Modul V 2.1 Rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns PDF
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HöMS - Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit
Lothar Muhl, Prof. Dr. Christiane Wegricht
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This document is a lecture/course script about administrative law. It covers the concept, tasks, types of public administration, administrative law in the legal system, general and special administrative law, sources of administrative law. The script is prepared by Lothar Muhl and Prof. Dr. Christiane Wegricht, from HÖMS, Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit. This is a university course script.
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Modul V 2.1 Rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns Skript 1 1. S e me s t e r begr. Autor: RD Lothar Mühl bearbeitet von: Prof. Dr. Christiane Wegricht Haus- und Postanschrift:...
Modul V 2.1 Rechtliche Grundlagen des Verwaltungshandelns Skript 1 1. S e me s t e r begr. Autor: RD Lothar Mühl bearbeitet von: Prof. Dr. Christiane Wegricht Haus- und Postanschrift: Telekommunikation: Hess. Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit Tel.: 0611 3256-4100 Talstr. 3 Fax: 0611 3256-2609 35394 Gießen e-Mail:[email protected] B e g r i f f , A u f g a b e n , Ar t e n u n d Re c h t s q u e l l e n d e r V e r w a l t u n g Vorwort Übersicht 1 Begriff der öffentlichen Verwaltung 2 Aufgaben und Entwicklung der öffentlichen Verwaltung 3 Arten öffentlicher Verwaltung 4 Das Verwaltungsrecht im Rechtssystem 5 Allgemeines- und besonderes Verwaltungsrecht 6 Quellen des Verwaltungsrechts Literaturhinweise 2 Vorwort Liebe Studierende, die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Die Staatsgewalt – und damit auch die Verwaltung – ist an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 III GG). Das Verwaltungsrecht gibt den rechtlichen Rahmen für Verwaltungshandeln vor. Im Mittelpunkt verwaltungsrechtlicher Betrachtungen und Prüfungen stehen sowohl die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung als auch Rechtsschutzmöglichkeiten für die Bürger. Zunächst wird ein Blick auf die Verwaltung selbst als Teil der Staatsgewalt geworfen (Begriff, Aufgaben und Arten von Verwaltung). Danach geht es um die Inhalte und Quellen des Verwaltungsrechts sowie seine Stellung im deutschen Rechtssystem und Abgrenzung zu anderen Rechtsbereichen. Ziele: Nach der Bearbeitung dieses Skripts sollten Sie von Folgendem eine erste Vorstellung haben: Verwaltung als Teil der Staatsgewalt, Abgrenzung von den anderen Gewalten, Aufgaben und Funktion der Verwaltung, Stellung des Verwaltungsrechts im Rechtssystem, Rechtsquellen und Verwaltungsrecht als Teil des öffentlichen Rechts, Abgrenzung zum Privatrecht, Die zwei Ebenen der Träger der Verwaltung (Bund – Land mit Kommunen), Einbindung und Bedeutung der Kommunen in die staatliche Verwaltung. Modulbuch: Für den geforderten Inhalt aus dem Modulbuch deckt dieses Skript ab: Aufgaben, Funktion und Entwicklung der öffentlichen Verwaltung Rechtsquellen des Verwaltungshandelns – die verwaltungsrechtliche Normenpyramide Abgrenzung Öffentliches Recht – Privatrecht; Verwaltungsprivatrecht Viel Freude und Erfolg beim Studium! 3 Inhaltsstruktur Was ist Verwaltung? Begriff Aufgaben Arten Was ist Verwaltungsrecht? Stellung im System Allgemeines und besonderes Rechtsquellen Verwaltungsrecht Wer verwaltet? Verwaltungsträger Verwaltungsaufbau Zuständigkeiten 4 1 Begriff der öffentlichen Verwaltung Das Verwaltungsrecht ist das Recht der Verwaltung und der Bürger, die mit dem Verwaltungshandeln konfrontiert sind. Was aber ist die Verwaltung, an die sich das Verwaltungsrecht wendet und die damit alle Vorschriften des Verwaltungsrechts beachten muss? Definitionsversuche Die Frage ist einfach, eine eindeutige Antwort nicht. Dies folgt daraus, dass „verwalten“ eine Vielzahl von Tätigkeiten umfasst, die nicht nur im öffentlichen Bereich anfallen, sondern auch bei privaten Stellen und Institutionen. Dies erfordert eine Abgrenzung gegenüber nicht öffentlicher Verwaltung. Ansatzpunkt dafür kann die Organisationsform der Einrichtung sein, aber auch die Aufgabenstellung. In der verwaltungsrechtlichen Literatur finden sich unterschiedliche Ansätze und Definitionen: Materieller1 Verwaltungsbegriff Gesetzlich gebundene Wahrnehmung von Angelegenheiten der Allgemeinheit durch dafür bestellte Sachwalter.2 Organisatorischer Verwaltungsbegriff Gesamtheit der Glieder und Organe, die zur öffentlichen Verwaltung bestellt sind. Formeller Verwaltungsbegriff Jede Tätigkeit, die von den zur Verwaltung berufenen Organen ausgeübt wird. Die genannten Definitionen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich. Letztendlich lässt sich die Verwaltung nicht befriedigend definieren, sondern nur beschreiben.3 Der materielle Ansatz verdient besonderer Beachtung, zumal die anderen Definitionen darauf aufbauen. Er stellt die Tätigkeit und Zielrichtung – Erfüllung öffentlicher Aufgaben – in den Mittelpunkt. Mit Blick auf die Vielzahl öffentlicher Aufgaben und den Grundsatz der Gewaltenteilung ist die positive Bestimmung noch um die traditionelle Negativdefinition zu ergänzen, nach der die öffentliche Verwaltung diejenige staatliche Tätigkeit beinhaltet, die nicht Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierung ist.4 1 Grundsätzlich beschreibt das materielle Recht Inhalt und Voraussetzungen von Ansprüchen, das formelle Recht kümmert sich darum, wie Ansprüche durchgesetzt oder die Verwaltung ihr Handeln gestalten muss. vgl. z.B. auch www.juraforum.de/lexikon/formelles-recht. Vorsicht: Juraforum ist hilfreich beim Lernen, bitte möglichst in wissenschaftlichen Arbeiten nicht zitieren, sondern in diesen auf juristische Fachliteratur zurückgreifen. 2 Ausführlicher und beschreibend Hofmann/Gerke/Hildebrandt Rn. 3 – 17; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., § 2 III. 3 Vgl. vertiefend, Maurer/Waldhoff § 1. 4 Zurückgehend auf Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 5 Die öffentliche Verwaltung als Staatsgewalt Nach Art. 20 II GG geht alle Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen vom Volke aus, wird aber durch die besonderen Organe der Gesetzgebung (die durch die Wahlen zustande gekommen sind), der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Zu den Gesetzgebungsorganen (Legislative) zählen Bundestag und Bundesrat auf Bundes- und die Landtage auf Länderebene. Sie verabschieden die Gesetze. Nicht zur Legislative gehören die sog. Kommunalparlamente (Gemeindevertretung, Stadtverordnetenversammlung, Kreistag). Sie können zwar Recht setzen, z.B. in Form von Satzungen, werden aber i.S. der staatsrechtlichen Aufteilung der Staatsgewalten der Exekutive zugerechnet.5 Die Rechtsprechung (Judikative) entscheidet über die richtige Anwendung des Rechts im Streitfalle. Ferner bestraft sie. Die Rechtsprechung kontrolliert auch Entscheidungen der Exekutive, soweit diese zum Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. In Deutschland sind – je nach Streitgegenstand – unterschiedliche Gerichtsbarkeiten vorgesehen, und zwar: Verfassungsgerichtsbarkeit Ordentliche Gerichtsbarkeit Verwaltungsgerichtsbarkeit Sozialgerichtsbarkeit Finanzgerichtsbarkeit Arbeitsgerichtsbarkeit Die vollziehende Gewalt (Exekutive) führt die Gesetze aus. Neben der Verwaltung (Administrative) zählt die Regierung (Gubernative) zur vollziehenden Gewalt, wobei nach heutigem Verständnis sich die Tätigkeiten von Verwaltung und Regierung nicht auf den reinen Gesetzesvollzug beschränken. Die Aufteilung in Verwaltung und Regierung berücksichtigt, dass Regierungen (Bun- desregierung, Landesregierungen) Aufgaben i.S. einer politischen Leitung (Regierungsbildung, Festlegung von Zielen usw.) wahrnehmen und in diesem Bereich nicht als Verwaltung tätig werden. Daneben sind Minister bzw. Ministerien in den Verwaltungsaufbau (als oberste Behörden) eingebunden und nehmen in diesem Rahmen Verwaltungsaufgaben wahr. Nicht nur innerhalb der ausführenden Gewalt gibt es Überschneidungen bzw. Abgren- zungsschwierigkeiten; auch zwischen den anderen Staatsgewalten wird der Grundsatz der Ge- waltenteilung z.T. durchbrochen. Beispiele für Durchbrechungen: - Erlass von Rechtsverordnungen durch die Verwaltung - Behandlung von Petitionen durch Parlamente 5 Birkenfeld, Kommunalrecht, Rn. 148. 6 - Erlass von Bußgeldbescheiden durch die Verwaltung - Entscheidungen der Gerichte im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit 2 Aufgaben und Entwicklung der öffentlichen Verwaltung Nach der materiellen Begriffsbestimmung ist Verwaltung die Wahrnehmung von Angelegenheiten der Allgemeinheit. Eine klare Aufgabenbeschreibung kann darin allerdings nicht gesehen werden. Die dürfte auch schwerlich gelingen, ist doch Verwaltung durch eine Vielzahl von Aufgaben gekennzeichnet. Eine abschließende Erfassung ist nicht möglich. (Siehe zu den Aufgaben z.B. die Videos https://www.youtube.com/watch?v=1nN0Wi3gkC0 und https://www.youtube.com/watch?v=u_So-mVa15Q) Zum Teil finden sich verfassungsrechtliche Vorgaben, z.B. die Gegenstände bundeseigener Verwaltung in Art 87 ff GG, z.T. auch gesetzliche Vorgaben in speziellen Aufgabenzuweisungen (z.B. für die Aufgabe der Gefahrenabwehr in § 1 HSOG). Die Aufgaben der Verwaltung als gesetzesvollziehende Gewalt werden weitgehend vom Gesetzgeber vorgegeben. Der ist – abgesehen von Kompetenzfestlegungen im Verhältnis des Bundes zu den Ländern (und zunehmend zur Europäischen Union) – grundsätzlich darin frei, sog. Allzuständigkeit des Staates, welche Angelegenheit der Allgemeinheit er angeht, in gesetzliche Vorgaben fasst und damit zur Aufgabe von Verwaltung macht. Vielzahl und Vielfalt der Aufgaben werden beispielhaft sichtbar in Organisations- und Geschäftsverteilungsplänen größerer Behörden der allgemeinen Verwaltung (z.B. Regie- rungspräsidien, Stadtverwaltungen). In ihnen spiegeln sich auch die Veränderungen der Aufgaben wider. Neben klassischen Bereichen, die in der einen oder anderen Form immer wieder auftauchen (z.B. Bauverwaltung,) kommen neue Aufgaben hinzu, Schwerpunkte verändern sich. Denn die Aufgaben der Verwaltung sind abhängig von historischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen in einem Staatswesen. Stand z.B. im 19. Jahrhundert die Gewährung von Sicherheit und Ordnung im Vordergrund bei möglichster Zurückhaltung in anderen Lebensbereichen („Nachtwächterstaat“), haben die Industrialisierung und die aufkommenden sozialen Fragen nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Aufgaben der Verwaltung verändert (zunehmend Aufgaben der Daseinsvorsorge).6 Beispielhaft ist der Umweltbereich zu nennen. Mit Stärkung des Umweltbewusstseins in der Bevölkerung und dem Aufgreifen durch Politik und Gesetzgeber ist im Laufe der letzten 30 Jahre eine umfangreiche Umweltverwaltung entstanden. Umgekehrt zieht sich der Staat aus traditionell hoheitlich geprägten und verwalteten Bereichen zurück bzw. entzieht sie durch „Privatisierung“ der Aufgaben dem öffentlichen Verwaltungssektor (z.B. Postdienste, Bahn). 6 Zur Vertiefung: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, 5 Bände, 1983-1987; zur neueren Entwicklung: König/Siedentopf, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, 1997. 7 3 Arten öffentlicher Verwaltung Unabhängig von der schwierigen Begriffsbestimmung und aufbauend auf den Aufgaben sind Praxis und Wissenschaft bemüht, zur besseren Strukturierung des schwer zu fassenden Verwaltungsbegriffs Verwaltung in Verwaltungsarten zu unterteilen. Dabei kann eine Unterteilung nach verschiedenen Gesichtspunkten oder Ansätzen erfolgen. 1. Unterscheidung nach Trägern Sie knüpft am institutionell organisatorischen Verständnis und am Staatsaufbau an und unterscheidet: - Bundesverwaltung - Landesverwaltung - Kommunalverwaltung An die Trägerschaft knüpft auch die Unterscheidung in unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung an. Bei unmittelbarer Verwaltung nimmt der Staat die Verwaltungsaufgaben selbst durch eigene Behörden wahr (z.B. Landesverwaltung durch Regierungspräsidien, Finanzämter usw.). Bei mittelbarer Verwaltung bedient sich der Staat zur Aufgabenerledigung anderer mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestatteter Träger (z.B. Gemeinden, Landkreise und andere Körperschaften sowie rechtsfähige Anstalten). 2. Unterscheidung nach Aufgaben bzw. Zielen - Ordnungsverwaltung (z.B. allg. Gefahrenabwehr, Gewerbeaufsicht) - Leistungsverwaltung (z.B. Gewährung von Sozialhilfe, Subventionen) - Planungsverwaltung (z.B. Bauleitplanung, Schulentwicklungsplanung) - Bedarfsverwaltung (z.B. Beschaffungswesen, Gebäudeverwaltung) 3. Unterscheidung aus Sicht der Bürger - Eingriffsverwaltung, greift in Rechtspositionen ein durch belastende Maßnahmen (z.B. Verbote, z.B. Gewerbeverbot, Zwangsanwendung, Beschränkungen im Straßenverkehr, Enteignungen, Steuerveranlagung) - Leistungsverwaltung, leistende, begünstigende Maßnahmen (z.B. Bewilligungsbescheide, Erlaubnisse, Subventionen, Fürsorgeleistungen, Bereitstellung kommunaler Einrichtungen) 4. Unterscheidung nach der Rechtsform des Handelns 8 Sie knüpft an das Verwaltungshandeln an, das entweder durch gesetzliche Vorgaben oder durch Wahl des Trägers in öffentlich-rechtlicher Form oder privatrechtlicher Form erfolgen kann. Hier lässt sich unterscheiden: o Hoheitliches Verwaltungshandeln, erfolgt nach öffentlich-rechtlichen Regeln und ist durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet (z.B. im Bereich der Eingriffsverwaltung). o Fiskalisches Verwaltungshandeln, bei dem die Verwaltung dem Bürger als gleichberechtigter Partner gegenübersteht, indem sie wie andere auch am privaten Rechtsverkehr teilnimmt. Dies erfolgt in Formen des Privatrechts. Dazu zählen die: - Bedarfsverwaltung (z.B. Kauf von Büromaterial, Anmietung von Räumen) - Erwerbswirtschaftliche Tätigkeit, d.h. die unternehmerische Tätigkeit, bei welcher der Verwaltungsträger wie eine Privatperson auftritt (z.B. Beteiligung als Aktionär, Gesellschafter).7 - Verwaltungsprivatrechtliches Verwaltungshandeln umfasst die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in Form des Privatrechts. Der Verwaltungsträger hat insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge grundsätzlich ein Wahlrecht sowohl hinsichtlich der Organisationsform als auch in der rechtlichen Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses (z.B. Städtische Werke AG, Klinik-GmbH, aber auch kommunaler Kindergarten als unselbständiger Teil der Stadtverwaltung mit privatrechtlich ausgestalteter Nutzung durch vertragliche Regelung mit Eltern).8 Aus der Darstellung der Arten wird deutlich, dass die Anknüpfungspunkte zu Überschneidungen führen. Zum einen tauchen Verwaltungsarten und Beispiele mehrfach unter verschiedenen Überschriften auf. Zum anderen kommen sowohl auf Behördenebene als auch bei den einzelnen Mitarbeitenden Tätigkeiten zusammen, die unterschiedlichen Verwaltungsarten zuzurechnen sind. So gilt die Aufgabe der Sozialhilfe als Beispiel der Leistungsverwaltung. Eine einzelne Entscheidung, z.B. die Rückforderung von Leistungen, kann dabei aber belastend sein und Eingriffscharakter haben. Die Aufgaben nach dem Gaststättengesetz werden im Rahmen der Ordnungsverwaltung erledigt, die ihrerseits häufig als Beispiel für hoheitliche Eingriffsverwaltung angeführt wird. Dies ist vor dem Hintergrund der zahlreichen Maßnahmen (Kontrollen, Schließung von Gaststätten, Sperrzeitregelungen usw.) auch sachgerecht. Gleichzeitig tritt diese Verwaltung aber auch leistend und im Ergebnis begünstigend auf (z.B. Erteilung einer Erlaubnis, Ausnahmeregelung usw.). 7 Vgl. Maurer/Waldhoff, § 3 Rn. 24. Für einen Überblick über die wirtschaftliche Betätigung des Bundes Bundesministerium der Finanzen, Beteiligungen des Bundes. Gemeinden unterliegen den Voraussetzungen der §§ 121 ff. HGO. 8 Dieses Verwaltungshandeln wird auch als Gewährleistungsverwaltung kategorisiert, vgl. Detterbeck Rn. 10. 9 4. Das Verwaltungsrecht im Rechtssystem „Verwaltungsrecht“ ist zunächst ein Ordnungsbegriff, der im Rechtsstudium, in der Literatur und Rechtsprechung verwendet wird und einen Bereich des Rechts von anderen Teilgebieten abheben soll. Eine Begriffsklärung erschließt sich am ehesten mit Blick auf das Rechtssystem und seiner Teilgebiete. Das deutsche Rechtssystem ist – ausgehend vom römischen Recht – von der Zweiteilung in Öffentliches Recht und Privatrecht geprägt. Das Verwaltungsrecht ist Teil des Öffentlichen Rechts. Öffentliches Recht Privatrecht Verwaltungs- Staatsrecht recht Strafrecht Völkerrecht Zivilrecht Wirtschafts- Europarecht recht Arbeitsrecht Steuerrecht Kirchenrecht Sozialrecht Eine genauere Betrachtung der im Schaubild dargestellten Einzelbereiche würde den Rahmen dieser Einführung sprengen und kann nachgelesen werden.9 Große Bedeutung nimmt die Abgrenzung des Öffentlichen Rechts vom Privatrecht ein, da Verwaltungshandeln nicht zwingend in öffentlich-rechtlicher, sondern auch in privatrechtlicher Form erfolgen kann. 9 Z.B. bei Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2/1 c. 10 Privatrecht Öffentliches Recht Das Privatrecht regelt die Rechtsbeziehungen Der Hauptbereich des öffentlichen Rechts der einzelnen Privatrechtsträger (z.B. der besteht in der Regelung der Bürger10, aber auch des Staates, wenn er Rechtsbeziehungen zwischen dem Staat als privatrechtlich handelt) untereinander. Träger der Hoheitsgewalt und den Bürgern, aber auch Regelungen von = Gleichordnung der Beteiligten Rechtsbeziehungen zweier oder mehrerer Hoheitsträger Beispiele: Beispiele: Kauf, Vermietung, Erteilung einer Baugenehmigung, Verhängung eines Bußgeldes, Erhebung von Steuern, Ernennung eines Beamten, Zweckvereinbarung zweier Kommunen über die gemeinsame Nutzung einer Kläranlage nach dem KGG Beispiele für Rechtsgrundlagen: Beispiele für Rechtsgrundlagen: - BGB - GG - HGB - VwGO - Arbeitsrecht - BauGB - Aktiengesetz - SGB - HVwVfG - HGO - HSOG - HBG - KGG Zivilgerichte Verwaltungsgericht Die Abgrenzung ist vor allem in folgenden Zusammenhängen von Bedeutung: 5. Bestimmung des Rechtsweges bei Streitigkeiten: § 40 VwGO eröffnet den Verwal- tungsrechtsweg bei allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art. 6. Bestimmte Vorschriften knüpfen an die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Verwaltung an, z.B. § 1 HVwVfG für die Anwendung des Gesetzes oder § 35 HVwVfG bei der Begriffsbestimmung des Verwaltungsaktes. 7. Die sog. Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG greift bei Ausübung eines öffentlichen Amtes (gleichbedeutend mit öffentlich-rechtlichem Handeln). 10 In den Skripten wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten werden dabei ausdrücklich mitgemeint, soweit es für die Aussage erforderlich ist. 11 In Literatur und Rechtsprechung wurden zur Abgrenzung des öffentlichen vom privaten Recht die folgenden Abgrenzungstheorien11 entwickelt: Interessentheorie: Zum öffentlichen Recht gehören die Normen, die überwiegend dem öffentlichen Interesse dienen, zum Privatrecht zählen die dem privaten Interesse dienenden Normen. Da viele privatrechtliche Vorschriften auch dem öffentlichen Interesse dienen, sollte diese älteste Theorie nicht mehr angewandt werden.12 Subordinationstheorie: Öffentliches Recht liegt vor, wenn zwischen den Beteiligten ein Über- und Unterordnungsverhältnis besteht, das sich daraus ergibt, dass ein mit hoheitlicher Gewalt ausgestatteter Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt ist. Stehen sich die Beteiligten gleichberechtigt gegenüber, soll Privatrecht vorliegen. Es gibt aber eine Vielzahl von Handlungen, in denen ein solches Über-Unterordnungsverhältnis nicht zu sehen ist (z.B. Verwaltungsverträge), so dass auch diese Theorie nicht geeignet ist. Im Übrigen sollte die Verwaltung als Dienstleistung für die Bürger betrachtet werden.13 Sonderrechtstheorie: Zum öffentlichen Recht gehören die Rechtsnormen, bei denen Berechtigter oder Verpflichteter zwingend ein Träger hoheitlicher Gewalt als solcher ist. Zum Privatrecht gehören die Normen, aus denen jedermann – Private oder Hoheitsträger – Rechte bzw. Pflichten herleiten kann.14 Die genannten Ansätze sind z.T. zu unterschiedlichen Zeiten entstanden, z.T. ausgehend bestimmter Fallgestaltungen. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus und werden ergänzend herangezogen, wobei die zuletzt genannte Theorie als herrschend anerkannt ist. Es gilt zu erkennen, dass jede Theorie ihre Schwächen hat und nicht in allen Fällen zu überzeugenden Ergebnissen führt. Schwierig anzuwenden sind die Theorien in den Fällen, in denen eine Verwaltung keine auf Normen gestützten rechtsgeschäftlichen Handlungen, sondern sog. Realakte vornimmt. Beispiele: Dienstfahrten15, Äußerungen von Behördenmitarbeiter16 Hier fehlt eine Norm als Anknüpfungspunkt, so dass je nach Fallgestaltung - und manchmal wohl auch nach gewünschtem Ergebnis – andere Gesichtspunkte herangezogen werden müssen, z.B. Frage nach dem Zusammenhang oder dem Zweck der jeweiligen Tätigkeit (z.B. der Autofahrt). Im Bereich der Leistungsverwaltung bzw. Daseinsvorsorge (z.B. Betrieb eines Kindergartens) ist zunächst nach der Organisationsform zu fragen. Ist der Kindergarten privatrechtlich organisiert (z.B. Städtische Kindergarten GmbH), so unterliegen auch die Handlungen und Rechtsbeziehungen dem Privatrecht. Wird der Kindergarten in öffentlich-rechtlicher Organisation betrieben (z.B. als Regiebetrieb), steht dem Träger ein Wahlrecht zu, ob er das Nutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich oder 11 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1323 ff. 12 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1324. 13 Vgl. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1323. 14 Vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, § 22 Rn. 28 f.; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1324. 15 Vgl. BGHZ 29, 38; 50, 217. 16 Vgl. BVerwGE 82, 76. 12 privatrechtlich ausgestaltet. Bestehen hier Unklarheiten, muss auf Indizien zurückgegriffen werden. Indizien für eine öffentlich-rechtliche Ausgestaltung sind Satzungsregelungen, Begriffe wie Nutzungsordnung, Nutzungsgebühren usw. Vertragliche Gestaltungen und Begriffe wie Entgelt und Geschäftsbedingungen sind Indizien für eine privatrechtliche Regelung. In diesem Bereich kommt oft die sog. Zweistufentheorie zum Tragen: Die erste Stufe hat die Frage zum Gegenstand, ob die Streitigkeit die generelle Zulassung betrifft (also das „ob“), bei der zweiten Stufe wird gefragt, ob die Streitigkeit das Benutzungsverhältnis (also das „wie“) betrifft. Nach der jeweiligen Ausgestaltung richtet sich die Zuordnung.17 Auch bei Subventionen kommt oft die Zwei-Stufen-Theorie zum Tragen, vor allem, wenn solche nicht auf gesetzlicher, sondern haushalterischer Grundlage erteilt werden: Entscheidung über die Auszahlung, 1. Stufe (ob): immer öffentlich-rechtlich Modalitäten der Auszahlung, 2. Stufe (wie): je nach Ausgestaltung privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich Ausnahme: Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen (sog. verlorener Zuschuss): immer öffentlich-rechtlich (es gibt also nur eine Stufe)18 Um einen verlorenen Zuschuss handelt es sich, wenn für eine vereinbarte Rückzahlung des Geldes nichts ersichtlich ist. Ansonsten handelt es sich bei zinsgünstigen Darlehen um klassische Subventionen, auf welche die Zweistufentheorie anwendbar ist. 5. Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht Nimmt man Lehrbücher zur Hand, so finden sich Bücher zum allgemeinen und zum besonderen Verwaltungsrecht. Dies entspricht einer traditionellen Einteilung, die darauf beruht, die für mehrere Bereiche bedeutsamen allgemeinen Vorschriften und Rechtsgrundsätze vor und zusammenzuziehen. Es legt die Grundlagen und Grundsätze der Verwaltung und ihrer Tätigkeit fest, unabhängig davon, um welche Art und Funktion der Verwaltung es sich handelt. Es beschäftigt sich also mit den Grundregeln der Verwaltungstätigkeit. Zum allgemeinen Verwaltungsrecht zählen das allgemeine materielle Verwaltungsrecht ebenso wie das allgemeine Verfahrens- und Organisationsrecht. Das besondere Verwaltungsrecht umfasst dagegen die verwaltungsrechtlichen Sonder- regelungen, die für die jeweiligen fachspezifischen Teilgebiete existieren (z.B. Baurecht, Dienstrecht, Ordnungsrecht usw.). 17 Vgl. Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 909 ff., 1326. 18 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 911 f. 13 Verwaltungsrecht Allgemeines Besonderes Verwaltungsrecht Verwaltungsrecht - Verwaltungsaufbau/-organisation - allg. OrdnungsR (GefahrenabwehrR - BauR (bes. OrdnungsR) - Handlungsformen der - SozialhilfeR, DienstR Verwaltung - KommunalR - Verwaltungsverfahren - UmweltR (z.B. ImmissionsschutzR) - Verwaltungsvollstreckung - StraßenR - Staatshaftung - AusländerR, GewerbeR (bes. OrdnungsR) Bei der Rechtsanwendung gilt der Grundsatz der Spezialität bzw. Subsidiarität. Danach ist bei gesonderter Regelung in einem Spezialgesetz diese anzuwenden. Sie geht einer Regelung im allgemeinen Verwaltungsrecht vor. Fehlt eine spezielle Regelung oder ist diese lückenhaft, kann grundsätzlich auf bestehende allgemeine Regelungen zurückgegriffen werden. Beispiele: Das Gaststättengesetz enthält in § 15 GaststättenG (gilt ab 01.05.2012 in Hessen nicht mehr) spezielle Regelungen über die Rücknahmen einer Gaststättenerlaubnis, welche die allgemeinen Rücknahmeregeln in § 48 HVwVfG verdrängen. In der Hessischen Bauordnung (HBO) finden sich keine Vorschriften über die Rücknahme und den Widerruf einer Baugenehmigung. Hier greifen die §§ 48, 49 HVwVfG als allgemeine Regeln ein. 6. Quellen des Verwaltungsrechts Die Verwaltung ist nach Art. 20 III GG an Gesetz und Recht gebunden. „Gesetz und Recht“ ergeben sich aus unterschiedlichen Rechtsquellen. Dabei überwiegt in Deutschland aufgrund der traditionell ausgeprägten Kodifizierung das geschriebene Recht als Rechtsquelle.19 Es gibt aber auch ungeschriebenes Recht, das indes immer unbedeutender wird. Die Unterteilung in geschriebenes und ungeschriebenes Recht ist dabei nur eine mögliche Einteilung. Rechtsquellen für die Verwaltung können auch nach nationalen, internationalen und supranationalen Rechtquellen unterschieden werden. 19 2022 gab es 1.773 Bundesgesetze mit insgesamt 50.738 Paragraphen und 2.795 Bundesrechtsverordnungen mit insgesamt 42.590 Paragraphen. Hinzu kommen die Landesgesetze und –verordnungen. Verabschieden Sie sich also von dem Gedanken, alle Gesetze zu kennen, Sie müssen lernen, mit ihnen umzugehen. 14 Geschriebenes Recht Ungeschriebenes Recht Internationales bzw. Supranationales Recht Verfassungen Völkerrecht Gesetze Allgemeine Europarecht Rechtsgrundsätze RechtsVO Satzungen VerwaltungsV Geschriebenes Recht Das geschriebene Recht hat in Deutschland die größte Bedeutung. Die Rechtssätze stehen in einem Rangverhältnis, auch Normenhierarchie oder Normenpyramide genannt, an deren Spitze die Verfassungsgesetze stehen. Verfassungsgesetze sind das Grundgesetz und die Verfassungen der Länder. Im Kollisionsfalle geht das GG vor (vgl. Art. 31 GG: BundesR bricht LandesR; dies gilt auch für unterhalb des Verfassungsrechts stehende Rechtssätze) Gesetze: Es wird unterschieden zwischen Gesetzen im formellen und im materiellen Sinne. Gesetze im formellen Sinne sind die von einem Gesetzgebungsorgan (Bundestag, Landtage) in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren erlassenen Gesetze. Je nach Gesetzgeber gibt es Bundes- und Landesgesetze. Gesetze im materiellen Sinne sind alle abstrakten Regelungen, die verbindlich sind. Sie betreffen eine unbestimmte Anzahl von Personen und Fällen. Darunter fallen neben den Gesetzen im formellen Sinne auch Rechtsverordnungen und Satzungen. (Wenn im Weiteren von Gesetzen die Rede ist, sind damit die Gesetze im formellen Sinne gemeint). Rechtsverordnungen sind von Organen der vollziehenden Gewalt aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassene Rechtsnormen. Sie sind Gesetze im materiellen Sinne. Rechtsverordnungen eröffnen für die Verwaltung die Möglichkeit, nicht nur den Einzelfall, sondern eine Vielzahl von Fällen abstrakt zu regeln. Beispiele: HSOG-DVO, Straßenverkehrsordnung (siehe Grundlage hierfür § 6 StVG). Die Beispiele zeigen, dass es sowohl Rechtsverordnungen auf Bundes-, aber auch auf Landesebene gibt. Auch im kommunalen Bereich sind Rechtsverordnungen bei entsprechender gesetzlicher Ermächtigung möglich, z.B. örtliche GefahrenabwehrVO. Siehe für Landes- und örtliche GefahrenabwehrVO z.B. §§ 72 - 74 HSOG. 15 Für Rechtsverordnungen aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung ist Art. 80 GG zu beachten. Danach sind im ermächtigenden Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zu bestimmen und die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben (sog. Zitiergebot). Wenn auch nicht unmittelbar, so gelten die in Art. 80 GG formulierten Standards auch für Rechtsverordnungen auf landesrechtlicher Grundlage. Unabhängig davon kann eine Delegation von Rechtsetzungsbefugnis – darum handelt es sich ja – nicht grenzenlos erfolgen. Grenzen ergeben sich aus der sog. We- sentlichkeitstheorie des BVerfG20, die u.a. besagt, dass alle für den Staat und die Bürger wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber selbst zu regeln sind. Satzungen sind abstrakte Regelungen (Gesetz im materiellen Sinne), die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten aufgrund gesetzlicher Regelung erlassen werden. Zu nennen sind hier vor allem die kommunalen Satzungen im Bereich kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben, z.B. Bebauungspläne, Gebührensatzungen, Benut- zungssatzungen. Diese kommunalen Satzungen werden auch als „Ortsrecht“ bezeichnet. Satzungen können nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erlassen werden, denen das Recht zur Selbstverwaltung eingeräumt ist. Verordnungen können auch durch eine staatliche Behörde erlassen werden (z.B. Ministerien). Verwaltungsvorschriften sind keine Gesetze. Sie stellen dennoch für Verwaltungshandeln eine Rechtsquelle dar. Verwaltungsvorschriften sind verwaltungsinterne Regelungen, die unmittelbar nur die Verwaltung bzw. ihre Mitarbeiter, nicht aber Außenstehende, z.B. Bürger, verpflichten oder berechtigen. Sie bedürfen keiner gesetzlichen Ermächtigung, sondern rechtfertigen sich aus der Organisationsgewalt des Verwaltungsträgers. Beispiele: Ausführungsbestimmungen zu Gesetzen, z.T. interne Bußgeldkataloge, Förder- richtlinien.21 Ihre Verwendung dient insbesondere dazu, einheitliche Standards bzw. eine einheitliche Gesetzesanwendung sicherzustellen. Wenn wie beschrieben auch eine unmittelbare Außenwirkung für den Bürger fehlt, können einzelne Verwaltungsvorschriften doch eine sog. mittelbare Außenwirkung entfalten. So darf die Verwaltung, die in ständiger Praxis nach einer Verwaltungsvorschrift verfährt, diese Praxis im Einzelfall nicht willkürlich ändern. Hier kann sich eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben, die i.V.m. Art. 3 GG (Gleichbehandlungsgrundsatz) zu einer mittelbaren Außenwirkung führt und Ansprüche eines Bürgers begründen kann.22 Die bisher dargestellten geschriebenen Rechtsquellen stehen- wie eingangs erwähnt – in einem Rangverhältnis. Dabei gelten im Kollisionsfall die Grundsätze: o Höherrangiges Recht geht vor. 20 Vgl. BVerfGE 40, 237; 49, 89. 21 Weitere Beispiele und Arten von Verwaltungsvorschriften bei Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6/3 b. 22 BVerwGE 34, 278. 16 o Bundesrecht geht vor Landesrecht, Landesrecht vor „Ortsrecht“. Rangverhältnis bzw. Normenhierarchie Verfassung Formelles Gesetz Rechtsverordnungen Satzungen Verwaltungsvorschriften Ungeschriebenes Recht Die Bedeutung wird in Deutschland immer geringer, da mittlerweile fast alles kodifiziert ist. Dies wird auch deutlich, wenn man sich allgemeine Rechtsgrundsätze ansieht. Beispiele: Grundsatz von Treu und Glauben, normiert in § 242 BGB, wird auch für das Verwaltungsrecht anerkannt Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (wird aus der Verfassung abgeleitet, für das Polizeirecht in § 4 HSOG ausdrücklich normiert, gilt für jegliches Verwaltungshandeln im Bereich der Eingriffsverwaltung). Völkerrecht Beim Völkerrecht handelt es sich um zwischenstaatliches Recht, in dem primär die Staaten Rechtsubjekte sind und der einzelne Bürger grundsätzlich keine unmittelbaren Rechte oder Pflichten ableiten kann. Zu unterscheiden sind: Völkerrechtliche Verträge; sie bedürfen nach Art. 59 GG der Transformation durch Gesetz. Sie stehen damit auf der Stufe einfacher Gesetze. Allgemeine Regeln des Völkerrechts; sie sind nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts und gehen den Gesetzen vor. Beispiele: Verbot der Folter (Art. 5 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – AEMR), Verbot eines Angriffskrieges, Übereinkommen Freiheit der Meere außerhalb der Küstengewässer (Seevölkerrecht) 17 Washingtoner Artenschutzabkommen Europarecht Das Europarecht spielt zunehmend für Verwaltungen eine wichtige Rolle und ist Rechtsquelle (insbesondere im Bereich des Wirtschaftsverwaltungsrechts und des Umweltrechts). Dabei bildet es eine eigene supranationale, also überstaatliche Rechtsordnung, die i.d.R. unmittelbar in die Mitgliedsstaaten wirkt und Vorrang vor dem nationalen Recht hat.23 Das europäische Gemeinschaftsrecht wird in primäres- und sekundäres Gemeinschaftsrecht unterschieden.24 Primäres Gemeinschaftsrecht Sekundäres Gemeinschaftsrecht - Verträge (z.B EUV, AEUV) - Verordnungen - Allg. Rechtssätze - Richtlinien - Gemeinschaftsgrundsätze - Entscheidungen - Empfehlungen Die Verträge des primären Gemeinschaftsrechts stellen die Grundlagen dar (lesen Sie ruhig mal rein!) und sind die wichtigsten Grundlagen, nach denen sich die Gesetzgebung des sekundären Gemeinschaftsrechts (vor allem Verordnungen und Richtlinien) richtet. Wenn eine nationale Rechtsvorschrift gegen EU-Recht verstößt, führt dies nicht zu deren Nichtigkeit oder Unwirksamkeit der innerstaatlichen Norm; sie wird vielmehr nur insoweit "ohne weiteres unanwendbar" als sie dem Unionsrecht widerspricht (grundlegend: EuGH, Rs. 106/77 v. 6.3.1978, Abs. 17 - Simmentahl II). Das meint die "Verdrängung" des mitgliedstaatlichen Rechts in dem Sinne, dass die nationale Norm, solange das entsprechende Unionsrecht gilt, zwar in jeder Hinsicht "automatisch" unanwendbar ist, sie ist aber nicht schlechthin nichtig, sondern könnte in dem Fall des Außerkrafttretens der Unionsrechtsbestimmung wieder "aufleben" (sog. "Anwendungsvorrang des Europäischen Unionsrechts, vgl. Schöbener, JA 2011, 885, 888 f.). 23 EUGH, Slg. 1964, 1; BVerfGE 73, 339; 89, 155. 24 Zur Vertiefung siehe Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht. 18 Literaturhinweise BATTIS, Ulrich, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Heidelberg 2004 BIRKENFELD, Daniela, Kommunalrecht, 8. Aufl. Baden-Baden 2022 BULL, Hans-Peter/MEHDE, Veith, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl., Heidelberg 2015 DETTERBECK, Steffen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl., München 2022 HOFMANN, Harald/HILDEBRANDT, Uta/GUNIA, Susanne, Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., Stuttgart 2022 HUFEN, Friedhelm/SIEGEL, Thorsten, Fehler im Verwaltungsverfahren, 6. Aufl., Baden- Baden 2018 JESERICH, Kurt/POHL, Hans/von UNRUH, Georg-Christoph (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, 5 Bände, 1983-1987 KOENIG, Klaus/SIEDENTOPF, Heinrich, Öffentliche Verwaltung in Deutschland, Baden- Baden 1997 KOPP, Ferdinand/RAMSAUER, Ulrich, Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Aufl. München 2022 KOPP, Ferdinand/SCHENKE, Wolf-Rüdiger, Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Aufl. München 2022 MAURER, Hartmut/ WALDHOFF, Christian, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl., München 2020 OPPERMANN/CLASSEN/NETTESHEIM, Europarecht, 8. Aufl., München 2018 WOLFF, Hans/BACHOF, Otto/STOBER, Rolf/KLUTH, Winfried, Verwaltungsrecht I, 13. Auflage, München 2017 RICHTER-Skripte, Verwaltungsrecht I und II Die Literaturhinweise gelten für alle Skripte. Es sind Empfehlungen für Ihr Lernen. Bitte frühzeitig mit den Online-Bibliotheken beschäftigen! 19