Einführung NDL 1 PDF
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This document appears to be lecture notes on literature, focusing on concepts like author, text, and literary analysis. It delves into various theories, including those of Jakobson, Hegel, and Kant. The provided text sample contains examples of literary terminology and analysis related to structure and meaning in texts.
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Einführung NDL 1 Literatur Autor: erst nach Buchdruck wichtig “Urheber” Tod des Autors, Text getrennt von Autor, eigenständig Text: fixiertes Wortgewebe, situationsabhängig Literatur: komponierte, verf...
Einführung NDL 1 Literatur Autor: erst nach Buchdruck wichtig “Urheber” Tod des Autors, Text getrennt von Autor, eigenständig Text: fixiertes Wortgewebe, situationsabhängig Literatur: komponierte, verfeinerte Sprache referenzielle Funktion: bezieht auf Alltagswelt expressive Funktion: Stimmung des Autors appelative Funktion: politische, moralische Meinung + Argumente ästhetische Funktion: Selbstzweck, spielerisch Intertextualität: behauptet allgemeine Vernetztheit aller Texte durch Zitate, Annäherungen, Prätexte etc. Hypertext: dynamisch, unabschliessbar, interaktiv z. B. ein X-Post Werk: klassizistische Ganzheit, Gleichstellung mit Autor kritisch “Ein Text sagt immer mehr aus, als die Autorin je hätte beabsichtigen können.” Einführung NDL 1 1 Kanon: Texte, als kulturell wertvoll (Curriculum, Bildungspolitik) Literarische Wertung: Kriterien zur Analyse Formal: Offen-/Geschlossenheit, Komplexität Inhalt: Wahrheitsgehalt, Menschlichkeit, Gerechtigkeit Relational: Bezug auf Gesellschaft, Normbrüche Wirkungsbezogen: subjektive Wahrnehmung, Interessantheit, Spannung Rezeption: Leserin als Kommunikationspartner, schreibt weiter informativ interpretierend (zielgerichtet) kreativ (ästhetisch) Interpretation: hist. Verstehen, Texterklären, Anwenden von z. B. Bibel “Textverstehen ist ein unabschliessbarer Prozess, da stets neue Bedeutungen durch historische Wechsel und aktive Beteiligung entstehen.” Interpretieren aus fixiertem Standpunkt, mit Belegen Plausibilität prüfen Russischer Formalismus: betrachtet nur literarische Form, nicht Inhalt Verfremdungseffekt, Abweichung von Alltagssprache (Kontrast) Semiotik: Zeichengestalt: Signifikant, Kommunikative Verbindung Signifikat: Referenz, Gegenstand Sem: einzelne bedeutungstragende Merkmale SONNE → hell, warm, gross → alle zusammen Semem Lexem: Wort mit allen Bedeutungsmöglichkeiten (Bruch → Monosemierung, Seme abgleichen) Klassem: durch Monosemierung ausgewählte Seme, (Thematik) → Kohärenz in einem Text Einführung NDL 1 2 Kommunikationsmodell nach Jakobson: Sender: emotive Funktion Empfänger: konative Funktion Kode: metasprachliche Funktion Kontakt: phatische Funktion Kontext: refentielle Funktion Mitteilung: poetische Funktion Ausdrucksweise gestaltet Differenziert von Alltagssprache Aufmerksamkeit auf Form und Struktur Poetik, Ästhetik, Rhetorik Ästhetik: Antike: Schönheit = Wahrheit = Gut Mittelalter: Schönheit als Eigenschaft des Göttlichen, Kunst = Kirche Aufklärung: Mensch als Erkenntnissubjekt im Zentrum Kant: verlagert Erkenntnis ins Subjekt, bedingt Vernunft “interessenloses Wohlgefallen” Hegel: Kunst als bewusste Weltaneignung, autonom vs. zweckgebunden Poetik: Fertigkeit zu dichten/schaffen Poetologie: Theorie der Dichtung, bestimmt Wesen, Aufgaben, Bedeutung normative Poetik: schreibt vor, wie Dichtung sein soll, Anspruch auf absolutes Wissen, entscheidet über “gute” Poetik Geschichte der Poetik Platon: hater, schädlich, Mimesis von unvollkommener Welt, verbannt Aristoteles: Mimesis, Nachahmungen des handelnden Menschen, Darstellung einer möglichen Wirklichkeit → glaubwürdig Einführung NDL 1 3 Katharsis: Reinigung von Affekten durch Weinen und Lachen (intellektuelles Vergnügen) Horaz: fordert Einheit und Geschlossenheit “prodesse et delectare” (moralischer Nutzen und Vergnügen) Dichtung soll enthalten: Lebensweisheit, Menschenkenntnis, Kenntnis der sittlichen Grundlagen, Begabung und Selbstkritik des Autors Opitz: überträgt Theorie der Poesie und Regeln (Versmass, Reime) auf deutsche Sprache Aufgabe: Natur nachahmen, Idealbild (theologisch angehaucht) Zweck: Überredung, Unterricht und Vergnügen “Sprachschöpfer sollen die deutsche Sprache literarisch weiterentwickeln und Fremdwörter und Dialekte meiden.” Gottsched: Aufklärer, prodesse ist wichtiger als delectare Ziel: durch Dichtung den Menschen zur Welt- und Selbsterkenntnis befähigen/dazu erziehen (Vernunftpädagogik) → Geschichte baut um lehrreichen moralischen Satz herum Sturm und Drang: Mensch als gefühlvolles Wesen Natur zeigt sich in Kreativität des Genies, unvergleichlich, keine Regeln Gegenwart: Niedergang normativer Poetik, Autonomie der Kunst, Regelbrüche gefördert, neues Wesen der Kunst “Ästhetik” implizite Poetik: poetologische Fragen in literarischen Werken behandeln Geschichte der Rhetorik Rhetorik: Redekunst, Form des Überredens 1. Theorie: Wesen, Funktionen, Stilistik Einführung NDL 1 4 2. Praxis: Anwendungsübungen, sprachliche Figuren Ziel: moralisch richtig und wirkungsvoll, überzeugend Antike: öffentlich, alle Bürger beteiligt, Demokratie, Sophisten bieten Kenntnisse an, Platon kritisiert Missbrauchbarkeit, Aristoteles will wissenschaftlich untersuchen: politische, juristische oder Festrede soll belehren, unterhalten und Affekte erregen (docere, delectare, movere) Rom: Cicero, de oratore (Voraussetzungen des Redners, Bildung, Moralität und rhetorische Techniken) Quintilianus: fasst Wissen der Antike zusammen → wird Allgemeinbildung, überlebt als Stilistik weil Dichtkunst übernimmt Produktion: res 1. inventio (Themenwahl) 2. dispositio (Auslegung, Gleiderung) verba 1. elocutio (sprachliche Ausarbeitung) Richtigkeit ornatus (Ausschmückung) 2. memoria (Auswendiglernen) 3. pronuntiatio (Vortragen) Stilistik: Makrostilistik: Textsorte Darstellungsart Textstruktur Einführung NDL 1 5 Mikrostilistik: Wortwahl Satzbau Redeschmuck Rhetorische Figuren: 1. Wiederholung/Hinzufügen 2. Auslassung/Kürzung 3. Umstellung/Position 4. Gedankenfiguren Tropen: Figuren: Bedeutung, Interpretation Bedeutungsebene auf jedem Wort - Satz - Text (Kompositionalitätsprinzip) Poetik fragt “Wie wird Bedeutung/Wirkung erreicht?” (technisch) Hermeneutik fragt “Was bedeuten die Texte? Wie kann ich sie deuten?” 2-Achsenmodell Äquivalenzprinzip: es werden nur gleichwertige Elemente analysiert Paradigmatik: Auswahl aus äquivalenten Wörtern (Selektion) Syntagmatik: Analyse der Beziehung der Elemente(Kombination) Strukturalismus - Saussure Bedeutung durch Abgrenzung, Opposition Bus ist materiell derselbe, aber der 8.00 Bus ist nicht der 9.00 Bus Interpretation Rezeptionsästhetik: Leerstellen müssen von Leserin gefüllt werden Einführung NDL 1 6 “Worum geht es im Text?” gesellschaftliche Praxis Bedeutung durch: Subjekterfahrung und Texteigenschaft Unterschwelliges Wissen und Erfahrungen der Leserschaft Kontextabhängig, Kontext ist unabhängig “Spürbarkeit der Zeichen” Form, Ästhetik eines Textes zieht Aufmerksamkeit auf sich Ideologie: Brille des Lesens, immer beeinflusst, Sprache = Macht Edition, Textkritik Textkritik: Untersuchung von Textvarianten, um den ursprünglichen Text zu rekonstruieren Textkritische Methode: Collatio: Vergleich von Textzeugen Recensio: Sichtung der Überlieferungen Examinatio: Bewertung von Varianten Constitutio: Festlegung des Textes Ausgabe letzter Hand: letzte von Autor selbst überprüfte Edition Emendation: Verbesserung des Texts durch Herausgeber Konjektur: Textänderung auf Vermutungen Stemma: Chronologische Darstellung von Ausgaben (Stammbaum) Kritischer Apparat: Varianten Apparat Positiv: lemmatisiert, Endresultat (Lemma) alle Varianten aufgeführt Negativ: Lemma wird nicht aufgelistet, nur Varianten Treppenapparat: Überarbeitungsschritte in chronologischer Folge notiert Einblendungsapparat: direkt im Text Einführung NDL 1 7 Synaptischer Apparat: direkter Vergleich von Varianten Ausgabetypen: Leseausgabe Studienausgabe (Anmerkungen, Fussnoten) Historisch-kritische Ausgaben (alle Infos um Werk) Traditionelle Buchausgaben Überlieferung/Sortierung/ Lyrikanalyse Nietzsche über Poesie Geschichte der Lyrik Antike: Sappho ate, Instrument (Lyra), mündlich überliefert (Memorierbarkeit) Frühe Neuzeit: Funktionszusammenhang von Belehrung und Erziehung, höfisches Zeremoniell und Auftragslyrik, konventionalisiert Mitte 18. Jh.: “lyrischs Ich” taucht auf, unmittelbarer Gefühlsausdruck, Erlebnislyrik 19. Jh.: Gleichsetzung lyrisches Ich wird problematisch → anonym Gegenwart - Gleichzeitigkeit Symbolismus: visuelle Komponente, spielerisch, Sprache und Inszenierung wichtig Hermetische Lyrik: Verschwinden des Erlebnisaspekts, Welt- und Ichausdruck Engagierte Lyrik: thematisiert Gesellschaft, politische Absicht, klassische Form Poesie pure: subjektfreie Dichtung, kein lyrisches Ich Begriffe Lyrik Lyrik: literarische Rede in Versen, stark strukturiert, Bildlichkeit, Liedhaftigkeit, Kürze Einführung NDL 1 8 Vers: Wiederkehr des gleichen regelmässigen Metrumablaufs, Sprachfluss unterbrochen Versfuss: metrische Einheit, die aus der Folge von unbetonten und betonten Silben Metrum/Versmass: Gangart des Textes, geregelte Abfolge von Hebungen und Senkungen Jambus: -^ Ge-dicht Trochäus: ^- Dicht-er Daktylus: ^- - Dak-ty-lus Anapäst: - -^ An-a-päst Spondeus: - - Oh - weh! Kadenz: Gestaltung des Verschlusses, weiblich unbetont, männlich betont Reimarten: Rührender Reim: anlautende Konsonanten Haus, Maus Reicher Reim: mehrere Silben überleben, drüber legen Identisch: Wortwiederholung Unreiner Reim: unvollständige Angleichung Freude, Seide; Hasen, sassen Reimformen: Paarreim: aabb Kreuzreim: abab, cdcd Umarmender Reim: abba cddc Schweifreim: aabccb Kettenreim: ababcbcde Blankvers: ungereimt Thema: Motiv des Gedichts, möglichst früh klar erfassen Lyrisches Ich/Kommunikative Situation: Aussageobjekt, Stimme des Gedichts, implizit/explizites Ich, Strophenform: Eigenschaften der Strophen Einführung NDL 1 9 isometrisch, alle Strophen gleich heterometrisch, verschieden Eigenschaften: Anzahl Verse und Hebungen, Reimarten, Anzahl Zeilen Gedichtform: Versmass, Reimschema und Strophenbau Ballade: dramatische Geschichte, regelmässiges Reimschema Sonett: 14 Verse, zwei Quartette, zwei Terzette Volkslied: sprachlich einfach, Refrain, alltägliche Themen Ode: feierlich, freie Form, lange Verse Hymne: Lobgesang, freie Form, erhabene Sprache Elegie: Klagelied, melancholisch, Distichen (Hexameter und Pentameter) Enjambement: Zeilensprung Zäsur: Teilt Verszeile in mehrere Teile → Lesepausen Erzähltextanalyse Homo narrans “storytelling animal” → Lebenswirklichkeit wird begreiflich Kontigenzbewältigung Angst bezwingen, Sinn stiften, Orientierung, Zeitvertreib Einordnen in Menschheitsgeschichte Epos und Roman “Ausdruck der transzendentalen Obdachlosigkeit” Epos: mystisch-religiöse Stoffe in gehobener Stillage Roman: von Zeit und Individualität des Autors geprägt, typisierte Figuren, Geschehen in sinnvollem Kosmos, Erfahrungsschatz und Ausdrucksformen Epische Kleinformen: Einführung NDL 1 10 Novelle: kleine Neuigkeit, Konfrontation einer Figur mit Konflikt, Leitmotiv Kurzgeschichte: alltägliche Begebenheiten, Momentaufnahmen Strukturelemente Inhalt: Ereignis: kleinste narrative Einheit Episoden: Anzahl an Ereignissen Geschehen: Reihe von Episoden Plot: kohärente Verknüpfung von Ereignissen Story: chronologische Abfolge Thema: Gegenstand des Textes Stoff: Aktualisierung eines ausserhalb liegenden Gegenstands Motiv: kleinere thematische Einheit Raum: räumliche Koordinaten, Illusionsbildung, Analyse → Quantität, Realisierung, Relationalität, Blickwinkel, Bewegtheit, Semantisierung Erzählart: Discours: Wie wird erzählt? Histoire: Was wird erzählt? Dauer: Erzählzeit: benötigte Zeit zum Erzählen (Textlänge) Erzählte Zeit: Dauer der Geschichte, Zeitgerüst Reihenfolge: Einführung NDL 1 11 Erzähleingänge: ab ovo: von Beginn in ultimas res: vom Ende in medias res: mitten hinein Frequenz: singulativ, repetitiv, iterativ Fokalisierung: von wessen Perspektive die erzählte Handlung wahrgenommen wird Nullfok: Erzähler weiss und sagt mehr als Figur Interne: Mitsicht, gleich viel Externe: Aussensicht, beschreibend, neutral Narrativer Modus: mittelbar, Geschichte beschreibt, kommentiert Dramatischer Modus: unmittelbar, Erzähler tritt zurück, Handlung wird szenisch und ohne Kommentare dargestellt, Echtzeit Homodiegetisch: Erzählerin selbst in der Geschichte “Wir”, “Doch sah ich” Heterodiegetisch: Erzähler nicht Teil der Erzählung Extradiegetisch: Worldbuilding, erzeugende Erzählung Intradiegetisch: alles, was sich in der erzählten Welt befindet Metadiegetisch: Erzählung in der Erzählung Dramenanalyse Erzähltheorie: Kernkonzepte Faktuale vs. fiktionale Erzählung: Reale vs. erfundene Ereignisse Histoire/Discours: Was vs. Wie der Erzählung Einführung NDL 1 12 Erzählformen: Epos (Langgedicht), Roman (Prosa), Novelle (kurz, fokussiert) Narrative Elemente: Stoff (Grundlage), Motiv (wiederkehrend), Leitmotiv (symbolisch) Effet de réel: Details für Realitätsillusion Erzählsituationen: Ich-, personale, auktoriale Erzählung Narratologie: Analyse von Erzählstrukturen Erzählerstimme: Hetero-, homo-, autodiegetisch Erzählebenen: Extra-, intra-, metadiegetisch Zeitgestaltung: Dauer, Frequenz, Ordnung Analepse/Prolepse: Rückblende/Vorausdeutung Fokalisierung: Null-, interne, externe Erzählmodi: Narrativ vs. dramatisch Figurenrede: Direkt, indirekt, erlebt, innerer Monolog, Bewusstseinsstrom Medialität und Intermedialität Einführung NDL 1 13