Zusammenfassung 4 Abgrenzung und Vergemeinschaftung Identität PDF
Document Details
Uploaded by Deleted User
Tags
Summary
This document explores the concept of identity, arguing that identity is a socially constructed phenomenon influenced by communication, tradition, and self-affirmation. It also highlights the role of social categorization and the associated challenges of prejudice and discrimination.
Full Transcript
Zusammenfassung 4. Vorlesung Geschichtsdidaktik Thema: Abgrenzung und Identität Einführung: Wittgensteins Aussage zur Identität: Es ist unsinnig, zwei Dinge als identisch zu bezeichnen. Es ist tautologisch (inhaltlich leer), etwas mit sich selbst als identisch zu bezeichnen. Identität und Ununters...
Zusammenfassung 4. Vorlesung Geschichtsdidaktik Thema: Abgrenzung und Identität Einführung: Wittgensteins Aussage zur Identität: Es ist unsinnig, zwei Dinge als identisch zu bezeichnen. Es ist tautologisch (inhaltlich leer), etwas mit sich selbst als identisch zu bezeichnen. Identität und Ununterscheidbarkeit: Zwei Dinge können nur identisch sein, wenn sie ununterscheidbar sind (Leibniz'sches Gesetz). Wenn sie jedoch ununterscheidbar sind, gelten sie nicht mehr als zwei getrennte Dinge (Verstoß gegen das Prinzip des Nichtwiderspruchs). Kritische Fragen zur Identität: Was bedeutet „Identität“, wenn sie auf Ununterscheidbarkeit basiert? Die Feststellung von Identität(en) erfolgt durch Vergleich. Fazit: Der Begriff ‚Identität‘ ist logisch nicht verwendbar, sofern er - wie im Leibniz‘schen Identitätsprinzip definiert wird. Identifikation des Individuums durch die Gruppe - Soziale Konstruktion von Identität: Beispiel: „Ich bin ein Westfale.“ – Diese Aussage verdeutlicht regionale Autoidentifikation (Selbstidentifikation mit einer bestimmten Region). Soziale Identität: Vorstellung der Gleichheit, Gleichartigkeit mit den anderen - entsteht durch den Gemeinsamkeitsglauben - Markierungen (Herkunft, Sprache, Religion) dienen erst als objektive Indizien der Gemeinsamkeit, wenn wir an sie glauben. Soziale Konstruktion von Identität: ist sozial konstruiert, wird durch Kommunikation und Traditionen geformt, bedarf regelmäßiger kollektiver Selbstvergewisserung (soziale Praktiken, Rituale) um dauerhaft tragfähig zu sein. Balance zwischen Konstruktion und Determination: Die konstruktivistische Qualität bedeutet, dass Identität durch die soziale Umgebung beeinflusst und mitgestaltet wird. Diese Form steht in Verbindung mit sozialer Determinierung. Ich kann nicht einfach irgendeine Identität für mich reklamieren. (Adliger kann keine Arbeiteridentität annehmen). Integration und Demarkation: - Identifikation mit einer Gruppe bedeutet auch, dass man sich gleichzeitig von anderen Gruppen abgrenzt. (in grouping/out grouping) - Integration und Abgrenzung passieren oft gleichzeitig. - In-Grouping und Out-Grouping: Man teilt Menschen in „Wir“ (In-Group) und „Die anderen“ (Out-Group) ein. - Gemeinsame Feindbilder fördern die Integration innerhalb der eigenen Gruppe, da sie das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Fazit: Identitäten nicht harmlos. Erfüllen Gefühl der sozialen Orientierung und Zugehörigkeit zerlegen Menschheit aber auch in Freund und Feind. Identifikation durch Fremdzuschreibung – Beispiel: „Er ist ein Westfale“. Eine Person wird durch andere als Mitglied einer Gruppe klassifiziert, hier als „Westfale“. Dies nennt man Fremdzuschreibung. Probleme und Fragen bei Fremdzuschreibungen: Welche Interessen verfolgt der Klassifizierende? Hat die Einordnung einen bestimmten Zweck? Welche Folgen hat die Klassifikation für die betroffene Person? Kann sie zur Ausgrenzung oder Stigmatisierung führen? Kontext der Klassifikation: In welcher Situation wird die Einordnung vorgenommen und wie beeinflusst dieser die Bedeutung? Grundlage der Klassifikation: Gibt es stichhaltige Fakten oder Gründe, die die Einordnung rechtfertigen? Risiken der Fremdzuschreibung: Fremdzuschreibungen sind oft problematisch, da sie Menschen einem sozialen Druck aussetzen können, sich anzupassen, oder zur Stigmatisierung führen (eine negative Markierung oder Abwertung). Beispielhafte historische Fremdzuschreibungen: „Er ist ein Jude“ (NS-Deutschland) – führte zur Verfolgung. „Er ist ein Katholik“ (Kulturkampf im Kaiserreich) – führte zu religiösen Spannungen. „Er ist ein Kommunist“ (McCarthy-Ära in den USA) – führte zur Ausgrenzung. Merksatz: Vorsicht bei Fremdzuschreibungen – sie können zur Einschränkung individueller Freiheit und zur gesellschaftlichen Ausgrenzung führen. Erklärung der Fremdwörter: Fremdzuschreibung: Eine von anderen Menschen vorgenommene Kategorisierung oder Einordnung einer Person, oft ohne ihre Zustimmung. Stigmatisierung: Die gesellschaftliche Kennzeichnung oder Abwertung einer Person oder Gruppe aufgrund bestimmter Merkmale, die als negativ wahrgenommen werden. Ein Individuum identifiziert sich als Individuum – Beispiel: Gérard Depardieus Brief über Arbeit und Identität. Depardieu beschreibt, wie Arbeit Menschen „festnagelt“ und zu einem „Arbeitstier“ macht. Er lehnt diese äußere Definition und Fremdzuschreibung ab und schafft eine eigene Definition seiner Identität, die sich von dieser Kategorisierung abgrenzt. Er beschreibt sich selbst als jemand, der sich nicht in die Rolle eines „Haustiers“ pressen lässt, sondern unabhängig und unverwechselbar bleibt. Persönliche Identifikation: Depardieu widersetzt sich Fremdzuschreibungen („Man sagt, dass...“) und formuliert eine individuelle Gegenidentifikation: „Ich bin ich und nicht wie die anderen.“ Diese persönliche Identifikation ist eine radikale Abgrenzung und Ausdruck von Unverwechselbarkeit. Zentrale Aussage: Durch seine eigene Beschreibung („Man nennt das einen Depardieu“) schafft er eine einzigartige Definition seiner selbst, die als direkte Ablehnung von äußerer Definition und Kontrolle verstanden werden kann. Erklärung der Fremdwörter: Personale Identifikation: Der Prozess, bei dem ein Individuum selbstbestimmt entscheidet, wer es ist, und seine eigene Identität unabhängig von äußeren Zuschreibungen festlegt. Gegenidentifikation: Eine bewusste Abgrenzung oder Ablehnung einer durch andere zugewiesenen Identität. Unverwechselbarkeit: Ein Zustand, in dem eine Person sich selbst als einzigartig definiert und sich klar von anderen unterscheidet. Ein Individuum identifiziert sich als Individuum Selbststilisierung: o Depardieu stellt sich selbst als einzigartig und erfüllt dar, möglicherweise übertreibend, um ein bestimmtes Bild von sich zu erzeugen („romantische Selbststilisierung“). o Beispiel: Darstellung seines Lebens als spannend und sinnvoll, ohne verschwendete Zeit. o Selbststilisierung ist also das bewusste „Bilden“ oder „Darstellen“ des eigenen Bildes, wie man es selbst gerne hätte – eine Art, sich selbst nach außen hin in Szene zu setzen. Glaubwürdigkeit der Identität: o Eine personale Identität ist nur glaubwürdig, wenn sie vom Individuum überzeugend in Verhalten und Ausdruck vertreten wird. o Die Identität wird dann akzeptiert, wenn die Umgebung ebenfalls daran glaubt. o Unterschied zur kollektiven Identität: Hier geht es nicht um Gemeinsamkeitsglauben (Zugehörigkeit zu einer Gruppe), sondern um Singularitätsglauben (Überzeugung der Einzigartigkeit). Funktion der Identität: o Ziel ist Distinktion (Abgrenzung, Unterscheidung) und nicht Integration in eine Gruppe. Konstruiert und kommunikativ ausgehandelt: o Auch die individuelle Identität ist sozial konstruiert und wird durch Kommunikation bestätigt. o Balance zwischen sozialem Druck und persönlicher Freiheit: Depardieu formuliert seine Identität, aber deren Akzeptanz hängt von der sozialen Umwelt ab. Erklärung der Fremdwörter: Selbststilisierung: Die bewusste Darstellung des eigenen Lebens oder Charakters in einer idealisierten oder romantisierten Form, oft zur Erzeugung eines bestimmten Eindrucks. Glaubwürdigkeit: Die Überzeugungskraft und Vertrauenswürdigkeit einer Identität, die nicht nur vom Individuum selbst, sondern auch von der sozialen Umgebung akzeptiert wird. Gemeinsamkeitsglauben: Der Glaube an gemeinsame Eigenschaften innerhalb einer Gruppe, der zur kollektiven Identität beiträgt. Singularitätsglauben: Der Glaube an die Einzigartigkeit eines Individuums, das sich bewusst von anderen abgrenzt. Distinktion: Die bewusste Abgrenzung oder Unterscheidung von anderen, um die eigene Individualität zu betonen. Kommunikativ ausgehandelt: Identität wird durch soziale Interaktionen und Kommunikation bestätigt und anerkannt. Individuen identifizieren sich als Gruppe „Wir sind das Volk“ – Slogan der Leipziger Montagsdemos in der DDR. Adressat: Slogan richtete sich gegen das Zentralkomitee der SED und den Staatsrat der DDR („die da oben“). Bedeutung: Die Demonstranten forderten die uneingeschränkte Volkssouveränität, also die Macht des Volkes, über das DDR-System zurück. Die Demonstranten sahen sich selbst als den politischen Souverän (das wahre „Volk“) und forderten damit ihre Rolle als legitime Macht im Staat. Identitätstheoretische Aspekte: 1. Vergemeinschaftung der Demonstranten durch Abgrenzung vom Staat und der Partei. 2. Ursache: Lebensweltliche Enttäuschung über das politische System der DDR. 3. Kollektive Identität wurde als politisches Kollektiv („Volk“) konstruiert. 4. Andere Bedeutungen des Begriffs „Volk“ (z.B. Nation oder ethnische Gemeinschaft) spielten keine Rolle. „Identitätsstiftung“ bzw. „Identitätspolitik“ — zwei ‚politisch korrekte‘ Umschreibungen für politische Indoktrination und Propaganda. Kollektive Identitäten sind volatil (veränderlich): Identitäten können sich im Kontext unterschiedlicher Interessen und Werte schnell verändern. Sie werden stabil, wenn sie durch soziale Praktiken und Erzählungen verfestigt und weitergegeben (traduiert) werden. Kollektive Identität = Spezielle soziale Identität, die durch ein starkes gemeinsames Bewusstsein in einer großen Gruppe entsteht, oft durch Geschichte, Werte und Symbolik verstärkt. Kontextabhängigkeit und Perspektivität: Die Bedeutung kollektiver Identitäten hängt vom situativen Kontext ab und kann je nach Perspektive unterschiedlich sein. Identitäten müssen im Zusammenhang der Interessen und Werte betrachtet werden, die sie beeinflussen. Identitätsbehauptungen prüfen: Kollektive Identitäten sind oft durch das Verhalten und die Taten einer Gruppe erkennbar, nicht nur durch Worte. Kohärenz und Handlungsorientierung sind wichtige Indikatoren für die Authentizität einer Identität. Entstehung von Identitäten: Bottom-up vs. Top-down: Bottom-up: Entsteht durch Zusammenschluss Gleichgesinnter (von unten). Top-down: Identitäten werden von oben gezielt gefördert und verbreitet, oft von Institutionen oder Interessengruppen. Top-down-Identitäten sind häufig fremdbestimmt und Teil der Identitätspolitik. Größere Gruppen und Top-down-Identität: Je größer die Gruppe, desto weniger wahrscheinlich ist eine spontane, bottom-up-Identifikation. Für große Entitäten wie Nationen oder Religionen werden Identitäten oft von oben (top-down) geformt und beeinflusst durch „Identity Spin Doctors“ (gezielte Image- und Identitätsgestaltung). Sozialisationsinstanzen und Identität: Soziale Institutionen wie Familie, Schule und Medien spielen eine zentrale Rolle bei der Weitergabe und Stabilisierung kollektiver Identitäten. Sie tragen zur langfristigen Verankerung und Verbreitung einer Identität bei. Erklärung der Fremdwörter: Volatil: Schwankend, veränderlich. Tradierung: Weitergabe und Verfestigung von Werten oder Identitäten über die Zeit hinweg. Perspektivität: Die Abhängigkeit der Bedeutung von der Sichtweise der Betrachtenden. Bottom-up: Entstehung von unten, durch die Basis oder das Volk selbst. Top-down: Entstehung von oben, durch Vorgaben oder Einfluss von Führungspersönlichkeiten oder Institutionen. Identitätspolitik: Strategien zur bewussten Förderung oder Unterdrückung bestimmter Identitäten in einer Gesellschaft. Identity Spin Doctors: Personen oder Gruppen, die gezielt Identitäten oder Images schaffen und beeinflussen. Sozialisationsinstanzen: Institutionen, die Werte, Normen und Identitäten an Individuen weitergeben, z.B. Familie, Schule, Medien. „Wandel und Kohärenz: Das Paradoxon der historischen Identität“ 1. Historische Identität und ihre Dynamik: o Dynamik: Identität ist veränderbar und unterliegt zeitlichem Wandel. o Historisierbarkeit: Da Identitäten sich über die Zeit entwickeln, können sie als Geschichte erzählt und analysiert werden. o Genetische Perspektive: Individuen und Kollektive haben die Chance, ihre Identität als etwas „Werdendes“ zu verstehen. 2. Ziele historischer Identität: o Selbst-Erkennung trotz Wandel: Fähigkeit, sich trotz Veränderungen wiederzuerkennen. o Rationale Legitimierung des Wandels: Wandel wird als sinnvoll und kohärent interpretiert. 3. Gegenstandsbezogene historische Identität: o Da jede Identität durch Entwicklung geformt wurde (sie ist also per se historisch), ist der Begriff „historische Identität“ oft überflüssig. o Historische Identität ist eher eine analytische Perspektive auf Identitäten, die sich im Verlauf der Zeit entwickelt haben. o 4. Herausforderungen des Wandels für Identität: o Identitätskrise: Zeitlicher Wandel kann als Bedrohung für die Stabilität und Kohärenz der Identität empfunden werden. o Kontinuität und Kohärenz: Trotz Veränderung ist es wichtig, eine zusammenhängende und nachvollziehbare Entwicklung der Identität aufrechtzuerhalten. o Reaktiver Identitätswandel: Identitätsveränderungen geschehen oft als Reaktion auf Veränderungen in der Umwelt und verlaufen langsamer, um Identitätskrisen zu vermeiden. Erläuterung der Fachbegriffe im Text: Dynamik: Veränderlichkeit oder Beweglichkeit, hier die Fähigkeit der Identität, sich im Laufe der Zeit anzupassen. Historisierbarkeit: Möglichkeit, die Identität als Geschichte zu erzählen und die Veränderungen nachzuvollziehen. Kohärenz: Zusammenhängende, logische Konsistenz einer Identität über die Zeit hinweg. Identitätskrise: Unsicherheit oder Konflikt in der Identität, ausgelöst durch plötzliche Veränderungen. Identitätsmodell – Akteure, Formen, Funktionen Akteursebene: o Individuum vs. Gesellschaft: Individuen entwickeln Identitäten durch freie Wahl (Individuation) oder Anpassung an die Gesellschaft (Konformismus). o Sozialisierung spielt eine Rolle bei der Einbettung der Ich-Identität in kollektive Identitäten. Identitätsebenen: o Ich-Identität, personale Identität und soziale/kollektive Identität bilden zusammen die individuelle und gemeinschaftliche Identität eines Menschen. o Abgrenzung (Individuation) vs. Integration (Vergemeinschaftung): Prozesse zur Balance zwischen Eigenständigkeit und Gemeinschaft. Zeitliche Dimension (historische Identität): o Identität entwickelt sich über die Zeit und bewahrt Kohärenz (Zusammenhang und Beständigkeit) trotz Wandel. Multiple Identitäten Vielzahl von Identitäten: o Jeder Mensch hat mehrere Identitätsebenen (nationale, regionale, lokale, familiäre und personale Identität). o Die historische Identität umfasst diese Ebenen und reflektiert ihre Entwicklung im Zeitverlauf. Orientierungsfunktion: o Identitäten beeinflussen Verhalten und Entscheidungen. Unterschiedliche Teilidentitäten können je nach Kontext stärker oder schwächer ausgeprägt sein. Einschränkungen: o Identitätsanalyse ist retrospektiv (Diagnostik) und nicht prognostisch (Vorhersage). Verhalten kann nur rückblickend interpretiert und nicht vorhergesagt werden. Zusammenfassung und Anwendungsorientierung 1. Komplexität und Funktionen der Identität: o Identität ist ein komplexes, soziales Konstrukt, das Orientierung in Zeit, Raum und Gesellschaft bietet. o Verschiedene Identitätsformen und -funktionen: ▪ Personale Identität: Individuelle Abgrenzung ▪ Soziale Identität: Integration in Gruppen ▪ Kollektive Identität: Gemeinschaft und Anpassung ▪ Historische Identität: Umgang mit Wandel und Kontinuität 2. Fallstricke im Umgang mit Identität: o Missbrauch von Identitätskonzepten: Selbststilisierungen, Fremdzuschreibungen, Feindbilder, Stigmatisierung und Indoktrination. o Ziel: Kritische Analyse von Identitäten und Förderung der Meinungsfreiheit, ohne Indoktrination. 3. Anwendungsorientierte Thesen: o These 1: Ohne fundiertes Verständnis von Identität ist keine geschichtskulturelle Kompetenz möglich. o These 2: Identität ist notwendig für gesellschaftliche Orientierung; ihre Entwicklung muss kritisch begleitet und nicht vorgegeben werden. o These 3: Identität ist zentral in der Jugendentwicklung – besonders im Geschichtsunterricht kann dies gefördert werden. 4. Empfehlungen für den Geschichtsunterricht: o Ziel ist es, Schüler zu befähigen, Identitäten analytisch zu erfassen und kritisch zu reflektieren. o Wichtige Kompetenzen: ▪ Erkennen und Analysieren von Identitäten ▪ Verständnis für die Komplexität identitätsstiftender Prozesse ▪ Förderung von Ambiguitätstoleranz (Akzeptanz von Widersprüchen) Diese Punkte betonen, dass ein reflektierter und kritischer Umgang mit Identität, insbesondere im Geschichtsunterricht, entscheidend ist, um Schüler auf eine eigenständige Identitätsfindung vorzubereiten. Identität und Identifikation Shakespeare & Wittgenstein: Identität ist schwer fassbar – „Wer bin ich wirklich?“ und das Problem der Tautologie. Beispiel: „Ich bin ein Westfale“ – zeigt, wie Selbst- und Fremdzuschreibungen Identität konstruieren. Kollektive Identität Soziale Konstruktion: Identitäten entstehen und festigen sich durch gemeinsame Glaubenssysteme und Rituale. Integration & Abgrenzung: Identität wird durch Ein- und Ausgrenzung (In- Group vs. Out-Group) gestärkt. Gefahren der Fremdzuschreibung: Begriffe wie „Parallelgesellschaft“ stigmatisieren und trennen. Persönliche Identität und Selbststilisierung Depardieu: Beispiel für Selbstdefinition und Abgrenzung – Identität als Unverwechselbarkeit. Glaubwürdigkeit: Identität muss durch Konsistenz in Wort und Tat gestützt werden. Identitätspolitik und nationale Identitäten Slogans („Wir sind das Volk“): Ausdruck von Volkssouveränität in der DDR. Bild-Zeitung: Umdeutung zu „Wir sind ein Volk“ als nationale Einheit und Identitätsstiftung durch Dritte. Identität als politische Waffe: Instrumentalisierung kollektiver Identitäten für ideologische Zwecke. Genese und Wandel kollektiver Identitäten Bottom-up vs. Top-down: Identitäten entstehen aus der Gemeinschaft (bottom-up) oder werden von oben auferlegt (top-down). Sozialisationsinstanzen: Familie, Schule, Medien perpetuieren Identitäten. Historische Identität: Identitäten entwickeln sich über die Zeit und müssen stimmig bleiben. Multiple Identitäten Jeder Mensch hat mehrere Identitäten (z.B. Familie, Region, Nation), die je nach Kontext aktiviert werden. Keine Prognosen möglich – Identitätsanalyse nur retrospektiv als Diagnostik. Zusammenfassung und Bedeutung für Bildung Komplexität: Identitäten sind labil und sozial konstruiert; sie dienen verschiedenen Funktionen (z.B. Abgrenzung, Integration). Erziehungsziel: Schüler sollen lernen, Identitäten kritisch zu analysieren und sich selbstständig eine eigene Identität zu schaffen, ohne Indoktrination. Entwicklungspsychologie: Identität ist besonders für Jugendliche wichtig – Hilfe durch Geschichtsunterricht möglich.