Einführung in Lehren und Lernen 2023 - PDF

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2023

Helene Lukitsch

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teaching methods learning theories education pedagogy

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Diese Einführung in Lehren und Lernen (WS 2023) bietet Informationen zur Vorlesung, einschließlich Terminen, der Prüfung und den Inhalten der einzelnen Einheiten. Die Inhalte behandeln Modelle des Lernens, empirische Lehr- und Lernforschung, z.B. Korrelationsdesign und Experimentaldesign, sowie die Persönlichkeit von Lehrkräften und ihr Einfluss auf den Unterricht.

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Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Erste Einheit, am 10. Oktober 2023 Allgemeine Informationen zur Vorlesung Einführung in Lehren und Lernen: VO, STEOP → 3 ECTS, 2SS a. Der Moodle-Kurs: Alle Unterlagen sind auf Moodle verfügbar Spezifische...

Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Erste Einheit, am 10. Oktober 2023 Allgemeine Informationen zur Vorlesung Einführung in Lehren und Lernen: VO, STEOP → 3 ECTS, 2SS a. Der Moodle-Kurs: Alle Unterlagen sind auf Moodle verfügbar Spezifische Literaturhinweise in jeder Einheit ( → siehe Moodle) Einfügen aus Moodle: Angebot-Nutzungs-Modell nach Helmke (2007) b. Die Prüfung: Schriftliche Prüfung → elektronische Präsenzprüfung ○ Laptop mitbringen, online Prüfungsprogramm ○ Multiple Choice Inhalte der aktuellen Vorlesung Folien zu den Vorlesungseinheiten sowie Literatur zu den Vorlesungseinheiten Termine: ○ Anfang und Ende Februar 2024 ○ Mai 2024 ○ Oktober 2024 ○ Dezember 2024 1 Monat vor der Prüfung kann man sich anmelden Informationen erhält man früh genug Viele verschiedene Prüfungsslots pro Termin c. Organisatorische Informationen: Anmeldung zur Präsenzveranstaltung auf Moodle Forum für organisatorische und inhaltliche Fragen auf Moodle ○ Bei persönlichen Fragen ein Mail senden Die Vorlesung wird immer parallel gestreamt 1 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Kapitel 1: Die Einführung 1.1 Menti-Voting zu einer Schulsituation → In der Schule läuft alles gut, die Lehrperson trägt vor und die SuS nehmen die Inhalte auf und lernen zuhause nach. Die Lehrperson kann allen Bestnoten geben. Wieso sieht es nicht immer so aus? (Abbildung siehe Moodle) Herausforderungen - Menschen sind weder Digitalkameras noch Tonbänder, sie nehmen nur einen Bruchteil der angebotenen Informationen auf Menschen können nur einen Bruchteil der einmal gespeicherten Information wieder aus ihrem Gedächtnis abrufen Menschen haben eigene Motive und Interessen, die ihre Tätigkeiten steuern Menschen unterscheiden sich in ihrer Lernfähigkeit (Vorwissen, Lernstörungen, spezifische Kompetenzen → Nie eine homogene Masse!) 1.2 Die Notwendigkeiten eines erweiterten Modells Sowohl guter als auch schlechter Unterricht kann durch variable Merkmalskonstellationen charakterisiert sein → “Lehrkräfte können auf sehr unterschiedliche, aber nicht beliebige Art und Weise unterschiedlich gut und schlecht unterrichten.” 2 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Modelle: ○ Angebot-Nutzungs-Modell nach Helmke (2007) - Viele dynamische Elemente im Unterricht die permanent in Wechselwirkung zueinander stehen Bietet kompakten Überblick über wichtigste Variablenbündel Illustriert Komplexität Schulleistungen sind immer Koproduktionen Das Modell ist empirisch abgesichert ○ Die Metaanalyse von John Hattie (2009) - Ergebnisse der bisherigen Lehr-und Lernforschung werden in diesem Buch zusammengefasst, inkl. Einflussfaktoren auf Lernerfolg der SuS Es gibt ein Sequel - Die Metaanalyse von John Hattie (2023) “Teachers make a difference”: Bis zu 30% der Leistungsunterschiede zwischen SuS lassen sich durch Merkmale der Lehrperson und des Unterrichts erklären 3 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 1.3 Methoden der empirischen Lehr- und Lernforschung → Fragestellung und Hypothese (Zusammenhänge und Unterschiede) - Untersuchungsmethode - Untersuchung (Korrelationsdesign und Experimentaldesign) - Schlussfolgerung a. Fragestellungen zu Zusammenhängen, Beispiele: Wie hängt die Persönlichkeit der Lehrperson mit dem Lernerfolg der SuS zusammen? Wie hängt die Motivation der SuS mit deren Lernerfolg zusammen? b. Fragestellungen zu Unterschieden und Veränderungen, Beispiele: Welche Auswirkungen hat Gruppenunterricht auf den Lernerfolg der SuS? Führt der Einsatz von computergestützten Lernangeboten in der Schule zu einem besseren Lernerfolg von SuS? c. Korrelationsdesigns: Erhebung von zwei oder mehreren Variablen an einer repräsentativen Stichprobe ○ Korrelation: Zusammenhang zwischen zwei Variablen ○ Korrelationskoeffizient: Statistischer Kennwert für die Richtung und Stärke des Zusammenhangs ○ 0 = kein Zusammenhang, 1= maximal → Je größer die Motivation umso höher der Lernerfolg Korrelationen geben Auskunft über Richtung und Stärke eines Zusammenhangs, nicht jedoch über seine Ursachen! d. Experimentaldesigns: In Experimentaldesigns wird mindestens eine unabhängige Variable (UV) systematisch variiert und ihre Auswirkung auf die abhängige(n) Variable(n) (AV) beobachtet. ○ Ziel: Veränderungen in mindestens einer abhängigen Variable möglichste eindeutig auf Veränderungen in einer oder mehrerer unabhängiger Variablen zurückzuführen Unabhängige Variable (UV) – Variable, die systematisch manipuliert wird Abhängige Variable (AV) – Gemessene Variable, in der sich Unterschiede in Abhängigkeit von der UV zeigen sollten Störvariable (SV) – Alle Variablen, die neben der UV einen Einfluss auf die AV haben könnten 4 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch ○ Das (echte) Experiment: SuS werden verschiedenen Versuchsbedingungen zugeteilt, die sich nur in einer einzigen Hinsicht (Variable) unterscheiden → Diese Zuteilung geschieht zufällig ○ Zuverlässigkeit: Methode der Wahl, um Kausalbeziehungen zu begründen. Nicht immer anwendbar → Quasiexperiment ○ Das Quasiexperiment: Bei quasiexperimentellen Untersuchungen werden vorherrschende Gruppen miteinander verglichen. Es findet keine Randomisierung statt. Problem: Veränderungen in AV können nicht nur auf die Manipulation der UV zurückgeführt werden. Implikation: Kontrolle von SV erforderlich e. Schlussfolgerung: Statische Signifikanz: ○ Frage: Inwieweit kann ausgeschlossen werden, dass das Ergebnis zufällig zustandegekommen ist? ○ Signifikanz liegt vor, wenn das gefundene Ergebnis sehr unwahrscheinlich wäre, wenn es in der Population keinen Effekt gäbe ○ Die Signifikanz eines Ergebnisses hängt ab von: Stichprobengröße Streuung der Variablen Signifikanzniveau Effektstärke d (Wie groß ist der Unterschied per se?) Effektstärke 0 = Kein Effekt Effektstärke - = Negativ, Lernerfolg verringert sich Effektstärke + = Positiv, Lernerfolg vergrößert sich d = Mittelwert (EG) - Mittelwert2 (KG) durch Streuung (SD) Praktische Bedeutsamkeit: ○ Frage: Inwieweit ist ein (signifikantes) Ergebnis bedeutsam oder vernachlässigbar? ○ Effektstärke/Effektgröße: standardisiertes Ausmaß eines empirischen Effekts – z.B. Cohen‘s d 5 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Zweite Einheit, am 17. Oktober 2023 Kapitel 2: LehrerInnenpersönlichkeit und Professionswissen → „Es gehört zur Pathologie des Lehrers, dass er nicht lehrerhaft sein will. Keinem Anwalt oder Richter fiele es ein, sein Anwalt- oder Richtersein zu verleugnen oder zu kaschieren. Keinem Arzt käme es in den Sinn, den Habitus des Mediziners zu vertuschen. Auch der Ingenieur hat mit seiner Berufsrolle kaum nennenswerte Probleme – der Lehrer schon. Vor allem möchte er nicht lehrerhaft erscheinen. Nicht in der Öffentlichkeit, aber – und das macht stutzig – auch nicht am Ort seiner Profession.“ (Schirlbauer, 1996) 2.1 Die Suche nach der idealen Lehrperson: Persönlichkeitsparadigma: ○ ca. 1900 – 1960 (Schwerpunkt ab 1940) ○ Eigenschaften erfolgreicher Lehrpersonen ○ Persönlichkeitsparadigma jedoch gescheitert! Wenige und triviale Zusammenhänge (z.B. gute LehrerInnen sind emotional stabil) Fokus auf Persönlichkeitsmerkmale anstatt auf Verhaltensweisen Ausblendung der komplexen Lehr-Lern-Situation Die fünf Persönlichkeitsmerkmale: Extrovertiert Gewissenhaft Offenheit VErträglichkeit Emotionale Stabilität „Der echte Erzieher besitzt ein ursprüngliches Organ für die Bahnen, in denen der durch ihn hindurchwirkende Geist weht. Dieser Geist hat in Gemeinschaften, zu denen wesensmäßig ‚das Erzieherische‘ gehört, wie etwa Familie und Schule, seine eigentliche Heimat. In andere wird der geborene Pädagoge ihn hineintragen; ja er wird immer den Drang empfinden, eine Jüngerschaft um sich zu versammeln, gleichsam eine Sekte im Dienst der Menschenveredlung. “ → Idealistisches Lehrerbild 6 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Prozess-Produkt-Paradigma: ○ ab ca. 1960 ○ Zusammenhänge zwischen LehrerInnenverhalten („what teachers do in the classroom“) und Auswirkungen auf Schülerseite („what happens to their students“) ○ Wenn-Dann-Beziehungen, Unterricht wurde messbar Zunächst nur Fokus auf Lehrervariablen, danach gesamtes Unterrichtsgeschehen (inkl. kognitive Prozesse der SuS) ○ Probleme: keine einfachen, direkten Wirkungspfade ideales Lehrerverhalten nicht identifiziert „Lehrkräfte können auf sehr unterschiedliche, aber nicht beliebige Art und Weise gleichermaßen guten und erfolgreichen Unterricht halten“ Exkurs: Enthusiasmus von Lehrpersonen (teacher enthusiasm) – Unterschiedlich definiert und erfasst ○ Korrelate des Enthusiasmus von Lehrpersonen ○ Unterrichtsqualität experienced enthusiasm als Voraussetzung displayed enthusiasm als Element qualitativ hochwertigen Unterrichts ○ Verschiedene Merkmale der SuS Positive Effekte auf Interesse, intrinsische Motivation, Beteiligung der SuS und Freude am Unterricht Vermutlich kein linearer Zusammenhang, sondern mittlere Ausprägung wünschenswert ExpertInnen-Paradigma: ○ Ab ca. 1985 ○ Lehrpersonen sind ExpertInnen für das Unterrichten ○ Analyse der Denkprozesse bei der Gestaltung von Lernumgebungen ○ Professionelles Wissen und Können ○ Beeinflusst durch die Expertiseforschung 7 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 2.2 Expertise - Begriffserklärung: Expert/innen sind Personen, die in ihrer Domäne dauerhaft (also nicht zufällig und singulär) exzellente Leistungen erbringen. Expert/innen… ○ … lösen Probleme schneller und genauer ○ … haben ein besseres Gedächtnis für Inhalte aus ihrer Domäne ○ … nehmen umfangreiche bedeutungshaltige Muster wahr ○ … können ihr Wissen besser anwenden 2.3 Expertise bei Lehrpersonen: Berliner & Carter (1989), siehe auch Berliner (1992) ○ Lehrer-ExpertInnen und Novizen (a-priori-Gruppierung) Unterrichtsbeobachtung Urteile von Schulleitern Interpretation von Unterrichtsdias und -videos ○ Experten: Arbeitsaktivitäten, typische Unterrichtsereignisse ○ Novizen: didaktisch irrelevante Einzelheiten (z.B. Raumausstattung, Haarfarbe der SuS) Unterschiedliche kategoriale Wahrnehmung von Unterrichtssituationen Wer ist ein/e Experte/in? ○ Klassische Expertisedomäne Schach: ELO-Wert ○ Lehrpersonen: Ausbildungsstand Berufliche Erfolge (z.B. Beförderung, Zertifikate) Beurteilungen von Vorgesetzten und SuS Schülerleistung Dauer der Berufstätigkeit ○ Problem ungelöst (z.B. kein Zusammenhang zwischen Berufserfahrung und wichtigen Komponenten des Lehrerwissens in der COACTIV-Studie; Brunner et al., 2006) Kognitive Grundlage - Worin unterscheiden sich Expert/innen von Nicht-ExpertInnen? ○ In der Wissensbasis - Experten sind elaborierter, stärker vernetzt und flexibler organisiert 8 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Es existieren spezifische Anforderungen an LehrerexpertInnen: ○ Hohe Handlungsflexibilität: Anpassung an SchülerInnen ○ Koordination multipler Ziele: Als Lehrperson hat man viele unterschiedliche Ziele im Bezug auf die SuS sowie Ministerium usw., die koordiniert werden müssen ○ Heterogenität der Lernenden: Alle SuS sind verschieden ○ Integration von Wissen aus mehreren Domänen: Wissen aus allen Bereichen wird verknüpft und angewandt All das ergibt die sogenannte Adaptive Expertise Erfolgreiche Lehrpersonen sind adaptive ExpertInnen Methodisches Vorgehen - wissensorientiert: Anforderungsanalyse (Wissensgemeinsamkeiten) ○ z.B. Lehrperson muss Unterricht in eine geeignete soziale, zeitliche und inhaltliche Struktur bringen → welches Wissen ist hierfür erforderlich? ○ Welches Wissen ist für den Aufbau dieser adaptiven Expertise erforderlich? Verständnis der Unterschiedlichkeit der Persönlichkeiten von SuS Unterschiedliche Informationsverarbeitung Grundlegendes Fachwissen und erweitern im Laufe des Lehrberufs durch Fortbildungen, Seminare, … Wissen über gesellschaftliche Situationen Soziale Kompetenzen und Empathie Verständnis für das insgesamte Schulleben der SuS → Mein Fach ist nicht das einzige Fach Hineinversetzen in die SuS und deren Situation Selbstbewusstsein der Lehrperson Fachdidaktisches Wissen ○ Verschiedene Taxonomien Wissenskategorien von Shulman (1987): ○ Fachwissen (content knowledge) ○ Fachdidaktisches Wissen (pedagogical content knowledge) ○ Pädagogisches Wissen (general pedagogical knowledge) Diese drei kursiven Punkte sind allgemein akzeptierte Kernkategorien! ○ Curriculares Wissen (curriculum knowledge) ○ Philosophie des Schulfachs (knowledge of educational ends, purposes, and values, and their philosophical and historical grounds) ○ Wissen über die Lernenden (knowledge of learners and their characteristics) ○ Kontextwissen (knowledge of educational contexts) 9 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 2.4 Professionswissen von Lehrpersonen: Pädagogisches und psychologisches Wissen: ○ Wovon hängt die Lernwirksamkeit von Unterricht ab? Fachdidaktisches Wissen: ○ Wie können Inhalte verständlich gemacht werden? ○ Welches fachbezogene Vorwissen wird mitgebracht? Wissen über Erklären und Darstellen Wissen über fachbezogene Schülerkognitionen Fachwissen: ○ Welches Fachwissen ist erforderlich für fachdidaktische Beweglichkeit? Nicht trivial (in der Praxis immer wieder fachfremder Unterricht) Notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für fachdidaktisches Wissen „Fachwissen ist die Grundlage, auf der fachdidaktische Beweglichkeit entstehen kann.“ Allerdings kaum direkte Beziehungen zwischen Fachwissen und Lernerfolg Komplexität der Lehr-Lern-Situation Effekt des Fachwissens kann über das fachdidaktische Wissen vermittelt werden Zentrale Elemente des Fachwissens (nach COACTIV Mathematik) Akademisches Forschungswissen Profundes Verständnis und vollständige Beherrschung des Schulstoffs Alltagswissen 10 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Dritte Einheit, am 24. Oktober 2023 Kapitel 3: Mythen über das lernende Gehirn 3.1 Neuromythen Neuromythen sind Fehlvorstellungen über das Gehirn, die sich durch folgende Dinge auszeichnen: ○ Ein fehlerhaftes Verständnis ○ Eine falsche Deutung ○ Eine inkorrekte Darstellung Diese Aspekte haben sich aus Befunden der Hirnforschung heraus entwickelt 3.2 Verbreitung der Mythen Bei sieben ermittelten Neuromythen in fünf unterschiedlichen Ländern ergab sich eine durchschnittliche Zustimmungsquote von 50-60% 3.3 Ausgewählte Mythen auf dem Prüfstand „Die Lernleistung von Schüler/innen hängt davon ab, welche Gehirnhälfte die dominante ist.“ und „Kurzzeitige Koordinationsübungen können den Informationsaustausch zwischen linker und rechter Gehirnhälfte verbessern.“ ○ Das ist falsch, da die linke und die rechte Gehirnhälfte bereits synchronisiert sind Verbunden werden die beiden Hälften durch den Corpus callosum, der aus ca. 250 Millionen Nerven besteht → “Brücke” zwischen den beiden Gehirnhälften Zudem lassen sich viele Eigenschaften, die normalerweise nur einer Gehirnhälfte zugeschrieben werden, auf beide auslegen (Intelligenz, …) ○ Wie lernt unser Gehirn? Verbindung zwischen Nervenzellen Aufbau eines Wissensnetzwerks - Lernen ist die aktive Konstruktion und Umstrukturierung von Wissen 11 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch „Schüler/innen lernen besser, wenn ihnen Informationen entsprechend ihrem Lerntyp (z.B. visuell, auditiv, kinästhetisch) vermittelt werden.“ ○ Es gibt rund 120 Lerntypen → Wissen wird über mehrere Kanäle gespeichert ○ Es wird KEIN besserer Lernerfolg erzielt, wenn die Lehrenden gemäß ihrem Lerntyp unterrichtet werden ○ Probleme des Konzepts: Tests zur Erfassung von Lerntypen problematisch Lernen ist nicht gleich Wahrnehmung Der Inhalt beeinflusst die Repräsentationsform 3.4 Aufrechterhaltende Faktoren bei (Neuro-)Mythen Neurophilie - Die Hirnforschung ist für den Menschen fastzinierend Bedürfnis nach Komplexitätsreduktion Inadäquate Kommunikation: ○ Das sind Fehlvorstellungen über das Gehirn, die sich durch diese Faktoren von Befunden aus der Hirnforschung entwickelt haben: Ein fehlerhaftes Verständnis Eine falsche Deutung Eine inkorrekte Darstellung 3.5 Weitergabe und Abbau von Mythen Lernmythen werden oft bei Fort- und Weiterbildungen weitervermittelt Des Weiteren lassen sich diese Mythen oft nur sehr schwer abbauen, wenn man ihnen bereits Glauben geschenkt hat 12 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Vierte Einheit, am 31. Oktober 2023 Kapitel 4: Wissenschaftliche Lerntheorien 4.1 Wissenschaftliche Lerntheorien Behaviorismus: Assoziationen von Reizen und Reaktionen Kognitivismus: Informationsverarbeitung Konstruktivismus: aktive Wissenskonstruktion → “Lernen ist ein Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderungen im Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrungen kommt.” (2006: Hasselhorn) 4.2 Der Behaviorismus Assoziationen zwischen Reizen (S) und Reaktionen (R) ○ Edward L. Thorndike und die drei Gesetzmäßigkeiten Gesetz der Bereitschaft (law of readiness) Bereitschaft zur Verknüpfung von S und R Auswirkungen auf Lustempfindung Gesetz der Übung (law of exercise) Stärkung durch wiederholte Assoziation Gesetz der Wirkung (law of effect) Folgen lustvolle Konsequenzen auf eine Reaktion, wird die Assoziation gefestigt und steigt die Auftrittswahrscheinlichkeit Unter gleichen Randbedingungen sind lustvolle Konsequenzen verhaltenswirksamer als aversive! ○ Iwan P. Pawlow und die Klassische Konditionierung Die Phasen: Kontrollphase: UCS löst UCR aus, NS löst keine Reaktion aus Konditionierungsphase: UCS und NS werden wiederholt kontingent dargeboten, UCR folgt Löschungsphase: CS (ehem. NS) löst nun CR (ehem. UCR) aus 13 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch John B. Watson und die Übertragung auf menschliches Lernen ○ Little-Albert (9 Mo) → „Give me a dozen healthy infants, well-formed, and my own specified world to bring them up in and I'll guarantee to take any one at random and train him to become any type of specialist I might select – doctor, lawyer, artist, merchantchief and, yes, even beggar-man and thief, regardless of his talents, penchants, tendencies, abilities, vocations, and race of his ancestors. – I am going beyond my facts and I admit it, but so have the advocates of the contrary and they have been doing it for many thousands of years.“ Pionierarbeiten: Thorndike, Pawlow, Watson – Lernen = Verhaltensänderung ○ Verhaltensänderung ergeben sich aus S-R-Verknüpfungen Operante Konditionierung – ausgehend von Thorndike, weiterentwickelt von B. F. Skinner ○ Skinner-Boxen Assoziationen zwischen Reaktionen (R) und Konsequenzen (C) Anwendung für das Classroom Management: Aufbau und Aufrechterhaltung einer lernförderlichen Umgebung ○ Nachteile der positiven Verstärkung: Sättigung tritt ein Vorgesehene Verstärker werden nicht als solche erlebt (z.B. Lob der Lehrperson) ○ Nachteile der direkten Bestrafung: Flucht- und Vermeidungsverhalten Mit der Situation oder Person werden dauerhaft negative Gefühle assoziiert (z.B. Angst) Strafender wird zu erfolgreichem Modell aggressiven Verhaltens Kontrastphänomen (unerwünschtes Verhalten in anderen Situationen häufiger gezeigt) Entwicklung negativer Selbstwahrnehmung Erlernte Hilflosigkeit Kein Aufbau von gewünschten Verhaltensweisen 14 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Zentrale Frage: Möchte man unerwünschtes Verhalten abbauen ODER erwünschtes Verhalten aufbauen? ○ Abbau von unerwünschtem Verhalten: Alkohol oder Rauchen im Schulhaus → Bestrafung (was an seine Stelle tritt, interessiert nicht) ○ Aufbau von erwünschtem Verhalten: Schwätzen im Unterricht → Negative Verstärkung (Konzentration auf Unterricht statt Schwätzen) Potenzial negativer Verstärkung: SuS wird in eine unangenehme Situation versetzt, die beendet wird, sobald das gewünschte Verhalten gezeigt wird. 4.3 Der Kognitivismus Die Kognitive Wende: ○ Entwicklung des Digitalcomputers (Modell für das menschliche Gehirn) ○ Spracherwerb (Chomsky) ○ Kognitive Landkarten (Tolman) ○ Modelllernen (Bandura) Menschliches Verhalten wird über kognitive Prozesse erklärt. → "Der Begriff Kognition bezieht sich auf alle Prozesse des Erwerbs, der Organisation, der Speicherung und der Anwendung von Wissen." (2000: Mayer) Grundannahmen: ○ Psyche als informationsverarbeitendes System ○ Input und Output des Systems sind beobachtbar ○ Informationsverarbeitungsschritte werden daraus erschlossen Arbeitsgedächtnis: Vorübergehende Speicherung und Verarbeitung von Informationen – begrenzte Kapazität 15 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Arten von kognitiver Belastung (cognitive load): ○ Intrinsic load: Belastung durch Komplexität der Aufgabe ○ Extraneous load: Belastung durch Gestaltung des Aufgabenmaterials ○ Germane load: Belastung durch Lernen Cognitive load = intrinsic load + extraneous load + germane load Ziel: cognitive load ≤ Arbeitsgedächtniskapazität Beispiel: ○ Sie sehen das Diagramm einer Laufbahn. a hat den Wert 100 m. r hat den Wert 20 m. Berechnen Sie die Länge einer vollständigen Umrundung der Laufbahn Intrinsic load: Laufbahn in Kreis und gerade Strecken zerlegen; Formel für Kreisumfang erinnern; 2 π r + 2 a ausrechnen Extraneous load: Text lesen, Zahlen merken, Parameter im Diagramm wiederfinden Germane load: Lernen, komplexe Aufgaben in Teilaufgaben zu zerlegen; Lernen, Diagramme in Formeln zu übersetzen; Üben der Berechnung des Kreisumfangs Extraneous load minimieren → Material soll nicht vom Lerninhalt ablenken Intrinsic load so hoch wie nötig, so niedrig wie möglich → einfache Dinge nicht an komplizierten Aufgaben erklären Germane load maximieren → erhöht Lernerfolg Möglichkeiten zur Reduzierung des Extraneous cognitive loads: ○ Zu viele Informationen auf einmal: Segmentieren und Strukturieren ○ Komplexes Lernmaterial:Gestaltung des Lernmaterials auf das Wesentliche konzentriere, z.B.: Illustrationen mit „schmückender“ Funktion streichen, Floskeln streichen, 2DDiagramme verwenden, einfache Strukturen, Stichworte statt Sätze … ○ Nur ein Informationskanal (visuell oder auditorisch) wird belastet: Nutzung beider Informationskanäle 16 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Fünfte Einheit, am 07. November 2023 Unser Wissen ist kein Abbild der objektiven Reizinformationen Grundannahmen: ○ Die Bedeutung der wahrgenommenen Informationen wird von der wahrnehmenden Person (v.a. in Abhängigkeit vom Vorwissen) konstruiert ○ Der Wissensaufbau ist immer ein aktiver Konstruktionsprozess 4.4 Integrative Modelle Wissensbasierter Konstruktivismus (Reinmann & Mandl, 2006) ○ Gemäßigte konstruktivistische Position ○ Sechs Prozessmerkmale des Lernens: Lernen ist ein konstruktiver/konstruierender Prozess Lernen ist Konstruktion und Umstrukturierung von Wissen Lernen ist ein aktiver Prozess Lernende strukturieren ihr Wissen selbst um Achtung: “hands on, minds off” Lernen ist ein situativer Prozess Wissen soll auf verschiedene Situationen angewendet werden, ansonsten bleibt es träge Lernen ist ein selbstgesteuerter Prozess Lernende überwachen den eigenen Lernfortschritt Lernen ist ein sozialer Prozess Lernende ko-konstruieren ihr Wissen (Lernen ist ein emotionaler Prozess) 17 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 4.4.1 Lernen ist konstruierend Fehlkonzepte: ○ Viele nützliche fachspezifische Sammlungen im Internet, auch genannt: Misskonzepte Fehlvorstellungen Präkonzepte Subjektive Theorien Naive Theorien Folk theories etc. ○ Verbreitete Fehlkonzepte: Physik: Metall ist kälter als Plastik Biologie: Bäume saugen das Wasser hoch in die Baumkrone Psychologie: Handschrift verrät den Charakter Neurowissenschaft: Der Mensch benutzt nur 10 % seines Gehirns – Unterricht: durch Körperbewegungen werden die Hirnhälften synchronisiert Mathematik: 1/2 + 1/2 = 2/4 Die Bedeutung des Vorwissens Vorwissen ist der Boden, auf den die neue Information fällt! ○ „Problem“ Vorwissen: Neue Informationen sind oft nicht mit Vorwissen vereinbar – wird aber trotzdem versucht Entstehung synthetischer Modelle Nicht integrierbare Information wird vergessen Fehlkonzepte sind äußerst stabil ○ „Chance“ Vorwissen: Informationen, die an Vorwissen angeknüpft werden können, werden besser behalten Wissen kann Intelligenzunterschiede kompensieren 18 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 4.5 Der Konzeptwandel Shtulman & Valcarcel (2012) ○ N = 150 Psychologiestudierende ○ Verifikation von 200 Statements Keine Veränderung des Wahrheitsgehalts durch Konzeptwandel (konsistent) Wahr naiv und wissenschaftlich (z.B. Menschen verwandeln Nahrung in Energie) Falsch naiv und wissenschaftlich (z.B. Felsen verwandeln Nahrung in Energie) Kein kognitiver Konflikt ○ Veränderung des Wahrheitsgehalts durch Konzeptwandel (inkonsistent) Wahr naiv, falsch wissenschaftlich (z.B. Pflanzen verwandeln Nahrung in Energie) Falsch naiv, wahr wissenschaftlich (z.B. Bakterien verwandeln Nahrung in Energie) Kognitiver Konflikt Konzeptwandel beansprucht Zeit und Unterstützung Naive Konzepte werden aktiv inhibitiert Interindividuelle Unterschiede in der Inhibition korrelieren mit domänenspezifischen Kompetenzen Bedarf an Längsschnittstudien Förderung des Konzeptwandels → Qualitätskriterien guten Unterrichts 4.6 Die Lerntheorien - Konklusion Wissenschaftliche Lerntheorien ○ Behaviorismus (Lernen durch Assoziationen) ○ Kognitivismus (Lernen durch Informationsverarbeitung) ○ Konstruktivismus (Lernen durch aktive Wissenskonstruktion) Theorien widersprechen sich nicht, sondern ergänzen sich 19 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Sechste Einheit, am 14. November 2023 Kapitel 5: Qualitätskriterien guten Unterrichts 5.1 Zehn Qualitätskriterien guten Unterrichts nach Helmke (2021) Klarheit und Strukturiertheit Konsolidierung und Sicherung Aktivierung Lernförderliches Klima Klassenführung SchülerInnenorientierung Kompetenzorientierung Passung Angebotsvielfalt Motivierung 5.1.1 Klarheit und Strukturiertheit → „Viele Lehrer scheinen es freilich gar nicht zu wissen, welches einflußreiche Mittel ihnen in der Sprache zu Gebote steht, weil sie sonst nicht so viel sprechen, sich nicht halb todt reden, nicht die Sprache zu ihrem und der Kinder Verderben mißbrauchen würden. Andere nehmen beim Sprechen Eigenheiten an, wodurch sie selbst den Kindern unangenehm, auffällig und der leichtfertigen Jugend sogar lächerlich werden. Das muß man sagen, wenn man das Näseln, Nuscheln und Stoßen mancher Lehrer hört. Wenn man sich nicht von dergleichen Unarten überzeugen könnte, so wäre es kaum glaublich, daß gebildete Männer, geschweige Lehrer, ihre Sprache und Bildung so zu verunstalten vermögen.“ (1850: Schnell) Klarheit: ○ akustisch (Verstehbarkeit im Ggs. zu Verständlichkeit) ○ sprachlich (Prägnanz) ○ inhaltlich (Kohärenz) ○ fachlich (Korrektheit) 20 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Geringere Lernleistung bei folgenden Merkmalen der Lehrersprache: ○ Unsicherheits- und Vagheitsausdrücke ○ Inkorrekte Grammatik oder Lexik ○ Bruch der Kontinuität ○ Manierismen, Sprechverzögerungen → „Dazu kommt die Verhunzung der Sprache durch Floskeln, Allgemeinplätze, abgegriffene Wendungen, Trivialitäten und Banalitäten, Klischees, Binsenweisheiten, Leerformeln, hohle Worte, Plattitüden, Phrasen, Geschwafel, leeres Geschwätz und Wortgeklingel.“ Dimensionen der sprachlichen Verständlichkeit nach dem Hamburger Verständlichkeitskonzepts: ○ Einfachheit statt Kompliziertheit ○ Kürze/Prägnanz statt Langatmigkeit ○ Ordnung/Gliederung statt Ungegliedertheit/Zusammenhangslosigkeit ○ Zusätzliche Stimulanz Strukturiertheit: ○ Mitteilung der Unterrichts- und Lernziele ○ Transparente Leistungserwartungen ○ Ausdrückliche Verknüpfung der neuen Informationen mit dem Vorwissen ○ Strukturierungshilfen (z.B. Advance Organizer*) * Vorstrukturierung vor allem dann effektiv, wenn sie sich bereits bekannter Begriffe bedient. Lernen ist Konstruktion und Umstrukturierung von Wissen ○ Implikation: Vorwissen erfassen und nutzen Analogien verwenden Vorwissen ist der Boden, auf den die neue Information fällt! „Chance“ Vorwissen: Informationen, die an Vorwissen angeknüpft werden können, werden besser behalten 5.1.2 Konsolidierung und Sicherheit Üben = Alle unterrichtliche Aktivitäten, die dem Ziel der Festigung, Konsolidierung, Automatisierung, Vertiefung sowie Transfer des Gelernten dienen ○ Repetitiv, surface-level (Ziel: Automatisierung): Erforderliche Fakten und Prozeduren Automatisierung entlastet das Arbeitsgedächtnis ○ Elaboriert, deep-level (Ziel: Verständnis und Transfer): Variation in Material und Anwendungsbeispielen Aufbau einer flexibel organisierten Wissensbasis 21 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Bedingungen erfolgreicher Übung im Unterricht: ○ Häufigkeit ○ Motivierung ○ Passung – Vorkenntnisse ○ Zeitliche Verteilung („spaced“ vs. „massed“ practice/learning; d = 0.6) ○ Variation ○ Erfolgskontrolle ○ Gegenteil von „Bulimielernen“ Gedächtniskonsolidierung im Schlaf und im entspannten Wachzustand Der “Testungs-Effekt”: ○ Der Wissensabruf (bzw. die Testung per se) fördert das Lernen. ○ Wirkungen/Erklärungen: Erhöhte Aufmerksamkeit für noch nicht abrufbares Material Elaboration und Stärkung der Gedächtnisspur Aufbau multipler Abrufrouten ○ Anwendungsmöglichkeiten: Freier Abruf Multiple-Choice-Fragen Karteikarten Quizzes Aktivierende Fragen im Unterricht ○ Einflussfaktoren: Art des Übungstests − je schwieriger, desto stärker der Effekt Zeitpunkt des Übungstests − Nicht direkt in der Lernphase (z.B. Beginn der nächsten Unterrichtseinheit) Feedback beim Übungstest − Größerer Lerneffekt bei Feedback, da selten alle Inhalte abgerufen werden können Wissensstand der SuS? − In der früheren Lernphase eher Wissensaufbau (z.B. durch Elaborieren), in der späteren Lernphase Wissen durch Übungstests stärken → „If you read a piece of text through twenty times, you will not learn it by heart so easily as if you read it ten times while attempting to recite from time to time and consulting the text when your memory fails“ (1620: F. Bacon) 22 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 5.1.3 Aktivierung „Omnibus-Konzept“ ○ Kognitive Aktivierung ○ Soziale Aktivierung ○ Körperliche Aktivierung ○ Neuronale Aktivierung ○ ACHTUNG: „hands on, minds off“! Lernstrategien sind Verhaltensweisen und Vorgänge, die Lernende gezielt zur Verbesserung des Lernens und des Wissenserwerbs einsetzen. ○ 1. Kognitive Lernstrategien (= Primärstrategien) Wiederholen – Organisieren – Elaborieren ○ 2. Metakognitive Lernstrategien: Planen – Überwachen – Regulieren ○ 3. Ressourcenorientierte Strategien (= Sekundärstrategien): Kontrolle innerer und äußerer Bedingungen Lernende strukturieren ihr Wissen selbst um: ○ Implikation: Kognitive Aktivierung hervorrufen ○ Vergleichsprozesse anregen ○ Kontrastierungen verwenden 23 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Siebte Einheit, am 22. November 2023 5.1.4 Lernförderliches Klima Lernumgebung, in der das Lernen der SuS erleichtert, begünstigt oder auf andere Weise positiv beeinflusst wird. Relevante Aspekte: ○ Entspannte Lernatmosphäre: keine linearen Zusammenhänge mit Lernerfolg mittlere Ausprägung vermutlich günstig, zwischen: humorfrei, dehydriert, dröge, trocken, gespannt, gedrückt, ernst ausgelassen, exzessiv humorvoll, extrem dynamisch ○ Abbau von Angst: Schaffung von Sicherheit Klima des Vertrauens Enttabuisierung Individuelles, ermutigendes Feedback – kooperatives Klassenklima ○ Unterrichtstempo und Wartezeiten: Optimierung des Unterrichtstempos (Passung) Wartezeiten bei Lehrerfragen: Wartezeit nach einer Lehrerfrage an einen SuS: ○ durchschnittlich < 1 s ○ low-level questions 3-4 s, high-level questions bis 15s Wartezeit zwischen verbesserbaren Schülerantwort und Lehrerreaktion - Signal an Schüler → try harder! you can! Erhöhung beider Wartezeiten bewirkt nach Borich: ○ längere Antworten ○ öfter freiwillige Meldungen ○ weniger unbeantwortete Fragen ○ sicherere Antworten ○ eher bereit für spekulative Antworten ○ mehr Fragen ○ Umgang mit Fehlern: auf Fehler eingehen und wie man sie überwinden kann so viele Lernsituationen wie möglich, so viele Leistungssituationen wie nötig auch Fehler der Lehrperson sollten kein Tabu sein Fehler ermöglichen Einblicke in das Wissen und die Denkprozesse der SuS! 24 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Formative Assessment: ○ Assessment: einen Befund haben, was jemand schon kann ○ formative: formend, gestaltend → “Practice in a classroom is formative to the extent that evidence about student achievement is elicited, interpreted, and used by teachers, learners, or their peers, to make decisions about the next steps in instruction that are likely to be better, or better founded, than the decisions they would have taken in the absence of the evidence that was elicited.” Regelmäßige Erhebung des Lernstands/Wissensstands und Anpassung des Unterrichts! Funktionen für die Lehrperson: ○ Instrument zur Planung des Unterrichts (was sollen die SuS nach dem Unterricht wissen/können?) ○ Erleichtert die Überwachung des Lernprozesses (wann ist Lernschritt abgeschlossen? Wann kann Unterricht in die nächste Phase gehen?) ○ Grundlage für die Diagnostik & Bewertung Funktionen für die Schüler/innen: ○ Erhalten Informationen zur Bedeutung/dem Nutzen der Lerneinheit ○ Wissen, was von ihnen erwartet wird & was sie tun können um erfolgreich zu lernen. ○ Geben Kriterien an die Hand, um eigenen Lernfortschritt zu evaluieren. ○ Unterstützen das selbstgesteuerte Lernen. 25 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch K1 und K2 - Misskonzepte: ○ Ziel: Allfällige Misskonzepte der SuS aufspüren ○ Vorgehen: Häufige Misskonzepte identifizieren Einen kurzen Test dazu entwickeln Im Unterricht vorgeben Gemeinsame Auswertung im Unterricht K2 - Unklarster Punkt: ○ Ziel: Erfassen, was nicht verstanden wurde, und worauf nochmals eingegangen werden sollte ○ Vorgehen: Am Ende eines Themas / einer Einheit fragt die Lehrperson, was am unklarsten oder am schwersten zu lernen war Lernende notieren dies auf einem Blatt Papier und geben es ab K2 und K3 - An eine Person adressierte Umschreibung: ○ Ziel: Verständnis zu einem umfassenden Thema prüfen (insbes. Fähigkeit der Umformulierung) und die Reflexion der gesellschaftlichen Relevanz ○ Vorgehen: Gesellschaftlich relevantes Konzept und Zielgruppe auswählen SuS verfassen einen kurzen Text, in dem sie das Konzept einer bestimmten Zielgruppe erklären K4 - Matrix mit definierenden Eigenschaften: ○ Ziel: Erfassung, wie gut SuS ähnliche Konzepte unterscheiden können ○ Vorangehen: Auswahl von 2 oder 3 Konzepten, die häufig miteinander verwechselt werden, Erstellung einer Matrix Matrix ausfüllen lassen In der nächsten Stunde über Ergebnisse informieren K5 - Analogien suchen: ○ Ziel: Erfassung, ob SuS die Beziehung zwischen zwei Begriffen verstehen ○ Vorangehen: Begriffe auswählen Analogie vorgeben In der nächsten Stunde über Ergebnisse informieren 26 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch K5 - Concept Map erstellen: ○ Ziel: Erfassung der Wissensorganisation ○ Vorangehen: Geeignetes Ausgangs-Konzept wählen Eine Concept-Map als Beispiel präsentieren SuS erarbeiten mit dem Ausgangs-Konzept eine eigene Concept-Map → „If I could reduce all of educational psychology to one principle, I would say this: the most important single factor influencing learning is what the learner already knows. Ascertain this and teach him accordingly.“ Feedback an die Lehrperson: ○ Feedback is most powerful when it is from the student to the teacher. ○ What they know, what they understand, where they make errors, when they have misconceptions, when they are not engaged – then teaching and learning can be synchronized and powerful. Feedback an die Schüler - Zeitnahes Feedback sowie vor dem Hintergrund zuvor definierter Erfolgskriterien: ○ Aufgabe: Was wurde korrekt gelöst bzw. gut bearbeitet? Was wurde falsch gelöst bzw. wo lagen die Defizite? Warum war das so? ○ Prozess: Wo kann sich der/die S verbessern? Wie kann sich der/die S verbessern? Was kann der/die S beim nächsten Mal anders machen? 27 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Achte Einheit, am 28. November 2023 5.1.5 Die Klassenführung „Classroom Management“ Effiziente Klassenführung ist unabdingbare Voraussetzung für die Sicherung anspruchsvollen Unterrichts ○ Effiziente Klassenführung ist nicht alles, aber ohne sie geht alles andere gar nicht Die Funktionen guter Klassenführung: ○ Mehr Zeit zum Lernen ○ Gelegenheit zum Lernen ○ Management für Selbstmanagement Traditionen der Forschung zum Classroom Management (CM): ○ Behavioristisches CM ○ Präventives CM ○ Integratives CM 5.1.5.1 Das behavioristische CM 5.1.5.2 Das präventive CM v.a. Studien von Emmer und Evertson (z.B. Emmer et al., 2006; Evertson, 1995) Lehrpersonen mit erfolgreichem CM zeichnen sich vor allem durch ihre präventiven Tätigkeiten aus: ○ Vorbereitende Planung und Organisation der Klasse ○ Didaktische Vorbereitung des Unterrichts von Regeln und Routinen ○ Information über Konsequenzen bei Regelverstößen und Durchsetzung derselben 5.1.5.3 Das integrative CM Nutzung der Vorzüge der verschiedenen Ansätze Prävention und Reaktion mit Fokus auf Prävention 28 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Prominente Vertreter / Theorien: ○ Kounin (1976, 2006): Vorfall in der Psychologievorlesung Erforschung des „Wellen-Effekts“ der Zurechtweisung Videostudien des Unterrichts Identifikation von zentralen Merkmalen effektiver Klassenführung Die sieben Merkmale nach Kounin: Withitness (Allgegenwärtigkeit, Dabeisein): ○ Augenkontakt mit der ganzen Klasse ○ Rechtzeitige Reaktion Overlapping (Überlappung, Multitasking): ○ Gleichzeitiger Fokus auf verschiedene Aufgaben Momentum (Schwung, Reibungslosigkeit): ○ Vermeidung von Sprunghaftigkeit und Störungen im Unterrichtsfluss Smoothness (Geschmeidigkeit, Kohärenz): ○ Aufrechterhaltung inhaltlicher Kohärenz (roter Faden) Group Focus (Gruppenaktivierung): ○ Gruppenmobilisierung: Ansprechen aller SuS ○ Rechenschaftsprinzip: Alle Leistungen werden kontrolliert Managing Transitions (Übergangsmanagement): ○ Einführung von Routinen, Ritualen (z.B. Gesten, akustische Signale) ○ Knappe und eindeutige Überleitungen ohne Zeitverlust Avoiding Mock Participation (Vermeidung vorgetäuschter Teilnahme): ○ Negativbeispiel: „Scheinaufmerksamkeit“ (school survival skills) ○ Sensibilität für Scheinaufmerksamkeit ○ Stimulierende Anstöße / Erwecken bzw. situationsspezifischen Interesses ○ Rinne (1997) und Leriche (1992) : Low-Profile Classroom Management → “Den Ball flach halten” 29 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 5.1.5.4 Prävention von Unterrichtsstörungen Etablierung von Regeln und Routinen: ○ Regeln = Erwartungen an das Verhalten in bestimmten Situationen ○ Routinen = spezifische Verhaltensmuster für wiederkehrende Situationen ○ Einführung von Regeln: möglichst früh explizit kommunizieren konsequent durchsetzen ○ Viele Regeln/Routinen bestehen häufig schon, eher Prüfung, ob diese passen und ggf. Anpassung ○ Werden von den SuS v.a. dann akzeptiert, wenn sie die Sinnhaftigkeit sehen Einbezug der SuS beim Aufstellen (nicht Durchsetzung) von (neuen) Regeln Für einen möglichst reibungslosen Unterrichtsfluss sorgen: ○ Smoothness, Momentum, Managing Transitions nach Kounin (1976, 2006) ○ SuS sollten zu jeder Zeit wissen, was sie gerade zu tun haben ○ Empfehlungen: Klare Arbeitsaufträge geben Materalien einsatzbereit halten Administrative nach Möglichkeit auslagern Routinen für Übergänge sowie für Unterrichtsbeginn und -ende etablieren Raumgestaltung optimieren Störungsprävention durch breite Aktivierung: ○ Group Focus, Avoiding Mock Participation nach Kounin (1976) ○ Ziel: kognitive Aktivierung möglichst vieler SuS ○ Empfehlungen: Passendes Anspruchsniveau der Aufgaben Wechsel von Unterrichtsmethoden Ganze Klasse zur Mitarbeit auffordern und unterschiedliche SuS involvieren → Didaktisch gut durchdachter Unterricht ist selbst schon eine der effektivsten Möglichkeiten der Störungsprävention! Positive Lernatmosphäre schaffen: ○ Lernförderliches Klima sowie SchülerInnenorientierung Präsent sein: ○ Withitness nach Kounin (1976) ○ Reflexion der eigenen Präsenz empfohlen (Beobachter, Videos) ○ Leitfragen: Stehe ich so, dass ich alle(s) im Raum gut überblicken kann? Nehme ich alle SuS wahr? (Blick schweifen lassen) ○ Einsatz der eigenen Stimme: variantenreich moduliert 30 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 5.1.5.5 Intervention bei Unterrichtsstörungen Frühzeitige und niederschwellige Reaktion: ○ „low profile“ Ansatz ○ Reaktion sollte den Unterricht nicht stärker stören als die Störung selbst ○ Methode des Begrenzens und Bekräftigens (Wahl et al., 1984): Frühzeitig durch nonverbale oder verbale Stopp-Signale eine Grenze ziehen (Begrenzen) Bei Erfolg: erwünschtes Verhalten bekräftigen (Lächeln, Nicken, Dankeswort) Angemessene, gestufte Sanktionen: ○ Wenn subtile Stoppsignale nicht zum Erfolg führen, Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten auf unterschiedlichen „Stufen“ der Deutlichkeit, z.B. nach Gold (2015): Blickkontakt aufnehmen oder dicht an den Störenfried herantreten (ohne Fluss zu unterbrechen) Verbal beiläufig intervenieren (z.B. Aufrufen des Störenfrieds) An die vereinbarten Regeln und Konsequenzen erinnern Auffordern, die Regeln zu benennen und ihnen Folge zu leisten Unmissverständliche Aufforderung der Störungsbeendigung Privilegien entziehen oder kurzzeitig aus Lerngruppe ausschließen Schriftliche Reflexion über Regelverletzung einfordern Gespräch nach der Schulstunde Schulleitung informieren, Kontakt mit Eltern aufnehmen ○ Schwere disziplinarische Verstöße werden häufig auf Schulebene geregelt! Umgang mit Emotionen: ○ Emotionale Objektivität der LP ist sehr wichtig Realistisch wertschätzender Umgang mit SuS Versuch des Verständnisses der Beweggründe für Störungen Eigene negative Emotionen kontrollieren ○ Umgang mit verhängten Sanktionen: Sanktionen werden unter vier Augen mitgeteilt (Vermeidung von Diskussionen oder Eskalationen in der Klasse) Sanktionien beziehen sich auf Verhalten, nicht auf die Person Sanktion wird in nüchternem Ton mitgeteilt Lehrperson bleibt ruhig und verhandelt Sanktionen nicht Lehrperson ist nicht nachtragend 31 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Neunte Einheit, am 05. Dezember 2023 5.6 Die SchülerInnen-Orientierung Wertschätzung und ernst nehmen der SuS unabhängig von Leistung und Lernerfolg Kernelemente: ○ Empathische Kommunikation (LP zeigen Empathie und sind geduldig) ○ Positive Beziehung (freundlicher Umgang, ansprechbar auch für nicht lernbezogene Themen) ○ Berücksichtigung der motivationalen Grundbedürfnisse (→ Motivierung) ○ Positiver Humor („heiter gelassene Haltung gegenüber den Widrigkeiten des Lebens“; positive Uminterpretationen) In Studien Erhebung mittels Fragebögen zur Erfassung der Unterrichtsqualtät SchülerInnenangaben zur Erfassung der Unterrichtsqualität ○ wenn klassenweise gemittelt, gute Vorhersagen des Lernerfolgs ○ Kernelement von „student-centered teaching“: The notion of how the student experiences the lesson is critical to engagement and sucsess in participating in learning – more so for adolescent than for elementary students ○ In Österreich in die öffentliche Diskussion geraten durch die Lernsieg-App Nutzen von SchülerInnenangaben: ○ Die Lehrperson: erhält Feedback darüber, wie der Unterricht bei den SuS ankommt (Abgleich Selbst- und Fremdeinschätzung, Erkennen blinder Flecken) erfährt Entlastung durch kooperative Unterrichtsentwicklung schafft Raum for konstruktive Gespräche und trägt zu einem lernförderlichen Klima bei wird für die Heterogenität in der Klasse sensibilisiert (gleiches Unterrichtsangebot wird von verschiedenen S unterschiedlich wahrgenommen) ○ Die SchülerInnen: können sich konstruktiv einbringen und erfahren Wertschätzung ernen qualifizierte Rückmeldungen zu geben Grenzen von SchülerInnenangaben: ○ SuS können mit der Unterrichtsbeurteilung überfordert sein. Didaktische und fachliche Kompetenz von LP können kaum beurteilt werden. ○ Es können Verzerrungen auftreten: Maßstab der Beurteilung (z.B. auf Basis einer kürzlich erlebten Stunde) Schwierigkeiten bei der differenziellen Beurteilung durch Halo-Effekt - ein Merkmal überlagert Einschätzung) Urteilsverzerrungen (z.B. extreme oder milde Antworten) 32 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Empfehlungen zur Praxis von SchülerInnenangaben: ○ Echtes Interesse haben und Offenheit demonstrieren ○ SuS mit Sinn und Nutzen vertraut machen ○ Über die Bereiche der zu evaluierenden Unterrichtsqualität informieren ○ Auf strikte Anonymität hinweisen ○ Zeit für Feedbackgespräch und Maßnahmenvereinbarung nehmen ○ Feedback als dauerhafter Bestandteil des Unterrichts etablieren Verschiedene Varianten von SchülerInnenangaben: ○ von mündlichen und schriftlichen offenen Feedbacks Was hat Dir das Lernen erleichtert? Welche Elemente des Unterrichts haben Dir gefallen? … ○ bis zu sorgfältig entwickelten und wissenschaftlich fundierten Erhebungen. Voraussetzungen für Erfolg: ○ sorgfältige (empirische) Entwicklung des Instruments ○ nicht zu oft und nicht zu selten einsetzen u. Feedback berücksichtigen ○ relevante Merkmale des Unterrichts berücksichtigen ○ anonyme Befragung 5.7 Kompetenzorientierung Kompetenzorientierung: ○ Unterricht dient nicht dazu, einen vorgegebenen Input (Lehrplan) abzuarbeiten ○ Unterricht dient dazu, einen vorgegebenen Output (Kompetenzen der Lernenden) zu erreichen Im kompetenzorientieren Unterricht: ○ stehen die Lernergebnisse der Schüler(innen) im Mittelpunkt ○ erwerben Schüler(innen) nicht nur Wissen, sondern lernen, mit diesem Wissen konkrete Anforderungssituationen bearbeiten zu können ○ üben sich die Lehrer(innen) im genauen Beobachten der Schüler(innen),um die jeweiligen Lösungsstrategien und Lernstände zu erkennen ○ orientieren sich die Lehrer(innen) an gestuften Kompetenzmodellen, um den Schüler(inne)n passende Lernangebote zu eröffnen ○ wird immer wieder überprüft, ob Schüler(innen) bestimmte als Standard gesetzte Kompetenzen erworben haben 33 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Lernen ist situiert: Das erworbene Wissen ist mit dem Lernkontext verbunden ○ Implikation: Wissen flexibilisieren / Transfer fördern ○ Die erfolgreiche Anwendung angeeigneten Wissens bzw. erworbener Fertigkeiten im Rahmen einer neuen, in der Situation der Wissens bzw. Fertigungsaneignung noch nicht vorgekommenen Anforderung Arten von Transfer: ○ Positiver Transfer: Das Erlernen eines Inhalts begünstigt das Erlernen eines anderen Inhalts Z.B. Grundrechenarten ➔ Gleichungslösen ○ Negativer Transfer: Das Erlernen eines Inhalts erschwert das Erlernen eines anderen Inhalts Z.B. Natürliche Zahlen ➔ Brüche ○ Nahtransfer (proximaler Transfer): Lernsituation und Transfersituation ähnlich (Oberflächenmerkmale und Tiefenstruktur) Z.B. Kommutativität bei Addition (3 + 2 = 2 + 3) ➔ Kommutativität bei Multiplikation (3 * 2 = 2 * 3) ○ Ferntransfer (distaler Transfer): Lernsituation und Transfersituation sind sich unähnlich (zumindest Oberflächenmerkmale) Z.B. Systembiologie ➔ Finanzsysteme Binet (1899) - Theorie der „formal discipline“: ○ Gehirne (oder ihre Teile: Gedächtnis, logisches Denken, Wahrnehmung usw.) wie Muskeln ○ Training der „Denkmuskeln“ durch formal anspruchsvolle Tätigkeiten (Latein, Mathematik, Schach, Musik) ○ Denken wird dadurch in allen Inhaltsbereichen besser (Beruf, Alltag, neue Sprachen, Hobbys, Partnerschaft…) Kernhypothese: Positiver Ferntransfer Argumente: ○ Latein fördert logisches Denken und unterstützt die Intelligenzentwicklung ○ Latein verbessert die Leistungen in formalen Inhaltsgebieten wie Mathematik und Naturwissenschaft ○ Latein erleichtert das Erlernen von romanischen Fremdsprachen Frage - Macht Gehirnjogging intelligenter? ○ Kernaussagen der Erklärung: Es ist nicht belegt, dass Gehirnjogging die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit steigert. Werbung für Gehirnjogging-Spiele, die behauptet, Alzheimer- oder andere Demenzformen verhindern oder heilen zu können, ist wissenschaftlich unbegründet. Körperliches Training (aerobes Fitnesstraining) steigert die körperliche Gesundheit und wirkt nachweisbar positiv auf die Durchblutung des Gehirns und auf kognitive Leistungen. 34 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Das erworbene Wissen ist mit dem Lernkontext verbunden ○ Implikation: Wissen flexibilisieren / Transfer fördern → Erlernen mentaler Werkzeuge ○ Einbettung in verschiedene Kontexte ○ Problembasiertes Lernen Weitere Befunde zur Transferförderung: ○ Bedeutungshaltiges Lernen führt zu mehr Transfer als Auswendiglernen ○ Je ähnlicher zwei Situationen sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Transfer stattfindet. ○ Prinzipien und Zusammenhänge (→ integriertes Wissen) werden leichter transferiert als isolierte Fakten. ○ Mehrere Beispiele (aus unterschiedlichen Perspektiven) erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Transfer ○ Transfer findet häufiger statt, wenn er durch die soziale Umgebung erwartet und ermutigt wird 35 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Zehnte Einheit, am 12. Dezember 2023 5.8 Die Passung Verschiedene Termini: ○ Adaptives Unterrichten ○ Binnendifferenzierun ○ „taking account of individual differences“ ○ „individualized instruction” ○ „adapting instruction to the need of learners → „Die Individualität der Kinder ist freilich auch darin sehr verschieden, indem die Einen ein lebendiges Ehrgefühl, die Anderen ein stumpfes und unempfängliches von Natur oder durch die häuslichen Verhältnisse erhalten haben. Deshalb ist es durchaus eine der ersten Forderungen an den denkenden und wachsamen Lehrer, in dieser, wie in anderer Beziehung die Kunst des Individualisirens zu üben, und daher auch auf Geschlecht, Temperament, geistige Begabtheit, Alter und Bildungsstufe der Schüler verständige Rücksicht zu nehmen.“ (1850; Schnell) Reaktionsmöglichkeiten auf Heterogenität nach Weinert (1997): ○ Ignorieren der Lern- und Leistungsunterschiede (passive Reaktionsform) Mittelköpfe ○ Anpassung der SuS an Unterricht (substitutive Reaktionsform) V.a. äußere Differenzierungsmodi Äußere Differenzierung: ○ Strukturelle Maßnahmen: Klassengröße reduzieren und mehrgliedriges Schulsystem → „Vorab möchte ich herausstellen, dass der ganz normale Unterricht verbessert werden muss. Die Verbesserung der Qualität des normalen Schulunterrichts ist keineswegs alles, aber ohne eine allgemeine Verbesserung des Lernens, Lehrens und Leistens in den Schulen ist alles andere nichts, auch wenn viele schulorganisatorische Schlagworte noch so wohltönend sind“ (Weinert, 2000) Klassengröße reduzieren: Kann positive Effekte auf viele lernwirksame Einflussfaktoren haben (z.B. Feedback, Formatives Assessment, Individualisierter Unterricht) Ohne Änderung des Unterrichts nur geringe Effekte zu beobachten und zu erwarten Steuerungsmaßnahmen der Schulleitung können die Ergebnisse beeinflussen Evtl. auch non-lineare Effekte (je kleiner die Klasse, desto größer könnte der Effekte einer Reduktion um 1 S sein) 36 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Mehrgliedriges Schulsystem: Finnland (Gesamtschule) vs. Österreich/Deutschland Pros: ○ Niedriges akademisches Selbstkonzept von weniger guten SuS erholt sich in der Hauptschule ○ Weniger heterogene kognitive Eingangsvoraussetzungen sind erleichternd (?) Contra: ○ Selektion im dreigliedrigen Schulsystem inadäquat ○ Heterogenität bleibt bestehen ○ Zu frühe Selektion; anstatt Auslese individuelle Förderung ○ Stärkerer Zusammenhang mit sozio-ökonomischem Status (SES) Stärkerer Zusammenhang mit sozio-ökonomischem Status (SES) ○ Adaptiver Unterricht ○ Differenzielle Lernziele ○ Remediale Instruktion Notwendigkeit aktiver und proaktiver Reaktionsformen Differenzierung ist keine Technik, sondern findet im Kopf der Lehrpersonen statt Merkmale der Lernenden, u.a.: ○ Vorwissen → formatives Assessment (!) ○ Geschlecht ○ Motivation ○ Intelligenz ○ Lerntypen ○ … Geschlechterunterschiede: ○ Stereotypen - Stereotype Threat Angst, dass das eigene Verhalten einen existierenden Stereotyp der Gruppe, mit der man sich identifiziert, bestätigt. Angstgedanken “verschwenden” Arbeitsgedächtniskapazität Weniger effektive kognitive Verarbeitung Interferenzen bei der Abspeicherung neuer Informationen Neuronales Korrelat: verringerte Aktivität in aufgabenspezifischen Gehirnregionen und erhöhte Aktivität in affektiven Regionen 37 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Die 7Gs sind wirken differenzierten Unterricht entgegen: → „Alle gleichaltrigen Schüler/innen haben zum gleichen Zeitpunkt bei der gleichen Lehrperson im gleichen Raum mit den gleichen Mitteln das gleiche Ziel gut zu erreichen“ Differenzierung kann sich beziehen auf: ○ Quantität (wie viel?) ○ Lerninhalte (was? und wodurch?) ○ Qualität (wie?) Didaktische Methoden (Beispiele): ○ Aufgaben auf unterschiedlicher Lernzielebene ○ Hausaufgaben und Übungsaufgaben ○ Offene Aufgaben ○ Flexible Gruppierungen Aufgaben auf unterschiedlicher Lernzielebene: ○ Hausaufgaben und Übungsaufgaben Auswahl nach Lernzieltaxonomie Entweder-Oder-Aufgaben „Wähle für die Übung zu Hause Aufgabe 1, 2 oder 3“ Eigene Auswahl „Wähle von den 10 Übungen drei aus“ ○ Offene Aufgaben Lösungsweg und Lösung sind nicht bereits vorgegeben Beispiele: ○ „Wie viel ist 2+2?“ vs. „Welche Rechnungen haben das Ergebnis 4?“ ○ „Ein Parkplatz ist ungefähr so groß wie ein Fußballplatz. Wie viele Autos können in etwa darauf parken? Erkläre Deine Überlegungen“ Förderung kreativer Lösungswege und dem Einbringen des eigenen Potenzials In Kombination mit geschlossenen Aufgaben ○ Flexible Gruppierungen Gezielte Bildung von Gruppen in kooperativen Lernformen Wechsel von homogenen und heterogenen Gruppen für unterschiedliche Lernerfahrungen Reduzierung von problematischen „Nebenwirkungen“ kooperativer Lernformen wie z.B. Trittbrettfahrer-Effekt, free-rider effect (Der-Hans-der-macht‘s-dann-eh-Phänomen) Schmarotzer-Effekt; sucker effect (Ja-bin-ich-denn-der-Depp-Phänomen) Interpersonaler Matthäus-Effekt (Da-mach-ich-es-doch-lieber-selbst-Phänomen) 38 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch FAZIT: Man rennt mit der Forderung nach individualisiertem Lernen offene Türen ein, aber die Umsetzung bleibt oftmals unklar Voraussetzungen für das Gelingen: ○ Einstellungswandel ○ Diagnostische Kompetenz ○ Lehrmaterial ○ Didaktische Expertise ○ Ressourcen 5.9 Angebotsvielfalt → „No single teaching method … can be the method of choice for all occasions. An optimal programme will feature a mixture of instructional methods and learning activities.” Optimum statt Maximum ist entscheidend 39 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Elfte Einheit, am 09. Jänner 2024 5.10 Die Motivierung Der Fall Andrea: ○ Ist als eine auffallend „brave“ und vielfältig interessierte Schülerin bekannt ○ Wechselte kürzlich in ein „Elitegymnasium“; hatte immer gute Noten, zeigt nun Leistungs- und Motivationsabfall ○ Erlebt den neuen Unterricht als sehr streng und arbeitet nur die Aufgaben rechtzeitig ab ○ Fühlt sich als Einzelkämpferin, weil viele Arbeiten alleine erledigt werden müssen und sie nur wenig Rückmeldung zu ihrem Lernfortschritt bekommt ○ Feedback der Lehrpersonen bei Prüfungen: die nicht gelösten Aufgaben waren doch sehr schwer, die einfachen wurden aber ausgezeichnet gelöst ○ Sucht sich zunehmend einfache, bewältigbare Herausforderungen; scheint ihre Möglichkeiten nicht auszunutzen Worin liegen die Gründe für ihre motivationale Lage? Wie könnte man die Motivationslage verbessern? Motivation ist ein innerer Zustand, der unsere Handlungen anregt, in bestimmte Richtungen leitet und unser Engagement aufrecht erhält ○ Extrinsische Motivation: Die Quelle der Motivation liegt außerhalb des Individuums und der Aufgabe Der Wunsch oder die Absicht, eine Lernhandlung durchzuführen, weil damit positive Folgen herbeigeführt oder negative Folgen vermieden werden ○ Intrinsische Motivation: Die Quelle der Motivation liegt innerhalb des Individuums oder der Aufgabe. Der Wunsch oder die Absicht, eine bestimmte Lernhandlung durchzuführen, weil die Handlung selbst als interessant, spannend oder sonstwie zufriedenstellend erscheint Vorteile - Lernende werden eher: kognitiv aktiviert sein Herausforderungen suchen bedeutungsvoll lernen Konzeptwandel erfolgreich abschliessen kreative Leistungen erbringen Ausdauer bei der Aufgabenbearbeitung zeigen Freude beim Lernen erleben einen größeren Lernfortschritt erzielen 40 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Die Selbstbestimmungstheorie - Deci und Ryan: ○ 1. Annahme: Kontinuum zwischen und extrinsischer und intrinsischer Motivation ○ 2. Annahme: Drei psychologische Grundbedürfnisse auf dem Weg zur intrinsischen Motivation 1. Selbstbestimmung / Autonomie (“Ich bestimme”): Bedürfnis nach Handlungsspielräumen und Entscheidungsmöglichkeiten ○ Wahlmöglichkeiten in vernünftigen Grenzen ○ Drohungen und Deadlines ○ „Kontrollierende“ Aussagen ○ Externe Belohnungen („wahrgenommene Überveranlassung“ des eigenen Handelns; keine negativen Effekte von unerwarteten Belohnungen) ○ Überwachung und Bewertung 2. Kompetenzerleben (“Ich kann etwas”): Bedürfnis, sich kompetent zu fühlen bzw. Handlungen erfolgreich ausführen zu können ○ Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe (weder Über-/Unterforderung) ○ Informatives Feedback (autonomieunterstützend) ○ Vergleich mit Peers ○ Eigener Erfolg 3. Soziale Eingebundenheit (“Ich gehöre dazu”): Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit zu subjektiv bedeutsamen Personen ○ Beziehung zur Lehrperson ○ Beziehung zu den Peers 41 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch ○ Implikationen: Selbstbestimmung/Autonomie in Grenzen zulassen (z.B. frühe Information über Deadlines, Feedback zur Verbesserung des Unterrichts, selbstgesteuertes Lernen, Wahlmöglichkeiten bei Belohnungen) Kompetenzerleben fördern (z.B. Feedback mit Information über aktuellen Leistungsstand und Verbesserungsmöglichkeiten; individualisierter Unterricht) Soziale Eingebundenheit unterstützen (z.B. kooperative Lernformen einsetzen, wertschätzender Umgang, Wissenserwerb als anzustrebendes Ziel) Attributionen - Attributionstheorie von Weiner: ○ Kausalattribution von schulischen Leistungen ○ Drei Dimensionen: Ort: internal vs. external Zeitliche Stabilität: stabil vs. instabil Kontrollierbarkeit: kontrollierbar vs. unkontrollierbar ○ Einflussfaktoren: Persönliche Erfolgsgeschichte: Erfolgreiche eher internal (z.B. Fähigkeit, Anstrengung) Erfolglose eher unkontrollierbar (z.B Aufgabenschwierigkeit) Selbstwertschutz: Erfolg intern, Misserfolg extern Problem: keine Veränderungen bei Misserfolg Image-Management: mehr Verständnis für nicht-kontrollierbare Ursachen Geschlecht (in stereotypisch männlichen Domänen): Jungen: Erfolge auf Fähigkeit, Misserfolge auf mangelnde Anstrengung Mädchen: Erfolge auf Anstrengung, Misserfolge auf mangelnde Fähigkeit ○ LehrerInnen-Feedback: Nach Erfolg: „Das ist großartig! Deine harte Arbeit hat sich wirklich gelohnt!“ „Du hat es geschafft! Du bist so klug!“ „Großartig! Heute hattest Du wirklich Glück!“ Begeisterung bei einfachen Aufgaben → Mangel an Fähigkeit 42 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Nach Misserfolg: „Üb‘ einfach noch mehr und dann versuch‘ es dann nochmals, ok?“ „Hmmm, vielleicht ist das einfach nichts für Dich. Vielleicht solltest Du etwas anderes probieren.“ „Vielleicht hattest Du einfach nur einen schlechten Tag.“ Mitleid → Mangel an Fähigkeit ○ Implikationen: Misserfolge auf instabile und kontrollierbare Faktoren attribuieren (z.B. fehlende Anstrengung, unangemessene Lernstrategien) Erfolg sowohl stabil als auch instabil attribuieren (realistische Erwartungen erzeugen) Dauerhaft produktive Attributionsstile fördern (z.B. Wissenserwerb ist ein wertvolles Ziel, das durch Anstrengung erreicht wird) Zu viel Wettbewerb vermeiden (ansonsten z.B. Förderung von Fähigkeitsattributionen bei Misserfolgen) SuS ermutigen, Herausforderungen anzunehmen (fördern internale Attributionen) Motivation = Erwartung (Erfolgswahrscheinlichkeit) x Wert (Erfolgsanreiz) ○ Erfolgsmotivierte vs. Misserfolgsmotivierte: Erfolgsmotivierte suchen Anforderungssituationen in einem Bestreben nach Erfolg auf Misserfolgsmotivierte suchen Anforderungssituationen im Bestreben auf, Misserfolge zu vermeiden Erwartungen und Wert: ○ Erwartung (Erfolgswahrscheinlichkeit): bisherige Erfahrungen wahrgenommene Aufgabenschwierigkeit Umweltressourcen Qualität der Instruktion antizipierte Anstrengung ○ Implikationen: Herausforderungen schaffen (z.B. Vermeiden, dass zu einfache oder zu schwierige Aufgaben gewählt werden) Motivationsförderliche Rückmeldungen nach (Miss-) Erfolgen (z.B. Misserfolge auf mangelnde Anstrengung zurückführen) 43 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Zielorientierung - Lernziele vs. Leistungsziele: ○ Beispiele aus dem Sportunterricht: „Das ist meine Chance, den anderen zu zeigen, was ich kann. Ich werde den Trainer und meine Freunde damit beeindrucken.“ Leistungszielorientierung („performance approach goal“ „Na hoffentlich vermassle ich das Spiel nicht. Wenn ich den Korb nicht treffe, steh ich als kompletter Versager da. Vielleicht sollte ich mich beim Spiel eher im Hintergrund halten.“ Leistungszielorientierung („performance avoidance goal“) „Das ist eine weitere Chance für mich, mein Spiel zu verbessern. Ich werde versuchen, die Tipps des Trainers in die Tat umzusetzen“ Lernzielorientierung („mastery goal“) ○ Implikationen: Intraindividuelle statt interindividuelle Vergleiche (z.B. individuelle statt sozialer Bezugsnorm, „Nicht-Veröffentlichen“ der Noten) Lernförderlicher Umgang mit Fehlern und Beurteilungen (z.B. Fehler als wertvolle Informationsquelle, konstruktives Feedback, Formatives Assessment) Lernende zum Setzen eigener Lernziele ermutigen (z.B. spezifische, herausfordernde, kurzfristige Ziele sind besonders förderlich; metakognitive Kontrolle des Lernfortschritts unterstützen) Wert des Wissenserwerbs hervorheben (z.B. Wissenserwerbs und Kompetenzverbesserung ist wichtiger als das Erreichen guter Noten) 5.11 Rückblick - Qualitätskriterien guten Unterrichts nach Helmke Qualitätskriterien sollten nicht so verstanden, dass sie in maximaler Ausprägung erfüllt werden müssen, sondern als ○ Orientierungspunkte ○ Variablen, die von der LP situativ verändert werden können Wichtigkeit des Angebot-Nutzungs-Modells → „Instruktion bleibt vermutlich die wissenschaftlich zwar fundierte, aber nur durch gesunden Menschenverstand, praktische Vernunft und plausible Erfahrungsgeneralisierung nutzbare Anwendung von Prinzipien.“ 44 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Zwölfte Einheit, am 16. Jänner 2024 Kapitel 6: Von Begabung zur Leistung und Exzellenz 6.1 Die Einführung → „Mittlerweile hat sich auch bei Laien herumgesprochen, dass ‚Hochbegabung‘ – wie ‚Begabung‘ – uneinheitlich und unscharf gebraucht wird. Man verwendet diverse Vokabeln mehr oder weniger synonym: ‚besondere‘, ‚exzellente‘ oder ‚herausragende‘ Begabung sowie die Adjektive zur Kennzeichnung von Personenmerkmalen ‚hochbefähigt‘, ‚talentiert‘, ‚potenziell hochbegabt‘, ‚extrem begabt‘, ‚hochleistungsdisponiert‘ oder sogar ‚schwer begabt‘.“ (Rost, 2013) Begabung bezeichnet allgemein das leistungsbezogene Potenzial eines Menschen Hochbegabung entsprechend ein extrem hoch ausgeprägtes Leistungspotenzial ○ Beide Begriffe beziehen sich auf ein bestimmtes Aktionsfeld (begabt wofür?) ○ Beide Begriffe sind Konstrukte und wurden erdacht, um außergewöhnliche Leistungen erklären zu können. Talent = Besondere Leistungen in einem spezifischen Bereich (z.B. Klavier, Sprache …) → Talent als umgesetzte Begabung Leistungsexzellenz / Expertise sind herausragende Leistungen in einem bestimmten Gebiet Hochbegabungsbereiche laut Marland-Report (1972): ○ Allgemeiner Intellekt ○ Spezifische akademische Fähigkeiten ○ Kreativität ○ Führungsfähigkeit ○ Bildnerische und darstellende Künste ○ Psychomotorik Hochbegabungsbereiche nach dem Münchner Hochbegabungsmodell (Heller): ○ Intellektuelle Fähigkeiten ○ Kreative Fähigkeiten ○ Soziale Kompetenz ○ Musikalität ○ Motorik ○ Künstlerische Fähigkeiten ○ Praktische Fähigkeiten 45 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Differentiated Model of Giftedness and Talent (DMGT) 1.0 - Charakteristika: ○ Begabungen: weitgehend angeborene, noch nicht entwickelte Fähigkeiten ○ Talente: entwickelte Fähigkeiten oder Fertigkeiten, die eine Person zum Experten auf einem bestimmten Gebiet machen (Expertise) Talent entsteht durch systematische Übung, Erwerb von Kenntnissen und Fertigkeiten Eine talentierte Person ist immer auch begabt, nicht jede begabte Person ist auch talentiert („underachiever“) Unterstützung durch intrapersonale und Umwelt-Katalysatoren Differentiated Model of Giftedness and Talent (DMGT) 2.0 ○ Natural Abilities: Important genetic underpinnings Trademark: Ease and speed in learning ○ Competencies: Talent = Outstanding competency, nothing more Non-elitist perspective Dependent on age and exercise Revised taxonomy 46 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 6.2 Die Intelligenz Kognitive Begabungsfacette: ○ am besten erforscht (seit Ende des 19. Jahrhunderts) ○ am genauesten messbar (erste Tests zu Beginn des 20. Jahrhunderts) ○ hohe prädiktive Validität 6.2.1 Historischer Rückblick Alfred Binet (1857-1911): Erster (funktionierender) Intelligenztest - Binet-Simon-Test ○ Einige Aufgaben für die Altersgruppe 6: Kennt rechts und links, was durch Anfassen der Ohren erkennbar ist. Wiederholt einen Satz von 16 Silben. Wählt das hübschere Gesicht aus jedem von 3 Paaren ○ Einige Aufgaben für die Altersgruppe 10: Kennt die Monate des Jahres in der richtigen Reihenfolge. Konstruiert einen Satz nach 3 vorgegebenen Wörtern (Paris, Glück, Rinnstein). Beantwortet schwere Verständnisfragen Der IQ: ○ Alfred Binet (1905): Intelligenzalter (IA) – Lebensalter (LA) ○ William Stern (1912): Intelligenzquotient (IQ) IQ = ( IA / LA ) x 100, z.B.: ( 3 / 4 ) x 100 = 75; (6 / 8) x 100 = 75 Problem: setzt lineare Zunahme der Leistungsfähigkeit voraus ○ Heutiger Intelligenzquotient (IQ): Vergleich der individuellen Testleistung mit Leistung einer altersgleichen (!) Referenzstichprobe Standardisierte IQ-Verteilung: M = 100; SD = 15 Prädiktive Validität: ○ Korrelationen von Intelligenz mit: Bildungserfolg → r.40 to.70 Berufserfolg →r.30 to.50 Akademischer Exzellenz (top 1 % des IQ): 47 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Verschiedene Definitionen in der Literatur - Konsensdefinition von > 50 Expert/innen: ○ Intelligenz ist eine sehr allgemeine geistige Kapazität, die – unter anderem – die Fähigkeit: zum schlussfolgernden Denken, zum Planen, zur Problemlösung, zum abstrakten Denken, zum Verständnis komplexer Ideen, zum schnellen Lernen und zum Lernen aus Erfahrung umfasst. → „Bislang liegen keine überzeugenden Belege für qualitative Unterschiede zwischen Hochbegabten und nicht Hochbegabten vor“ → „Trotz intensiver Forschungsbemühungen konnten bisher keine qualitativen Unterschiede in den intellektuellen Prozessen ‚Hochbegabter‘ und ‚Nicht-Hochbegabter‘ gefunden werden.“ Kognitive Grundlagen: ○ 1. Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Mental speed) ○ 2. Arbeitsgedächtniskapazität (Working memory) Mentaler Arbeitsplatz (Arbeitsspeicher) Sehr hohe Korrelationen mit Intelligenz (.60 < r <.90) Exchange-Aufgabe (Schweizer, 1996) „Wie viele Austausche benachbarter Figuren müssen Sie in einer Reihe vornehmen, damit identische Reihen resultieren?“ Hochbegabte… ○ müssen ebenso Wissen konstruieren und umstrukturieren, aber lernen schneller können besser abstrakte Konzepte verstehen verfügen (dadurch) über mehr Vorwissen 48 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch 6.2.2 Implikationen für Begabtenförderung Anpassung an die schnellere/höhere Lernfähigkeit ○ Akzeleration: beschleunigtes Durchlaufen eines Curriculums (z.B. Überspringen von Schulstufen, Teilnahme an Hochschulkursen, vorzeitige Einschulung …) ○ Enrichment: Anreicherung und Vertiefung des Wissens (z.B. Arbeitsgemeinschaften, extracurriculare Kurse, Ferienakademien, Wettbewerbe …) ○ Separation (Fähigkeitsgruppierungen) ○ Integration (Innere Differenzierung) 6.2.3 Die Intelligenzforschung Struktur: Der g-Faktor → Charles Spearman ○ positive manifold“ Zweifaktoren-Modell Generalfaktor (g) → g (general intelligence) spezifische Faktoren (s) Differenzierte Anpassung an die schnellere/höhere Lernfähigkeit: ○ 1. Ebene (g) → globale Intervention, z.B. Akzeleration ○ 2. Ebene (broad) → spezifischere Intervention, z.B. Teilakzeleration/Drehtürmodell ○ 3. Ebene (narrow) → fokussiertes Angebot, z.B. Enrichment 49 Einführung in Lehren und Lernen, Helene Lukitsch Gibt es multiple Intelligenzen? ○ 1983: linguistische Intelligenz räumliche Intelligenz logisch-mathematische Intelligenz musikalische Intelligenz körperlich-kinästhetische Intelligenz intrapersonale Intelligenz interpersonale Intelligenz ○ 1999: personale Intelligenz naturalistische Intelligenz existenzielle Intelligenz ○ 2004: Searchlight intelligence profile Laser intelligenc

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