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SS 2024 VL EI Knelangen Sitzung 4.pdf

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Europäische Integration 4. Sitzung Die Theorie der Integration Sachzwänge, Präferenzen, Institutionen und die Rolle des Volkes Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theori...

Europäische Integration 4. Sitzung Die Theorie der Integration Sachzwänge, Präferenzen, Institutionen und die Rolle des Volkes Prof. Dr. Wilhelm Knelangen Institut für Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Sommersemester 2024 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 2 Evolution der Integration Integrationsgrad Lissa- Nizza bon Am- 2003 ster- 2009 Maas- dam tricht 1999 1993 EEA 1987 EWG EGKS 1957 1951 Zeit 3 Evolution der Mitgliedschaft Mitglieder 2007 2013 2020 2004 + 2 + 1 -1 + 10 =27 =28 =27 =25 1995 1986 +3 +2 = 15 1981 +1 = 12 1973 1951 +3 = 10 6 =9 Zeit Zeit 4 Wissenschaft: Dem Wunder auf der Spur… 5 Leitfragen der Integrationstheorie Integrationsgrad Lissa- bon 2009 … ein Wunder ? EGKS 1951 Zeit 6 Leitfragen der Integrationstheorie Integrationsgrad Lissa- bon Was ist hier passiert ? 2009 Warum ? Welche Triebkräfte ? Mit welcher Wirkung auf die Akteure ? Wie funktioniert die EU ? Was ist die EU ? EGKS 1951 Zeit Zeit 7 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 8 Allgemeine Definition Theorie: Theorien sind Systeme von Aussagen, die beanspruchen, die beanspruchen, die Wirklichkeit (bzw. Teile davon) zu beschreiben bzw. zu erklären bzw. zu prognostizieren Funktionales Theorieverständnis: Theorien sind „Sätze von Aussagen, die in einem logischen Zusammenhang stehen, die einer wissenschaftlichen Untersuchung als Bezugsrahmen dienen, eine begrifflich-systematische Ordnung der Ergebnisse ermöglichen und zu praktischem Handeln befähigen können“ (Helga Haftendorn). 9 Funktionen von Theorien Selektionsfunktion (aus einer Vielzahl von Daten relevante Fakten auswählen) Ordnungsfunktion (perzipierte Realität strukturieren) Erklärungsfunktion (allgemeingültige Zusammenhänge erkennen) Operative Funktion (Anwendung von Wissen in Forschung und politischer Praxis ermöglichen) 10 Enger vs. weiter Theoriebegriff „Szientistisches“ (sozialwissenschaftliches) Theorieverständnis – Gesetzmäßigkeit des sozialen Handelns wird unterstellt – Systeme generalisierter Hypothesen, die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen bestimmen und ursächliche Erklärungen anbieten „Traditionelles“ (geisteswissenschaftliches) Theorieverständnis – Gesetzmäßigkeit des sozialen Handelns wird eher verneint – Konzeptionen und Modelle, die den Gegenstand beschreiben, analytische Zugänge generieren und Bewertungen ermöglichen – „Verstehen“ 11 Theorienvielfalt und Theorienverzweigung Eine einheitliche Theorie der Integration besteht nicht, vielmehr diversifizieren und verzweigen sich die Theorien – Unterschiedliche Perspektiven und Erkenntnisinteressen – Unterschiedliche wissenschaftstheoretische Grundlagen – Unterschiedliche großtheoretische Anknüpfungspunkte – Konjunkturen des wissenschaftlichen Mainstream – Theorien reagieren auf das reale Geschehen 12 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 13 Föderalismus Triebkraft für Integrationsprozesse: Politische Willensentscheidung Schlagwort: Die Funktion folgt der Form Resultat: stabile Gemeinschaft, in der Konflikte im Rahmen allgemein akzeptierter Verfahren und Normen geregelt werden Wichtige Vertreter: Carl Joachim Friedrich 14 Funktionalismus Triebkraft für Integrationsprozesse: Sachzwang „doctrine of ramification“ Schlagwort: Die Form folgt der Funktion Resultat: Aufbau eines immer engeren Netzes technisch-unpolitischer Aktivitäten aufgrund von Lernprozessen Wichtiger Vertreter: David Mitrany 15 Klassischer Neo-Funktionalismus (I) Ein Beginn der Integration zieht immer weitere Integrationsmaßnahmen nach sich „List der funktionalen Idee“ Spill-Over-Effekt – Functional spill-over – Political spill-over – Cultivated spill-over Ernst B. Haas Rationale Akteure lernen, dass Integration vorteilhaft ist 16 Klassischer Neo-Funktionalismus (II) Resultat: Supranationale politischen Einheit Zwei Schlüsselgrößen: Leistungsfähigkeit supra- nationaler Politik sowie Lernfähigkeit nationaler Akteure. Wichtige Vertreter: Haas, Lindberg/Scheingold 17 Klassischer Intergouvernementalismus Kein Automatismus der Integration Staaten werden in Kernbereichen (high politics) ihre Souveränität wahren Integration findet dort statt, wo Regierungen einen gemeinsamen Nenner finden (insbes. in der Wirtschaftspolitik) Regierungen behalten die Kontrolle über den Integrationsprozess Integration ist deshalb auch reversibel Wichtiger Vertreter: Stanley Hoffmann 18 Neo-Neofunktionalismus Verfeinerung der Modelle Variablenbündel und Akteursstrategien Ergebnisoffenheit Komplexität der Modelle erschwert empirische Prüfung Hauptvertreter: Schmitter, Nye 19 Dark ages der Integrationstheorie 20 Liberaler Intergouvernmentalismus 21 Liberaler Intergouvernementalismus Die Präferenzen eines Staates spiegeln gesellschaftliche Konfliktlinien wider (Liberale Theorie der Präferenzformation) Auf zwischenstaatlicher Ebene werden die zentralen Linien des Integrationsprozesses ausgehandelt Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners (aber auch side-payments) Rationales Institutionenverständnis: principal-agent-Theorie Andrew Moravcsik Regierungen behalten die Kontrolle über den Integrationsprozess Wichtige Vertreter: Moravcsik 22 Historischer Institutionalismus „Institutions matter“ Institutionen: „Persistent and connected sets of rules (formal and informal) that prescribe behavioral roles, constrain activity, and shape expectations.“ (Robert O. Keohane) Präferenzen entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern im institutionellen Rahmen Regierungen sind durch Institutionen in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt, sie können den Integrationsprozess nicht vollständig kontrollieren Pfadabhängigkeit des Institutionenwandels Hauptvertreter: Paul Pierson 23 Sozialer Konstruktivismus Sozialkonstruktivismus stellt die Ontologie des Rationalismus in Frage „Logic of appropriateness“ statt „logic of consequentiality“ Wirkung von Institutionen: EU-Mitgliedschaft bleibt nicht folgenlos, sondern prägt die Identität der beteiligten Akteure Das Handeln basiert auf Normen und Identitäten – EU als Wertegemeinschaft – Sozialisationseffekte der Mitgliedschaft 24 Die EU als politisches System Die EU ist durch mehrere Ebenen übergreifende Handlungssysteme und neuartige Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse gekennzeichnet Die Dynamik der Integration wird durch das policy- making im politischen System der EU bestimmt Perspektivenvielfalt: Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre – Multi-level-Governance – Politikfeldanalyse – Europäisierungsforschung 25 Postfunktionalismus Die weit vorangeschrittene Integration verändert die Sicht der Bürger/innen auf die EU Politisierung als Kennzeichen der EU – Salienz – Polarisierung – Mobilisierung Selbstbestimmung und Identität treten an die Stelle des Funktionalismus 26 Postfunktionalismus Aus dem „permissive consensus“ ist ein „constraining dissensus“ geworden Die Missachtung des Volkes ist ein Problem der Integrationstheorie – Euroskepsis und euroskeptische Parteien – Deutlicher Rückgang der Zustimmung zur EU – Identität statt Funktionalismus Euroskepsis-Falle: Stillstand und Fragmentierung Hauptvertreter: Liesbeth Hooghe, Gary Marks 27 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und -divergenz (5) Literaturempfehlungen 28 Integrationstheorien im Überblick Liberaler Intergouv. Neofunktionalismus Postfunktionalismus Nachfrage nach Integration Akteure Regierungen und nationale Transnationale Nationale Wähler und Interessengruppen Interessengruppen, Parteien supranationale Organe, Regierungen Ziele Wohlfahrt und Wohlfahrt und Selbstbestimmung und Autonomie/Sicherheit Integration Wohlfahrt Handlungsmotive Rational Rational, aber auch Rational und Identität Lernprozesse Angebot von Integration Akteure Regierungen Regierungen und Nationale Wähler und supranationale Organe Parteien Kontext Regierungsverhandlungen Komplexe Nationale Institutionen Verhandlungssysteme (Regierungen und supranationale Organe) Feedbackprozesse eher nicht eher positiv eher negativ Eigene Fortschreibung von Frank Schimmelfennig, Integrationstheorien, in: Becker/Lippert (Hrsg).: Handbuch Europäische 29 Union (2020), S. 7 Elefanten und europäische Integration Puchala, Donald: Of Blind Men, Elephants and International Integration. In: Journal of Common Market Studies 10 (1972), S. 267 – 284. 30 Gliederung der heutigen Vorlesung (1) Worum geht es ? (2) Theorie und Theoriebegriff (3) Die Integrationstheorie im Lichte der Integrationsgeschichte (4) Viel Lärm um nichts? Theorienkonvergenz und – divergenz (5) Literaturempfehlungen 31 Literaturempfehlungen 32 Klausurfragen Zum Beispiel: Was versteht man unter dem Begriff „Theorie“? Was bedeutet „form follows function“? Was versteht man unter dem Begriff „spill-over“? Nennen Sie drei zentrale Aussagen des klassischen Intergouvernementalismus! Was bedeutet: liberaler Intergouvernementalismus? Warum können Regierungen nach Aussagen des historischen Institutionalismus die Kontrolle über den Integrationsprozess nicht zurückgewinnen? Wie erklären verschiedene Integrationstheorien das Binnenmarktprogramm? Wodurch unterscheiden sich die Integrationstheorien, wo gibt es Gemeinsamkeiten? Worauf ist es zurückzuführen, das eine Theorienkonkurrenz und – verzweigung haben? Warum gibt es nicht eine Theorie der Integration? 33

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