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Humboldt-Universität zu Berlin
PD Dr. Kaspar Krolop
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This document is an excerpt from a lecture script on German commercial law. It covers topics such as the representation and liability in a limited partnership (OHG). A case study is presented to illustrate principles of commercial law.
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PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 - Unabhängig von der Eintragung finden damit alle Vorgaben des HGB, welche teiweise erhebliche Haftungserweiterungen sich bringen, Anwendung. II. Vertretung und Haftung bei der OHG Fallbeispie...
PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 - Unabhängig von der Eintragung finden damit alle Vorgaben des HGB, welche teiweise erhebliche Haftungserweiterungen sich bringen, Anwendung. II. Vertretung und Haftung bei der OHG Fallbeispiel Die Studienabbrecher A und B suchen ihr neues Glück in der Selbständigkeit und beschließen im Sommer 2020, einen kleinen Schreibwarenladen in Uni-Nähe zu eröffnen. Zunächst läuft das Geschäft recht schlecht, die Umsätze belaufen sich auf 25.000 €) im Jahr. A und B arbeiten beide nur allein in ihrem kleinen Laden. Die Waren werden ausschließlich beim Großhändler G bezogen. In den Folgejahren bessert sich der Umsatz. Im Jahre 2022 gingen die Geschäfte so gut, dass A und B im Januar 2023 beschließen, ein weiteres Geschäft zu eröffnen und nun auch mehrere Angestellte vor allem für den Verkauf und die Bestellung der Waren einzustellen. Dieses Vorhaben realisieren sie im April 2023. Sie beziehen ihre Waren mittlerweile von verschiedenen Großhändlern; der im Jahre 2024 erwirtschaftete Umsatz beträgt 300.000 €. Einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag haben A und B nie schriftlich ausgearbeitet und alle Geschäfte vorher miteinander abgesprochen. Eine Handelsregistereintragung halten sie nicht für notwendig. Durch eine Zeitungsannonce erfährt B im Juni 2024 von einem Räumungsverkauf beim Schreibwarenhändler S. Im Glauben an ein besonders günstiges Geschäft schließt B, ohne vorher mit A zu sprechen, namens der Gesellschaft mit S einen Kaufvertrag über das gesamte Papiersortiment des S. Der Kaufpreis beträgt 20.000 €. Als A von dem Vertrag erfährt, ist er verärgert, da B das Geschäft nicht mit ihm abgesprochen hat, und widerspricht dem Vertrag. S liefert das Papier noch im Juni aus, den Kaufpreis erhält er jedoch nicht. S, dessen Forderung aus der Papierlieferung im August 2024 noch immer nicht beglichen ist, verlangt von dem Unternehmen und von A persönlich Zahlung des Kaufpreises. A wendet ein, dass das Geschäft eine „Privatsache“ des B sei, da er dem Geschäft widersprochen habe. Kann der S das Unternehmen wegen des Kaufpreises in Anspruch nehmen? Anspruch des S gegen die OHG auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 € aus § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 105 III HGB i.V.m. § 705 BGB Dies setzt voraus, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen S und der OHG zustande gekommen ist, der eine Verbindlichkeit der OHG begründet. 1. Vorliegen einer OHG → nach außen wirksame OHG (Gesellschaft vorhanden) a Gemäß § 123 I HGB tritt die Wirksamkeit der OHG gegenüber Dritten grundsätzlich mit der Eintragung in das Handelsregister ein. Das Unternehmen von A und B wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt in das Handelsregister eingetragen. b. Gemäß § 123 I S. 2 HGB tritt die Wirksamkeit bereits schon vor der Eintragung ein, wenn die Geschäfte vor der Eintragung aufgenommen werden. Hier sind A und B bereits eine geraume Zeit im Geschäftsverkehr tätig, so dass eine Geschäftsaufnahme vor Eintragung iS § 123 I HGB vorliegt. Jedoch bleiben gemäß § 123 HGB die Vorschriften von § 2 oder § 105 II HGB unberührt. Daher greift § 123 I HGB nur dann ein, wenn es sich bei dem von A und B betriebenen Unternehmen um eine Gesellschaft ist, deren Geschäftsgegenstand ein Handelsgewerbe iSv § 1 HGB ist. aa. Vorliegen einer Gesellschaft 41 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 Zunächst müsste zwischen A und B ein Gesellschaftsvertrag iSv § 705 BGB (iVm § 105 III HGB) vorliegen, d. h. A und B müssen übereinstimmend durch Zusammenwirken einen gemeinsamen Zweck fördern wollen Hier haben A und B zumindest konkludent vereinbart, gemeinsam mit Schreibwaren zu handeln und gegenseitige Beitragspflichten vereinbart. Da der Gesellschaftsvertrag unterliegt keinen Formerfordernissen unterliegt besteht damit ein wirksamer Gesellschaftsvertrag. bb. Der Gesellschaftszweck müsste gemäß § 105 I HGB auf das Betreiben eines Handelsgewerbes gerichtet sein. Es ist daher zu prüfen, ob es sich bei dem Schreibwarenhandel um ein Handelsgewerbe handelt. (1) Gewerbebetrieb - keine einheitliche rechtliche Definition Jede (rechtl.) selbständige und berufsmäßige, wirtschaftliche, nicht künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit, die erkennbar auf entgeltliche Tätigkeit durch einen auf Dauer gerichteten Geschäftsbetrieb zielt. (2) Umkehrschluss aus § 1 Abs. 2 HGB: Handelsgewerbe liegt vor, wenn ein nach Art und Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist. Art (qualitative Merkmale), wie Geschäftsstruktur, d.h. Natur und Vielfalt der gewöhnlichen Geschäfte, Art d. Kundenkreises usw. Umfang (quantitative Merkmale), wie Größe, Umsatz, Anzahl der Beschäftigten Gesamtwürdigung erforderlich! Letztlich ist dies eine Einzelfallentscheidung! Fall: Anfangs wohl nicht, aber dann: Umsatz in Höhe von 300.000 € im Jahr 2024 mehrere Läden und mehrere Mitarbeiter im Jahre 2023/2024 verschiedene Lieferanten usw. sind Indiz dafür, dass kaufmännische Einrichtung erforderlich sind. → (spätestens) Im April 2024 liegt ein Handelsgewerbe iSd § 1 Abs. 2 HGB vor → Unternehmen ist Gesellschaft iv § 105 I HGB → Damit liegen die Voraussetzungen von § 123 I S. 2 HGB vor Exkurs: Im Falle des § 123 Abs. 1 HGB ist die OHG dennoch zur Eintragung zum Handelsregister anzumelden (§ 29 HGB); jedoch hat die Eintragung dann nur noch deklaratorische Wirkung. Ist die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen, muß das Vorliegen eines Handelsgewerbes nicht näher diskutiert werden. Beachte: Wenn das Gewerbe seinem Zuschnitt nach keiner kaufmännischen Einrichtung bedarf, läßt ohne Registereintragung der Geschäftsbeginn nur eine GbR entstehen. Wächst dann das Unternehmen später doch noch in die vollkaufmännische Qualifikation hinein, so wird die Gesellschaft mit diesem Zeitpunkt OHG Eine einverständliche Rechtswahl der Gesellschafter ist mit Wirkung nach außen nicht möglich; denn die Rechtsform der OHG und der GbR tritt unabhängig vom Willen der Gesellschafter ein (Rechtsformzwang). 2. Wirksamer Kaufvertrag zwischen der OHG und S Gemäß § 105 III HGB i.V.m. § 705 II BGB ist die Gesellschaft rechtsfähig. Die Gesellschaft kann selbst Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen. Die Gesellschaft handelt jedoch nicht selbst, sondern wird vertreten; daher Prüfung der wirksamen Vertretungsmacht. → Obersatz: 42 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 Eine Verbindlichkeit der OHG liegt vor, wenn ein Kaufvertrag gemäß § 433 BGB zustande gekommen ist und die OHG durch den B wirksam vertreten wurde. a. Einigung zwischen S und B über Kaufvertrag (+) b. Fraglich ist, ob der B die OHG wirksam gemäß §§ 164 I BGB, 12HGB vertreten hat aa. Eigene Willenserklärung bb. offenkundig im fremden Namen Jedenfalls aus den Umständen (vgl § 164 I S. 2 BGB) ergibt sich, dass der B im Namen der OHG und nicht im eigenen Namen gehandelt hat (Gewährleistung der Offenkundigkeit im Geschäftsverkehr: § 125 HGB) cc. Mit Vertretungsmacht Der B müsste mit Vertretungsmacht gehandelt haben. Da die Eintragung in das Handelsregister nicht konstitutiv für die Wirksamkeit der OHG sind, richtet sich die Reichweite der Vertretungsmacht nach den für die OHG maßgeblichen Vorschriften. Gemäß § 124 I HGB ist jeder Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt, wenn er nicht durch Gesellschafsvertrag von der Vertretung ausgeschlossen ist (Grundsatz der Selbstorganschaft) (1) B ist Gesellschafter, so dass er grundsätzlich zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigt ist (Grundsatzregelung in § 125 I HGB) (2) Hier könnte aber nach § 124 II S 1 HGB Gesamtvertretung vereinbart worden sind. In diesem Fall, hätte der B seine Befugnisse überschritten. (a) Ausdrückliche Vereinbarung (-) (b) Für Gesellschaftsvertrag keine zwingende Schriftform. Daher könnte man in der Übung, sich immer abzustimmen, eine konkludente gesellschaftsvertragliche Vereinbarung iSv § 125 II 1 HGB sehen. (c) Dies kann dahinstehen. abweichende Vertretungsregeln sind eintragungspflichtige Tatsachen, vgl. § 106 II Nr. 3 HGB (§ 15 Abs. 1 HGB: solange eintragungspflichtige Tatsache nicht eingetragen, kann sie Drittem nicht entgegengehalten werden, es sei denn positive Kenntnis des Dritten hier eintragungspflichtige Tatsache, nicht eingetragen und keine Kenntnis des S) → Es gilt der Grundfall der Einzelvertretung nach § 125 I HGB → Damit erstreckt sich gemäß § 124 IV HGB Vertretungsmacht grundsätzlich auf alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen dd. Fraglich ist, ob der Widerspruch des A hinsichtlich des konkreten Geschäfts die Vertretungsmacht des B ausschließt. Exkurs: § 116 HGB regelt die Geschäftsführungsbefugnis (Innenverhältnis) Grundsatz: Einzelgeschäftsführungsbefugnis aller Gesellschafter (siehe auch § 115 Abs. 1 HGB) § 116 Abs. 3 S. 3 HGB: Möglichkeit, Gesamtgeschäftsführungsbefugnis gesellschaftsvertraglich zu regeln § 124 HGB regelt die Vertretung der Gesellschaft (Außenverhältnis) Grundsatz, § 124 Abs. 1 HGB: Alleinvertretungsberechtigung aller Gesellschafter § 124 Abs. 1, 2. HS HGB: Möglichkeit des Ausschlusses eines Gesellschafters von der Vertretungsmacht § 124 Abs. 2 HGB: Möglichkeit, Gesamtvertretung gesellschaftsvertraglich zu regeln. Beachte: §§ 106 Abs. 2 Nr. 3, 107 HGB: Vertretungsregeln (und ihre Änderungen) sind im Handelsregister eintragungspflichtige Tatsache 43 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 Gemäß § 116 III S. 3 HGB hat ein Gesellschafter, auch wenn er allein zur Geschäftsführung befugt ist, eine Maßnahme zu unterlassen, wenn ein anderer zur Geschäftsführung befugter Gesellschafter widerspricht (1) Vorliegen eines solchen Widerspruchs (+) → A ist geschäftsführungsbefugter Gesellschafter (2) Zwar liegt ein Widerspruch vor, so dass B zum Unterlassen des Vertragsabschlusses verpflichtet war. Jedoch ergibt sich im Umkehrschluss zu § 124 IV HGB, dass der Widerspruch nur die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis einschränkt, jedoch die Vertretungsmacht nicht tangiert und damit keine Außenwirkung hat. „Durchschlagen im Außenverhältnis nur in zwei Ausnahmefällen: (1) Vertragspartner ist nicht „irgendein“ Dritter, sondern Gesellschafter (vgl. § 124 IV S. 2 HGB „Dritten gegenüber") (2) die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht greifen ein (s.o. Abschnitt zur Stellvertretung). → Widerspruch ohne Außenwirkung → Der Vertragsabschluss war von der Vertretungsmacht umfasst → B hat die Gesellschaft (OHG) wirksam vertreten → Wirksamer Kaufvertrag → Ergebnis: Anspruch des S gegen OHG (+) III. Haftung im Außenverhältnis und Ausgleich im Innenverhältnis Forsetzung des Fallbeispiels oben bei 2. Frage 1 Kann S von A und B Zahlung des Kaufpreises verlangen? Frage 2 Wie kann der in Anspruch genommene Gesellschafter bei Der Gesellschaft und/oder seinem Mitgesellschafter Rückgriff nehmen? Frage 1 I. Anspruch des S gegen A Auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 20.000 € aus § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 126 HGB § 126 HGB : gesetzliche gegregelt gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft 1. wirksam begründete Gesellschaftsverbindlichkeit → liegt hier vor, vgl. oben 2. Inanspruchgenommener (Haftungsschuldner) war bei Begründung der Verbindlichkeit und zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme Gesellschafter dieser Gesellschaft. (vgl. auch Hinweis unten) A war Gesellschafter, daher gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 126 HGB → A haftet gegenüber S gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten der OHG 3. Ob die Haftung nach § 126 I HGB auf Erfüllung gerichtet ist (sog. Erfüllungstheorie) oder nur eine Einstandspflicht in Geld begründet (sog. Haftungstheorie), kann hier dahinstehen, da die Forderung des S ohnehin auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtet ist. Exkurs: Haftungs- / Erfüllungstheorie 44 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 Relevant wird dieser klassische Streit des Personengesellschaftsrechts immer dann, wenn die Forderungsgegenstand nicht Geld, sondern ein Tätigwerden oder eine Sachleistung ist. Z.B. wenn im vorliegenden Fall der B nicht Papier erworben, sondern zum Verkauf angeboten hätte. Dann würde sich die Frage stellen, ob der A wie die Gesellschaft haftet also, nach § 126 I HGB verpflichtet ist Papier der vereinbarten Art, Menge und Güte an den S zu übereignen (Erfüllungstheorie) oder ob ihn nur eine Einstandspflicht in Geld trifft (Haftungstheorie). Nach ganz hM ist zu differenzieren: - Grundsätzlich trifft den Gesellschafter eine echte Erfüllungspflicht - Davon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn (1) es sich um eine unvertretbare Handlung handelt und (2) nach Abwägung des Gläubigerinteresses mit der anzuerkennenden gesellschaftsfreien Privatsphäre die Erfüllung nicht zumutbar erscheint → S kann auch von A Zahlung des Kaufpreises verlangen II. Anspruch des S gegen B → wie Anspruch gegen A Frage 2 I. Rückgriffsanspruch gegen die OHG - § 105 III HGB i.V.m. § 716 I BGB Gemäß § 105 III HGB i.V.m. § 716 I BGB kann der Gesellschafter diejenigen Aufwendungen ersetzt verlangen, die ihm in Gesellschaftsangelegenheiten entstehen, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf oder Verluste, die unmittelbar durch die Geschäftsführung entstehen. Somit besteht der Anspruch, wenn der A Gesellschafter ist und die Begleichung der Verbindlichkeit der Gesellschaft eine Aufwendung ist, die der A nach den Umständen für erforderlich halten darf. 1. A ist Gesellschafter einer OHG, s. o. 2. Die Erfüllung der Verbindlichkeit müsste eine Aufwendung iSv § 716 BGB sein. Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer im Interesse der Gesellschaft. Wenn ein Gesellschafter deren Verbindlichkeiten begleicht, dann wird die Gesellschaft durch freiwilliges Handeln des Gesellschafters vor einer Inanspruchnahme bewahrt (BGHZ 37, 301). 3. In Angelegenheiten der Gesellschaft (+) → Es handelt sich um eine Verbindlichkeit der Gesellschaft. Dass Gesellschafter auch eigene Pflicht erfüllt, steht dem nicht entgegen 4. Nach den Umständen erforderlich – Beachte subjektive Formulierung („für erforderlich halten darf.“) Daher auch Begleichung von vermeintlichen Verbindlichkeiten ersatzfähig → hier unproblematisch (+) → Anspruch aus § 105 III HGB i.V.m. § 716 I BGB (+) II. Anspruch gegen den B 45 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 1. Anspruchsgrundlage § 126 HGB i.V.m. 426 I BGB B könnte einen Anspruch aus §§ 126 HGB i.V.m. 426 I BGB haben. Dies ist der Fall, wenn der A wegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit in Anspruch genommen wurde, B zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit der Gesellschafter der Gesellschaft war und A von der Gesellschaft nicht Befriedigung erlangen kann. a. A haftet gegenüber S als Gesellschaft für eine Gesellschaftsverbindlichkeit – s.o. b. B war zum Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit Gesellschafter c. A kann aus § 105 III HGB i.V.m. 716 I BGB (wirtschaftlich) von der Gesellschaftd. keinen Ersatz erlangen d. Inanspruchnahme von B entsprechend der Verlustteilnahme → Verlustteilnahme folgt grundsätzlich der Höhe der Gewinnbeteiligung und die Gewinnbeteiligung wiederum folgt dem Wertverhältnis der versprochenen Beiträge (vgl.§ 709 III BGB.V.m. § 105 III HGB) ➔ Bsp. Wenn A und B zu gleichen Teilen Beiträge geleistet, dann Gewinn- und Verlustbeteiligung i.H.v. 50%. A kann dann von B entsprechend nur 50% der Summe verlangen. IV. Verhältnis von Geschäftsführung und Vertretung Geschäftsführung §§ §§ 116 – 117 HGB Innenverhältnis – Geschäftsführung → internes Dürfen → Beschränkungen § 116 I, III, 117 HGB → können vertraglich ausgesteltat werden (vgl. § 108 HGB) Außenverhältnis mit Vertragspartnern, z.B. Käufer / Lieferant / Gläubiger Vertretung „Können“ im Außenverhältnis Für die Wirksamkeit der Verträge im Außenverhältnis sind ausschließlich die Regelungen für die Vertretung (§§ 124 – 125 HGB) maßgeblich → Regeln das externe Können → der Umfang der Vertretungsmacht kann vertraglich nicht mit Wirksamkeit nach außen eingeschränkt werden (vgl. § 124 IV S. 2 HGB) → Schon beim gesetzlichen Modell geht das rechtliche „Können“ im Außenverhältnis weiter gehen als bei „Dürfen“ im Innenverhältnis (woraus ergibt sich das? Lesen Sie genau § 116 HGB im Vergleich zu § 124 HGB) 46 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 1. Einzelgeschäftsführung und Gesamtgeschäftsführung Einzelgeschäftsführung Gesamtgeschäftsführung → 116 I HGB → § 116 IV S. 1 Der einzelne Gesellschafter ist berechtigt - erforderlich ist spezielle Regelung im allein Geschäfte in dem in § 116 HGB Gesellschaftsvertrag genannten Umfang vorzunehmen - für jedes Geschäft bedarf es der Aber: Wenn einer der Gesellschafter Zustimmung aller Gesellschafter widerspricht, muss die Handlung unterbleiben - Ausnahme: „Gefahr im Verzug“ (§ 116 I HGB) (sog. Notgeschäftsführung) Umfang der Vertretungsmacht jedes Auch wenn im Innenverhältnis sämtliche Gesellschafters ertreckt sich zwingend (vgl. § Gesellschafter der Maßnahme zustimmen 124 IV 2 HGB) auf alle gerichtlichen müssen, bedeutet das nicht, dass automatisch und außergerichtlicnen Handlungen (§ 124 IV im Außenverhältnis Gesamtvertretung 1 HGB) Im Gesellschaftsvertrag nur - Im Gesellschaftsvertrag ist zusätzlich Gesamtgeschäftsführung geregelt Gesamtvertretung vereinbar (dies erlaubt § → Vereinbarung der Gesamtgeschäfts- 124 II HGB) führung hat nur Innenwirkung - diese kann auch Außenwirkung → im Außenverhältnis bleibt jeder Einzelne entfalten im in § 124 IV HGB geregelten Umfang - Reicht eine entsprechende Regelung im vertretungsberechtigt Gesellschaftsvertrag aus, um Dritten entgegen halten zu können, dass keine Einzelvertretungsmach besteht?30 2. Möglichkeiten der Beschränkung der Vertretungsmacht a. Ausgangspunkt Aus § 124 IV „ HGB ergibt sich, dass der Umfang der Vertretungsmacht nicht eingeschränkt werden kann b. Es gibt nur drei Möglichkeiten aa. Vollständiger Ausschluss von der Vertretung (vgl. § 124 I 2 HGB bb. Gesamtvertretung (vgl. 124 II HGB) 30 Grundsätzlich nein. Der gesetzliche Regelfall ist Einzlvertretung. Erinnern Sie sich an § 15 I HGB! Eine eintragungspflichtige Tatsache (vgl. §§ 106 II Nr. 4, 107 HGB), kann einem Dritten solange nicht entgegengehalten werden, wie sie eingetragen ist. Solange nicht eingetragen ist, dass Gesamtvertretung, kann sich Dritter darauf berufen, dass jeder Gesellschafter einzelvertretungsbrechtigt ist. 47 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 cc. sog. unechte Gesamtvertretung (vgl. § 124 III HGB 3. Vertiefung und Verständnisfragen: - Wo haben Sie bereits kennengelernt, dass eine Vertretungsmacht nur die Befugnisse im Innenverhälntnis eingeschränkt werden können, aber im Außenverhältnis der Umfang der Vertretungsmacht zwingend vorgechrieben ist?31 - Kann sich der Geschäftspartner immer auf den gesetzlichen Umfang der Vertretungsmacht berufen oder gibt es Ausnahmen32 - Wann muss sich Dritter entgegen halten lassen, dass Gesamtvertretung besteht, unabhängig davon, was er gedacht hat?33 31 Antwort: Prokura. 32 Erinnern Sie sich an die Grundsätze zum Missbrauch der Vertretungsmacht ! 33 Aus § 15 II S. 1 HGB sofern die Gesamtvertretung im Handelsregister inegetragen wurde. 48 PD Dr. Kaspar Krolop – HU Berlin –Übersichten zur Handels- und Gesellschaftsrecht – WS 2024/25 4. gewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme / außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme / Grundlagengeschäft Geschäftsführungsmaßnahme Grundlagengeschäft Änderungen der Grundlagen der Gesellschaft → Änderungen die so gravierend, dass der Gesellschaftsvertrag geändert werden muss, u.a. - Gesellschafterwechel - Änderung des Geschäftsgegenstands bzw. des Gesellschaftszwecka - Änderung der Rechtsform Normalfälle – ordentliche Geschäfts- Sonderfälle – außerordentliche Geschäfts- führungsmaßnahme, § 115 I HGB führungsmaßnahme, § 115 II S. 1, 1. HS. HGB - langfristige Bindung von Betriebsmitteln - Kreditgeschäfte von besonderer Tragweite - ungewöhnlich umfangreiche Investitionen, z.B. Kauf von Unternehmen, Kauf von Filmen für mehrere 100 DM durch eine Fernsehgesellschaft34 34 (OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487) 49