Kognitive Theorien Vorlesung VII PDF

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Charlotte Fresenius Hochschule

Marie Hengstenberg

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kognitive Entwicklung Entwicklungspsychologie kognitives Lernen Psychologie

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Diese Vorlesungsnotizen behandeln die kognitive Entwicklung nach Jean Piaget und beinhalten Informationen zu verschiedenen Aspekten kognitiver Themen wie kognitive Funktionen und den Konstruktivismus.

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VORLESUNG ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Vorlesung VII - Kognitive Entwicklung 1 AKTUELLES  Aufgrund von anhaltenden technischen Schwierigkeiten mit der Email-Adresse der Hochschule bitte ich Sie, bei Kontaktaufnahme bitte vorläufig ausschließlich meine p...

VORLESUNG ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE Vorlesung VII - Kognitive Entwicklung 1 AKTUELLES  Aufgrund von anhaltenden technischen Schwierigkeiten mit der Email-Adresse der Hochschule bitte ich Sie, bei Kontaktaufnahme bitte vorläufig ausschließlich meine private Email-Adresse ([email protected]) zu nutzen  Vorlesung morgen: 8a OG1 / Hörsaal  Seminare am Donnerstag: 4c EG1 / SR1  Thema: Suchtmittelabhängigkeit im Jugendalter https://www.bra.nrw.de/system/files/styles/slider_main_16_9_1280/private/2022-07/adobestock_279776670.jpeg? h=76dc5dac&itok=zf0pevjw 2 Motorische Entwicklung Kognitive Entwicklung Gehirnentwicklung t o n An Bindung Emotionale Entwicklung HTTPS://METRO.CO.UK/WP-CONTENT/UPLOADS/2018/03/98352930-E1521207084689.JPG?QUALITY=90&STRIP=ALL 3 KOGNITIVE ENTWICKLUNG JEAN PIAGETS (1896-1980) ENTWICKLUNGSTHEORIE 4 https://cdn.britannica.com/13/19513-004-D66AA10D.jpg KOGNITIVE ENTWICKLUNG DEFINITION  Herausbildung von zentralen Fähigkeiten des Gehirns  Die schrittweise Veränderung und Verbesserung der geistigen Fähigkeiten und Prozesse, die es einem Individuum ermöglichen, Informationen zu verarbeiten, Wissen zu erwerben, Probleme zu lösen und die Welt zu verstehen.  Kognitive Funktionen:  Sprache  Abstraktes Denken (Problemlösen)  Gedächtnis  Aufmerksamkeit  Handlungsplanung  Wahrnehmungsfähigkeit https://media.istockphoto.com/id/1470632400/de/vektor/ein-mann-mit-zahnr%C3%A4dern-im-kopf.webp? s=2048x2048&w=is&k=20&c=b78neKFWUXNdfWkSaiUgwImogQs8bOwN7Wbkcl0CoCI= 5 JEAN PIAGET (1896-1980)  Schweizer Entwicklungspsychologe  Frühe Interessen: Piaget zeigte schon als Kind ein starkes Interesse an der Naturwissenschaft und veröffentlichte im Alter von 11 Jahren seine erste wissenschaftliche Arbeit.  Studium: Er studierte Naturwissenschaften an der Universität Neuchâtel und promovierte 1918 in Zoologie.  Wechsel zur Psychologie: Nach seiner Promotion wandte sich Piaget der Psychologie zu und arbeitete unter anderem in Paris am Alfred Binet Laboratory.  Hauptwerk: Theorie der kognitiven Entwicklung des kindlichen Denkens in vier Stufen https://www.thefamouspeople.com/profiles/thumbs/jean-piaget-3.jpg 6 JEAN PIAGET (1896-1980) KONSTRUKTIVISMUS  Geistige Entwicklung als aktive Konstruktion von Wissen  Kinder lernen durch aktive Interaktion mit ihrer Umwelt und nicht durch passive Aufnahme von Informationen.  Lernen ist ein aktiver Prozess, bei dem Kinder Erfahrungen sammeln, diese interpretieren und daraus Schlüsse ziehen.  „Kind als Wissenschaftler“ mit intrinsischer Neugier  Hypothesen bilden  Experimentieren  Schlussfolgern https://www.wissenschaftsjahr.de/2014/fileadmin/content/Digital_News/forscher_440x220.jpg 7 JEAN PIAGET (1896-1980) DISKONTINUIERLICHER ENTWICKLUNGSVERLAUF  Piaget nimmt einen diskontinuierlichen Entwicklungsverlauf an, weil er davon ausgeht, dass in bestimmten Entwicklungsabschnitten zentrale Denkstrukturen verändert werden, die eine Vielzahl von Reorganisationen mit sich bringt  Altersangaben sind lediglich Orientierungshinweise, da sich Entwicklungsgeschwindigkeiten bei Kindern unterscheiden  Stufen können unterschiedlich schnell durchlaufen, aber nicht übersprungen werden!  spätere Entwicklungsstufen setzen die jeweiligen Entwicklungsschritte aus den früheren Stufen logisch voraus https://media.springernature.com/lw685/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-62772-3_1/ MediaObjects/154146_5_De_1_Fig11_HTML.png?as=webp 8 JEAN PIAGET (1896-1980) SCHEMATA  Kinder führen Handlungen immer wieder nach einem bestimmten „Muster“ durch  Beispiele:  Kinder drehen sich im Kreis, bis ihnen schwindelig wird (Schema „Rotation“)  Kinder türmen immer wieder Dosen aufeinander, bis der Turm in sich zusammenfällt (Schema „Schichten“)  Schemata sind also kognitive Strukturen oder Rahmenwerke, die Individuen verwenden, um Informationen zu organisieren und zu interpretieren.  Schemata können nicht vermittelt oder gelehrt werden (Jedes Kind entwickelt zu seiner Zeit bestimmte Schemata)  Weiterentwicklung der kognitiven Schemata aufgrund https://i.ytimg.com/vi/InNp5sdWs70/mqdefault.jpg kognitiver Konflikte (siehe nächste Folie) 9 JEAN PIAGET (1896-1980) ÄQUILIBRATIONSPROZESS Assimilation Akkomodation Piagets Annahme:  Assimilation und Integration von Neuem in Anpassung (Differenzierung Akkomodation sind Formen bestehende mentale Strukturen oder Umwandlung) bestehender der Anpassung (Adaption) Strukturen an des Individuums an seine Umweltanforderungen Umwelt. Beispiel: Erstkontakt mit Pferd Beispiel: vermeintlicher Hund  Dabei streben lebende  Interpretation als Hund (Pferd) bellt nicht, ist größer Organismen nach einem aufgrund bestehenden Schemas  Erfindung eines neuen Gleichgewicht (Tier mit Fell und vier Beinen) Namens für das unbekannte (Äquilibrium) zwischen Tier Assimilation und Akkomodation. 10 JEAN PIAGET (1896-1980) VIER HAUPTSTADIEN DER GEISTIGEN ENTWICKLUNG Formal- operationale Phase Konkret- (ab 12 Jahren) operationale Phase Präoperationale (7-11 Jahre) Phase (2-7 Jahre) Sensumotorische Phase (0-2 Jahre) 11 JEAN PIAGET (1896-1980) SENSUMOTORISCHE PHASE  Erste Stufe der kognitiven Entwicklung, die von der Geburt bis etwa zum zweiten Lebensjahr dauert  Phase ist in sechs Unterstufen unterteilt, in denen sich die sensorischen und motorischen Fähigkeiten des Kindes entwickeln und verfeinern.  Piaget: Säuglinge und Kleinkinder „denken“ mit Augen, Ohren, Händen und anderer sensumotorischer Ausstattung, weil sie mental noch nicht viele Aktivitäten steuern können  Die zentrale Veränderung in der sensumotorischen Entwicklungsphase besteht in der Verinnerlichung äußerer Handlungen.  Bedeutung kognitiver Schemata bei Motorik und Sensorik (Wahrnehmung)  Zentraler Entwicklungsschritt: Objektpermanenz https://www.vaillant.at/images/tipps-wissen/people22-211915-01-2510423-format-flex- height@[email protected] 12 JEAN PIAGET (1896-1980) OBJEKTPERMANENZ Definition Das Verständnis, dass Objekte und Personen unabhängig von der aktuellen sensorischen Wahrnehmung existieren. Dies bedeutet, dass ein Objekt nicht verschwindet oder aufhört zu existieren, nur weil es momentan außer Sichtweite ist. https://goekay-akbulut.de/wp-content/uploads/boy-317041_1280-1024x686.jpg.webp 13 JEAN PIAGET (1896-1980) OBJEKTPERMANENZ Kind hat noch keine Schemata entwickelt, um ein Objekt über längere Zeiträume hinweg kognitiv zu repräsentieren https://d2wg98g6yh9seo.cloudfront.net/users/178421/178421_macaYuTesehaRuye8133313419748986.png 14 JEAN PIAGET (1896-1980) OBJEKTPERMANENZ  Erste Ansätze von Suchtverhalten im Alter von 4-8 Monaten  A-non-B Suchfehler (Die Tendenz, dorthin zu greifen, wo ein Objekt zuletzt gefunden wurde, statt es dort zu suchen, wo es tatsächlich versteckt wurde.)  Erst ab ca 12 Monaten systematischeres Suchen nach dem versteckten Objekt Lohaus, Arnold, & Vierhaus, Marc. (2019). Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor (4th ed. 2019). Berlin, Heidelberg: 15 Springer Berlin Heidelberg Imprint: Springer. https://slideplayer.com/slide/4965611/16/images/12/Piaget+%E2%80%93+Object+Permanence.jpg 16 JEAN PIAGET (1896-1980) SECHS STUFEN DER SENSUMOTORISCHEN ENTWICKLUNG 1. Reflexhandlungen (0-1 Monat) Neugeborene reagieren hauptsächlich auf ihre Umgebung durch angeborene Reflexe wie Saugen, Greifen und Blicken. Beispiel: Ein Baby saugt automatisch an allem, was seine Lippen berührt. 2. Primäre Kreisreaktionen (1-4 Monate) Babys beginnen, einfache motorische Handlungen zu wiederholen, die sie zufällig entdeckt haben und die ihnen angenehm sind. Beispiel: Ein Baby entdeckt, dass es seine eigenen Finger saugen kann, und wiederholt diese Handlung immer wieder. 3. Sekundäre Kreisreaktionen (4-8 Monate) Babys beginnen, Handlungen zu wiederholen, die interessante Ergebnisse in ihrer Umwelt hervorrufen, und nicht nur auf den eigenen Körper beschränkt sind. Beispiel: Ein Baby schüttelt absichtlich eine Rassel, um das Geräusch zu hören. 17 JEAN PIAGET (1896-1980) SECHS STUFEN DER SENSUMOTORISCHEN ENTWICKLUNG 4. Koordination sekundärer Kreisreaktionen (8-12 Monate) Babys entwickeln Zielgerichtetheit und beginnen, Handlungen zu koordinieren, um einfache Probleme zu lösen. Objektpermanenz beginnt sich zu entwickeln. Beispiel: Ein Baby schiebt ein Hindernis beiseite, um ein dahinter verstecktes Spielzeug zu erreichen. 5. Tertiäre Kreisreaktionen (12-18 Monate) Babys experimentieren aktiv mit neuen Verhaltensweisen und variieren ihre Handlungen, um unterschiedliche Ergebnisse zu sehen. Sie zeigen Neugier und Interesse an neuen Wegen, Probleme zu lösen. Beispiel: Ein Baby lässt verschiedene Gegenstände aus unterschiedlichen Höhen fallen, um die Auswirkungen zu beobachten. 6. Erfindung neuer Mittel durch mentale Kombinationen (18-24 Monate) Kinder beginnen, einfache Problemlösungen mental zu planen und zu erfinden, anstatt nur durch Ausprobieren. Sie entwickeln die Fähigkeit zur symbolischen Repräsentation. Beispiel: Ein Kind beobachtet, wie eine erwachsene Person einen Stock benutzt, um ein Spielzeug zu erreichen, und verwendet später einen ähnlichen Ansatz, um ein eigenes Spielzeug zu erreichen. (häufig zeitlich verzögerte Nachahmung des Verhaltens) 18 JEAN PIAGET (1896-1980) SENSUMOTORISCHE PHASE  Im Laufe der sensumotorischen Phase entwickeln sich die kognitiven Schemata so weit, dass die Kontrolle der Motorik und die Orientierung in der Umgebung entscheidend verbessert werden.  Im letzten halben Jahr der Phase  Verknüpfung mit dem sprachlichen Symbolsystem ermöglicht ein Denken, das nicht mehr an Handlungen gebunden ist.  Denken dadurch effektiver und flexibler  Qualitativer Sprung https://media.istockphoto.com/id/1256499328/de/foto/hand-setzen- schritte-f%C3%BCr-stickman-%C3%BCber-braun-enkhintergrund- collage.webp?s=2048x2048&w=is&k=20&c=4N9aJzAfY- BJOB3BVWEQNiYWwUDbz6p98PM2hAz9aPY= 19 JEAN PIAGET (1896-1980) PRÄOPERATIONALES STADIUM (2-7 JAHRE)  Kinder erlangen die Fähigkeit, ihre Erfahrungen in Form von Sprache, geistigen Vorstellungen und symbolischen Denken zu repräsentieren  Dadurch Möglichkeit, sich über längere Zeiträume an ihre Erfahrungen zu erinnern und differenziertere Konzepte zu bilden  Aber enge Gebundenheit des Denkens an Konkretes und die eigenen Handlungen  Kennzeichen u.a.:  Egozentrismus des Denkens  statisches, wenig prozesshaftes Denken (Aufgaben zur Mengenerhaltung)  unzureichende Beachtung mehrerer Dimensionen https://www.watson.ch/imgdb/3557/Qx,A,0,25,880,558,365,251,146,108/6361703875664099 20 JEAN PIAGET (1896-1980) PRÄOPERATIONALES STADIUM (2-7 JAHRE) Symbolisches Denken:  Kinder beginnen, Symbole zu verwenden, um Objekte und Ereignisse darzustellen. Dies zeigt sich vor allem im Spiel, in der Sprache und in Zeichnungen.  Beispiel: Ein Kind kann so tun, als ob ein Besen ein Pferd ist, oder es kann eine Banane als Telefon verwenden. Animismus:  Kinder neigen dazu, unbelebten Objekten menschliche Eigenschaften und Gefühle zuzuschreiben.  Beispiel: Ein Kind könnte glauben, dass die Sonne schlafen geht oder dass ein Stuhl verletzt ist, wenn man darauf stößt. https://thecuriousbutterfly.com/wp-content/uploads/2015/10/toddler_banana.jpg 21 JEAN PIAGET (1896-1980) PRÄOPERATIONALES STADIUM (2-7 JAHRE) Egozentrismus:  Kinder haben Schwierigkeiten, die Perspektiven anderer Menschen zu verstehen und nehmen an, dass jeder die Welt so sieht, wie sie selbst.  Beispiel 1: In Piagets Drei-Berge-Versuch beschreibt ein Kind das, was es selbst sieht, ohne zu berücksichtigen, dass eine andere Person aus einem anderen Blickwinkel etwas anderes sehen könnte.  Beispiel 2: Kinder im Vorschulalter reden oft aneinander vorbei beziehungsweise nebeneinander her; sie scheinen nur auf das zu achten, was sie selbst sagen, und den Kommentaren ihrer Spielkameraden keinerlei Aufmerksamkeit zu schenken.  Aber: Perspektivübernahmefähigkeit abhängig von Schwierigkeit der Aufgabenstellung! https://media.springernature.com/lw685/springer-static/image/chp %3A10.1007%2F978-3-662-62772-3_4/MediaObjects/ 154146_5_De_4_Fig10_HTML.jpg?as=webp 22 https://media.springernature.com/lw685/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-662-62772-3_4/MediaObjects/ 154146_5_De_4_Fig9_HTML.png?as=webp 23 JEAN PIAGET (1896-1980) PRÄOPERATIONALES STADIUM (2-7 JAHRE) Zentrierung:  Kinder konzentrieren sich auf einen auffälligen Aspekt einer Situation und vernachlässigen andere wichtige Merkmale.  Beispiel: Bei der Erhaltung von Flüssigkeit (Umschüttaufgabe) konzentrieren sich Kinder auf die Höhe des Flüssigkeitspegels und ignorieren die Breite des Behälters, was sie zu der Annahme führt, dass höhere Pegel mehr Flüssigkeit enthalten, selbst wenn die Behälter unterschiedlich breit sind.   noch kein Invarianzkonzept (Konzept der Erhaltung): ein bloßes Verändern der Erscheinung oder Anordnung von Objekten verändert nicht notwendigerweise ihre zentralen Eigenschaften 24 https://de.slideshare.net/slideshow/psya3-cognitive-in-progress/22091343#11 25 Verfahren zur Prüfung von Invarianzkonzepten zu Flüssigkeitsmenge, fester Masse und Zahl. Die meisten Vier- und Fünfjährigen sagen, dass die höhere Flüssigkeitssäule mehr Flüssigkeit, die längere Tonwurst mehr Ton und die längere Reihe mehr Objekte enthält. 26 JEAN PIAGET (1896-1980) KONKRET OPERATIONALES STADIUM (7-12 JAHRE)  Kinder erlangen die Fähigkeit, über konkrete Objekte und Ereignisse logisch nachzudenken  Fähigkeit zu mehrdimensionalem Denken  Ablösung der Denkoperationen von den beobachteten Abläufen, aber Denkoperationen immer noch auf konkrete Handlungen und Wahrnehmungen bezogen (Abstraktionsfähigkeit noch immer gering)  Entwicklung von:  der Perspektivübernahme (noch auf konkrete Personen bezogen und z.B. nicht gesamtgesellschaftlich)  prozesshaftem Denken  Fähigkeit zu logischen und arithmetischen Operationen  Planung von Handlungsabläufen und Koordinierung von Handlungen  Zunehmende Fähigkeit zu Operationen in Raum und Zeit https://www.verywellmind.com/thmb/wvvAeVvfeD9lUlffgzsEEcapyLA=/900x0/ filters:no_upscale():max_bytes(150000):strip_icc()/concrete-operational-stage-of-cognitive-development- 2795458-5b92b8e646e0fb0050c8df61.png 27 JEAN PIAGET (1896-1980) FORMAL-OPERATIONALES STADIUM (AB 12 JAHREN)  Kinder/Menschen erlangen die Fähigkeit, abstrakt und hypothetisch zu denken  Hypothetische bzw. theoretische Herangehensweise an Problemstellungen (Variablenkontrolle und Hypothesenbildung)  Fähigkeit zu Metakognition  Idealtyp menschlicher Rationalität  Nicht von allen Erwachsenen erreicht https://de.pinterest.com/pin/this-article-explains-what-formal-operations-is-and-explains-a-few-experiments- that-piaget-condu--843862048905994211/ 28 JEAN PIAGET (1896-1980) PIAGETS VERMÄCHTNIS Grundlegende Theorie der kognitiven Entwicklung  Piagets Einteilung der kognitiven Entwicklung in vier Stufen hat das Verständnis der kindlichen Entwicklung revolutioniert, auch wenn diese Stufen oft diskutiert und angepasst wurden, bilden sie nach wie vor eine Grundlage für viele weitere Theorien und Forschungen. Konstruktivistisches Lernen  Aktive Rolle des Lernenden: Kinder aktiv an der Konstruktion ihres Wissens beteiligt sind.  dadurch tiefgreifenden Einfluss auf pädagogische Ansätze, die das Lernen als aktiven, nicht passiven Prozess betrachten. Kindzentrierte Pädagogik  Betonung der Wichtigkeit, Kinder entsprechend ihrer kognitiven Entwicklungsstufe zu unterrichten  Bildungspraxis: Durch Piagets Erkenntnisse stärkere Abstimmung der Lehrpläne und Bildungsprogramme auf die Entwicklungsstufen und individuellen Bedürfnisse der Kinder. 29 JEAN PIAGET (1896-1980) PIAGETS VERMÄCHTNIS Methoden der Entwicklungspsychologie  Forschungsmethoden: Piaget hat qualitative Forschungsmethoden populär gemacht (besonders klinisches Interview und detaillierte Beobachtung individueller Kinder); Methoden werden nach wie vor in der Entwicklungspsychologie angewendet Einfluss auf andere Theorien Interdisziplinärer Einfluss  Z.B. Bildungspolitik und Curriculum-Entwicklung: Piagets Theorien haben Bildungssysteme weltweit beeinflusst und zu Reformen geführt, die das Lernen als aktiven, konstruktiven Prozess betrachten. 30 JEAN PIAGET (1896-1980) KRITIK Unterschätzung der kognitiven Fähigkeiten von Kindern  Stichwort „kompetenter Säugling“ und neueste Forschungserkenntnisse u.a. mittels Habituations- Dishabituations-Paradigmas Zu starre Stufenmodelle  Kritiker argumentieren, dass die kognitive Entwicklung verläuft oft kontinuierlicher und weniger sprunghaft verläuft, als es Piaget beschrieb. Vernachlässigung sozialer und kultureller Einflüsse  Piagets Theorie betont hauptsächlich das individuelle Kind und dessen Interaktion mit der physischen Umwelt. Kritiker wie Lev Vygotsky haben darauf hingewiesen, dass soziale Interaktionen und kulturelle Kontexte eine zentrale Rolle in der kognitiven Entwicklung spielen.  Piagets Forschung konzentrierte sich größtenteils auf westliche Kinder, wodurch kulturelle Unterschiede in der kognitiven Entwicklung nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Alternative Erklärungen für gleiche Beobachtungen  Z.B. Informationsverarbeitungstheorien, Neo-Piagetianische Theorien (folgt in nächster Vorlesung) 31 SOZIOKULTURELLE THEORIEN WYGOTSKIS THEORIE DER DENKENTWICKLUNG 32 WYGOTSKI (1896-1934) THEORIE DER DENKENTWICKLUNG „Alle höheren psychischen Funktionen, eingeschlossen das Sprechen und begriffliche Denken, haben einen sozialen Ursprung. Sie entstehen als Mittel zur gegenseitigen Hilfeleistung und werden schrittweise Teil des alltäglichen Verhaltens eines Menschen.“ Wygotskis Annahme: das Denken eines Kindes, wird durch die Gesellschaft und Kultur, in der es aufwächst, geprägt (Mensch als soziales Wesen) Kognitive Entwicklung vollzieht sich im sozialen Kontakt Essentieller Beitrag von anderen Menschen und der umgebenden Kultur Kinder als Produkt ihrer Kultur:  Lern-Prozesse in allen Kulturen gleich, Lern-Inhalte aber unterschiedlich. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8f/ 33 Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg/195px-Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg WYGOTSKI (1896-1934) THEORIE DER DENKENTWICKLUNG Zone der nächsten (proximalen) Entwicklung Distanz zwischen dem momentanen Entwicklungsstand eines Kindes (Fähigkeit, Probleme alleine zu lösen) und dem potentiellen Entwicklungsstand, der über das Problemlösen mithilfe Erwachsener oder (fortgeschritteneren) Gleichaltrigen erreicht werden (maximale Fähigkeit unter Anleitung)  Beispiel puzzlen Die Zone der nächsten Entwicklung kann somit als ein Maß für das Lernpotenzial eines Individuums relativ zu seinem momentanen Entwicklungsstand verstanden werden  Konzept des „Scaffolding“ (Gerüst): Unterstützung von Lernenden bei der Lösung von Aufgaben, die sie noch nicht selbstständig bewältigen können. vorübergehende Unterstützung im Rahmen von Lehr- und Lernprozessen: Mit steigender Kompetenz der Lernenden wird das Scaffolding sukzessive reduziert, um schließlich völlig zu entfallen https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8f/ 34 Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg/195px-Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg WYGOTSKI (1896-1934) THEORIE DER DENKENTWICKLUNG Rolle der sozialen Interaktion Sozialer Kontext (Kinder lernen in Interaktion mit anderen Menschen) Sprachentwicklung (durch sprachliche Interaktionen entwickeln Kinder höhere Denkprozesse) Kulturelle Werkzeuge Materielle und immaterielle Werkzeuge (physische Objekte wie Bücher, als auch Sprache/Symbole) Internalisierung (Werkzeuge werden internalisiert: äußere Handlungen und Denkweisen werden in interne mentale Prozesse umgewandelt) Inneres und äußeres Sprechen Äußeres Sprechen (mit anderen, laut & sozial) Egozentrisches Sprechen (laut mit sich selbst, um Gedanken zu ordnen) Inneres Sprechen (Sprechen wird intern, eine Form des Denkens) https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/8/8f/ 35 Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg/195px-Lev_Vygotsky_1896-1934.jpg INFORMATIONSVERARBEITUNGSTHEORIEN  Metapher „Menschlicher Geist als Computer“ (wie Menschen Informationen aufnehmen, verarbeiten, speichern und abrufen)  Fokus auf Veränderungen der Informationsverarbeitung im Laufe der Entwicklung  Mehrspeichermodelle gehen von sequenzieller Informationsverarbeitung aus  (Konnektionistische Theorien dagegen von paralleler Informationsverarbeitung) https://www.inqua-institut.de/wp-content/uploads/2024/09/neurodiversitaet.jpg 36 INFORMATIONSVERARBEITUNGSTHEORIEN VERGLEICH ZWISCHEN COMPUTER UND MENSCH Computer Mensch Hardware (Struktur): Hardware (Struktur): - Speicherkapazität - Gedächtniskapazität - Leistungsfähigkeit - Leistungsfähigkeit der Denkprozesse Software (Prozesse): Software (Prozesse): - Strategien - Verfügbarkeit nützlicher Strategien - Informationen - Wissensinhalte 37 INFORMATIONSVERARBEITUNGSTHEORIEN VERGLEICH ZWISCHEN COMPUTER UND MENSCH  Das Kind ist ein Informationsverarbeitungssystem mit begrenzter Kapazität.  Entwicklung entsteht...  durch Ausweitung des Informationsumfangs, der verarbeitet werden kann  durch Steigerung der Effizienz der Ausführung grundlegender Prozesse.  durch Erwerb neuer Strategien und neuen Wissens.  durch Verbesserte Inhibition unwichtiger Störvariablen.  durch Automatisierung von Prozessen. Beispiele:  Ältere Kinder nutzen effizientere Strategien z.B. Lernen einer Wortliste (konzentrieren sich aufs letzte Wort, ältere innerliches Wiederholen aller)  Beispiel Tastatur nutzen  anfangs viel Kapazität, danach automatisiert 38 THEORIEN DOMÄNENSPEZIFISCHER ENTWICKLUNG 39 THEORIEN DOMÄNENSPEZIFISCHER ENTWICKLUNG  Annahme: Entwicklung erfolgt nicht bereichsübergreifend gleichförmig, sondern kann in verschiedenen Inhaltsbereichen unterschiedlich erfolgen  Unterscheidung von Bransford et al. (1999): Privilegierte vs nicht-privilegierte Wissensdomänen  Privilegiert: Wissensbereiche, in denen bereits vom Säuglingsalter an ein intuitives Kernwissen besteht (z.B. intuitives physikalisches Wissen) und deren Aneignung schnell und ohne umfangreiche eigene Erfahrung erfolgt  Nicht-privilegiert: umfangreicherer Erfahrungserwerb erforderlich https://images.pexels.com/photos/8923263/pexels-photo-8923263.jpeg? auto=compress&cs=tinysrgb&w=1260&h=750&dpr=2 40 THEORIEN DOMÄNENSPEZIFISCHER ENTWICKLUNG  domänenspezifische Entwicklung kann als kontinuierliche Anreicherung oder als Abfolge von Umstrukturierungen erfolgen  Klassische Thematik in der Entwicklungspsychologie: kontinuierliche vs diskontinuierliche Entwicklung  es scheint sinnvoller, Unterscheidung domänenspezifisch vorzunehmen https://images.pexels.com/photos/8923263/pexels-photo-8923263.jpeg? auto=compress&cs=tinysrgb&w=1260&h=750&dpr=2 41 FRÜHES INTUITIVES KINDLICHES WISSEN 42 FRÜHKINDLICHE LERN- UND GEDÄCHTNISLEISTUNGEN  Habituation: Säuglinge gewöhnen sich an wiederholt dargebotene Reize und begegnen neuen Reizen mit gesteigerter Aufmerksamkeit  Assoziationslernen: Säuglinge können Zusammenhänge zwischen Reizen erkennen und daraufhin Erwartungen in Bezug auf weitere Reizdarbietungen entwickeln  Kontingenzlernen: Säuglinge können sehr früh Zusammenhänge zwischen dem eigenen Handeln und darauf folgenden Konsequenzen erkennen und sich dementsprechend verhalten Frühkindliche Lern- und Gedächtnisleistungen hängen mit den späteren kognitiven Fähigkeiten zusammen https://www.psy.lmu.de/epp/studium_lehre/lehrmaterialien/ lehrmaterial_ss10/wintersemester1011/lehrmat_sodian/ 43 einf_entwspsycho/bscnf_ws10_05.pdf INTUITIVES PHYSIKALISCHES, BIOLOGISCHES UND PSYCHOLOGISCHES WISSEN IN DER FRÜHEN KINDHEIT https://ichbinmutter.com/wp-content/uploads/2018/04/das-Ged%C3%A4chtnis-denkender-Junge-300x200.jpg? auto=webp&quality=60&width=1920&crop=16:9,smart,safe 44 FRÜHKINDLICHES PHYSIKALISCHES WISSEN  Säuglinge/Kinder zeigen sehr früh ein intuitives Vorwissen in Bezug auf physikalische Phänomene  widmen diesen erhöhte Aufmerksamkeit  Gesetzmäßigkeiten, deren Kenntnis schon im Säuglingsalter nachgewiesen wurde:  Kontinuitätsprinzip (Objekte bewegen sich kontinuierlich und nicht diskontinuierlich fort)  Soliditätsprinzip (solide Objekte bewirken etwas, wenn sie mit anderen soliden Objekten zusammenstoßen)  Schwerkraftprinzip (Gegenstände, die nicht in irgendeiner Form mit einem festen Objekt verbunden sind, fallen herunter, wenn sie losgelassen werden https://kidseatincolor.com/wp-content/uploads/2020/04/throwing-food.png 45 FRÜHKINDLICHES BIOLOGISCHES WISSEN  Kinder können früh zwischen belebten und unbelebten Dingen unterscheiden  Gesichter werden von Säuglingen gegenüber anderen Reizen bevorzugt  Je älter die Kinder desto mehr werden weitere Informationen zur Unterscheidung von Gegenständen, Menschen und Tieren herangezogen (z.B. Kontur, Oberflächenbeschaffenheit, Geruch oder Geräusche)  Mit etwa 7 Monaten scheinen Kinder außerdem anzunehmen, dass sich Lebewesen im Gegensatz zu unbelebten Gegenständen eigenständig bewegen können (Woodward et al. 1993)  Kindergartenalter: Lebewesen durchlaufen bestimmte biologische Prozesse, was sie von unbelebten Gegenständen unterscheidet https://swissmom.az-cdn.ch/__ip/xjtfScIWRFfCnlZy8Ml_Y0L7iDo=/fit-in/ 2048x1152/69f7d958f5755ede89baf4bdc0a7dba4438049f0 46 FRÜHKINDLICHES PSYCHOLOGISCHES WISSEN  Säuglinge entwickeln frühzeitig Erwartungen an ihre soziale Umgebung  Alter, Geschlecht und Vertrautheit können als die ersten Unterscheidungsmerkmale gelten, die Kinder zur Klassifikation von Personen in ihrer sozialen Umgebung nutzen.  Entscheidend für Handeln im sozialen Kontext ist Entwicklung einer Theory of mind  Definition: Fähigkeit, mentale Zustände wie Überzeugungen, Wünsche, Absichten und Gefühle in sich selbst und anderen zu erkennen und zu verstehen. Diese Fähigkeit ermöglicht es, das Verhalten anderer Menschen vorherzusagen und zu interpretieren, indem man sich vorstellt, was sie denken oder fühlen könnten  Kulturübergreifende Entwicklung zwischen 3. und 5. Lebensjahr https://embrace-autism.com/wp-content/uploads/TheoryOfMind.svg 47 FRÜHKINDLICHES PSYCHOLOGISCHES WISSEN THEORY OF MIND  Erkennen mentaler Zustände: Verstehen, dass andere Menschen Gedanken, Überzeugungen und Wünsche haben, die sich von den eigenen unterscheiden können.  Perspektivübernahme: Die Fähigkeit, die Perspektive anderer Personen einzunehmen und deren Sichtweise zu verstehen.  Vorhersage von Verhalten: Basierend auf dem Verständnis der mentalen Zustände anderer können Verhalten und Reaktionen vorhergesagt werden.  Experimente zu „falschen Überzeugungen“ (Wellman et al. 2001) https://embrace-autism.com/wp-content/uploads/TheoryOfMind.svg 48 FRÜHKINDLICHES PSYCHOLOGISCHES WISSEN THEORY OF MIND Psychiatrische Störungsbilder, bei denen die Theory of mind beeinträchtigt ist:  Autismus  Schizophrenie (bei fluorider Symptomatik)  Bei einigen Persönlichkeitsstörungen (z.B. Narzisstische Persönlichkeitsstörung) https://embrace-autism.com/wp-content/uploads/TheoryOfMind.svg 49 KAUSALES DENKEN  Definition: Fähigkeit, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu erkennen. Diese können zwischen verschiedenen Objekten, zwischen Handlungen oder zwischen Objekten und Handlungen bestehen  Hinsichtlich physikalischer Ereignisse, können Kinder bereits im Säuglingsalter kausale Zusammenhänge (in sehr grundlegenden Phänomenen) wahrnehmen und erkennen  Ältere Kinder sind dann immer mehr in der Lage, ursächliche Zusammenhänge in alltäglichen Begebenheiten zu erkennen  Bei komplexeren kausalen Zusammenhängen braucht es Verständnis für wissenschaftliches Denken, um Hypothesen systematisch zu prüfen  ca. erst ab 12/13 Jahren 50 SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN  Definition: Aus gegebenen Informationen kann neues Wissen abgeleitet werden.  Induktiv vs deduktiv  Schlussfolgerndes Denken basiert auf logischen Überlegungen  Erste Anzeichen induktiven Schlussfolgerns zeigen sich bereits bei sehr jungen Kindern (ab ca. zwei Jahren)  Ältere Kinder nutzen im Vergleich zu jüngeren Kindern zusätzliche Informationen  Deduktives Schlussfolgern bereits ab ca vier Jahren (wenn Inhalte der Aufgaben ihrem Entwicklungsstand entsprechen)  Bildung von Analogien (bereits im Säuglingsalter) https://www.einstellungstest-fragen.de/wp-content/uploads/Schlussfolgerndes-Denken.jpg 51 SCHLUSSFOLGERNDES DENKEN 52 METAKOGNITIVE FÄHIGKEITEN  Definition: Kompetenzen, die eingesetzt werden, um eigene kognitive Prozesse zu überwachen, zu kontrollieren und zu regulieren  metakognitiven Kompetenzen verbessern sich mit zunehmendem Alter (Schneider und Lockl 2002) https://media.istockphoto.com/id/524618473/vector/creative-brain-idea-concept.jpg? s=612x612&w=is&k=20&c=-8DnJmFY0HlTRkrHfFlWS1adNjcqVg8tWfTdQ7ytGHU= 53 INDIVIDUELLE UNTERSCHIEDE IN DER KOGNITIVEN ENTWICKLUNG  Vorgestellte Zahlen basieren größtenteils auf querschnittlichen Daten größerer Stichproben  Aus entwicklungspsychologischer Sicht zusätzlich von großem Interesse: intra- und interindividuelle Unterschiede  Spannbreite kognitiver Fähigkeiten bewegen sich zwischen Minder- und Hochbegabung  Unterscheidung interindividueller Unterschiede nach Anderson (1992):  Genetische Faktoren  unterschiedlich schnellen Reifungsprozessen domänenspezifischer Wissenssysteme  Unterschiedliche Lernerfahrungen 54 INTELLIGENZ 55 INTELLIGENZ „Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst“ Edwin G. Boring (1886–1968) https://media.istockphoto.com/id/849069968/es/foto/estudiante-de-beb%C3%A9.jpg? s=170667a&w=0&k=20&c=IKyJQlpE_3jJ9-LQgquF9dz3JvwR9D0MGs0GhGvce7c= 56 INTELLIGENZ SPEARMAN (1927): GENERALFAKTOR DER INTELLIGENZ  Existenz eines g-Faktors (allgemeine Intelligenz), der den intellektuellen Leistungen in unterschiedlichsten Bereichen zugrunde liegt.  Daneben spezifische Begabungsfaktoren (s-Faktoren, z. B. für Aufgaben mit verbalen oder mathematischen Problemstellungen), die die Leistungen in einzelnen Aufgabenbereichen neben dem g-Faktor bestimmen  Empirische Bestätigung durch zahlreiche Studien: allgemeine Intelligenz korreliert positiv mit schulischen Leistungen und beruflichem Erfolg. https://encrypted-tbn0.gstatic.com/images? q=tbn:ANd9GcTXRu3QMBUbx4cD_ATrtC1OcUN SsoiIUUUclQ&s 57 INTELLIGENZ FRÜHE INTELLIGENZMESSUNG  Binet und Simon entwickelten 1905 den ersten Intelligenztest  Grundidee: intellektuellen Leistungen von Kindern zu quantifizieren.  Es sollte überprüft werden, inwieweit die intellektuellen Leistungen eines Kindes seinem Alter entsprechen (Intelligenzalter = IA)  Diese Form der Messung nur im Kindes- und Jugendalter geeignet, da die intellektuellen Leistungen in dieser Zeit eng an das Lebensalter geknüpft sind. https://assets.sutori.com/user-uploads/image/d38c8ad4-efde-4083-a920-8775f0791ecd/ e040554ba21949985063b9614e4d302c.jpeg 58 INTELLIGENZ NORMORIENTIERTE INTELLIGENZMESSUNG  Testergebnis einer Person wird in das Verhältnis zu einer Bezugsnorm gesetzt  Innerhalb der Normstichprobe i.d.R. Trennung nach Altersgruppen und teilweise auch getrennt nach Geschlecht  Transformation der Rohwerte eines Tests in IQ-Werte ermöglicht eine inhaltliche Interpretation des Testergebnisses  Definition Intelligenzquotient: gibt Auskunft darüber, wie die intellektuellen Fähigkeiten einer Person in Relation zu einer Vergleichsgruppe ausgeprägt sind.  Normalverteilt  Mittelwert = 100, Standardabweichung = 15 59 INTELLIGENZ INTELLIGENZTESTS FÜR KINDER- UND JUGENDLICHE  WISC-V („Wechsler Intelligence Scale for Children V“; Petermann 2017)  CFT 1-R, CFT 20-R („Grundintelligenztests“; Cattell et al. 2012; Weiß, 2006)  ADP 2 (Adaptives Intelligenz Diagnostikum 2) https://www.testzentrale.de/index.php? eID=dumpFile&t=p&p=224047&token=f71d462a40e4ce2838a4bc6035d84cb88c313b6b 60 INTELLIGENZ EINFLUSSFAKTOREN GENETIK  „stabilste Persönlichkeitseigenschaft“  Intelligenz ist zu einem großen Teil durch die genetische Ausstattung bestimmt  Identifikation mehrerer Gene, die mit kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden.   Diese Gene beeinflussen oft Gehirnprozesse wie Neurotransmission, Neuroplastizität und neuronale Entwicklung.  Epigenetik (Gen-Umwelt-Interaktionen) https://biermann-medizin.de/content/uploads/2023/01/230120_AdobeStock_513883873_adj-300x187.jpg 61 INTELLIGENZ EINFLUSSFAKTOREN UMWELT  Kohortenunterschiede und Befunde aus Adoptionsstudien belegen den Einfluss des Lebenskontextes auf die Intelligenz.  Sozialer Status (Kinder aus Familien mit höherem Status erreichen im Durchschnitt einen höheren IQ (z. B. Tong et al. 2007))  Merkmale einer Familie: Anzahl der Kinder & Geschwisterposition  geringe Effekte  Risikofaktoren:  Sozioökonomischer Status  Übermäßige Ängstlichkeit der Mutter  hohe Anzahl belastender Stresserlebnisse  Rigide mütterliche Vorstellung hinsichtlich des Erziehungsverhaltens und der kindlichen Entwicklung  negative Mutter-Kind-Interaktion 62 INTELLIGENZ EINFLUSSFAKTOREN UMWELT  Förderliche familiäre Faktoren:  Eltern, die eine interessante und stimulierende Umwelt (z. B. durch anregende Spielzeuge) für ihre Kinder schaffen  Eltern sind emotional responsiv  Eltern sprechen & erklären Kindern viel  Eltern bieten Möglichkeiten zum Explorieren und Ausprobieren  Eltern geben positive und angemessene Entwicklungserwartungen an das Kind https://images.bild.de/6617a1eeff5f9b39523cf7c9/dd8596c417141226ec72e7e152b6aa3b,b8822523? w=992 63 INTELLIGENZ EINFLUSSFAKTOREN UMWELT  Schulbesuch hat positiven Einfluss auf Intelligenz eines Kindes  Förderprogramme für Kinder aus sozial benachteiligten Familien   wirken sich häufig nur kurzfristig auf die intellektuelle Entwicklung aus   langfristig jedoch in anderen Bereichen positiven Einfluss auf die kindliche Entwicklung https://img.kleinezeitung.at/public/incoming/gbrvgx-lehrer-sujet-adobe_1653455794309848_v0_h.jpg/ alternates/WIDE_1200/lehrer-sujet-adobe_1653455794309848_v0_h.jpg 64 INTELLIGENZ ERFOLG IM LEBEN  Intelligenz als wichtiger Prädiktor dafür, wie erfolgreich ein Mensch in akademischer und beruflicher Hinsicht in seinem Leben ist  Jedoch viele Wechselwirkungen  Münchner Hochbegabungsmodell (Heller 2000):  neben den intellektuellen Begabungsfaktoren sind auch  nicht-kognitive Persönlichkeitsfaktoren (wie die Fähigkeit zum Umgang mit Stress oder Ängsten)  Umweltmerkmale (wie die familiäre und Lernumwelt) und  Frühere Leistungserfolge (z. B. in Sport, Sprachen oder Mathematik) zur Gesamtausprägung der individuellen Begabung beitragen.  Die Intelligenz ist hinsichtlich des Lebenserfolgs demnach ein wichtiger, aber nicht alles entscheidender Faktor. 65

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