnenkampf ➔ „Aus der Perspektive des Eingeborenen“. Zum Problem des ethnologischen Verste- hens THICK DESCRIPTION „DICHTE BESCHREIBUNG“ ➔ Kommt von dem Philosophen Gilbert Ryle ➔ Genaue Analyse spezifischer ethnographischer Ereignisse ➔ die geistige Anstrengung hinter einem Verhalten verstehen (Intention) ➔ Hierarchien mehrerer Ebenen von Bedeutungen ➔ Kultur als Text (Bedeutungsgewebe) ➔ Beispiel „Blinzeln“ 33 Angela Blattmann Geschichte der Ethnologie des 20. Jahrhunderts Test: 17.12.2024 Kritik: ➔ Vergleichbarkeit? ➔ Fehlinterpretationen ➔ Generalisierung --> Marionetten der Kultur ➔ Wo kommt Kultur überhaupt her? ➔ Menschliche Agency 2. Marshall D. Sahlins (1930-2021) 1965 «On the sociology of primitive exchange» 1972«Stone age of primitive economics» 1990er Debatte mit Obeyesekere über Cook‘s Tod ➔ Keine «Schule» ➔ Ausgang vom „substantivistischen Ansatz“ der Wirtschaftsethnologie ➔ Reziprozität und soziale Distanz ➔ “Original affluent society“ ➔ Konstruktivistischer Ansatz Kinship 3. Symbolische / Interpretative Ethnologie ➔ Erweiterung funktionalistischer Ansätze um „Bedeutung“ (meaning) ➔ Kultur als Bedeutungsgewebe (web of meaning, bzw. ‚Text‘) ➔ Meaning = kulturell konstruiert, da Menschen enkulturiert sind ➔ Semiotischer Kulturbegriff ➔ Symbol: jedes Vehikel, das Bedeutung transportiert (Zwinkern) ➔ Mission der Ethnologie: Erziehung der moral imagination; Bedeutungen verständ- lich machen (z.B. Witwenverbrennung) --> Europäer dazu befähigen andere Kulturen zu verstehen ➔ Interpretation: Interpretative turn in den Sozialwissenschaften ➔ Ethnographie als literarisches Genre, Ethnologie als Geisteswissenschaft ➔ Crisis of Representation, Post-Modernism (Was wird überhaupt beschrieben? --> Doppelte Hermaneutik) 34