VL2: Situative Verhaltenserklärungen - PDF
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Universität des Saarlandes
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This document provides an overview of the concepts of dynamic drive theory developed by Clark L. Hull (1884-1952). It details the concept of drive as a general activation state and discusses the connection between learning, motivation, and behavior prediction through mathematical models. It also mentions the concept of habit as behaviors learned as a result of experiences, and their relationship to drive.
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VL2: Situative Verhaltenserklärungen Was sind die zentralen Konzepte der dynamischen Triebtheorie von Hull? → Clark L. Hull (1884-1952) Verbindung von Lernen und Motivation Vorhersage menschlichen Verhaltens...
VL2: Situative Verhaltenserklärungen Was sind die zentralen Konzepte der dynamischen Triebtheorie von Hull? → Clark L. Hull (1884-1952) Verbindung von Lernen und Motivation Vorhersage menschlichen Verhaltens anhand mathematischer Modelle Leiter einer Arbeitsgruppe „Institute for Human Relations“ an der Yale University Trieb (drive): → Motor allgemeiner Aktivierungszustand (dynamische Funktion) unspezifische Antriebsquelle des Verhaltens (Defizitmotivation: unbefriedigte Bedürfnisse (Hunger, Durst, Schlafen) → Homöostase herstellen) → Prinzip des Hedonismus: Befriedigung des Bedürfnisses erzeugt Lustgefühl Hull wollte das Ausmaß des Triebes messbar machen: betrachtet Triebe als VL2: Situative Verhaltenserklärungen 1 interne Stimuli, die wie externe Stimuli variierbar sind (z.B. Dauer der Deprivation) → Beobachtung in Versuchsanordnung (Columbia Obstruction Box) Versuchstier wird in die Startbox gesetzt, wobei ein Hindernis (elektrisches Bodengitter) es von einem triebspezifischen Anreiz trennt (Wasser, Nahrung, paarungswilliges Weibchen) im Hauptversuch werden die spezifischen Triebstärken durch Entzug variiert und anschließend wird dokumentiert, wie oft das Versuchstier innerhalb von zwanzig Minuten das Hindernis überwindet, um seinen Defizitzustand auszugleichen Ergebnis: Satte Tiere bewegen sich wenig, nach längerer Deprivation werden sie immer aktiver; Mit steigender Entzugsdauer nahm die Bereitschaft zu, das Elektrogitter zu überqueren Gewohnheit (habit): → Lenkrad Verhaltensrichtung wird durch gelernte Reiz-Reaktionsverbindungen bestimmt VL2: Situative Verhaltenserklärungen 2 spiegelt die Verstärkungsgeschichte eines Verhaltens in einer Situation wider (vgl. Law of Effect - Thorndike) Verknüpfung von Triebstärke und Gewohnheiten: → Verhalten = Trieb x Habit Trieb = 0 → Verhaltensstärke = 0 Habit = 0 → Verhaltensstärke = 0 Mit welcher experimentellen Evidenz lässt sich die dynamische Triebtheorie von Hull belegen? Studien von Williams (1938) & Perin (1942) Lernphase: Hebel drücken, um Futter zu erhalten (unter 23-stündiger Nahrungsdeprivation) Testphase UV1: Anzahl der Verstärkungen (Habitstärke) UV2: Dauer der Nahrungsdeprivation (Triebstärke) Tiere wurden nach der erneuten Hungerperiode nicht mehr bekräftigt, die Reaktion wurde gelöscht AV: Löschungsresistenz (Anzahl der Versuche, bis Hebel nicht mehr gedrückt wird) VL2: Situative Verhaltenserklärungen 3 Ergebnis: mit der Anzahl der vorherigen Bekräftigungen steigt die Löschungsresistenz an → das Tier macht umso mehr vergebliche Versuche, je häufiger diese Zielreaktion vorher den bestehenden Bedürfniszustand vermindert hat VL2: Situative Verhaltenserklärungen 4 In welchem Experiment wurden Triebe als allgemeine Energiequelle erforscht? Experiment von Webb (1949): → Sind Hunger & Durst allgemeine oder separate Energiequellen des Verhaltens? Ist die Löschungsresistenz abhängig oder unabhängig von der Art der Deprivation? Lernphase: Hebel drücken, um Futter zu erhalten Testphase UV: Dauer der Hunger- vs. Durstdeprivation → konfundieren (sind nicht unabhängig voneinander) AV: Löschungsresistenz Fazit: Triebe sind allgemeine Energiequellen des Verhaltens, da unabhängig von der Art der Deprivation Frage: Reichen Trieb und Gewohnheit als Erklärungskonstrukte für motiviertes Verhalten? → kann Hull mit seiner Theorie latentes Lernen (Lernen bestimmter Reaktionshinweise (z.B. Zeichen), ohne dass dafür eine Verstärkung (z.B. Belohnung) erfolgt) erklären? VL2: Situative Verhaltenserklärungen 5 Erweiterung von Hulls Triebtheorie (1952) V (Verhalten) = Trieb · Habit · Anreiz Anreiz (incentive value): Charakteristika des Zielobjektes (z.B. Menge und Qualität des Futters) Nicht-kognitive Erklärung der plötzlichen Verhaltensänderung Welche Probleme gab es mit Hulls Triebtheorie? VL2: Situative Verhaltenserklärungen 6 Theorie blieb auf wenige grundlegende primäre Triebe beschränkt; bei sekundären nur für Vermeidungsverhalten (wenig attraktiv zur Erklärung menschlichen Verhaltens) keine plausible Erklärung für bestimmte Phänomene (z.B. spontaner Reaktionswechsel) Was sind Inhalte und zentrale Fragen von Aktivationstheorien? → z.B. Hebb Aktivationskonzept: Koma → Schlaf → Wachheit → konzentrierte Aufmerksamkeit → Stress ⇒ Beinhaltet ein Kontinuum von Zuständen der Aktivität von Inaktivität bis zu hohem Arousal „Arousal refers to the mobilization or activation of this energy that occurs in preparation or during actual behavior“ (Deckers, 2001) „Arousal is the activation of the brain and the body. When we are aroused, body and brain are in a state of readiness, so that we are prepared to engage in adaptive behavior“ (Franken, 2002) Zentrale Fragestellungen unterschiedlicher Aktivationskonzepte Welchen Einfluss hat das Aktivationsniveau des Organismus auf das Verhalten? Welche Hirnstrukturen sind an der Regulation des Aktivationsniveaus beteiligt? Welche Beziehung besteht zwischen Aktivation, Motivation und Leistung? Welche Reizmerkmale beeinflussen das Aktivationsniveau? Zentrale Merkmale von Aktivationstheorien Fokus auf Intensitätsaspekt (ähnlich zum Triebkonzept) VL2: Situative Verhaltenserklärungen 7 Neurophysiologische Orientierung: Entdeckung der ARAS (aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem) → Unterschied zu den Triebtheoretikern Fokus auf „zentralnervöse Stimulation“ statt biologischer Bedürfnisse als Antriebsquelle Annahme eines optimalen (mittleren) Aktivierungsniveaus Erforschung der Reizmerkmale, die Erregungsniveau beeinflussen (z.B. Neuartigkeit, Erwartungsdiskrepanz) Was versteht man unter dem “ARAS”? → aufsteigendes retikuläres Aktivierungssystem VL2: Situative Verhaltenserklärungen 8 Empirische Belege für die Funktionsweise und Aufgabe der RAS Elektrische Stimulation des RAS führt zu Veränderungen der elektrischen Aktivität des Neocortex VL2: Situative Verhaltenserklärungen 9 Läsion des RAS führt zu Koma VL2: Situative Verhaltenserklärungen 10 Retikuläres Aktivationssystem (RAS) Keine Verarbeitung spezifischer Reizmerkmale von aufsteigenden Bahnen, sondern unspezifische und großflächige Aktivierung des Neocortex RAS wird auch durch vom Cortex absteigende Bahnen aktiviert → kortikale Kontrolle der Aufmerksamkeitssteuerung (erhöhte RAS- Aktivierung, wenn Person sich auf Reize konzentriert) Welche Probleme gibt es beim unspezifischen Aktivationskonzept? VL2: Situative Verhaltenserklärungen 11 verschiedene Indikatoren für die Aktivation eines unspezifischen Erregungssystems sind nicht korreliert Atemform EEG (Amplitude und Frequenz) Elektromyogramm (Anspannung des Stirnmuskels) Herzfrequenz Lidschlag (Anzahl) Pulsvolumenamplitude Spontanfluktuationen (dem Hautleitwertniveau überlagert und treten reizunabhängig sowohl in positive als auch negative Richtung mit einer Rate von 3-7 Fluktuationen pro Minute auf) der Hautleitfähigkeit Subjektiv erlebte Anspannung oder Anstrengung manche Aktivationsindikatoren verhalten sich je nach Situation gegenläufig Konzentration auf Reize oder gespannte Erwartung eines Reizes → erhöhte Herzrate erschreckende oder aversive Reize → verringerte Herzrate verschiedene Personen zeigen individuell unterschiedliche Muster psychophysiologischer Reaktionen Welche Sichtweise zur Erregungssystemen hat man heute? → Annahme multipler Erregungssysteme mehrere Zellgruppen im Hirnstamm sind an der Regulation des kortikalen Erregungsniveaus beteiligt (z.B. noradrenerges System, serotonerges System, cholinerges System) VL2: Situative Verhaltenserklärungen 12 sind jeweils mit spezifischen Neurotransmittern assoziiert und projizieren weitflächig in viele kortikale Regionen (z.B. Noradrenalin, Serotonin) haben unterschiedliche Funktionen (z.B. Verhaltenshemmung, Gedächtnisfunktionen) Was besagt die Idee eines optimalen Aktivationsniveaus? mittleres Aktivationsniveau sei besser als zu niedrige oder zu hohe Erregung Organismen seien bestrebt, mittleres Aktivationsniveau zu erreichen oder aufrecht zu erhalten Was besagt die Aktivationstheorie von Hebb? psychische Prozesse (Gedanken, Vorstellungen) beruhen darauf, dass Neuronenverbände in geordneter Abfolge erregt werden (sogenannte Phasensequenzen) Jede Stimulation hat zwei Funktionen aktivierende Funktion (arousal function) steuernde Funktion (cue function) Damit Reize steuernde Funktionen ausüben können, muss minimales unspezifisches Aktivationsniveau vorhanden sein Zu hohes Aktivationsniveau führt zum Zusammenbruch von „Phasensequenzen“ und des geordneten Denk- und Vorstellungsablaufs VL2: Situative Verhaltenserklärungen 13 → Leichte Diskrepanzen vom optimalen Aktivationsniveau (mäßige Abweichungen vom Vertrauten oder Erwarteten) werden als angenehm erlebt und wirken motivierend → Große Diskrepanzen (zu unerwartete oder intensive Reize) sind unangenehm und motivieren Vermeidungsverhalten Welche Folgen hätte ein zu niedriges Aktivationsniveau/sensorische Deprivation? → Experiment von Bexton, Heron & Scott (1954) Studenten (N = 22) wurden gebeten, sich für mehrere Tage in eine reizabgeschirmte Kammer zu legen (auch weitgehende Reduktion visueller und taktiler Stimulation) Zunächst viel geschlafen, dann Suche nach Stimulation jede Gelegenheit zur Stimulation wird begierig wahrgenommen (Vorlesen von Börsenberichten und Telefonbüchern) Abbruch nach 2-3 Tagen Folgeerscheinungen: Halluzinationen, kognitive Defizite VL2: Situative Verhaltenserklärungen 14 VL2: Situative Verhaltenserklärungen 15 Welche Folgen hätte ein zu hohes Aktivationsniveau? Zu komplexe, widersprüchliche/inkongruente Reize sind aversiv Erhöhte Aktivierung wird besonders durch unerwartete Veränderungen eines vertrauten Objekts ausgelöst VL2: Situative Verhaltenserklärungen 16 → Beispiele Schimpansen gerieten bei Anblick eines narkotisierten Artgenossen oder ungewohnt gekleideten Wärters in Panik (Hebb) Säuglinge zeigten Schreckreaktion, wenn Mutter plötzlich mit hoher Stimme spricht (Bühler, Hetzer & Mabel) Extreme Erregung (z.B. Panik bei Katastrophen) führt zu Desorganisation des Verhaltens Mäßige Inkongruenz, Neuheit oder Komplexität ist angenehm → Neugier, Interesse, Explorationsverhalten Wie hängen Aktivationsniveau und Leistungsfähigkeit nach dem Yerkes- Dodson-Gesetz zusammen? Wie beeinträchtigt ein erhöhtes Aktivationsniveau die Leistung? → Studie → Beispielstudie von Heckhausen & Strang (1988) Übermotivation: Person ist so motiviert, gute Leistung zu erbringen, dass sie ein über-optimales Erregungsniveau hat Semiprofessionelle Basketballspieler (weil professionelle Basketballspieler immer Bestleistungen erzielen müssen und daher auch immer unter Druck stehen) UV: Instruktion (Training vs. Bestleistung erzielen) AV: erzielte Körbe in 3 Minuten VL2: Situative Verhaltenserklärungen 17 Unterschiede zwischen triebtheoretischen und aktivationstheoretischen Konzepten VL2: Situative Verhaltenserklärungen 18 VL2: Situative Verhaltenserklärungen 19