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Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

2024

Dr. Christina-Marie Juen

Tags

political science voter behavior election analysis politics

Summary

This lecture, titled "Einführung in die Politikwissenschaft (Wahlverhalten)", covers voter behavior and explores factors influencing choices. The lecture, delivered by Dr. Christina-Marie Juen on December 3, 2024, at Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, delves into various sociological and psychological perspectives related to elections.

Full Transcript

EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Wahlverhalten Dr. Christina-Marie Juen 03.12.2024 Aktuelles Seite 2 SZ, 1.12.2024 Ziele und Inhalt – Welche Faktoren beeinflussen Wahlverhalten? – Was erklärt die Wahl bestimmter Parteien? Se...

EINFÜHRUNG IN DIE POLITIKWISSENSCHAFT Wahlverhalten Dr. Christina-Marie Juen 03.12.2024 Aktuelles Seite 2 SZ, 1.12.2024 Ziele und Inhalt – Welche Faktoren beeinflussen Wahlverhalten? – Was erklärt die Wahl bestimmter Parteien? Seite 3 Wodurch lässt sich Wahlverhalten erklären? Wen würden Sie wählen? ich würde nicht wählen eine andere Partei BSW SPD Bündnis 90/Grünen Die Linke FDP CDU/CSU AfD Seite 4 0 10 20 30 40 50 Anzahl der Befragten Wahlverhalten – Erforschung des Wahlverhaltens von Bürger:innen als Kerngebiet der politischen Soziologie – Wähler:innen bestimmen mit ihrer Wahlentscheidung darüber wer Politik macht und wichtige Entscheidungen für das Zusammenleben treffen darf – Determinanten des Wahlverhaltens sind sehr vielfältig – 3 große Erklärungsansätze: – Mikrosoziologischer Ansatz – Sozialpsychologischer Ansatz – Rational Choice Seite 5 Mikrosoziologischer Ansatz – Entstand in den frühen 1940er Jahren durch Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944) und deren Werk “The People’s Choice” – Forschungsinteresse war die Erklärung der Parteipräferenzen von Bürger:innen – Die Forscher identifizierten sozio-strukturelle Faktoren als essentiell – Religion – sozio-ökonomischer Hintergrund – Wohnort am Land oder in der Stadt – Ergebnis: Arbeiter:innen und Katholiken wählten die Demokraten, Protestanten und Personen der Mittelschicht wählten Republikaner Seite 6 Mikrosoziologischer Ansatz – Wähler:innen schon Monate vor der Wahl eine klare Parteipräferenz – Sozio-strukturelle Faktoren hängen stark mit dem sozialen Umfeld zusammen – Homogenität des sozialen Umfelds häufig hoch, dadurch kaum Veränderung in der Parteipräferenz – Bei Heterogenität des sozialen Umfelds kommt es zu cross pressures – unterschiedliche soziale Gruppenzugehörigkeiten und Identitäten beeinflussen das Verhalten – Nicht-Wahl oder vote switching Seite 7 Cleavages – In Europa entwickelte sich daraus der makro-soziologische Ansatz – Wahlentscheidung basiert auf cleavages und der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe – Konflikte zwischen sozialen Gruppen werden von Parteien aufgegriffen – Problem: dieses Modell kann Veränderungen der politischen Landschaft nur sehr schwer fassen Seite 8 Rational Choice – Rational Choice in Bezug zu Wahlverhalten wurde Ende der 1950er Jahre durch Downs (1957) in “An Economic Theory of Voting” geprägt – Politiker:innen und Wähler:innen sind rationale Akteure auf dem Markt, die nach politischer Macht streben – Akteure besitzen stabile und transitive Präferenzen – Wähler:in präferiert Partei A > Partei B und Partei B > Partei C – das bedeutet Partei A > Partei C – Rationale:r Wähler:in würde immer jene Partei wählen, die ihr selbst ideologisch am nächsten steht – Nur dann ist der Nutzen maximal hoch Seite 9 Sozialpsychologischer Ansatz – Sozialpsychologischer Ansatz (Michigan Model of Voting) entstand Anfang der 1960er Jahre – Zentrales Werk ist “The American Voter” von Campbell et al. (1960) – Fokus auf Erklärung durch “psychologische” Faktoren – Parteipräferenz durch Einflüsse im Laufe des Lebens und vor der Wahl beeinflusst – Evaluierung der Kandidierenden – Position zu bestimmten Themen – Parteiidentifikation Seite 10 Parteiidentifikation – Parteiidentifikation veränderte sich über die Zeit jedoch stark (Macdonald und Rabinowitz, 1987) – Alignment: starke Bindung bestimmter ganzer Bevölkerungsgruppen an bspw. Demokraten oder Republikaner – Realignment: Änderung dieser Bindung hin zur jeweils anderen Partei (aufgrund großer ökonomischer/gesellschaftlicher Veränderungen) – Dealignment: Auflösung starker gruppenspezifischer Bindung an eine Partei und weniger Identifikation grundsätzlich – Erklärungskraft von Parteiidentifikation hat über die Jahre immer stärker abgenommen Seite 11 Sozialpsychologischer Ansatz Unterscheidung long term influences und short term influences (Lewis-Beck et al., 2008): – Langfristige Einflussfaktoren – sozio-demographische Faktoren wie Geschlecht und soziale Klasse – Parteiidentifikation und politische Ideologie – Kurzfristige Einflussfaktoren – Kandidierende in Wahlen und deren Image – Themen und deren Salienz – Medien und Ereignisse – Durch Abnahme der Bedeutung von Parteiidentifikation wurden kurzfristige Einflüsse wichtiger Seite 12 ‘Funnel of Causality’ nach Campbell et al. (1960) Seite 13 ‘Funnel of Causality’ nach Campbell et al. (1960) Seite 14 ‘Funnel of Causality’ nach Campbell et al. (1960) Seite 15 5 Minuten Pause Seite 16 Was führt zur Wahl bestimmter Parteien? Erklärungen für Wahlverhalten – Zentral für die Erklärung von Wahlverhalten vor allem Position zu und Salienz von bestimmten Themen – Aber auch andere Faktoren können beeinflussen – Einstellungen zu Demokratie (Zufriedenheit, Vertrauen, Repräsentation) können relevant sein – Vor allem populistischer Parteien mobilisieren durch Populismus und somit Einstellungen zu Repräsentation (Van Hauwaert und Van Kessel, 2018; Pesthy, Mader und Schoen, 2021; Marcos-Marne, 2021) Seite 17 Populismus Volk (homogen) Populismus Volk (homogen) gut/‘rein’ Volkswille Populismus Volk Elite (homogen) (homogen) gut/‘rein’ Volkswille Populismus Volk Elite (homogen) (homogen) gut/‘rein’ böse/korrupt egoistisches Volkswille Eigeninteresse Populismus Volk Elite (homogen) E (homogen) gut/‘rein’ böse/korrupt egoistisches Volkswille Eigeninteresse Seite 18 Populismus – Populismus ist eine ‘thin ideology’ und setzt sich aus zwei Subdimensionen zusammen (Mudde, 2004) – Anti-Elitismus – Volkszentrismus – Populismus ist eine Kritik an politischer Repräsentation – Populismus fordert Demokratie in zentralen Aspekten heraus – Widerspruch zum Pluralismus in liberaler Demokratie durch Annahme eines ‘Volkswillens’ – Kritik an politischer Repräsentation spricht gegen repräsentative Demokratie Seite 19 Populistische Einstellungen (Akkerman, Mudde und Zaslove, 2014) Dimension Aussage Anti-Elite Die politischen Unterschiede zwischen der Elite und dem Volk sind größer als die politischen Unterschiede innerhalb des Volkes. Anti-Elite Die Politiker kümmern sich nur um die Interessen der Reichen und Mäch- tigen. Anti-Elite Ich würde mich lieber von einem Bürger als von einem spezialisierten Politiker vertreten lassen. Volk Die Politiker im Parlament müssen dem Willen des Volkes folgen. Volk Das Volk, und nicht die Politiker, sollte die wichtigen politischen Entschei- dungen treffen. Volk Was man in der Politik als Kompromiss bezeichnet, ist in Wirklichkeit nur ein Verkauf der eigenen Prinzipien. Seite 20 Populistische Einstellungen Vorlesung 50 40 Anzahl der Befragten 30 20 10 0 1 2 3 4 5 Populistische Einstellungen Seite 21 Index aus: Die Abgeordneten im deutschen Bundestag sollten ausschließlich dem Willen des Volkes verpflichtet sein, Einfache Bürger:innen würden meine Interessen besser vertreten als ein:e Berufspolitiker:in, Die Bürger:innen, und nicht die Politiker:innen, sollte die wichtigen politischen Entscheidungen treffen, Die Politiker kümmern sich nur um die Interessen der Reichen und Mächtigen Wahl populistischer Parteien – Wahl populistischer Parteien erklärt sich durch Populismus – populistische Einstellungen der Wähler:innen – Wahl rechtspopulistischer und linkspopulistischer Parteien erklärt sich zusätzlich durch übergeordnete Ideologie und Positionen zu bestimmten Themen – Ablehnung von Migration (Nationalismus) – Umverteilung (Sozialismus und Kommunismus) – Kombination aus linker/rechter Ideologie und populistischen Einstellungen (Akkerman, Mudde und Zaslove, 2014) Seite 22 Wahl der AfD (Pesthy, Mader und Schoen, 2021) Seite 23 Wahl von Podemos (Marcos-Marne, 2021) Seite 24 Abschließend... Diskussionsfragen – Wie beeinflussen langfristige Faktoren (wie soziale Gruppenzugehörigkeit und politische Werte) und kurzfristige Einflüsse (wie Kandidat:innen und aktuelle Themen) das Wahlverhalten heutzutage? Seite 25 Woche 9, 10.12.2024 Politische Repräsentation – Was ist politische Repräsentation? – Was sind deskriptive und substantielle Repräsentation? – Warum sind bestimmte Gruppen der Bevölkerung in der Politik unterrepräsentiert? Seite 26 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 27 Literatur Akkerman, Agnes, Cas Mudde und Andrej Zaslove. 2014. “How Populist Are the People? Measuring Populist Attitudes in Voters.” Comparative Political Studies 47 (9): 1324–1353. Campbell, Angus, Philip E Converse, Warren E Miller und Donald E Stokes. 1960. The American Voter. University of Chicago Press. Downs, Anthony. 1957. “An Economic Theory of Democracy.” New York. Lazarsfeld, Paul F, Bernard Berelson und Hazel Gaudet. 1944. The people’s choice: How the voter makes up his mind in a presidential campaign. Columbia University Press. Lewis-Beck, Michael S, William G Jacoby, Helmut Norpoth und Herbert F Weisberg. 2008. The American voter revisited. University of Michigan Press. Macdonald, Stuart Elaine und George Rabinowitz. 1987. “The dynamics of structural realignment.” American Political Science Review 81 (3): 775–796. Marcos-Marne, Hugo. 2021. “A tale of populism? The determinants of voting for left-wing populist parties in Spain.” Political studies 69 (4): 1053–1071. Mudde, Cas. 2004. “The populist zeitgeist.” Government and Opposition 39 (4): 541–563. Pesthy, Maria, Matthias Mader und Harald Schoen. 2021. “Why Is the AfD so Successful in Eastern Germany?: an Analysis of the Ideational Foundations of the AfD Vote in the 2017 Federal Election.” Politische Vierteljahresschrift 62 (1): 69–91. Van Hauwaert, Steven M und Stijn Van Kessel. 2018. “Beyond protest and discontent: A cross-national analysis of the effect of populist attitudes and issue positions on populist party support.” European Journal of Political Research 57 (1): 68–92. Seite 28

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