Panikstörung & Agoraphobie PDF
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Diese Zusammenfassung behandelt Panikstörung und Agoraphobie, inklusive DSM-5 Kriterien, Symptome, Leitfragen und Differentialdiagnostik. Die Informationen sind spezifisch für psychologische Studien an der Universität Bern.
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Panik & Agoraphobie; Spezifische Phobien (Kapitel 47, Kapitel 50) Angst > > Normale, evolutionär sinnvolle, wichtige Emotion. Signalisiert Gefahr Viele Facetten/Gesichter → Vorbereitung → Vermeidung → Umgang Neurobiologie der Angst (Auszugsweise, vereinfacht) > > Furchtreaktionen können via Amygdala...
Panik & Agoraphobie; Spezifische Phobien (Kapitel 47, Kapitel 50) Angst > > Normale, evolutionär sinnvolle, wichtige Emotion. Signalisiert Gefahr Viele Facetten/Gesichter → Vorbereitung → Vermeidung → Umgang Neurobiologie der Angst (Auszugsweise, vereinfacht) > > Furchtreaktionen können via Amygdala sehr schnell und auch unbewusst ausgelöst werden Gebiete, die für die bewusste Reizverarbeitung und Emotionsregulation zuständig sind, werden erst später aktiviert. Abb. Adaptiert aus LeDoux J. E., 1994 Panik & Agoraphobie (Kapitel 47) Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Panik & Agoraphobie DSM‐5: > Panikstörung > Agoraphobie → beides als eigenständige Störungen (falls beide vorhanden, beide Diagnosen vergeben) DSM‐IV‐TR: > Panikstörung mit/ohne Agoraphobie (Panikstörung als primär/zeitlich vorangestellt angesehen) ICD‐10: > Agoraphobie (F40) ohne Panikstörung (F40.00) mit Panikstörung (F40.01) > Panikstörung (F41) Panikattacke (DSM‐5) Keine eigenständige Störung sondern ‐ Bestandteil verschiedener psychischer Störungen ‐ Leitsymptom der Panikstörungen Plötzliche Anflutung intensiver Angst oder intensiven Unbehagens, erreicht innerhalb von Minuten einen Höhepunkt, dabei ≥ 4 der folgenden Symptome: 1. Palpationen, Herzklopfen oder beschleunigter Herzschlag. 2. Schwitzen. Vegetative Symptome 3. Zittern oder Beben. 4. Gefühl der Kurzatmigkeit oder Atemnot. 5. Erstickungsgefühle. Symptome in 6. Schmerzen oder Beklemmungsgefühle in der Brust. Thorax & Abdomen 7. Übelkeit oder Magen‐Darm‐Beschwerden. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Schwindelgefühle, Unsicherheit, Benommenheit oder Gefühl, der Ohnmacht nahe sein. Derealisation (Gefühl der Unwirklichkeit) oder Depersonalisation (sich von der eigenen Person losgelöst fühlen). Psychische Angst die Kontrolle zu verlieren oder «verrückt zu werden». Symptome Angst zu sterben. Parästhesien (Taubheit oder Kribbelgefühle). Allgemeine Kälteschauer oder Hitzegefühle. Symptome (APA, 2015) Panikstörung (DSM‐5) A) Wiederholte unerwartete Panikattacken. (siehe Kriterien für «Panikattacke») B) Bei mind. einer der Attacken folgte mind. ein Monat mind. eins der nachfolgenden Symptome: 2. Anhaltende Besorgnis oder Sorgen über das Auftreten weiterer Panikattacken oder ihrer Konsequenzen (z.B. die Kontrolle zu verlieren, einen Herzinfarkt zu erleiden, «verrückt» zu werden). Eine deutlich fehlangepasste Verhaltensänderung infolge der Attacken (z. B. Verhaltensweisen, um Panikattacken zu vermeiden, wie die Vermeidung körperlicher Betätigung oder unbekannter Situationen). C) Das Störungsbild ist nicht Folge der physiologischen Wirkung einer Substanz oder eines medizinischen Krankheitsfaktors. D) Das Störungsbild kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden. Z.B. Panikattacken nur in Reaktion auf... gefürchtete soziale Situationen (wie bei Sozialer Angststörung) umschriebene phobische Objekte oder Situationen (wie bei Spezifischer Phobie) Zwangsgedanken (wie bei Zwangsstörung) Erinnerungen an traumatische Ereignisse (wie bei Posttraumatischer Belastungsstörung) die Trennung von Bezugspersonen (wie bei Störung mit Trennungsangst) Differenzial‐ diagnostik 1. (APA, 2015) Agoraphobie (DSM‐5) A) Ausgeprägte Furcht oder Angst vor ≥ 2 der folgenden Situationen: Benutzen (öffentlicher) Verkehrsmittel (z.B. Autos, Busse, Züge, Schiffe, Flugzeuge). 2. Auf offenen Plätzen sein (z.B. Parkplätze, Marktplätze, Brücken). 3. In geschlossenen öffentlichen Räumen sein (z.B. Geschäfte, Theater, Kino). 4. Schlange stehen oder in einer Menschenmenge sein. 5. Allein ausser Haus sein. Diese Situationen werden gefürchtet oder vermieden, weil eine Flucht schwierig sein könnte, oder im Falle panikartiger Symptome Hilfe nicht erreichbar sein könnte. Die agoraphobischen Situationen rufen fast immer eine Furcht‐ oder Angstreaktion hervor. Die agoraphobischen Situationen werden aktiv vermieden, nur in Begleitung aufgesucht oder nur unter intensiver Furcht oder Angst durchgestanden. Die Furcht oder Angst ist unverhältnismässig. Die Furcht, Angst oder Vermeidung ist andauernd (≥ 6 Monate)....verursacht Leiden oder Beeinträchtigungen …kann nicht besser durch einen anderen medizinischer Krankheitsfaktor erklärt werden. …kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden. Z.B. steht das Symptommuster nicht nur ausschliesslich im Zusammenhang mit... sozialen Situationen (wie bei Sozialer Angststörung) Zwängen (wie bei Zwangsstörung) Erinnerungen an traumatische Ereignisse (wie bei Posttraumatischer Belastungsstörung) Einer spezifischen Phobie vom situativen Typ (APA, 2015) B) C) D) E) F) G) H) I) Differenzial‐ diagnostik 1. Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Differentialdiagnostik Panikstörung, Agoraphobie > Ausschluss organischer Ursachen > Abgrenzung zu anderen (Angst)Störungen anhand der Panikattacken: Art der Panikattacke: ‐ bei Panikstörung unerwartet ‐ bei anderen Angststörungen situationsgebunden/situationsbegünstigt. Inhalt der Panikattacke: ‐ bei Panikstörung und Agoraphobie: Angst bezogen auf eigene Gesundheit (psychisch, physisch). ‐ bei anderen Angststörungen z.b. bezogen auf Bewertung (soziale Phobie), Kontamination (gewisse Zwangsstörungen) Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Epidemiologie Panikstörung & Agoraphobie Lebenszeitprävalenzen einzelner Symptome: > 9‐13% erleben Panikattacken, davon erleben 2/3 wiederholte Panikattacken. 90% dieser Menschen entwickeln eine psychische Störung 50% dieser Menschen entwickeln eine Panikstörung. Lebenszeitprävalenzen der Störungen: > relativ weit verbreitet Panikstörungen: 2‐5% Agoraphobien: 4% > Geschlechterverhältnis (F:M): Panikstörung: 2:1 Agoraphobie: > 2:1 > Störungsbeginn ‐ meist zwischen 20 ‐ 30 Jahren (Männer: 2. Gipfel später) ‐ Panikstörung vor Pubertät: selten. Wenn vorhanden, deutet es auf erhöhtes Risiko für spätere psychische Erkrankungen hin Hoyer & Knappe, 2020; de Jonge et al., 2016 Verlauf Agoraphobie & Panikstörung > Unbehandelt ungünstige Aussichten & Chronifizierung > Bei einer Panikstörung verschlechtert das gleichzeitige Vorhandensein einer Agoraphobie die Prognose > Behandelt: ‐ 80% der Patient:innen, die mit KVT behandelt werden erreichen stabile und relevante Therapieerfolge. ‐ Trotzdem: Wiedererleben einzelner Paniksymptome häufig Leitfragen > > > > > Welche Störungen lassen sich (mittels DSM‐5) klassifizieren? Wie sind diese Störungen geordnet, charakterisiert und definiert? Welche (differential)diagnostischen Überlegungen sind relevant? Wie verbreitet sind diese Störungen? Wie verlaufen sie typischerweise? Welche Erklärungsmodelle für diese Störungen gibt es? Aetiologische Modelle der Panikstörung: Teufelskreis der Angst > Erklärt v.a. Entstehung eines Panikanfalls. Siehe Hoyer & Knappe, 2020, Abb. 28.4 Psychophysiologisches Modell der Panikstörung > > Bezieht individuelle Voraussetzungen und situative Gegebenheiten mit ein. Bezieht langsame, negative Rückkopplungsprozesse mit ein Abb: Wittchen & Hoyer 2011, Abb. 41.2 Moderne Lerntheorie der Panikstörung Unterscheidung: Angst vs. Panik Antizipatorischer Zustand, der vorbereitende Funktion hat Reaktiver Zustand: Umgang mit einem präsenten traumatischen Ereignis 3 Vulnerabilitätsfaktoren: > unspezifische biologische Vulnerabilität: genetisch vermittelte Trait‐Angst: → Bereitschaft zu «false alarms»↑ > unspezifische psychologische Vulnerabilität: zu wenige Kontrollerfahrungen → Coping mit unerwarteter Panik↓ > spezifische psychosoziale Vulnerabilität: Lernen am Modell: «unerwartete Körpersymptome = gefährlich» → Konditionierbarkeit Körpersymptome ↔ Angst/Panik ↑ → ängstlicher Fokus auf Körper ↑ Hoyer & Knappe, 2020, Bouton, Mineka & Barlow, 2001 Risikofaktoren (I) Agoraphobie & Panikstörung Biologische und genetisch vermittelte Faktoren > Genetisch vermitteltes Risiko ‐ vorhanden, aber nur in Interaktion mit Umweltfaktoren wirksam. > Behavioral Inhibition (Verhaltenshemmung) = vererbte Tendenz in neuen Situationen mit Rückzug und Hemmung zu reagieren. > Angstsensitivität Durch Gen‐Umwelt‐Interaktion ausgebildete Überzeugung, dass Angst(symptome) langanhaltende schädliche Konsequenzen haben. > Noradrenerge & Serotonerge Dysfunktion > Hypervigilantes «Angstnetzwerk» (inkl. zentrale Amygdala, periaquäduktales Grau, Hypothalamus, Thalamus, Hippocampus) Innerhalb der Angst‐ störungen relativ unspezifisch Risikofaktoren (II) Agoraphobie & Panikstörung Kognitive Faktoren > Kognitive Verzerrungen (cognitive biases) ‐ attention bias: Angstrelevante Reize binden Aufmerksamkeit ‐ interpretation bias: bedrohliche Interpretation angstrelevanter Reize ‐ memory bias: angstrelevante Reize werden besonders gut erinnert →möglicherweise durch Modelllernen erworben Biopsychosoziale Faktoren in der Kindheit > Krankheitserfahrung (v.a. in Bezug auf Atemwegserkrankungen diskutiert) > Trennungsangst (unspezifisches Risiko für psychische Erkrankungen)