Vorlesung: Familien- und Jugendhilferecht WS 2024/2025 PDF

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This document for the 2024/2025 course provides lecture notes, an outline, and details about concepts in family and youth law. It highlights topics such as family organization, parental rights, and legal frameworks in German family law. It also mentions the use of statutes and a specific textbook.

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2 Vorlesung: Familien- und Jugendhilferecht Do. 8.00 – 10.00 Uhr – V 1; BASA Modul 9.2; BAKIP Modul 16.1 WS 2024 / 2025: vom 10.10.2024 – 09.01.2025 Prof. Dr. Peter Schäfer ...

2 Vorlesung: Familien- und Jugendhilferecht Do. 8.00 – 10.00 Uhr – V 1; BASA Modul 9.2; BAKIP Modul 16.1 WS 2024 / 2025: vom 10.10.2024 – 09.01.2025 Prof. Dr. Peter Schäfer 3 Vorläufiger „Vorlesungs-“ bzw. Themenplan: 1 1. Einführung und Überblick – Organisation Recht und Familie – Familienbegriff, das Eltern-Kind-Verhältnis im Grundgesetz (GG), im Bürgerlichen Gesetz (BGB), im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) 2. Elterliche Sorge: a) Personen-Sorge / Pflege und Erziehung, einschließlich Aufsichtspflicht b) Vermögenssorge 3. Staatliches Wächteramt, der Kindeswohlbegriff im BGB, Gefährdung des Kindeswohls und Rechtsfolgen - 1 4. Staatliches Wächteramt, der Kindeswohlbegriff im BGB, Gefährdung des Kindeswohls und Rechtsfolgen - 2 Vorläufiger Vorlesungsplan: 2 4 5. Leistungen und Aufgaben nach dem SGB VIII zur Unterstützung von Eltern und für Kinder und Jugendliche / Beteiligung von Kindern - Teil I 6. Leistungen und Aufgaben nach dem SGB VIII zur Unterstützung von Eltern und für Kinder und Jugendliche / Beteiligung von Kindern -Teil II Eheschließung / eheliche Gemeinschaft 7. Trennung und Scheidung 8. Sorgerecht / Umgangsrecht und Umgangspflicht 9. Scheidungsfolgen – Unterhalt Repetitorium / Schlussbesprechung Literatur: Röchling, W. / Schäfer, P. (2017): Jugend-, Familien- und Betreuungsrecht für die Soziale Arbeit, Stuttgart, Kohlhammer, 2. Aufl. und die Gesetzessammlung 2024 (Gesetze für die Soziale Arbeit) von Nomos oder Fachhochschulverlag 5 Die Familie - Bilder 6 Die Familie - Bilder 7 Die Familie - Bilder 8 Die Familie - Bilder 9 Die Familie - Bilder 10 Die Familie - Bilder 11 Die Familie - Bilder 12 Die Familie - Bilder 13 Die Familie - Bilder 14 Familienverständnis: nach dem Grundgesetz 1 Die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Dies ist verankert in der Verfassung des Bundes, dem Grundgesetz (GG) in Art. 6 GG. Das Grundgesetz enthält im Wesentlichen fünf zentrale Bestimmungen, die für Familie wichtig sind: 1. Art 6 Abs. 1 GG: Ehe und Familie (besonderer Schutz durch die staatliche Ordnung) 2. Art. 3 Abs. 1 Satz1 GG: Gleichberechtigung von Mann und Frau 3. Art. 6 Abs. 2: Pflege und Erziehung der Kinder (als Recht und Pflicht der Eltern – staatliches Wächteramt) 4. Art. 6 Abs. 4 GG: Mutterschutz (Anspruch auf Schutz und Fürsorge) 5. Art. 6 Abs. 5 GG: Gleichberechtigung ehelicher und nichtehelicher Kinder 15 Familienverständnis: nach dem Grundgesetz 2 Der Begriff der Familie im Grundgesetz ist offen zu verstehen. In erster Linie ist die Beziehung zwischen Eltern und den ihrer Sorge unterstehenden Kindern gemeint. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) versteht unter Familie die zwischen Eltern und Kindern bestehende Gemeinschaft einschließlich der Gemeinschaft mit Stief-, Adoptiv- und Pflegekindern. Einbezogen ist auch das Verhältnis der Mutter und des Vaters zu ihrem nichtehelichen Kind. Die neue Rechtsprechung des BVerfG stellt stark auf den sozialen Tatbestand ab: „Art. 6 I GG schützt die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern. Dabei ist nicht maßgeblich, ob die Kinder von den Eltern abstammen und ob sie ehelich oder nichtehelich geboren wurden. Familie ist die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Kindern und Eltern, die für diese Verantwortung tragen." 16 Familienverständnis nach dem BGB Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthält keine Begriffsbestimmung der Familie. Es regelt in seinem 4. Buch (Familienrecht) nicht die Familie als Gemeinschaft, sondern Rechte und Pflichten und damit die Rechtsbeziehungen der einzelnen durch Ehe und Verwandtschaft verbundenen Personen (z. B. der Ehegatten untereinander; der Eltern zu den Kindern). Obwohl Teil des Privatrechts, ist das Familienrecht weitgehend zwingendes Recht, d. h. die Betroffenen können ihre Rechtsbeziehungen nur insoweit frei regeln, als das Gesetz es ausdrücklich gestattet. Z. B. können Ehegatten für die Zeit des Getrenntlebens oder nach der Scheidung abweichend von den gesetzlichen Regelungen Unterhaltsvereinbarungen treffen. 17 Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) Neben dem GG und dem BGB kommt auch der EMRK und ihrer Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhebliche Bedeutung für die Entwicklung des Familienrechts zu. Die Konvention bildet einen völkerrechtlichen Vertrag, der von der Bundesrepublik ratifiziert und als innerstaatliches Gesetz unmittelbar anwendbar ist. Besondere Bedeutung hat Art. 8 der Konvention erlangt, wonach jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens hat. In die Ausübung dieses Rechts dürfen nationale Hoheitsträger nur unter eng umschriebenen Voraussetzungen eingreifen. Zu beachten ist ferner das Diskriminierungsverbot des Art. 14 der Konvention, das Ungleichbehandlungen aus Gründen des Geschlechts grundsätzlich ausschließt. Der EGMR hat ausgesprochen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens zwischen „ehelicher" und „nichtehelicher" Familie grundsätzlich keinen Unterschied macht. 18 Zwischenergebnis: Das Familienverständnis ist geprägt durch die jeweiligen gesellschafts- und gemeinschaftlichen oder milieuspezifischen Vorstellungen in ihren historischen und kulturellen Ausprägungen. Den kulturellen Rahmen stellt das traditionelle Leitbild der bürgerlichen Familie nach dem BGB dar. Dieses Familienverständnis setzt an der Struktur der Zwei-Generationen oder Kern-Familie an, der bestimmte Funktionen unterstellt werden, die sie gesellschaftlich zu erfüllen habe wie z.B. die Sicherung des Nachwuchses (generative Funktion), die Erziehung der Kinder oder die Solidarität der Familienangehörigen. 19 Eheschließung: Grundsätzlich sind verschiedene Merkmale zu berücksichtigen, bevor das Heiraten in Deutschland zulässig ist. Die Eheleute müssen zum Zeitpunkt der Eheschließung unterschiedlichen Geschlechts sein. (Achtung! Mit Einführung der Ehe aufgehoben!) Es darf keine anderweitige Ehe bestehen oder eine Lebenspartnerschaft vorliegen. Der Grundsatz der lebenslangen Ehe findet Beachtung. Zwischen den Ehegatten darf kein enges, familiäres Verhältnis bestehen. Bezüglich der Ausgestaltung der Ehe gibt es keine Vorschriften. Auch wenn ein Paar in einer Ehe lebt, besteht kein gegenseitiger Anspruch auf eine sexuelle Gemeinschaft. Sexuelle Handlungen setzen auch in der Ehe das Einverständnis des anderen Ehepartners voraus. Nach § 826 BGB ist eine sexuelle Gemeinschaft mit einem Dritten eine unerlaubte Handlung. Strafrechtlich kann dieser sogenannte Ehebruch nicht verfolgt werden. Auch zivilrechtlich besteht kein Anspruch auf Entschädigung. | 20 Voraussetzungen der Eheschließung: Das zuständige Standesamt prüft für jeden Verlobten, ob eventuell ein Eheverbot besteht. Regelmäßig werden hier die Gesetze und Vorschriften des Staates herangezogen, dem die Partner angehören. In den §§ 1306 ff. BGB sind die Eheverbote, die nach deutschem Recht anzuwenden sind, aufgelistet. Demnach darf keine Ehe bzw. Lebenspartnerschaft geschlossen werden, wenn bereits eine Ehe mit einer dritten Person besteht. Darüber hinaus existiert ein Eheverbot für eine sogenannte Verwandtenheirat. Zwischen Blutsverwandten in gerade Linie und zwischen voll- bzw. halbbürtigen Geschwistern darf keine Ehe geschlossen werden (§ 1307 BGB). Dieses Verbot gilt auch für adoptierte Kinder in Bezug auf ihre Adoptiveltern und deren Verwandte. 21 Nimmt ein Standesbeamter trotz eines bestehenden Eheverbots eine Eheschließung vor, ist diese zwar wirksam, allerdings besteht die Option, diese anzufechten. So kann eine Ehe wegen einer Adoptivverwandtschaft durch ein Eheaufhebungsverfahren (§§ 1313 ff. BGB) beendet werden. 22 Neben diesen Eheverboten, prüft das Standesamt die Ehefähigkeit jedes Verlobten. Nach § 1303 BGB soll eine Ehe nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden. Erst dann ist eine sogenannte Ehemündigkeit gegeben. Allerdings bestand bis Mitte 2017 die Option, bereits im Alter von 16 Jahren zu heiraten. Dafür musste der andere Partner bereits volljährig sein und das zuständige Familiengericht eine Befreiung von der Voraussetzung erteilen. Eine am 22. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung bewirkte, dass eine Ehe in Deutschland nur noch ab 18 Jahren geschlossen werden kann. Beide Ehewilligen müssen somit volljährig sein. 23 Der Bundestag hat am Freitag, 7. Juni 2024, einen Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen (20/11367) angenommen. A. Problem und Ziel Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 1. Februar 2023 – 1 BvL 7/18 – die Regelung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 über die inländische Unwirksamkeit einer im Ausland wirksam geschlossenen Ehe mit einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30. Juni 2024 eine Neuregelung zu treffen. 24 B. Lösung Nach dem Entwurf bleibt es dabei, dass eine Ehe unter Beteiligung einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach deutschem Recht unwirksam ist. Diese Rechtsfolge wird jedoch um Unterhaltsansprüche zum Schutz der minderjährigen Person und die Möglichkeit der Heilung durch erneute Eheschließung unter Verzicht auf das Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses ergänzt. Diese erneute Eheschließung entfaltet aufgrund ihres bestätigenden Charakters grundsätzlich Rückwirkung auf den Tag der unwirksamen Eheschließung 25 Der angenommene Gesetzentwurf sieht vor, dass eine Ehe unter Beteiligung einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach deutschem Recht unwirksam bleibt. „Diese Rechtsfolge wird jedoch um Unterhaltsansprüche zum Schutz der minderjährigen Person und die Möglichkeit der Heilung durch erneute Eheschließung unter Verzicht auf das Erfordernis der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses ergänzt“, heißt es in der Begründung. 26 Nach § 1304 BGB kann eine Person, die geschäftsunfähig ist, keine Ehe eingehen. Da es sich bei einer Eheschließung um eine Rechtsgeschäft handelt, muss der Verlobte in der Lage sein, die Konsequenzen dieser Entscheidungen zu begreifen und seinen freien Willen durchsetzen zu können. Wird eine Ehe trotz fehlender Geschäftsfähigkeit geschlossen, kann das Familiengericht diese aufheben. Auch wenn ein Verlobter während der Trauung beispielsweise bewusstlos war, kann die Ehe durch das Gericht beendet werden. 27 Heirat mit einem Ausländer: Diese Besonderheiten sind zu beachten Möchte ein Ausländer in Deutschland heiraten, sind die Ehefähigkeitsvoraussetzungen des Heimatlandes zu erfüllen. Er muss ein Ehefähigkeitszeugnis vorliegen, welches die Erfüllung der Voraussetzungen bestätigt. Nach § 1309 BGB verliert dieses Ehefähigkeitszeugnis sechs Monate nach der Ausstellung seine Gültigkeit. Beinhaltet das Zeugnis eine kürzere Geltungsdauer, ist diese ausschlaggebend. Kann ein Staat kein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen oder der Verlobte ist staatenlos mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, kann der Präsident des Oberlandesgerichtes, in dessen Bezirk das zuständige Standesamt liegt, eine Befreiung erteilen. Auch dieses Dokument gilt sechs Monate. 28 Hochzeit im Standesamt Damit eine Ehe per Definition wirksam wird, muss nicht nur die Ehefähigkeit gegeben sein, sondern auch während der Trauung eine gewisse Form gewahrt werden. Zum einen muss seit 1875 ein Standesbeamter die Ehe schließen, zum anderen haben die Verlobten nach § 1310 BGB vor diesem zu erklären, dass sie die Ehe eingehen wollen. Diese Erklärung ist persönlich bei gleichzeitiger Anwesenheit abzugeben. Es ist zudem unzulässig, die Ehe unter einer Bedingung bzw. einer zeitlichen Dauer zu schließen. Die Ehe wird dann in das Personenstandsregister aufgenommen. § 1312 BGB legt fest, dass der Standesbeamte beide Partner einzeln zur Ehe befragt. Bejahen die Ehepartner diese Frage, spricht der Beamte aus, dass die Eheschließenden nun kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute sind. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass Trauzeugen anwesend sein müssen. Diese Entscheidung steht den Verlobten frei. 29 Im Übrigen ist die Trauung, welche ein Kapitän vornimmt, der nicht gleichzeitig Standesbeamter ist, unwirksam. Dies gilt auch, wenn sich das Schiff in internationalen Gewässern befindet. Es ist das Recht des Landes anzuwenden, unter dessen Flagge das Schiff fährt. 30 Scheidungsvoraussetzungen: I. Antrag eines Ehegatten, §§ 1564, 1565 I BGB II. Scheitern der Ehe Unwiderlegliche Vermutung nach § 1566 BGB auf zwei Arten: 1. Einjähriges Getrenntleben nach §§ 1565 I 2, 1566 I BGB + Scheidungsantrag von beiden Seiten 2. Getrenntleben seit drei Jahren nach §§ 1565 I 2, 1566 II BGB gilt dann Ehe unwiderleglich als gescheitert Getrenntleben: Gem. § 1576 BGB (+), wenn objektiv fehlende häusliche Gemeinschaft und subjektiv fehlender erkennbarer Wille zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft Wenn Voraussetzungen der Vermutung nach § 1566 BGB nicht vorliegen, kann Gericht anhand der Generalklausel des § 1565 I 2 BGB positiv feststellen. 31 32 Prof. Dr. Peter Schäfer University of Applied Sciences Niederrhein Faculty of Social Work and Education Richard-Wagner-Straße 101 41065 Mönchengladbach Germany Phone: ++49 (0)2161-186 5628 [email protected]

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