14. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung 2019 (PDF)
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TU Dresden
2019
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This document presents the results and assumptions of the 14th coordinated population projection for Germany, conducted by the Federal Statistical Office (Destatis) in 2019. The projections extend to the year 2060 and explore 21 different scenarios. Key aspects include population size, age structure, birth rates, life expectancy, and migration.
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bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wissen.nutzen Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wissen.nutzen. Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevöl...
bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wissen.nutzen Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wissen.nutzen. Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Herausgeber: Statistisches Bundesamt (Destatis) Internet: www.destatis.de Fachliche Infomationen zu dieser Veröffentlichung: Bereich „Natürliche Bevölkerungsbewegung, demografische Analysen, Vorausberechnungen“ Tel.: +49 (0) 611 / 75 48 66 Fax: +49 (0) 611 / 75 39 69 Kontaktformular: www.destatis.de/kontakt Journalistische Anfragen: Pressestelle Tel.: +49 (0) 611 / 75 34 44 Fax: +49 (0) 611 / 75 39 76 Kontaktformular: www.destatis.de/kontakt Fachliche und allgemeine Informationen zum Datenangebot: Zentraler Auskunftsdienst Tel.: +49 (0) 611 / 75 24 05 Fax: +49 (0) 611 / 75 33 30 Kontaktformular: www.destatis.de/kontakt Fotorechte: Titel: © rclassenlayouts / iStock - Getty Images Plus / Getty Images / 898393262 Diese Broschüre ist anlässlich der Pressekonferenz des Statistischen Bundesamtes am 27. Juni 2019 erschienen. © Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2019 Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet. 2 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Inhalt 1 Einführung.......................................................................................................... 5 2 Aussagekraft der langfristigen Bevölkerungsvorausberechnungen....................... 7 3 Bevölkerung im Wandel: Ausgangssituation im Jahr 2018.................................. 11 4 Wegweiser: Varianten und Modellrechnungen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung............................................ 13 5 Ergebnisse........................................................................................................ 17 5.1 Entwicklung der Bevölkerungszahl............................................................. 17 5.2 Veränderungen im Altersaufbau................................................................. 19 5.2.1 Zahl der jungen Menschen im Alter bis 18 Jahre................................ 21 5.2.2 Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren.................. 22 5.2.3 Zahl der Menschen im Seniorenalter ab 67 Jahren............................. 24 5.2.4 Struktur der Bevölkerung nach Altersgruppen................................... 25 5.2.5 Jugend-, Alten- und Gesamtquotienten.............................................. 27 6 Annahmen zur Entwicklung der Geburten, der Lebenserwartung und der Wanderungen....................................................................................... 29 6.1 Geburten................................................................................................... 29 6.1.1 Langfristige und neue Tendenzen in der Fertilitätsentwicklung.......... 29 6.1.2 Annahmen zur Geburtenhäufigkeit.................................................... 34 6.2 Lebenserwartung....................................................................................... 36 6.2.1 Veränderungen in der Sterblichkeit und der Lebenserwartung........... 36 6.2.2 Annahmen zur Lebenserwartung....................................................... 39 6.3 Wanderungen............................................................................................ 41 6.3.1 Ausgangssituation............................................................................ 41 6.3.2 Annahmen zum Saldo der Außenwanderung..................................... 43 Anhang 1 Liste der Varianten und Modellrechnungen............................................. 47 Anhang 2 Literaturhinweise................................................................................... 49 Anhang 3 Tabellen mit ausgewählten Ergebnissen der Hauptvarianten................... 53 Anhang 4 Wo finde ich Ergebnisse für Deutschland und die Bundesländer?............ 63 Anhang 5 Animierte Bevölkerungspyramide im Internet.......................................... 65 Anhang 6 Glossar................................................................................................... 67 Statistisches Bundesamt 2019 3 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 1 Einführung Dieses Begleitheft zur Pressekonferenz „Bevölkerung im Wandel: Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung“ des Statistischen Bundesamtes am 27. Juni 2019 bietet einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse und die Annah- men der 14. zwischen den Statistischen Ämtern von Bund und Ländern koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Der Fokus liegt hier auf der demografischen Entwick- lung Deutschlands. Die Ergebnisse zu regionalen Entwicklungen sind in den Veröffent- lichungen „Bevölkerungsentwicklung in den Bundesländern bis 2060“ (siehe Anhang 4)1. Bevölkerungsvorausberechnungen liefern Basisinformationen über mögliche zukünf- tige demografische Entwicklungen für politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse. Sie verdeutlichen die Auswirkungen heute bereits angelegter Strukturen und erkennbarer Veränderungen auf die künftige Bevölkerung. Deshalb sind sie unverzichtbar als Grundlage für politisches und wirtschaftliches Handeln. Auf die Ergebnisse der koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen stützt sich die Bundesregierung bei der Darstellung des demografischen Wandels (Demografiestra- tegie 2011 und demografiepolitische Bilanz 2017). Sie liefern die Grundlage für eine Vielzahl von weiterführenden Vorausschätzungen. Die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung beruht auf dem Bevölkerungsbe- stand des Jahres 20182. Sie erstreckt sich bis zum Jahr 2060 und beschreibt die mög- liche künftige Bevölkerungsentwicklung anhand von 21 Varianten. Diese erlauben die aus heutiger Sicht absehbaren künftigen Entwicklungen aufzuzeigen und Aussagen über den Einfluss der demografischen Komponenten Geburtenhäufigkeit, Sterblich- keit und Wanderungen auf die Bevölkerungsentwicklung zu treffen. Darüber hinaus bietet die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung neun Modellrechnungen für analytische Zwecke, die wenig realistische Entwicklungsszenarien abbilden (siehe Anhang 1). Die Bevölkerung verändert sich in der Regel langsam. Die sich daraus ergebenden Strukturen wirken lange in die Zukunft hinein. Die 14. koordinierte Bevölkerungsvo- rausberechnung zeigt deshalb im Vergleich zur vorherigen Bevölkerungsprojektion kein völlig neues Bild der demografischen Zukunft Deutschlands. Die Aussagen über die wichtigsten Folgen des demografischen Wandels bleiben – trotz der neueren Ent- wicklungen, insbesondere der sehr starken Zuwanderung der letzten Jahre – weiterhin gültig. Dennoch galt es für die neue Vorausberechnung, Veränderungen in der Ausgangsbe- völkerung zu berücksichtigen und die bisherigen Annahmen zu überarbeiten. In allen demografischen Komponenten gab es in den letzten Jahren neue Tendenzen, deren Tragweite noch unbekannt ist. Der dadurch gestiegenen Unsicherheit wurde Rech- nung getragen, indem eine größere Spannweite möglicher Entwicklungen angenom- men wurde. Die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung enthält neben den Varianten mit einer schrumpfenden Bevölkerung auch weitere Optionen mit einer weitgehend stabilen oder sogar steigenden Bevölkerungszahl. Auf die demografische Alterung haben die weiter gefassten Annahmen dagegen nur einen sehr eingeschränk- ten Einfluss. Ihr Verlauf ist im Wesentlichen durch den bestehenden Altersaufbau der Bevölkerung vorgezeichnet. 1 Vertiefende Analysen zu regionalen Disparitäten werden zu einem späteren Zeitpunkt in der Fachzeit- schrift „Wirtschaft und Statistik“ publiziert. 2 Die in die Berechnung eingeflossenen Angaben zum Jahr 2018 beziehen sich auf die jahresdurchschnitt- liche Bevölkerung auf Basis des Bestandes zum 31.12.2017 und einer Schätzung zum 31.12.2018. Die endgültigen Ergebnisse zum 31.12.2018 lagen bei Redaktionsschluss dieser Broschüre noch nicht vor. Statistisches Bundesamt 2019 5 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Die amtlichen Bevölkerungsvorausberechnungen erheben keinen Anspruch, die Zukunft vorherzusagen. Sie helfen zu verstehen, wie sich die Bevölkerungszahl und die Bevölkerungsstruktur unter bestimmten demografischen Voraussetzungen entwi- ckeln würden. Die Annahmen zur Geburtenhäufigkeit, Sterblichkeit und zu den Wan- derungen beruhen auf Untersuchungen der bisherigen Verläufe im Zeit- und Länder- vergleich sowie auf Hypothesen über die Weiterentwicklung der aus heutiger Sicht erkennbaren Trends (vgl. Kapitel 6). Da der Verlauf der maßgeblichen Einflussgrößen mit zunehmender Vorausberechnungsdauer immer schwieriger vorhersehbar ist, haben solche langfristigen Rechnungen Modellcharakter. Die aktuelle 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung liefert Ergebnisse sowohl für Deutschland insgesamt als auch für die einzelnen Bundesländer, die auf abgestimmten Annahmen und gleichen Berechnungsmethoden beruhen. In dieser Broschüre sind ausgewählte Ergebnisse für Deutschland dargestellt. Weitere Erläute- rungen zur Vorausberechnung für die einzelnen Bundesländer können den entspre- chenden Tabellenbänden entnommen werden. Die ausführlichen Ergebnisse stehen im Internet zum Download bereit (siehe Anhang 4). Dank an den Expertenkreis Das Statistische Bundesamt hat zur wissenschaftlichen Begleitung seiner Bevölke- rungsvorausberechnungen den Expertenkreis „Bevölkerungsvorausberechnungen“ einberufen. Ihm gehören Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft und Fachleute an, die eigene Vorausberechnungen durchführen. Sie präsentieren und diskutieren in diesem Rahmen auch eigene Arbeiten. Die Annahmen der 14. koordinierten Bevöl- kerungsvorausberechnung wurden im Expertenkreis beraten. Das Statistische Bundes- amt bedankt sich für die wertvolle Unterstützung bei der Erstellung der 14. koordi- nierten Bevölkerungsvorausberechnung bei: Dr. Eva Kibele Statistisches Landesamt Bremen Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld Hertie School of Governance Dr. Thomas Liebig OECD Abteilung für Internationale Migration Dr. Marc Luy Vienna Institute of Demography / Austrian Academy of Sciences (OEAW) Dr. Nikola Sander Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Dr. Claus Schlömer Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung Dr. Tomáš Sobotka Vienna Institute of Demography / Austrian Academy of Sciences (OEAW) 6 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2 Aussagekraft der langfristigen Bevölkerungs- vorausberechnungen Das Ziel der langfristigen Bevölkerungsvorausberechnungen ist es aufzuzeigen, wie sich heute bereits angelegte Strukturen und erkennbare Veränderungen mittel- bis langfristig auf die künftige Bevölkerungsentwicklung auswirken. Da sich demogra- fische Prozesse nur sehr langsam vollziehen und das volle Ausmaß ihres Einflusses erst nach vielen Jahrzehnten sichtbar wird, kann eine Bevölkerungsvorausberechnung nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie entsprechend lange Zeiträume umfasst. Mit zunehmender Entfernung vom Ausgangsjahr verstärkt sich zwar ihr hypothetischer Charakter. Sie ermöglicht es aber, mittel- und langfristige Auswirkungen von beobach- teten Entwicklungen offenzulegen und zu quantifizieren, damit die Gesellschaft mög- liche problematische Veränderungen rechtzeitig erkennen und gegebenenfalls gegen- steuern kann. Wenn die absehbaren Auswirkungen durch neue Trends oder gerade aufgrund von Gegensteuerung abgemildert oder gar ausgeglichen werden, wird die Bevölkerungs- vorausberechnung von der realen Entwicklung zwangsläufig abweichen. Die Bevölke- rungsvorausberechnungen sind deshalb vor allem dann sinnvoll und nützlich, wenn sie richtige Signale senden, und nicht unbedingt dann, wenn sie bei einer Ex-post- Betrachtung die Zukunft mit hoher Genauigkeit vorhergesagt haben. Für wichtige politische Entwicklungen der vergangenen 15 Jahre, wie zum Beispiel die Diskussion über die Anhebung des Renteneinstiegsalters, die Einführung des Elterngelds und den Ausbau der Kinderbetreuung sowie den öffentliche Diskurs über die Geburtenentwick- lung, waren die Erkenntnisse aus den Bevölkerungsvorausberechnungen entschei- dend. Die koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen umfassen mehrere Varianten. Diese Varianten ergeben sich aus der Kombination von deterministischen (eindeu- tig quantifizierten) Annahmen zu demografischen Komponenten. Sie repräsentieren unterschiedliche Optionen der künftigen Entwicklung. Dies weist zum einen auf Unsi- cherheiten hin, die einer Vorausberechnung innewohnen. Zum anderen wird so eine bewusste Wahl zwischen den Varianten je nach aktueller demografischer Situation und betrachtetem Zeithorizont ermöglicht. Zudem ist es jederzeit nachvollziehbar, auf welche der Annahmen eine Entwicklung zurückgeht. Für alle Bevölkerungsprojektionen gilt allerdings, dass sie keine Strukturbrüche berücksichtigen können, die durch unvorhersehbare Ereignisse ausgelöst werden. Auch neue Tendenzen, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt als nachhaltig erwei- sen, können die künftige Bevölkerungsentwicklung verändern. Deshalb müssen die Vorausberechnungen immer wieder aktualisiert werden. Ein Vergleich der Ergebnisse der 10. und 11. koordinierten Bevölkerungsvorausbe- rechnungen auf Basis der Jahre 2001 und 2005 mit der statistisch nachgewiesenen Bevölkerung des Jahres 2017 macht Stärken und Schwächen der Bevölkerungsvoraus- berechnungen deutlich. Die Stärke besteht in einer hohen Treffsicherheit in Bezug auf Veränderungen in der Altersstruktur und in der Relation zwischen den groben Altersgruppen. Die Altersstruk- tur im Jahr 2001 (in Schaubild 1 als graue Fläche dargestellt) hat sich von der Alters- struktur der Bevölkerung im Jahr 2017 klar unterschieden. Im Zeitraum zwischen 2001 (beziehungsweise 2005) und 2017 gab es starke Schwankungen in der Wanderung. Auch fanden infolge des Zensus 2011 statistische Korrekturen in den Daten zum Bevöl- kerungsbestand statt. Dennoch bilden die beiden früheren Bevölkerungsvorausbe- rechnungen in ihrem Annahmenspektrum die erfolgten Altersstrukturveränderungen Statistisches Bundesamt 2019 7 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Schaubild 1 Vergleich der realen Entwicklung von 2001 bis 2017 mit den Ergebnissen der 10. und 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnungen (kBv)1 2001 2017 10. kBv (V8) 11. kBv (4-W2) Alter in Jahren 100 Männer Frauen 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 Tausend Personen Tausend Personen 1 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 8 (Annahmen: 1,4 Kinder je Frau; Lebenserwartung bei Geburt in 2060 für Jungen 82,6 Jahre und für Mädchen 88,1 Jahre; Wanderungssaldo 200 000 Personen). 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Variante 4-W2 (Annahmen: Anstieg bis 2025 auf 1,6 Kinder je Frau; Lebenserwartung bei Geburt in 2060 für Jungen 85,4 Jahre und für Mädchen 89,8 Jahre; Wanderungssaldo 200 000 Personen). 2019 - 15 - 0478 8 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung treffend ab. Ab dem Alter von 44 Jahren (Geburtsjahrgänge 1973 und früher) stimmen die vorausberechneten und statistisch erfassten Jahrgangsstärken der Frauen beinahe vollkommen und für Männer sehr gut überein. Die Schwächen offenbaren sich insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt der Voraus- berechnung nicht absehbare Veränderungen mit hoher Intensität auftreten. In Schau- bild 1 zeigt sich das in den Abweichungen zwischen den vorausberechneten und den empirischen Werten bei den jüngeren Jahrgängen unter 44 Jahren. Die Bevölkerung dieses Alters ist stärker von den Änderungen in der Wanderung und den Geburten betroffen als die älteren Jahrgänge. Dabei wird deutlich, dass die Vorausberechnungen den Geburtenanstieg ab 2012 sowie die starke Zuwanderung um 2015 nicht abse- hen konnten. Während die Abweichungen im Kleinkindalter (zwischen 0 und 6 Jahren) bei beiden Geschlechtern auftreten, hat sich die starke Nettozuwanderung besonders stark bei den jungen Männern (im Alter zwischen 18 und 25 Jahren) ausgewirkt. Bei jungen Frauen sind die Abweichungen zwischen der Vorausberechnung und dem sta- tistischen Ergebnis geringer. Statistisches Bundesamt 2019 9 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 10 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 3 Bevölkerung im Wandel: Ausgangssituation im Jahr 2018 Die demografische Alterung ist schon lange kein Zukunftsthema mehr, sondern ist in Deutschland bereits weit vorangeschritten. Im Ausgangsjahr der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (2018) war das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland mit 44 Jahren um fünf Jahre höher als im Jahr der deutschen Vereinigung (1990: 39 Jahre). Besonders anschaulich zeigen sich die Veränderungen anhand der Alterung der stark besetzten Jahrgänge von 1955 bis 1970, die zur sogenannten Baby- boom-Generation gehören (Schaubild 2). 1990 bildeten sie als 20- bis 35-Jährige die größte Altersgruppe. Heute sind sie immer noch die größte Altersgruppe, sie sind aber in das höhere Erwerbsalter gekommen und werden in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Erwerbsalter ausscheiden. Die Anzahl der Personen im Alter ab 70 Jahren ist zwischen 1990 und 2018 von 8 auf 13 Millionen gestiegen. Gleichzeitig ist die soge- nannte Bevölkerungspyramide symmetrischer geworden, das heißt die Jahrgangsstär- ken bei Frauen (rechte Seite) und bei Männern (linke Seite) haben sich angeglichen. Bei den höheren Altersklassen macht sich dabei bemerkbar, dass mittlerweile nicht nur Frauen, sondern auch Männer ein höheres Lebensalter erreichen. Schaubild 2 Altersaufbau der Bevölkerung 2018 im Vergleich zu 1990 Alter in Jahren 100 Männer 90 Frauen 80 2018 2018 70 60 50 40 1990 30 1990 20 10 0 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 Tausend Personen Tausend Personen 2019 - 15 - 0460 Statistisches Bundesamt 2019 11 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Im Zuge der seit 2014 außergewöhnlich stark gestiegenen Zuwanderung kamen per Saldo insgesamt 2,6 Millionen überwiegend junge Menschen nach Deutschland (hier: zwischen 2014 und 20173): 37 % von ihnen waren im Alter unter 20 Jahre und 53 % im Alter von 20 bis 39 Jahren. Diese Entwicklung hat vor allem der Schrumpfung der Bevölkerungszahl entgegengewirkt, die ohne die Nettozuwanderung aufgrund der negativen natürlichen Bevölkerungsbilanz – die Sterbefälle übersteigen die Geburten – unvermeidlich wäre. Die Zuwanderung hat aber auch die jungen Jahrgänge gestärkt und zur Verjüngung des Erwerbspersonenpotenzials beigetragen. Auf die Alterung der Gesamtbevölkerung, die vor allem durch das Aufsteigen der Babyboom-Generation ins höhere Alter und die gestiegene Lebenserwartung bestimmt ist, hatte sie dagegen kaum Einfluss. Die Bevölkerung im Ausgangsjahr der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberech- nung ist somit einerseits durch die zahlenmäßig verstärkten jüngeren Jahrgänge und andererseits durch eine deutlich vorangeschrittene Alterung gekennzeichnet. Die bevorstehenden Veränderungen in der Bevölkerungsgröße und im Altersaufbau dürf- ten deshalb im Vergleich zum Basiszeitraum weniger drastisch ausfallen als in früheren Vorausberechnungen. Die Bevölkerungsvorausberechnungen auf Basis der 1990er und 2000er Jahre sind mit einer damals viel jüngeren Bevölkerung gestartet und der Alte- rungsprozess bis zum gegenwärtigen Stand lag damals noch in der Zukunft. 3 Die Ergebnisse der Wanderungsstatistik nach Alter für 2018 lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. 12 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 4 Wegweiser: Varianten und Modellrechnungen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für Deutschland umfasst neun Hauptvarianten (Varianten 1 bis 9, s. Übersicht 2 auf S. 16), zwölf weitere Varianten (Varianten 10 bis 21) sowie neun Modellrechnungen (Modell 1 bis 9). Eine vollstän- dige Übersicht aller Varianten und Modellrechnungen enthält Anhang 1. Dieses Rechnungssystem aus insgesamt 30 Varianten ergibt sich aus der Kombina- tion der Annahmen zur Geburtenhäufigkeit (Fertilität), zur Lebenserwartung und zum Saldo der Zuzüge nach und der Fortzüge aus Deutschland (Nettozuwanderung oder Wanderungssaldo). Die Übersicht 1 enthält eine kurze Beschreibung der Annahmen zu den drei demografischen Komponenten, die den hier betrachteten Varianten zugrunde liegen. Ausführliche Informationen zu allen Annahmen befinden sich in Kapitel 6. Da aufgrund der aktuellen Ausgangssituation mehrere Optionen der Entwicklung demografischer Komponenten denkbar sind, wurden auf Empfehlung des Experten- kreises jeweils drei Annahmen getroffen. Aus deren Kombination ergaben sich 27 Vari- anten. Zusammen mit den drei zusätzlichen Modellrechnungen bedeutet das eine sehr hohe Anzahl an Rechnungen. Um die Orientierung zu erleichtern und einen Zugang zu allen Ergebnissen zu ermöglichen, wurde eine inhaltliche Systematik der Varianten vorgenommen. Diese hilft, den Einfluss der einzelnen Komponenten und Annahmen richtig einzuordnen und die Spannweite der möglichen Entwicklungen einzuschätzen. Übersicht 2 umfasst die neun Hauptvarianten. Die Varianten 1 bis 3 zeigen, wie sich die Bevölkerung bei moderaten Veränderungen in der Geburtenhäufigkeit und Lebens- erwartung bei unterschiedlich starker Nettozuwanderung entwickeln würde. Dabei wurde bei allen drei Varianten angenommen, dass sich die jährliche Geburtenrate auf dem Niveau von 1,55 Kindern je Frau stabilisiert und die endgültige Zahl der Kinder je Frau auf 1,6 steigt (G2), während die Lebenserwartung bei Geburt bis 2060 für Jungen um 6 und für Mädchen um knapp 5 Jahre auf 84,4 beziehungsweise 88,1 Jahre zunimmt (L2). In Variante 1 nimmt der jährliche Wanderungssaldo zwischen 2018 und 2030 kon- tinuierlich ab und bleibt danach konstant bei rund 111 000. Im Zeitraum von 2019 bis 2060 würden dabei pro Jahr durchschnittlich 147 000 Personen mehr nach Deutschland zuwandern als abwandern (W1). Dies entspricht dem durchschnitt- lichen Wanderungssaldo im Zeitraum zwischen 1955 und 1989. In Variante 2 nimmt der Wanderungssaldo zwischen 2018 und 2026 kontinuierlich ab und bleibt danach konstant bei rund 206 000. Im Zeitraum von 2019 bis 2060 würden dabei pro Jahr durchschnittlich 221 000 Personen mehr nach Deutschland zuwandern als abwandern (W2). Dies entspricht dem durchschnittlichen Wande- rungssaldo im Zeitraum zwischen 1955 und 2018. In Variante 3 nimmt der Wanderungssaldo zwischen 2018 und 2030 sehr all- mählich ab und bleibt danach konstant bei rund 300 000. Im Zeitraum von 2019 bis 2060 würden dabei pro Jahr durchschnittlich 311 000 Personen mehr nach Deutschland zuwandern als abwandern (W3). Dies entspricht dem durchschnitt- lichen Wanderungssaldo im Zeitraum zwischen 1990 und 2018. Statistisches Bundesamt 2019 13 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Die Varianten 4 und 5 zeigen die Spannweite der möglichen Alterung. Die dahinter- stehenden Annahmen ergeben entweder eine starke Alterung (Variante 4) oder eine relativ junge Bevölkerung (Variante 5). Die Variante 4 geht davon aus, dass sich die langfristigen Fertilitätstrends wieder durchsetzen und die Geburtenrate auf 1,4 Kinder je Frau sinkt (G1), während die Lebenserwartung stark ansteigt (für neugeborene Jungen um fast 8 Jahre und für Mädchen um mehr als 6 Jahre, L3) sowie weniger Menschen nach Deutschland zuwandern (Wanderungssaldo durchschnittlich 147 000 Personen pro Jahr, W1). Die Variante 5 setzt dagegen voraus, dass sich der aktuelle Fertilitätsanstieg noch einige Zeit fortsetzt und die Geburtenrate auf 1,7 Kinder je Frau steigt (G3), wäh- rend sich bei der Lebenserwartung der verlangsamte Anstieg der letzten Jahre fort- setzt (für neugeborene Jungen steigt sie bis 2060 um rund 4 Jahre und für Mäd- chen um gut 3 Jahre bis 2060, L1). Diese Entwicklungen gehen mit einer starken Zuwanderung einher: Der Wanderungssaldo bleibt auf sehr hohem Niveau von durchschnittlich 311 000 Personen pro Jahr (W3). Die Varianten 6 und 7 verdeutlichen die Auswirkungen der unterschiedlichen Fertili- tätsentwicklungen. Den beiden Varianten liegen die gleichen Annahmen zu Lebens- erwartung (L2) und Wanderung (W2) zugrunde. In der Variante 6 wird eine sinkende Geburtenhäufigkeit (G1), in Variante 7 dagegen eine steigende Geburtenrate (G3) angenommen. Komplementär dazu zeigen die Varianten 8 und 9, wie sich der unterschiedlich starke Anstieg der Lebenserwartung auf die Bevölkerungsentwicklung auswirkt. Sie beruhen auf den gleichen Annahmen zur Fertilität (G2) und Wanderung (W2). Die Variante 8 geht von einem geringen Anstieg der Lebenserwartung aus, wie er sich in den letzten Jahren andeutete (L1). In der Variante 9 wird ein starker Anstieg der Lebenserwartung angenommen (L3). Die übrigen Kombinationen aus den getroffenen Annahmen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Zwölf der insgesamt 27 Kombinationen werden als weitere Varianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung betrachtet. Sie sind in Anhang A beschrieben. Sechs wurden als Modellrechnungen eingestuft, da diese Kombinati- onen aus heutiger Sicht wenig realistische Optionen darstellen. Dazu gehören Kom- binationen mit sinkender Fertilität im Zusammenhang mit einem dauerhaft hohen Wanderungssaldo sowie mit einem deutlichen Fertilitätsanstieg im Zusammenhang mit einem schnell sinkenden Wanderungssaldo (Modellrechnungen M1 bis M6). 14 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Übersicht 1: Annahmen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Demografische Komponente Trend Zielwerte Jährliche Geburtenziffer/ Durchschnittliches Alter der endgültige Kinderzahl je Frau Frau bei der Geburt 2017 1,57 / 1,5 Kinder je Frau 31,2 Jahre Bis 2060: Annahme G1 Sinken 1,43 / 1,4 Kinder je Frau Anstieg auf 32,8 Jahre Geburtenhäufigkeit auf das langfristige Niveau Annahme G2 Moderate 1,55 / 1,6 Kinder je Frau Anstieg auf 32,6 Jahre Entwicklung Annahme G3 Anstieg 1,73 / 1,7 Kinder je Frau Anstieg auf 32,5 Jahre Lebenserwartung bei Geburt Weitere Lebenserwartung (Jahre) im Alter von 65 Jahren (Jahre) Sterbetafel Jungen 78,4 Männer 17,8 2015/2017 Mädchen 83,2 Frauen 21,0 Bis 2060: Lebenserwartung Annahme L1 Geringer Jungen 82,5 Männer 20,4 Anstieg Mädchen 86,4 Frauen 23,2 Annahme L2 Moderater Jungen 84,4 Männer 21,8 Anstieg Mädchen 88,1 Frauen 24,5 Annahme L3 Starker Jungen 86,2 Männer 23,2 Anstieg Mädchen 89,6 Frauen 25,9 Jährliche Nettozuwanderung Im Zeitraum 2019 bis 2060: (Personen) 2018 386 000 Insgesamt Annahme W1 Durchschnitt Rückgang auf 6,2 Millionen Personen; der Jahre 110 500 im Jahr 2030, durchschnittlich 1955 bis 1989 danach konstant 147 000 Personen pro Jahr Wanderungssaldo Annahme W2 Durchschnitt Rückgang auf Insgesamt der Jahre 206 000 im Jahr 2026, 9,3 Millionen Personen; 1955 bis 2018 danach konstant durchschnittlich 221 000 Personen pro Jahr Annahme W3 Durchschnitt Leichter Rückgang auf Insgesamt der Jahre 300 000 im Jahr 2030, 13,1 Millionen Personen; 1990 bis 2018 danach konstant durchschnittlich 311 000 Personen pro Jahr Statistisches Bundesamt 2019 15 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Übersicht 2: Hauptvarianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Annahmen zu: Variante Beschreibung Geburten- Lebenserwartung Wanderungssaldo häufigkeit bei Geburt (durchschnittlich (Kinder je Frau) Personen pro Jahr) Variante 1 Moderate Entwicklung Ø 147 000 (W1) G2-L2-W1 bei niedrigem Wanderungssaldo Moderate Moderater Anstieg Entwicklung der Stabile Variante 2 bei Jungen auf 84,4 Geburtenhäufigkeit, Geburtenziffer Ø 221 000 (W2) G2-L2-W2 und bei Mädchen Lebenserwartung bei 1,55 Kindern auf 88,1 Jahre und Wanderung je Frau (G2) (L2) Moderate Entwicklung Variante 3 bei hohem Ø 311 000 (W3) G2-L2-W3 Wanderungssaldo Rückgang auf Starker Anstieg bei Variante 4 Relativ alte Jungen auf 86,2 1,4 Kinder je Ø 147 000 (W1) G1-L3-W1 Bevölkerung und bei Mädchen Frau (G1) auf 89,6 Jahre (L3) Anstieg auf 1,7 Geringer Anstieg Variante 5 Relativ junge bei Jungen auf 82,5 Kinder je Frau Ø 311 000 (W3) G3-L1-W3 Bevölkerung und bei Mädchen (G3) auf 86,4 Jahre (L1) Moderater Anstieg Variante 6 Rückgang auf bei Jungen auf 84,4 Auswirkung niedriger G1-L2-W2 1,4 Kinder je und bei Mädchen Ø 221 000 (W2) Geburtenhäufigkeit Frau (G1) auf 88,1 Jahre (L2) Moderater Anstieg Variante 7 Anstieg auf bei Jungen auf 84,4 Auswirkung hoher G3-L2-W2 1,7 Kinder je und bei Mädchen Ø 221 000 (W2) Geburtenhäufigkeit Frau (G3) auf 88,1 Jahre (L2) Stabile Geringer Anstieg Variante 8 Auswirkung geringer Geburtenziffer bei Jungen auf 82,5 G2-L1-W2 Steigung der bei 1,55 Ø 221 000 (W2) und bei Mädchen Lebenserwartung Kindern je Frau auf 86,4 Jahre (L1) (G2) Stabile Starker Anstieg bei Variante 9 Auswirkung starker Geburtenziffer Jungen auf 86,2 G2-L3-W2 Steigung der bei 1,55 Ø 221 000 (W2) und bei Mädchen Lebenserwartung Kindern je Frau auf 89,6 Jahre (L3) (G2) 16 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 5 Ergebnisse 5.1 Entwicklung der Bevölkerungszahl Ende 2018 lebten in Deutschland rund 83 Millionen Menschen. Die Bevölkerung Deutschlands wächst derzeit dank eines positiven Saldos der Zuzüge nach und der Fortzüge aus Deutschland. Diese Entwicklung wird sich voraussichtlich noch einige Jahre fortsetzen. Auf lange Sicht ist jedoch mit einem Sinken der Bevölkerungszahl zu rechnen. Nach der deutschen Vereinigung stieg die Bevölkerungszahl vor allem durch die Zuwanderung aus den ehemaligen sozialistischen Staaten Europas und der ehema- ligen Sowjetunion von 79,8 Millionen Menschen im Jahr 1990 auf 81,6 Millionen im Jahr 2002. Anschließend nahm der Wanderungssaldo ab und die Bevölkerungszahl sank auf 80,2 Millionen im Jahr 2010. Seit 2011 nahm die Bevölkerungszahl zuerst langsam zu und stieg dann mit der Verstärkung der Nettozuwanderung ab 2014 deut- lich. Ohne die Nettozuwanderung würde die Bevölkerung seit Langem schrumpfen, da seit 1972 die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Geborenen jedes Jahr übersteigt und somit die sogenannte natürliche Bevölkerungsbilanz negativ ist. Diese grundsätzliche Ursache des Bevölkerungsrückgangs wird sich auf lange Sicht noch stärker als in der Vergangenheit auswirken. Denn die geburtenstarken Jahrgänge, die heute im Alter zwischen Ende 40 und Anfang 60 sind, rücken im Vorausberechnungszeitraum in das hohe Alter auf, in dem die Sterblichkeit natürlicherweise am höchsten ist. Dadurch wird die Zahl der Sterbefälle auf über 1 Million steigen und die Lücke zwischen den Geburten und Sterbefällen wird größer. Ohne Nettozuwanderung und bei einer mode- raten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und der Lebenserwartung würde das Gebur- tendefizit zwischen 2018 und 2054 von 167 000 auf 530 000 zunehmen und anschlie- ßend bis 2060 leicht sinken. Voraussichtlich wird es aber auch in der Zukunft durch die Nettozuwanderung mehr oder weniger stark vermindert. Nach den Ergebnissen der Hauptvarianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvoraus- berechnung wird die Bevölkerungszahl noch mindestens bis 2024 zunehmen und spä- testens nach 2040 zurückgehen. Bei einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäu- figkeit und der Lebenserwartung würde die Bevölkerungszahl bis 2024 auf 83,7 Milli- onen Menschen steigen und dann bis 2060 auf 78,2 Millionen (Variante 2, G2-L2-W2) beziehungsweise auf 74,4 Millionen (Variante 1, G2-L2-W1) abnehmen (Schaubild 3A). Bei einem dauerhaft hohen Wanderungssaldo wird die Bevölkerungszahl ihren Höchststand erst Anfang der 2030er Jahre mit 84,4 Millionen Menschen erreichen und anschließend bis auf das Niveau des Jahres 2018 von 83,0 Millionen sinken (Variante 3, G2-L2-W3). Das zeigt, dass die Annahmen zum Wanderungssaldo einen starken Ein- fluss auf die Bevölkerungszahl haben, mit einer Spannweite von insgesamt 9 Millio- nen im Jahr 2060. Bei steigender Geburtenhäufigkeit (Variante 7, G3-L2-W2) wird die Bevölkerungszahl im Jahr 2060 um 3 Millionen höher sein als bei einer moderaten Geburtenentwicklung (Variante 2, G2-L2-W2; Schaubild 3B). Eine sinkende Geburtenrate würde dagegen zu einer um 2 Millionen niedrigeren Bevölkerungszahl führen (Variante 6, G1-L2-W2). Der Einfluss der Fertilität auf die Bevölkerungszahl ist mit einer Spannweite von 5 Millio- nen weniger ausgeprägt als der Einfluss der Nettozuwanderung. Die Annahmen zur Lebenserwartung haben eine noch geringere Auswirkung auf die Bevölkerungszahl als die Annahmen zur Geburtenhäufigkeit. Beim niedrigen Anstieg der Lebenserwartung (Variante 8, G2-L1-W2) würde die Bevölkerungszahl 2060 um Statistisches Bundesamt 2019 17 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Schaubild 3 Entwicklung der Bevölkerungszahl Ab 2019 Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Millionen A. Einfluss der Nettozuwanderung 90 85 Statistisches Ergebnis Variante 3 (G2-L2-W3) 80 Variante 2 (G2-L2-W2) 75 Variante 1 (G2-L2-W1) 70 65 1950 60 70 80 90 2000 10 18 30 40 50 2060 Millionen B. Einfluss der Geburtenhäufigkeit 90 85 Statistisches Ergebnis Variante 7 (G3-L2-W3) 80 Variante 2 (G2-L2-W2) 75 Variante 6 (G1-L2-W2) 70 65 1950 60 70 80 90 2000 10 18 30 40 50 2060 Millionen C. Einfluss der Lebenserwartung 90 85 Statistisches Ergebnis 80 Variante 9 (G2-L3-W2) Variante 2 (G2-L2-W2) 75 Variante 8 (G2-L1-W2) 70 65 1950 60 70 80 90 2000 10 18 30 40 50 2060 Millionen D. Entwicklung bei relativ junger bzw. relativ alter Bevölkerungsstruktur 90 85 Variante 5 (G3-L1-W3) Statistisches Ergebnis 80 Variante 2 (G2-L2-W2) 75 Variante 4 (G1-L3-W1) 70 65 1950 60 70 80 90 2000 10 18 30 40 50 2060 Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0461 18 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 1,5 Millionen niedriger sein als beim mittleren Anstieg (Variante 2, G2-L2-W2), bei starkem Anstieg dagegen um 1,5 Millionen höher (Variante 9, G2-L3-W2; Schaubild 3C). Sollte es zu einer Konstellation kommen, bei welcher die Geburtenhäufigkeit zunimmt, die Lebenserwartung geringer steigt und die Nettozuwanderung dauerhaft sehr hoch sein wird (Variante 5 „relativ junge Bevölkerung“, G3-L1-W3), wird der Alterungsprozess abgebremst. Die Bevölkerungszahl wird dabei bis 2040 auf 84,6 Millionen Menschen steigen, anschließend nur geringfügig schwanken und im Jahr 2060 bei 84,5 Millionen liegen (Schaubild 3D). Bei einer umgekehrten Konstellation – sinkende Geburtenhäufigkeit, starker Anstieg der Lebenserwartung, niedrige Nettozuwanderung (Variante 4 „relativ alte Bevölkerung“, G1-L3-W1) – kommt es dagegen zu einer besonders schnellen Alterung und nach 2024 zu einer kontinuierlichen Schrumpfung der Bevölkerung. Die Bevölkerungszahl würde dann bis 2060 auf 74,0 Millionen zurückgehen. 5.2 Veränderungen im Altersaufbau Die aktuelle Bevölkerungsstruktur weicht schon lange von der Form der klassischen Bevölkerungspyramide ab. Ein pyramidenförmiger Altersaufbau bedeutet, dass die jüngsten Geburtsjahrgänge an der Pyramidenbasis zugleich die am stärksten besetz- ten Jahrgänge sind. Mit voranschreitendem Alter nimmt dagegen die Jahrgangsstärke infolge der Sterblichkeit immer stärker ab. Einen Altersaufbau in Form einer Pyramide hatte beispielsweise das Deutsche Reich von 1910 (Schaubild 4). Mit dem Sinken der Sterblichkeit und anschließendem Rückgang der Geburtenhäufigkeit erlebten die industriellen Gesellschaften Ende des 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhun- derts Transformationen in ihrem Altersaufbau. Dazu kamen die Folgen der beiden Weltkriege, der Spanischen Grippeepidemie und der Weltwirtschaftskrise, die deut- liche Kerben im Altersaufbau der Bevölkerung des Jahres 1950 hinterlassen haben. Der aktuelle Bevölkerungsaufbau von 2018 wird durch stark besetzte Jahrgänge der Babyboomer dominiert, die derzeit im Alter zwischen Ende 40 und Mitte 60 sind. In den nächsten Jahrzehnten werden diese stark besetzten Jahrgänge nach und nach ins Seniorenalter im oberen Pyramidenbereich wechseln und schließlich immer weniger werden. An ihre Stelle werden zahlenmäßig kleinere Geburtsjahrgänge kommen. Die Relationen zwischen den einzelnen Altersgruppen werden sich dadurch im Vergleich zu heute deutlich verschieben. Statistisches Bundesamt 2019 19 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Schaubild 4 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2060: Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 1910 1950 Alter in Jahren Alter in Jahren 100 100 Männer Frauen Männer Frauen 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 1 000 750 500 250 0 0 250 500 750 1 000 1 000 750 500 250 0 0 250 500 750 1 000 Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen 2018 und 2060: moderate Entwicklung......bei niedrigem Wanderungssaldo, Variante 1 (G2-L2-W1)...bei hohem Wanderungssaldo, Variante 3 (G2-L2-W3) 2018 Alter in Jahren Alter in Jahren 100 100 Männer Frauen Männer Frauen 90 90 80 80 70 70 60 60 2018 2018 50 50 40 40 30 30 20 20 10 10 0 0 1 000 750 500 250 0 0 250 500 750 1 000 1 000 750 500 250 0 0 250 500 750 1 000 Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen Tausend Personen Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0462 20 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 5.2.1 Zahl der jungen Menschen im Alter bis 18 Jahre Im Jahr 1990 betrug die Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen im Alter bis 18 Jahre 16,3 Millionen Menschen. Bis Mitte der 1990er Jahre stieg sie auf 16,8 Millionen und sank dann kontinuierlich bis 2013 auf 13,9 Millionen. Zwischen 2014 und 2018 nahm sie durch die gestiegene Nettozuwanderung und höhere Geburtenzahlen um 530 000 auf 14,4 Millionen Menschen zu. Die Zahl der bis 18-Jährigen wird voraussichtlich bis Anfang der 2030er Jahre weiter stei- gen. Anschließend kann sie sich unter dem Einfluss von Geburten und Nettozuwande- rung unterschiedlich entwickeln. Eine Stabilisierung auf dem Niveau von 14 bis 15 Milli- onen (Variante 7, G3-L2-W2) wäre nur bei einer steigenden Geburtenhäufigkeit möglich. Für einen Anstieg auf 16,4 Millionen wäre zudem ein dauerhaft hoher Wanderungssaldo von durchschnittlich 311 000 Personen pro Jahr erforderlich (Variante 5, G3-L1-W3). Bei einer moderaten Entwicklung beziehungsweise bei einem Sinken der Geburtenhäufig- keit würde dagegen die Zahl der jungen Menschen nach 2030 wieder abnehmen und im Jahr 2060 rund 13,4 Millionen (Variante 2, G2-L2-W2) beziehungsweise 12,2 Millionen (Variante 6, G1-L2-W2) betragen. Ähnlich wird sich die Bevölkerung im Schulalter zwischen 6 und 18 Jahren entwickeln. Im Jahr 2018 waren 9,7 Millionen in dieser Altersgruppe. Bis Anfang der 2030er Jahre wird die Zahl noch zunehmen und im Jahr 2030 zwischen 10,4 Millionen und 10,9 Mil- lionen betragen (Schaubild 5). Ihre Weiterentwicklung hängt vom künftigen Geburten- und Wanderungsniveau ab. Bei steigender Geburtenhäufigkeit wird sie sich nach einem leichten Rückgang zwischen 2030 und 2050 erholen und schließlich im Jahr 2060 etwa 11,3 Millionen bei einem dauerhaft hohen Wanderungssaldo (Variante 5, „relativ junge Bevölkerung“, G3-L1-W3) beziehungsweise 10,4 Millionen bei einem moderaten Wan- derungssaldo betragen (Variante 7, G3-L2-W2). Bei moderaten demografischen Verän- derungen wird sie zwischen 2033 und 2050 auf 9,1 Millionen sinken und danach relativ stabil bleiben (Variante 2, G2-L2-W2). Wenn aber die Geburtenhäufigkeit im Vorausbe- rechnungszeitraum sinkt, wird auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen langfristig wieder rückläufig sein und ab 2045 unter 9 Millionen betragen (Variante 6, G1-L2-W2). Somit ergibt sich im Jahr 2060 eine Spannweite von 8,5 Millionen bis 11,3 Millionen Kindern und Jugendlichen im Schulalter. Die Zahl der Kinder im Alter unter 6 Jahren wird von der Entwicklung der Geburten bestimmt und weniger stark von der Zuwanderung beeinflusst. Deshalb ist die Spann- weite der künftigen Veränderungen geringer als bei der Gruppe der 6- bis 18-Jährigen. Die Zahl der unter 6-Jährigen wird Anfang der 2020er Jahre vor allem aufgrund der sin- kenden Anzahl potenzieller Mütter im wichtigen gebärfähigen Alter voraussichtlich zurückgehen. Eine steigende Geburtenhäufigkeit und/oder hohe Nettozuwanderung können allerdings diesen Rückgang etwas relativieren und hinausschieben. Die Zahl der unter 6-Jährigen wird von 4,7 Millionen im Jahr 2018 voraussichtlich noch bis 2022 (bei einer stabilen oder sinkenden Geburtenhäufigkeit) beziehungsweise bis 2025 (bei einer steigenden Geburtenhäufigkeit) zunehmen. Bei einer steigenden Geburtenhäufigkeit und einer dauerhaft hohen Nettozuwanderung wird sie weiterhin stabil bleiben und ab Mitte der 2040er Jahre sogar auf 5,1 Millionen steigen (Variante 5, „relativ junge Bevölkerung“, G3-L1-W3). Auch bei einer moderaten Nettozuwanderung wird sie im Jahr 2060 mit 4,8 Millionen leicht über dem Ausgangsniveau liegen (Variante 7, G3-L2-W2). Bei einer moderaten oder sinkenden Geburtenhäufigkeit ist dagegen mit einem deut- lichen Rückgang der Kinder unter 6 Jahren zu rechnen. Ihre Zahl wird zwischen 2023 und 2045 auf 4,1 Millionen (Variante 2, G2-L2-W2) beziehungsweise auf 3,8 Millionen (Vari- ante 6, G1-L2-W2) sinken und anschließend nur geringfügig um das jeweils erreichte Niveau schwanken. Statistisches Bundesamt 2019 21 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Schaubild 5 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre Ab 2019 Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Relativ junge Bevölkerung, Variante 5 (G3-L1-W3) Hohe Geburtenrate, Variante 7 (G3-L2-W2) Moderate Entwicklung, Variante 2 (G2-L2-W2) Niedrige Geburtenrate, Variante 6 (G1-L2-W2) Millionen Personen 18 insgesamt bis 18 Jahre 16 14 6- bis 18-Jährige 12 10 8 6 Unter 6-Jährige 4 2 0 1990 2000 10 18 30 40 50 2060 Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0463 5.2.2 Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren Im Jahr 2018 waren 51,8 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter (hier: zwischen 20 und 66 Jahren). Höher war die Zahl der 20- bis 66-Jährigen nur noch Mitte der 1990er-Jahre mit einem Höchststand der gesamten Nachkriegszeit von 53,2 Millio- nen im Jahr 1995. Seit Anfang der 1990er-Jahre und voraussichtlich noch bis Anfang der 2020er-Jahre profitiert Deutschland von einer sogenannten demografischen Divi- dende. Diese entstand durch das Aufrücken der stark besetzten Jahrgänge – geboren zwischen Ende der 1950er und Ende der 1960er-Jahre – in das Erwerbsalter. Während die Babyboomer-Generation das Erwerbspersonenpotenzial in den 1990er Jahren deutlich verjüngt hat, trägt sie mittlerweile zu seiner Alterung bei. Derzeit sind über 50 % aller Menschen im Erwerbsalter 45 Jahre und älter. Wenn die stark besetz- ten Jahrgänge in den kommenden rund 20 Jahren aus dem Erwerbsalter ausscheiden, wird das Erwerbspersonenpotenzial schrumpfen (Schaubild 6). Ohne Nettozuwande- rung würde es sich bis 2035 um 9 Millionen Menschen verringern (Modellrechnung M7, G2-L2-W0). Um diese Verluste abzufangen, müssten zwischen 2019 und 2035 22 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung per Saldo jährlich 530 000 Menschen im Alter zwischen 20 und 66 nach Deutschland zuwandern. Der durchschnittliche jährliche Gesamtwanderungssaldo wäre in diesem Fall höher als in den Jahren 2016 bis 2018. Nach denjenigen Varianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung, die von einer moderaten Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und Lebenserwartung ausgehen, wird die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bis 2035 bei einer dauerhaft hohen Nettozuwanderung um 4,4 Millionen (Variante 3, G2-L2-W3), bei einer mode- raten Nettozuwanderung um 5,4 Millionen (Variante 2, G2-L2-W2) und bei einer nied- rigen Nettozuwanderung um 6,0 Millionen (Variante 1, G2-L2-W1) abnehmen. Schaubild 6 Bevölkerung im Erwerbsalter 2018 und 2035 2035: Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 2018 2035: moderate Entwicklung bei... 2035: Modellrechnung 7 (G2-L2-W0) niedrigem Wanderungssaldo, Variante 1 (G2-L2-W1) mittlerem Wanderungssaldo, Variante 2 (G2-L2-W2) hohem Wanderungssaldo, Variante 3 (G2-L2-W3) Tausend Personen 1 600 1 400 1 200 1 000 800 600 400 200 0 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Im Alter von... Jahren Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0464 Nach 2035 kann voraussichtlich mit einer etwa zehnjährigen Stabilisierungsphase auf dem jeweils erreichten Niveau gerechnet werden (Schaubild 7, Tabelle 1), bevor ein erneuter, jedoch deutlich schwächerer Rückgang der Zahl der Menschen im Erwerb- salter ab Mitte der 2040er Jahre beginnt. Im Jahr 2060 werden dann voraussichtlich zwischen 40 Millionen (Variante 1, G2-L2-W1) und 46 Millionen (Variante 3, G2-L2-W3) Menschen im Alter zwischen 20 und 66 Jahren sein. Statistisches Bundesamt 2019 23 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Bei einem Renteneinstiegsalter von 65 Jahren würde 2060 das Erwerbspersonenpo- tenzial in allen oben genannten Varianten um etwa 2 Millionen Menschen geringer sein. Tabelle 1 Zahl der Menschen im Erwerbsalter von 20 bis 66 Jahren Moderate Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und Lebenserwartung bei unterschiedlich hohem Relativ alte Relativ junge Wanderungssaldo Bevölkerung Bevölkerung Variante 1 Variante Variante Variante 4 Variante 5 G2-L2-W1 2 G2-L2-W2 3 G2-L2-W3 G1-L3-W1 G3-L1-W3 Millionen Personen 2018 51,8 51,8 51,8 51,8 51,8 2035 45,8 46,4 47,4 45,9 47,4 2060 40,0 42,7 46,0 39,4 46,9 Schaubild 7 Bevölkerung im Erwerbsalter zwischen 20 und 66 Jahren Ab 2019 Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Millionen Personen 60 50 Moderate Entwicklung......bei hohem Wanderungssaldo, Variante 3 (G2-L2-W3)...bei mittlerem Wanderungssaldo, Variante 2 (G2-L2-W2) 40...bei niedrigem Wanderungssaldo, Variante 1 (G2-L2-W1) 30 20 10 0 1990 2000 10 18 30 40 50 2060 2019 - 15 - 0465 5.2.3 Zahl der Menschen im Seniorenalter ab 67 Jahren Die Zahl der Menschen im Alter ab 67 Jahren stieg zwischen 1990 und 2018 um 54 % von 10,4 Millionen auf 15,9 Millionen. In den nächsten 20 Jahren wird diese Zahl um weitere 5 bis 6 Millionen auf mindestens 20,9 Millionen wachsen. Die künftige Ent- wicklung ist für diese Altersgruppe im Wesentlichen durch den aktuellen Altersaufbau vorherbestimmt. Der Einfluss der Geburten und Wanderungen spielt hierfür eine sehr geringe Rolle. Die Entwicklung der Sterblichkeit wirkt sich dagegen stärker aus, jedoch vor allem bei den höheren Altersklassen und erst gegen Ende des Vorausberechnungs- zeitraums (Schaubild 8). 24 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Für die Entwicklung der Bevölkerung im Alter zwischen 67 und 79 Jahren liefern unter- schiedliche Varianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung einen sehr ähnlichen Verlauf. Die Zahl der 67- bis 79-Jährigen wird noch bis 2021 relativ stabil gut 10 Millionen betragen. Danach wird sie aber bis 2037 auf über 14 Millionen stark ansteigen. Anschließend werden die stark besetzten Jahrgänge allmählich das Alter von 80 Jahren erreichen und in die Gruppe der ab 80-Jährigen wechseln. Deshalb wird die Zahl der 67- bis 79-Jährigen zwischen 2038 und 2050 auf 11 Millionen oder geringfügig darunter sinken und danach nur leicht auf gut 12 Millionen im Jahr 2060 steigen. Die Gruppe der Menschen ab 80 Jahren wird bereits in den nächsten Jahren bis 2022 von 5,4 Millionen (2018) auf 6,2 Millionen steigen und dann bis Anfang der 2030er Jahre auf diesem Niveau bleiben. In den anschließenden 20 Jahren wird sie aber kon- tinuierlich zunehmen und im Jahr 2050 je nach der angenommen Entwicklung der Lebenserwartung auf 8,9 Millionen (Variante 5, G3-L1-W3, relativ junge Bevölkerung) bis 10,5 Millionen (Variante 4, G1-L3-W1, relativ alte Bevölkerung) wachsen. Zwischen 2050 und 2060 wird die Zahl der Menschen ab 80 Jahren aufgrund der Sterblichkeit der stark besetzten Jahrgänge jeweils um rund 1 Million sinken. Schaubild 8 Bevölkerung im Alter ab 67 Jahren Ab 2019 Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Millionen Personen 25 Relativ alte Bevölkerung, Variante 4 (G1-L3-W1) Moderate Entwicklung, Variante 2 (G2-L2-W2) 20 Relativ junge Bevölkerung, Variante 5 (G3-L1-W3) Insgesamt ab 67 Jahren 15 10 67- bis 79-Jährige 5 80-Jährige und Ältere 0 1990 2000 10 18 30 40 50 2060 Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0466 5.2.4 Struktur der Bevölkerung nach Altersgruppen Im Jahr 2018 waren 18 % der Gesamtbevölkerung Kinder und junge Menschen unter 20 Jahren, 62 % im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 66 Jahren und 19 % im Alter von 67 Jahren und älter. Der Anteil der unter 20-Jährigen wird bis Anfang der 2030er Jahre voraussichtlich stabil bei etwa 18 % bleiben. Anschließend wird er bis zum Jahr 2060 – bei einer Entwicklung Statistisches Bundesamt 2019 25 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung mit relativ junger Altersstruktur (Variante 5, G3-L1-W3 „relativ junge Bevölkerung“) auf 21 % steigen (Schaubild 9). Bei moderater Entwicklung der demografischen Kompo- nenten (Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungssaldo) wird er sich bei 18 % stabilisieren (Variante 2, G2-L2-W2). Bei einer stärkeren Alterung wird er dagegen auf 16 % im Jahr 2060 abnehmen (Variante 4, G1-L3-W1, „relativ alte Bevölkerung“). Der Anteil der Menschen im Erwerbsalter (hier: von 20 bis 66 Jahren) wird in den nächsten zwei Jahrzehnten in allen Varianten der Vorausberechnung deutlich sinken und im Jahr 2037 voraussichtlich 55 % bis 56 % betragen. Bis 2060 wird er bei einer Entwicklung mit relativ junger Altersstruktur (Variante 5, G3-L1-W3) beziehungsweise bei moderater demografischer Entwicklung (Variante 2, G2-L2-W2) auf dem jeweils erreichten Niveau verharren. Bei einer Entwicklung mit relativ alter Altersstruktur wird er bis 2060 weiter auf 53 % sinken (Variante 4, G1-L3-W1). Der Anteil der 67-Jährigen und Älteren wird dagegen in allen Hauptvarianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung steigen. Ein besonders steiler Anstieg auf 25 % (Variante 5, G3-L1-W3) bis 27 % (Variante 4, G1-L3-W1) ist bis 2040 zu erwarten. Anschließend wird sich der Anteil der ab 67-Jährigen nur bei einer relativ jungen Altersstruktur auf dem Niveau von 24 % stabilisieren. In allen übrigen Varian- ten wird er steigen, wenn auch deutlich langsamer als zuvor beim Übergang der stark besetzten Jahrgänge in diese Altersgruppe. Im Jahr 2060 wird er dann von 24 % bis zu 30 % betragen (Variante 4, G1-L3-W1). Im Zeitraum von 2040 bis 2060 wird insbesondere der Anteil der Hochaltrigen ab 80 Jahren zunehmen. Er wird im Jahr 2060 zwischen 9 % und 13 % liegen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird in allen Varianten der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung von derzeit 44 Jahren auf mindestens 45 Jahre bei der Entwicklung mit relativ junger Altersstruktur (Variante 5, G3-L1-W3) und maximal 50 Jahre bei der relativ alten Bevölkerung (Variante 4, G1-L3-W1) im Jahr 2060 steigen. Schaubild 9 Bevölkerung nach Altersgruppen 2018 und 2060 2060: Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung in % 2018 2060 2060 2060 6 9 11 13 13 80 und älter 15 16 17 62 67 bis 79 56 55 53 20 bis 66 21 18 18 16 0 bis 19 Jahresdurchschnitt Relativ junge Bevölkerung Moderate Entwicklung Relativ alte Bevölkerung Variante 5 (G3-L1-W3) Variante 2 (G2-L2-W2) Variante 4 (G1-L3-W1) Abweichungen von 100% sind rundungsbedingt. 2019 - 15 - 0467 26 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 5.2.5 Jugend-, Alten- und Gesamtquotienten In welchem Ausmaß die Bevölkerung im Erwerbsalter sowohl die jüngere als auch die ältere Bevölkerung zu – im weitesten Sinne – versorgen hat, zeigen die Relationen zwischen den einzelnen Altersgruppen. Wird der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter die jüngere Bevölkerung, für deren Aufwachsen, Erziehung und Ausbildung gesorgt werden muss, gegenübergestellt, so ergibt sich der Jugendquotient. Wird die Zahl der Personen im Rentenalter, also der potenziellen Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen der Rentenversicherung und anderer Alterssicherungssysteme, auf die Zahl der Personen im Erwerbsalter bezogen, ergibt sich der Altenquotient. Beide Quo- tienten zusammen addieren sich zum Gesamtquotienten. Neben den getroffenen Annahmen zur Entwicklung der demografischen Komponen- ten wird die Altersstruktur der bereits lebenden Bevölkerung die Quotienten noch für lange Zeit bestimmen. So wird der Übergang der stark besetzten Jahrgänge aus dem Erwerbs- ins Seniorenalter einerseits und das Nachrücken ins Erwerbsalter der schwach besetzten jungen Jahrgänge andererseits zum Anstieg sowohl des Jugend- als auch des Altenquotienten bis Mitte der 2030er Jahre führen (Schaubild 10). Ab Mitte der 2030er Jahre werden sich zunehmend die Unterschiede in den Annahmen zu den demografischen Komponenten auf die Quotienten auswirken. Die Spannweite ihrer künftigen Entwicklung zeigen die Variante 5 mit der relativ jungen Bevölkerung (G3-L1-W3) und die Variante 4 mit der relativ alten Bevölkerung (G1-L3-W1). Zum Ver- gleich wird außerdem die Variante 2 (G2-L2-W2) heranzogen, die von einer moderaten Entwicklung der demografischen Komponenten ausgeht. Derzeit liegt der Jugendquotient bei 29. Das heißt, auf 100 Personen im Erwerbsal- ter (hier: von 20 bis 66 Jahren) kommen aktuell 29 Personen unter 20 Jahren. Dieser Wert wird im Vorausberechnungszeitraum auf 33 bis 35 im Jahr 2035 steigen. Bei einer Entwicklung mit relativ junger Altersstruktur wird sich der Jugendquotient danach all- mählich auf 37 im Jahr 2060 zubewegen (Variante 5, G3-L1-W3). In den Varianten mit moderater Entwicklung beziehungsweise mit der relativ alten Altersstruktur wird der Jugendquotient zwischen 2035 und 2045 leicht sinken und anschließend auf 33 (Vari- ante 2, G2-L2-W2) beziehungsweise 31 (Variante 4, G1-L3-W3) im Jahr 2060 ansteigen. Der Altenquotient wird bis 2038 steil steigen: von derzeit 31 auf 44 bei der Entwicklung mit der relativ jungen Altersstruktur (Variante 5, G3-L1-W3), auf 47 bei einer modera- ten Entwicklung (Variante 2, G2-L2-W2) oder auf 49 bei der Entwicklung mit der relativ alten Altersstruktur (Variante 4, G1-L3-W1). Anschließend wird der Altenquotient bei der relativ jungen Bevölkerung sogar leicht bis 2060 auf 43 sinken. Bei moderater Ent- wicklung wird er anfangs bei 47 stagnieren und dann zwischen 2045 und 2060 auf 50 steigen. Bei der relativ alten Bevölkerung wird er dagegen nach 2038 weniger steil als zuvor, jedoch kontinuierlich auf 57 im Jahr 2060 zunehmen. Die Entwicklung des Gesamtquotienten zeigt, dass die potenzielle Belastung der Bevölkerung im Erwerbsalter unabhängig von den getroffenen Annahmen mindestens bis Ende der 2030er Jahre deutlich zunehmen wird. Während 2018, im Ausgangsjahr der Vorausberechnung, 100 Personen im Erwerbsalter 60 potenzielle Leistungsemp- fängerinnen und -empfänger gegenüberstanden, werden es 2038 bereits 80 sein. Sollte die Geburtenhäufigkeit künftig steigen, die Nettozuwanderung dauerhaft auf hohem Niveau bleiben und die Lebenserwartung geringer steigen, wird sich dieses Verhältnis nach 2038 nur leicht entspannen und schließlich 2060 wieder 80 betragen (Variante 5, G3-L1-W3). Ansonsten wird der Gesamtquotient bis 2060 weiter auf 83 bei moderater Entwicklung (Variante 2, G2-L2-W2) und auf 88 bei relativ alter Bevölke- rungsstruktur (Variante 4, G1-L3-W1) klettern. Statistisches Bundesamt 2019 27 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Schaubild 10 Jugend-, Alten- und Gesamtquotient mit den Altersgrenzen 20 und 67 Jahren1 Ab 2019 Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Relativ alte Bevölkerung Moderate Entwicklung Relativ junge Bevölkerung Variante 4 (G1-L3-W1) Variante 2 (G2-L2-W2) Variante 5 (G3-L1-W3) 100 Gesamtquotient 80 60 Altenquotient 40 Jugendquotient 20 0 1990 2000 10 18 30 40 50 2060 1 Jugendquotient: unter 20-Jährige je 100 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren; Altenquotient: 67-Jährige und Ältere je 100 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren; Gesamtquotient: unter 20-Jährige und ab 67-Jährige je 100 Personen im Alter von 20 bis 66 Jahren. Erläuterungen zu Varianten und Abkürzungen siehe Übersichten 1 und 2. 2019 - 15 - 0468 28 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung 6 Annahmen zur Entwicklung der Geburten, der Lebens- erwartung und der Wanderungen Den Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes liegt die Kohorten-Komponenten-Methode mit deterministischen Annahmen zugrunde. Eine Bevölkerung wird dabei unter Berücksichtigung der angenommenen Entwicklungen des Geburtenverhaltens, der Lebenserwartung und der Wanderungsbewegungen von Jahr zu Jahr fortgeschrieben. Diese Annahmen werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert. 6.1 Geburten Die Zahl der zukünftig geborenen Kinder hängt einerseits von der Anzahl der poten- ziellen Mütter und andererseits von der relativen Geburtenhäufigkeit der Frauen ab. Die Anzahl der Frauen im gebärfähigen Alter ist für die bereits lebenden Frauen- und Mädchenjahrgänge gegeben, ihre Weiterentwicklung ergibt sich weitgehend aus den Wanderungen und den Geburten. Die Annahmen fokussieren sich deshalb auf die Ent- wicklung der relativen Geburtenhäufigkeit. Sie werden unmittelbar für die sogenann- ten altersspezifischen Geburtenziffern getroffen, das heißt für Geburtenhäufigkeiten in jedem einzelnen Altersjahr der Frauen. Aufsummiert ergeben die altersspezifischen Geburtenziffern die zusammengefasste Geburtenziffer (auch als jährliche Geburten- rate bezeichnet). Die zusammengefasste Geburtenziffer ist folglich eine abgeleitete Größe, welche die Stärke der neuen Jahrgänge im Vorausberechnungszeitraum mittel- bar beeinflusst. Die Fertilitätsannahmen haben empirischen Charakter. Die Datengrundlage hierfür bilden die laufende Geburtenstatistik und die Angaben der Frauen zur Geburt von Kin- dern, die seit 2008 im Rahmen des Mikrozensus erfragt werden. Für die Ableitung der Hypothesen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung wurden sowohl die langfristigen Trends im Geburtenverhalten als auch die neueren Entwicklungen, wie der Geburtenanstieg seit 2012, untersucht. 6.1.1 Langfristige und neue Tendenzen in der Fertilitätsentwicklung Folgende Fertilitätstrends haben das Geburtengeschehen in Deutschland lange Zeit geprägt: Die jährliche Geburtenrate verharrte lange Zeit auf einem niedrigen Niveau um 1,4 Kinder je Frau. Die Geburtenneigung im Alter unter 30 Jahren nahm kontinuierlich ab. Die im Gegenzug gestiegene Fertilität im höheren gebärfähigen Alter konnte den Geburtenrückgang im jüngeren Alter nicht ausgleichen. Dies hat zum Rückgang der endgültigen Kinderzahl je Frau geführt (Zahl der Kinder, die Frauen im Laufe ihres Lebens zur Welt bringen). Immer mehr Frauen blieben lebenslang kinderlos. Die Verteilung der Mütter nach der Zahl der geborenen Kinder hat sich ab den späten 1940er Jahrgängen stabilisiert. Im Durchschnitt brachten die Mütter 2 Kinder zur Welt. Zwischen den Geburten einer Mutter vergingen im Durchschnitt über drei Jahre. Bei fast allen diesen langfristigen Entwicklungen zeichneten sich seit einigen Jahren Veränderungen ab, die gegenwärtig zu einem Fertilitätsanstieg führen. Statistisches Bundesamt 2019 29 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Diese Veränderungen erfolgten vor dem Hintergrund sozialpolitischer und wirtschaft- licher Entwicklungen, welche zur Entstehung eines insgesamt kinderfreundlicheren Klimas beigetragen haben: Seit Anfang der 2000er-Jahre wurden die dauerhaft niedrigen Geburtenraten, zunehmende Kinderlosigkeit und die Situation von Familien mit Kindern gesell- schaftspolitisch intensiv diskutiert. Diese Diskussion entbrannte ursprünglich aus der Sorge über künftige negative Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme. Daraus hat sich eine Debatte über die familienpolitischen Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickelt. Um Paaren die Realisierung ihres Kinderwunsches zu erleichtern, wurden seit 2007 zusätzliche familienpolitische Maßnahmen eingeführt. Das Elterngeld und Elterngeld plus reduzierten den Verdienstausfall, welcher den Familien durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit entsteht. Vor allem aber verbesserte der Ausbau der Kleinkinderbetreuung die Möglichkeiten der Mütter, schneller als bisher ins Erwerbsleben zurückzukehren sowie Beruf und Familie zu vereinbaren. Seit der Finanzkrise, die 2008 ihren Höhepunkt hatte, erlebte Deutschland ein stetiges Wirtschaftswachstum sowie eine kontinuierliche Zunahme der Beschäfti- gung. Dies gab vielen jungen Paaren das Gefühl der ökonomischen Zuversicht, das für viele Menschen bei Familiengründung oder -erweiterung wichtig ist. Außerdem gab es eine erhebliche Zuwanderung aus dem Ausland, die zum Geburten- anstieg beitrug. In den zehn Jahren seit Mitte der 2000er-Jahre dominierte die arbeits- marktmotivierte Zuwanderung aus Südeuropa sowie aus den seit 2004 der Europä- ischen Union (EU) beigetretenen Ländern. Der Charakter der Zuwanderung änderte Schaubild 11 Zusammengefasste Geburtenziffer nach Gebietsstand Kinder je Frau 1,8 1,6 Früheres Bundesgebiet 1,4 Deutschland 1,2 1,0 Ostdeutsche Flächenländer 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 1990 95 2000 05 10 15 2019 - 15 - 0469 30 Statistisches Bundesamt 2019 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung sich aber, als ab 2014 mehrere Hunderttausend Schutzsuchende vor allem aus Syrien, dem Irak und Afghanistan nach Deutschland kamen. Diese Zuwanderung hatte Ein- fluss auf das Geburtenniveau ausländischer Frauen in Deutschland. Die zusammengefasste Geburtenziffer ist zwischen 2011 und 2017 von 1,39 Kindern je Frau auf 1,57 Kinder je Frau gestiegen (Schaubild 11). In den neuen Ländern betrug sie 2017 sogar 1,61 Kinder je Frau. Dort setzt sich mit dem aktuellen Geburtenanstieg die Entwicklung seit Mitte der 1990er Jahre fort. Für das frühere Bundesgebiet und Deutschland insgesamt bedeutet er dagegen eine neue Tendenz und das Ende der langanhaltenden Stagnation. Bei den deutschen Frauen nahm die Geburtenhäufigkeit insbesondere im Alter zwi- schen 30 und 39 Jahren zu. Da immer mehr Frauen erst im Alter ab 30 Jahren eine Familie gründen, kommt es zur Verdichtung der ersten, zweiten und weiteren Geburten innerhalb dieser relativ kurzen Altersspanne. Diese Veränderungen trugen zur Stabilisierung der Geburtenhäufigkeit der deutschen Frauen in der Lebenslaufperspektive bei (sogenannte Kohortenfertilität). Der über 30 Jahre anhaltende Rückgang der endgültigen Kinderzahl je Frau setzt sich bei den Jahr- gängen ab 1970 nicht weiter fort. Die in den 1970er und 1980er Jahren geborenen Frauen werden nach Abschluss der gebärfähigen Phase durchschnittlich mehr Kinder zur Welt bringen als die Jahrgänge 1968 und 1969. Obwohl die Stabilisierung der end- gültigen Kinderzahl je Frau um 1,5 (bei deutschen Frauen) noch eine sehr zaghafte Veränderung ist, deutet sie das Ende des rückläufigen Trends an. Dass gerade die Generation der nach 1970 geborenen Frauen diese Wende vollzieht, ist im Kontext der Rahmenbedingungen zu sehen. Diese Frauen waren in den ver- gangenen zehn Jahren im wichtigsten fertilen Alter zwischen Ende 20 und Ende 30. Die meisten Frauen haben in diesem Alter ihre Ausbildung abgeschlossen, viele sind bereits beruflich etabliert. Sie haben bis zum Alter von Ende 20 noch weniger Kinder zur Welt gebracht als die vergleichsweise „kinderarmen“ 1960er-Jahrgänge. Zugleich erlebten sie unmittelbar die seit Mitte der 2000er-Jahre entbrannte Diskussion über erforderliche Verbesserungen der Situation von Familien mit Kleinkindern und über die Vereinbarkeit von Elternschaft und Beruf. Sie waren Zeuginnen der Einführung des Elterngelds und des Ausbaus der Kleinkinderbetreuung und konnten – als erste Frau- engeneration – von diesen Maßnahmen unmittelbar profitieren. Vor dem Hintergrund einer guten wirtschaftlichen Lage und niedriger Arbeitslosigkeit trugen diese Faktoren zu günstigen Rahmenbedingungen für die Realisierung der Kinderwünsche bei. Die Annahmen für die deutschen Frauen beruhen auf den Untersuchungen der Kohor- tenfertilität. Für die künftige Fertilitätsentwicklung ergeben diese einen voraussicht- lichen Anstieg der endgültigen Kinderzahl bei den Frauen der 1970er und 1980er Jahrgänge auf etwa 1,6 Kinder je Frau. Anschließend sind dagegen mehrere Optionen möglich (Stabilität, Zunahme oder Rückgang der Kohortenfertilität), da das künftige Geburtenverhalten der heute noch sehr jungen Frauen und Mädchen unbekannt ist. Die Spannweite der aus heutiger Sicht möglichen Veränderungen bei den deutschen Frauen ist aber relativ begrenzt, da sich bei ihnen robuste Verhaltensmuster wie die immer spätere Familiengründung und eine relativ hohe Kinderlosigkeit herausgebildet haben. Eine wichtige Rolle für die Annahmen zum künftigen Fertilitätsniveau kommt deshalb den ausländischen Frauen zu. Von insgesamt 17,1 Millionen potenziellen Müttern im Jahr 2017 hatten 2,7 Millio- nen oder 16 % eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit trugen zum Geburtenanstieg zwischen 2011 und 2017 von insge- samt 122 000 Neugeborenen mit 71 000 Geburten (59 %) bei. Die Zahl der Babys mit einer ausländischen Mutter nahm in diesem Zeitraum um 64 % zu und ihr Anteil an allen Geburten stieg von 17 % auf 23 %. Eine entscheidende Rolle spielte bei dieser Statistisches Bundesamt 2019 31 Bevölkerung im Wandel Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung Geburtenzunahme die seit 2014 gestiegene Zuwanderung von Frauen aus Ländern mit traditionell hoher Geburtenhäufigkeit. Dadurch nahm die Zahl der potenziellen Mütter mit ausländischer Staatsangehörigkeit von 2,2 Millionen in 2013 auf 2,7 Millionen zu. Zudem stieg auch ihre Geburtenhäufigkeit von 1,8 Kindern je Frau (2011) auf 2,2 Kinder je Frau im Jahr 2017. Neben den insgesamt günstigen Rahmenbedingungen, von denen nicht nur die Deut- schen sondern auch Ausländerinnen profitierten, spielten der Charakter der Zuwande- rung und die Herkunftsländer der Migrantinnen eine besondere Rolle. Die Zuwande- rung seit 2014 wurde durch die Schutzsuchenden vor allem aus Syrien, Afghanistan und dem Irak sowie durch den Zuzug aus den EU-Beitrittsstaaten Rumänien und Bul- garien geprägt. Für die Letzteren besteht seit 1. Januar 2014 die Arbeitnehm