Summary

This document details the characteristics and diagnostic criteria of panic disorder, along with a case study. It discusses the symptoms of panic attacks and how to differentiate them from a panic disorder. This is a medical text describing psychological disorders.

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## 1.3 beschriebenen (anhaltenden) Panikstörung. ### 1.3. Panikstörung #### 1.3.1. Typische Merkmale der Panikstörung - Das wesentliche Kennzeichen der Panikstörung sind wiederholte Panikattacken, die nicht - wie bei einer Phobie - durch eine bestimmte Situation oder ein spezifisches Objekt ausge...

## 1.3 beschriebenen (anhaltenden) Panikstörung. ### 1.3. Panikstörung #### 1.3.1. Typische Merkmale der Panikstörung - Das wesentliche Kennzeichen der Panikstörung sind wiederholte Panikattacken, die nicht - wie bei einer Phobie - durch eine bestimmte Situation oder ein spezifisches Objekt ausgelöst werden, sondern sich „aus heiterem Himmel“ einstellen. - Die Panik tritt meist anfallsartig (griech.: paroxysmal) auf, daher auch die Bezeichnung „episodisch paroxysmale Angst". Sie ist mit ausgeprägten körperlichen Symptomen verbunden. - Meist entwickelt sich relativ schnell eine Erwartungsangst („Angst vor der Angst") mit daraus resultierendem Vermeidungsverhalten. **Nicht verwechseln** Eine Panikstörung ist nicht dasselbe wie eine Panikattacke - Eine Panikattacke ist ein Symptom und kann z. B. auch im Zusammenhang mit einer Phobie, Depression, Zwangsstörung, Schilddrüsenüberfunktion oder generalisierten Angststörung auftreten. - Eine (anhaltende) Panikstörung hingegen ist eine psychische Erkrankung mit dem Hauptmerkmal „wiederholt auftretende nicht vorhersehbare Panikattacken“! #### 1.3.2. Diagnosekriterien nach ICD-10 A.1. Wiederholte Panikattacken (→ Merke-Kasten), die nicht durch eine spezifische Situation oder ein spezifisches Objekt ausgelöst werden und oft spontan auftreten, d. h., die Panikattacken sind nicht vorhersehbar. - A.2. Die Panikattacken sind nicht verbunden mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen. - B. Mindestens vier der in **Kap. 1.2** aufgeführten Angstsymptome müssen vorliegen, davon eines der vegetativen Symptome 1 bis 4. - C. Ausschlussvorbehalt: Die Panikattacken sind nicht Folge einer körperlichen Störung, einer organischen psychischen Störung oder einer anderen psychischen Störung wie z. B. einer Schizophrenie oder einer depressiven Störung. - D. Um eine Panikstörung zu diagnostizieren, müssen innerhalb von 4 Wochen mindestens vier Panikattacken aufgetreten sein. ### 1.3.3. Fallgeschichte **Panikattacken wie aus heiterem Himmel** Maria G. (23) kommt in die Praxis, weil sie in der letzten Zeit mehrmals einen „Nervenzusammenbruch" mit Herzklopfen, Zittern, Schweißausbrüchen, Übelkeit, Schwindel und einem Gefühl des Weggetretenseins hatte. - Der erste Anfall hatte sich etwa 6 Wochen zuvor während eines Besuchs bei ihrem Vater ereignet. Als sie den Tisch für das gemeinsame Abendessen deckte, sei wie aus heiterem Himmel Angst in ihr hochgekommen und innerhalb weniger Minuten panikartig angestiegen. Sie habe in Todesangst nach Atem gerungen. - „Ich war überzeugt davon: In den nächsten Minuten knalle ich auf den Boden und sterbe", berichtet sie. Ihr Vater habe sofort den Notarzt gerufen, doch da sei die Angst schon abgeebbt gewesen. Der Arzt habe nichts Organisches feststellen können. - Seit damals habe sie sechs weitere Anfälle gehabt, und dies bei ganz verschiedenen Anlässen: einmal morgens beim Aufwachen, ein paar Tage später in der Küche beim Frühstück, dann ohne erkennbaren Anlass bei einem Treffen mit Freundinnen, beim Einkaufen im Supermarkt, im Auto auf dem Weg ins Büro. Vor 2 Tagen schließlich sei sie mitten in der Nacht in Panik hochgeschreckt. Gottseidank sei ihr Freund bei ihr gewesen, habe sie beruhigt und sofort den Notarzt gerufen. Der habe ihr eine Beruhigungsspritze gegeben, aber sonst nichts feststellen können. Auch mehrere Untersuchungen in der Klinik seien ohne Befund geblieben. - „Seitdem ist die Angst mein ständiger Begleiter", ergänzt Maria G. Sie habe ständig Angst vor einem neuen Anfall und gehe deshalb - soweit möglich - nur noch in Begleitung ihres Freundes aus dem Haus. Der habe ihr geraten, sich psychotherapeutische Hilfe zu suchen. - Ergänzend erzählt die Klientin, ihre an Depressionen leidende Mutter habe sich vor 2 ½ Jahren mit Schlafmitteln das Leben genommen. Im Anamnesegespräch finden sich bei der Klientin keine Hinweise auf eine depressive Störung. **Typische Symptome in der Fallgeschichte** - In der Fallgeschichte finden sich weit mehr als vier der in **Kap. 1.2** aufgeführten Angstsymptome: Herzklopfen, Zittern, Schweißausbrüche, Übelkeit, Schwindel, Atembeschwerden, Depersonalisation („Gefühl des Weggetretenseins") und Todesangst (→ B). - Die Panikattacken sind nicht vorhersehbar (→ A.1), sie treten „wie aus heiterem Himmel“ auf: beim Tischdecken, beim Frühstücken, beim Autofahren, im Supermarkt, bei einem Treffen mit Freundinnen, im Schlaf oder morgens beim Aufwachen. - Die Panikattacken sind weder mit besonderer Anstrengung noch mit gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen verbunden (→ A2). - Die Panikattacken sind nicht Folge einer körperlichen Störung oder einer anderen psychischen Störung. Untersuchungen in der Klinik ergeben keinen Befund. Da Panikattacken häufig im Zusammenhang mit einer depressiven Störung auftreten, sollte nach ICD-10 eine depressive Episode ausgeschlossen werden. Dies ist hier geschehen: Trotz einer evtl. vorhandenen genetischen Disposition (die Mutter litt an schweren Depressionen) kann das Vorhandensein einer depressiven Störung ausgeschlossen werden (→ C). - Maria G. hatte innerhalb von 6 Wochen insgesamt sieben Panikattacken. Das Zeitkriterium für eine Panikstörung ist deshalb erfüllt (→ D). - Zusatzkriterium: Erwartungsangst und Vermeidungsverhalten. Maria G. hat ständig Angst vor einem neuen Anfall, weshalb sie sich nicht mehr mit Freunden trifft, nicht mehr mit dem Auto zur Arbeit fährt und das Haus nur noch in Begleitung ihres Freundes verläßt **Diagnose** Panikstörung (F41.0) ### 1.3.4. Wichtig zu wissen **Prävalenz** 3-4 % aller Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Panikstörung. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Störung bricht häufig zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr (Lj.) aus, kann jedoch – insbesondere bei Frauen – auch erst im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt auftreten. **Ätiologie** Die Ursachen von Panikstörungen sind nicht vollständig geklärt. Bei Menschen mit Angststörungen findet sich i. d. R. ein Ungleichgewicht von Botenstoffen, die den Abbau von Angstreaktionen regulieren. Diese Fehljustierung in bestimmten Regelkreisen des Gehirns kann auf eine genetische Disposition zurückgehen, aber auch durch traumatische Erlebnisse - oft in der Kindheit oder auch im späteren Lebensalter - verursacht sein. Auch Substanzen wie Alkohol, Koffein, Nikotin und verschiedene Medikamente können das Auftreten von Panikattacken im Rahmen einer psychischen Erkrankung wie z. B. der Panikstörung begünstigen. **Differenzialdiagnostische Überlegungen** Bevor die Diagnose einer Panikstörung gestellt werden kann, müssen körperliche Ursachen ausgeschlossen werden. Diagnostisch abzugrenzen sind hier vor allem Panikattacken im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Herzens, der Schilddrüse, der Nebennieren oder des zentralen Nervensystems (ZNS). Bei Missbrauch, Überdosierung oder Entzug von Drogen kommt es häufig zu massiven Angstzuständen, die sich bis zu Panikattacken steigern können. Besonders bei jungen Menschen sollte deshalb der Konsum von Drogen (Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Cannabis, LSD, halluzinogene Pilze etc.) hinterfragt werden. Panikattacken treten auch häufig im Zusammenhang mit Phobien auf, bei denen es konkrete Auslöser für die Angstanfälle gibt. Differenzialdiagnostisch sollte deshalb eine phobische Störung (z. B. eine Agoraphobie oder spezifische Phobie) ausgeschlossen werden. Die Diagnose „Panikstörung" sollte überdies „nicht als Hauptdiagnose verwendet werden, wenn der Betroffene bei Beginn der Panikattacken an einer depressiven Störung leidet. Unter diesen Umständen sind die Panikattacken wahrscheinlich sekundäre Folge der Depression“ (ICD-10, F41.0, Einleitung). **Therapie** Bei Panikstörungen steht die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) im Vordergrund der Behandlung. Der Patient lernt in der Therapie, seine Katastrophengedanken (z. B. „Ich sterbe", „Das ist ein Herzinfarkt“) so zu ändern, dass er beim Nahen einer erneuten Panikattacke mit angemesseneren Gedanken reagiert („Es ist ein Angstanfall, das kenne ich schon“). Ein Angsttagebuch kann helfen, den Zusammenhang zwischen Gedanken, Stress oder minimalen äußeren Auslösern zu erkennen. Auch das Einüben von Strategien zur Selbsthilfe bei akuten Angstgefühlen (z. B. Atemzählen, Entspannungstechniken, Gedankenstopp) wird häufig eingesetzt. In manchen Fällen kann es auch hilfreich sein, eine Situation aufzudecken, welche die Panikattacken ausgelöst haben könnte. In unserer Fallgeschichte wäre das der Suizid der Mutter 2 ½ Jahre zuvor, der möglicherweise ursächlich dafür ist, dass die Tochter in Situationen, die sie an die Mutter erinnern (gemeinsames Abendessen mit dem Vater; Frühstück; Aufwachen am Morgen etc) einen Angstanfall erleidet. In schweren Fällen können Medikamente eingesetzt werden. Bewährt haben sich Antidepressiva, die ein Ungleichgewicht im Hirnstoffwechsel ausgleichen und die Angst reduzieren. Manchmal werden auch Benzodiazepine verabreicht, die wegen ihres Abhängigkeitspotenzials allerdings nur kurzzeitig (höchstens 4 Wochen) eingenommen werden sollten.

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