Das späte Erwachsenenalter – 65. Lebensjahr bis zum Tod PDF
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Universität zu Lübeck
Prof. Dr. Nico Bunzeck
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Diese Präsentation behandelt das späte Erwachsenenalter, von 65 Jahren bis zum Tod und umfasst die Veränderungen im menschlichen Körper, Gedächtnis, Sprache, Sinnesorganen und psychosoziale Entwicklung. Sie befasst sich zudem mit dem Thema Sterben und den Fünf Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross.
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Das späte Erwachsenenalter – 65. Lebensjahr bis zum Tod Prof. Dr. Nico Bunzeck Universität zu Lübeck WS 24/25 Überblick Körperliche Veränderungen – Lebenserwartung, Nervensystem, Sin...
Das späte Erwachsenenalter – 65. Lebensjahr bis zum Tod Prof. Dr. Nico Bunzeck Universität zu Lübeck WS 24/25 Überblick Körperliche Veränderungen – Lebenserwartung, Nervensystem, Sinnesorgane, Herz-Kreislauf- und Atmungssystem Kognitive Veränderungen im Alter – Gedächtnis, Sprachverarbeitung Einflüsse auf kognitive Veränderungen Psychosoziale Entwicklung – Erikson, Peck, Erikson Am Ende der Lebensspanne – der Tod – Körperliche Veränderungen – Fünf Phasen des Sterbens 1 Körperliche Veränderungen Lebenserwartung Durchschnittliche/mittlere Lebenserwartung: zu erwartende Lebensjahre eines Menschen eines bestimmten Jahrgangs 1900 geboren: ca. 50 Jahre à heute: ca. 81 Jahre (Deutschland) Verbesserte medizinische Versorgung, Hygiene, Sicherheit à geringere Säuglingssterberate, Sterberate im Erwachsenenalter 2 Körperliche Veränderungen Lebenserwartung 3 Körperliche Veränderungen Unterschiede in der Lebenserwartung Frauen leben ca. 4-7 Jahre länger – Biologie / Genetik, (zusätzliches X-Chromosom à Östrogenspiegel, Immunsystem, Telomere) – Lebensstil – Soziale Faktoren – Krankheiten, insb. Herz-Kreislauf, Alkoholmissbrauch SÖS, Ethnizität, Nationalität Mittlere gesunde Lebenserwartung: Lebenserwartung ohne Erkrankungen und Verletzungen Entwicklungsländer – Lebenserwartung: ca. 50 Jahre – Mittlere gesunde Lebenserwartung (ca.): 44 Haiti, 38, Ruanda, 36 Afghanistan, 29 Sierra Leone Lebenserwartung in Gesundheit 4 Körperliche Veränderungen Nervensystem Volumenabnahme: Synapsen & Neurone sterben, Ventrikel dehnen sich aus Regionale Unterschiede Hedden & Gabrieli, Nat Rev Neuroscience, 2004 5 Körperliche Veränderungen Coupé et al., HBM 2017; n=2,944 6 Körperliche Veränderungen Nervensystem 7 Körperliche Veränderungen Nervensystem 8 Körperliche Veränderungen Nervensystem Kompensation neuronaler Degeneration – Neurogenese à Hippokampus, Präfrontal-Kortex, inferiorer Temporal-Kortex, Parietal-Kortex – Synaptogenese à Neubildung von Synapsen Funktionelle Kompensation – Weitflächigere Nutzung neuronaler Areale bei „fitten Alten“ à Neuronale Plastizität im Alter à Kompensation neuronaler Degeneration durch Art der Nutzung Dolcos et al., 2009 Neurosc Biobeh Rev 9 Körperliche Veränderungen Sinnesorgane Sehvermögen Grauer Star (Katarakt) – Trübung der Linse à verschwommene Sicht, Erblindung – Prävalenz: 25% in den 70ern; 50% in den 80ern – Ursache: Sonnenexposition, Genetik, Rauchen, Diabetes – Therapie: künstliche Linse Makuladegeneration – Verkümmern lichtempfindlicher Zellen der Makula à Skotom – Prävalenz: 10% 65-74 Jahre; 30% 75-85 Jahre – Ursache: Genetik, Rauchen, Adipositas, Arteriosklerose – Therapie: Medikamentös, Laser à Geringere Selbstsicherheit und verändertes Alltagsverhalten 10 Körperliche Veränderungen Sinnesorgane Hörvermögen – Presbyakusis Hohe Frequenzen à tiefe Frequenzen à komplexe Geräusche Ursachen: Degeneration Corti-Organ (Zelltod, Durchblutungsstörungen, Lärm) Abnahme Lebenszufriedenheit: Einsamkeit, depressive Symptome 11 Körperliche Veränderungen Sinnesorgane Geschmacks- und Geruchssinn Abnahme ab ca. 60. Lj. Ursache: Rauchen, Medikamente, Veränderung Geschmacksrezeptoren Geringere Lebensqualität, erhöhtes Risiko für Ernährungsmängel / -probleme Abnahme Geruchsrezeptoren ab ca. 60. Lj 12 Körperliche Veränderungen Sinnesorgane Tastsinn Nachlassende Sensitivität ab ca. 70 à v.a. Hände Ursache: Verlust Tastrezeptoren, Durchblutung der Gliedmaßen 13 Körperliche Veränderungen Herz-Kreislauf- und Atmungssystem Starke Änderungen meist im späten Erwachsenenalter Physiologische Änderungen Herzmuskel à weniger Kraft, Puls max. ê, langsamerer Blutfluss à Sauerstoffzufuhr ê Geringere Effizienz des Atmungssystems à geringere Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabgabe 14 Körperliche Veränderungen Zusammenfassung / Lernziele Gestiegene mittlere Lebenserwartung: Ernährung, medizinische Versorgung, Hygiene, Sicherheit Nervensystem – Neuronale Degeneration: Hirnrinde – Abnahme Gliazellen: weiße Substanz – Kompensation: Neurogenese, Synaptogenese, funktionelle Kompensation Sehschwäche à Selbstsicherheit und Alltagsverhalten – Grauer Star (Katarakt) – Makuladegeneration Gehör à eingeschränkte soziale Interaktion, verringert Lebenszufriedenheit Geschmacks-, Geruchs-, Tastsinn ê 15 Kognitive Entwicklung Fluide vs. Kristalline Intelligenz Kompensation geistiger Fähigkeiten durch kognitive Trainings Spätes Erwachsenenalter – Verluste überwiegen gegenüber Zugewinn/Erhalt – Abnahme Entwicklungspotential/Plastizität 16 Kognitive Entwicklung Selektive Optimierung mit Kompensation (Baltes, 1997) Wie können ältere Menschen ihre kognitiven Ressourcen optimal nutzen? Selektieren von Aktivitäten, um Nutzen nachlassender Energie zu optimieren Paul B. Baltes 1939-2006 Neue Möglichkeiten, um Verluste zu kompensieren Arthur Rubinstein – Selektiv optimieren: weniger Stücke, mehr üben – Kompensieren: Tempo Zielsetzung: Bewahren von Fähigkeiten und Vermeiden von Verlusten Arthur Rubinstein 1897-1982 17 Kognitive Entwicklung Gedächtnis Probleme offensichtlicher à Abruf von Kontext und zeitlicher Reihenfolge, assoziatives Gedächtnis – Lernen: Hund, Katze, Maus – Abruf: Alt/Neu & Farbe & Zeit Weniger beeinträchtigt: implizites Gedächtnis und Wiedererkennung Ursache für differentielle Effekte – Gedächtnisformen basieren auf unterschiedlichen Hirnstrukturen, die unterschiedlich altern – Hippokampus: assoziatives Lernen – Parahippokampal: ‚einfaches‘ Wiedererkennen 18 Kognitive Entwicklung 19 Kognitive Entwicklung Sprache Sprachverständnis wenig beeinträchtigt Spracherzeugung – Beeinträchtigung – Abruf von Wörtern aus LZG – Planen von Spracheà längere Antwortzeit, fehlerhafter Satzbeginn Kompensierung durch Vereinfachung von Grammatik und Inhalten 20 Kognitive Entwicklung Einflüsse auf kognitive Veränderungen Aktives geistiges Leben, überdurchschnittliche Bildung, soziale Kontakte Gesundheitszustand – Rauchen, Seh- und Hörschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Osteoporose und Arthritis Ruhestand – Positiv: anregende Freizeitaktivität nach Routinejob – Negativ: geringe kognitive Herausforderungen nach komplexem Job 21 Kognitive Entwicklung Einflüsse auf kognitive Veränderungen Terminaler Verfall – Beschleunigter kognitiver Abbau vor dem Tod à weniger aktiv und Rückzug – Spezifischer oder genereller Natur? – Dauer: 1-3 VS. 14 Jahre, Mittel ca. 4-5 Jahre – Typen: krankheitsbedingt VS. allgemeiner biologischer Verfall à Starker kognitiver Verfall als Zeichen schwindender Vitalität und herannahenden Tod 22 Kognitive Entwicklung Zusammenfassung / Lernziele Zunahme von Defiziten und Varianz Baltes: selektive Optimierung mit Kompensation Gedächtnisprobleme offensichtlicher – Kontextabruf, Reihenfolge, assoziatives Gedächtnis à Hippokampus VS. – ‚Einfaches‘ Wiedererkennen, implizites Gedächtnis Sprachverarbeitung – Sprachverständnis VS. Abruf von Wörtern und Planung – Kompensierung durch grammatische und inhaltliche Vereinfachung Einfluss von geistigen Tätigkeiten, Bildung, Kontakte, Gesundheitszustand, Ruhestand Terminaler Verfall: kognitive Funktionen ê, Tod 23 Psychosoziale Entwicklung Integrität vs. Verzweiflung Integrität: Einklang mit sich selbst, erfüllt, zufrieden mit Erreichtem Angepasst an Erfolge und Enttäuschungen des Lebens à Sinnhaftigkeit Tod verliert Schrecken: Leben als Bindeglied der menschlichen Existenz Erik H. Erikson Empirie (1902-1994) – Generativität als Prädiktor für Ich-Integrität – Korrelation zwischen Ich-Integrität und psychischem Wohlbefinden à Stimmung, Selbstakzeptanz, eheliche Zufriedenheit, Beziehung zu Kindern, soziales Engagement 24 Psychosoziale Entwicklung Integrität vs. Verzweiflung Verzweiflung – Zu viele falsche Entscheidungen, keine Todesakzeptanz, Bitterkeit, Gefühl der Niederlage und Hoffnungslosigkeit – Wut und Verachtung à Streitsucht, Nörgeln 25 Psychosoziale Entwicklung Robert Pecks Theorie der Entwicklungsaufgaben zur Ich-Integrität Drei Entwicklungsaufgaben – Ich Differenzierung: beruflicher Erfolg à andere Quellen der Selbstbestätigung – Körper-Transzendenz: Überwindung körperlicher Einschränkungen durch Konzentration auf Erfolgserlebnisse – Ich-Transzendenz: konstruktive Auseinandersetzung mit dem Tod à Leben für nachfolgende Generationen sicherer, inhaltvoller, lohnender Empirie – Zunahme von Körper-Transzendenz und Ich-Transzendenz – 80 vs. 60-Jährige: Akzeptanz von Veränderungen é, Angst vor Tod ê, Sinn des Lebens klarer 26 Psychosoziale Entwicklung Robert Pecks Theorie der Entwicklungsaufgaben zur Ich-Integrität Gerotranszendenz - Kosmische und transzendente Lebensperspektive, die sich in die Zukunft und nach außen richtet, über das Selbst hinaus - Innere Ruhe, Zufriedenheit, stilles Nachdenken - Empirisch nicht hinreichend belegt - Nachdenkliches/friedvollen Gemüt vs. soziales Engagement Joan M. Erikson Psychosoziale Entwicklungstheorie (Erik H. Erikson): 1902-1997 - Bedeutende aber oftmals vernachlässigter Einfluss - Mitdenkerin und Mitautorin vieler Werke 27 Am Ende der Lebensspanne – der Tod Körperliche Veränderungen beim Sterben Tod als natürlicher Bestandteil am Ende des Lebens Nur ca. 20% aller Tode „kurz und schmerzlos“ Haupttodesursachen – Kindheit/Adoleszenz: Unfälle – Erwachsenenalter: Herz-Kreislauf, Krebs Hirn/Herz ohne Sauerstoff, Pupillen weiter und lichtunempfindlich, Organtod Medizinische Versorgung verlängert Tod – Abnahme Muskelkontraktion Herz à Abnahme Sauerstoff – Flüssigkeit in der Lunge à Zunahme Bakterien à Organbefall – Krebszellen à Blutkreislauf à Organbefall 28 Am Ende der Lebensspanne – der Tod Körperliche Veränderungen beim Sterben Tage/Stunden vor dem Tod – Abnahme von: – Bewegung, Sprache, Essen, Trinken, Interesse an Umgebung – Körpertemperatur, Blutdruck, Blutversorgung Extremitäten Phasen kurz vor dem Tod – Agoniephase: Ringen nach Luft, Muskelkrämpfe Valentine Godé-Darel am Tag vor ihrem Tod (Gemälde – Klinischer Tod: Herzschlag, Kreislauf, Atmung, von Ferdinand Hodler, Januar 1915) Hirnfunktionen enden – Endgültiger Tod / Hirntod 29 Am Ende der Lebensspanne – der Tod Fünf Phasen des Sterbens – Kübler-Ross-Theorie Verleugnung – Abwehrmechanismus à Selbstschutz – Varianz innerhalb des Patienten möglich Wut – Geringe verbleibende Zeit – Ziel: Angehörige, Pfleger, Ärzte Verhandeln – Verlängerung des Lebens Depression Elisabeth Kübler-Ross 1926-2004 – Verstärkt durch Schmerzen, Abbau, Kontrollverlust und Abhängigkeit Akzeptanz – Rückzug von Freunden etc. 30 Am Ende der Lebensspanne – der Tod Fünf Phasen des Sterbens – Kübler-Ross-Theorie Wertung – Keine universellen Stufen und Reihenfolge – trotzdem empirisch evident – Streben nach: Überwindung der Krankheit, Kontrolle über Körper – Umgebung Gutes tun, restliche Zeit genießen – Vernachlässigung von Kontext à Lebensumfeld, Persönlichkeit, Alter, Religion à Biologische, psychologische, soziale und kulturelle Faktoren beeinflussen Bewältigung der Sterbesituation 31 Psychosoziale Entwicklung und der Tod Zusammenfassung / Lernziele Erikson: Integrität VS. Verzweiflung Peck: 3 Entwicklungsaufgaben à Ich-Differenzierung, Körper-Transzendenz und Ich-Transzendenz Joan Erikson: Gerotranszendenz à innerliche Ruhe, stilles Nachdenken Tod und Sterben als natürliches Ende des Lebens: – Beeinflusst durch medizinischen Fortschritt – Agonie, klinischer Tod, endgültiger Tod Kübler-Ross Theorie: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression, Akzeptanz 32