Didaktik der Analysis & Stochastik (mat450) - Vorlesung 2 PDF
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Universität Oldenburg
Dr. Carolin Danzer
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Summary
This is a lecture from a university course on mathematics didactics, specifically focusing on the Analysis & Stochastik module. It includes examples and concepts related to cooling processes and climate change, relating them to concepts in mathematics. The document also contains examples of various experiments related to the class.
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Didaktik der Analysis & Stochastik mat450 – Vertiefung Mathematikdidaktik II Dr. Carolin Danzer Wintersemester 2024/2025 Ein Abkühlungsprozess Wie lange dauert es, bis eine Tasse frisch aufgebrühter Tee auf Zimmertemperatur abge...
Didaktik der Analysis & Stochastik mat450 – Vertiefung Mathematikdidaktik II Dr. Carolin Danzer Wintersemester 2024/2025 Ein Abkühlungsprozess Wie lange dauert es, bis eine Tasse frisch aufgebrühter Tee auf Zimmertemperatur abgekühlt ist? Zeitspanne in Minuten 10 30 45 60 ab Zeitpunkt 𝒙 = 𝟎 Teetemperatur in °C am Ende der Zeitspanne Seite 2 22.10.24 Abkühlungs- und Aufwärmungsprozesse Je wärmer ein Körper ist, desto mehr Energie gibt er in Form thermischer Strahlung ab. Wird ein Körper bestrahlt, wird er immer wärmer und strahlt damit auch stärker wieder ab. Sind die aufgenommene und abgestrahlte Energie in einem gewissen Zeitraum gleich, befindet er sich im Strahlungsgleichgewicht und hat eine Gleichgewichtstemperatur erreicht. Was hat das mit unserem Planeten zu tun? Seite 3 22.10.24 Abkühlungs- und Aufwärmungsprozesse Warum ist das so problematisch? Helle Flächen auf der Erde (bspw. Schnee und Eis) reflektieren das einfallende Licht der Sonne stärker als z. B. Wasser oder der Erdboden. Dieses Rückstrahlungsvermögen einer Seite 4 Oberfläche wird Albedo genannt. Die gesamte Erde reflektiert ca. 30% der einfallenden 22.10.24 Strahlungsenergie. Experiment: Welche Rolle spielen die Eisflächen für die Temperatur der Erde? 1. Die beiden Thermometer werden jeweils in die Löcher des Holzrahmens und darauf die gefalteten Papierkörper gesteckt. Einer stellt das Gestein unter einem geschmolzenen Gletscher dar, der andere eine intakte Eisfläche. 2. Messen und notieren Sie die Ausgangstemperaturen und schaltet Sie dann den Strahler an. Notieren Sie nun alle 20 Sekunden die Temperaturen in der Tabelle (4 Minuten lang). 20,5 23,1 27,1 30,1 32,1 33,8 34,8 35,6 36,1 36,6 37,0 37,3 37,8 20,5 21,4 22,6 23,6 24,5 24,9 25,5 25,8 26,1 26,3 26,6 26,7 26,9 Seite 5 Welche Interpretation lassen die Daten zu? 22.10.24 Experiment: Welche Rolle spielen die Eisflächen für die Temperatur der Erde? Seite 6 22.10.24 Bild von Mathematik Welcher Aussage würden Sie aktuell eher zustimmen, wenn Sie sich entscheiden müssten und warum? Mathematik ist ein Produkt Mathematik ist ein Prozess Welcher Aussage hätten Sie während Ihrer Schulzeit eher zugestimmt? Mathematik als Produkt: axiomatisch-deduktive Struktur Mathematik als Prozess: Entwicklung (Entdecken, Erfinden) von Strukturen Welches Bild wollen wir in der Schule vermitteln? Seite 7 22.10.24 Genetisches Prinzip als normatives didaktisches Prinzip Forderung an Mathematikunterricht: keine Orientierung an der Axiomatik („Mathematik als Fertigprodukt“), sondern den Lernenden Einblicke in den Prozess der Entstehung von Mathematik geben und diese erfahrbar machen Genetisches (= entwickelndes) Prinzip: Mathematik mit den Lernenden so entwickeln, dass sie Mathematik „neu“ entdecken und das Entstehen von Mathematik unmittelbar erleben Was heißt das für den Funktionsbegriff? Seite 8 22.10.24 Didaktische Phänomenologie (Freudenthal, 1983) veranschaulichende Darstellungen Phänomen Begriff Vorstellungen über Phänomene (Sachsituationen, Alltagssituationen usw.) als Ausgangspunkt für das Lehren und Lernen davon ausgehend: Vorstellungen über Begriffe aufbauen und sukzessive mathematische Theorie entwickeln Aufbau tragfähiger Grundvorstellungen anhand von Fallbeispielen (aus Lebenswelt der Seite 9 Lernenden) 22.10.24 Freudenthal, H. (1983). Didactical Phenomenology of Mathematical Structures. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company. Funktionale Zusammenhänge Definition (funktionaler Zusammenhang): Ein funktionaler Zusammenhang ist eine eindeutige Zuordnung zwischen Größen oder Merkmalen. Hierbei hängt eine Größe bzw. ein Merkmal von der bzw. dem anderen ab. Welche Sätze passen zum rechts abgebildeten funktionalen Zusammenhang? Die Flughöhe des Flugzeugs ist abhängig von der Falldauer des Fallschirmspringers bzw. der Fallschirmspringerin. Die Falldauer des Fallschirmspringers bzw. der Fallschirmspringerin ist abhängig von der Flughöhe des Flugzeugs. Seite 10 22.10.24 Funktionale Zusammenhänge? 1 2 3 4 5 9 6 7 Seite 11 22.10.24 8 10 Funktionale Zusammenhänge Häufige Schwierigkeiten von Lernenden: funktionale Zusammenhänge in Sachkontexten erkennen abhängige und unabhängige Größen bzw. Merkmale identifizieren Wie können Sie die Lernenden dabei unterstützen? Anregungen zur Reflexion von funktionalen Zusammenhängen Um welche zwei Größen bzw. Merkmale handelt es sich? Welche Größe bzw. welches Merkmal ist abhängig von welcher bzw. welchem? Seite 12 22.10.24 Definitionen des Funktionsbegriffs Definition (Funktion): Wenn zwei Größen so zusammenhängen, dass jedem Wert der ersten Größe genau ein Wert der zweiten Größe zugeordnet wird, dann nennt man diese Zuordnung Funktion. Definition (Funktion): Seien 𝐴 und 𝐵 Mengen. Eine Zuordnung, die jedem Element der Menge 𝐴 genau ein Element der Menge 𝐵 zuordnet, nennt man Funktion. Hierbei ist 𝐴 die Definitionsmenge und die Menge 𝐵 die Zielmenge der Funktion. Für jedes 𝑥 ∈ 𝐴 heißt das dem Element 𝑥 zugeordnete Element 𝑦 ∈ 𝐵 Funktionswert von 𝑥. Seite 13 22.10.24 Definitionen des Funktionsbegriffs Definition (Funktion): Wenn zwei Größen so zusammenhängen, dass jedem Wert der ersten Größe genau ein Wert der zweiten Größe zugeordnet wird, dann nennt man diese Zuordnung Funktion. Definition (Funktion): Seien 𝐴 und 𝐵 Mengen. Eine Zuordnung, die jedem Element der Menge 𝐴 genau ein Element der Menge 𝐵 zuordnet, nennt man Funktion. Hierbei ist 𝐴 die Definitionsmenge und die Menge 𝐵 die Zielmenge der Funktion. Für jedes 𝑥 ∈ 𝐴 heißt das dem Element 𝑥 zugeordnete Element 𝑦 ∈ 𝐵 Funktionswert von 𝑥. Definition (Funktion): Seien 𝐴 und 𝐵 Mengen. Eine Teilmenge 𝑓 des kartesischen Produktes 𝐴×𝐵 heißt Funktion, wenn für alle 𝑥 ∈ 𝐴 genau ein 𝑦 ∈ 𝐵 existiert mit 𝑥, 𝑦 ∈ 𝑓. Seite 14 22.10.24 Der Funktionsbegriff im Kerncurriculum – Grundschule Größen und Messen Daten und Zufall Seite 16 22.10.24 Der Funktionsbegriff im Kerncurriculum – Gymnasium Klasse identifizieren, beschreiben und erläutern Abhängigkeiten zwischen Zahlen 5/6 und Größen Lernbereich Proportionale und antiproportionale Zusammenhänge Zuordnungen erfassen Proportionale und Antiproportionale Zusammenhänge erfassen Klasse Lernbereich Lineare Zusammenhänge erfassen: 7/8 lineare Zusammenhänge identifizieren und in Sachtext, Diagramm, Tabelle, Koordinatensystem, Gleichung darstellen lineare Funktionen und lineare Gleichungen analysieren und vergleichen Lernbereich Quadratische Zusammenhänge Quadratische Funktionen in verschiedenen Darstellungen untersuchen Quadratische Zusammenhänge modellieren und optimieren Klasse Lernbereich Exponentielle Zusammenhänge 9/10 exponentielle Wachstums- und Abnahmeprozesse modellieren Exponentialfunktionen untersuchen Lernbereich: Periodische Zusammenhänge Seite 17 Sinus- und Kosinusfunktion als periodische Funktion 22.10.24 Sinusfunktion untersuchen Der Funktionsbegriff im Kerncurriculum – Gymnasium Klassenstufe Lernbereich Näherungsverfahren als Grenzprozesse 9/10 Beschreibung ausgewählter Grenzprozesse Lernbereich Elementare Funktionenlehre Potenzfunktionen Exponentialfunktion Sinusfunktion Ganzrationale Funktionen Lernbereich Die e-Funktion Oberstufe Lernbereich Ableitungen mittlere und lokale Änderungsraten Ableitungsfunktionen Lernbereich Integralrechnung Bestimmtes Integral Stammfunktionen Seite 18 22.10.24 Der Funktionsbegriff in der Schule Grundschule und Klassenstufe 5/6: Sammlung von Erfahrungen mit funktionalen Zusammenhängen ohne explizite Verwendung des Funktionsbegriffs à Entwicklung von reichhaltigen Vorstellungen ab Klassenstufe 7/8 Abstraktion von prototypischen Beispielen hin zu einer allgemeinen Definition des Funktionsbegriffs; Lineare Funktionen ab Klassenstufe 9/10 verschiedene Funktionstypen und ihre Eigenschaften Gymnasiale Oberstufe Differential- und Integralrechnung Seite 19 22.10.24 Das Grundvorstellungskonzept Mathematisches Denken und Handeln (egal in welchem Inhaltsbereich) ist mit Vorstellungen verbunden, die im Langzeitgedächtnis gespeichert und vernetzt sind. Meistens müssen dabei mehrere Vorstellungen aktiviert und koordiniert werden. Tragfähige (didaktisch intendierte) Vorstellungen werden als Grundvorstellungen bezeichnet. Seite 20 22.10.24 Grundvorstellungen von mathematischen Begriffen Eine Grundvorstellung zu einem mathematischen Begriff ist eine inhaltliche (korrekte) Deutung des Begriffs, die diesem Sinn gibt. Grundvorstellungen … … repräsentieren abstrakte Begriffe anschaulich und bilden die Grundlage für das Verstehen … ermöglichen eine Verbindung zwischen abstrakter Mathematik und außer- sowie innermathematischen Anwendungen … unterstützen und ermöglichen Repräsentationswechsel Fachdidaktische Perspektive Ziel: Entwicklung von tragfähigen Grundvorstellungen zu mathematischen Begriffen Seite 21 22.10.24 Normative vs. deskriptive Vorstellungen Grundvorstellungen (normativ): didaktische intendierte Vorstellungen, die Deutungsmöglichkeiten eines mathematischen Inhalts oder Verfahrens beschreiben Abweichungen möglich! Lernendenvorstellungen (deskriptiv): individuelle Vorstellungen und Erklärungsmodelle, die Lernenden tatsächlich haben Gefahr: fehlerhafte oder nicht tragfähige Vorstellungen verfestigen sich Seite 22 22.10.24 Grundvorstellungen zum Funktionsbegriff Experiment: Schüler*innen … … laufen eine Treppe hinauf … messen nach dem Lauf in Abständen von 30 Sekunden ihren Puls … halten den Zusammenhang paarweise in einer Tabelle fest Welche Erfahrungen können die Lernenden im Hinblick auf Funktionen machen? Ø Für jeden Lernenden wird jedem Zeitpunkt (genau) ein Puls zugeordnet. Allgemeiner: Einer Größe (Zeitpunkt) wird genau eine zweite Größe (Puls) zugeordnet. Seite 23 22.10.24 Zuordnungsvorstellung Grundvorstellungen zum Funktionsbegriff Fragestellung: Wie ändert sich der Puls in gleichen Zeitschritten? Ändert sich der Puls gleichmäßig oder verschieden? Welche Erfahrungen können die Lernenden im Hinblick auf Funktionen machen? Ø Es reicht nicht, einzelne Wertepaare zu betrachten, sondern verschiedene Wertepaare müssen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Allgemeiner: Auswirkungen der Änderung einer Größe (Zeitpunkt) auf die von ihr abhängige Größe (Puls) Seite 25 Kovariationsvorstellung 22.10.24 Grundvorstellungen zum Funktionsbegriff Fragestellung: Wie sieht der funktionale Zusammenhang zwischen Zeitpunkt und Puls als Ganzes aus? Verschiedene Perspektiven: Vergleich von Abschnitten im selben Graph Vergleich verschiedener Graphen typischer Verlauf für Funktionstyp Welche Erfahrungen können die Lernenden im Hinblick auf Funktionen machen? Ø Es werden nicht einzelne Wertepaare betrachtet, sondern es müssen systematisch Daten aufgenommen, in Tabellen festgehalten und Graphen gezeichnet werden. Erst dann kann der Gesamtverlauf (Fitness) beurteilt werden. Allgemeiner: Betrachtung der Funktion als Ganzes (Menge aller Wertepaare) Seite 27 22.10.24 Objektvorstellung Grundvorstellungen zum Funktionsbegriff Zuordnungsvorstellung Welche Größe wird einer anderen eindeutig zugeordnet? Welcher Wert Statische Sichtweise 𝑦 ∈ 𝐵 wird 𝑥 ∈ 𝐴 zugeordnet? Kovariationsvorstellung Wie verändert sich eine Größe mit der anderen? Wie ändert sich 𝑦 = 𝑓(𝑥), Dynamische Sichtweise wenn sich 𝑥 ändert? Objektvorstellung Wie verhält sich die Funktion als Ganzes? Welche Eigenschaften hat die Funktion? Seite 28 22.10.24 Zuordnungs- und Kovariationsvorstellung 𝑦 Aufgabe: Inwiefern werden die Zuordnungs- und Kovariationsvorstellung in den folgenden Darstellungen angesprochen? 𝒙 𝒇(𝒙) 1 2 2 4 𝒇 𝒙 =𝟐(𝒙 3 6 4 8 5 10 Wie kann die Objektvorstellung angesprochen werden? Seite 29 𝑥 22.10.24 Funktionales Denken Funktionales Denken ist eine Denkweise, die typisch für den Umgang mit Funktionen ist. Es beinhaltet demnach die Fähigkeiten: ü Phänomene, die den funktionalen Zusammenhängen zugrunde liegen, erfassen, beschreiben und interpretieren zu können ü Grundvorstellungen zu Funktionen situationsangemessen nutzen und zwischen den verschiedenen Grundvorstellungen flexibel wechseln zu können Darstellungsformen von Funktionen verstehen, erstellen, interpretieren und ineinander transformieren zu können Seite 31 22.10.24