Steuerlehre II BSTE02-02 Studienbrief PDF
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IU Internationale Hochschule
2023
Prof. Dr. Michael Stephani
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This document is a study script for the course "Steuerlehre II" (Taxation II), specifically for BSTE02-02. It covers topics such as corporate taxes, trade taxes, turnover taxes, and international tax law. It provides an overview of different business structures in Germany and their tax implications.
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STUDIENSKRIPT Steuerlehre II BSTE02-02 Studienskript Steuerlehre II BSTE02-02 2 Impressum Impressum Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 B...
STUDIENSKRIPT Steuerlehre II BSTE02-02 Studienskript Steuerlehre II BSTE02-02 2 Impressum Impressum Herausgeber: IU Internationale Hochschule GmbH IU International University of Applied Sciences Juri-Gagarin-Ring 152 D-99084 Erfurt Postanschrift: Albert-Proeller-Straße 15-19 D-86675 Buchdorf [email protected] www.iu.de BSTE02-02 Version Nr.: 002-2023-0405 © 2023 IU Internationale Hochschule GmbH Dieser Lehrbrief ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Dieser Lehrbrief darf in jeglicher Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung der IU Internationale Hochschule GmbH nicht reproduziert und/oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Autoren/Herausgeber haben sich nach bestem Wissen und Gewissen bemüht, die Urheber und Quellen der verwendeten Abbildungen zu bestimmen. Sollte es dennoch zu irrtümlichen Angaben gekommen sein, bitten wir um eine dementsprechende Nachricht. Wissenschaftliche Leitung 3 Wissenschaftliche Leitung Prof. Dr. Michael Stephani Herr Stephani unterrichtet seit 2021 das Fachgebiet Steuerlehre an der IU Internationale Hochschule. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich des nationalen und internationalen Steuerrechts sowie im Krisen- und Sanierungsmanagement. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwer- punkten Wirtschaftsprüfung, Controlling und Steuerrecht an der Uni- versität Trier absolvierte Herr Stephani einen Master of Law an der Universität Osnabrück, Institut für Steuerrecht. Er wurde danach am Institut für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der Universität Leipzig zum Thema Anforderungen an Kapitalschutzsysteme promo- viert. Herr Stephani war einige Jahre bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Falk & Co. GmbH am Standort Osnabrück tätig. Im Anschluss daran arbeitete er als Standortleiter für eine über- regional tätige Steuerberatungsgesellschaft in Münster. Herr Stephani ist außerdem selbstständiger Steuerberater. 4 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Steuerlehre II Wissenschaftliche Leitung.............................................. 3 Einleitung Steuerlehre II 7 Wegweiser durch das Studienskript..................................... 8 Übergeordnete Lernziele............................................... 9 Lektion 1 Rechtsformwahl und Besteuerung 12 1.1 Übersicht Rechtsformen.......................................... 12 1.2 Die Besteuerung des Unternehmensertrags........................ 16 Lektion 2 Steuerliche Gewinnermittlung 26 2.1 Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz............................... 26 2.2 Maßgeblichkeitsprinzip.......................................... 28 2.3 Ansatzvorschriften............................................... 31 2.4 Bewertungsvorschriften.......................................... 35 2.5 Steuern in der GuV und als Rückstellung........................... 39 Lektion 3 Grundlagen der betrieblichen Steuern 44 3.1 Grundlagen der Körperschaftsteuer............................... 44 3.2 Ermittlung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage...... 51 3.3 Grundlagen der Gewerbesteuer................................... 57 3.4 Ermittlung des Gewerbeertrags und der Gewerbesteuer............. 60 Inhaltsverzeichnis 5 Lektion 4 Grundlagen des Internationalen Steuerrechts 70 4.1 Grundlagen des Internationalen Steuerrechts...................... 70 4.2 Uni- und bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteu- erung.......................................................... 73 4.3 Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung................. 76 Lektion 5 Rechtsschutz im Steuerrecht – Änderung und Berichtigung von Steuerbescheiden 84 5.1 Rechtsbehelfsverfahren im Steuerrecht............................ 84 5.2 Änderungen und Berichtigungen von Steuerverwaltungsakten....... 90 Anhang 1 Literaturverzeichnis 98 Anhang 2 Abbildungsverzeichnis 100 Einleitung Steuerlehre II 8 Einleitung Wegweiser durch das Studienskript Herzlich willkommen! Dieses Studienskript bildet die Grundlage Ihres Kurses. Ergänzend zum Studienskript stehen Ihnen weitere Medien aus unserer Online-Bibliothek sowie Videos zur Verfügung, mit deren Hilfe Sie sich Ihren individuellen Lern-Mix zusammenstellen können. Auf diese Weise können Sie sich den Stoff in Ihrem eigenen Tempo aneignen und dabei auf lerntypspezifische Anfor- derungen Rücksicht nehmen. Die Inhalte sind nach didaktischen Kriterien in Lektionen aufgeteilt, wobei jede Lektion aus mehreren Lernzyklen besteht. Jeder Lernzyklus enthält jeweils nur einen neuen inhaltlichen Schwerpunkt. So können Sie neuen Lernstoff schnell und effektiv zu Ihrem bereits vorhande- nen Wissen hinzufügen. In der IU Learn App befinden sich am Ende eines jeden Lernzyklus die Interactive Quizzes. Mithilfe dieser Fragen können Sie eigenständig und ohne jeden Druck überprüfen, ob Sie die neuen Inhalte schon verinnerlicht haben. Sobald Sie eine Lektion komplett bearbeitet haben, können Sie Ihr Wissen auf der Lernplatt- form unter Beweis stellen. Über automatisch auswertbare Fragen erhalten Sie ein direktes Feedback zu Ihren Lernfortschritten. Die Wissenskontrolle gilt als bestanden, wenn Sie min- destens 80 % der Fragen richtig beantwortet haben. Sollte das einmal nicht auf Anhieb klap- pen, können Sie die Tests beliebig oft wiederholen. Wenn Sie die Wissenskontrolle für sämtliche Lektionen gemeistert haben, führen Sie bitte die abschließende Evaluierung des Kurses durch. Die IU Internationale Hochschule ist bestrebt, in ihren Skripten eine gendersensible und inklusive Sprache zu verwenden. Wir möchten jedoch hervorheben, dass auch in den Skrip- ten, in denen das generische Maskulinum verwendet wird, immer Frauen und Männer, Inter- und Trans-Personen gemeint sind sowie auch jene, die sich keinem Geschlecht zuordnen wollen oder können. Einleitung 9 Übergeordnete Lernziele Sie werden im Kurs Steuerlehre II mit der Körperschaftsteuer, der Gewerbesteuer und der Umsatzsteuer vertraut gemacht. Der Rechtsschutz im Steuerrecht und die Grundzüge des Internationalen Steuerrechts run- den diese Lerneinheit ab. Steuern sind ein entscheidendes Kriterium bei der Rechtsformwahl von Unternehmen. Das Steueraufkommen ortsansässiger Unternehmen dient der Sicherung von Arbeitsplätzen und damit dem Wohl des Landes. Deutsche Unternehmensteuern belasten jedoch insbesondere ertragschwache Unternehmen vor allem in Krisenzeiten und mindern ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erheblich. Ziel dieser Lerneinheit ist es, die einzelnen unternehmerischen Rechtsformen und ihre steu- erlichen Konsequenzen kennenzulernen. Sie werden weiterhin mit den steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsvorschriften in Zusammenhang mit dem Maßgeblich- keitsprinzip vertraut gemacht und befähigt, die Auswirkung gesetzgeberischer Maßnahmen auf unternehmerische Entscheidungen zu analysieren. Nach Durcharbeit dieses Kurses wer- den Sie ferner die Grundlagen der Körperschaft- und Gewerbesteuer beherrschen. Lektion 1 Rechtsformwahl und Besteuerung LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … … welche Rechtsformalternativen Firmengründer in Deutschland besitzen. … welche Ertragsteuern Personengesellschaften abführen müssen. … welche Ertragsteuern Kapitalgesellschaften abführen müssen. … welche steuerlichen Unterschiede bei der Besteuerung von Gewinnen zwischen Kapital- und Personengesellschaften bestehen. DL-D-BSTE02-02-L01 12 Lektion 1 1. Rechtsformwahl und Besteuerung Einführung Bei der Gründung eines Unternehmens müssen weitreichende Entscheidungen vonsei- ten des Gründers getroffen werden, welche wiederum weitreichende Auswirkungen auf den langfristen Erfolg des Unternehmens haben können. Eine der wichtigsten Fragen, die sich ein Unternehmer schon im Vorfeld der Unternehmensgründung stellen muss, ist die nach der passenden Rechtsform für das zu gründende Unternehmen. Bei der Rechtsformwahl spielen Gesichtspunkte wie mögliche Haftungsbeschränkungen der Gesellschafter, rechtsformabhängige Rechnungs- und Offenlegungspflichten, mögli- che Finanzierungsmöglichkeiten durch Eigen- oder Fremdkapital und nicht zuletzt die Gewinnverwendungsabsicht der Gesellschafter eine entscheidungsrelevante Rolle. Hin- sichtlich der Gewinnverwendungsabsicht steht die steuerliche Behandlung des Jahres- überschusses im Vordergrund der Betrachtung. Im deutschen Unternehmensteuerrecht richtet sich die Besteuerung der Unternehmen in erster Linie nach der Rechtsform der Organisation. Die Gesellschafter müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Besteue- rung des Unternehmensgewinns auch von der Wahl der jeweiligen Rechtsform abhängt und trotz eines Jahresabschlusses in gleicher Höhe zwischen den einzelnen Rechtsfor- men abweichende Steuerbelastungen auftreten können. Die Grundüberlegung, welche die Unternehmensgründer bei der Rechtsformwahl ihrer Gesellschaft treffen müssen, ist die Entscheidung zwischen einer Einzelunternehmung bzw. Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) einerseits und einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) andererseits. 1.1 Übersicht Rechtsformen Die Rechtsform stellt den gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen für Gesellschaften in Deutschland dar, nach welchem sie am wirtschaftlichen Leben teilnehmen. Es steht Gründern frei, die passende Rechtsform für ihr zu gründendes Unternehmen zu wählen. Es kann allgemein zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsformen unterschieden werden. Unternehmen gehören zu den Rechtsformen des privaten Rechts. Privatrechtliche Rechtsformen lassen sich in Einzelunternehmen bzw. Perso- nen- und Kapitalgesellschaften einteilen. Einzelunternehmen Möchte eine natürliche Person alleine, also ohne Mitgesellschafter tätig werden, kann dies - und dies stellt dann die einfachste Form des wirtschaftlichen Tätigwerdens dar - in Form einer Einzelunternehmung erfolgen. Der Einzelunternehmer haftet mit seinem gesamten Vermögen für sämtliche Schulden seines Unternehmens. Im Hinblick auf die Haftung findet keine Unterscheidung zwischen Privat- und Betriebsvermögen statt - der Lektion 1 13 Rechtsformwahl und Besteuerung Einzelunternehmer haftet daher grundsätzlich mit allen ihm gehörenden Vermögens- werten. Zahlenmäßig stellt die Rechtsform des Einzelunternehmens die bedeutendste Rechtsform in Deutschland dar. Eine Mindestkapitaleinlage des Einzelunternehmers ist - auch aufgrund der Tatsache, dass keine strikte Trennung zwischen der betrieblichen und der privaten Vermögens- sphäre des Einzelunternehmers besteht, nicht erforderlich. Für die Aufnahme der Tätig- keit ist - neben der Tatsache, dass ggf. die Anmeldung einer gewerblichen Tätigkeit bei der zuständigen Kommune zu erfolgen hat und sofern keine Eintragung im Handelsre- gister erforderlich ist, in der Regel an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Eine Vielzahl von Einzelunternehmern (hierunter fallen bspw. auch die Betreiber von Photo- voltaikanlagen auf ihrem privaten Einfamilienhaus, da in der Regel Energie gegen Ent- gelt in das Stromnetz eingespeist wird) übt ihre gewerbliche oder ggf. auch freiberufli- che Tätigkeit im Nebenerwerb aus. Personengesellschaften Der Zusammenschluss von mindestens zwei Personen (natürlichen und/oder juristi- schen) zur Erreichung eines bestimmten Zwecks stellt im rechtlichen Sinne eine Perso- nengesellschaft dar. Die wichtigsten Merkmale einer Personengesellschaft sind: Es ist keine Mindesteinlage vonseiten der Gesellschafter erforderlich, die Gesellschafter haften in den meisten Fällen uneingeschränkt, das heißt, nicht nur mit ihrer Kapitaleinlage, sondern auch mit ihrem gesamten Privatvermögen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, der Gesellschaftsvertrag zwischen den Gesellschaftern muss in der Regel nicht schriftlich erfolgen, und die Personengesellschaft stellt keine juristische Person dar, das heißt, sie verfügt nur über eine eingeschränkte Rechtsfähigkeit. Die Rechtsfähigkeit der Personengesellschaft wird im Steuerrecht unterschiedlich aus- gelegt. So wird bei der Umsatzsteuer und bei der Gewerbesteuer von einer steuerlichen Rechtsfähigkeit ausgegangen, so dass die Gesellschaft selbst Schuldnerin der Umsatz- steuer sowie der Gewerbesteuer ist. Anders ist dies aber bei der Einkommensteuer. Hier besitzt die Personengesellschaft keine eigene steuerliche Rechtsfähigkeit. Die Gesellschaft ist somit selbst nicht Steuersubjekt. Die Steuerpflicht entsteht erst auf der Ebene der Gesellschafter und Gesellschafterinnen der Personengesellschaft. Bei diesen erfolgt innerhalb deren Einkommensteuererklärung eine Besteuerung der anteilig auf sie entfallenden Einkünfte aus der Beteiligung an der Gesellschaft. Handelt es sich beim Gesellschafter um eine Kapitalgesellschaft, muss auf den zugerechneten Anteil dementsprechend Körperschaftsteuer gezahlt werden. Da bei der Einkommensteuer direkt die Gesellschafter besteuert werden und daher keine Trennung zwischen Gesell- schaft und Gesellschafter besteht, spricht man hier auch vom Einheits- oder auch Transparenzprinzp. 14 Lektion 1 Die grundlegendste und einfachste Form der Personengesellschaft ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), bei der es sich um den Zusammenschluss von mindestens zwei Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziel handelt. Die gesetzlichen Grund- lagen zur GbR finden sich in den §§ 705 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Auf dieser Grundform der Personengesellschaft basieren auch die für die Betätigung im Wirtschaftsverkehr wichtigen Personengesellschaftsformen der Offenen Handelsgesell- schaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG). Bei der OHG handelt es sich um eine Personengesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist (§ 105 HGB). Bei der KG handelt es sich um eine Personengesellschaft mit unterschiedlichen Gesell- schaftertypen, wobei zwischen Komplementären als Gesellschafter, die vollumfänglich mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften und den sog. Kommanditisten, deren Haftung auf die Kapitaleinlage beschränkt ist, unterschieden wird. Die gesetzlichen Regelungen zur KG finden sich in den §§ 161 bis 177a HGB. Kapitalgesellschaften Die Kapitalgesellschaft ist eine auf einem schriftlichen Gesellschaftsvertrag beruhende Körperschaft des privaten Rechts, deren Mitglieder einen gemeinsamen, meist wirt- schaftlichen Zweck verfolgen. Sie ist im Gegensatz zu einer Personengesellschaft eine juristische Person, das heißt, sie ist mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet und daher uneingeschränkt rechtsfähig. Kapitalgesellschaften sind durch gesetzlich festge- legte Kapitalaufbringungs- (Mindesteinlage) und Kapitalerhaltungsvorschriften (Aus- schüttungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB) gekennzeichnet. Im Gegensatz zu Personen- gesellschaften ist bei Kapitalgesellschaften die Haftung der Gesellschafter auf ihre Kapitaleinlage beschränkt. Des Weiteren gibt es eine strikte Trennung zwischen Gesell- Trennungsprinzip schafts- und Gesellschafterebene (Trennungsprinzip). Die wichtigsten Formen einer Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft sind die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränk- Gesellschaft erfolgt ter Haftung (GmbH) sowie die UG als Unterform der GmbH. Gelegentlich spricht man unabhängig von der hierbei auch von „Mini-GmbH“. Besteuerung der Gesellschafter. Mischformen Darüber hinaus gibt es noch die sogenannten Mischformen, die aus mehreren Gesell- schaften (Kapital- und Personengesellschaften) zusammengesetzt sind. Dabei tritt eine Kapitalgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin einer Personengesellschaft (zum Beispiel als Komplementärin einer Kommanditgesellschaft) auf. Ziel dieser gesell- schaftsrechtlichen Konstruktion ist es, die unbeschränkte Haftung der Gesellschafter auszuschalten und sie auf die Gesellschaftereinlagen der natürlichen Personen zu beschränken. Zu den Mischformen zählen die GmbH & Co. KG, die AG & Co. KG, die UG & Co. KG und die KGaA & Co. KG. Lektion 1 15 Rechtsformwahl und Besteuerung Übersicht verschiedener Unternehmensformen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften Personengesellschaften Art natürliche Person juristische Person Anzahl der Grün- mindestens zwei Personen mindestens eine Person der (Ausnahme: Einzelunterneh- (Ausnahme KGaA; hier: men) fünf) Gesellschaftsver- formfrei (Ausnahme: bei notariell beurkundet trag Partnerschaftsgesellschaft Schriftform) Geschäftsführung/ grundsätzlich jeder Gesell- Leitung über bestimmte Vertretung schafter (Ausnahme: KG) Organe (Vorstand bei AG, Geschäftsführer bei GmbH und UG) Mindestkapital kein Mindestkapital UG: 1 € GmbH: 25.000 € AG: 50.000 € Haftung persönlich und unbeschränkt beschränkt auf die Kapital- (Ausnahme: Haftungsbe- einlage der Gesellschafter schränkung auf Einlage bei Kommanditisten) Besteuerung Unternehmensgewinne müs- Besteuerung der Gesell- sen von den Gesellschaftern schaft erfolgt unabhängig als Einkommen versteuert von der Besteuerung der werden (Einheits- oder Gesellschafter (Trennungs- Transparenzprinzip). prinzip). 16 Lektion 1 Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften Personengesellschaften Publizitätspflicht Grundsätzlich keine Ver- Pflicht zur Offenlegung bzw. pflichtung zur Offenlegung Hinterlegung bzw. Hinterlegung von Bilanz / Jahresabschluss (aufgrund der beschränkten Haftung sind die Mischfor- men der AG & Co. KG, der GmbH & Co. KG, der UG & Co. KG und der KGaA & Co. KG offenlegungs- bzw. hinterle- gungspflichtig). Eine Publizi- tätspflicht kann ggf. nach dem Publizitätsgesetz für sehr große Einzelunterneh- men und Personengesell- schaften bestehen. Unternehmensfor- Einzelunternehmen Unternehmergesell- men Gesellschaft bürgerlichen schaft (UG) Rechts (GbR) Gesellschaft mit Offene Handelsgesell- beschränkter Haftung schaft (OHG) (GmbH) Kommanditgesellschaft Aktiengesellschaft (AG) (KG) Kommanditgesellschaft Partnergesellschaft auf Aktien (KGaA) (PartG) Stille Gesellschaft 1.2 Die Besteuerung des Unternehmensertrags Grundprinzipien der Unternehmensbesteuerung Für Einzelunternehmen und Personengesellschaften gilt bei der Ertragsbesteuerung das sogenannte Einheitsprinzip (oder auch Transparenzprinzip), das heißt, sie gelten nicht als eigenständiges Besteuerungssubjekt. Es werden zwar Art und Höhe der zu ver- steuernden Einkünfte der Gesellschafter auf Ebene der Personengesellschaft ermittelt und festgesetzt (= gesonderte und einheitliche Feststellung), aber auf Ebene der Gesell- schafter direkt mit der Einkommensteuer besteuert, unabhängig davon, ob und wann die Gewinne der Personengesellschaft entnommen werden. Lektion 1 17 Rechtsformwahl und Besteuerung Bei Kapitalgesellschaften kommt bei der Ertragsbesteuerung das sogenannte Tren- nungsprinzip zur Anwendung. Die Besteuerung der Unternehmensgewinne erfolgt zuerst auf der Ebene der Kapitalgesellschaft. Nach der Ausschüttung der Unterneh- mensgewinne erfolgt die Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne auf Gesellschafter- ebene. Es existieren bei Kapitalgesellschaften somit zwei voneinander getrennte Besteuerungssubjekte, nämlich die Kapitalgesellschaft als juristische Person und der Anteilseigner als natürliche Person. Die Grundprinzipien der Unternehmensbesteuerung im Überblick Einheits- Trennungsprinzip und Transpa- renzprinzip Besteuerungs- nur ein zwei Besteuerungssubjekte: Kapitalgesellschaft subjekt Besteue- und Gesellschafter rungssub- jekt: Einzel- unterunternehmer oder Mitun- ternehmer der Gesell- schaft Besteuerungs- Zeitpunkt Zeitpunkt der Gewinnerzielung (Kapitalgesell- zeitpunkt der Gewin- schaft) nermittlung Zeitpunkt der Ausschüttung (Gesellschafter) Einkunftsarten Einzelun- Kapitalgesellschaft erzielt Einkünfte aus ternehmer/ Gewerbebetrieb (§ 8 Abs. 2 KStG). Mitunter- Gesellschafter bezieht bei Tätigkeit für die nehmer Gesellschaft Einkünfte aus nichtselbständiger bezieht Arbeit (§ 19 EStG) und bei Gewinnausschüt- Einkünfte tungen Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 aus Gewer- EStG). bebetrieb (§ 15 EStG) oder Ein- künfte aus selbständi- ger Arbeit (§ 18 EStG). 18 Lektion 1 Die Besteuerung der Personengesellschaft und ihrer Gesellschafter Einzelunternehmer und Mitunternehmer einer Personengesellschaft beziehen Ein- künfte aus Gewerbebetriebe im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, wenn das Einzelunter- nehmen beziehungsweise die Personengesellschaft eine gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG ausübt. Bei einer Personengesellschaft werden die Gewinne je nach Beteiligungshöhe der Gesellschafter aufgeteilt. Auf die Gewinne hat der Einzelunter- nehmer/Mitunternehmer die Einkommensteuer und ggf. Solidaritätszuschlag zu ent- richten. Einzelunternehmen und Personengesellschaften, die eine gewerbliche Tätigkeit aus- üben, müssen gemäß § 2 Abs. 1 GewStG für ihre gewerbliche Tätigkeit Gewerbesteuer entrichten. Im Gegensatz zur Einkommensteuer fällt die Gewerbesteuer bei Personen- gesellschaften aber auf Gesellschaftsebene an. Hierbei wird Einzelunternehmern und Personengesellschaften gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG ein Freibetrag von 24.500 € bei Ermittlung der Gewerbesteuer eingeräumt. Nach § 35 EStG wird die gezahlte Gewerbesteuer auf die Einkommensteuerschuld eines Einzelunternehmers oder eines Gesellschafters einer Personengesellschaft angerech- net. Die Höhe der Anrechnung beträgt maximal das 4,0-fache des Gewerbesteuermess- betrags des Unternehmens, also des mit der Gewerbesteuermesszahl multiplizierten Gewerbeertrags. Die Anrechnung ist maximal auf die tatsächlich bezahlte Gewerbe- steuer begrenzt. Gesamtsteuerbelastung eines Einzelunternehmers/Mitunternehmers einer Perso- nengesellschaft in Abhängigkeit vom individuellen Einkommensteuersatz Einkommensteuersatz (Darstellung ohne SolZ) 15 % 20 % 30 % 35 % 42 % 45 % Gewinn 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Gewerbesteuer – 14,70 – 14,70 – 14,70 – 14,70 – 14,70 – (Hebesatz 420 %) 14,70 durch Multiplika- tion des Hebe- satzes mit der Gewerbesteuer- messzahl von 3,5 % führt die zu 14,7 % Gewerbe- steuerbelastung Lektion 1 19 Rechtsformwahl und Besteuerung Einkommensteuersatz (Darstellung ohne SolZ) 15 % 20 % 30 % 35 % 42 % 45 % Einkünfte aus 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Gewerbebetrieb Einkommen- – 15,00 – 20,00 – 30,00 – 35,00 – 42,00 – steuer 45,00 Gewerbesteue- 14,00 14,00 14,00 14,00 14,00 14,00 ranrechnung (400% x 3,5% Steuermesszahl = 14 %) Einkommen- – 1,00 – 6,00 – 16,00 – 21,00 – 28,00 – steuer nach 31,00 Anrechnung Gewinn nach 84,30 79,30 69,30 64,30 57,30 54,30 Steuern Gesamtsteuer- – 15,70 – 20,70 – 30,70 – 35,70 – 42,70 – belastung 45,70 Kurze Erläuterung zur Tabelle: Der Gewerbesteuerfreibetrag in Höhe von 24.500 € wurde in diesem Beispiel nicht berücksichtigt. Der Gewerbesteuersatz in Höhe von 14,7 % wird ermittelt aus Hebesatz von 420 % · 3,5 % Steuermesszahl. Die Gewerbesteueranrechnung ergibt sich aus Steuermesszahl von 3,5 % · 4,0 = 14,00 %. Der Solidaritätszuschlag wurde nicht berücksichtigt. Die Gesamtsteuerbelastung ergibt sich aus der Gewerbesteuer zuzüglich Einkom- mensteuer. Nach § 34a EStG besteht für Personengesellschaft die Möglichkeit, im Unternehmen belassene Gewinne mit einem begünstigten Steuersatz von 28,25 % zu besteuern und erst bei der Entnahme dieser Gewinne eine Nachversteuerung durchführen zu müssen, wobei dann bei der späteren Entnahme ein Steuersatz von 25% zur Anwendung gelangt. 20 Lektion 1 Ökonomisch attraktiv ist die Ausübung dieser Thesaurierungsoption daher nur, wenn der persönliche Einkommensteuersatz der Gesellschafter sehr hoch ist und die thesau- rierten Beträge lange im unternehmerischen Bereich verbleiben sollen. Erstmalig seit Wirtschaftsjahr 2022 besteht für Personenhandelsgesellschaften durch die Einfügung von § 1a KStG die Möglichkeit, als Personengesellschaft zur Anwendung des Körperschaftsteuertarifs zu optieren und so von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, wie eine Kapitalgesellschaft besteuert zu werden, obwohl die Gesellschaft zivilrechtlich eine Personengesellschaft bleibt. Bewerkstelligt wird dies dadurch, dass die Option fiktiv wie ein Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesell- schaft behandelt wird. Im Vorfeld an eine solche Optionsausübung sind in der Regel allerdings zahlreiche organisatorische Schritte erforderlich, um steuerliche Nachteile, die durch die Ausübung der Option entstehen können, zu vermeiden. Zu beachten ist hierbei insbesondere, dass durch den Übergang zum Körperschaftsteuerregime Behal- tefristen ausgelöst werden und daher ein Rückgang zur transparenten Besteuerung für Personengesellschaften i.d.R. erst nach einem gewissen Zeitablauf möglich ist, wenn steuerliche Nachteile vermieden werden sollen. In der Praxis haben bislang nur sehr wenige Unternehmen vom Optionsmodell zur Kör- perschaftsteuer Gebrauch gemacht. Die Besteuerung der Kapitalgesellschaft und ihrer Gesellschafter Kapitalgesellschaften unterliegen mit ihren Einkünften aus dem Gewerbetrieb der Kör- perschaftsteuer (zuzüglich 5,5 % Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer). Die Körperschaftsteuer ist die Einkommensteuer der juristischen Personen und beträgt ein- heitlich 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG). Zusätzlich zur Körperschaftsteuer müssen Kapitalgesellschaften gemäß § 2 Abs. 2 GewStG Gewerbesteuer für ihre gewerbliche Tätigkeit entrichten. Kapitalgesellschaften wird bei der Gewerbesteuer kein Freibetrag eingeräumt, und es ist auch keine Anrech- nung der bereits gezahlten Gewerbesteuer auf die zu zahlende Körperschaftsteuer zulässig. Die steuerliche Behandlung von Gewinnausschüttungen auf der Ebene der Anteilseig- ner hängt davon ab, ob die Beteiligungen im Privat- oder Betriebsvermögen gehalten werden. Lektion 1 21 Rechtsformwahl und Besteuerung Steuerliche Behandlungen von Ausschüttungen an Anteilseigner (natürliche Per- son) Betriebsvermögen (Anteile werden im Privatvermögen (Anteile werden im Pri- Betriebsvermögen gehalten) vatvermögen gehalten) Teileinkünfteverfahren gemäß § 3 Regelfall: Abgeltungsteuer § 32d Abs. 1 Nr. 40 EStG: EStG (dazu kommen noch der Solidari- tätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) Dividenden sind zu 40 % steuerfrei. Ausnahmen: Aufwendungen in Bezug auf die Beteiligung sind nur zu 60 % steuer- Beteiligung von mindestens 25 % (§ lich absetzbar (§ 3c Abs. 2 EStG). 32d Abs. 2 Nr. 3a EStG) Beteiligung zwischen 1 und 25 % und Anteilseigner beruflich tätig für die Kapitalgesellschaft (§ 32d Abs. 2 Nr. 3b EStG) → Wahlrecht zwischen Teileinkünftever- fahren oder Abgeltungsteuerverfahren Gesamtsteuerbelastung einer Kapitalgesellschaft (Vollausschüttung) Kapitalgesellschaft Vollausschüttung Thesaurierung Gewinn 100,00 100,00 Steuern auf Ebene der Kapitalgesellschaft Gewerbesteuer (Hebesatz 400 %) – 14,00 – 14,00 Körperschaftsteuer (KSt) – 15,00 – 15,00 Solidaritätszuschlag (5,5 % der KSt) – 0,83 – 0,83 Steuerbelastung Gesellschaftsebene – 29,83 – 29,83 Steuern auf Ebene Gesellschafter (Anteile werden im Privatvermögen gehalten) 22 Lektion 1 Kapitalgesellschaft Vollausschüttung Thesaurierung Bruttodividende 70,17 Abgeltungsteuer 25 % – 17,54 Solidaritätszuschlag (5,5 % der – 0,96 Abgeltungsteuer) Steuerbelastung Gesellschafterebene – 18,50 Gesamtsteuerbelastung – 48,33 – 29,83 Unterschiede bei der Steuerbelastung zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften Unterschiede in der steuerlichen Behandlung zwischen Personen- und Kapitalge- sellschaften Einzelunternehmen und Per- Kapitalgesellschaften sonengesellschaften Ertragsteuer Einkommensteuer Körperschaftsteuer progressiver Tarif (von einheitlicher Steuersatz: 14 % bis 45 %) 15 % Grundfreibetrag kein Grundfreibetrag unter Umständen Option bei Ausschüttung zusätzlich Thesaurierungsbegünsti- Teileinkünfteverfahren oder gung mit Nachversteue- Abgeltungsteuer rung Gewerbe- Steuermesszahl: 3,5 % Steuermesszahl: 3,5 % steuer Freibetrag: 24.500 € kein Freibetrag Anrechnung auf ESt keine Anrechnung auf KSt Lektion 1 23 Rechtsformwahl und Besteuerung Einzelunternehmen und Per- Kapitalgesellschaften sonengesellschaften Verlustver- mit anderen Einkunftsar- keine Verrechnung mit Ver- rechnung ten des Gesellschafters lusten des Gesellschafters möglich Verlustrücktrag und Verlust- Verlustrücktrag und Ver- vortrag lustvortrag Abzugsfähige Unternehmerlohn kann Unternehmerlohn kann als Betriebsaus- nicht als Betriebsausgabe Betriebsausgabe abgesetzt gaben abgesetzt werden. werden. Fazit Eine allgemeingültige Antwort für die steueroptimale Rechtsformwahl gibt es nicht und muss individuell für jede Gesellschaft entschieden werden. Die steueroptimale Rechts- form hängt von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel von der Gewinnverwendungsab- sicht beziehungsweise vom individuellen Steuersatz der Gesellschafter. Es ist aber klar erkennbar, dass mit einem zunehmenden Jahresüberschuss der Gesellschaft die steu- erlichen Belastungen zwischen den unterschiedlichen Rechtsformen sich immer stärker angleichen. Die steuerlichen Vorteile, welche eine Personengesellschaft im Bereich eines niedrigen Gewinns in Form der Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommen- steuer und des Gewerbesteuerfreibetrags hat, werden immer stärker neutralisiert und verlieren am Ende ihre Entscheidungsrelevanz fast vollständig. Zusammenfassung Die Besteuerung im Unternehmensteuerrecht richtet sich vornehmlich nach der Rechtsform des Unternehmens. Dadurch können Abweichungen bei der Besteue- rung von Unternehmen entstehen, sodass bei Gesellschaften unterschiedlicher Rechtsform trotz eines Jahresüberschusses in derselben Höhe erhebliche Abwei- chungen in der Steuerbelastung auftreten können. Es wird unterschieden in Einzel- unternehmen, Personen- und Kapitalgesellschaften. Im Unternehmensteuerrecht herrscht ein sogenannter Dualismus, das heißt, Perso- nengesellschaften und Einzelunternehmen sind einkommensteuerpflichtig, Kapital- gesellschaften körperschaftsteuerpflichtig. Für Einzelunternehmen und Personen- gesellschaften gilt bei der Besteuerung das Einheits- bzw. Transparenzprinzip, somit 24 Lektion 1 ist bei der Einzelunternehmung der Unternehmer als natürliche Person steuer- pflichtig, bei der Personengesellschaft der Gesellschafter (Ausnahme hiervon stellt die Gewerbesteuer dar). Zusammenfassend ist die Entscheidung für eine Rechtsform aus steuerlichen Gesichtspunkten vom Zusammenspiel verschiedenster Faktoren abhängig. Die günstigste Variante ergibt sich unter Einbeziehung aller relevanten Aspekte für das jeweilige Unternehmen individuell. Wissenskontrolle Haben Sie diese Lektion verstanden? Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, das Gelernte auf unserer Lernplattform zu überprüfen. Viel Erfolg! Lektion 2 Steuerliche Gewinnermittlung LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … … was eine Steuerbilanz ist und welchen Zweck sie verfolgt. … welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbilanz existieren. … welche Ansatz- und Bewertungsvorschriften und steuerliche Besonderheiten für Vermögen und Schulden in der Steuerbilanz bestehen. … wie anhand von praktischen Beispielen eine Steuerbilanz aufgestellt wird. DL-D-BSTE02-02-L02 26 Lektion 2 2. Steuerliche Gewinnermittlung Einführung Unternehmen erstellen im Rahmen des Jahresabschlusses ihre Abschlussbilanz zum Ende eines Geschäftsjahres in der Regel in Anlehnung an die Restriktionen des Han- delsgesetzbuchs (HGB) – die sogenannte Handelsbilanz. Die gesetzliche Verpflichtung zur Rechnungslegung nach HGB verfolgt – neben einer Vielzahl von Gründen – den Zweck, den Informationsvorsprung und den Handlungsspielraum des Managements einzugrenzen und damit die Gläubiger des Unternehmens zu schützen. Allerdings verfolgt der Staat den Objektivitätsgedanken und möchte mithilfe der Steu- erbilanz den ertragsteuerlichen Gewinn ermitteln. Als Anforderung für den ertragsteu- erlichen Gewinn hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs im Jahr 1969 verlauten las- sen, dass es „Sinn und Zweck der steuerlichen Gewinnermittlung entspricht, den vollen Gewinn zu erfassen“ (BFH 1969, S. 291). Um diesen „vollen Gewinn“ korrekt zu erfassen, hat der Gesetzgeber – neben den han- delsrechtlichen Geboten – entsprechende Vorschriften erlassen, um diese Ausgangs- größe als Ertragsteuerbemessungsgrundlage zu ermitteln. Innerhalb diesem Rechen- werk existieren zudem steuerliche Wahlrechte, deren optimale Ausnutzung Gegenstand betriebswirtschaftlicher Planungen ist. Doch neben diesen Wahlrechten ergibt sich auch mehrmals der Tatbestand, dass man- che Sachverhalte in der Steuerbilanz verbindlich anders zu bewerten sind als nach den handelsrechtlichen Vorschriften. 2.1 Rechtsgrundlagen der Steuerbilanz Definition und Aufgabe der Steuerbilanz Die Steuerbilanz ist eine den „steuerlichen Vorschriften entsprechende Bilanz“ (§ 60 Abs. 2 S. 2 EStDV). Damit ist sie von der Handelsbilanz abzugrenzen, die gemäß § 238 HGB von jedem Kaufmann aufzustellen ist. Eine Ausnahme von der Buchführungspflicht und der Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses besteht nach § 241a HGB nur für Einzelunternehmen, die sowohl mit den Umsatzerlösen unter 600.000 € als auch mit dem Jahresüberschuss unter 60.000 € liegen. Für Personengesellschaften besteht diese Vereinfachungsregelung nicht. Aufgabe der Handelsbilanz ist die vollständige Erfassung von Vermögensgegenständen und Schulden, um den Gewinnanspruch der Anteilseigner zu bestimmen. Aufgabe der Steuerbilanz, die in der Regel über Nebenrechnungen auf Grundlage der Handelsbilanz ermittelt wird, ist die steuerliche Gewinnermittlung als Ausgangsgröße zur Ermittlung von Bemessungsgrundlagen der Ertragsteuern. Damit kommt die Steuer- bilanz nicht für Überschusseinkunftsarten zur Anwendung, da hier die Einkünfte als Lektion 2 27 Steuerliche Gewinnermittlung Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten definiert sind. Der Anwendungs- Steuerliche Gewin- bereich der Steuerbilanz beschränkt sich deshalb grundsätzlich auf die Gewinnein- nermittlung kunftsarten, da nur hier die Einkünfte als Gewinne definiert sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Diese ist die steuer- rechtliche Ermittlung des Periodenge- Definition des Gewinnbegriffs winns eines Unter- nehmens. Das Einkommensteuerrecht kennt verschiedene Verfahren der Gewinnermittlung: Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG. Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG Nach § 4 Abs. 3 EStG wird der Gewinn als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt. Der Begriff der Einnahmen wird definiert in § 8 Abs. 1 EStG. § 8 EStG (1) Einnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steu- erpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 zufließen. […] Betriebsausgaben werden in § 4 Abs. 4 EStG definiert. § 4 EStG […] (4) Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. […] Laut § 11 EStG ist für die zeitliche Erfassung von Betriebseinnahmen und Betriebsaus- gaben der Zu- beziehungsweise Abflusszeitpunkt wesentlich: Betriebseinnahmen/-aus- gaben sind in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem sie zugeflossen bezie- hungsweise geleistet worden sind. Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben stellen daher grundsätzlich Zahlungsgrößen dar. Aufgrund des Anknüpfens an Zahlungsgrößen spricht man bei der Einnahmen- Überschussrechnung auch von „Kassenprinzip“. 28 Lektion 2 Eine Ausnahme vom Zu- bzw. Abflussprinzip ist dann gegeben, wenn innerhalb kurze Zeit (10 Tage davor bzw. 10 Tage danach) um den Stichtag des Wirtschaftsjahres Zahlun- gen geleistet werden, die regelmäßig wiederkehrend sind und auch innerhalb dieses Zeitraums fällig sind: hier erfolgt dann die Zuordnung zu dem Wirtschaftsjahr, zu dem die Zahlungen wirtschaftlich gehören. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG Nach § 4 Abs. 1 S. 1 EStG ergibt sich der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Entnahmen und Einlagen sind dem Vermögen wieder hinzuzurechnen (Entnahmen) beziehungsweise von diesem abzuziehen (Einla- gen). Das Rechenwerk zur Ermittlung des Betriebsvermögens am Schluss des Wirt- Originäre Steuerbi- schaftsjahres wird auch originäre Steuerbilanz genannt. Die Aufstellung einer originä- lanz ren Steuerbilanz kommt insbesondere dann in Betracht, wenn zwar keine Diese ist eine handelsrechtliche Buchführungspflicht besteht, da keine Kaufmannseigenschaft gege- Methode zur Gewin- ben ist, steuerrechtlich bei Gewerbetreibenden oder Land- und Forstwirten aber die nermittlung nach § 4 Gewinn- bzw. Umsatzgrenzen des § 141 AO (60.000 € Gewinn bzw. 600.000 € Umsatz) Abs. 1 EStG. überschritten worden sind. Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG Der Gewinnbegriff nach § 5 Abs. 1 EStG entspricht im Grundsatz dem Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 1 EStG. Der Unterschied zwischen den beiden Gewinnermittlungsformen liegt darin, dass die Steuerbilanz im Fall einer Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG Derivative Steuerbi- aus der Handelsbilanz abgeleitet wird (derivative Steuerbilanz). Somit sind auf diese lanz derivative Steuerbilanz im Grundsatz die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Diese ist die aus der (GoB) anzuwenden, sofern diesen keine zwingenden steuerlichen Restriktionen entge- Handelsbilanz abge- genstehen (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Hierauf bezieht sich auch die Vorgabe nach § leitete Steuerbilanz 140 AO zur steuerrechtlichen Buchführungspflicht, die unabhängig von Umsatz und zur Ermittlung der Gewinn dann gegeben ist, wenn handelsrechtlich ohnehin bereits Buchführungspflicht ertragsteuerrechtli- besteht. chen Bemessungs- grundlage. Maßgeblichkeits- 2.2 Maßgeblichkeitsprinzip grundsatz Dieser überträgt die Das Maßgeblichkeitsprinzip soll für eine Verknüpfung von Handels- und Steuerbilanz handelsrechtlichen sorgen. Das ursprüngliche Motiv dieser Verknüpfung war die Idee, dem Bilanzierenden Vorschriften zur Auf- die Möglichkeit zu geben, eine Einheitsbilanz, also nur eine einzige Bilanz, die gleichzei- stellung des Jahres- tig die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften berücksichtigt, zu erstellen. Die abschlusses (Han- Maßgeblichkeit entfaltet sich in einer materiellen und einer formellen Dimension. delsbilanz) in den Bereich der Steuer- bilanz. Materielle Maßgeblichkeit Die materielle Maßgeblichkeit ist die in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG kodifizierte Regelung der Geltung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) für die Steuerbilanz. Demnach hat der Steuerpflichtige auch bei der Erstellung der Steuerbilanz den han- delsbilanziellen GoB zu folgen. In diesem Zusammenhang verlangt § 5 Abs. 6 EStG aller- Lektion 2 29 Steuerliche Gewinnermittlung dings, dass steuerliche Spezialnormen, insbesondere hinsichtlich der Bewertung, zu beachten sind und immer dann den handelsrechtlichen Regelungen vorgehen, sofern ein spezielle steuerliche Regelung besteht. § 5 EStG (1) 1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aus- zuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt. […] […] (6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen. […] Somit ergibt sich vereinfacht betrachtet folgende Reichweite der materiellen Maßgeb- lichkeit: Die Frage der Bilanzierung wird regelmäßig durch die handelsrechtlichen GoB beant- wortet, soweit keine verpflichtende steuerliche Norm dem entgegensteht. Die Frage der Bewertung richtet sich primär nach steuerlichen Sondervorschriften, es sei denn, der Gesetzgeber sieht solche steuerlichen Sonderregelungen nicht vor. Dann ist nach den handelsbilanziellen Vorschriften zu bewerten. Hinsichtlich der Bilanzierung gelten laut Bundesfinanzhof demzufolge nachstehende Regelungen: Ein handelsrechtliches Aktivierungsgebot führt zu einem steuerrechtlichen Aktivi- erungsgebot. Ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht führt zu einem steuerrechtlichen Akti- vierungsgebot. Ein handelsrechtliches Aktivierungsverbot führt zu einem steuerrechtlichen Aktivi- erungsverbot. Ein handelsrechtliches Passivierungsgebot führt zu einem steuerrechtlichen Passiv- ierungsgebot. Ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht führt zu einem steuerrechtlichen Passivierungsverbot. Ein handelsrechtliches Passivierungsverbot führt steuerrechtlich zu einem Passivie- rungsverbot. 30 Lektion 2 Die Maßgeblichkeit führt nicht zur Identität von Handels- und Steuerbilanz, da sich das geltende Steuerrecht abweichende Ansatz- und Bewertungsregeln vorbehält und die GoB auch nur insoweit angewendet werden, wie sie dem Zweck der Steuerbilanz die- nen. Formelle Maßgeblichkeit Ursprünglich wurde der Begriff der formellen Maßgeblichkeit dekungsgleich mit der sog. umgehkehrten Maßgeblichkeit verwendet. Hiernach durften steuerrechtlich zuläs- sige Wahlrechte nur ausgeübt werden, soweit in der Handelsbilanz in gleicher Weise verfahren wurde. Mittlerweile ist die umgekehrte Maßgeblichkeit mit Aufhebung des § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. entfallen und steuerliche Wahlrechte können seither unabhängig vom handelsbilanziellen Ansatz ausgeübt werden. Unter der formellen Maßgeblichkeit ist mittlerweile die Maßgeblichkeit der konkret erstellten Handelsbilanz für die Steuer- bilanz zu verstehen. Demnach sind die konkreten handelsbilanziellen Ansätze und Werte in die Steuerbilanz zu übernehmen, soeit dies steuerlich zulässig ist. Darstellung der handelsrechtlichen GoB Über das Maßgeblichkeitsprinzip finden die handelsrechtlichen GoB Eingang in die derivative Steuerbilanz. Die GoB sind teilweise gesetzlich kodifiziert, teilweise von der Rechtsprechung geschaf- fen worden. Für das Thema „Steuerbilanz“ sind die insbesondere nachfolgend ange- führten Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung relevant: Realisationsprinzip: Gewinne sind erst auszuweisen, wenn sie am Markt realisiert wurden (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Imparitätsprinzip: Noch nicht realisierte, aber antizipierte Verluste sind, anders als realisierbare Gewinne, auszuweisen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Anschaffungskostenprinzip: Vermögensgegenstände und Schulden sind höchstens mit ihren historischen beziehungsweise fortgeführten Anschaffungs- oder Herstel- lungskosten zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB). Niederstwertprinzip: Vermögensgegenstände sind bei Wertminderungen (außer-)planmäßig abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 S. 3 und 4 HGB und § 253 Abs. 4 HGB). Analog sind Schulden im Zuge des Höchstwertprinzips bei Erhöhung des Erfül- lungsbetrags mit dem höheren Wert anzusetzen. Grundsatz der Pagatorik: Eine Bewertung hat immer basierend auf zu leistenden oder geleisteten Zahlungen zu beruhen (§ 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB). Die Erfassung von Aufwendungen und Erträgen dient damit ausschließlich der Periodisierung von Zahl- ungen. Lektion 2 31 Steuerliche Gewinnermittlung 2.3 Ansatzvorschriften Steuerliche Besonderheiten beim Ansatz von Aktiva Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut Die Begrifflichkeit des „Vermögensgegenstands“ ist handelsrechtlicher Natur. Steuerlich hingegen findet der Begriff „Wirtschaftsgut“ Anwendung. Beide Begriffe meinen Sachen, Rechte, tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und Vorteile, deren Erlan- gung sich der Kaufmann etwas kosten lässt und die einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Sachliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern Steuerpflichtige Einzelkaufleute besitzen in der Regel Vermögen, welches für rein betriebliche Zwecke bestimmt ist (notwendiges Betriebsvermögen) sowie Vermögen, welches für rein private Zwecke bestimmt ist (notwendiges Privatvermögen) und soge- nanntes gewillkürtes Betriebsvermögen. In der Steuerbilanz ist nur Betriebsvermögen auszuweisen. Die Zuordnung hat entscheidende Konsequenzen: Nur beim Betriebsver- mögen sind Veräußerungsgewinne und -verluste sowie Verluste aus dauernder Wert- minderung des Vermögens steuerwirksam, beim Privatvermögen jedoch grundsätzlich nicht. Nachfolgend die sachliche Zuordnung im Einzelnen: Notwendiges Betriebsvermögen umfasst Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind; Beispiel: der Lkw eines Speditionsunternehmens. Gewillkürtes Betriebsvermögen sind Wirtschaftsgüter, die zwar objektiv dazu geeig- net sind, den Betrieb zu fördern, aber eine weniger intensive Verbindung zum Betrieb aufweisen als notwendiges Betriebsvermögen. Der Steuerpflichtige hat – möchte er eine Zuordnung zum Betriebsvermögen erreichen – die Eignung der Wirt- schaftsgüter zur Förderung des Betriebs im Zweifel nachzuweisen; Beispiel: Wertpa- piere des Speditionsunternehmens. Zum notwendigen Privatvermögen gehören Wirtschaftsgüter und Verbindlichkeiten, die keinen Zusammenhang zum Betrieb aufweisen; Beispiel: das ausschließlich pri- vat genutzte Einfamilienhaus, Möbel im privaten Einfamilienhaus und reguläre (Frei- zeit-)Bekleidung. Werden Wirtschaftsgüter betrieblich und privat genutzt (sogenannte gemischt genutzte Wirtschaftsgüter), hängt die Zuordnung zu den Vermögensbereichen vom Grad der betrieblichen Nutzung ab: 32 Lektion 2 Zuordnung von beweglichen Wirtschaftsgütern Grad der betrieblichen Nutzung Zuordnung > 50 % notwendiges Betriebsvermögen > 10 % und ≤ 50 % gewillkürtes Betriebsvermögen oder Privat- vermögen < 10 % notwendiges Privatvermögen Wirtschaftsgüter, welche weder notwendiges Privatvermögen noch notwendiges Betriebsvermögen sind, können dem gewillkürten Betriebsvermögen dadurch zugeord- net werden, dass der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter in der betrieblichen Buch- führung bilanziell erfasst bzw. im Falle, dass keine Buchführungspflicht besteht, eine Aufnahme in die steuerlichen Aufzeichnungen erfolgt. Ansonsten sind sie Privatvermö- gen. Der Steuerpflichtige hat also diesbezüglich ein Ansatzwahlrecht. Wiederholung Unter aktivierten Eigenleistungen werden die im Unternehmen selbst erstellten Vermögensgegenstände des Anlagevermögens verstanden, die nicht verkauft wer- den, sondern im Unternehmen verbleiben und dort genutzt werden sollen. Die folgende Auflistung zeigt wichtige Unterschiede zwischen Handels- und Steuerbi- lanz bezüglich der Aktivierung von Vermögen: Selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens: Han- delsrechtlich existiert ein Aktivierungswahlrecht (§ 248 Abs. 2 HGB), steuerlich hinge- gen ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). Sämtliche im Zusammenhang mit For- schungs- und Entwicklungsaktivitäten entstandenen Aufwendungen dürfen steuerlich nicht aktiviert werden, sondern müssen unmittelbar als Aufwand ver- bucht werden. Handelsrechtlich kommt hingegen eine Aktivierung der Entwicklungs- kosten in Betracht. Handelt es sich sich um immaterielle Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens besteht im Falle der Selbstherstellung sowohl handels- als auch steuerrechtlich eine Aktivierungspflicht. Beispiel Ein Unternehmen entwickelt ein einzigartiges Produktionsverfahren, das als Patent angemeldet wird und für das während der Entwicklungsphase insgesamt 2.000.000 € Materialaufwendungen sowie 1.000.000 € an Personalaufwand angefallen sind. Nach Fertigstellung des Produktionsverfahrens wird es in Höhe der Herstellungskosten im Sachanlagevermögen aktiviert. Der Buchungssatz lautet im Gesamtkostenverfahren wie folgt: Lektion 2 33 Steuerliche Gewinnermittlung Buchungssatz aktivierte Eigenleistungen Patente 3.000.000 € aktivierte Eigenleis- 3.000.000 € tungen aktivierte Eigenleis- tungen Unter aktivierten Eigenleistungen wer- den die im Unter- nehmen selbst erstellten Vermö- gensgegenstände des Anlagevermö- gens verstanden, die nicht verkauft wer- den, sondern im Unternehmen ver- bleiben und dort genutzt werden sol- len. Die aktivierten Eigenleistungen werden handelsrechtlich als Ertrag erfasst (§ 275 Abs. 2 HGB) und erhöhen demzufolge den Gewinn. Der Gewinn laut Steuerbilanz fällt jedoch um eben diese 3.000.000 € geringer aus, da für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände ein Ansatzverbot besteht. Geschäfts- oder Firmenwert: Im Zuge des BilMoG wurde der derivative (= entgeltlich Geschäfts- oder Fir- erworbener) Geschäfts- oder Firmenwert in den Rang eines zeitlich begrenzt nutzba- menwert ren Vermögensgegenstands erhoben (§ 246 Abs. 1 S. 4 HGB) und ist somit zu aktivie- Dieser bezeichnet ren. Die handelsrechtliche Nutzungsdauer beträgt, wenn sie nicht zuverlässig bei einem Unterneh- geschätzt werden kann, zehn Jahre (§ 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG). menserwerb den Geringwertige Wirtschaftsgüter sind abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter, die Unterschiedsbetrag einer selbstständigen Nutzung fähig sind und deren Anschaffungs- oder Herstel- zwischen Kaufpreis lungskosten ohne Umsatzsteuer 1.000 € nicht übersteigen. Für diese gilt der Grund- und der Summe aus satz der Einzelbewertung. Steuerlich kann von der Einzelaktivierung folgenderma- Vermögen und ßen abgewichen werden: Schulden. ◦ Geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 250 € nicht übersteigen, können sofort aufwandswirksam erfasst werden, wobei Geringwertige Wirt- dieses Wahlrecht für jedes Wirtschaftsgut isoliert ausgeübt werden kann. schaftsgüter ◦ Geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten Dies sind bewegli- mehr als 250 €, aber nicht mehr als 800 € betragen, können unmittelbar im Wirt- che, abnutzbare und schaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung aufwandswirksam erfasst werden selbstständig ver- (§ 6 Abs. 2 S. 1 EStG). wertbare Wirt- ◦ Alternativ können Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten schaftsgüter, deren 250 €, aber nicht 1.000 € übersteigen, in einem Sammelposten aktiviert werden. Wert 1.000 € nicht Dieser Sammelposten ist im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden übersteigt. vier Wirtschaftsjahren gewinnmindernd aufzulösen (§ 6 Abs. 2a S. 2 EStG). 34 Lektion 2 Zu beachten ist, dass das Wahlrecht zur Bildung eines Sammelpostens nach § 6 Abs. 2a S. 5 EStG einheitlich für alle Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr anzu- wenden ist (wirtschaftsjahrbezogenes Wahlrecht). Bezüglich der handelsrechtlichen Handhabe sieht die Literatur eine Sofortabschreibung der geringwertigen Wirt- schaftsgüter bis zu einem Wert von 1.000 € als GoB-konform an. Strittig ist aller- dings, ob und inwieweit die Sammelpostenaktivierung handelsrechtlich zulässig ist. Disagio Ein Disagio, welches der Kaufmann bei einer Darlehensaufnahme in Anspruch Dies ist ein Abschlag nimmt, kann handelsrechtlich als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten aktiviert des Nennwerts, der werden und ist über die Laufzeit der Verbindlichkeit abzuschreiben (§ 250 Abs. 3 z. B. bei der Gewäh- HGB). Steuerlich besteht hingegen eine Aktivierungspflicht. rung eines Kredits einbehalten wird. Das Disagio wird als Steuerliche Besonderheiten beim Ansatz von Passiva Zinsvorauszahlung angesehen. Durchbrechungen der Maßgeblichkeit beim Ansatz von Verbindlichkeiten und Rückstellungen Nach § 5 Abs. 2a EStG sind Verbindlichkeiten, die nur zu erfüllen sind, wenn künftige Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst dann anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. Sind die Einnahmen und Gewinne angefallen und damit die Verpflichtung dem Grunde nach sicher, ist bei ungewisser Höhe der Verpflichtung eine Rückstellung, bei gewisser Höhe eine Verbindlichkeit zu passivieren. Handelsrechtlich hingegen ist schon dann eine Rückstellung zu passivieren, wenn und soweit die Inan- spruchnahme hinsichtlich der Verpflichtung überwiegend wahrscheinlich ist. Sind Inan- spruchnahme und Höhe sicher, ist eine Verbindlichkeit zu passivieren. Ein wichtiger Drohverlustrückstel- Unterschied zwischen Handels- und Steuerbilanz ist, dass Drohverlustrückstellungen lungen nach § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden dürfen. Gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB Diese erfassen am besteht hingegen eine Passivierungspflicht. Bilanzstichtag einge- tretene Vermögens- Beispiel minderungen aus Die A-GmbH hat mit der Z-GmbH einen Kaufvertrag über Waren in Höhe von 20.000 € bereits abgeschlos- abgeschlossen. Am Abschlussstichtag stellt sich heraus, dass die Waren überhaupt senen Verträgen, nicht marktfähig sind und nicht mit einem Verkauf gerechnet werden kann. deren Geschäfte aber noch nicht Der Buchungssatz lautet: abgewickelt wurden. Buchungssatz Drohverlustrückstellung Aufwendungen für 20.000 € Drohverlustrückstellung 20.000 € Rückstellungen Das handelsrechtliche Ergebnis wird durch diesen Aufwand um 20.000 € gemindert. Das steuerliche Ergebnis ist demzufolge um 20.000 € höher, da die Drohverlustrückstellung dort nicht berücksichtigt wird. Lektion 2 35 Steuerliche Gewinnermittlung 2.4 Bewertungsvorschriften Zugangsbewertung von Aktiva Anschaffungs- und Herstellungskosten Der Begriff der Anschaffungskosten ist steuerlich nicht definiert. Aufgrund des Maßge- Anschaffungskosten blichkeitsgrundsatzes greift daher die Definition des § 255 Abs. 1 HGB. Der handels- Bei diesen handelt rechtliche Umfang der aktivierungspflichtigen Bestandteile der Herstellungskosten ist es sich um angefal- in § 255 Abs. 2 HGB bestimmt. Steuerlich wird der handelsrechtliche Herstellungskos- lene Kosten für den tenbegriff in Ermangelung einer eigenständigen Definition über den § 5 Abs. 1 EStG Erwerb eines Vermö- übernommen. § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG regelt, dass die handelsrechtliche Definition und gensgegenstands. der Umfang der Herstellungskosten auch für das Steuerrecht gelten. Herstellungskosten Aufgrund dessen werden handelsbilanzielle Aktivierungswahlrechte zu steuerlichen Dies sind angefal- Aktivierungspflichten, wenn und soweit sie einen Herstellungsbezug aufweisen. Steuer- lene Kosten für die rechtlich spielt bei der Folgebewertung der sogenannte Teilwert eine besondere Rolle: Herstellung/Produk- tion eines Vermö- Teilwert gensgegenstands. Der Teilwert ist ein rein steuerlicher Begriff und „der Betrag, den ein Erwerber des gan- zen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut anset- Teilwert zen würde“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Dieser ist der Betrag, den ein Erwerber Da es bei der Ermittlung des Teilwerts zu Unklarheiten kommen kann, gibt es folgende des ganzen Betriebs Teilwertvermutungen, die allerdings entsprechend widerlegt werden können, wenn (Unternehmens) im Anhaltspunkte dafür bestehen: Rahmen des Gesamtkaufpreises Der Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung und an einem kurz darauffolgenden für das einzelne Bewertungsstichtag entspricht den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungs- Wirtschaftsgut kosten. ansetzen würde. Bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entspricht der Teil- wert auch für die späteren Bewertungsstichtage den Anschaffungs- oder Herstel- lungskosten. Bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens entspricht der Teilwert den unter Anwendung der linearen AfA (Absetzung für Abnutzung) ermittelten fort- geführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens entspricht der Teilwert den Wiederbe- schaffungskosten. 36 Lektion 2 Folgebewertung von Aktiva Steuerliche Besonderheiten bei der planmäßigen AfA von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Aufgrund zahlreicher steuerlicher Sonderregelungen hinsichtlich der Nutzungsdauer und der zulässigen Abschreibungsverfahren sowie aufgrund von Unterschieden in der Zugangsbewertung können sich folgende Durchbrechungen der Maßgeblichkeit erge- ben: Bemessungsgrund- Die Bemessungsgrundlage der steuerlichen AfA sind in der Regel die Anschaffungs- lage oder Herstellungskosten. Da sich bezüglich dieser Bewertungsmaßstäbe handels- Diese ist eine mone- und steuerrechtliche Unterschiede ergeben können, unterscheidet sich gegebenen- täre Größe, die für falls auch die Bemessungsgrundlage der steuerlichen AfA von der der die Berechnung handelsrechtlichen Abschreibungen. einer Steuer dient. Die Nutzungsdauer der steuerlichen AfA ist in sogenannten AfA-Tabellen normiert. Diese bilden einen Maßstab für die Finanzverwaltung. Eine Abweichung von den Nutzungsdauer dort festgelegten Nutzungsdauern seitens des Steuerpflichtigen bedarf einer beson- Diese ist der Zeit- deren Begründung. Handelsrechtlich ist hingegen die (betriebsindividuelle) wirt- raum für die betrieb- schaftliche Nutzungsdauer relevant. Daher können die in den AfA-Tabellen normier- liche Nutzung eines ten Nutzungsdauern nicht generell für handelsrechtliche Belange herangezogen Wirtschaftsguts. werden. Weiterhin existieren Sonderregelungen für den Geschäfts- oder Firmenwert (GoF), für Gebäude und für GWG: Der Geschäfts- oder Firmenwert ist steuerlich linear über eine Nutzungsdauer von 15 Jahren abzuschreiben (§ 7 Abs. 1 S. 3 EStG). Handelsrechtlich ist der Zeitraum über den ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert abgeschrieben wird individuell zu erläutern (§ 285 Nr. 13 HGB). Sofern die voraussichtliche Nutzungs- dauer nicht verlässlich geschätzt werden kann, sind die planmäßigen Abschreibun- gen in Ausnahmefällen über zehn Jahre vorzunehmen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB). Beispiel Ein Unternehmen aktiviert in seiner Handelsbilanz zum 01.01. des Geschäftsjahres einen GoF von 300.000 €. Am Ende des Geschäftsjahres, am 31.12., erfolgt eine han- delsrechtliche Abschreibung (= Gewinnminderung) in Höhe von 30.000 €. Die steuer- liche Abschreibung beträgt jedoch nur 20.000 €, was dazu führt, dass der steuerliche Gewinn um 10.000 € höher ausfällt als der handelsrechtliche Gewinn. Wirtschaftsgebäude, die zum Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen, werden linear über eine Abschreibungsdauer von 33⅓ Jahren (was einem Abschreibungssatz von 3 % entspricht) abgeschrieben, sofern der Bauantrag nach dem 31.03.1985 gestellt worden ist (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG). Bei Wohngebäuden oder Wirtschaftsgebäuden, deren Bauantrag vor dem 31.03.1985 gestellt wurde, beträgt die Abschreibungsdauer der linearen AfA bei Fertigstellung nach dem 31.12.2022 33⅓ Jahre (Abschreibungssatz 3 %) (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG) Lektion 2 37 Steuerliche Gewinnermittlung ◦ bei Fertigstellung nach dem 31.12.1924 50 Jahre (Abschreibungssatz 2 %) (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2b EStG) und ◦ bei Fertigstellung vor dem 01.01.1925 40 Jahre (Abschreibungssatz 2,5 %) (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG). Steuerliche Besonderheiten bei der außerplanmäßigen Abschreibung von Aktiva Handels- und steuerrechtliche Unterschiede bei der außerplanmäßigen Abschreibung von Aktiva können sich hinsichtlich des Wertansatzes ergeben: Handelsrechtlich ist bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB), bei Vermö- gensgegenständen des Umlaufvermögens auf den Börsen- oder Marktpreis oder, wenn dieser nicht festgestellt werden kann, auf den niedrigeren beizulegenden Wert (§ 253 Abs. 4 HGB). Steuerlich hingegen ist im Falle einer außerplanmäßigen Abschreibung grundsätz- lich auf den niedrigeren Teilwert abzuschreiben (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG in Verbin- dung mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG). Bei der Dauerhaftigkeit der Wertminderung ergeben sich folgende Unterschiede: Handelsrechtlich ist beim Anlagevermögen grundsätzlich eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei dauerhafter Wertminderung vorgesehen (§ 253 Abs. 3 S. 5 HGB). Bei Finanzanlagen besteht diese Möglichkeit auch bei einer nur vorübergehenden Wertminderung (§ 253 Abs. 3 S. 6 HGB). Steuerlich ist eine Abschreibung bei nur vorübergehender Wertminderung nicht zulässig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens ist handelsrechtlich unabhän- gig von der Dauer der Wertminderung eine außerplanmäßige Abschreibung vorzu- nehmen (§ 253 Abs. 4 S. 1 HGB). Steuerlich hingegen bedarf es einer dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG). Beispiel Ein Unternehmen hat in seinem Umlaufvermögen einen Devisenbestand von 100.000 €. Durch kurzfristige Kursschwankungen der Fremdwährungen sinkt der Wert des Devisenbestands auf 95.000 €. Für das handelsrechtliche Ergebnis ist eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von 5.000 € vorzunehmen, während die Abschreibung für die Steuerbilanz unzulässig ist, das heißt, der steuerliche Gewinn fällt somit um 5.000 € höher aus. Bewertung von Passiva Steuerliche Besonderheiten bei der Zugangsbewertung von Verbindlichkeiten und Rückstellungen Verbindlichkeiten sind beim Zugang handels- und steuerrechtlich mit dem Erfüllungs- betrag zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Ein gravierender Unterschied ergibt sich aus einer etwaigen Abzinsungsverpflichtung: 38 Lektion 2 Steuerlich sind unverzinsliche Verbindlichkeiten, die nicht auf einer Anzahlung oder Vorleistung beruhen und die eine Laufzeit von mindestens einem Jahr haben, mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.). Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2022 beginnen, entfällt die Abzinsungsverpflichtung. Außerdem ist auf Antrag des Steuerpflichtigen jedoch bereits in früheren Wirtschaftsjahren auf eine Abzinsung von Verbindlichkeiten zu verzichten. Handelsrechtlich existiert eine derartige Verpflichtung nicht. Der handelsrechtliche Bewertungsmaßstab für Rückstellungen ist der Erfüllungsbe- trag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Dieser wird steuerlich durch das Maßgeblichkeitsprinzip übernommen. Durchbrechungen der Maßgeblichkeit ergeben sich durch die divergierenden Abzin- sungsverpflichtungen: Rückstellungen für Verpflichtungen mit einer Laufzeit von über einem Jahr bezie- hungsweise solche, die unverzinslich sind, sind steuerlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e EStG mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Handelsrechtlich sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr mit einem Zinssatz abzu- zinsen, der von der Deutschen Bundesbank monatlich bekannt gegeben wird (§ 253 Abs. 2 S. 1 und S. 4 HGB). Beide Abzinsungsfaktoren werden nur in seltenen Fällen übereinstimmen. Beispiel Die XYZ-GmbH führt einen Rechtsstreit gegen einen Wettbewerber. Mit einem Gerichtsurteil ist in drei Jahren zu rechnen. Die XYZ-GmbH prognostiziert, dass der Prozess für die Gesellschaft etwa 50.000 € kosten wird. Der Marktzins der Deutschen Bundesbank beträgt 4 %. Ansatz der Rückstellung in der Handelsbilanz: 50.000 € = 44.450 € 1, 043 Ansatz der Rückstellung in der Steuerbilanz: 50.000 € = 42.580 € 1, 0553 Pensionsrückstellungen sind steuerlich gemäß § 6a Abs. 3 S. 3 EStG mit 6 % abzuzin- sen. Handelsrechtlich hingegen gelten die Regelungen betreffend die Rückstellun- gen für Verpflichtungen mit einer Laufzeit von über einem Jahr. Des Weiteren sind bei der handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen künf- tige Preis- und Kostenänderungen zu berücksichtigen. Steuerlich dürfen künftige Preis- und Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buch- stabe f EStG). Lektion 2 39 Steuerliche Gewinnermittlung Steuerliche Besonderheiten bei der Folgebewertung von Verbindlichkeiten Verbindlichkeiten sind steuerlich im Zuge der Folgebewertung aufgrund des Höchst- wertprinzips zum höheren Teilwert, der dem handelsrechtlich relevanten höheren Erfül- lungsbetrag entspricht, zu bewerten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Handelsrechtlich besteht ebenfalls im Zuge des strengen Höchstwertprinzips eine Zuschreibungsverpflichtung. Durchbrechungen der Maßgeblichkeit ergeben sich unter Umständen aufgrund der geforderten Dauer der Wertminderung: § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG verlangt, dass der höhere Teilwert nur dann anzusetzen ist, wenn der Erfüllungsbetrag voraussichtlich dauerhaft gestiegen ist. Handelsrechtlich hingegen ist auch bei einer vorübergehenden Wertminderung zuzuschreiben. 2.5 Steuern in der GuV und als Rückstellung Voraussetzung für die Erfassung von Steuern Steuern finden wie andere Aufwandspositionen einen grundsätzlichen Eingang in die GuV. Handelsrechtlich gilt, dass alle betrieblich bedingten Auszahlungen irgendwann Aufwand darstellen. Im Falle der Steuern müssen zwei Voraussetzungen für deren Erfas- sung erfüllt sein: Der Bilanzierende muss grundsätzlich Steuerschuldner – genauer: Schuldner einer betrieblichen Steuer – sein (notwendige Bedingung). Die Steuer muss unmittelbar als Aufwand zu erfassen sein (hinreichende Bedin- gung). Aufwandswirksam wird in diesem Zusammenhang eine Steuer dann, wenn sie Eingang in die Gewinn- und Verlustrechnung findet. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag Unter dem GuV-Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 14 HGB und § 275 Abs. 3 Nr. 13 HGB) ist grundsätzlich der erfolgsabhängige Steueraufwand auszuweisen, der im Geschäftsjahr vom Unternehmen als Steuerschuldner verursacht worden ist. Zu den unter diesem Bilanzposten zu erfassenden Steuern gehören: Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, ausländische Steuern. 40 Lektion 2 Sonstige Steuern Diese Steuern belasten zwar eventuell den Unternehmenserfolg, sind in ihrer Bemes- sung allerdings nicht erfolgsabhängig. Hierzu können die Verkehr- und Verbrauchsteu- ern sowie die Grundsteuer gehören. Steuerrückstellungen Gemäß dem Vollständigkeitsgebot (§ 246 Abs. 1 HGB) müssen alle Verpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis, die bis zum Abschlussstichtag rechtlich entstanden oder begründet sind, im handelsrechtlichen Jahresabschluss passiviert werden. Steuerrückstellungen als Verbindlichkeitsrückstellungen im Sinne des § 249 Abs. 1 HGB werden für alle Steuern und Abgaben gebildet, die dem abgelaufenen Geschäftsjahr zuzurechnen sind, deren Höhe aber noch nicht durch einen Steuerbescheid festgesetzt ist oder durch eine Steueranmeldung als festgesetzt gilt. Steuerrückstellungen sind wie die übrigen Verbindlichkeitsrückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist, zu bewerten (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Der Erfüllungsbetrag entspricht der voraussichtlichen Steuerschuld. Sind Vorauszahlungen geleistet worden, werden diese, soweit sie bis zum Bilanzstichtag gezahlt worden sind, in Abzug gebracht. Beispiel (Körperschaftsteuer) Die Grau GmbH hat bis zum Bilanzstichtag, dem 31.12., Körperschaftsteuervorauszahlun- gen in Höhe von 60.000 € geleistet. Im Frühjahr des Folgejahres errechnet der Steuer- berater der Grau GmbH ein zu versteuerndes Einkommen (Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer) in Höhe von 520.000 €. Die voraussichtliche Steuerschuld beträgt (gemäß § 23 Abs. 1 KStG) 78.000 € (= 520.000 € · 15 %). Hiervon sind die geleisteten Vorauszahlungen abzuziehen. Die Rückstellung ist mit 18.000 € (78.000 € – 60.000 €) zu bewerten. Der Buchungssatz lautet: Buchungssatz Körperschaftsteuerrückstellung Körperschaftsteuerauf- 18.000 € Körperschaftsteuerrück- 18.000 € wand stellung Steuerrückstellungen sind gemäß § 266 Abs. 3 S. 2 HGB unter den Rückstellungen gesondert auszuweisen. Ist die Steuer festgesetzt worden, ist statt einer Rückstellung eine Verbindlichkeit zu buchen beziehungsweise eine Umgliederung einer bereits bilanzierten Rückstellung in die Verbindlichkeiten vorzunehmen. Steuerverbindlichkei- ten werden unter den sonstigen Verbindlichkeiten ausgewiesen und mit einem Davon- Vermerk spezifiziert. Lektion 2 41 Steuerliche Gewinnermittlung Die Steuerfestsetzung beträgt nur 76.000 €, von denen 60.000 € vorausgezahlt wurden. Folglich muss eine Verbindlichkeit in Höhe von 16.000 € erfasst werden. Der Differenz- betrag in Höhe von 2.000 € ist gewinnerhöhend aufzulösen. Der Buchungssatz lautet: Buchung Steuerfestsetzung Körperschaftsteuerrück- 18.000 € sonstige Verbindlichkeiten 16.000 € stellung Körperschaftsteuerauf- 2.000 € wand Steuererstattungs- beziehungsweise -vergütungsansprüche dürfen nicht mit Steuer- rückstellungen verrechnet werden (§ 246 Abs. 2 S. 1 HGB in Verbindung mit § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Zusammenfassung Aufgabe der Steuerbilanz ist die steuerliche Gewinnermittlung als Ausgangsgröße zur Ermittlung von Bemessungsgrundlagen der Ertragsteuern. Das Einkommensteuerrecht kennt verschiedene Verfahren der Gewinnermittlung: das Verfahren der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG, die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG und die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 EStG. Man unterscheidet zwischen einer derivativen Buchführungspflicht und einer origi- nären Buchführungspflicht. Mithilfe des sogenannten Maßgeblichkeitsprinzips soll eine Verknüpfung zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz erstellt werden. Die materielle Maßgeblichkeit meint die Geltung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) für die Steuerbilanz. Die formelle Maßgeblichkeit hingegen meint die Maßgeblichkeit der konkret erstellten Handelsbilanz für die Steuerbilanz. Die umgekehrte Maßgeblich- keit wurde im Rahmen des BilMoG abgeschafft. Die für die Erstellung der Steuerbilanz relevantesten GoB sind das Realisationsprin- zip, das Imparitätsprinzip, das Anschaffungskostenprinzip, das Niederwertprinzip und der Grundsatz der Pagatorik. Das Vermögen von steuerpflichtigen Kaufleuten lässt sich unterteilen in notwendi- ges Betriebsvermögen, notwendiges Privatvermögen und gewillkürtes Betriebsver- mögen. Werden Wirtschaftsgüter sowohl betrieblich als auch privat genutzt, ist die Zuordnung bei beweglichen Wirtschaftsgütern vom Grad der Nutzung abhängig. 42 Lektion 2 Steuerlich wird der handelsrechtliche Begriff der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) über den § 5 Abs. 1 EStG übernommen und über § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG konkre- tisiert. Es sind steuerlich die „vollen“ Herstellungskosten anzusetzen. Aufgrund des- sen werden handelsbilanzielle Aktivierungswahlrechte zu steuerlichen Aktivierungs- pflichten, wenn und soweit sie einen Herstellungsbezug aufweisen. Der Teilwert ist ein rein steuerlicher Begriff und „der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde“ (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Damit Steuern als Aufwand einen Eingang in die GuV finden, müssen zwei Voraus- setzungen erfüllt sein: Der Bilanzierende muss grundsätzlich Steuerschuldner sein (notwendige Bedin- gung). Die Steuer muss unmittelbar als Aufwand zu erfassen sein (hinreichende Bedin- gung). Unter dem GuV-Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ ist grundsätzlich der erfolgsabhängige Steueraufwand auszuweisen, der im Geschäftsjahr vom Unter- nehmen als Steuerschuldner verursacht worden ist. Zu den unter diesem Bilanz- posten zu erfassenden Steuern gehören: Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und ausländische Steuern. Zum Posten „sonstige Steuern“ gehören die Verkehr- und Verbrauchsteuern wie Tabaksteuer oder Biersteuer sowie die Grundsteuer. Wissenskontrolle Haben Sie diese Lektion verstanden? Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, das Gelernte auf unserer Lernplattform zu überprüfen. Viel Erfolg! Lektion 3 Grundlagen der betrieblichen Steuern LERNZIELE Nach der Bearbeitung dieser Lektion werden Sie wissen, … … welchen Stellenwert die Körperschaftsteuer in unserem Wirtschaftsleben hat. … was der Gewerbesteuer unterliegt. … wer zur Gruppe der Steuerpflichtigen zählt. … wie die betrieblichen Steuern berechnet werden. … welche gesetzlichen Vorschriften zu beachten sind. DL-D-BSTE02-02-L03 44 Lektion 3 3. Grundlagen der betrieblichen Steuern Einführung Die Körperschaftsteuer ist eine besondere Art der Einkommensteuer für juristische Per- sonen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nur Steuersubjekt, soweit sie sich privatwirtschaftlich betätigen. Seit der Unternehmensteuerreform 2008 beträgt der Körperschaftsteuersatz 15 %. Ein- nahmen aus Dividenden und aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen , die in das Betriebsvermögen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften flie- ßen, unterliegen bei der Einkommensteuer dem sog. Teileinkünfteverfahren. Dieses unterwirft die Einnahmen zu 60 % der persönlichen Einkommensteuer und berücksich- tigt die mit diesen Einnahmen im Zusammenhang stehenden steuermindernden Aus- gaben ebenfalls zu 60 %. Das bundesweite Aufkommen der Körperschaftsteuer ist eher gering und im Vergleich zum Einkommen aus der Einkommensteuer oder der Umsatzsteuer, was an der im Ver- gleich zu Einzelunternehmern und Personengesellschaften deutlich niedrigeren Anzahl an Unternehmen liegt. Allerdings sind die allermeisten Großunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft organisiert und unterliegen daher der Körperschaft- steuer. Die Gewerbesteuer stellt im Bereich des Steuerrechts eine Besonderheit dar, weil sie eine kommunale Steuer ist. Da die Kommunen den für die Ermittlung der Gewerbe- steuer maßgeblichen sogenannten Hebesatz selbst bestimmen können, differiert die Gewerbesteuer von Gemeinde zu Gemeinde zum Teil erheblich, was für Unternehmen ein nicht unwesentliches Kriterium bei der Wahl des richtigen Standorts ist. Besteuert wird der Gewerbebetrieb nach seiner Ertragskraft, um einen Ausgleich für Belastungen zu schaffen, die den Gemeinden beispielsweise in Form von Erschlie- ßungskosten für Gewerbegebiete und einem infrastrukturellem Ausbau entstehen. Grundsätzlich unterliegen alle Gewerbetreibenden unabhängig von der gewählten Rechtsform der Gewerbesteuer. Nicht der Gewerbesteuer unterliegen hingegen Unter- nehmen der Land- und Forstwirtschaft, die nur in Ausnahmefällen gewerbesteuer- pflichtig sind, und Freiberuflern, die generell keiner Gewerbesteuerpflicht unterliegen. 3.1 Grundlagen der Körperschaftsteuer Merke Die Körperschaftsteuer ist eine besondere Art der Einkommensteuer für juristische Personen. Lektion 3 45 Grundlagen der betrieblichen Steuern Kriterien der Körperschaftsteuer Die Körperschaftsteuer ist eine: Körperschaftsteuer Diese ist eine direkte Gemeinschaftsteuer, Besitz-/Personen- direkte Steuer, steuer, die zu den Besitz-/Personensteuer, Ertragsteuern zählt Ertragsteuer, und die Bund und regelmäßig erhobene Veranlagungsteuer, Ländern gemeinsam Steuer mit vergleichsweise mäßigem Aufkommen. zusteht. Sie ist eine regelmäßig erho- Gemeinschaftsteuer bene Veranlagung- Die Körperschaftsteuer steht wie die Einkommen- und Umsatzsteuer Bund und Ländern steuer mit mäßigem gemeinsam zu. Ein Teil des Ertrags aus Einkommensteuer und Umsatzsteuer (anders als Steueraufkomm