Klausur: Inklusion als Aufgabe der Grundschule PDF

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Dieses Dokument befasst sich mit dem Thema Inklusion an Grundschulen. Es beleuchtet rechtliche und theoretische Aspekte des Themas und diskutiert die Grundlagen und Begründungslinien der Inklusion.

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# Inklusion als Aufgabe der Grundschule ## Rechtlich-formaler Kontext - **International:** Salamanca Erklärung (1994) - Verpflichtung zur Bildung für Alle - Pädagogik für besondere Bedürfnisse - Recht auf Bildung für jedes Kind + Möglichkeit akzeptables Lernniveau zu erreichen/ haben -...

# Inklusion als Aufgabe der Grundschule ## Rechtlich-formaler Kontext - **International:** Salamanca Erklärung (1994) - Verpflichtung zur Bildung für Alle - Pädagogik für besondere Bedürfnisse - Recht auf Bildung für jedes Kind + Möglichkeit akzeptables Lernniveau zu erreichen/ haben - - Schulsystem muss entworfen werden, um auf unterschiedliche Bedürfnisse/ Interessen der Kinder einzugehen - **International:** UN-Behindertenrechtskonvention (2009) - Integratives Bildungssystem - Ziel: Entfaltung & Teilhabe + Chancengleichheit - **National:** Grundgesetz (1994) und KMK (2011) - Niemand darf „wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ (GG, Art 3) - Voraussetzungen für selbstbestimmtes Leben & aktive Teilhabe an allen gesellschaftlichen Bereichen ## Inklusion als etwas Neues? - **Demokratisch-emanzipative Grundidee & modernes Bildungsverständnis** - Päd. Anspruch nicht neu: Omnes omnia omnio -> alle Menschen bedürfen der gleichen Bildung -> - Ziel: allen Menschen das Ganze allumfassend lernen - **Niemand soll „ausgeschlossen, geschweige denn ferngehalten werden“ & „wo die Natur wegen eines inneren Mangels nicht selbst helfen kann, ist äussere Hilfe nötig“ (Comenius, 1677)** ## Begriffe Grundlagen und Begründungslinien - **Begriffe:** - **Behinderung **= Beeinträchtigung von körperlichen Funktionen & Strukturen - Sonderpäd. Förderbedarf = keine gesundheitliche Beeinträchtigung (sondern auf Schule bezogen) -> Einbezug von GS- & Umweltfaktoren - **Uneinheitliche Definitionen von Inklusion in Literatur -> Mögl. Begriffsannäherung:** - Partizipation aller Menschen (einschließlich derjenigen mit Behinderungen) unter Gewährung dafür notwendiger Hilfen (Kullmann, 2014) - **Spezifika des Begriffs „Inklusion"** - **Alle Dimensionen gesellschaftlicher Benachteiligung** - Leistungsfähigkeit, ethnische Herkunft, Geschlecht - **Systembezogene Sichtweise** - Ausgestaltung einer inklusiven Schule (-> strukturelle Anpassung der Schule v.a. durch personelle Ausstattung - **Rechtlicher Anspruch** - Recht auf Inklusion als Grundlage der Behindertenkonvention 2009 - Sensibilität für Etikettierungen & Stigmatisierungen - Pädagogik der Vielfalt (individuelle Sichtweise auf das jeweilige Kind -> passende Unterstützungsangebote) - Vermeidung von Selektion, keine Ausgrenzung - **Begründungslinien von Inklusion:** - **Demokratieorientiert** - **Menschenrechtsorientiert**(niemand darf aufgrund seiner Behinderung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden - **Bildungsökonomisch** (höherer Bildungserfolg erzielen) - **Pädagogisch-psychologisch** (positive Auswirkungen der Inklusion) ## Trilemma der Inklusion - **Enges Inklusionsverständnis:** - Kinder mit Behinderungen - Gemeinsamer Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung - **Weites Inklusionsverständnis:** - Verschiedenheit aller Kinder - Individuelle Bedürfnisse - Diskriminierungstendenzen vermeiden - Soziale Teilhabe fördern (z.B. Kinder aus ethn., relig. Minderheiten) - **Auf vulnerable Gruppen bezogenes Adressatenverständnis:** - Pendeln zw. engem & weitem Inklusionsverständnis - Alle SuS als Adressaten von Inklusion & Förderbedürftige im Fokus ## Theorie der trilemmatischen Inklusion - **Theorie der trilemmatischen Inklusion von Boger(2015, 2017, 2018)** - auf alle Lernenden, besonders aber auf vulnerable Gruppen bezogenes Adressatenverständnis: Versuch, im Trilemma der Inklusion zwischen EN und ND zu pendeln - **N = Normalisierung** (Hoffnung, normal angesehen zu werden -> Benachteiligte Personengruppen sollen ein „Leben so normal wie möglich“ erhalten - **EN= enger, behindertenbezogenes Adressatenverständnis** -> Ziel: behinderten Personen Teilhabe an normalen Leben zu ermöglichen - **E = Empowerment** (Hoffnung, dass sich die Betroffenen selbst ermächtigen & sich zu einer Gruppe zusammenfügen) - **D = Dekonstruktion** (Hoffnung, Stereotype abzubauen) - **ND = weites, auf alle Diversitätsmerkmale bezogenes Adressatenverständnis** -> jede Person muss individuell ohne Stereotypen betrachtet werden ## Unterschiede zwischen Integration und Inklusion - **Integration:** - **Individuumsorientiert:** Eingliederung von Kindern mit sonderpädagogischen Förderbedarf in die Regelschule - **Zwei-Gruppen-Theorie:** Eine Gruppe muss in eine andere Gruppe integriert werden, um eine heterogene Gruppe zu schaffen - **Sonderpädagogik verantwortlich** -> Ausweitung der Sonderpädagogik - **Inklusion:** - **Systematisch:** Leben und Lernen für alle in der allgemeinen Schule - **Theorie der heterogenen Gruppe:** Vermischung von verschiedenen Minderheiten zu einer gemeinsamen Gruppe - **Schul- & Sonderpädagogik verantwortlich** -> Veränderung von Sonder- & Schulpädagogik ## Integration - **Begriff bereits etabliert vor Inklusion -> Parallelen zur Inklusion** - **Recht auf Partizipation für jedes Individuum** - **Inklusion** - **Weiterentwicklung von Integration -> Begriffe können synonym verwendet werden** ## Entwicklungstendenzen hin zu Inklusion - **Umsetzung im professionellen Handeln in Schule und Unterricht mit Exklusionsprozessen verbunden, da pädagogische Ressourcen begrenzt: Zeit, Aufmerksamkeit, didaktische Kreativität** - **Schule kann immer daran arbeiten noch inklusiver zu werden!** ## Inklusion: Ende der Sonderpädagogik? - **Veränderung der Sonderpädagogik** - **Neuer pädagogischer Rahmen** - **Sonderpädagogischer Förderbedarf als Heterogenitätsdimension** - **Programme für Inklusion stärken Sonderpädagogik** - **Gestaltung des gemeinsamen Unterrichts** ## Sonderpädagogischer Förderbedarf & Förderschwerpunkte - **Behinderungs-/ Defizitorientierung -> Förderorientierung** - **Statt Behinderung: sonderpädagogischer Förderbedarf, Benachteiligung, Beeinträchtigung** - **Förderschwerpunkte:** - Lernen, Sprache, Emotionale & soziale Entwicklung, Hören & Kommunikation, Sehen, Geistliche Entwicklung, Körperliche & motorische Entwicklung, krank SuS, Autimus - **Schwierigkeiten der Diagnose:** Einschätzung von Abweichungen, unterschiedliche Rahmenbedingungen, uneinheitliche Feststellung, oft mehrere Förderschwerpunkte, Begriff „Sonderpädagogischer Unterstützungsbedarf" - Berücksichtigung von Umfeld, Erfahrungshorizont, Kompetenzen & Entwicklungsbereichen - Ziel: Bildungsteilhabe & Gesamtpersönlichkeitsentwicklung verbessern - Entwicklung eines inklusiven Schulsystems; Kooperation von Lehrkräften bedeutsam - Präventive Unterstützungsangebote, auch mit Kindertagesstätten - Schulabschluss: gleichberechtigter Zugang zu Berufsausbildung, Erwachsenenbildung, lebenslangem Lernen ## Kinder mit sonderpäd. Förderbedarf im dt. Schulsystem - **Anteil der Kinder mit sonderpäd. Förderbedarf an allgemeinen Regelschulen gestiegen (Bis 2015 ca. 3 Prozentpunkte jährlich gestiegen)** - **43,1% der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Regelschulen** - **Unterschiedliche Entwicklung: Bremen & Schleswig-Holstein fortgeschritten, Förderschulen in Bayern notwendig** - Grund u.a.: Bildungspolitische Traditionen ## Empirische Befunde: Fazit - Keine Überlegenheit von Inklusion oder Förderschule - Leichte Vorteile der Schulleistungsentwicklung in Regelschulen in Abhängigkeit des Förderschwerpunkts - Keine Benachteiligung von Kindern ohne sonderpädagogischen Förderschwerpunkt - Beurteilung von Fördermöglichkeiten: Klasseneffekte stärker als Systemeffekte - Soziales und emotionales Erleben: Qualität des Schul- und Lernklimas ## Modellvarianten inklusiver Beschulung an bayerischen Grundschulen - **Elternwahlrecht: entweder Grundschule oder Förderschule** - **Kooperationsklassen** - Klasse der allgemeinen Grundschule - Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf - 3-5 Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf - Zeitweise sonderpädagogische Lehrkraft - **Partnerklassen** - Förderschulklasse und allgemeine Grundschulklasse - Förderschulklassen an Grundschulen - Abstimmung der Lehrkräfte über Art und Umfang - **Inklusion einzelner SchülerInnen in Regelschulen** - Unterstützung durch Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD): diagnostische und beratende Aufgaben - IntegrationshelferIn oder Schulbegleitung möglich ## Schulprofil Inklusion - Klassen mit Lehrertandem (Grundschullehrkräfte und Sonderpädagogische Lehrpersonen) - SonderpädagogInnen fester Bestandteil des Kollegiums ## Gestaltung inklusiven Unterrichts - Berücksichtigt Standards und Zielsetzungen für allg. schul. Abschlüsse sowie individuelle Kompetenzen der Lernenden -> Gleiche Lerngegenstände können auf unterschiedl. Wegen & mit unterschiedl. Zielstellungen bearbeitet werden → Zielgleichheit & zieldifferenziertes Lernen - Keine Unterscheidung von regulärem Unterricht - Kriterien guten Unterrichts: Strukturiertheit, Klassenklima, Klarheit, Motivation und Aktivierung, Individualisierung - **Oberflächenstruktur als Unterscheidungsmerkmal** - **Vielfalt an Methoden: Normalität gestalten und Vielfalt strukturieren** - Basis für flexible Gestaltung - Lernbedürfnisse und Lernschwierigkeiten berücksichtigen - **Rahmen: demokratische Ziele und partizipative Strukturen** - **Soziale Gerechtigkeit und gegenseitige Anerkennung** - **Weiterentwicklung: Kooperation, inklusive Möglichkeiten, Kompetenzen der Lehrkräfte** ## Professionelles Handeln & Einstellungen der Lehrkräfte - **Anforderungen rahmen inklusive Kompetenz:** - Kooperation, Elternarbeit, schulische und außerschulische Kooperation, Kenntnisse zur Förderung, Diagnostik, Inklusionssensible Haltung - **Einstellungen der Lehrkräfte** - Merkmale des Kindes, der Lehrkraft und des Kontexts für Einstellungen der Lehrkräfte gegenüber Inklusion relevant - **Merkmale des Kindes:** - Lehrkräfte gegenüber der Inklusion von Kindern mit schwach ausgeprägtem SPF und Kindern mit SPF im körperlichmotorischen Bereich am positivsten eingestellt - Lehrkräfte gegenüber der Inklusion von Kindern mit stark ausgeprägtem SPF und Kindern mit SPF in der sozial-emotionalen Entwicklung am negativsten eingestellt - **Merkmale der Lehrkraft** - Erfahrungen der Lehrkräfte mit Kindern mit SPF -> positivere Einstellungen zu Inklusion - tendenziell positivere inklusionsbezogene Einstellung von Grundschullehrkräften als von Sekundarstufenlehrkräften - **Aufgaben für Schulen** - Voraussetzungen erkennen, Haltungen entwickeln und Bedingungen schaffen: - Inklusionsförderliches Leitbild - Schulkultur der „egalitären Differenz" - Demokratische Strukturen und Partizipation - Lernvoraussetzungen ermitteln -> Förderpläne erstellen - Multiprofessionelle Teams - Elternarbeit - Netzwerke - Schulentwicklung überprüfen - Lernende Institution bleiben - **Herausforderungen:** - Mehr Kinder mit Förderbedarf - Hohe Differenzierung nötig - Kostenaufwand: LKs brauchen neues Wissen und Methoden um Inklusion gewährleisten zu können - Großer Zeitaufwand - Mögliche Vernachlässigung - Verhinderung des Schubladendenkens wichtig ## Zukunft der Förderschulen und Kritik an Umsetzung - Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland haben Anspruch auf Zugang zur Regelschule - Vorrang auf gemeinsame Beschulung in Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg, NRW, SchleswigHolstein und Thüringen - Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben keinen Vorrang an inklusiven Schulen - Mehr Förderschulen - Nicht konform mit UN-Behindertenrechtskonvention - Recht der Kinder, nicht der Eltern - Trotz Zusicherung von Inklusion sind Separative Tendenzen groß vertreten

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