VL Politische Soziologie 2_SoSe 2024 PDF

Summary

This lecture notes on political sociology from the Summer Semester 2024 covers various topics such as introductions, differences, and possible problem areas. Including discussion of different views and perspectives on political sociology. Contains various key concepts within political sociology.

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2. Was heißt „Politische Soziologie“? 16.4.2024 Politische Soziologie 0 Forschungsgegenstand im Schnittfeld von Soziologie und Politikwissenschaft 0 Unterstelltes Komplementär- bzw. Konvergenzverhältnis 0 Zugehörigkeit zur und Abgrenzung gegenüber de...

2. Was heißt „Politische Soziologie“? 16.4.2024 Politische Soziologie 0 Forschungsgegenstand im Schnittfeld von Soziologie und Politikwissenschaft 0 Unterstelltes Komplementär- bzw. Konvergenzverhältnis 0 Zugehörigkeit zur und Abgrenzung gegenüber der Sozio- logie oder Politikwissenschaft bis heute umstritten 0 Spezifische Folgen für die Konstitution des Gegenstands- bereichs 0 Historische Konstitutionsbedingungen wichtig für das allgemeine Verständnis von Politischer Soziologie Differenzen 0 Soziologie des Politischen versus Soziologie der Institu- tionen der Politik (meist Staaten) 0 Konkrete Themenfelder der Politischen Soziologie vs. Blick auf polity, policy, politics 0 Soziologie für das Soziale, Gesellschaftspolitische zustän- dig, Politikwissenschaft für das institutionell Politische verantwortlich 0 Gesellschaftliches Politikverständnis und empirisch-kri- tische Herangehensweisen vs. etatistisches Politikver- ständnis und normative Orientierungen 0 Unterschiedliche Ansprüche an die Reichweite des Gegen- standsbereichs der „Politischen Soziologie“ 0 Spezifik der Politischen Soziologie durch Bezug auf die Kernparadigmen von Macht und Herrschaft Gegenstandsbereiche oder Problemstellungen 0 Eingrenzung der Politischen Soziologie über Themen- felder, Gegenstandsbereiche oder Problemstellungen möglich 0 Wichtigste Themenfelder: Macht, Herrschaft, Ungleichheit, Konflikt 0 Trutz von Trotha: Soziologie der Politik zwischen der An- thropologie politischen Handelns und herrschaftssozio- logischer Theorie der Institutionalisierung und Deinstitu- tionalisierung von Macht 0 Politische Soziologie als historisch-kritische und gesell- schaftsgeschichtlich angelegte Analyse von Macht- und Herrschaftsformen mitsamt ihrer Grundlagen und Impli- kationen DGS 0 Nedelmann-Aufsatz (1994): Wiederent- deckung bzw. Neu-Erfindung der Politischen Soziologie 0 Seit Anfang der 1990er Jahre intensives Be- mühen um Gründung einer Sektion (u.a. durch Institutioneller 0 Ronald Hitzler) Programmpapier Nr. 1, 1994 Niederschlag 0 1995 Gründung der Sektion „Politische Soziologie“ auf Beschluss des Konzils der DGS 0 Vorstand der Sektion bestimmt jeweils über Ausrichtung und inhaltliche Orientierung 0 Hitzler-Periode > Mikropolitik 0 Programm-Papier Nr. 2, 2006 0 von Trotha-Periode: Makropolitik 0 Neue Akzente mit Macht und Herrschaft, Ge- walt, Entwicklungsprozesse außereuro- päischer Gesellschaften 0 Mit dem Tod von Trothas 2013 stärkere inhaltliche Diffusität und wechselnde Vorstände Verortungen 0 „Politische Soziologie sucht die gesellschaftlichen und sozialpsychologischen Bedingungen und Folgen politischen Handelns aufzudecken und unter diesen Voraussetzungen Struktur und Wirkungszusammenhang unterschiedlicher politischer Systeme zu erhellen. Ihr Forschungsinteresse ist dabei in besonderem Maße darauf gerichtet, die Inter- dependenzen zu untersuchen, die zwischen Wirtschafts- ordnung, Sozialstruktur, Ideologie und Verhaltensweisen gesellschaftlicher Gruppen einerseits, dem Aufbau der politischen Ordnung und dem politischen Geschehen andererseits bestehen.“ (Stammer/Weingart 1972: 18) Verortungen 0 „Die Verbindung von Soziologie und Politikwissenschaft muss als eine Vernunftehe und nicht als eine Liebesheirat betrachtet werden; es ist eine Verbindung, die beiden durch ihre Begrenztheit und durch das Unvermögen auf- gedrängt wurde, das Problem der wechselseitigen Durch- dringung von Elite und Masse, Konstitutionalisten und Konfrontationalisten, Demokraten und Totalitaristen zu lösen; entscheidend ist aber vor allem die Frage, wie sich die Gesellschaftsklassen mit der politischen Realität aus- einandersetzen und wie sie versuchen, ihre besonderen, >abweichenden< Interessen in die allgemeinen Werte des Staates und der Gesellschaft zu übersetzen. Das Entstehen der Politischen Soziologie als einer Tatsache ist ein Indiz für die schwindende Bedeutung der Politischen Ökono- mie.“ (Horowitz 1975: 36f.) Verortungen 0 „Politische Soziologie befasst sich mit der Macht in ihrem sozialen Kontext … Hauptgegenstände der Politischen Soziologie … waren und sollten sein: das Phänomen der Macht auf der Ebene der geschlos- senen Gesellschaft (mag sie nun einen Stamm, einen Nationalstaat, ein Weltreich oder ein anderes System darstellen), die Beziehungen zwischen solchen Ge- sellschaften und ferner die sozialen Bewegungen, Organisationen und Institutionen, die direkt an der Bestimmung dieser Macht beteiligt sind.“ (Bottomore 1981: 7) Verortungen 0 „Die Gegenstände der Politischen Soziologie liegen im Dreieck: Wirtschaft/Gesellschaft/Politik … Drei miteinander korrespon- dierende Fragenkomplexe (grenzen) das Gebiet der Politischen Soziologie ab: 1. soziale Basis der Politik, soziale und sozialpsychologische Voraus- setzungen für politisches Handeln und für den Bestand politischer Strukturen (=politische Aspekte gesellschaftlicher Willensprozesse); 2. Interdependenz von Gesellschaft und Staat: Vermittlungsglieder zwischen staatlicher Organisation und sozialen Prozessen (Macht- verteilung, Machtgefälle, Öffentlichkeit, Medien, Politische Kultur), (=Analyse der Verfassungswirklichkeit); 3. Strukturvergleich und -wandel politischer Systeme: vergleichende Analyse von Regierungs- und Herrschaftssystemen, ihrer Entwick- lungsbedingungen und Formen der Legitimation, ihrer inneren Widersprüche und Konflikte und des sich daraus ergebenden Wan- dels (=comparative politics).“ (Lenk 1982: 12) Verortungen 0 „Thema einer politischen Soziologie sind daher strukturelle Gewalt, Herrschaft und gesellschaftliche Distribution – eine Reorientierung an dem Vermitt- lungszusammenhang von Ökonomie, Staat und Politik und damit an der strukturellen Dynamik kapitalisti- scher Gesellschaften.“ (Rolshausen 1994: 213) Verortungen 0 „Politische Soziologie ist zunächst einmal Soziologie. Sie trägt deshalb mit an deren historischer Hypothek, entweder affirmative Stabilisierungswissenschaft für die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse oder kritische Oppositionswissenschaft zu sein … Politische Soziologie ist Soziologie der Politik. Ihr Gegenstand wird dem- nach abgesteckt durch deren Dimensionen. Dazu zählen … die politischen Organisa- tionsformen und Einrichtungen (Polity), die politischen Inhalte, werte und ihre Ver- mittlung (Policy), die Interessenkonkurrenz und Konfliktaustragung (Politics). Politi- sche Soziologie bildet demnach das Scharnier zwischen Soziologie und Politikwissen- schaft … Kurz: Politische Soziologie hat politische Macht und Herrschaft sowie deren gesellschaftliche Legitimation zum Gegenstand. Solchermaßen als praxisbezogene Demokratieforschung verstanden, hat sie sich in Auseinandersetzung mit einem plat- ten Empirismus der anglo-amerikanischen Politischen Soziologie auf der einen und mit der normativen Politischen Philosophie auf der anderen Seite behauptet und zu einer eigenständigen Disziplin entwickelt. Ihr Gegenstand ist das Verhältnis von Po- litik und Gesellschaft unter den Anforderungen der Demokratie. Daraus folgt zweier- lei: zum einen die normative Verortung als Demokratiewissenschaft und zum anderen die Fokussierung der wissenschaftlichen Perspektive auf jenen Bereich, der Politik (i.S.v. politisch-administrativem System und seinen Einrichtungen) auf der einen und Gesellschaft (i.S.v. gesellschaftlichen Interessen) auf der anderen Seite vermittelt: das intermediäre, von Parteien, Verbänden, Bürgerinitiativen, sozialen Bewegungen und Massenmedien besetzte Feld.“ (Kißler 2007: 14f.) Verortungen 0 „Politische Soziologie analysiert Politik im Wirkungszusammen- hang der Gesellschaft. Das heißt, sie interessiert sich einerseits für die gesellschaftlichen Bedingungen von Politik und anderer- seits für die Wirkungen von Politik auf die Gesellschaft … Die gemeinsame Antriebskraft … bleibt dennoch die Frage nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen und Folgen von Politik, ge- nauer: die Analyse der gesellschaftlichen Grundlagen und Kon- sequenzen politischer Herrschaft und Macht ‚unter den Anfor- derungen von Demokratie‘ … Politische Soziologie lässt sich des- halb auch als Demokratiewissenschaft charakterisieren … Ihr typisch kritisches Potenzial gewinnt sie aus ihrem spezifischen Anliegen, durch wissenschaftliche Erkenntnissuche Wider- sprüche zwischen dem normativen Anspruch von Demokratie und der sozio-ökonomischen und sozio-kulturelle Wirklichkeit politischen Handelns aufzudecken.“ (Kaina/Römmele 2009: 7f.) Verortungen 0 „Politische Soziologie ist Herrschaftssoziologie der Politik. Sie ist eine empirische Wissenschaft von der Institutionalisierung und Deinstitutionalisie- rung von Macht und Herrschaft, von der Transfor- mation von Macht in Herrschaft, vom Umbau spe- zifischer Herrschaftsformen und vom Schwinden und dem Verlust politischer Herrschaft. Sie ist die empirische Analyse von den Akteuren, Konflikten, Kämpfen, Einrichtungen und Prozessen, in denen um politische Herrschaft gerungen, politische Herrschaft gewonnen und verloren wird.“ (von Trotha 2010: 491) Programmatik einer Politischen Soziologie „Politik ist ein soziales Handeln, das darauf gerichtet ist, Entscheidungen, Entscheidungsprozesse und Institutionen zu beeinflussen und zu kontrol- lieren, in denen um die Regelung von gemeinsamen Angelegenheiten von Menschen, der Binnen- und Außenverhältnisse ihrer Gesellschaftsformen und im besonderen um Machtverteilung gerungen und über sie entschieden wird. Politik ist dementsprechend ein Feld des Konflikts und vor allem des Konflikts um die Durchsetzung von Interessen, Normen, Werten, Ideen, reli- giösen Deutungen und Weltanschauungen. Im Kern der Politik liegt das Streben nach Herrschaftsanteilen oder nach Beeinflussung der Herrschafts- verhältnisse selbst. Politische Soziologie ist demnach Herrschaftssoziologie der Politik. Das schließt ein, dass im Zentrum der politischen Soziologie alle grundlegenden Formen des Machthandelns stehen. Berücksichtigt man da- rüber hinaus den Prozesscharakter von Macht und die Zerbrechlichkeit von Prozessen der Machtbildung, dann sind auf dem konfliktuellen Feld der Po- litik die Institutionalisierungs- und Deinstitutionalisierungsprozesse von Macht und Herrschaft bestimmend. Die Transformation von Macht zu Herr- schaft, der Umbau spezifischer Herrschaftsformen und das Schwinden oder der Verlust von Herrschaft sind Hauptgegenstand der politischen Soziolo- gie.“ (von Trotha 2006: 283) Resümee 0 Politische Soziologie als ein weites Feld mit klaren inhaltlichen Fokussierungen 0 Große Unterschiede in theoretisch-methodologischer Hinsicht zwischen einzelnen „Schulen“ und Denk- richtungen 0 Unterschiedliche Bestimmung von Gegenstandsbe- reichen zwischen Soziologie und Politikwissenschaft 0 Politische Soziologie selbst ein Konfliktfeld: Soziologie der Politik bzw. Soziologie des Politischen 0 Beste und anspruchsvollste Ausformulierung des Programms durch Trutz von Trotha! Weiterführende Literatur 0 Ebbinghausen, Rolf (1996): Politische Soziologie. Zur Geschichte und Ortsbestimmung, Opladen. 0 Rolshausen, Claus (1994): Politische Soziologie, in: Harald Kerber / Arnold Schmieder (Hrsg.): Spezielle Soziologien. Problemfelder, Forschungsbereiche, An- wendungsorientierungen, Reinbek, S. 189-215. 0 Trotha, Trutz von (2006): Perspektiven der politi- schen Soziologie, in: Soziologie 35, S. 283-302. 0 Trotha, Trutz von (2010): Soziologie der Politik. Ak- teure, Konflikte, Prozesse, in: Georg Kneer / Markus Schroer (Hrsg.): Handbuch Spezielle Soziologien, Wiesbaden, S. 491-508. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! [email protected] – www.peter-imbusch.de

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