Endspurt Vorklinik PsychSoz 4. Auflage PDF

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This is a study guide for medical students preparing for psychology and sociology exams. It covers key topics and provides practice problems and additional information. The guide is organized into learning packages.

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Endspurt Vorklinik PsychSoz 4., aktualisierte Auflage 5 Abbildungen Georg Thieme Verlag Stuttgart New York Der Inhalt dieses Werkes basiert in Teilen auf Prüfungswissen Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Physikum Abschnitt Psychologie/So...

Endspurt Vorklinik PsychSoz 4., aktualisierte Auflage 5 Abbildungen Georg Thieme Verlag Stuttgart New York Der Inhalt dieses Werkes basiert in Teilen auf Prüfungswissen Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Physikum Abschnitt Psychologie/Soziologie von Thomas Hill, Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung er- erschienen im Georg Thieme Verlag. weitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und me- dikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosie- Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek rung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt da- Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind rauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fer- im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. tigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen Ihre Meinung ist uns wichtig! Bitte schreiben Sie uns unter: kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. 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Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises 70469 Stuttgart kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Wa- Deutschland rennamen handelt. www.thieme.de Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich ge- schützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheber- Printed in Germany rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Zeichnungen: Fa. willscript Dr. Wilhelm Kuhn, Tübingen Mikroverfilmungen oder die Einspeicherung und Verarbeitung in Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe elektronischen Systemen. Satz: L42 AG, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten ISBN 978-3-13-240997-2 123456 Auch erhältlich als E-Book: eISBN (PDF) 978-3-13-241028-2 eISBN (epub) 978-3-13-241029-9 3 Auf zum Endspurt! Das Physikum naht, und „richtige“ Bücher scheinen alle zu dick? Lerntipps und Co. Weitere Unterstützung beim Lernen bieten Dann laufen Sie mit unseren Endspurtskripten in die Zielgerade Ihnen unsere Lerntipps, Rechenbeispiele und Apropos-Texte. ein! Kurz und knapp finden Sie hier schwerpunktmäßig die In- halte, auf die das IMPP mit seinen Physikumsfragen zwischen LERNTIPP Frühjahr 2006 und Herbst 2016 abzielte. Doch beschränkt haben In diesen Kästen finden Sie Hinweise darauf, welche Inhalte auch wir uns darauf nicht, denn schließlich überlegt sich das IMPP im- mündlich besonders gern gefragt werden, welche Tücken in be- mer neue Fragen, und auch das Mündliche will bestanden wer- stimmten IMPP-Fragen auf Sie warten oder wie Sie sich manche den. Fakten besser merken können. Ganz herzlichen Dank an alle Leser, die uns geduldig auf in- haltliche Mängel hingewiesen haben. Durch ihre Hilfe sind unse- re Skripten jetzt noch weiter verbessert worden. RECHENBEISPIEL Festgehalten haben wir wieder an dem bewährten Aufbau un- In einigen Fächern können Sie mit richtig gelösten Rechenaufgaben viele serer Hefte: Punkte ergattern. Damit dies gelingt, finden Sie Übungen zu Rechen- aufgaben, wie auch das IMPP sie stellt. Natürlich ist auch der Lösungs- Lernpakete. Sie stellen in unseren Skripten eine Lerneinheit dar. weg detailliert angegeben. Wenn Sie ein Lernpaket pro Tag durcharbeiten, bringt Sie unser Zeitplan in 70 Tagen zum Physikum – und zwar einschließlich zwei Wochen Zeit zum Wiederholen mit 1 Skript pro Tag. Da das APROPOS Lerntempo sehr unterschiedlich und auch abhängig vom bereits Die Apropos-Texte sind unser Motivationsschub für Sie. Hier finden Sie vorhandenen Wissen ist, können unsere Lernpakete nur ein Vor- spannendes Zusatzwissen, so dass Sie sich die „Warum muss ich das ei- gentlich Lernen?“-Frage hoffentlich nur selten stellen. schlag sein. Vielleicht kommen Sie auch schneller oder eben etwas langsamer voran. Zum individuellen Planen finden Sie un- Kreuzen mit examen online. Auf viamedici.thieme.de im Be- seren Lernkalender unter www.thieme.de/endspurt. reich "Kreuzen" sind Prüfungssitzungen zusammengestellt, die Prüfungsrelevante Inhalte. Inhalte, zu denen das IMPP seit exakt auf die jeweiligen Lernpakete zugeschnitten sind. So kön- Frühjahr 2010 Fragen gestellt hat, sind im Text gelb hervorgeho- nen Sie nach jedem Lernpaket direkt prüfen, ob Sie den Inhalt ben. Wenn Sie nur diese Inhalte lernen, sind Sie für die Beant- verstanden und behalten haben. Viele Unis stellen ihren Studie- wortung der Altfragen gut gewappnet. renden einen kostenlosen Zugang bereit – erkundigen Sie sich! Das Verzeichnis der teilnehmenden Universitäten finden Sie FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN ebenfalls auf viamedici.thieme.de. Sollte Ihre Uni nicht dabei – Die Fazitkästen sind zum Wiederholen der Altfragen-Inhalte sein, können Sie natürlich auch privat einen Zugang erwerben. In gedacht – oder für die ganz Eiligen unter Ihnen. Sie listen die den Lernpaketen werden übrigens ab Frühjahr 2017 die neuen gelb markierten Antworten des vorangehenden Abschnitts Examensfragen ergänzt, damit Ihnen keine Frage entgeht! noch einmal ohne die Zwischentexte auf. Fehlerteufel. Viele Augen sehen mehr! Sollten Ihre Augen in un- – Die Anzahl der ! zeigt an, wie häufig der Inhalt zwischen Früh- seren Skripten etwas entdecken, das nicht richtig ist, freuen wir jahr 2010 und Herbst 2016 vom IMPP gefragt wurde: uns über jeden Hinweis! Schicken Sie Ihre Fehlermeldung bitte – ! Hierzu gab es seit 2010 eine Frage. an [email protected] oder benutzen Sie den Link auf www. – !! Dieser Sachverhalt wurde zwei- oder dreimal gefragt. thieme.de/endspurt. Wir werden sie in einem Erratum sammeln – !!! Zu diesem Thema stellte das IMPP vier oder mehr Fragen. und unter „Aktualisierungen“ auf www.thieme.de/endspurt on- line stellen. Und sollten Ihnen unsere Hefte gefallen: Lob ist na- türlich ebenso willkommen ☺. Alles Gute für Ihr Physikum wünscht Ihnen Ihr Endspurt-Team Endspurt – PsychSoz Obwohl die Medizinische Psychologie und Medizinische Soziolo- teilen wie z. B. den verschiedenen Therapieverfahren. Nicht zu- gie als „kleines Fach“ gilt, gibt es in jedem Examen viele Fragen letzt geben Ihnen die Inhalte dieses Fachs wertvolle Hinweise da- dazu. Wichtig sind auch die Informationen zum Gesundheitssys- rauf, wie Sie sich im späteren Berufsleben bei der Kommunikation tem und die theoretische Psychologie mit ihren praktischen An- mit dem Patienten verhalten sollten. 4 Inhaltsverzeichnis LERNPAKET 2 PsychSoz 3.2 Lernen....................................... 28 3.3 Kognition..................................... 33 3.4 Emotion und Motivation......................... 37 3.5 Persönlichkeit und Entwicklung................... 43 3.6 Soziologie.................................... 52 LERNPAKET 3 4 Ärztliches Handeln.......................... 59 © PhotoDisc 4.1 Arztrolle...................................... 59 4.2 Prozess- und Ergebnisevaluation................... 66 4.3 Interventionsformen............................ 67 LERNPAKET 1 4.4 Besondere medizinische Anforderungen............ 75 1 Gesundheit und Krankheit................... 5 1.1 Einige Definitionen.............................. 5 LERNPAKET 4 1.2 Patient....................................... 5 1.3 Krankheit und Gesellschaft....................... 6 5 Patient und Gesundheitssystem............. 79 1.4 Gesundheits- und Krankheitsmodelle............... 7 5.1 Stadien des Hilfesuchens........................ 79 5.2 Bedarf und Nachfrage........................... 79 2 Methodische Grundlagen der Psychologie.... 12 5.3 Strukturen des deutschen Gesundheitssystems....... 80 2.1 Untersuchungsplanung.......................... 12 5.4 Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen........ 82 2.2 Datenauswertung und Interpretation............... 23 6 Förderung und Erhaltung von Gesundheit.... 83 3 Theoretische Grundlagen der Psychologie.... 24 6.1 Prävention.................................... 83 3.1 Psychobiologische Grundlagen.................... 24 6.2 Maßnahmen.................................. 86 Sachverzeichnis............................. 88 5 L E R NPAK E T 1 PsychSoz © PhotoDisc L E R NPAK E T 1 1 Gesundheit und Krankheit 1.1 Einige Definitionen müssen die Krankengeschichte dokumentieren (Dokumentati- onspflicht!). Meistens wird der Begriff Gesundheit negativ definiert und als ▪ Chronifizierung: Übergang von einer akuten Krankheit zu „Abwesenheit von Krankheit“ beschrieben. Die WHO bemüht einer dauerhaften, chronischen Krankheit. Ein Beispiel sind sich jedoch um eine positive Formulierung: Gesundheit ist laut chronische Schmerzen, die lange bestehen und zu einer Ein- WHO ein Idealzustand „völligen körperlichen, geistigen, see- schränkung der Lebensqualität führen. lischen und sozialen Wohlbefindens“. Dieser Idealzustand wird ▪ Rezidiv: Rückfall, eine Krankheit tritt erneut auf, obwohl sie auch Idealnorm genannt. bereits abgeheilt war. Die Modelle, die Gesundheit als die Abwesenheit von Krank- ▪ Rehabilitation: Ein Patient wird so therapiert, dass er wieder in heit definieren, gehen von einer dichotomen, zweipoligen Be- die Gesellschaft hineinpasst und für sie wieder „tauglich“ wird. trachtungsweise aus. Es scheint jedoch wesentlich wirklichkeits- ▪ Protektive Faktoren und Resilienz (S. 83). näher, Gesundheit als einen Zustand zu beschreiben, der sich in einem Kontinuum zwischen den beiden Polen absoluter Krank- heit und absoluter Gesundheit befindet. 1.2 Patient Einige Begriffe rund um Gesundheit und Krankheit sind wich- tig und tauchen immer wieder auf: 1.2.1 Subjektives Befinden und Erleben ▪ Ätiologie: Lehre von den Krankheitsursachen. Sie untersucht Menschen, die scheinbar unter derselben Krankheit leiden, kön- alle Faktoren, die zu einer Krankheit geführt haben. nen diese ganz unterschiedlich wahrnehmen. Dies hängt sowohl ▪ Pathogenese: Sie beschreibt die Entstehungsgeschichte der von psychologischen als auch von sozialen Faktoren ab. Eine ob- Krankheit. jektive Krankheit, wie z. B. eine Gewebsschädigung, und das sub- ▪ Krankengeschichte: Hier finden sich u. a. Angaben zur Anam- jektiv empfundene Leiden müssen also nicht immer miteinander nese, zur Krankheitsursache, zum Verlauf der Erkrankung und in Beziehung stehen. zu den durchgeführten therapeutischen Maßnahmen. Ärzte 6 PsychSoz | 1 Gesundheit und Krankheit Die Fähigkeit zur Wahrnehmung von körperlichen Vorgängen 1.3.1 Stigmatisierung und Diskriminierung wird Interozeption genannt. Sie ist von Mensch zu Mensch sehr verschieden und wird wie folgt unterteilt: psychisch Kranker und Behinderter ▪ Propriozeption: Wahrnehmung der Körperlage im Raum, die Psychisch Kranke wurden im Lauf der Geschichte ganz unter- u. a. durch Muskel- und Sehnenspannung vermittelt wird. schiedlich behandelt. In den letzten Jahrhunderten wurden sie ▪ Viszerozeption: Fähigkeit zur Wahrnehmung von Körpersig- eher von der Gesellschaft gemieden. Es war ihnen fast nicht nalen, die ihren Ursprung in den inneren Organen haben. möglich, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. ▪ Nozizeption: Wahrnehmung von Schmerzen. In den letzten Jahrzehnten haben das Verständnis für psy- chisch Kranke und die Möglichkeiten der Behandlung stark zuge- nommen. Sie werden nicht mehr so häufig in staatlichen psy- 1.2.2 Gesundheitsbezogene Lebensqualität chiatrischen Krankenhäusern untergebracht und isoliert, son- Krankheiten schränken die Lebensqualität ein. Die Lebensqualität dern erhalten vermehrt eine ambulante Versorgung und Thera- wird mit den folgenden vier Komponenten beschrieben: pie. Die dort behandelnden niedergelassenen Ärzte haben meist 1. physisches Befinden eine Kassenzulassung. 2. psychisches Befinden (z. B. Stimmungen, Emotionen) Doch immer noch scheint eine psychische Krankheit einen 3. soziales Befinden (z. B. Qualität sozialer Beziehungen) anderen Stellenwert in der Gesellschaft zu haben als eine Krank- 4. Funktionstüchtigkeit (Berufsfähigkeit, Belastbarkeit) heit, die rein körperlichen Ursprungs zu sein scheint. Man spricht Die gesundheitsbezogene Lebensqualität kann mit dem „Short- von Stigmatisierung, da Menschen mit psychiatrischen Erkran- Form-36 Health Survey“ oder SF-36 erfasst werden. Die deutsche kungen häufig auch nach erfolgreicher Therapie von anderen Version (Bullinger et. al., 1995) besteht aus 36 Items mit acht nicht akzeptiert werden. Ihre Chancen auf dem Arbeits- und Subskalen zur körperlichen Gesundheit (körperliche Funktions- Wohnungsmarkt sind geringer als die von anderen Menschen. Es fähigkeit, Rollenfunktion, Schmerzen, Gesundheitswahrneh- wird ihnen ein diskreditierendes Merkmal zugeschrieben, ob- mung) und zur psychischen Gesundheit (Vitalität, soziale Funk- wohl sie dieses gar nicht mehr haben. tionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion, psychisches Wohl- APROPOS befinden). Auch berühmte und bewunderte Persönlichkeiten litten an psychischen Störungen. Das Wissen darum kann helfen, Vorurteile gegenüber psy- chisch Kranken abzubauen: 1.2.3 Emotionale und kognitive Einflüsse Arthur Schopenhauer und Marilyn Monroe litten an Depression, Abraham Die Entstehung und der Verlauf von Krankheiten können ganz Lincoln und Ernest Hemingway an einer manisch-depressiven Störung; Jean- entscheidend durch Emotionen und Kognitionen beeinflusst Jacques Rousseau und Georg III., König von England, an Störungen mit Rea- litätsverlust. Elvis Presley und Edgar Allan Poe waren von Störungen durch werden. Zum Beispiel kann die negative Emotion Angst vor einer Abhängigkeit von Alkohol oder anderen Substanzen betroffen, Königin Elisa- Krankheit dazu bewegen, regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen beth I. litt an einer Essstörung und Königin Victoria an einer Angststörung. in Anspruch zu nehmen. Ein wichtiger kognitiver Faktor, der das subjektive Empfinden Soziale Diskriminierung im Allgemeinen ist die „kategorische Be- beeinflusst, sind implizite Krankheitstheorien (Laienätiologie). nachteiligung von Personen aufgrund negativer Bewertung“ und Sie bestehen aus Laienwissen, das Wahrnehmung und Handlung tritt auch bei körperlichen Erkrankungen wie z. B. einer HIV-Infek- beeinflusst. So kann ein Symptom wie Schnupfen als nicht pro- tion auf. Auch längere Krankenhausaufenthalte, oder Kranken- blematisch gedeutet werden und somit auch unbehandelt blei- hausaufenthalte in Folge schaden sozusagen dem "Ruf" der Person, ben, ohne dass die wirkliche Ursache des Symptoms bekannt ist. die infolgedessen nicht selten ausgegrenzt oder gemieden wird. LERNTIPP 1.3.2 Etikettierungsansatz Ein weiteres Beispiel zur Laienätiologie wird in einer älteren Prü- fungsfrage angeführt: Ein Patient mit Blutspuren im Urin geht Der Etikettierungsansatz (Labeling-Theorie) geht davon aus, dass nicht zum Arzt, weil er sich das Symptom durch einen Sturz er- die Gesellschaft einen großen Einfluss hat auf die Bestimmung klärt, den er einige Wochen vorher hatte. von psychisch „gesund“ oder „krank“. Die Theorie geht davon aus, dass eine Störung erst entsteht, wenn Personen als „psy- chisch gestört“ etikettiert worden sind. Erst durch die Etikettie- 1.3 Krankheit und Gesellschaft rung kommt es zur Festigung des abweichenden Verhaltens, das von der Gesellschaft als solches definiert wird. Eine Krankheit wird auch durch die Sichtweise der Gesellschaft bestimmt. In einigen Gesellschaften ist es ein Tabu, laut über sei- FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN ne Krankheit zu klagen. Diese Einstellung kann zu einer verän- – !! Gesundheitsbegriff der WHO (Idealnorm): Idealzustand derten Schmerzwahrnehmung führen. Das Leiden wird nicht als „völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohl- so extrem wahrgenommen wie in einer Gesellschaft, in der es befindens“. völlig in Ordnung ist, öffentlich zu leiden. – !! Rezidiv: Erneutes Auftreten einer Erkrankung nach erfolgtem Grundsätzlich verhält sich unsere Gesellschaft so, dass ein Heilungsprozess. Mensch, der krank ist, von dem „Normalzustand“ abweicht. Er – Interozeption: Fähigkeit zur Wahrnehmung von körperlichen weicht von den üblichen biopsychologischen Merkmalen ab und Vorgängen. Dazu zählen: verhält sich anders. Dies bezieht das Körperliche, Psychologische – Propriozeption: Wahrnehmung der Körperlage im Raum, die und Soziale mit ein. u. a. durch Muskel- und Sehnenspannung vermittelt wird. – ! Nozizeption: Wahrnehmung von Schmerzen. 1.4 Gesundheits- und Krankheitsmodelle 7 haltensstörungen mit genetischer Komponente lediglich die Auf- – ! Die gesundheitsbezogene Lebensqualität kann mit dem tretenswahrscheinlichkeit der Störung erhöht. Für das Eintreten L E R NPAK E T 1 „Short-Form-36 Health Survey“ oder SF-36 erfasst werden. Da- wiederum sind Faktoren der Umwelt (z. B. kritische Lebensereig- bei wird unter anderem die körperliche Funktionsfähigkeit erfasst. nisse) verantwortlich. Aus diesem Grund sagt man, dass lediglich – !! Zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität gehören die eine Disposition (Anlage), nicht jedoch die Störung selbst vererbt zentralen Dimensionen physisches Befinden, psychisches Befin- wird. Eine Verhaltensstörung, die genetisch beeinflusst ist, tritt den, soziales Befinden und körperliche Funktionstüchtigkeit. also nur auf, wenn es zu einer Gen-Umwelt-Interaktion kommt. – ! Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen erhalten ver- mehrt eine ambulante Versorgung und Therapie. Die dort be- LERNTIPP handelnden niedergelassenen Ärzte haben meist eine Kassen- zulassung. Das IMPP gibt in der Prüfung hierzu folgendes Beispiel an: Ein be- – ! Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen werden häufig stimmtes Allel des Monoaminooxidase-A-Gens prädisponiert für auch nach erfolgreicher Therapie von anderen nicht akzeptiert. die Entwicklung einer antisozialen Persönlichkeit, aber nur, wenn Ihnen wird ein diskreditierendes Merkmal zugeschrieben (ob- die Betroffenen als Kinder schweren Missbrauchserfahrungen aus- wohl es nicht mehr vorhanden ist). gesetzt waren. Hier treffen verhaltensgenetische und Umweltfak- – ! Soziale Diskriminierung tritt auch gegenüber körperlich toren zusammen. Kranken wie z. B. HIV-infizierten Personen auf. 1.4.2 Psychobiologische Modelle 1.4 Gesundheits- und Krankheits- „Psychobiologie“ ist ein Überbegriff für Disziplinen, die sich mit modelle dem Zusammenhang von Körper und Geist beschäftigen. Zu den Gebieten der Psychobiologie gehören: die Psychophysiologie, die In der Psychologie und Soziologie gibt es bis heute keine all- physiologische Psychologie, die Neuropsychologie, die Psycho- umfassende Theorie des menschlichen Fühlens, Denkens und endokrinologie und die Psychoneuroimmunologie. Verhaltens. Je nach Sichtweise gibt es verschiedene Gründe für unser alltägliches Verhalten und auch für die Entstehung von Stress und Krankheit Krankheiten. Stress ist eine Anpassungsreaktion des Organismus, die das inne- re Gleichgewicht, die Homöostase, wiederherstellen soll. Die Rei- 1.4.1 Verhaltensmodelle ze, die ein Ungleichgewicht erzeugen, nennt man Stressoren. Lerntheoretisches Modell. Der behavioristische Ansatz beschäf- Dies können äußere Dinge sein wie Lärm, organische wie Krank- tigt sich damit, wie die klassische (S. 28) und die operante Kon- heitserreger, aber auch innere, psychische Faktoren. Diese Stres- ditionierung (S. 30) unser Erleben, Denken und Verhalten for- soren spielen eine Rolle im Stress-Diathese-Modell (auch Vulne- men. Der psychotherapeutische Ansatz, der zu diesem Modell rabilitäts-Stress-Modell), das als Erklärungsmodell für viele kör- gehört, ist die Verhaltenstherapie (S. 71). perlichen und psychischen Krankheiten dient. Es besagt, dass für bestimmte Erkrankungen genetische Prädispositionen bestehen Kognitives Modell. Beim kognitiven Ansatz sind Kognitionen und dann manifest werden, wenn zusätzliche äußere Einflüsse (lat. cognitio = Erkenntnis) der wichtigste Ansatzpunkt der Psy- (eben die Stressoren) hinzukommen. Die Begriffe „Diathese“ bzw. chologie. Der Begriff der Kognition umfasst alle Prozesse, die tra- „Vulnerabilität“ stehen dabei synonym für die Empfindlichkeit ditionell als „geistig“ angesehen wurden, also das Wahrnehmen, (Verletzlichkeit) gegen Stressoren. Schlussfolgern, Erinnern, Denken und Problemlösen sowie das Allerdings wird Stress nicht immer negativ erlebt. Je nach Ein- Gedächtnis, das Sprechen und Sprachverstehen, die Begriffe und stellung und Erfahrung können manche Reize bei einigen Men- die Einstellungen. schen erregende Emotionen auslösen. Diesen Stress nennt man So wird auch die Entstehung und Aufrechterhaltung von psy- Eustress. Stress, den wir als negativ und bedrohlich wahrneh- chischen Krankheiten durch unsere Gedanken und Einstellungen men, wird als Distress bezeichnet. beeinflusst. Wir haben nur Angst vor Spinnen, wenn wir Spinnen als für uns gefährlich interpretieren. Die Spinne an sich kann kei- LERNTIPP ne Angst auslösen. Machen Sie sich klar, dass in diesem Zusammenhang nur die Re- Kognitiv-behavioraler Ansatz. Man geht davon aus, dass sowohl aktion auf einen Reiz Stress genannt wird. Der „stressende“ Reiz Lernprozesse als auch Kognitionen (Bewertungen, Interpretatio- ist der Stressor. nen) eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhal- tung von psychischen Störungen spielen. Körperliche Stressreaktion. Die Stressreaktion führt dazu, dass Verhaltensmedizin. Die Verhaltensmedizin ist ein interdiszipli- unser Körper Sekunden nachdem er die Gefahr wahrgenommen närer Forschungsbereich, in dem Erkenntnisse aus den Verhal- hat, bereit ist, zu kämpfen oder zu fliehen (Fight-or-Flight-Syn- tens- und medizinischen Wissenschaften zusammenlaufen. Da- drom nach Cannon). Die maßgeblich an dieser Reaktion beteilig- bei versucht man, den Zusammenhang zwischen psychischen te Hirnregion ist der Hypothalamus. Man unterscheidet zwei Verhaltensweisen und physischen Krankheiten zu verstehen. Systeme der Stressreaktion: Verhaltensgenetik. Die Verhaltensgenetik versucht, Erkenntnis- ▪ Sympathisches Nebennierenmark-System: Bei einer akuten se darüber zu gewinnen, inwiefern Unterschiede im mensch- Bedrohung aktiviert der Organismus den sympathischen An- lichen Verhalten auf genetische Faktoren beziehungsweise auf teil des vegetativen Nervensystems. Der Sympathikus wird Umwelteinflüsse zurückzuführen sind. Dabei hat sich gezeigt, häufig auch als „Stressnerv“ bezeichnet: Herzfrequenz und dass der genetische Anteil stark variiert. Außerdem ist bei Ver- Blutdruck steigen, die Atmung wird schneller, der Muskelto- 8 PsychSoz | 1 Gesundheit und Krankheit nus steigt, die Blutgefäße verengen sich und die Hautleit- – Primäre Bewertung (primary appraisal). Ein auftretendes fähigkeit steigt (Schwitzen). Gleichzeitig wird der parasym- Ereignis wird auf seine Gefährlichkeit hin eingeschätzt: „Ist pathische Anteil gehemmt, Speichelsekretion (trockener die nächste Prüfung für mich ein Problem?“ Mund) und die Magen- und Darmmotilität nehmen ab. Eine – Sekundäre Bewertung (secondary appraisal). Bei diesem längerfristige Erhöhung der Sympathikus-Aktivität (z. B. bei kognitiven Schritt werden die Stressbewältigungsstrategien Patienten mit einer Depression) geht mit einem erhöhten im Kopf überprüft: „Ich kann noch genügend lernen, bei Herz-Kreislauf-Risiko einher, messbar beispielsweise an einer meinem Kommilitonen abschreiben....“ erniedrigten Herzfrequenzvariabilität. – Bewältigung: Die Situation wird durchlebt und erfahren. ▪ Hypophysenvorderlappen-Nebennierenrinden-System: Die – In der letzten Stufe, der Neubewertung, wird nun überprüft, Hypophyse schüttet bei Stress zwei Hormone aus. Das thyreo- ob die Strategien den Stress vermindert haben. Wenn ja, ist trope Hormon (TSH) regt die Schilddrüse an, das adrenocorti- der Stress verschwunden, wenn nein, bleibt er bestehen. cotrope Hormon (ACTH) die Nebennierenrinde. Aus dieser Dieses Modell ist ein kognitives Modell, das heißt, alles fin- werden als Folge Glucocorticoide (z. B. Cortisol) freigesetzt, die det im Kopf statt. unter anderem für die Ausschüttung von Glucose aus der Le- Es gibt zwei Formen von Coping: ber und eine Reihe von Stoffwechselprozessen verantwortlich – Emotionszentriertes Coping: Dabei werden die mit der be- sind. Ein erhöhter Cortisolspiegel bewirkt eine Immunmodula- lastenden Situation verbundenen Gefühle reguliert. Einem tion und führt zu einer höheren Infektanfälligkeit. negativen, belastenden Gefühl (Kranksein) wird ein positi- ves (schönes Erlebnis) entgegengesetzt, wodurch wieder Stressmodelle. Es gibt mehrere Modelle, die die Reaktionen auf eine Balance der Gefühlswelt erreicht wird. Die Erkrankung chronischen Stress beschreiben. an sich verändert sich dabei nicht, es vollzieht sich jedoch ▪ Das allgemeine Adaptationssyndrom (AAS) ist eines der be- eine emotionale Entlastung. Diese Strategie ist v. a. kurzfris- kanntesten Stressmodelle und stammt von dem kanadischen tig von Erfolg, mittel- und langfristig hat problemzentriertes Arzt und Forscher Hans Selje, der auch den Begriff „Stress“ Coping positivere Effekte. prägte. Es beschreibt, wie wir physiologisch auf Stressoren rea- – Problemzentriertes Coping: Hierbei wird versucht, die pro- gieren. Wir reagieren immer gleich, völlig egal, was uns blematische Situation zu verändern. Der Patient orientiert stresst: sich am konkreten Problem des Krankseins und versucht, – Nachdem wir einen Stressor wahrgenommen haben, findet die Erkrankung zu begreifen bzw. seine Situation zu verbes- die Alarmphase statt. Der Körper reagiert mit einer sym- sern oder zu erleichtern. Ein Beispiel hierfür wäre auch, ei- pathischen Aktivierung. nen zwischenmenschlichen Konflikt konkret anzusprechen. – Hält der Stress länger an, so befindet sich der Körper in der Widerstandsphase (Resistenz) und reagiert mit einer er- LERNTIPP höhten Katecholaminausschüttung. In diesem Zustand sind wir am besten auf den Stressor eingestellt, das heißt, jetzt Mit dem hier beschriebenen kognitiven Bewertungskonzept nach können wir am besten kämpfen oder fliehen. Lazarus lässt sich auch erklären, warum der eine Patient vor einer – Stehen wir aber zu lange unter Stress (mehrere Tage oder schwerwiegenden Operation am Herzen mit starken Stress-Symp- Wochen), kommt es zur Erschöpfungsphase. Die erhöhte tomen reagiert, während ein anderer Patient in der gleichen Situa- Hormonausschüttung kann nicht mehr aufrechterhalten tion hoffnungsvoll ist und vor allem an den nach der OP zu erwar- werden. Der Körper kann nicht mehr auf den Stressor rea- tenden Gewinn an Lebensqualität denkt. gieren, Krankheiten und Schlafstörungen nehmen zu (psy- chosomatische Beschwerden). So wirkt zu lang anhaltender Interindividuelle Unterschiede der Stressreaktion. Menschen Stress immunsuppressiv. reagieren nicht auf jeden Stressor mit genau derselben Stress- ▪ Psychoendokrines Stressmodell nach Henry: Dieses Modell reaktion. So können die physiologischen Unterschiede darin be- bezieht zusätzlich emotionale Reaktionen auf Stressoren mit stehen, dass Stress manchen Menschen auf den Magen schlägt ein. Die Verhaltensweisen lösen ihrerseits wieder bestimmte (Reaktion über das gastrointestinale System), andere Menschen Verhaltensweisen und neuroendokrine Reaktionsmuster aus. reagieren auf Stressoren mit Spannungskopfschmerzen (Reakti- So führen bestimmte Stressoren zur Emotion Ärger. Dieser Är- on über das muskuläre System). ger führt zur vermehrten Ausschüttung von Noradrenalin und Die individualspezifische Reaktion bzw. die individuelle Re- Testosteron und wird eher ein Kampfverhalten bewirken. Ein aktionsstereotypie (oder auch nur Individualstereotypie) besagt, Stressor, der Furcht auslöst, führt zur vermehrten Ausschüt- dass ein Individuum auf unterschiedliche Reize immer mit dem- tung von Adrenalin und zu einem Fluchtverhalten. Wird das selben psychophysiologischen Reaktionsmuster antwortet. Also Gefühl der Depression ausgelöst, so ist die Cortisolausschüt- wird ein bestimmter Mensch vielleicht immer mit einer Erhö- tung erhöht, der Testosteronspiegel erniedrigt. Die Person hung der Muskelspannung reagieren, egal, welcher Stressor ihn wird mit Trauer oder Hilflosigkeit reagieren. belastet, ob es der Straßenlärm ist, der Stau oder die bevorste- ▪ Psychologisches (transaktionales) Stress(bewältigungs)mo- hende Prüfung. dell (Coping-Modell) nach Lazarus: Nach Lazarus ist ein Reiz nicht von sich aus ein Stressor. Ob etwas Stress auslöst oder Allostase. Darunter versteht man das Ergebnis langfristiger An- nicht, hängt von der kognitiven Bewertung ab. Stress entsteht passungsprozesse nach längeren chronischen Belastungen (z. B. nur dann, wenn das Individuum glaubt, dass eine bestimmte Stress). Dabei werden physiologische Funktionen stabilisiert, die Situation gefährlich ist und die Anforderungen höher sind als außerhalb der normalen Reaktionsbandbreite liegen, was einer die eigenen Kräfte.Es gibt drei Phasen: Sollwertverschiebung gleichkommt. 1.4 Gesundheits- und Krankheitsmodelle 9 FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN ▪ Es: Das Es ist von Geburt an vorhanden. Es ist der primitive Teil unserer Persönlichkeit. Das Es ist die Quelle unserer Trieb- L E R NPAK E T 1 – !! Gen-Umwelt-Interaktion: Einige psychische Störungen tre- wünsche. Freud postulierte zwei Triebe: den Sexualtrieb (Libi- ten nur auf, wenn bestimmte Umweltfaktoren auf eine be- do) und den Aggressions- oder Todestrieb (Thanatos). Beide stimmte genetische Disposition treffen. streben nach Befriedigung. Das Es will seine Lust (Triebwün- – ! Im Stress-Diathese-Modell (auch Vulnerabilitäts-Stress-Mo- sche) immer unmittelbar befriedigen. Es ist vollkommen unbe- dell) stehen die Begriffe „Diathese“ bzw. „Vulnerabilität“ syno- wusst. nym für die Empfindlichkeit (Verletzlichkeit) gegen Stressoren. ▪ Über-Ich: Es ist der Sitz unserer Moral- und Idealvorstellungen. – ! Eine längerfristige Erhöhung der Sympathikus-Aktivität Es entwickelt sich zum Ende der ödipalen Phase (S. 44). Das (z. B. bei Patienten mit Depression) geht mit einem erhöhten Über-Ich ist auch unbewusst. Wir bemerken es nur in Form Herz-Kreislauf-Risiko einher, messbar beispielsweise an einer unseres schlechten Gewissens. erniedrigten Herzfrequenzvariabilität. ▪ Ich: Das Ich ist als einzige Instanz bewusst. Das Ich versucht – ! Die Cortisolausschüttung bei der körperlichen Stressreak- immer, zwischen den Bedürfnissen des Es, den Ansprüchen tion bewirkt eine Immunmodulation. des Über-Ichs und den Umweltgegebenheiten zu vermitteln. – !!! Psychologisches Stressmodell (Coping-Modell) nach La- Das Ich ist im Strukturmodell nach Freud der Repräsentant zarus: Ob etwas Stress auslöst oder nicht, hängt von der kogni- des Realitätsprinzips. Zu seinen Funktionen gehört die Angst- tiven Bewertung des Individuums ab. abwehr, der Einsatz von Abwehrmechanismen (S. 69), die Rea- – Primäre Bewertung (primary appraisal): Ein auftretendes Er- litätsprüfung und die Vermittlung zwischen Triebbedürfnis- eignis wird auf seine Gefährlichkeit hin eingeschätzt. sen und moralischen Forderungen. – Sekundäre Bewertung (secondary appraisal): Die Stress- bewältigungsstrategien werden im Kopf überprüft. APROPOS – Bewältigung: Die Situation wird durchlebt. Es ist Ihr Ich, das im Augenblick bewusst diese Worte liest; der Wunsch, lieber in die Stadt zu gehen, um sich mit Ihren Freunden zu treffen, ent- – Neubewertung: Es wird überprüft, ob die Strategien den springt dem Bedürfnis des Es, seine Lust zu befriedigen. Der Grund dafür, Stress vermindert haben. dass Sie nicht nachgeben, sondern weiterlesen, ist Ihr Über-Ich, das Ihnen – !! Beim emotionszentrierten Coping wird versucht, die mit ein schlechtes Gewissen bereiten würde. Das Ich wird den passenden Aus- einer belastenden Situation verbundenen Gefühle zu regulieren gleich finden, und vielleicht hören Sie deswegen im Hintergrund zur Ent- (z. B. dadurch, dass man an etwas Schönes denkt). spannung gerade Musik. – ! Individualspezifische Reaktion/Hypothese bzw. individuel- le Reaktionsstereotypie: Diese Hypothese besagt, dass ein In- Abwehrmechanismen. Manchmal werden die Bedürfnisse des dividuum auf unterschiedliche Reize immer mit demselben Es so stark, dass es dem Ich nicht mehr gelingt, einen Kompro- psychophysiologischen Reaktionsmuster antwortet. miss zu finden. Damit die Es-Impulse nicht ins Bewusstsein drin- – !! Allostase: Einstellung eines neuen Gleichgewichts nach An- gen und die Kontrolle übernehmen können, setzt das Ich Ab- passungsprozessen, die durch längere, chronische Belastung wehrmechanismen (S. 69) ein. Diese gehören zum alltäglichen (z. B. Stress) induziert wurden. Erleben und werden erst dann pathologisch, wenn sie zu häufig und zu starr eingesetzt werden, um Es-Impulse in Schach zu hal- ten. 1.4.3 Psychodynamische Modelle Entwicklung psychischer Störungen. Nach analytischer Auffas- Die Psychoanalyse, auch psychodynamisches Modell genannt, sung ist das Symptom einer psychischen Störung nur ein Aus- wurde von dem Wiener Arzt Sigmund Freud (1856–1939) be- druck eines unbewussten psychischen Konflikts zwischen den gründet. Er entwickelte zwei Modelle der menschlichen Psyche; Persönlichkeitsinstanzen, der erst bewusst gemacht werden das topografische Modell und das Strukturmodell. muss. Der Grund für diesen Konflikt liegt nach der traditionellen Analyse immer in einem Trauma aus der Kindheit begründet. So Topografisches Modell. Dieses Modell beschreibt den Ort kann es beispielsweise sein, dass das Es ein nicht akzeptables se- (griech. topos = Ort) der psychischen Vorgänge. Die psychischen xuelles Bedürfnis in der Vergangenheit verspürt hat, das es nicht Vorgänge können im Bewussten, Vorbewussten und Unbewuss- stillen konnte, ohne eine extreme Bestrafung durch das Über-Ich ten ablaufen. zu fürchten. Ein solcher Über-Ich-Es-Konflikt kann in Konver- ▪ Der bewusste Anteil besteht aus dem, was uns unmittelbar zu- sionsstörungen (S. 70) münden. In diesem Fall funktionieren die gängig ist, also dem, was wir gerade denken. üblichen Abwehrmechanismen nicht mehr genügend. Um dem ▪ Das Vorbewusste besteht aus automatisierten Handlungen, Trieb die Energie zu entziehen, produziert das Ich Angst, die sich also Dingen, über die wir uns im Klaren sind, die unserem Be- dann in Form einer Phobie äußert. wussten zugängig sind, aber die ohne unsere Kontrolle ablau- Die beiden Konzepte von Konflikt und Abwehr stehen im fen, wie das Schreiben, das Autofahren... Zentrum des psychoanalytischen Modells der Symptomentste- ▪ Im Unbewussten sind alle seelischen Inhalte angesiedelt, die hung. Persönlichkeitsstörungen werden in einem eigenen Kapitel uns nicht unmittelbar zugänglich sind. Dies sind nach Freud (S. 45) besprochen. vor allem sexuelle oder aggressive Triebwünsche. Diese unbe- wussten Anteile sind es aber, die uns zum alltäglichen Handeln Primärer und sekundärer Krankheitsgewinn. Die Entwicklung motivieren. Denn wir handeln nur, um unsere Triebwünsche eines Symptoms hat für den Patienten auch „Vorteile“. Zum einen befriedigen zu können. reduziert das Symptom wie ein Ventil die Spannung des unbe- wussten (neurotischen) Konflikts (primärer Krankheitsgewinn) Strukturmodell. Später differenzierte Freud sein Modell der Psy- und zum anderen bekommt der Patient auch Zuwendung oder che mehr und entwickelte das Strukturmodell. Hier geht er da- erfährt Entlastung (sekundärer Krankheitsgewinn). von aus, dass die Persönlichkeit sich aus den drei Instanzen Es, Ich und Über-Ich zusammensetzt, die sich in einem dynamischen Gleichgewicht befinden. 10 PsychSoz | 1 Gesundheit und Krankheit LERNTIPP LERNTIPP Manche Patienten wünschen sich, nachdem sie durch eine An- Im Physikum wird zum Thema „Etikettierung“ immer wieder das schlussbehandlung eigentlich wieder arbeitsfähig sind, eine wei- Beispiel einer Frau bemüht, die ein großes Muttermal im Gesicht tere Behandlung, weil für sie die Zuwendung und Aufmerksamkeit hat, was dazu führt, dass sich wiederholt Bekannte und Freunde von im Rahmen der Therapie ein sekundärer Krankheitsgewinn dar- ihr abwenden. Als sekundäre Devianz erfolgt daraufhin der Rückzug stellt. der Frau aus dem gesellschaftlichen Leben und der Berufstätigkeit. Auch Kopfschmerzen können einen sekundären Krankheits- gewinn erzeugen, wenn nämlich durch diese Form der Beeinträch- tigung z. B. der Besuch der ungeliebten Schwiegermutter verhin- Soziale Rollen dert wird. Eine soziale Rolle besteht aus einem Bündel von (genormten) Verhaltens- und Denkweisen, die von dem Inhaber einer be- stimmten sozialen Position erwartet werden. Wir verhalten uns (Dis-)Simulation und Aggravation. Der Mensch ist in der Lage, unterschiedlich, je nachdem, in welchem sozialen Kontext, also die Vor- und Nachteile des Krankseins bewusst zu reflektieren. in welcher sozialen Rolle, wir uns gerade befinden. Wir denken, So kann er auch die Krankheit zu seinem Vorteil nutzen. Er kann fühlen und verhalten uns im Beruf anders als abends mit den Symptome vortäuschen (simulieren), z. B. um krankgeschrieben besten Freunden. zu werden (oder den Besuch der Schwiegermutter zu verhin- Wenn ein Individuum auf einer bestimmten sozialen Position dern). Er kann auch bestehende Symptome stärker darstellen. die Rollenerwartungen der Gesellschaft übernimmt, spricht man Dies nennt man Aggravation (Übertreiben bestehender Sympto- von Rollenidentifikation. Widersetzt sich jemand, der eine be- me). Wenn ein Symptom geleugnet und Gesundheit vor- stimmte Rolle innehat, den Rollenerwartungen, so spricht man getäuscht wird, so spricht man von Dissimulation. von Rollendistanz. FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN LERNTIPP – ! Zielsetzung der psychodynamischen Therapie ist es, den unbe- wussten psychischen Konflikt, der sich als psychische Störung Eine sehr starke Identifikation mit seiner Rolle zeigt z. B. ein Ge- äußert, bewusst zu machen. schäftsmann, der außerhalb seiner Arbeit keinen Gestaltungsraum – ! Primärer Krankheitsgewinn: Das Symptom selbst reduziert für andere Lebensbereiche kennt. wie ein Ventil die Spannung des unbewussten (neurotischen) Konflikts. Viele Berufsgruppen sind mit einer starken sozialen Rollenerwar- – ! Die beiden Konzepte von Konflikt und Abwehr stehen im tung verknüpft. Parsons fasste die Rollenerwartungen an einen Zentrum des psychoanalytischen Modells der Symptomentste- Arzt wie folgt zusammen: hung. Arztrolle nach Parsons. – !!! Sekundärer Krankheitsgewinn: Der Patient erfährt durch ▪ Affektive Neutralität: Ein Arzt soll seine Patienten unabhän- die Erkrankung Zuwendung oder Entlastung. gig von Gefühlen wie Zu- oder Abneigung behandeln. – ! Aggravation: Bestehende Symptome werden als stärker oder ▪ Universale Orientierung: Jede Person soll nach gleichen Grund- übertriebener dargestellt. sätzen ärztlicher Kunst behandelt werden, egal, ob arm oder – !! Dissimulation: Symptome werden geleugnet, Gesundheit reich, alt oder jung, männlich oder weiblich. Gemeint ist eine un- wird vorgetäuscht. eingeschränkte Bereitschaft zur Hilfeleistung (= Universalismus). ▪ Funktionale Spezifität: Der Arzt soll sich nur auf das ärztliche 1.4.4 Sozialpsychologische Modelle Handeln beschränken, für das er kompetent ist, und nichts an- deres tun. Laut IMPP verstößt ein Arzt z. B. dann gegen die Er- Normen wartung der funktionalen Spezifität, wenn er einen Patienten Normen sind in der Gesellschaft verankerte Regelsysteme, die nicht an einen anderen Facharzt überweist, sondern ihn selbst das Verhalten der Gesellschaftsmitglieder regeln und es erleich- weiter behandelt, weil der Patient das möchte. Man könnte tern, das gegenseitige Verhalten vorherzusehen. Wenn eine Per- hier auch argumentieren, dass die Erwartung der Kompetenz son normabweichendes Verhalten (Devianz) zeigt, wird sie be- (s. u.) bei einem solchen Verhalten verletzt wird. straft, das Verhalten wird sanktioniert. Soziale Normen werden ▪ Kollektivitätsorientierung:/Altruismus Der Arzt soll uneigen- meist für wiederkehrende Situationen aufgestellt, für die es ver- nützig handeln. bindliche Verhaltenserwartungen gibt. Sie enthalten eine Be- ▪ Kompetenz: Der Arzt muss in dem was er tut kompetent sein, wertung des Verhaltens und sind teilweise in Form von Gesetzen um richtig handeln zu können. codiert. Der Status (S. 57) gehört nicht zu den von Parson charakterisier- Häufig tritt normabweichendes Verhalten zunächst zufällig ten Verhaltenserwartungen. Einem Arzt wird zwar ein be- oder ungewollt auf, z. B. bei einem Jugendlichen, der das erste stimmter sozialer Status zugeschrieben, dieser beschreibt aber Mal verbotene Drogen konsumiert (= primäre Devianz). kein erwartetes Verhalten. Sekundäre Devianz oder Abweichung ist das abweichende Krankenrolle nach Parsons. Wie für den Arzt, formulierte Parsons Verhalten als Folge gesellschaftlicher Etikettierung. Wird also auch für den Patienten Rollenerwartungen, die er aus den Normen der Jugendliche wie ein Junkie behandelt, so wird ihn dies ver- und somit aus den Erwartungen der Gesellschaft ableitete. anlassen, weiter Drogen zu nehmen. ▪ Demnach ist der Kranke von sozialen Normen befreit, was durch die ärztliche Diagnosestellung legitimiert ist. ▪ Er wird für seine Krankheit nicht verantwortlich gemacht. 1.4 Gesundheits- und Krankheitsmodelle 11 ▪ Und schließlich muss er schnell wieder gesund werden (gene- – !! Kollektivitätsorientierung/Altruismus: Der Arzt soll unei- sen) und das auch wollen und alles dafür tun, z. B. indem er L E R NPAK E T 1 gennützig handeln. die medizinischen Angebote (Diagnose, Behandlung) wahr- – Kompetenz: Der Arzt muss in dem was er tut kompetent nimmt und sich dem behandelnden Arzt gegenüber kooperativ sein, um richtig handeln zu können. verhält, also eine hohe Compliance (S. 62) zeigt. – ! Der Status gehört nicht zu den von Parson charakterisier- Intra- und Interrollenkonflikt. Rollenkonflikte können dann ent- ten Verhaltenserwartungen an einen Arzt. stehen, wenn unterschiedliche Erwartungen an eine Person ge- – !! Intrarollenkonflikt: An ein und dieselbe Rolle werden unter- stellt werden. Rollenkonflikte führen zu Stress und können damit schiedliche Erwartungen gestellt, die nicht miteinander in Ein- auch Krankheiten auslösen. Es werden Intrarollenkonflikte und klang zu bringen sind. Interrollenkonflikte unterschieden. – !!! Interrollenkonflikt: Mehrere Rollen, die jemand zur selben ▪ Ein Intrarollenkonflikt liegt dann vor, wenn an ein und diesel- Zeit innehat, schließen sich gegenseitig aus (z. B. Berufstätigkeit be Rolle unterschiedliche Erwartungen gestellt werden, die und der Wunsch, für die Kinder da zu sein). nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Ein Arzt findet – ! Soziales Kapital: die Gesamtheit aller sozialer Beziehungen, sich z. B. in einem Intrarollenkonflikt, wenn er im Interesse die eine Person hat. des Patienten ein teures Medikament verschreiben will, die Krankenkasse von ihm aber die Verordnung einer günstigen Therapie erwartet. Ein anderes Beispiel ist eine Ärztin, die laut Theorie der kognitiven Dissonanz Berufsethos Leben erhalten soll, von der aber Angehörige ver- Menschen streben ein Gleichgewicht ihres kognitiven Systems langen, das Leiden eines Patienten durch Abschalten der Gerä- an. Unter Kognitionen versteht man dabei Meinungen, Glaubens- te zu beenden. weisen, Wissenseinheiten etc. (allgemein: Bewusstseinsprozes- ▪ Ein Interrollenkonflikt liegt dann vor, wenn sich mehrere Rol- se). len, die wir zur selben Zeit innehaben, gegenseitig ausschlie- Das heißt, dass Menschen ihr Verhalten sinnvoll begründen ßen (z. B. Berufstätigkeit und der Wunsch, für die Kinder da zu müssen, um sich wohlzufühlen. Wenn Kognitionen untereinan- sein). der im Zusammenhang stehen, dann können sie entweder kon- sonant sein, also einander ergänzen, oder dissonant sein, also ei- Soziale Konformität. Sie beschreibt, dass Menschen es aufgrund nander ausschließen. eines sozialen Drucks akzeptieren, wenn von ihnen Dinge erwar- tet werden, die sie eigentlich nicht erfüllen müssten. APROPOS Ein klassisches Beispiel ist das Rauchen. „Ich möchte rauchen“ (Kognition Soziale Kohäsion. Sie beschreibt den Zusammenhalt einer Grup- 1). „Rauchen ist schädlich“ (Kognition 2). Diese schließen sich gegenseitig pe zwischen Menschen, die in sozial-räumlichen Einheiten mit- aus, erzeugen Dissonanz. einander leben. Wo starke Kohäsion herrscht, findet man wech- selseitiges Vertrauen und Hilfsbereitschaft. Soziale Kohäsion gilt Dissonanzreduktion. Stellen Menschen fest, dass ihr Verhalten als Schutzfaktor für die Gesundheit. Der Soziologe Émile Durk- und ihre Einstellungen nicht in Einklang zu bringen sind (= ko- heim konnte zeigen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen gnitive Dissonanz), entsteht bei ihnen eine Motivation oder ein geringer sozialer Kohäsion und hohen Selbstmordraten. Druck, die entstandene Dissonanz zu reduzieren. Diese Reduk- tion kann auf verschiedene Weise durch Veränderung des kogni- Soziales Kapital. Der Begriff „soziales Kapital“ umfasst die Ge- tiven Systems erfolgen: samtheit der sozialen Beziehungen eines Menschen. Je höher das ▪ Addition (Hinzufügen) neuer konsonanter Kognitionen, soziale Kapital eines Menschen ist, umso besser ist sein Zugang ▪ Subtraktion (Abziehen) dissonanter Kognitionen (Ignorieren, zu den Ressourcen des sozialen und gesellschaftlichen Lebens Vergessen, Verdrängen), (z. B. Unterstützung, Anerkennung). Ein hohes Maß an sozialem ▪ Substitution (Ersetzen) von Kognitionen. Vertrauen vermindert das Krankheitsrisiko und die vorzeitige Häufiger ändern Menschen zur Dissonanzreduktion ihre Einstel- Sterblichkeit. lung statt ihr Verhalten. FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN LERNTIPP – ! Normen sind Regelsysteme, die das Verhalten der Gesell- schaftsmitglieder regeln und es erleichtern, das gegenseitige Kognitive Dissonanz und Beispiele dafür werden sehr gerne in der Verhalten vorherzusehen. Sie enthalten eine Bewertung des Prüfung gefragt: Verhaltens und sind teilweise in Form von Gesetzen codiert. – Ein übergewichtiger Mann mit erhöhtem Herzinfarkt-Risiko re- – !! Sekundäre Devianz oder Abweichung ist das abweichende duziert die kognitive Dissonanz („Ich bin dick“ und „Dicksein Verhalten als Folge gesellschaftlicher Etikettierung. führt zu Herzinfarkt“) damit, dass er sagt, dass viel dickere Män- – ! Eine soziale Rolle besteht aus einer Reihe von Verhaltens- und ner in seinem Umfeld auch keinen Infarkt bekommen haben. Denkweisen, die von dem Inhaber einer bestimmten sozialen – Eine übergewichtige Frau weigert sich abzunehmen mit dem Ar- Position erwartet werden. gument, dadurch Widerstandskräfte gegen Infektionskrankhei- – ! Arztrolle nach Parsons: ten zu verlieren. – Affektive Neutralität: Ein Arzt soll seine Patienten unabhän- – Ein Raucher behauptet, das Rauchen sei im Vergleich zu ande- gig von Gefühlen wie Zu- oder Abneigung behandeln. ren Umweltbelastungen harmlos. – Universale Orientierung (Universalismus): Jede Person soll – Ein Arzt rechtfertigt das ruppige Verhalten einer geschätzten nach gleichen Grundsätzen behandelt werden. Gemeint ist Kollegin gegenüber einem Patienten damit, dass die Kollegin eine uneingeschränkte Bereitschaft zur Hilfeleistung. sich wohl Sorgen macht über das unvernünftige Verhalten des – ! Funktionale Spezifität: Der Arzt soll sich nur auf das ärzt- Patienten. liche Handeln beschränken, für das er kompetent ist. 12 PsychSoz | 2 Methodische Grundlagen der Psychologie Soziale Risiko- und Schutzfaktoren FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN Eine wichtige Einflussgröße für die Gesundheit ist die soziale Un- – !! Kognitive Dissonanz: Feststellung, dass eigenes Verhalten terstützung (social support, sozialer Rückhalt). Mit sozialer Un- und Einstellungen nicht in Einklang zu bringen sind. Aus kogni- terstützung sind gemeint: tiver Dissonanz entsteht eine Motivation oder ein Druck, die ▪ emotionaler Rückhalt (Anteilnahme und Zuwendung, Aner- entstandene Dissonanz zu reduzieren (Dissonanzreduktion). kennung, Wertschätzung, Vertrauen), – ! Häufiger ändern Menschen zur Dissonanzreduktion ihre Ein- ▪ die Weitergabe von Wissen/Informationen/Rat oder stellung statt ihr Verhalten. ▪ instrumentelle (direkte) Hilfe und materielle Unterstützung. – !!! Social Support, sozialer Rückhalt, soziale Unterstützung: Soziale Unterstützung wird auch als soziale Eingebundenheit – emotionaler Rückhalt (Anteilnahme und Zuwendung, Aner- oder soziales Netzwerk bezeichnet. Gute soziale Netzwerke kön- kennung, Wertschätzung, Vertrauen), nen z. B. von Nachbarn geschaffen werden und wirken als Puffer – die Weitergabe von Wissen, Informationen und Rat, gegen Stress und somit gegen Krankheiten. Dieses Stresspuffer- – instrumentelle (direkte) Hilfe und materielle Unterstüt- Modell sozialer Unterstützung fängt negative Belastungsfolgen zung. ab, bevor sie einen schädlichen Einfluss ausüben können. In die- – ! Das Stresspuffer-Modell besagt, dass negative Belastungsfol- sem Zusammenhang wird auch von der Haupteffektthese (Di- gen durch ein starkes soziales Netzwerk abgefangen werden, rekteffektthese bzw. Direktmodell) gesprochen: Gute soziale Un- bevor sie einen schädlichen Einfluss ausüben können. terstützung hat einen unmittelbar positiven Einfluss auf Gesund- – !! Haupteffektthese (Direkteffektthese bzw. Direktmodell): heit und Wohlbefinden. Gute soziale Unterstützung fördert unmittelbar Gesundheit und Wohlbefinden. LERNTIPP Unter instrumentellem Rückhalt versteht man z. B., wenn die Nach- barin für eine rückenkranke Frau wöchentlich die Treppe putzt. 1.4.5 Soziologische Modelle Achtung! Staatliche Unterstützung gehört nicht zu den sozia- Soziologische Modelle gehen davon aus, dass soziale Strukturen len Risiko- und Schutzfaktoren. wie Schichtzugehörigkeit einen Einfluss auf Gesundheit und Von informationeller Unterstützung spricht man z. B., wenn Krankheit haben. Diese soziostrukturellen Determinanten wer- sich Medizinstudenten gegenseitig durch den Austausch von Prü- den im Kap. Soziologie (S. 52) besprochen. fungsformalitäten oder -inhalten austauschen. 2 Methodische Grundlagen der Psychologie 2.1 Untersuchungsplanung LERNTIPP Die Psychologie ist eine Naturwissenschaft. Sie will menschliches Das IMPP wollte im Herbst 2015 wissen, welche Art von Hypothese Erleben und Verhalten beschreiben, erklären und vorhersagen über die Wirksamkeit einer Maßnahme in der medizinischen For- können. Dazu bedient sie sich naturwissenschaftlicher, empiri- schung nicht aufgestellt wird. Deterministische Hypothesen sind ab- scher Methoden. solute Tatsachenbehauptungen und daher in diesem Fall ungeeignet. Probabilistische Hypothese. Eine Aussage, die nur mit einer be- 2.1.1 Hypothesenbildung stimmten Wahrscheinlichkeit zutrifft, ist eine probabilistische Eine Hypothese ist eine Vermutung darüber, wie verschiedene Hypothese. Faktoren miteinander in Beziehung stehen. Will man in der Psy- chologie oder Soziologie etwas untersuchen, so stellt man als Null- und Alternativhypothesen. Sie kommen nur bei einem Ex- Erstes eine Hypothese auf, die dann wissenschaftlich bewiesen periment vor. oder verworfen wird. ▪ Die Nullhypothese (H0) besagt, dass sich die experimentelle Be- Für wissenschaftliche Hypothesen gilt das Falsifikationsprin- dingung (s. u.) nicht von der Kontrollbedingung unterscheidet. zip nach Karl Popper: Es muss grundsätzlich möglich sein, die ▪ Die Alternativhypothese (H1) hingegen trifft zu, wenn es einen Hypothese zu widerlegen (Falsifikation). Die endgültige Verifika- Unterschied zwischen der experimentellen und der Kontroll- tion einer Hypothese ist nicht möglich, da die Hypothese dann bedingung gibt. unter allen nur denkbaren Bedingungen zutreffen müsste – un- Also muss bei einem Experiment immer eine der beiden Hypo- zutreffende Annahmen können allerdings ausgeschlossen wer- thesen zutreffen, während die andere falsifiziert wird. den. Dies ist aber nicht überprüfbar. Deshalb kann sich eine Hy- Die meisten Hypothesen in einem psychologischen Experi- pothese nur bewähren. ment sind probabilistische Hypothesen. Sie treffen also nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu. Das Wahrscheinlich- Deterministische Hypothese. Die deterministische Hypothese keitsniveau, auf dem die Alternativhypothese zutrifft, wird vor- fordert, dass eine Aussage unter bestimmten Bedingungen im- her festgelegt. Meist liegt es bei 0,95. Das heißt, es wird eine Irr- mer zutrifft. tumswahrscheinlichkeit α von 0,05 (5 %) angenommen. 2.1 Untersuchungsplanung 13 Wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit α 0,05 beträgt und die 2.1.2 Operationalisieren, Beobachten und Nullhypothese stimmt, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit L E R NPAK E T 1 0,05, fälschlicherweise die Nullhypothese abzulehnen. Dies wird Messen auch durch die sog. Signifikanz ausgedrückt. Bei einer Irrtums- Operationalisierung. Die meisten Phänomene, mit denen sich wahrscheinlichkeit von 0,05 kann man auch sagen, das Ergebnis die Sozialwissenschaften auseinandersetzen, sind nicht direkt zu sei auf dem 5 %-Niveau signifikant. Wenn ein Testergebnis statis- beobachten. So sind Lebensqualität, Intelligenz, Introversion, tisch signifikant ist, dann ist es nur mit einer geringen Wahr- Neurotizismus und Depressivität z. B. latente Konstrukte, da scheinlichkeit zufällig entstanden. man sie nicht direkt beobachten kann. Anders ausgedrückt: Wenn die Nullhypothese mit einer Sig- APROPOS nifikanz von 0,05 stimmt, wird in ca. 5 von 100 gleichartigen Verhaltensweisen hingegen sind direkt zu beobachtende Phänomene. Ei- Studien ein Unterschied im Ergebnis zwischen experimenteller nen weinenden Menschen kann man direkt beobachten, weil ihm die Trä- und Kontrollbedingung gefunden werden. nen über das Gesicht laufen. Wenn wir also jemanden weinen sehen, und Statistische Tests geben außerdem einen Signifikanzwert (p- wir sagen, dieser Mensch sei depressiv, so schließen wir auf das Konstrukt Wert) an, der die Glaubwürdigkeit der Nullhypothese angibt. Da- Depressivität. Dies kann unter Umständen auch falsch sein. Manchen Men- schen laufen die Tränen über das Gesicht, obwohl sie nicht depressiv sind, bei gilt: Die Nullhypothese wird dann verworfen, wenn p < Irr- sondern weil sie gerade eine Zwiebel geschält haben. tumswahrscheinlichkeit α und sie wird angenommen, wenn p > α. Operationalisierung bezeichnet den Vorgang, nicht direkt beob- α- und β-Fehler Bei der Annahme bzw. der Ablehnung der Alter- achtbare Phänomene für die Beobachtung und Messung zugäng- nativ- oder/und Nullhypothese werden zwei Arten von Fehlern lich zu machen. Dazu werden Variablen (S. 19) herangezogen, die unterschieden: beobachtet und somit gemessen werden können. Die Operatio- ▪ α-Fehler (Fehler 1. Art): Die Alternativhypothese wird fälsch- nalisierung umfasst sowohl die Beschreibung der Vorgehenswei- licherweise für richtig gehalten. Per Konvention wird der ak- se bei der Messung als auch die Beschreibung der eingesetzten zeptierte α-Fehler auf 5 %, 1 % oder 1 ‰ bzw. 0,05, 0,01 oder Messinstrumente. 0,001 festgelegt (Signifikanzniveau). (Je mehr Tests in einer Arten der Beobachtung. Es werden nicht immer Experimente Stichprobe durchgeführt und je höher das Signifikanzniveau durchgeführt, um ein psychologisches oder soziologisches Phä- festgelegt wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der Er- nomen zu erforschen. Die operationalisierten Kriterien werden höhung des Fehlers 1. Art) häufig auch lediglich durch Beobachtung gewonnen. ▪ β-Fehler (Fehler 2. Art): Die Nullhypothese wird fälschlicher- ▪ Bei einer offenen Beobachtung ist bekannt, wer und wo der weise für richtig gehalten. Hier wird ein β-Fehler von 20 % to- Beobachter ist. Setzt sich ein Arzt beispielsweise zu seinen Pa- leriert. tienten, um sie einfach besser kennenzulernen, handelt es sich um eine offene Beobachtung. FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN ▪ Bei der verdeckten Beobachtung ist der Beobachter nicht zu – ! Falsifikationsprinzip: Eine wissenschaftliche Hypothese muss sehen. grundsätzlich widerlegbar sein. Die Beobachtungsformen lassen sich weiter in teilnehmend und – !! Unzutreffende Annahmen können beim Falsifikationsprinzip nicht teilnehmend unterteilen. ausgeschlossen werden. Messen. Dieser Begriff ist von der Operationalisierung zu unter- – ! Deterministische Hypothesen über die Wirksamkeit einer scheiden. „Messen“ meint die Zuordnung von empirischen Sach- Maßnahme werden in der medizinischen Forschung eher nicht verhalten zu Zahlen nach einer bestimmten Regel (Stevens, aufgestellt. 1959). – ! Probabilistische Hypothese: Eine Aussage, die nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zutrifft, ist eine probabilistische Hypothese. 2.1.3 Skalierungsmethoden – !! Signifikanz: Ist ein Testergebnis statistisch signifikant, dann Testergebnisse lassen sich anhand verschiedener Skalenniveaus ist es nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit zufällig entstan- abbilden. Diese erlauben unterschiedliche Rechenoperationen. den. – Ist ein Ergebnis auf dem 5 %-Niveau signifikant, beträgt die Verhältnisskala (Rational- oder Absolutskala). Auf diesem Ska- Wahrscheinlichkeit < 0,05, die Nullhypothese irrtümlich abzu- lenniveau sind die meisten Rechenoperationen möglich. Hier lehnen. weiß man, dass die Verhältnisse, die hier abgebildet werden, ei- – Beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit 0,05 und stimmt die nen absoluten Nullpunkt haben. Dies sind Größen wie Körper- Alternativhypothese, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, gewicht, Temperatur in Kelvin, Reaktionszeiten etc. Erlaubte Re- fälschlicherweise die Nullhypothese anzunehmen, 0,05 (5 von chenoperationen sind Multiplikation und Division (A ist doppelt 100 Fällen). Man kann auch sagen, das Ergebnis sei auf dem so groß wie B) sowie Addition und Subtraktion. Als Maß der zen- 5 %-Niveau signifikant. tralen Tendenz (allgemein: Gipfel einer Häufigkeitsverteilung) – ! Je mehr Tests in einer Stichprobe durchgeführt und je höher kann das geometrische Mittel (n-te Wurzel des Produkts von n das Signifikanzniveau festgelegt wird, desto größer ist die Zahlen) berechnet werden. Auf einer Verhältnisskala lassen sich Wahrscheinlichkeit der Erhöhung des Fehlers 1. Art. in Zahlen ausgedrückt z. B. Serum-Enzymaktivitäten oder Reakti- – !! Die Nullhypothese wird dann verworfen, wenn p-Wert < Irr- onszeiten abbilden. tumswahrscheinlichkeit α, und sie wird angenommen, wenn Intervallskala. Diese Skala hat keinen absoluten Nullpunkt mehr. p > α. Erlaubte Rechenoperationen sind daher nur noch Addition und Subtraktion. Die Abstände zwischen den Merkmalsausprägungen 14 PsychSoz | 2 Methodische Grundlagen der Psychologie entsprechen sich (typisches Beispiel: Temperaturskala nach Cel- Absolute Beurteilungsskalen. Hierzu zählen Skalen, bei denen sius – die Temperaturdifferenz von –12 Grad zu –10 Grad ent- Merkmale auf einer mehrstufigen Skala direkt eingeschätzt wer- spricht der von 14 Grad zu 16 Grad). Die Berechnung von arith- den (Ordinalskala-Niveau). metischem Mittel (Summe der Einzelwerte, geteilt durch ihre Hierher gehört auch die dichotome Beurteilung „trifft zu“, Anzahl n; ist meist gemeint, wenn vom „Mittelwert“ gesprochen „trifft nicht zu“ (Nominal- bzw. Kategorieskala). Einige Beispiele wird) und der Abweichung von diesem Mittelwert (Standard- zu Skalierungsmethoden werden im Folgenden besprochen: abweichung) kann erfolgen. Die meisten psychologischen Test- ▪ Likert-Skala: Hier geben die Probanden ihre Zustimmung auf verfahren (Intelligenzquotient, Ängstlichkeit etc.) messen das einer meist fünfstufigen Skala an. Dabei werden die Antwort- Merkmal auf Intervallskalenniveau. möglichkeiten verbal beschrieben (z. B. „stimme gar nicht zu“ und „stimme völlig zu“). Die Besonderheit dieser Skala ist, dass Ordinalskala (Rangskala). Die Merkmale, die hier abgebildet der Gesamttestwert eines Probanden berechnet wird, indem werden, lassen eine Anordnung nach bestimmten Kriterien (grö- die angekreuzten Skalenwerte einfach zusammengezählt wer- ßer/kleiner, schlechter/besser, schöner/hässlicher) bzw. nach ih- den. Likert-Skalen sind zur Indexbildung geeignet. rer Ausprägungsstärke zu. Beispiel: Probanden können die Häu- ▪ Thurstone-Skala: Hier liegt ein dichotomes Format von „stim- figkeit angeben, mit der bestimmte körperliche Beschwerden in me zu“ und „stimme nicht zu“ vor. den letzten Wochen aufgetreten sind: 1 (nie), 2 (selten), 3 (gele- ▪ Numerischen Analogskala: Hier wird ein Merkmal auf einer gentlich), 4 (oft), 5 (immer). Die Werte lassen sich auch in Pro- Zahlenreihe (wie ein Lineal) zwischen zwei Extremwerten ein- zent ausdrücken. Erlaubte Rechenoperationen sind a < b, a > b. geschätzt. Patienten können beispielsweise das Ausmaß ihrer Auf diesem Niveau werden auch Krankheitsstadien oder als in- Schmerzen auf einer Zahlenreihe zwischen den Extremwerten tervenierende Variablen auch Schichtzugehörigkeit, Bildungs- „keine Schmerzen“ bis „sehr starke Schmerzen“ auftragen. abschluss, Schulnote und sozialer Status abgebildet. ▪ Visuelle Analogskala: Es sind nur die Endpunkte der Skala Die zentrale Tendenz einer Ordinalskala beschreibt der Medi- markiert, dazwischen finden sich keine Zahlenwerte und auch an (Zentralwert = Wert, der in der Mitte steht, wenn alle vorhan- sonst keine Einträge – sie ist völlig unbeschriftet. Auf der Rück- denen Ausprägungswerte hierarchisch nebeneinander aufgereiht seite können die Markierungen des Patienten dann in Zahlen werden). Als Maß für die Streuung eignet sich der Interquartil- abgelesen werden oder die Abstände zu den Endpunkten wer- abstand (Abb. 2.1). den ausgemessen. Nominal- oder Kategorieskala. Auf diesem Skalenniveau lassen sich nur noch Kategorien bzw. kategoriale Variablen abbilden. LERNTIPP Hier kann man also die wenigsten Aussagen machen. Kategorien Seien Sie sich dessen bewusst, dass bei einer Ordinal- oder Kate- sind klar zuzuordnende Merkmale wie z. B. viele anamnestische gorieskala keine quantifizierbare Aussage wie: „Prima, Ihre Daten wie verheiratet – ledig, Mann – Frau, oder auch Diagnosen Schmerzen haben sich ja halbiert!“ gemacht werden kann. (wie der ICD-10). Als Maß der zentralen Tendenz einer Nominal- skala kann der Modus (Modalwert) angegeben werden. Er be- zeichnet das Merkmal, das am häufigsten ausgeprägt ist. Relative Beurteilungsskalen. Bei relativen Beurteilungsskalen stellt man einen Vergleich an. „Sind Ihre Schmerzen heute stär- LERNTIPP ker als gestern?“ erfordert einen Vergleich mit dem Vortag. „Ha- ben Sie Schmerzen?“ ist eine absolute Frage. Die Reihenfolge der Skalen geordnet nach ihren Niveaus vom Zu den relativen Beurteilungen zählen der Rangvergleich, der niedrigsten zum höchsten lautet: Paarvergleich und das Soziogramm. Nominalskala – Ordinalskala – Intervallskala – Verhältnisskala. FAZIT – DAS MÜSSEN SIE WISSEN – !! Latente Konstrukte: z. B. Lebensqualität, Intelligenz, Intro- version, Neurotizismus und Depressivität, da man diese Parame- ter nicht direkt beobachten kann. Spannweite – !! Operationalisierung: Vorgang, bei dem man nicht direkt be- obachtbare Phänomene (latente Konstrukte) für die Beobach- Interquartilsbereich tung und Messung zugänglich macht. Dazu werden Variablen herangezogen, die beobachtet und somit gemessen werden können. Die Operationalisierung umfasst sowohl die Beschrei- bung der Vorgehensweise bei der Messung als auch die Be- schreibung der eingesetzten Messinstrumente. – ! Bei der verdeckten Beobachtung ist der Beobachter nicht zu sehen. – !! Verhältnisskala (Rational-, Absolutskala): Auf diesem Ska- lenniveau sind die meisten Rechenoperationen möglich. Hier weiß man am meisten über die Wirklichkeit. Man weiß, dass die Verhältnisse, die hier abgebildet werden, einen absoluten Null- punkt haben. Dies sind Größen wie Körpergewicht, Temperatur 1. 2. 3. 4. in Kelvin, Reaktionszeiten etc. Quartil – ! Intervallskala: Hier gibt es eine hierarchische Abstufung mit Abb. 2.1 Streuung und Interquartilabstand. gleichen Abständen zwischen den Merkmalsausprägungen, je- 2.1 Untersuchungsplanung 15 die Trennschärfe so beschreiben, dass ein Proband, der eine doch keinen absoluten Nullpunkt. Beispiele: Temperaturskala Aufgabe richtig löst, auch eine gute Endnote haben sollte und L E R NPAK E T 1 nach Celsius oder Intelligenzquotient. ein Teilnehmer, der diese Aufgabe nicht löst, eine schlechtere – !! Der Mittelwert (arithmetischem Mittel) von (mindestens in- Endnote haben müsste. tervallskalierten) Messwerten errechnet sich aus der Summe ▪ Die Itemhomogenität besagt, wie sehr sich die einzelnen der Einzelwerte, geteilt durch ihre Anzahl. Items in Schwierigkeit und Trennschärfe gleichen. – !!! Ordinalskala (Rangskala): Die Merkmale, die hier abgebil- Eine gute Trennschärfe liegt bei etwa 50 %, dies gilt auch für die det werden, lassen eine Zuordnung nach bestimmten Kriterien Itemhomogenität. Nun wird der Test auf seine Güte geprüft (größer/kleiner, schlechter/besser) zu. Beispiele sind Krankheits- (s. u.). stadien oder als intervenierende Variablen auch Schichtzuge- Die entstandene Testendform wird dann an einer Normstich- hörigkeit und Bildungsabschluss. probe normiert. Man spricht auch von Eichung und einer Eich- – ! Die zentrale Tendenz einer Ordinalskala beschreibt der Medi- stichprobe. Für die Normierung benötigt man eine möglichst an. Er entspricht dem Wert, der direkt in der Mitte der Vertei- große, und damit repräsentative Stichprobe. Aus diesen Ergeb- lung liegt. nissen werden Normen gewonnen. Anhand dieser Normen las- – ! Als Maß für die Streuung von auf Ordinalskalenniveau erfassten sen sich individuelle Testergebnisse interpretieren. Werten eignet sich der Interquartilabstand. Die Normierung (Eichung) eines Tests schafft ein Bezugssys- – !! Nominal- oder Kategorieskala: Auf diesem Skalenniveau tem, in das individuelle Testergebnisse eingeordnet werden kön- lass

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