Einführung in die Soziologie Zusammenfassung PDF

Summary

Diese Zusammenfassung behandelt die Einführung in die Soziologie, die an der Universität Würzburg im Wintersemester 2019/2020 angeboten wurde. Sie beleuchtet zunächst verschiedene Definitionen der Soziologie und wichtige Konzepte wie Handeln, soziales Handeln und Vergemeinschaftung. Darüber hinaus wird der Strukturwandel im 19. Jahrhundert und der Wertfreiheit in der Soziologie behandelt.

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„Einführung in die allgemeine Soziologie“ WS 2019/2020 Universität Würzburg Annährung an eine Disziplin- Soziologie (zugehörige Literatur: Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie/ Joas, Lehrbuch der Soziologie) „Soziolog...

„Einführung in die allgemeine Soziologie“ WS 2019/2020 Universität Würzburg Annährung an eine Disziplin- Soziologie (zugehörige Literatur: Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie/ Joas, Lehrbuch der Soziologie) „Soziologie ist das, was Leute tun, die sich Soziologen nennen, wenn sie sagen, dass sie Soziologie betreiben. Mehr nicht.“ (Dahrendorf 1989) è Soziologie als Praxis, daher schwer zu definieren „Soziologie ist die Wissenschaft vom Sozialen, d.h. den verschiedenen Formen der Vergemeinschaftung (z.B. Familie/ Verwandtschaft/ Sippe, Nachbarschaft, soziale Gruppe) und der Vergesellschaftung (Organisation, Gesellschaft, Staat) der Menschen.“ (Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, 31992, 288) è Keine Definition möglich, da Soziologie auf einem Prozess beruht o Vergemeinschaftung findet auf der Mikro-Ebene statt; Perspektive des eigenen Handelns o Vergesellschaftung findet auf der Makro-Ebene statt; soz. Gebilde/ kollektives Handeln „Will man die S. von ihren Objekten her bestimmen, kann man definieren: Die Soziologie ist diejenige Sozialwissenschaft, die sich mit den sozialen Subjekten, den sozialen Prozessen und den sozialen Katalysatoren beschäftigt.“ (Endruweit in: Endruweit/Trommsdorff (Hg.), Wörterbuch der Soziologie 1989, 656) è Keine Definition möglich, da ständig Veränderung erfolgt S. ist die Wissenschaft, die „mit disziplineigenen Begriffen, Theorien und Methoden Struktur-, Funktions- und Entwicklungszusammenhänge der Gesellschaft beschreibt und erklärt.“ (Reimann in: Fuchs-Heinritz et al. (Hg.), Lexikon zur Soziologie, 31994, 624) „… sie fragt nach den Strukturen des sozialen Handelns und der sozialen Gebilde und welchem Wandel diese unterliegen. Die S. ist eine empirische Sozialwissenschaft; ihre Beziehungen zu den Geistes- und Kulturwissenschaften, aber auch zur Psychologie, sind evident.“ (Schäfers, Grundbegriffe der Soziologie, 92006, 272) è Soziologie als Wiklichkeitswissenschaft „Soziologie … soll heißen: eine Wissenschaft, welche sozi-ales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und in seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ‚Handeln’ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen und Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ‚Soziales’ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Max Weber, Soziologische Grundbegriffe, § 1) è Hauptansatz: keine Institutionen oder Prozesse, sondern nur das Handeln des Individuums zählt o Handeln = mit subjektivem Sinn o Verhalten = kein subjektiver Sinn o Soziales Handeln = Verhalten für welches wir uns bewusst entscheiden und auf andere Personen beziehen § Hängt von Gesellschaft und Normen ab § Schafft Handlungszwänge § Reflexiv: verursacht immer eine Reaktion (Anschlussfähigkeit) - Undefinierbarkeit/ Unbestimmtheit - Soziologie als Wissenschaft der Moderne => Umbruchs- oder Krisenwissenschaft; entsteht durch (Ver)änderung in der Gesellschaft Strukturwandel im 19. Jhd. - Industrialisierung - Urbanisierung - Alphabetisierung - Soziale Frage - Neue Lebensformen - Neue Berufe - Neue Medien - Neue Techniken I. Industrialisierung II. Entdeckung kultureller Unterschiede III. Politische und geistige Umwälzung (Rebellion gegen das alte System, neue Ideale) è Neudefinierung von Gesellschaft, Ordnung und Kultur Systematik der Soziologie - Allgemein vs. Speziell - Forschungsmethoden: qualitativ + quantitativ Kontingenz (als Eigenwert der Moderne) - Das Auch-Anders-Möglichsein von Etwas - Die Negation von Unmöglichkeit und Notwendigkeit Wirklichkeitswissenschaft - Deskriptive (nicht präskriptive) Wissenschaft - Selbstverständlichkeit als Grundstein Wertfreiheit „In den Grenzen seiner Tätigkeit als Soziologe gibt es jedoch nur einen fundamentalen Wert: wissenschaftliche Redlichkeit. Um ihretwillen muß er noch auf seinem eigensten Gebiet seine Überzeugungen, Gefühle und Vorurteile in Rechnung stellen. Es gehört zu seiner Ausbildung im Fach, dass er dergleichen als Voreingenommenheiten erkennt, unter Kontrolle hält und so weit wie möglich von seiner Arbeit fernhalten lernt. … Der Soziologe will sehen, was da ist, das Vorhandene, Gegebene, ohne Rücksicht auf seine eigenen Wünsche und Sorgen. Was er sieht, kann er erhofft oder befürchtet haben. Was er vollzieht, ist jedoch ein Akt lauterer Wahrnehmung, und zwar so ausschließlich, wie die begrenzten Möglichkeiten des Menschen es zulassen.“ (Berger 15) „Die Vernunft hat immer existiert, nur nicht immer in der vernünftigen Form. Der Kritiker kann also an jede Form des theoretischen und praktischen Bewußtseins anknüpfen und aus den eigenen Formen der existierenden Wirklichkeit die wahre Wirklichkeit als ihr Sollen und ihren Endzweck entwickeln.“ (Karl Marx, … aus den Deutsch-Französischen Jahrbüchern (1844), MEW 1, 345) - Selbstverständlichkeit bei der Betrachtung soz. Phänomene ausklammern - Soziologie als parteiliche Wissenschaft Gegenstände und Methoden der Soziologie (Durkheim- Regeln) (zugehörige Literatur: Durkheim, Regeln S.103-140) „Wenn ich meine Pflichten als Bruder, Gatte oder Bürger erfülle, oder wenn ich übernommene Verbindlichkeiten einlöse, so gehorche ich damit Pflichten, die außerhalb meiner Person und der Sphäre meines Willens im Recht und der Sitte begründet sind. Selbst wenn sie mit meinen persönlichen Gefühlen im Einklang stehen und ich ihre Wirklichkeit im Innersten empfinde, so ist diese doch etwas Objektives. Denn nicht ich habe diese Pflichten geschaffen, ich habe sie vielmehr im Wege der Erziehung übernommen.“ (Durkheim 1984: 105) Was ist ein sozialer Tatbestand? „Wir finden also besondere Arten des Handelns, Denkens, Fühlens, deren wesentliche Eigentümlichkeit darin besteht, dass sie außerhalb des individuellen Bewusstseins existieren.“ (Durkheim 1984: 106) „Hier liegen also eine Klasse von Tatbeständen von sehr speziellem Charakter vor: sie bestehen in besonderen Arten des Handelns, Denkens und Fühlens, die außerhalb des Einzelnen stehen und mit zwingender Gewalt ausgestattet sind, kraft derer sie sich ihnen aufdrängen. è Zwang richtet sich nach den Konventionen der Gesellschaft (Bsp. Dieselbe Sprache sprechen, Währung benutzen) Mit organischen Erscheinungen sind sie nicht zu verwechseln, denn sie bestehen aus Vorstellungen und Handlungen, ebenso wenig mit psychischen Erscheinungen, deren Existenz sich im Bewusstsein des Einzelnen erschöpft. è Abgrenzung zu anderen Tatbeständen Sie stellen also eine neue Gattung dar und man kann ihnen mit Recht die Bezeichnung ‚sozial’ vorbehalten. … Denn da ihr Substrat nicht im Individuum gelegen ist, so verbleibt für sie kein anderes als die Gesellschaft, sei es die staatliche Gesellschaft als Ganzes, sei es einer der Teilgruppen …, Religionsgemeinschaften, … berufliche Korporationen. è Verortung der sozialen Tatbestände nur in der Gesellschaft möglich … Andererseits gebührt sie ihnen ausschließlich. Denn das Wort ‚sozial’ hat einen bestimmten Sinn einzig unter der Voraussetzung, dass lediglich die Erscheinungen damit benannt werden, die in keine andere schon bestehende und benannte Kategorie fallen. Sie bilden also das der Soziologie eigentümliche Gebiet.“ (Durkheim 1984: 107) Definition: soziologischer Tatbestand „ein soziologischer Tatbestand ist jede mehr oder minder festgelegte Art des Handelns, die die Fähigkeit besitzt, auf den Einzelnen einen äußeren Zwang auszuüben; oder auch, die im Bereiche einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihrem individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt.“ (Durkheim 1984: 114 Herv. Im Org.) - Kollektivismus - Holismus - „Emergenz“ (mehr als nur die Summe der Eigenschaften seiner Teile) Schlüsselelemente vorangehender Zitate ð Jegliche Handlung, die sich innerhalb einer Gesellschaft vollzieht und vollzogen wird stellt einen sozialen Tatbestand dar, solange sie von sozialem Interesse ist. ð S.T. sind eine Art des Handelns, die im Bereich einer gegebenen Gesellschaft allgemein auftritt, wobei sie ein von ihren individuellen Äußerungen unabhängiges Eigenleben besitzt o S.T. sind außerhalb der Person begründet, stehen außerhalb des Einzelnen, existieren jenseits des individuellen Bewusstseins o Das Substrat der S.T. liegt in der Gesellschaft, nicht im Individuum o Sie sind nicht mit psychischen Erscheinungen zu verwechseln, deren Existenz sich im Bewusstsein des Einzelnen erschöpft o Daher mit Recht die Bezeichnung „soziale (!) Tatbestände“ ð S.T. sind eine Art des Handelns, die mit einer zwingenden Gewalt ausgestattet ist o Selbst wenn die S.T. im Einklang mit dem Willen der Person stehen, sind sie doch etwas Objektives o Denn nicht die Person selbst schafft die S.T., viel mehr werden sie im Laufe der Sozialisation / Erziehung übernommen o Der Zwang kommt besonders zum Ausdruck, wenn man versucht sich gegen die sozialen Tatbestände zu wehren. Man wird sanktioniert, mit massiven Beschränkungen konfrontiert (Eigene Notiz) o Zwang wird nur unterbewusst wahrgenommen und erst dann reflektiert, wenn man sich außerhalb der subjektiven Wahrnehmung befindet ð S.T. sind nicht mit organischen Erscheinungen zu verwechseln, denn sie bestehen aus Vorstellungen und Handlungen Das Adjektiv „sozial“ hat einzig dann einen bestimmten Sinn, wenn man damit nur Erscheinungen benennt, die nicht bereits in eine andere bestehende Kategorie (Psychologie, Physik) fallen. Genese des sozialen Wesens durch Erziehung „Wenn mit der Zeit dieser Zwang nicht mehr empfunden wird, so geschieht dies deshalb, weil er nach und nach Gewohnheiten und innere Tendenzen zur Entstehung bringt, die ihn überflüssig machen; aber sie ersetzen ihn nur, weil sie ja von ihm herstammen.“ (Durkheim 1984: 109) - Unbewusste Wahrnehmung; „anerzogenes Verhalten“; übernehmen Glaubensvorstellungen/Gewohnheiten- als Werk des Kollektivs (Bsp. Anziehen; Sprache) - Streitpunkt Durkheim: man ist nicht vorbestimmt/ determiniert; aber soz.T üben „Zwang“ aus, aber dieser Zwang schließt individuelle Freiheit nicht unbedingt aus - Der Einzelne wird von der Gesamtheit mitgerissen Wiederholbarkeit und Korporalität „In der Tat nehmen manche Arten des Handelns und des Denkens infolge ihrer ständigen Wiederholung eine gewisse Konsistenz an, welche sie gewissermaßen beschleunigt und sie von den einzelnen Ereignissen isoliert, in denen sie sich vollziehen. Sie nehmen körperhafte Gestalt, wahrnehmbare, ihnen eigene Formen an und bilden eine Realität sui generis, die sich von den individuellen Handlungen, in denen sie sich offenbart, vollständig unterscheidet. (Durkheim 1984: 109) Realität sui generis- eigen hergestellte Realität „Was nun ihre persönlichen Erscheinungsformen betrifft, so tragen diese allerdings etwas Soziales in sich, da sie teilweise ein Kollektivmodell reproduzieren.“(Durkheim 1984: 110,111) => nur teilweise, da nicht alles was das Kollektiv ausmacht, auch individuell übertragbar ist (Bsp. Alle tragen Kleidung, aber jeder kleidet sich unterschiedlich) Kollektivität und nicht Allgemeinheit „(…) aber wenn es (das soziale Phänomen) allgemein ist, so ist es das, weil es kollektiv (d.h mehr oder weniger obligatorisch) ist; und nicht umgekehrt ist es kollektiv, weil es allgemein ist.“ => Soziale Tat kann nicht durch Allgemeinheit definiert werden Es ist ein Zustand der Gruppe, der sich bei den Einzelnen wiederholt, weil er sich ihnen aufdrängt. Er ist in jedem Teil, weil er im Ganzen ist, und er ist nicht im Ganzen, weil er in den Teilen ist.“ (Durkheim 1984: 111) => Allgemeinphänomene sind Kollektivphänomene; aber Kollektivphänomene müssen nicht Allgemeinphänomene sein bsp. Kleiderordnung-> gilt für alle Teile (Menschen ziehen sich an) - Das Ganze existiert nicht ohne, dass die Teile da sind (Kleiderordnung kann nicht existieren, wenn nicht einzelne Teile da sind, die es ausführen-> kollektives Handeln - die einzelnen Teile konstruieren das Ganze; soz. Tat etabliert sich durch wiederholende Kleiderordnung -> entwickelt eigene Realität-> Zwang: jeder zieht sich an - alle angezogen-> allgemein (und kollektiv) - alle angezogen; einer nicht-> kollektiv, aber nicht allgemein =>Der soziologische Tatbestand kann nicht definiert werden durch seine Allgemeinheit innerhalb einer Gesellschaft Die Macht der sozialen Phänomene „Ein soziales Phänomen ist an der äußerlich verbindlichen Macht zu erkennen, die es über die Einzelnen ausübt oder auszuüben imstande ist; und das Vorhandensein dieser Macht zeigt sich wiederrum an entweder durch das Dasein einer bestimmten Sanktion oder durch den Widerstand, den das Phänomen jedem Beginnen des Einzelnen entgegensetzt, das ihn zu verletzen geeignet ist.“ (Durkheim 1984: 112) =>Der Zwang steht nicht über uns, aber wenn wir dagegen arbeiten folgt eine Reaktion/ Widerstand/ Sanktion (bsp. Man ist nicht angezogen; Mitmenschen lachen einen aus) Regeln zur Betrachtung der soz. Tatbestände „Die erste und grundlegenste Regel besteht darin, die soziologischen Tatbestände wie Dinge zu betrachten.“ (Durkheim 1984: 115) Diese (Wissenschaft) geht von den Ideen an die Dinge und nicht von den Dingen zu den Ideen. (Durkheim 1984: 115) „Sie sind von der Praxis und für die Praxis geschaffen.“ (Durkheim 1984: 116) Wenn Durkheim sagt, man solle die soziologischen Tatbestände wie „Dinge“ betrachten, dann meint er damit, dass man sich allen Vorurteilen und unwissenschaftlichen Urteilen (nach Bacon: notiones vulgares oder praenotiones), also Ideen, entledigen soll, bevor man sich wissenschaftlich an diese Tatbestände nähert. - naiv, da Individuen immer mit eigener Sichtweise auf „Dinge“ blicken „Es sind die idola, gewissermaßen Phantome, die das wahre Aussehen der Dinge entstellen und die wir dennoch für die Dinge selbst nehmen.“ (Durkheim 1984: 117) Kritik Durkheim: Wissenschaftler schauen sich die Ideen, nicht aber die Dinge selbst an (Bsp. Seefahrer 16 Jhd; Sie wussten es gibt Ebbe/Flut (Idee), aber sie wussten nicht den Grund; da sich die Erde um die Sonne dreht (Ding/ wissenschaftliche Erklärung)) => Es ist fast unmöglich, das wahre Wesen der Dinge so zu erfassen wie es ist. => Bei der sozialen Betrachtung von Dingen wird nach einem möglichst hohen Abstraktionsgrad gestrebt „Tatsächlich werden soziale Verhältnisse nur durch Menschen verwirklicht. Sie sind ein Erzeugnis menschlicher Tätigkeit.“ (Durkheim 1984: 117) „Demnach haben diese und ihnen analoge Tatsachen scheinbar keine andere Realität als in den Ideen und durch die Ideen, denen sie ihren Ursprung verdanken; daher werden diese Ideen der eigentliche Gegenstand der Soziologie.“ (Durkheim 1984: 118) => soziologischer Tatbestand als ein dynamischer, sich ständig wandelnder Prozess Definition der Dinge „Ein Ding ist ja alles, was gegeben ist, was sich in der Beobachtung anbietet oder vielmehr sich ihr aufdrängt. Die Erscheinung wie Dinge zu betrachten, bedeutet also, sie in ihrer Eigenschaft als data zu behandeln, die den Ausgangspunkt der Wissenschaft darstellen.“(Durkheim 1984: 125) „Wir müssen also die sozialen Erscheinungen in sich selbst betrachten, losgelöst von den bewussten Subjekten, die sie sich vorstellen; wir müssen sie von außen, als Dinge der Außenwelt betrachten.“ (Durkheim 1984: 125) In der Tat wird ein Ding hauptsächlich daran erkannt, dass es durch einen bloßen Willensentschluss nicht veränderlich ist. (Durkheim 1984: 126) =>Unveränderbarkeit, aber wir merken den Zwang, der uns entgegengesetzt wird Folgerung für die soziologische Wissenschaft „Es ist notwendig, alle Vorbegriffe systematisch auszuschalten.“ (Durkheim 1984: 128) „Sie ist übrigens die Grundlage für jedes wissenschaftliche Verfahren.“(Durkheim1984: 128) „Der Soziologe muss also, sowohl bei der Bestimmung des Gegenstandes seiner Forschung als auch im Verlauf seiner Beweisführung, sich des Gebrauchs von Begriffen entschieden entschlagen, die außerhalb der Wissenschaft und für Bedürfnisse, die nichts Wissenschaftliches an sich haben, gebildet wurden.“ (Durkheim 1984: 128) Problem: „Die Gedanken, welche wir uns über sie machen, ergreifen unser Gefühl ganz so wie ihre Objekte und erringen dadurch eine solche Autorität, dass sie keinen Widerspruch vertragen.“(Durkheim 1984: 129) => eigene Subjektivität ist immer da; mindert die Objektivität „Das Gefühl ist Gegenstand der Wissenschaft, aber kein Kriterium der wissenschaftlichen Wahrheit.“ (Durkheim 1984: 130) => man kann sich niemals vollständig von den zu analysierenden soziologischen Tatbeständen abstrahieren, da sie einen Zwangcharakter auf uns ausüben Explanans vs. Explanandum Explanandum – das zu Erklärende / das Phänomen Explanans – das Erklärende/ die Ursache „Die Erklärung des Explanandums besteht in dem Nachweis, daß die Aussage über das Explanandum in bestimmter Weise in einer Klasse von anderen Aussagen logisch enthalten ist. Diese Klasse von erklärenden Aussagen wird als das Explanans bezeichnet. Es hat selbst wiederum zwei Bestandteile: Allgemeine Gesetze und Randbedingungen.“ (Esser, Soziologie, Allg. Grundlagen, S. 40) Bsp. Wirtschaftsform moderner Kapitalismus (Explanandum) vs. Prädestinationaslehre (Explanans) Bsp. kollektives Explanandum vs. Soziale Struktur (Explanans) Interaktionsebenen Mikro- (bsp. Interaktion) Meso- Ebene (bsp. Organisation) Makro- (bsp, Gesellschaft) Max Weber Grundbegriffe/ Handlungsmethodologie (zugehörige Literatur: Weber, Grundbegriffe S.540-581) „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ‚Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. ‚Soziales‘ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ (Weber Handlungsmethodologie) Verstehen (Sinnverbindung einer Handlung begreifen) Erklären (Kausalanalyse) Motiv „(…) heißt ein Sinnzusammenhang, welcher dem Handelnden selbst oder dem Beobachtenden als sinnhafter ‚Grund’ eines Verhaltens erscheint.“ Sinnzusammenhang selbst, den der Beobachtende wahrnimmt und in eine Handlungskette eingliedert Zwei Arten des Verstehens - Aktuelles Verstehen des gemeinten Sinns einer Äußerung o Bsp. wir verstehen aktuell bsp. den Satz „2x2=4“ auf einem Blatt Papier - Erklärendes Verstehen bedeutet „Erfassung des Sinnzusammenhangs, in den, seinem subjektiven Sinn nach, ein aktuell verständliches Handeln hineingehört.“ o Laut Weber hat man erst etwas verstanden, wenn man es auch erklären kann. o Bsp. Bäcker 2 Brötchen in 2 verschiedene Tüten § Selbe Rechenoperation, aber mit einem anderen Motivationsgrund o Motivationsmäßiges Verstehen: Einordnen in einen Sinnzusammenhang Zuordnung einer Handlung „Sinnhaft adäquat soll ein zusammenhängend ablaufendes Verhalten in dem Grade heißen, als die Beziehung seiner Bestandteile von uns nach den durchschnittlichen Denk- und Gefühlsgewohnheiten als typischer (wir pflegen zu sagen: ‚richtiger’) Sinnzusammenhang bejaht wird.“ è Handlung läuft einfach ab - z.B. die nach den uns geläufigen Normen des Rechnens oder Denkens richtige Lösung eines Rechenexempels: 1. Abhängig vom Wissensstand der Gesellschaft? 2. Z.B die uns geläufigen Normen des Rechnens „Kausal adäquat soll dagegen ein Aufeinanderfolgen von Vorgängen in dem Grade heißen, als nach Regeln der Erfahrung eine Chance besteht: daß sie in stets gleicher Art tatsächlich abläuft.“ => Wechselspiel zwischen Ursache und Wirkung => Zusammenhang ist erwartungsgesteuert => Basiert auf Erfahrung und läuft stets in gleicher Art ab; Regelmäßigkeit und Wahrscheinlichkeit desselben Handlungsablaufen immer wieder erkenntlich Bsp. Kirche: Priester „ruft“ und die Gemeinde „antwortet“ Verstehen als deutende Erfassung: a) des im Einzelfall real gemeinten (bei historischer Betrachtung) oder b) des durchschnittlich und annäherungsweise gemeinten (bei soziologischer Massenbetrachtung) oder c) des für den reinen Typus (Idealtypus) einer häufigen Erscheinung wissenschaftlich zu konstruierenden (‚idealtypischen’) Sinnes oder Sinnzusammenhangs. Die verschiedenen Arten des Handelns bzw. des Aufeinander-Agierens Verhalten ist sinnbefreit (rein instinktiv, reaktiv, unbewusst, ohne (Intentions)Sinn) Nach Weber ist Verhalten eine Methode von sozialem Handeln Verstehendes Verhalten => doppelte Hermaneutik Handeln besitzt eine Intention/ subjektiven Sinn ‚Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. è subjektiver Sinn als Unterschied zwischen Verhalten und Handeln è primärer Träger ist stets der einzelne Mensch Der Begriff Intention muss systematisch vom subjektiven Sinn getrennt werden! Intention muss nicht vorhanden sein, sie kann auch nur hineininterpretiert werden! Soziales Handeln ‚Soziales’ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ - kann orientiert werden an vergangenem, gegenwärtigem oder künftig erwarteten Verhalten anderer - „Andere“ müssen nicht vorhanden sein o Bsp. Bauer (nach Weber): Solange es nur auf sich selbst bezogen ist, ist es kein soziales Handeln (Selbstversorgung etc; auch Vorsorge für die Zukunft) Im Bezug auf andere Bsp. Markt/ Drittkonsumenten/ unbekannter Anderer ist es soziales Handeln - Übergänge zum bloßen Handeln sind fließend - Soziales Handeln = Erkenntnisgegenstand der Soziologie - Bsp. Beten -> kein soziales Handeln (Gab/Gibt es Gott? Kann man ihn als „Anderen“ bezeichnen? - Bsp. Lesen -> soziales Handeln (da es sich auf Werke von realen Personen bezieht Bsp. Aristoteles) Bestimmungsgründe des sozialen Handelns zweckrational Orientierung des Handelns an Kategorien des Zwecks und der (geeigneten) Mittel und der etwaigen Nebenfolgen wertrational Orientierung des Handelns im Sinne des bewußten Glaubens an den Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens traditional Orientierung des Handelns an eingelebten Gewohnheiten affektuell Orientierung des Handelns an aktuellen Affekten und Gefühlslagen Soziale Beziehung §3: „Soziale ‚Beziehung’ soll ein nach seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und da- durch orientiertes Sichverhalten mehrerer heißen. Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich: in der Chance, daß in einer (sinnhaft) angebbaren Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst, worauf diese Chance beruht.“ Abgrenzungskriterium zwischen sozialem Handeln &sozialer Beziehung ist Frage der Sinnorientierung - Einseitig vs. Wechselseitig o Bsp. A orientiert sich an B -> einseitig (soziales Handeln) o Bsp. A orientiert sich an B; B orientiert sich an A -> wechselseitig (soziale Beziehung) - Gleich vs. Verschieden „Aufeinander bezogen ist sie aber auch dann insofern, als der Handelnde vom Partner (vielleicht ganz oder teilweise irrigerweise) eine bestimmte Einstellung dieses letzteren ihm (dem Handelnden) gegenüber voraussetzt und an diesen Erwartungen seine eigenes Handeln orientiert, was für den Ablauf des Handelns und die Gestaltung der Beziehung Konsequenzen haben kann …“ (WG 14) è Erwartung wird vorausgesetzt è Künftiges Handeln orientiert sich an dieser Erwartung è Ist diese Erwartung einseitig oder wechselseitig? „Zweifach einseitige soziale Beziehung“ Soziale Beziehung: Wechselseitigkeit oder unterstellte Wechselseitigkeit? ((soziales) Handeln oder unterstelltes Handeln?) Soziologie als Theorie sozialen Handelns? vs Soziologie als Theorie zugeschriebenen sozialen Handelns? Thomas-Theorem: „If men define situations as real, they are real in their consequences.“ „Wenn Menschen Situationen als real definieren, so sind sie in ihren Konsequenzen real.“ (William I. Thomas, Dorothee S. Thomas, „The Child in America“ (1928)) Macht und Herrschaft (Zugehörige Literatur: Popitz/ Das Konzept von Macht; Macht und Herrschaft) (Zugehörige Literatur: Popitz/ Macht und Herrschaft: Stufen der Institutionalisierung von Macht) (Zugehörige Literatur: Weber/ Herrschaft) Macht - als asymmetrische soziale Beziehung - keine Eigenschaft von Personen, sondern ein Begriff, der die Beziehung zwischen Personen (Beziehungsqualität) beschreibt - Über/Unterordnungen Bsp. Weber Befehl/Gehorsam - Vorhandene Handlungsalternative - Soziologisch amorph (bestand schon immer und wird immer weiter bestehen) - Macht ist machbar Potentia vs. Potesias Potentia = „power to“; Vermögen selbst Veränderungen herbeizuführen/ in meine Umwelt einzugreifen Potesias = „power over“; Herrschaftsverhältnis; Verfügungsgewalt; ich besitze die Kontrolle über etwas „In der Lage zu sein, ‚anders zu handeln’, bedeutet, fähig zu sein, in die Welt einzugreifen bzw. einen solchen Eingriff zu unterlassen mit der Folge, einen spezifischen Prozess oder Zustand zu beeinflussen. Ein Handelnder zu sein setzt mithin die Fähigkeit voraus, eine Reihe von Kausalkräften … zu entfalten, einschließlich derjenigen, die der Beeinflussung der von anderen entfalteten Kräfte dienen. Handeln hängt von der Fähigkeit eines Individuums ab, ‚einen Unterschied herzustellen zu einem vorher existierenden Zustand oder Ereignisablauf, d.h. irgendeine Form der Macht auszuüben.“ (Anthony Giddens, Die Konstitution der Gesellschaft, S. 66) Dimensionen der Macht 1. Machtquellen (bsp. Körperliche Überlegenheit, Ressourcenverfügung; Charisma) 2. Machtmittel (bsp. Gewalt, Informationen, Kapital als Medium der Ausübung) 3. Formen der Machtausübung Man kann Macht als eine Konzentration von Zwang und Gewalt begreifen (bsp. Gewalt, Amtsautorität, Kontrolle, Überzeugungskraft) 4. Wirkungsmechanismen von Macht (Bsp. Unterwürfigkeit, Gehorsam, Beeinflussung von Weltansichten) Macht (1) vs. Zwang (2) vs. Gewalt (3) Alter- Andere Ego- Ich (1) Eine soziale Konstellation, in der sich Ego und Alter Ego gegenüberstehen, beide (!) Handlungsalternativen haben, die sie vermeiden möchten, der Machtunterworfene diese Alternative aber eher vermeiden möchte als der Machthaber. Bsp.: Machthaber und Machtunterworfener wollen beide Gewalt vermeiden. Machtunterworfener will Gewalt aber mehr vermeiden, daraus folgt eine Fügungsbereitschaft! (2) Zwang als soziale Situation in der es keine Handlungsmöglichkeiten gibt (3) Gewalt als zu vermeidene Handlungsalternative bsp. Drohung; Drohpotential von Macht - In dem Moment, wo die Drohung wahr wird, verliert sie ihre Relevanz als zu vermeidene Handlungsalternative Anthropologische Grundformen der Macht (nach Popitz) 1. Aktionsmacht (Verletzungsmacht) - Unmittelbar, situativ (Strafe/Belohnen; Verletzen/Verletzt werden) - Verletzbarkeit des Menschen „Menschen können Macht über andere ausüben, weil sie andere verletzen können“ (Popitz: 25) - Ist punktuell, auf einzelne Aktionen begrenzt 2. Instrumentelle Macht (Unterwerfungsmacht) - Auf Dauer stellen von Macht - dadurch rentabel und dehnbar (erfolgreiche Drohung spart bei konformen Handeln die Kosten ihrer Durchsetzung, die Machtmittel lassen sich dann auch gegen andere einsetzen) (bsp. Nur eine Kugel in der Pistole, aber mehreren Menschen kann man erfolgreich drohen) - Zielt darauf ab das Verhalten Anderer durch Strafe/Belohnen bzw. Drohen/Versprechen zu steuern „Das jederzeit Mögliche kann das Verhalten jederzeit steuern.“ è Basis: Geben-und Nehmen können, das Verfügen über Strafen und Belohnungen è Methode: Formulierung einer Alternative durch Entweder- oder Methode o Zukunftsorientiertheit unserer Interaktionen (Bedürfnis Interaktion am zukünftigen Handeln zu orientieren; anderes Verhalten vorherzusehen; Erwartbarkeit) - Menschen werden dauerhaft zum Werkzeug fremden Willens bsp. als Multiplikatoren der Macht 3. Autoritative Macht (Verhaltenssteuernde Macht) - Äußere Macht: Macht des Drohens und Versprechens - Innere Macht: erzeugt willentliche, einwilligende Folgebereitschaft - Macht ohne einen expliziten Drohcharakter (als Teil unseres Verhaltensspektrums) è Basis: Orientierungsbedürftigkeit, Maßstabs-Bedürftigkeit des Menschen; Mensch strebt nach Anerkennung è Methode: Autoritätsbeziehung - Alternativen werden bewusst eingesetzt, um Verhalten und Einstellung anderer zu steuern 4. Datensetzende Macht (objektive Macht technischen Handelns) - Macht der Hersteller - Die Macht des Datensetzens wirkt über die Lebensbedingungen der Beherrschten über den Umweg von „technischen (vom Mensch gefertigten) Objekten“ (=„Artefakte“) - Durch technisches Handeln ändert der Hersteller nicht nur den Zustand des bearbeiteten Gegenstandes bzw. der Natur, sondern auch die Lebensbedingungen der betroffenen Menschen, indem er Daten/Voraussetzungen für die Situation anderer schafft è „Datensetzer“ übt Macht über „Datenbetroffenen“ aus - Gesetze Daten stellen eine Macht dar; produzieren einen Handlungsunterschied, sind handlungseinschränkend Instrumentelle und autoritative Macht steuern das Verhalten der Betroffenen è beide wirken aufgrund von Alternativen o instrumentelle Macht lenkt das Verhalten o autoritative Macht lenkt das Verhalten und die Einstellung Aktionsmacht und datensetzende Macht è verändern die Situation Betroffener und damit die Spielräume möglichen Verhaltens KOMBINATIONEN dieser Machtformen sind möglich Stufenmodell der Institutionalisierung von Macht (nach Popitz) 1. Sporadische Macht o Einzelsituation o kurzfristiger Machtmittelgebrauch (nicht lange gültige Mittel) o nicht dauerhaft, nicht organisiert o Hier-und-Jetzt Fügsamkeit (Bsp. einmaliger Überfall auf einer Brücke; „Gib mir dein Geld“) 2. Normierende Macht o Wiederholung; Situation ruft automatische Verhaltensweisen hervor; Machtausübung gewinnt Routine, Verhaltensweisen verinnerlichen sich o Immer-wenn-dann Fügsamkeit o Macht wird konditioniert o Sparsamkeit im Einsatz von Mittel, da Verhaltensweise von sich aus kommt (Bsp. „Immer wenn du über die Brücke willst, musst du mir Geld geben“) 3. Positionalisierung von Macht o Macht wird nicht mehr personalisiert, sondern positionalisiert; Positioneller Charakter statt persönlicher Charakter § Es gibt einen Vorgänger/Nachfolger o Von jeweiligen Inhabern wird die Ausführung bestimmter Funktionen normierender Macht erwartet (bsp. König, Präsident, Minister) è Entpersonalisierung des Machthabers und Einordnen einer Machtposition in ein Herrschaftsgefüge (Über-personale Machtstellung mit Sanktionsgewalt) 4. Entstehung von Positionsgefügen der Herrschaft o Entstehung eines Herrschaftsgefüge, Herrschaftsapparate o Herrschaftsapparate als neue Verwaltungsinstanzen o Organisierung von Herrschaft mittels Arbeitsteilung; o Herrschaftsfunktionäre werden austauschbar, aber die Herrschaftsfunktion bleibt o Formalisierungstendenz verstärkt sich weiter: Formen und Regeln als notwendiges Verwaltungsprinzip 5. Staatliche Herrschaft o Veralltäglichung zentrierter Herrschaft o Monopolisierung zentraler Herrschaftsinstanzen (Grenzen sind hierbei veränderlich) o Vereinheitlichung der geltenden Normen und ihrer Konsequenzen (ist niemals total) Herrschaft als institutionalisierte Macht è Prozess der Institutionalisierung (Verfestigung) o Entpersonalisierung des Machtverhältnisses § Macht wird nicht mit einer bestimmten Person, sondern einer bestimmten Funktion oder Stellung verbunden, die einer überpersonalen Charakter haben o Formalisierung § Machtausübung orientiert sich an Regeln, Verfahrensweisen, Ritualen o Integrierung des Machtverhältnisses in eine übergreifende Ordnung § Wird in ein soziales Gefüge eingebunden, welches sie stützt und durch welches sie gestützt wird è Erhöhung der Stabilität: bringen dauerhafte Strukturen hervor: Verlässlichkeit; Konstanz Herrschaft (nach Weber) „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ (WG 28) „Der Begriff ‚Macht’ ist soziologisch amorph. Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen. Der soziologische Begriff der ‚Herrschaft’ muss deshalb präziser sein und kann nur die Chance bedeuten: für einen Befehl Fügsamkeit zu finden.“ (WG 28/9) „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; …“ (WG 28) =>Legitimitätsgründe (Es gibt Gründe warum auf einen bestimmten Befehl Gehorsam geleistet wird) =>Herrschaft als institutionalisierte Macht Kennzeichen von Herrschaft - Herrschaft als institutioanlisierte Macht (spezieller Fall von Macht) - Herrschaft ist dauerhaft - Alle drei Typen von Herrschaft werden aus Sicht des Gehorchenden als legitim angesehen Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft (nach Weber) 1. Legale Herrschaft è Kraft Satzung (bsp. Vertrag) - Reinster Typus: bürokratische Herrschaft - Durch formal gerecht gewillkürte Satzung, kann beliebiges Recht geschaffen/ geändert werden (bsp. Satzung einer Partei) 2. Traditionelle Herrschaft è Kraft Glauben an die Heiligkeit einer von jeher überkommenen Ordnung - Reinster Typus: patriarchalische Herrschaft - Von jeher geltend - Durch Erziehung und Gewöhnung übernommen 3. Charismatische Herrschaft (außeralltägliche Herrschaftsform) è Kraft affektueller Hingabe an die Person des Herrn und ihre Gnadengabe „Charismatische Herrschaft hat die Tendenz sich zu veralltäglichen.“ - Reinster Typus: Herrschaft des Propheten, des Kriegshelden - Typus des Befehlenden: Führer - Typus des Gehorchenden: Jünger - Wegen persönlicher Qualitäten des Führers wird gehorcht, nicht wegen gesetzter Stellung oder traditioneller Würde - Wird der Person zugeschrieben, z.B. Charisma; besitzt die Person allerdings nicht, sondern wird ihr nur zugeschrieben! è Diese drei reinen Typen sind Idealtypen und existieren in der Realität nicht (Realität besteht aus allen drei Typen!) Bsp. NS-Zeit: charismatische Herrschaft wurde systematisch inszeniert; legale Herrschaft basierte auf dem Führerprinzip (Befehl->Gehorsam) Ermöglichen dafür aber ein erstes Analyseraster Rolle (Zugehörige Literatur: Merton/ Status und Rolle) (zugehörige Literatur: Linton/ Status und Rolle) (zugehörige Literatur: Dahrendorf/ Homo Sociologicus) Definition: „ein Bündel normativer Verhaltenserwartungen, die von einer Bezugsgruppe oder mehreren Bezugsgruppen an Inhaber bestimmter sozialer Positionen herangetragen werden.“ (R. Peuckert in: Schäfers (Hg.), Soziologische Grundbegriffe …, S. 242) „ein Bündel von Erwartungen, die sich in einer gegebenen Gesellschaft an das Verhalten der Träger von Positionen knüpfen … Insofern ist jede einzelne Rolle ein Komplex oder eine Gruppe von Verhaltenserwartungen.“ (Dahrendorf, Homo Sociologicus) Rollenattribute und Rollenverhalten Rollenattribute – Eigenschaften des Rollenträgers Rollenverhalten – Verhalten des Rollenträgers Zugeschriebene vs. erworbene Rollen Zugeschriebene (ascribed) Rolle => erworben ohne erbrachte Leistung (bsp. Geschlecht, Stand im mittelalterlichen Staat) Erworbene (achieved) Rolle => erworben durch erbrachte Leistung (bsp. Student auf Grund der erworbenen Hochschulreife) Rolle und Status (nach Linton) „Den Platz, den ein Individuum zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten System einnimmt, wollen wir im Folgenden als sein Status in diesem System bezeichnen.“ „… Rolle soll die Gesamtheit der kulturellen Muster bezeichnen, die mit einem bestimmten Status verbunden sind. So umfasst dieser Begriff die Einstellungen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen, die einem jeden Inhaber dieses Status von der Gesellschaft zugeschrieben werden.“ Status als ein Platz, den ein Individuum zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten System einnimmt. è Dynamischer Aspekt è Zu einem Status gehört eine Rolle è Aktiver Status: der Status, nach dem ein Individuum gerade handelt Rolle als die Gesamtheit der kulturellen Muster, die mit einem bestimmten Status verbunden sind (umfasst Einstellungen, Wertvorstellungen und Verhaltensweisen, die einem jeden Inhaber dieses Status von der Gesellschaft zugeschrieben wurden) Jeder Status ist mit einer bestimmten Rolle verbunden, doch sind beide vom einzelnen her gesehen keineswegs identisch. Sein Status wird ihm auf Grund seines Alters, Geschlechts, Herkommens oder seiner Einheirat in eine bestimmte Familie zugewiesen. Seine Rolle erlernt er auf Grund eines gegenwärtigen oder zu erwartenden Status. (Linton: 311f) Die Rolle umfasst das, was das Individuum tun muss, um seine Status-Inhaberschaft geltend zu machen Mehrere Individuen können ein und denselben Status gleichzeitig innehaben und die damit verbundene Rolle kann von ihnen allen erlernt und ausgeübt werden Rollen sind z.T aufeinander abgepasst (entwickeln sich aus der Erfahrung von Personen und vermeiden so Konflikte dieser unterschiedlichen Rollen) Strukturfunktionalismus (nach Talcott Parsons) Grundannahmen des Funktionalismus Soziale Phänomene werden über die Funktionen, die sie für ein größeres Ganzes erfüllen beschrieben und erklärt (z.B. Welche Funktionen erfüllt die Familie für die Gesellschaft?) Problem: Funktionen schnell benannt, erklären jedoch nicht die Ursachen für das Vorhandensein eines sozialen Phänomens Aber: Funktionalistische Argumente können helfen die Wirklichkeit zu erschließen, indem man sie als Hypothesen betrachtet, die sich möglicherweise falsifizieren lassen Parsons’ Funktionalismus Wie funktionieren soziale Phänomene im Hinblick auf die Aufrechterhaltung von Normen und Werten? è normativistischer Funktionalismus, Parsons spricht vom Strukturfunktionalismus Handlungssystem: Ausbildung von Regelmäßigkeiten und Mustern bei Handlungsorientierungen Analytische Unterscheidung des Handlungssystems in drei Teilsysteme: Persönlichkeitssystem: Handlungsorientierungen innerhalb einer Person Sozialsystem: Handlungsorientierungen und -erwartungen zwischen mehreren Individuen Kultursystem: geordneter Zusammenhang von kulturellen Symbolisierungen, Normen und Werte Werte aus dem Kultursystem müssen im Persönlichkeitssystem durch Internalisierung und im Sozialsystem durch Institutionalisierung verankert werden. Internalisierung: Normen und Werte der Gesellschaft werden während der Sozialisation oder Erziehung eines Individuums verinnerlicht und somit zu einem Bestandteil individueller Motivation Institutionalisierung: Normen werden in Systemen als verbindliche Regeln verankert und somit eine gesellschaftliche Integration auf Strukturebenen gewährleistet Ein Sozialsystem (z.B. Gesellschaft, Familie) funktioniert nur, wenn die einzelnen Persönlichkeitssysteme Motivation zum Mitwirken haben und das Kultursystem die dazu nötigen Werte zur Verfügung stellt è enge Verflochtenheit der Systeme Soziale Rolle - „soziale Rolle“ als wesentliches Element des Sozialsystems - Rollen sind Verhaltensmuster, setzen Normen und Werte in der Praxis um und gewährleisten ein geordnetes Miteinander ( bei Abweichung Sanktion) - Rollenbegriff legt Aufgabe des Individuums in einem sozialen System fest (z.B. Mutterrolle in der Familie) Ausbau seiner funktionalistischen Ansätze: Das AGIL-Schema Zur Systematisierung von Funktionszuschreibungen entwarf Parsons das AGIL-Schema. Demnach hat jedes System 4 Funktionen zu erfüllen: Adaption: Anpassung des Systems an seine Umwelt ( z.B. durch Beschaffung von notwendigen Ressourcen) Goal-Attainment: Zielsetzung und Zielerreichung (indem Bedingungen zu ihrer Realisierung bereitgestellt werden) Integration: Zusammenhalt der Untereinheiten des Systems Latency: Strukturerhaltung via Wertbindung è Diese Zuschreibung von Funktionen lässt sich laut Parsons auf jedes System anwenden! Rollen-Set (nach Robert K. Merton) Soziale Status und Soziale Rolle als wesentlicher Baustein der sozialen Struktur Status „(als) eine Position in einem sozialen System, die designierte Rechte und Pflichten umfasst.“ Rolle „das Verhalten, das sich an diesen kulturell vorgeformten Erwartungen anderer orientiert.“ è Jedem Status entsprechen mehrere Rollen „Rollen-Set als Kombination von Rollen-Beziehungen, in die eine Person auf Grund ihrer Inhaberschaft eines bestimmten sozialen Status verwickelt ist.“ (Merton: 322) Grundvoraussetzung der soziologischen Theorie: Soziale Differenzierung erzeugt bei den Inhabern unterschiedlicher Positionen in der Sozialstruktur auch unterschiedliche Interessen è Daraus ergibt sich für das Rolle-Set: Unter den Personen in einem Rollen-Set besteht immer die Möglichkeit unterschiedlicher und manchmal entgegengesetzter Verhaltenserwartungen gegenüber dem Statusinhaber Soziale Mechanismen, die eine Verschränkung im Rollen-Set herbeiführen 1. relative Bedeutsamkeit verschiedener Positionen (Soziale Strukturen ordnen einigen Positionen eine größere Bedeutung zu als anderen) 2. Machtunterschiede zwischen Personen in einem Rollen-Set - Verteilung von Macht (Fähigkeit den eigenen Willen durchzusetzen) und Autorität (legitimierte Organisation der Macht) - Ausbildung von Machtkoalitionen in einem Rollen-Set 3. Abschirmung des Rollen-Handelns gegenüber der Beobachtung durch Mitglieder des Rollen- Set Man steht nicht in dauernder Interaktion mit allen Mitgliedern seines Rollen-Set 4. Übersehbarkeit widersprüchlicher Forderungen seitens der Mitglieder eines Rollen-Set 5. Gegenseitige soziale Unterstützung zwischen den Statusinhabern - Organisationen als Bindeglied zwischen der Gesellschaft und dem Individuum o Helfen dem einzelnen bei seinem Widerstand gegen die Macht des Rollen-Set o Individuum erhält die Möglichkeit auf die Forderungen, die an den Statusinhaber gesellt werden, Einfluss zu nehmen 6. Beschränkungen des Rollen-Set - Rollenbeziehungen können abgebrochen werden (ist nur unter begrenzten und besonderen Bedingungen möglich) Interaktionistische Rollensoziologie role taking vs role making Rollendistanz (nach Erving Goffmans) - Sich in der Rolle von der Rolle distanzieren - Ein Begriff, der eine „Divergenz zwischen Rollenvorschrift und tatsächlichem Rollenverhalten“ beschreibt Homo Sociologicus (nach Dahrendorf) „Wenn wir von sozialen Rollen sprechen, dann ist stets nur von erwartetem Verhalten die Rede, d.h. von dem Einzelnen, der sich außer ihm bestehenden Ansprüchen gegenübersieht bzw. der Gesellschaft, die den Einzelnen mit gewissen Ansprüchen konfrontiert. Die Vermittlung von Einzelnen und Gesellschaft geschieht nicht schon dadurch, daß der Einzelne handelt oder soziale Beziehungen unterhält, sondern erst in der Begegnung des handelnden Einzelnen mit vorgeprägten Formen der Handelns.“ (Dahrendorf 34) - Dahrendorf beschreibt den Menschen als einen rollen-spielenden Mensch - Voraussetzung: Gesellschaft ist sozial differenziert; Also, dass es überhaupt verschiedene Rollen gibt - Man sucht sich seine Rolle nicht (allein) aus, die Rolle wird einem von der Gesellschaft zugeschrieben (Sozialisation) - Gesellschaftliche Bestimmung des Inhalts einer Rolle - Die Rolle ist verbindlich, bei einer Abweichung wird man von der Gesellschaft sanktioniert! - Konformismus mit den vorgeprägten Rollen als Merkmal aller gesellschaftlichen Formen Positionsfeld impliziert ein Netz anderer Positionen, die mit diesem verknüpft sind (bsp. Familienvater; Positionsnetz mit Mutter, Sohn) Soziale Position bezeichnet jeden Ort in einem Feld sozialer Beziehungen „Der Einzelne (…) muss in der Regel eine Mehrzahl von Positionen einnehmen, (…) Zahl der der auf Einzelne einfallende Positionen (wächst) mit der Komplexität von Gesellschaft.“ (35) Soziale Positionen werden als Mengen von Positionssegmenten verstanden Individuen sind oft die Träger einer sozialen Position „Zu jeder Stellung, die ein Mensch einnimmt, gehören gewisse Verhaltensweisen, die man von dem Träger dieser Position erwartet, zu allem, was er ist, gehören Dinge, die er tut und hat; zu jeder sozialen Position gehört eine soziale Rolle.“ (37) Homo sociologicus als Element soziologischer Analyse - Einzelne nimmt eine soziale Position ein - Gesellschaft gibt ihm eine Rolle, die mit dieser Position verknüpft ist und die er nun zu spielen hat Rolle Art der Beziehung zwischen Trägern von Positionen und denen anderer Positionen desselben Feldes Merkmale der sozialen Rolle als Element soziologischer Analyse: „(1) Soziale Rollen sind gleich Positionen quasi-objektive, vom Einzelnen prinzipiell unabhängige Komplexe von Verhaltensvorschriften. (2) Ihr besonderer Inhalt wird nicht von irgendeinem Einzelnen, sondern von der Gesellschaft bestimmt und verändert. (3) Die in Rollen gebündelten Verhaltenserwartungen begegnen dem Einzelnen mit einer gewissen Verbindlichkeit des Anspruches, so daß er sich ihnen nicht ohne Schaden entziehen kann.“(Dahrendorf, 35) Soziale Rollen sind abhängig von: - Muss-Erwartungen (oft mit negativen Sanktionen bsp. gerichtliche Verfolgung verknüpft) - Soll-Erwartungen (sowohl mit negativen Sanktionen bsp. soziale Ächtung, als auch positiven Sanktionen bsp. Sympathie seiner Mitmenschen verbunden) - Kann-Erwartungen (oft positive Sanktionen bsp. Spenden sammeln in der Freizeit -> Schätzung seiner Mitmenschen verknüpft) Unterscheidungskriterium: Grad der Verbindlichkeit „Am Schnittpunkt des Einzelnen der Gesellschaft steht homo sociologicus, der Mensch als Träger sozial vorgeformter Rollen. Der Einzelne ist seine soziale Rollen, aber diese Rollen sind ihrerseits die ärgerliche Tatsache der Gesellschaft“ (Dahrendorf) „ärgerliche Tatsache der Gesellschaft“ =>eine ärgerliche Formulierung - Keine freie Entwicklung, da wir immer nur in der Gesellschaft aufwachsen - Dem Menschen stehen die Rollen und damit Erwartungen im Weg, sich frei zu entfalten bzw. so zu handeln wie es der individuellen eigenen Freiheit entsprechen würde. è Rollen lassen sich nicht nur durch Sanktionen begreifen - Auch wenn die einzelne Person sich seinen Status möglicherweise selbst aussuchen kann, wird die Rolle und die damit verbundenen Erwartungen einzig von der Gesellschaft sozial konstruiert! è Verhalten wird uns von der Gesellschaft diktiert è Vergesellschaftliche Subjektivität entsteht durch Sozialisationsprozesse (bzw. die Fähigkeit Rollen zu übernehmen) - Dahrendorf vergisst, dass das individuum ein Produkt sozialer Prozesse ist und erst durch eben diese sozialen Prozesse zu dem wird, was es ist. (=> kein fertiges Produkt!) - Laut Dahrendorf ist man erst sich selbst, wenn man sich aus dem gesamten gesellschaftlichen Kontext entfernt und alle gesellschaftlichen Beziehungen abbricht. Doch das ist i.d.R. nicht richtig. I.d.R. sind wir das, was wir durch unsere Rolle ausdrücken. è Man wird erst durch die Gesellschaft zum Individuum! Interaktion/ Organisation/ Gesellschaft (zugehörige Literatur: Luhmann: I-O-G) Interaktion (Mikro- ) Organisation (Meso- ) Ebene Gesellschaft (Makro- ) Soziale Systeme (nach Luhmann) „Von sozialen Systemen kann man immer dann sprechen, wenn Handlungen mehrerer Personen sinnhaft aufeinander bezogen werden und dadurch in ihrem Zusammenhang abgrenzbar sind von einer nichtdazugehörigen Umwelt“ (Luhmann: 9) Personen reagieren aufeinander Soziale Systeme als Abgrenzung von einer Umwelt (da Umwelt grenzenlos ist (Kontingenz) schaffen soziale Systeme Grenzen; gibt Individuen Sicherheit, Zielgerichtetheit, keine anarchische Co-Existenz) Genese von sozialen Systemen erfolgt durch Kommunikation (wichtig um diese zu generieren) Formen der Systembildung 1. Interaktionssysteme 2. Organisationssysteme 3. Gesellschaftssysteme Interaktionssysteme „kommen dadurch zustande, daß Anwesende sich wechselseitig wahrnehmen“ (Luhmann: 10) 1. Wahrnehmung 2.Wechselseitige Wahrnehmung 3.Wechselseitige Wahrnehmung des Wahrnehmens - Interaktion erfolgt erst bei Stufe (3) - Nur der Interaktionspartner ist anwesend - Interaktionssystem wird immer wieder situationsabhängig neu konstruiert - Kommunikation unter Anwesenheit als konstitutives Element (man kann nicht nicht kommunizieren) - Abwesenheit als einziger Ausweg, um nicht kommunizieren zu müssen „Sprache macht es möglich, Nichtanwesendes im Interaktionssystem zu behandeln, also Aspekte der Umwelt im System zu thematisieren, indem für Anwesenheit Zeichen substituiert werden, die Abwesendes repräsentieren können“ (ebd.: 10) - „lineare Form der Sequenz“ => bestimmtes Thema wird zu einer bestimmten Zeit thematisiert Gesellschaftssysteme „Gesellschaft ist das umfassende Sozialsystem aller kommunikativ füreinander erreichbaren Handlungen. In der heutigen Zeit ist die Gesellschaft Weltgesellschaft. Es gibt nur noch ein einziges Gesellschaftssystem“ (Luhmann: 11) „Gesellschaft ist danach nicht einfach die Summe aller Interaktionen, sondern ein System höherer Ordnung, ein System anderen Typs“ (ebd.: 11) - Kommunikation unter Anwesenheit und Abwesenheit als konstitutives Element - Kommunikation unter Abwesenden (bsp. Geschichte, da sinnhafter Bezugnahme auf einander stattgefunden hat und wir somit heute darüber sprechen können) - Über dritte sprechen „Ihre Grenzen sind die Grenzen möglicher und sinnvoller Kommunikation, vor allem Grenzen der Erreichbarkeit und der Verständlichkeit“ (ebd.: 11) - Sinnhaftigkeit/ Sinnhafte Bezugnahme auf andere als Unterschied zwischen Mensch/ Tier im Bezug auf Teil eines Gesellschaftssystems sein „Die Gesellschaft ist, da sie ja jede mögliche Kommunikation umfaßt, eine selbstsubstitutive Ordnung. Sie muß alle Änderungen an das vorhandene System anschließen und kann nicht, wie Interaktionen, einfach aufhören und neu anfangen“ (ebd.: 12) - Gesellschaft kann nicht nicht existieren; kann nicht aufhören zu existieren - Gesellschaft als selbstsubsitutive Ordnung (kann sich transformieren bzw. durch sich selbst ersetzen) Organisationssysteme „Als organisiert können wir Sozialsysteme bezeichnen, die die Mitgliedschaft an bestimmte Bedingungen knüpfen, also Eintritt und Austritt von Bedingungen abhängig machen“ (Luhmann: 12) - Mitgliedschaft, soll prinzipiell mehr vorsteile als Nicht-Mitgliedschaft bringen „Entscheidend ist (...), daß nur über den Organisationsmechanismus ein so hohes Maß an Motivgeneralisierung und Verhaltensspezifikation erreicht werden kann, wie es die moderne Gesellschaft in vielen ihrer wichtigsten Funktionsbereiche benötigt“ (ebd.: 13) bsp. Mitgliedschaft Fitnessstudio: ich kann Sport machen Motivgeneralisierung bsp. Ich will fit sein, gesund sein Verhaltensspezifikation bsp. Handtuch mitbringen Organisationssysteme ordnen Gesellschaft ein; Motivgeneralisierung und Verhaltensspezifikation geben Individuen Sicherheit Verschachtelung sozialer Systeme: „Eine vollständige Trennung der Ebenen ist natürlich nicht möglich, da alles soziale Handeln in der Gesellschaft stattfindet und letztlich nur in der Form von Interaktion möglich ist“ (Luhmann: 14f.) Flüssige Grenzen, da soziales Handeln in der Gesellschaft stattfindet und nur in Form von Interaktion möglich ist aber: im Laufe der Evolution gab es Differenzierung; heute leben in einer funktional differenzierten Gesellschaft (zugehörige Literatur: Goffman: Die Interaktionsordnung) „Soziale Interaktion im engeren Sinne geschieht einzig in sozialen Situationen, d.h. in Umwelten, in denen zwei oder mehr Individuen körperlich anwesend sind, und zwar so, daß sie aufeinander reagieren können“ (Goffman: 55) - Interaktion ist zeitlich+ räumlich begrenzt - Interaktion ist eingebettet in größere Situationssysteme (bsp. Uni (Organisation) - Gegenseitige Präsenz als wichtigstes Merkmal - Interaktionsordnung als Gegenstand eigenen Rechts (sui generis) Vorgehensweise Herauskristallisieren von Vorgängen und Mustern „Auf diese Weise kommt man vom einfach Situierten zum Situativen, d.h. von dem, was zufällig in einer sozialen Situation verortet ist (und was ohne größere Schwierigkeiten außerhalb angesiedelt werden könnte), zu dem, was nur in Face-to-Face-Konstellationen auftreten kann“ (Goffman: 56f.) - Handlungen sind sozial situiert; besitzen eine Wirkung - Eigenständigkeit 1. Zeit/ Sukzession (Abfolge von Einzelschritten in der Interaktion) Zeit besitzt eine andere Bedeutung; Individuen sind „anders“ miteinander verbunden 2. Offensichtlichkeit Individuum offenbart sich; Zwang zur Selbstdarstellung (vgl. Bühnenmetaphorik) 3. Räumlichkeit/ Körperlichkeit Persönliche Gebietsansprüche; Nähe Distanz (bsp. Öffentlichkeit eher distanziert als im Fahrstuhl) Vermeiden des Verletzen Anderer Offensichtlichkeit „Sobald ein Individuum (...) in die unmittelbare Gegenwart eines anderen gerät, tritt eine Grundbedingung des gesellschaftlichen Lebens außerordentlich deutlich hervor: seine folgenschwere Offensichtlichkeit“ (Goffman: 58) - Verletzbarkeit der Psyche und Körperlichkeit (Fähigkeit/ Potenzial jmd verletzen zu können) - Aber auch Ordnungsprinzip Kategorisierung Identifikation - Kategorial: Individuum wird „einer oder mehreren sozialen Kategorien zugeordnet“ (Goffman: 59) (diffusen sozialen Status (bsp. Geschlecht, Alter, Klasse) ist objektiv) - Individuell Individuum wird mit „einer einmaligen Identität ausgestattet, und zwar auf der Grundlage der äußeren Erscheinung“ (ebd.: 59) (Zuweisung von Charakterzügen, Bewertung) Ordnung „Dennoch habe ich den Eindruck, daß die Interaktionsordnung - im Sinne einer Sphäre des Handelns - in weit größerem Ausmaß geordnet ist und daß diese Geordnetheit auf einer breiten Schicht gemeinsamer kognitiver, wenn nicht sogar normativer Annahmen und Beschränkungen beruht, die der Stabilisierung der Ordnung dienen“ (Goffman: 63) - Sphären des handeln haben eine Struktur (Zeit und Raum als essentielle Bestandteile der Interaktion) - Aufrechterhaltung der Ordnung steht in unserem eigenen Interesse, da wir eine Krisensituation vermeiden wollen Interaktionsordnung und soziale Strukturen „unmittelbare(n) Verbindungen zwischen sozialen Strukturen und der Interaktionsordnung“ (Goffman: 78) „Im großen und ganzen (...) stehen demnach interaktive Praktiken und soziale Strukturen, wenigstens in modernen Gesellschaften, in einer nicht determinierten Beziehung zueinander, die sich als »lose Koppelung « beschreiben ließe“ (ebd.: 85) Interaktiven Praktiken sind miteinander verwoben; Handlungsspielraum ist aber nicht gänzlich determiniert (bsp. jmd begrüßen, hand, umarmen, weder noch? Aber begrüßen! Interaktionsordnung und soziale Beziehung „Von allen sozialen Strukturen, die sich mit der Interaktionsordnung überschneiden, scheinen soziale Beziehungen den engsten Zusammenhang mit ihr zu haben“ (Goffman: 90) Besonderheit: „Selbstverständlich tragen diese Verpflichtungen zur Wiederbelebung einer Beziehung bei, die sich unter anderen Umständen aus Mangel an Gelegenheiten verflüchtigt hätte“ (ebd.: 92) - Soziale Beziehung spezifiziert Interaktion (bsp. Freunde oder Fremde) (zugehörige Literatur: Die soziale Gruppe) „Eine soziale Gruppe besteht aus einer Reihe von Individuen, die sich miteinander identifizieren und auf der Basis gemeinsamer Werte, Normen und Ziele in informell strukturierten Weisen interagieren.“ (Schimank in Joas, Lehrbuch …, S. 200) „Eine soziale Gruppe besteht aus einer Anzahl von Individuen, die sich miteinander identifizieren und in informell strukturierten Weisen, die auf gemeinsamen Werten, Normen und Zielen beruhen, interagieren.“ (Schimank in Joas, Lehrbuch, S. 237) „Mankind are to be taken in groups, as they have always subsisted.“ (Adam Ferguson, Essay on the History of Civil Society) Gruppe als soziales Gebilde Verbindet Individuum mit der Gesellschaft „Eine soziale Gruppe umfasst eine bestimmte Zahl von Mitgliedern (Gruppenmitgliedern), die zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels (Gruppenziel) über längere Zeit in einem relativ kontinuierlichen Kommunikations- und Interaktionsprozess stehen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit (Wir-Gefühl) entwickeln. Zur Erreichung des Gruppenziels und zur Stabilisierung der Gruppenidentität ist ein System gemeinsamer Normen und eine Verteilung der Aufgaben über ein gruppenspezifisches Rollendifferenzial erforderlich.“ (Schäfers 1999: 20f) Definitionsmerkmale einer sozialen Gruppe - Gruppenmitglieder (3-25 Personen) - Gruppenziel (Verhaltensmotiv) - Wir-Gefühl (Gruppenzugehörigkeit/ Gruppenzusammenhalts) - System gemeinsamer Normen und Werte als Grundlage der Kommunikations-und Interaktionsprozesse - Geflecht aufeinander bezogener sozialer Rollen (Rollendifferenzial) Mitgliedschaft ist nicht formalisiert „Unter sozialer Gruppe wird … ein soziales System verstanden, dessen Sinnzusammenhang durch unmittelbare und diffuse Mitgliederbezie-hungen sowie durch relative Dauerhaftigkeit be-stimmt ist.“ (nach Neidhardt) - Gruppen sind keine reinen Interaktionssysteme - Sind mehr als das, mehr als reine Situationssysteme - Bsp. Abwesenheit; auch wenn ich nicht anwesend bin, bin ich doch immer noch Teil der Gruppe (nach Charles Horton Cooley ) Organisationen (zugehörige Literatur: Kühl/ Organisationen) Inkongruente Perspektive -> Organisationssoziologie … Organisation so zu beschreiben wie sie ist (Kühl) Anwendungsorientierte Wissenschaft, um Organisationen besser zu machen è Aber genaue Definition von Organisation nicht möglich-> umschreibungsfähig Organisation als Phänomen der Moderne Omnipräsenz von Organisationen (Allgegenwärtig und nicht auf unsere eigene Lebenszeit fixiert) Merkmale: - Orientierung auf bestimmte Ziele (Zielorientierung) - Einrichtung speziell zum Zweck der Erreichung von ausdrücklich definierten Zielen - Besitz einer formalen Struktur - Arbeitsteilung - Einrichtung auf Dauer - Kontrolle durch spezielle Machtzentren (muss nicht die Spitze sein) - Optimierung des Personals durch qualitätsorientierten Austausch (Weiterbildung etc) - Rationale Koordination des Handelns - Genau feststellbarer Mitgliederkreis und Verfahren für Aufnahme und Abschluss Verallgemeinert: - (Formale) Mitgliedschaft - Zweck-Zielorientierung - Hierarchie (hierarchische Struktur) - Autonomie der Entscheidung è Abgrenzung zu kleineren (Familie) und größeren (Staat) Einheiten Basiselemente von Organisationen: - Ziele - Formale / informale Organisationsstrukturen - Mitglieder - Räumlich-sachliche Ausstattung - Organisationale (gesellschaftliche) Umwelt Vorläufer von Max Weber: Bürokratiemodell - Spezialisierung (Abteilungen/ Fach) - Hierarchisierung - Regulierung/ Verregelung - Entpersönlichung (Fälle statt Personen werden betrachtet) - Leistungsbezogene Entlohnung Ziele einer Organisation: „Soziale Einheiten, die mit dem Zweck errichtet wurden, spezifische Ziele zu erreichen“ (Etizioni 1967: 12) “Goal- directed systems of human activity” (Aldrich 1999: 2) „Zur Verwirklichung spezifischer Zwecke planmäßig geschaffene Gebilde“ (Abraham/ Büschges 2004: 58) „Ein soziales System mit überdurchschnittlich spezifiziertet Zielbestimmung….“(Endruweit 1981: 17) Funktion von Organisationen: - Mitarbeiter motivieren - Erfolgskontrollparameter - Richtlinien für Entscheidungen - Legitimation für Außenverhältnis Mitgliedschaft (Formalisierung von Verhaltenserwartungen) è wird eine nicht erfüllt, steht die ganze Disposition zur Debatte, mit Sanktionseffekten nicht bedienbar Mechanismen der Mitgliedschaftsmotivation: - Geld - Zwang - Zweckidentifikation (Unternehmenskultur) - Attraktive Tätigkeit - Kollegialität Informelle Organisation è Kein eigener Organisationstypus è die informelle Dimension einer jeden Organisation è steht hinter dem Organigramm einer jeden Organisation è müssen mitberücksichtigt werden (Hawthorne) è Soziale Struktur wurde durch formale Struktur (Normen/ Regeln) aber auch informelle Normen (Verhaltensmuster) beeinflusst Gesellschaft/ Gesellschaftsinformationen Einheit der sozialen Begriffe o. eigener Gegenstand? Methodologischer Individualismus (nach Weber) -> es gibt keine Gesellschaft; alles hängt von den sozialen Handlungen einzelner Individuen ab Vervielfältigung Gesellschaft als Weltgesellschaft (vgl. Luhmann) Nominalismus vs Realismus è Gesellschaft benennen (Namengebung) oder gibt es Gesellschaft wirklich Individualismus vs Holismus è Handeln des Einzelnen vs Handeln des Ganzen „Es gibt keinen anderen Weg zum Verständnis sozialer Phänomene als durch unser Verständnis individueller Handlungen hindurch welcher sich auf andere Menschen richten und durch deren erwartetes Verhalten geleitet werden.“ (Hayek 1949: 6 ) -> Individualismus Theodor W. Adorno: Vorlesung zur Einleitung Holismus Gesellschaft/ Gesellschaftsformationen Definitionen: „Gesellschaft ist das jeweils umfassendste System menschlichen Zusammenlebens. Über weitere einschränkende Maßnahmen besteht kein Einvernehmen.“ (Lexikon zur Soziologie) (vage Def) Gesellschaft als ein moderner Begriff, mit welchem sich die Moderne zu verstehen versucht (Göbel) Unterscheidungen Gesellschaft – Gemeinschaft Gesellschaft- Natur Gesellschaft- Kultur Gesellschaft- Staat Gesellschaf als Strukturkategorie: Unterscheidung von Gesellschaftsformationen Als Vorbild dient hierbei Karl Marx: Gesellschaftsstufen (Antike Slaven/ bürgerlicher Gesellschaft etc.) Theorien nach Vorbild der Arbeitsteilung in der Moderne (bsp. Durkheim) Werden unterschieden nach Strukturprinzipen (Merkmale) è Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung è Gesellschaft als Einheit, die über den Grad der Differenzierung unterschieden werden kann Gesellschaft vs. Gemeinschaft „Gesellschaft ist eine wirkliche Vereinbarung der Kräfte vieler zur Erlangung eines gemeinschaftlichen Zweckes.“ (Zedlers Universallexikon, Band 10, 1735, S. 1260) „Alle solche auf Vertrag beruhenden Verbindungen mehrerer Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes nennen wir Gesellschaften.“ (Rotteck/Welcker, Staatslexikon (1862), S. 450) Strukturwandel: - Trennung von Wohn-und Arbeitsplatz - Entpersonalisierung von Arbeitsbeziehungen - Verstaatlichung von Sicherheitssystemen (Krankheit, Alter, Armut, Tod) - Verstädterung - Bürgerliches Recht (nicht mehr: ständisches Recht) - Relative Autonomie wichtiger gesellschaftlicher Teilbereiche (Schäfers erwähnt: Beruf, Arbeit, Bürokratie, Politik, Freizeit, Öffentlichkeit, Kultur, Erziehungs- und Gesundheitswesen, Kirche) - Gesellschaftliche Universalien (Schäfers erwähnt: Recht, Geld, Bürokratie, universalistische Normen und Rollen) Gesellschaft vs. Staat „Der Staat ist nicht mehr ‚der einheitliche Organismus des Gesamtvolkslebens’. Zwischen der individuellen Persönlichkeit und der ‚organischen Einheit des Volkslebens’, die sich im Staat repräsentiert findet, haben sich intermediäre ‚Lebenskreise’ gebildet, die zwar gemeinschaftliche, jedoch vom Staat unterschiedliche Zielsetzungen haben.“ (aus der Einleitung von Klaus H. Fischer, VI, Robert von Mohl, Gesellschaftswissenschaften und Staatswissenschaften. Herausgegeben und eingeleitet von Klaus H. Fischer, Schutterwald/Baden: Wissenschaftlicher Verlag 1992)) Gesellschaft als Strukturkategorie è Gesellschaftstypen dienen als Differenzierung Formen primärer gesellschaftlicher Differenzierung: - segmentäre Differenzierung (Einteilung in Segmente) - stratifikatorische Differenzierung (Unterteilung nach Ebenen, Oben/ Unten; Ungleichheitsprinzip bsp. Ständegesellschaft (Pyramide)) - funktionale Differenzierung (moderne; primäre Differenzierung nach Funktionen: qualifizieren sich über eigene Autonomien; Funktionsbereiche: bsp. Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Massenmedien; Religion und Wissenschaft werden differenziert und dadurch autonomisiert) (eine Variante dieser Unterscheidung findet sich bei Tenbruck (ähnelt der segmentären (soziale) Differenzierung) (zugehörige Literatur: Tenbruck/ Gesellschaftstypen) 1. Primitive Gesellschaft: - Lokale Orientierung; gemeinsame Lokalität - Anwesenheitsgesellschaft - Verwandtschaftsbasiert - Minimale soziale Differenzierung - Keine hohe Wirtschaftskultur; eher Subsistenzwirtschaft, wenig Tausch - Herrschaft: zunächst das Ältestenprinzip; keine eigene politische Organisation; keine Ausdifferenzierung politischer Professionsrollen - Integrationsprinzip beruht auf Gewohnheit und Tradition (und nicht auf Recht; Religion, Politik) - Primärgruppenprinzip (jedliches Tun ist öffentliches und gemeinsames Tun), Mündlichkeit bsp. Erzählen (nicht auf Schrift; sind schriftlose Kulturen) (gegenseitige Beobachtung; Abweichungen von Strukturverhalten sind eher selten) 2. Hochkultur - Lokale Gruppen, aber überlokale Herrschaft - Ausdifferenzierung einer eigenen Herrschaftsschicht (nicht mehr nur politisch, aber wirtschaftlich, religiös) - Städtisches Zentrum (vs. Peripherie) - Überlokale Kommunikationsnetze; Schrift - Differenzierung von Ober- und Unterschicht (besitzt einen lokalen Charakter) - Oberschicht als Träger der repräsentativen Kultur - Geschichtlichkeit (Bezug zur Schrift) - Überlokale Identifikation - Differenzierung von Hochkultur und Volkskultur 3. Moderne Gesellschaft - Überlokalität (Auflösung des Unterschieds von Oberschicht und lokalen Einheiten) - Industrialisierung - Institutionalisierung (im Sinne der Entflechtung von vormals verflochtenen Daseinsbereichen) (vgl. Funktionale Differenzierung) - „Wachstum der Kommunikationsmittel“ - Entschichtung (Schichten sind nicht mehr das primäre Kennzeichnen der Gesellschaft) - Privatisierung „Ausmaß der Freiheit“ erreicht „im Bereich der privaten Rollen (...) überaus hohe Grade“ (Tenbruck: 76) Problematik: „daß der Mensch in dem seinem privaten Belieben gänzlich überantworteten Bereich keine feste Sinnhaftigkeit der Identität und Realität mehr erfährt, es sei denn, daß er sie sich durch eigene Anstrengungen herausfiltert, indem er selbst seinen privaten Rollen Grenze, Umriß und Sinn gibt“ (ebd.: 77) Identität (Zugehörige Literatur: Abels/ Identität) Sozialbehaviorismus (nach Mead) Mensch wird als ein Wesen bezeichnet, der auf Reize aus seiner Umwelt reagiert. Mead bezeichnet die Umwelt als Hypothese, welche das Individuum selbst organisieren bzw. sich aussuchen kann Kommunikation - als „das Grundprinzip der gesellschaftlichen Organisation des Menschen.“ - als Prozess, in dem ego und alter aus ihren wechselseitigen Reaktionen Vorstellungen von sich gewinnen. è Identität als Resultat der wechselseitigen Kommunikation zwischen uns und den Anderen Kommunikation erfolgt über: - Gesten als Zeichen, die ein bestimmtes Verhalten hervorrufen - Symbole als Zeichen, die über die konkrete Situation hinaus auf einen besonderen Sinnzusammenhang verweisen - Signifikante Symbole als Symbole, die in bestimmten sozialen Kreisen die gleiche Reaktion hervorrufen „Bedeutung impliziert eine Bezugnahme der Gebärde des einen Organismus auf das Ergebnis der ganzen sozialen Handlung, auf das diese hinweist oder das sie initiiert, insofern ein anderer Organismus auf diese Bezugnahme entsprechend antwortet; und diese entsprechende Antwort ist die Bedeutung der Gebärde.“ (Mead, MSS) „Das Entstehen von Bedeutung erfordert eine Beziehung zwischen der Gebärde eines ersten Organismus, der Reaktion eines zweiten Organismus auf diese Gebärde und dem Ergebnis, dem Ziel der sozialen Gesamthandlung, wovon die Gebärde des ersten und die Reaktion des zweiten Organismus eine frühere und eine spätere Teilphase darstellen. Man kann auch einfacher sagen: Die Bedeutung liegt in der handlungsvollendenden Reaktion des zweiten Organismus, die die Gebärde des ersten interpretiert.“ (Wenzel 69) Vokale Geste „wenn wir annehmen, daß ein Lautelement ein Reiz für eine bestimmte Erwiderung ist, dann wird das Tier, das diese Lautgeste gebraucht, sobald es das resultierende Geräusch hört, in sich selbst zumindest die Tendenz dazu hervorgerufen haben, auf dieselbe Weise zu reagieren, wie das andere Tier reagiert.“ (Mead, MSS, 63; zit. n. Schneider 185) Geist („mind“) als Fähigkeit des Menschen, den Sinn einer Situation zu reflektieren è Entsteht durch soziale Erfahrungen, die das Individuum mit Anderen gemacht hat „Geist hat das Individuum in dem Augenblick, wo es Symbole verwendet und sich der möglichen Bedingung und Konsequenzen seines eigenen und des Verhaltens des Anderen bewusst wird.“ (Mead: 205) Denken als „ein nach innen verlegtes oder impliziertes Gespräch des Einzelnen mit sich selbst.“ (Mead: 1934) è Innere Erfahrungen werden über die Zeit hinweg zu Haltungen („attitudes“) Mensch besitzt die Fähigkeit der Rollenübernahme (vgl. Empathie) è Wechselseitige Verschränkung unserer Perspektiven è „Durch wechselseitige Rollenübernahme wird eine kommunikative Verständigung über Perspektiven und Rollen möglich.“ (Mead: 206) Interaktion als Wechselseitigkeit der Kommunikation „Das Individuum wird sich seiner Identität erst bewusst, wenn es sich mit den Augen der Anderen sieht.“ (Abels: 208) „Für die Identität ist es notwendig, dass die Person auf sich selbst reagiert. Dieses soziale Verhalten („social conduct“) schafft die Bedingung für ein Verhalten („provides behavior“), in dem Identität („self“) auftritt. (…) (nach Mead) „Die erste Form von Bewußtsein, die bei ego entstehen kann, ist ein Bewußtsein von alter und dessen Reaktion, d.h. das Bewußtsein eines sozialen Objekts. Ego kann durch seinen Sprachlaut bei sich selbst dieselbe Reaktion auslösen, die er bei Alter erreicht; die Bedeutung des Reizes gewinnt daraus für beide eine im gemeinsamen Handeln funktionale Identität.“ è Identität entwickelt sich als Folge einer sozialen „Kontakterfahrung“! Selbstbewusstsein als ein Prozess, in dem sich das Individuum selbst zum Objekt seiner Wahrnehmung macht. (Abels: 208) è Erfolgt durch innere Kommunikation „Das Individuum ist gleichzeitig Subjekt des Handelns wie auch sein eigenes Objekt. Es beobachtet sich aus der Sicht der Anderen und in Reaktion auf diese Sicht der Anderen.“ (Abels: 208) è Diese Fähigkeit als Voraussetzung für Entwicklung von Identität è Unterschied zwischen Mensch und Tier (Tier kann sich nicht zuschauen, wie es handelt) Schlussfolgerung: - Menschliche Kommunikation erfolgt über Sprache - Sprache als Symbolisierung von Erfahrungen - Nach Mead erfolgt nur über Kommunikation die Selbstwahrnehmung des Individuums und nur so wird es sich seiner eigenen Identität bewusst. - Erst durch den Bezug auf Andere gewinnt man ein Selbstbewusstsein - Selbstbewusstsein als Voraussetzung für Identität basierend auf der wechselseitigen Verschränkung der Perspektiven Entwicklung der Identität erfolgt über zwei soziale Phasen: 1. „Play“ Kind schlüpft in die Rolle wichtiger Bezugspersonen (signifikante Andere) und handelt von ihrem Standpunkt aus (es ist in dem Augenblick der Andere; nimmt während dem Handeln eine bestimmte Perspektive ein; nämlich die des Anderen) 2. „Game“ (soziale Regeln müssen befolgt werden) Kind muss den Geist des Spiels erfassen und die Rollen aller Beteiligter im Kopf haben (Prinzip der tatsächlichen und möglichen Handlungen, sowie Perspektive aller Beteiligten muss beachtet werden) - „generalisierter Anderer“ als die Summe aller Perspektiven in einem bestimmten Handlungszusammenhang; Summe der generellem Haltung, die man in einer konkreten Situation von allen Handelnden erwartet (Prinzip/ Sinn der Interaktion) - Habermas bezeichnet „Generalisierter Anderen“ auch „Kollektivbewusstsein“ Zwei Seiten des Ichs: „I“ und „Me“ Jede Identität weist einzigartige Merkmale auf; basiert auf individuell gemachten Erfahrungen Aktivität kommt auf dem Inneren des Menschen und basiert auf zwei Seiten („I“ „me“) „I“ &“Me“ als „zwei korrespondierende Seiten des Ichs einander gegenüber gestellt.“ (Strauss: 1964) „I“ (impulsives Ich) als vorsozial und unbewusst, ist aber nie vollständig sozialisierbar und tendiert Basis: konstitutionelle Antriebsüberschuss (vgl. Freud’sche „Es“; aber konstruktive Funktion des „I“ als Unterschied) „Me“ (reflektiertes Ich) „Soziales Ich“-> der Mensch erkennt sich erst über einen anderen Menschen (nach Cooley) è Selbst als „Spiegel-Selbst“ „Me“ als die Summe der sozialen Bilder-> soziale Identität è Es gibt nicht nur ein reflektiertes Ich, sondern zahlreiche, da wir zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Rollen verschiedene Bilder von uns erfahren haben è Ego reflektiert die Reaktionen alters Reflektierte Ich bildet die soziale Grundlage der Identität Reflektierte Ich als Konstruktion (Vergleich zum Freud’schen „Über-Ich“) Reflektierte Ich als generalisierter Anderer Reflexives Bewusstsein: „self“ als Differenz zwischen „impulsiven Ich“ und „reflektierten Ich“ resultiert das „reflexive Bewusstsein“ è „self“ als Identität/ Ich-Identität è „self“ als Effekt è „jede einzelne Identität („individual self“) hat eine spezifische Individualität („particular individuality“)“ Schlussfolgerungen: - Identität ist ein Konzept; Individuen haben zu Beginn keine Identität; diese wird erst im Laufe der Sozialisation durch Vergesellschaftung hergestellt - Identität als Ergebnis vorausgesetzter Sozialität Habitus (zugehörige Literatur: Bourdieu/ Habitus) Habitus als analytische Kategorie è Wir beziehen uns homogen auf uns selbst „ein vielschichtiges System von Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmustern, das die Ausführungen und Gestaltung von weiteren Handlungen und Verhalten gestaltet.“ (Liebsch in Korte, 69) „Er ist begründet in der sozialen Lage, dem kulturellen Milieu und der Biographie eines Individuums. Als eine Art sozialer Grammatik ist der Habitus in die Körper und Verhaltensweisen der Einzelnen eingeschrieben.“ (ebd., 70) „Im Habitus als eine Form sozialen und situativen Verhaltens und Handelns ist die einzelne handelnde Person austauschbar.“ „Haltung des Individuums in der sozialen Welt, seine Dispositionen, seine Gewohnheiten, seine Lebensweise, seine Einstellungen und seine Wertvorstellungen“ (89) „Der Habitus ist nicht nur strukturierende, die Praxis wie deren Wahrnehmung organisierende Struktur, sondern auch strukturierte Struktur“ (Bourdieu 1982: 279) è Leibliche Hexis Soziologische Erkenntnismodi: - Subjektivismus (Quali bsp.Erfahrungen) - Objektivismus (Quanti) è Praxeologie/ Theorie der Praxis/ Praxistheorie (nach Bourdieu) soll beide Ansätze miteinander vereinbaren Objektive Analyse gesellschaftlicher Strukturen muss Individualerfahren mit einbeziehen (Strukturen haben Einfluss auf Denk; Wahrnehmungsmuster; sind nicht determinierend) Habitus fungiert als Strukturprinzip „Systeme dauerhafter Dispositionen, strukturierte Strukturen, die geeignet sind, als strukturierende Strukturen zu wirken, mit anderen Worten: als Erzeugungs- und Strukturierungs-prinzip von Praxisformen und Repräsentationen“ (TP 165). „ein erworbenes System von Erzeugungsschemata“ (SS 102) „Da er ein erworbenes System von Erzeugungsschemata ist, können mit dem Habitus alle Gedanken, Wahrnehmungen und Handlungen, und nur diese, frei hervorge-bracht werden, die innerhalb der Grenzen der besonderen Bedingungen seiner eigenen Hervorbringung liegen. Über den Habitus regiert die Struktur, die ihn erzeugt hat, die Praxis, und zwar nicht in den Gleisen eines mechanischen Determinismus, sondern über die Einschränkungen und Grenzen, die seinen Erfindungen von vornherein gesetzt sind.“ (Bourdieu 1987, 102f.) è Handlungsspielräume sind begrenzt Bsp. Geschmack als Habitus Schlussfolgerungen: - Erzeugungs- und Strukturprinzip des sozialen Handelns - Denk-, Wahrnehmungs-, Beurteilungs-, Verhaltens- und Handlungsschemata - Unbewusstheit - Inkorporation im Laufe der Sozialisation → Körperlichkeit - Distinktion (Klassenlage) - ≠ Charaktereigenschaft einzelner Individuen è Habitus determiniert nicht; aber zeigt die Möglichkeiten des Handelns auf (Begrenzt Handlungsspielraum)

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