Verfassungsrecht PDF
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This document provides an overview of the Austrian Constitution, its sources, fundamental principles, and the structure of the Austrian state, including details on its legal framework and different governmental bodies.
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# Grundzüge des Verfassungsrechts ## 3: Teil: Öffentliches Recht ### V. Grundzüge des Verfassungsrechts #### A. Rechtsquellen des Verfassungsrechts * Die Kernurkunde der österreichischen Verfassung ist das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) aus 1920, das seither mehr als 130 mal novelliert wurde....
# Grundzüge des Verfassungsrechts ## 3: Teil: Öffentliches Recht ### V. Grundzüge des Verfassungsrechts #### A. Rechtsquellen des Verfassungsrechts * Die Kernurkunde der österreichischen Verfassung ist das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) aus 1920, das seither mehr als 130 mal novelliert wurde. * Eine Besonderheit der österreichischen Verfassung ist aber, dass es Verfassungsrecht auch außerhalb des B-VG gibt. * Neben diesem Stammgesetz gibt es nämlich eine größere Anzahl von Bundesverfassungsgesetzen (BVG) und in einzelnen Bundesgesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen. * Neben dem Bundesverfassungsrecht haben auch die Länder eigene Verfassungen. **Beispiel:** * Das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern ist ein eigenes, außerhalb des B-VG existierendes, Bundesverfassungsgesetz. * Das Datenschutzgesetz ist ein einfaches Bundesgesetz. * § 1 des Datenschutzgesetzes, in dem das Grundrecht auf Datenschutz geregelt ist, ist aber als Verfassungsbestimmung beschlossen und somit eine in einem Bundesgesetz enthaltene Verfassungsbestimmung. Das gemeinsame Kriterium aller dieser Bestimmungen liegt in den besonderen Bedingungen ihrer Erlassung bzw Abänderbarkeit („formelles Verfassungsrecht). Eine Änderung bedarf einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen im Nationalrat (Konsensquorum; „Zweidrittelmehrheit"), wobei mindestens die Hälfte der Mitglieder des Nationalrates anwesend sein muss (Präsenzquorum), und der Bezeichnung als Verfassungsgesetz bzw Verfassungsbestimmung (Art 44 Abs 1 B-VG). Überwiegend finden sich in den Bestimmungen des B-VG und der BVG auch jene grundlegenden Bestimmungen der Staatsorganisation und der Grundrechte, die diese Rechtsschicht überdies als „materielles Verfassungsrecht" ausweisen. Sichtbar wird das vor allem auch an den Regelungen über das Parlament, die Verwaltungsorgane und die Gerichtsbarkeit sowie über den Aufbau des Bundesstaats, der im Sinne eines Drei-Ebenen-Systems aus den Gebietskörperschaften Bund, Ländern und Gemeinden besteht. Bei all diesen handelt es sich um grundlegende Regelungen über Aufgaben und Organisation des Staats im Sinne des materiellen Verfassungsrechts. Bund und Länder haben Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Gerichtsbarkeitskompetenzen, die Gemeinden sind demgegenüber ausschließlich Verwaltungseinrichtungen, besitzen aber als Selbstverwaltungskörper ein hohes Maß an Unabhängigkeit, weil sie in wichtigen Teilbereichen weisungsfrei sind (sog „eigener Wirkungsbereich") und nur der staatlichen Aufsicht unterliegen (vgl unten VI.C.3. und 4.). Es besteht kein sog Inkorporationsgebot (= Verfassungsbestimmungen müssen nicht in einfachen Gesetzen erlassen werden) (müssen aber auch dort eigens als solche bezeichnet werden), was dazu führt, dass das österreichische Verfassungsrecht nach wie vor zersplittert und unübersichtlich ist. Im österreichischen Verfassungsrecht sind auch sog Staatszielbestimmungen (zB umfassender Umweltschutz, dauernde Neutralität, umfassende Landesverteidigung, Achtung der Autonomie der Länder etc) enthalten. Staatszielbestimmungen haben nicht den Rang leitender Grundprinzipien der Bundesverfassung (s V.B.). Ebenso wenig ergeben sich aus den Staatszielbestimmungen Rechte von Einzelnen, die durchgesetzt werden können. Sie beinhalten keine subjektiven Rechte (vgl. V.C.1.f.). So kann ein Einzelner nicht gerichtlich einfordern, dass die Neutralität zu wahren ist. In der Judikatur des VfGH haben Staatszielbestimmungen vor allem als Maßstab bei der Auslegung des sonstigen Verfassungsrechts Bedeutung erlangt, dh sonstiges Verfassungsrecht ist im Lichte der Staatszielbestimmungen auszulegen. Staatszielbestimmungen verkörpern bestimmte öffentliche Interessen, die zB Grundrechtseingriffe rechtfertigen können (vgl V.C.1.). #### B. Grundprinzipien der Verfassung ##### 1. Eigenschaften und Bedeutung der Grundprinzipien * Den Kern des Bestands des österreichischen Verfassungsrechts stellen die sich aus den einzelnen Bestimmungen des Verfassungsrechts ergebenden „Grundprinzipien der Verfassung" (oder auch „Baugesetze") dar. * Die österreichische Verfassungsordnung beruht auf gewissen grundlegenden Prinzipien, die sich aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung ergeben. * Als Leitentscheidungen über den Aufbau der Bundesverfassung nehmen sie eine besondere Stellung ein. * Es existiert keine verbindliche „Aufzählung" der österreichischen Grundprinzipien und sie sind auch nicht ausdrücklich geregelt, sondern sie ergeben sich im Wege der Interpretation aus dem Gesamtzusammenhang der Bundesverfassung, teils ausgehend von einem speziellen Verfassungsartikel (zB Art 1, 2 oder 18 B-VG). * Insgesamt sind der Bundesverfassung ein demokratisches, ein republikanisches, ein bundesstaatliches, ein gewaltenteilendes, ein liberales und ein rechtsstaatliches Grundprinzip inhärent (s unten 2. bis 5.). **Beispiel:** Art 1 B-VG legt zwar fest, dass Österreich eine demokratische Republik ist. Damit werden aber noch keine Aussagen darüber getroffen, wie das demokratische Grundprinzip ausgestaltet ist. Handelt es sich etwa um eine direkte oder indirekte Demokratie? Welche Wahlgrundsätze gibt es? Wie ist das Gesetzgebungsverfahren ausgestaltet? Diese und ähnliche Fragestellungen, die für die Ausgestaltung der Demokratie maßgeblich sind, werden durch Art 1 B-VG nicht beantwortet. Die genauen Ausformungen des demokratischen Grundprinzips ergeben sich erst durch die übrigen Bestimmungen des B-VG, durch den Gesamtzusammenhang der Bundesverfassung. Eine besondere Stellung nehmen diese Grundprinzipien insofern ein, als sie nach Art 44 Abs 3 B-VG bestimmt, dass jede Gesamtänderung der Bundesverfassung erschwerten Erzeugungs- bzw Abänderungsbedingungen unterliegen: * der in Art 44 Abs 1 B-VG vorgesehenen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat - zusätzlich zu einer Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder - zwingend eine Volksabstimmung bedarf. Wann eine Gesamtänderung anzunehmen ist, legt der VfGH nicht fest. Eine derartige Gesamtänderung wäre anzunehmen, wenn das B-VG hinsichtlich der Grundprinzipien aufgegebend oder greifend umgestaltet wird oder wenn sich das Verhältnis der Prinzipien des Staatsaufbaus wesentli- ch ändert. Dies würde etwa bei einer Abschaltung des Bundesrates oder bei einer Einführung einer Art „Programmentrag" für den einfachen Gesetzgeber, die jeweiligen Staatsziele zu verwirklichen, eintreten. #### 2. Das demokratische Grundprinzip Die Verfassung legt die Staatsform der Demokratie für Österreich fest. Dies ergibt sich aus vielen einzelnen Verfassungsbestimmungen. Art 1 B-VG bestimmt zudem: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus." Dem demokratischen Prinzip zufolge sollen die Rechtsunterworfenen das Recht mitbestimmen. Das Volk ist damit der Souverän (Volkssouveränität"). Ferner regelt das B-VG, wie das Recht von den Rechtsunterworfenen erzeugt wird. In Österreich ist das demokratische Grundprinzip durch die mittelbare (indirekte), parlamentarische Demokratie verwirklicht. Im Gegensatz zur unmittelbaren (direkten) Demokratie erzeugen nicht die Rechtsunterworfenen selbst das Recht, sondern von den Rechtsunterworfenen gewählte Personen. In einer parlamentarischen Demokratie werden die Gesetze vom Parlament beschlossen. Wahlberechtigte österreichische Staatsbürger wählen auf Bundesebene den Nationalrat (für eine Gesetzgebungsperiode von 5 Jahren) und auf Landesebene die Landtage als gesetzgebende Körperschaften. **Exkurs: Wahlrecht** Aktiv wahlberechtigt zum Nationalrat sind alle österreichischen Staatsbürger, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben (allgemeines Wahlrecht: Art 26 Abs 1 B-VG begründet ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes subjektives Recht). Das passive Wahlrecht bezeichnet das Recht, zum Nationalratsabgeordneten gewählt zu werden, und kommt österreichischen Staatsbürgern zu, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben. Jeder Stimme kommt der gleiche Zählwert zu (gleiches Wahlrecht). Es ist aber nicht erforderlich, dass faktisch jede Stimme gleich viel wert ist (kein gleicher Erfolgswert). So ist das in der NRWO festgelegte sog Bürgerzahlprinzip verfassungskonform. Die bestehenden Abgeordnetensitze (Mandate) im Nationalrat werden auf Wahlkreise aufgeteilt, wobei die Zuweisung der Mandate nach der Bürgerzahl erfolgt und hierbei auch nicht wahlberechtigte Staatsbürger mitgezählt werden. Aufgrund dieser Mandatszuteilungsweise wiegt eine Stimme in einem Wahlkreis mit höherer Anzahl an „junger", nicht wahlberechtigter Bevölkerung verhältnismäßig mehr, da diesem Bundesland aufgrund der Bevölkerungsanzahl mehr zu besetzende Mandate zugewiesen wurden. Die Wähler müssen die Abgeordneten selbst auswählen (es dürfte daher kein Wahlmännersystem wie etwa in den USA, wo zunächst die Wahlmänner gewählt werden, die sodann die Abgeordneten wählen, geben - unmittelbares Wahlrecht). Die Wahl muss durch persönliche Stimmabgabe erfolgen (keine Wahl durch Stellvertreter - persönliches Wahlrecht) und geheim sein, sodass die Wähler ihre Stimme unbeobachtet abgeben können (geheimes Wahlrecht zum Schutz der Wahlfreiheit). Vorgesehen ist aber die Möglichkeit der Briefwahl, bei deren besondere Anforderungen zur Wahrung des geheimen und persönlichen Wahlrechts gibt. Der Grundsatz des freien Wahlrechts besagt, dass die Wähler ihre Entscheidung möglichst unbeeinflusst von Zwang und unzulässiger Beeinflussung treffen können sollen. Die möglichst ungestörte Wahlentscheidung darf demnach nicht beschränkt oder staatlich differenziert werden, sodass die Parteien frei um die Gunst der Wähler werben können. Ebenso sollen auch die Abgabe der Stimmen (z.B. der Wahlzettel) und die Gemeinderäte (die allgemeinen Vertretungskörper auf Gemeindeebene) - wahlrechtliches Homogenitätsprinzip". Der Nationalrat - wie auch die Bundesräte (die allgemeinen Vertretungskörper auf Bundesebene) - werden nach dem Grundsatz der Verhältniswahl (eine Partei, die zB 20% der Wählerstimmen erhält, bekommt 20% der Mandate) gewählt, sodass allen politischen Kräften von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung nach Maßgabe ihrer Stärke eine parlamentarische Vertretung gesichert wird (Verhältniswahlrecht im Gegensatz zum Mehrheitswahlrecht, wo jener Kandidat in einem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen erhält, alle Mandate dieses Wahlkreises zukommen). Dies schließt es hierbei nicht aus, dass es für eine Vertretung als erforderlich zu erachten ist, die prozentuale Stimmenanzahl in einem Wahlkreis eine gewisse Mindeststimmenanzahl zu erlangen (zB 5% Hürde oder Grundsatz nach dem Wahlkreis). Das Wahlrecht zu den Landtagesgesetzgebern geregelt. Die Recht- stiftung im ## 3. Teil: Öffentliches Recht ##### 3. Das rechtsstaatliche Grundprinzip * Das rechtsstaatliche Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. In einem Rechtsstaat braucht es zunächst Spielregeln in einer Verfassung, die von der einfachen Parlamentsmehrheit nicht ohne weiteres abgeändert werden können und daher erhöhte Bestands-kraft genießen (Verfassungsstaat). * Rechtsstaaten zeichnen sich dadurch aus, dass die Ausübung der Staatsmacht auf Gesetzen beruht und ihre Rechtsordnungen eine gewisse inhaltliche Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit aufweisen (Gesetzesstaat) und entsprechend vorgesehene Einrichtungen die Sicherung und Durchsetzung der Rechtsordnung garantieren (Rechtsschutzstaat). * Diese Vorausbestimmtheit und daraus resultierende Berechenbarkeit der bestehenden Rechte und Pflichten unterscheidet den Rechtsstaat vom Polizeistaat, wie er zB während der Staatskanzlerzeit Metternichs (s IV.B.1.) bestanden hat. **a) Verfassungsstaat** * Der Rechtsstaat ist schließlich auch ein Verfassungsstaat, sodass die Staatsmacht durch die Bindung des Souveräns (in der Demokratie: die Repräsentanten des Volkes) an Normen (die z.B. die Gesetzgebung regeln) beschränkt ist. * Um zu verhindern, dass sich die konkreten Träger der Staatsgewalt durch den Missbrauch ihrer Möglichkeiten der rechtsstaatlichen Vorgaben entledigen, bedarf es gewisser „Spielregeln", die unabhängig von den jeweiligen Amtsträgern und in ihrer Existenz abgesichert sind. Aus diesem Grund ist der Rechtsstaat ein Verfassungsstaat, der den Weg der Gesetzgebung, die Rechtsschutzeinrichtungen usw. der einfachen Abänderbarkeit entzieht und durch erschwerte Abänderungsbedingungen des Verfassungsrechts absichert. **b) Gesetzesstaat** * Hauptbestandteil des rechtsstaatlichen Prinzips ist die Bindung der Verwaltung an das Gesetz (Legalitätsprinzip - „Gesetzesstaat"). * Das Legalitätsprinzip richtet sich einerseits an die Verwaltung und normiert für diese insofern eine Bindung an das Gesetz, als die Verwaltung nur dann handeln darf, wenn es durch ein Gesetz vorgesehen ist (Vorbehalt des Gesetzes). * Das Handeln der Verwaltung bedarf daher stets einer gesetzlichen Grundlage. In der österreichischen Verfassung ist dies in Art 18 Abs 1 B-VG explizit niedergelegt. Das Gesetz ist damit Bedingung staatlichen Handelns. * Darüber hinaus impliziert das Legalitätsprinzip aber auch einen Vorrang des Gesetzes: Dies bedeutet, dass, selbst wenn die Verwaltung auf Basis eines Gesetzes handeln kann oder muss, kein Akt der Verwaltung gegen eine gesetzliche Regelung verstoßen darf. Art 18 Abs 1 B-VG bezieht sich entgegen seinem Wortlaut („gesamte staatliche Verwaltung") jedoch nur auf die Hoheitsverwaltung (Handeln durch Bescheide etc). Im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung (s VI.E.2.), dh beim Abschluss privatrechtlicher Verträge, ist ein Handeln staatlicher Organe auch ohne gesetzliche Grundlage rechtlich zulässig. * Die Verwaltung kann allerdings nur rechtskonform handeln, wenn der Gesetzgeber das Verwaltungshandeln durch Gesetze festlegt. Damit richtet sich das Legalitätsprinzip andererseits auch an den Gesetzgeber und verpflichtet ihn, das Handeln der Verwaltung inhaltlich bereits auf der Ebene der Gesetzgebung hinreichend genau zu determinieren („Determinierungsgebot"). * Das Gebot der „Gesetzmäßigkeit" der Verwaltung würde andernfalls leerlaufen (vgl VI.D.1.). * Mit dem Legalitätsprinzip vereinbar ist es aber, den Verwaltungsbehörden einen größeren Spielraum durch die Verwendung von sog Ermessensbestimmungen einzuräumen. Der Gesetzgeber lässt der Verwaltung durch die Einräumung von Ermessen in bestimmten Bereichen zB eine Wahlfreiheit, welche Entscheidung sie treffen. * Rechtswidrigkeit liegt in diesen Fällen dann nicht vor, wenn die Verwaltung das Ermessen „im Sinne des Gesetzes" ausübt (vgl VI.D.1.). **Beispiel:** Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist eine Ermessensentscheidung, die allerdings den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben entsprechen muss. * Darüber hinaus ist dem Gesetzgeber die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe, die durch eine unscharfe Abgrenzung gekennzeichnet sind, erlaubt. Diese Regelungstechnik ist dann mit Art 18 B-VG vereinbar, wenn diese Begriffe einen so weit bestimmbaren Inhalt haben, dass der einzelne Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann. **Beispiel:** Die Begriffe Nachtzeit und „Stand der Technik" erlangen durch den Regelungs-kontext (zB Jugendschutz, Parkordnungen, Art der Betriebsanlage) einen hinreichend klaren Gehalt. **c) Rechtsschutzstaat** * Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des rechtsstaatlichen Prinzips ist, dass die Einhaltung von Verfassung und Gesetz durch entsprechende Institutionen garantiert ist und dem Betroffenen damit Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber staatlichem Handeln zukommen (,,Rechtsschutzstaat"). * Das Rechtsschutzsystem der Bundesverfassung umfasst jenes der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit dem OGH an der Spitze und ein eigenes öffentlich-rechtliches Rechtsschutzsystem mit dem VwGH als Höchstgericht und dem VfGH, der auch Zuständigkeiten jenseits der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat (insbesondere die Gesetzesprüfung). Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für das öffentlich-rechtliche Rechtsschutzsystem finden sich im Achten Hauptstück des B-VG, das Regelungen über die Verwaltungsgerichte, den VwGH und den VfGH enthält. * Insgesamt gibt es 11 Verwaltungsgerichte: pro Bundesland ein Landesverwaltungsgericht (LVwG) und auf Bundesebene das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) und das Bundesfinanzgericht (BFG). * Alle verwaltungsbehördlichen Entscheidungen in Bescheidform können grundsätzlich direkt bei diesen Verwaltungsgerichten mittels Bescheidbeschwerde bekämpft werden, die entweder mit Erkenntnis oder mit Beschluss entscheiden. * Daneben bestehen auch Zuständigkeiten zur Kontrolle von verwaltungsbehördlichen Maßnahmen (zB Festnahmen, Abschleppen eines Autos) und zur Überprüfung der Säumigkeit von Behörden (Säumnisbeschwerde) sowie nach Maßgabe einfachgesetzlicher Regelungen weitere Kompetenzen der Verwaltungsgerichte. * Im Bereich der Gemeindeselbstverwaltung kann es allenfalls noch erforderlich sein, vor Erhebung der Beschwerde an das VwG eine Berufung zu erheben und erst dann den Berufungsbescheid mittels Bescheidbeschwerde zu bekämpfen. * Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können sowohl beim VwGH als auch beim VfGH bekämpft werden. * Das entsprechende Rechtsmittel ist im Hinblick auf den VwGH die Revision (Art 133 Abs 1 Z 1 B-VG), mit Blick auf den VfGH die „Entscheidungsbeschwerde" nach Art 144 B-VG. Der VfGH nimmt dabei die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte vor („Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit"), die Kontrolle der bloßen Gesetzmäßigkeit dieser Akte ist hingegen eine Aufgabe des VwGH (s dazu D.2.c.). * Das rechtsstaatliche Prinzip fordert nach der Judikatur auch ein Mindestmaß an Verständlichkeit und Zugänglichkeit der Rechtsvorschriften sowie die Effizienz des Rechtsschutzsystems. * Der VfGH (VfSlg 11.196/1986) hat dies auf die prägnante Formel gebracht, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssen und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür bietet, dass nur Akte in ihrer rechtli- chen Existenz als dauernd gesichert erscheinen, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen wurden". * Zu kurze Rechtsmittelfristen sind daher verfassungsrechtlich bedenklich. * Der VfGH geht von einem Rechtstypenzwang aus (VfSlg 17.967/2006): Das Rechts-schutzsystem des B-VG knüpft an bestimmte Rechtsakte an (s VI.E.). Nur gegen diese Rechtsakte ist Rechtsschutz vorgesehen. * Dem Gesetzgeber ist es daher untersagt, bestimmte Rechtsakte, die nicht vom B-VG vorgesehen sind, zu schaffen, und damit Rechtsschutzmöglichkeiten zu umgehen. * Der Gesetzgeber muss sich daher bei der Verfolgung seiner Ziele jener Rechtsakte bedienen, die durch den Verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutz vorgezeichnet sind, wenn er in die Rechte der Rechtsunterworfenen eingreift. #### 4. Das bundesstaatliche Grundprinzip * Gemäß Art 2 Abs 1 B-VG ist Österreich ein Bundesstaat. Das bundesstaatliche Prinzip legt eine Dezentralisierung fest: Der Gesamtstaat, die Republik Österreich, setzt sich aus dem Bund (Oberstaat) und den in Art 2 Abs 2 B-VG genannten Ländern (Gliedstaaten) zusammen. * Gesetzgebung und Vollziehung sind auf verschiedene Gebietskörperschaften aufgeteilt. * Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit kommen Bund und Ländern zu, auch den Gemeinden kommen nicht unwesentliche Teile der Verwaltung (aber keine Gesetzgebungs- und Gerichtsbarkeitskompetenzen) zu. Der überwiegende und bedeutende Teil an Gesetzgebungskompetenzen obliegt dem Bund. Im Bereich der Vollziehung kommt den Ländern aufgrund der mittelbaren Bundesverwaltung eine höhere Bedeutung zu (s VI. C.). * Für die Charakteristik des bundesstaatlichen Grundprinzips in der österreichischen Verfassung sind insbesondere folgende Strukturmerkmale kennzeichnend: Die Staatsgewalt, Gesetzgebung und Vollziehung, ist auf Bund und Länder aufgeteilt. * Die Länder wirken durch den Bundesrat an der Gesetzgebung und in der Form der mittelbaren Bundesverwaltung an der Verwaltung des Bundes mit. * Die Länder verfügen über eine relative Verfassungsautonomie. Dh, die Länder besitzen selbst eine Landesverfassung, die allerdings der Bundesverfassung nicht widersprechen darf. * Eine Beseitigung oder gravierende Änderung eines dieser drei Elemente würde zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führen. * Diese Dezentralisierung ist durch die Kompetenzverteilung (Art 10 bis 15 B-VG) verfassungsrechtlich gesichert. * Dort ist festgelegt, welche Aufgaben vom Bund und welche von den Ländern zu erfüllen sind. * In Art 10 B-VG sind jene Materien aufgezählt, die sowohl in Gesetzgebung als auch in Vollziehung Bundessache sind. * Das bedeutet, dass der Bundesgesetzgeber für die Erlassung eines Gesetzes zuständig ist und auch die Vollziehung dieses Gesetzes unter der Letztverantwortung des Bundes erfolgt, wie das zB in Angelegenheiten des Gewerbes der Fall ist (Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG, vgl GewO 1994). * Ganz wesentliche, auch für das Wirtschaftsleben bedeutende Angelegenheiten fallen unter einen Kompetenzatatbestand des Art 10 B-VG. * In Angelegenheiten des Art 11 B-VG, zB Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft oder Straßenpolizei, ist der Bundesgesetzgeber für die Gesetzgebung zuständig und die Vollziehung ist Sache der Länder, dh sie erfolgt durch Landesbehörden. * Art 12 B-VG weist dem Bund die Kompetenz zur Grundsatzgesetzgebung zu und der Landesgesetzgeber ist für die Erlassung von Ausführungsgesetzen zuständig. * Das bedeutet, dass der Bund die Grundzüge einer Regelung festlegt, während der Landesgesetzgeber darauf aufbauend detaillierte-re, konkretisierende Regelungen einführt. So gibt es zB im Bereich des Kranken- anstaltenrechts ein Grundsatzgesetz des Bundes und neun Ausführungsgesetze der Länder, die nähere Regelungen treffen. * Grundsatzgesetze sind ausdrücklich als solche zu bezeichnen. * In den Art 12 B-VG zugeordneten Materien ist die Vollziehung ausschließlich Landessache. * Art 15 B-VG weist alle Materien, die nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen sind, dem selbstständigen Wirkungsbereich der Länder zu. * Diese Angelegenheiten sind also in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. * Dies trifft zB für das Bauwesen oder das Veranstaltungswesen zu. * Die Art 13 bis 14b B-VG beinhalten besondere Kompetenzordnungen in den Bereichen des Abgabenwesens, des Schulwesens und für die Vergabe öffentlicher Aufträge. * Die sog Kompetenzhoheit (oder „Kompetenz-Kompetenz"), also die Fähigkeit, zu entscheiden, wem welche Kompetenzen zukommen, hat letztlich immer der Bund, da die Kompetenzverteilung durch die Bundesverfassung festgelegt ist, die nur durch den Bundesverfassungsgesetzgeber geändert werden kann. #### 5. Das republikanische, das gewaltenteilende und das liberale Grundprinzip * Darüber hinaus ergeben sich aus der Bundesverfassung weitere Grundprinzipien, nämlich das republikanische, das gewaltenteilende und das liberale Prinzip. * Das republikanische Prinzip legt die Stellung des Bundespräsidenten fest. * Das Staatsoberhaupt muss anders als ein durch Erbfolge bestimmter Monarch auf begrenzte Zeit gewählt werden und rechtlich wie politisch verantwortlich gemacht werden können. In der konkreten Ausprägung des B-VG wird der Bundespräsident für sechs Jahre gewählt, wobei eine einmalige Wiederwahl zulässig ist. * Ferner ist er der Bundesversammlung (das ist die Gesamtheit der Mitglieder des Nationalrates und Bundesrates) rechtlich verantwortlich. * Der Bundespräsident kann wegen Verletzung der Bundesverfassung durch Beschluss der Bundesversammlung vor dem VfGH angeklagt und von diesem ggf seines Amtes enthoben werden (rechtliche Verantwortlichkeit). * Auf Verlangen der Bundesversammlung kann eine Volksabstimmung darüber durchgeführt werden, ob der Bundespräsident abgesetzt werden soll (politische Verantwortlichkeit). * Das gewaltenteilende Prinzip ist durch die Einrichtung unterschiedlicher Organe für Gesetzgebung (Nationalrat und Bundesrat, Landtage), Verwaltung und Gerichtsbarkeit verwirklicht (organisatorische Trennung der Staatsgewalten). * Durch die Aufteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Einheiten wird die Macht einge-schränkt. Abgesichert wird die Gewaltenteilung durch zahlreiche Inkompatibili- tätsbestimmungen, denen zufolge grundsätzlich niemand zugleich Funktionen in mehreren Organen verschiedener Staatsgewalten, mitunter aber auch derselben Staatsgewalt, einnehmen kann. * Dies soll auch verhindern, dass zu viel Macht in „einer Hand" liegt und möglicherweise missbraucht wird. * Das gewaltenteilende Prinzip hängt eng mit dem rechtsstaatlichen Grundprinzip zusammen. * Nach manchen Auffassungen wird es als Unterelement des rechtsstaatlichen Grundprinzips gesehen. * Wären Verwaltung und Gerichtsbarkeit nicht getrennt, könnten Konstellationen auftreten, in denen der Kontrollierte und der Kontrollierende identisch wären. Das wäre mit dem Erfordernis effektiven Rechtsschutzes nach dem rechtsstaatlichen Grundprinzip nicht vereinbar. * Das liberale Prinzip fordert die Selbstbeschränkung des Staats im Sinne einer Trennung von Staat und Gesellschaft. Diese findet Ausdruck in den Grund- und Freiheitsrechten, die gewisse „Freiräume vom Staat gewährleisten sollen" (s so gleich C.). ### C. Grundrechte ##### 1. Allgemeines **a) Überblick über die Grundrechte** * Grundrechte sind ein zentraler Inhalt von Verfassungen, so auch der österreichischen Verfassung. * Es handelt sich um Rechte, welche die Verfassung einzelnen Rechtssubjekten verleiht. Art 144 B-VG bezeichnet sie als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. * Die österreichischen Grundrechte sind - als Ausdruck des liberalen Grundprinzips der Bundesverfassung - vorwiegend in ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert und schützen somit den Einzelnen vor zu weit reichenden Eingriffen in seine individuelle Freiheitssphäre. **Beispiel:** Das Grundrecht auf Achtung der Wohnung verbietet es dem Staat, willkürlich und ohne Grund in den Wohnraum von Individuen einzudringen. * Aus den Grundrechten folgen damit vor allem Unterlassungspflichten des Staats. **Beispiel:** Der Staat darf niemanden foltern; der Staat darf niemanden zu Zwangsarbeit verpflichten; der Staat darf Presseartikel und Medienbeiträge nicht vor der Veröffentlichung zensieren etc. * Manche Grundrechte können aber erst in Anspruch genommen werden, wenn der Staat diese durch sein Handeln ermöglicht. **Beispiel:** Das Recht auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Staat ein solches Gericht einrichtet. Das Recht auf Bildung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn der Staat Bildungseinrichtungen zur Verfügung stellt. * Außerdem garantieren manche Grundrechte einen Anspruch auf Mitwirkung. So hat der Einzelne etwa einen Anspruch auf Mitwirkung an der Staatswillensbildung (zB aktives und passives Wahlrecht). * Schließlich ist der Staat zu aktiven Handeln verpflichtet, wenn der Schutz eines Grundrechtsträgers durch Dritte gefährdet ist. Man spricht in diesem Zusammen-hang auch von „grundrechtlichen Schutzpflichten". **Beispiel:** Um das Recht auf Leben (Art 2 EMRK) zu schützen, muss der Staat Mord unter Strafe stellen und Mörder auch strafrechtlich verfolgen. **b) Regelungen zu den Grundrechten** * Die Grundrechte finden sich va im StGG (Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger) aus 1867, im B-VG sowie in der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), die in Österreich 1958 in Kraft getreten ist und mit ihren Zusatzprotokollen in Verfassungsrang steht. * Teils finden sich Grundrechte aber auch in eigenen Verfassungsgesetzen (zB das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern) oder in Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen (zB Recht auf Datenschutz, § 1 Datenschutzgesetz). * Die österreichischen Grund- rechte finden sich somit in unterschiedlichen Rechtsquellen, die zu verschiedenen Zeitpunkten in Kraft traten. * Sie überschneiden sich inhaltlich teilweise und verstärken sich gegenseitig. * Auch im Recht der Europäischen Union gibt es Grundrechte die sich in der GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) finden. **c) Grundrechtsträger** * Personen, die durch die Grundrechte geschützt werden, bezeichnet man als Grundrechtsträger. * Es können sowohl natürliche Personen (Menschen) als auch jur- istische Personen (zB Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) Grundrechtsträger sein. * Für juristische Personen gilt jedoch, dass sie sich nur auf Grundrechte berufen können, die „ihrem Wesen nach" auch auf juristische Personen anwendbar sind. **Beispiel:** Eine AG kann sich auf ihr Hausrecht berufen, wenn etwa eine Hausdurchsuchung vorgenommen wird. * Dagegen wird sie sich nicht auf das Folterverbot nach Art 3 EMRK berufen können, da eine juristische Person nicht gefoltert werden kann. Manche Grundrechte (insb. im StGG oder der Gleichheitssatz im B-VG) berechtigen nur österreichische Staatsbürger. Die meisten Grundrechte (insb jene der EMRK und der GRC) schützen hingegen jedermann unabhängig von der Staatsbürgerschaft. **d) Grundrechtsverpflichtete** * Primär verpflichten Grundrechte den Staat, und zwar in allen seinen Erscheinungsformen (Legislative, Exekutive und Judikative). * Das bedeutet, kein Gesetz, kein Bescheid und kein Urteil darf gegen die Grundrechte verstoßen. * Der Staat muss die Grundrechte aber nicht nur bei hoheitlichem Handeln einhalten, sondern ist auch an sie gebunden, wenn er privatrechtlich tätig wird. * Man spricht von der Fiskalgeltung der Grundrechte. **Beispiel:** Wenn eine Bundesministerin ein Ministeriumsgebäude sanieren lassen will, darf sie damit nicht einfach einen befreundeten Unternehmer betrauen. * Vielmehr gebietet der Gleichheitssatz, dass der entsprechende Auftrag nach sachlichen Kriterien an den besten Anbieter vergeben wird. * Daneben stellt sich die Frage, ob die Grundrechte auch auf die Rechtsbeziehungen von Privatpersonen untereinander anzuwenden sind (Dritt- oder Horizontalwirkung). * Eine unmittelbare Drittwirkung, dh die Ableitung eines Anspruchs (zB auf Unterlassen) einer Privatperson gegenüber einer anderen Privatperson aus einem Grundrecht, wird grundsätzlich verneint. * Die Grundrechte haben jedoch eine durch das einfache Gesetz vermittelte Wirkung auf die Rechtsverhältnisse zwischen Privatpersonen (mittelbare Drittwirkung). * Zum einen haben die Gesetze, welche die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten regeln (zB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Konsumentenschutzgesetz, Mietrechtsgesetz, ...), die Grundrechte zu wahren bzw. auszuführen. * Zum anderen müssen Verwaltungsbehörden und Gerichte in ihren Entscheidungen, die die Rechtsverhältnisse zwischen Privaten zum Gegenstand haben, die Grundrechte bei der Gesetzesauslegung und -anwendung (s zur verfassungskonformen Interpretation 1. Teil VIII.D.) beachten. **Beispiel:** Wenn der Vermieter einer Wohnung einen Schlüssel behält, um immer wieder nach dem Rechten sehen zu können, dann kann der Mieter den Vermieter nicht mit Verweis auf das Grundrecht auf Achtung seiner Wohnung fernhalten. * Das Mietrechtsgesetz vermittelt aber den Schutz dieses Grundrechts, indem es dem Vermieter nur bei Vorliegen wichtiger Gründe den Zutritt zur Wohnung erlaubt. * Dieser darf daher auch keinen Zweitschlüssel haben, wenn der Mieter das nicht möchte. * Auch ohne eine solche explizite Bestimmung würden die ordentlichen Gerichte in verfassungskonformer Interpretation des § 879 ABGB eine vertraglich geregelte Möglichkeit des Vermieters, ständig in die Wohnung des Mieters zu kommen, für sittenwidrig erachten. * Würde der Gesetzgeber dem Vermieter gesetzlich ausdrücklich erlauben, ständig in die Wohnung des Mieters zu komen, dann wäre dieses Gesetz wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Achtung seiner Wohnung verfassungswidrig und könnte durch den VfGH aufgehoben werden (siehe unten). **e) Einschränkungen der Grundrechte** * Einige wenige Grundrechte (etwa das Verbot der Folter gem Art 3 EMRK) sind „absolut" gewährleistet und dürfen daher nicht eingeschränkt werden. * Die meisten Grundrechte stehen aber unter einem Gesetzesvorbehalt. * Darunter ist die (im Grundrecht selbst enthaltene) Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers zu verstehen, das Grundrecht zu beschränken. **Beispiel:** Während Folter unter keinen Umständen zulässig ist, können Eingriffe in die Wohnung durchaus hinzunehmen sein, wenn sie in einem Gesetz vorgesehen sind. * So erlauben es §§ 120 ff StPO bei Vorliegen bestimmter Verdachtsmomente der Kriminalpolizei, eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Ein Gesetzesvorbehalt bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber mit einem Gesetz ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen einfach Grundrechte aufheben kann. * Denn dann wäre der Gesetzgeber de facto nicht an die Grundrechte gebunden, die immerhin im Verfassungsrang stehen. * Ein Gesetz darf vielmehr nur dann in ein Grundrecht egreifen, wenn der Eingriff dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht. * Dieses legt fest, dass für einen zulässigen Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechtes folgende vier Voraussetzungen vorliegen müssen. * Ein Eingriff ist demnach verhältnismäßig, wenn er: * durch ein öffentliches Interesse geboten ist, * durch eine öffentliche s Interesse geboten ist, * die vorgesehene Maßnahme geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (Geeignetheit), * der Eingriff weiters erforderlich in dem Sinne ist, dass es keine weniger in das Grundrecht eingegreifende Maßnahme gibt, die das