Medienpädagogik SKRIPT UK MB 23/26 PDF
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Anja Blumauer-Geene
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This document provides a general overview of media pedagogy, focusing on its history, impacts and influence. It outlines the different branches of media studies and their respective roles in contemporary society. The summary discusses media's influence on learning and education.
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Medienpädagogik SKRIPT UK MB 23/26 Anja Blumauer-Geene IFSB | Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Überblick Sie finden zu allen Themenblöcken zusätzliches Material und Informationen aus dem Unterricht auf Moodle!...
Medienpädagogik SKRIPT UK MB 23/26 Anja Blumauer-Geene IFSB | Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Überblick Sie finden zu allen Themenblöcken zusätzliches Material und Informationen aus dem Unterricht auf Moodle! 1 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medienpädagogik allgemein Medienpädagogik Die Medienpädagogik umfasst zwei wesentliche Bereiche: Gegenstandsfeld pädagogischer Praxis Spezialdisziplin der Erziehungswissenschaft Ist also ein Zusammenspiel von Erziehungswissenschaft Und Kommunikationswissenschaft Sie ist somit die Wissenschaft vom pädagogischen Einfluss der Massenmedien aber fragt nicht nur nach geplanten, zielgerichteten Lernprozessen per Medien, sondern auch allgemein nach Medieneinflüssen auf Lern- und Erziehungsprozesse. Die Medienpädagogik wird bestimmt durch die Anforderungen der Mediengesellschaft. Sie bedeutet daher auch eine Auseinandersetzung mit den sich ergebenden Veränderungen im Erleben der Welt und andererseits, Mittel und Wege für den Menschen zu finden, diesen Wandel zu bewältigen. Realität wird immer weniger unmittelbar und direkt, sondern von Medien vermittelt und gefiltert erlebt und wahrgenommen. Es geht um Vermittlungen von Fähigkeiten, die den Anwender dazu verhalfen, mit medialen Inhalten umzugehen und sie zu bewerten. Medienpädagogische Konzepte müssen daher einen emanzipatorischen und aufklärenden Umgang mit medialen Angeboten verfolgen. Nur sekundär geht es darum, den praktischen Umgang mit Medientechnik zu erlernen, allerdings kann dies in Verbindung mit Inhalten einen nützlichen Motivationseffekt haben. Die Zielgruppen der Medienpädagogik sind daher weit gefächerte: Kinder und Jugendliche Erwachsene Eltern Lehrer*innen, Pädagog*innen, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen Den/die mündige*n Bürger*in Die Gesellschaft Medienpädagogik muss versuchen, die immer wachsende Kluft zu überbrücken, die entsteht zwischen den Nicht-Usern, Kritikern und Gegnern der Medien (moderne) und den Usern, medialen Jugendkulturen und Netzjugendkulturen. Medienpädagogik ist somit eine Aufklärung eines bereits existierenden Gesellschaftszustandes. Daher ist Medienpädagogik aufgeteilt in verschiedene Teilgebiete: Mediendidaktik beschäftigt sich mit der Auswahl, Gestaltung und dem Einsatz von Medien zur Erreichung pädagogisch reflektierter Ziele vor allem im Bereich des Unterrichts. Durch die anwachsende Zahl der zur Verfügung stehenden Medien, wurde ihre Verwendung für das Lehren und Lernen im Unterricht immer attraktiver. Es ist nicht jedem möglich, ohne Vorkenntnisse und Wissen über die einzelnen 2 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medien und ihren Einfluss auf die Lernenden, diese sinnvoll in den Lernprozess zu integrieren. Auch diese Anleitung ist Aufgabe der Medienpädagogik. Deshalb entwickelte sich die Mediendidaktik, die nicht wie andere Didaktiken von einer bestimmten Person oder Personengruppe erfunden wurde. Ihre Erkenntnisse werden ständig durch neue Anforderungen sowie durch neue und veränderte soziale und soziokulturelle Kontexte verändert und entwickelt. Medienerziehung soll dagegen zeigen, wie der sinnvolle Umgang mit Medien aussehen soll und diesen den Heranwachsenden vermitteln. Medienerziehung bezeichnet das pädagogische Handeln, das zur kritisch-reflexiven Nutzung der Medien anleiten soll. o Prävention negativer Medienumgangsweisen und Folgen o Förderung positiver Medienumgangsweisen und Folgen Für die Schule gibt es eine ganze Reihe von Zielbeschreibungen für die Medienerziehung. Allgemeines Hauptziel der Medienerziehung durch alltägliches Verhalten und Handeln o Informationen o Orientierungswissen o Kompetenzen o Handlungsstrategien zur souveränen, reflektierten und selbstverantwortlichen Mediennutzung und zur Bewältigung von Anforderungen und Problemen im Umgang mit Medien vermitteln Medienkunde soll die technischen, organisatorischen, rechtlichen, ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Bedingungen und Voraussetzungen der Medien und das Wissen über die Funktionen der Medien vermitteln. Unter Medienkunde wird also die Vermittlung des Wissens über Medien verstanden. Medienforschung fragt o Nach den Absichten und Arbeitsformen der Produzenten o Nach der Bedeutung und der Gewichtung der in den Medien verwendeten Zeichensystemen o Nach dem Medienverhalten des Publikums (von Mediennutzung bis zur möglichen Wirkung) o Nach inhaltlichen, formalen und ideologischen Gehalten der Medien- Botschaften Die Grundfragen der Mediensozialisationsforschung lauten: o Wie lernen Menschen den Umgang mit Medien und welche Formen des Umgangs lassen sich unterscheiden? (Sozialisation zur Medienkommunikation) o Wie verändern Medien die allgemeinen Sozialisationsprozesse und sind dies entwicklungsfördernde oder –gefährdende Veränderungen? (Sozialisation durch Medienkommunikation) 3 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Die Medienpädagogik weiß, dass das Selbst-, Menschen- und Weltbild durch Medien mitgeprägt werden. Alle Entwicklungsaufgaben werden auch medial bewältigt. 4 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Was sind Medien? Der Begriff der Medien ist in aller Munde, allerdings ist dabei häufig unklar, worum es eigentlich genau geht. Im Folgenden soll daher genau bestimmt werden, was unter einem Medium zu verstehen ist. Darüber hinaus sollen diverse Medien benannt und ihre Stärken und Schwächen beschrieben werden. Neue Medien? Alte Medien? Merkmale der neuen Medien Die neuen Medien werden auch neue Informationsträger genannt. Sie übertragen Daten, wie zum Bespiel Bilder oder E-Mails in digitaler Form und greifen auf diese zu. Insgesamt können Sie fünf Merkmale unterscheiden, die für die neuen Medien wichtig sind: 1. Der Informationsträger ist selbst aktiv: Das bedeutet, dass die neuen Medien die gespeicherten Informationen zum Teil selbst verwenden können. Ein Beispiel: Sie suchen im Internet nach einem Rezept und finden einen leckeren Kuchen. Bei Ihrer weiteren Suche hat nun der Computer die Möglichkeit bis zu einem gewissen Grad selbst aktiv zu werden. Denn je nachdem, wonach Sie als nächstes suchen, kann Ihnen "der Computer" Vorschläge machen, wo Sie beispielsweise die Zutaten günstig einkaufen können. Der Computer wird dadurch selbst aktiv. 2. Der Informationsträger ist interaktiv: Dies bedeutet, dass die Kommunikation in zwei Richtungen funktioniert. Mit Hilfe der neuen Medien können sowohl Daten gesendet als auch Daten empfangen werden. Die neuen Medien können somit sowohl Sender als auch Empfänger sein. 3. Der Informationsträger ist orts- und zeitlos: Das heißt, dass die Informationen von jedem Ort zu jedem Zeitpunkt verfügbar sind. 5 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Anders ausgedrückt: Neue Medien können gleichzeitig sowohl Speicher- als auch Übertragungsmedium sein. Man kann die gespeicherten Informationen unabhängig von dem Übertragungszeitpunkt abrufen. 4. Der Informationsträger vernetzt sich mit anderen Informationsträgern: Das heißt, dass mit Hilfe der neuen Medien Informationen untereinander ausgetauscht und zu neuen Informationen verarbeitet werden können. Zum Beispiel eine Internetseite. Dort können sowohl ein Text als auch ein Video mit Erklärungen zur Verfügung gestellt werden. Dadurch werden drei verschiedene Darstellungsformen genutzt: Text, Bild und Ton. Generell umfassen die Darstellungsformen von Informationen auf Internetseiten hauptsächlich die textliche, akustische (hörende) und optische (sehende) Ebene. 5. Der Informationsträger ist multimedial: Es ist möglich, Informationen mit Hilfe verschiedener Darstellungsformen gleichzeitig zur Verfügung zu stellen. Zusammenfassend kann man sagen: Neue Medien sind selbst aktiv, interaktiv, ort- und zeitlos, vernetzt und multimedial. Merkmale traditioneller Medien Die traditionellen Medien sind nicht interaktiv. Sie verfügen nur über einen Weg der Informationsvermittlung. Beispielsweise sendet das Radio Informationen (Musik), während der Zuhörer diese empfängt. Wer der Empfänger und wer der Sender ist, ist nicht veränderbar. Im Gegensatz zu den neuen Medien sind traditionelle Medien an die Zeit gebunden. Die gesendeten Daten können nur während der Übertragung empfangen werden. Sie können nur Speicher- oder Übertragungsmedium sein, aber nicht beides gleichzeitig. Traditionelle Medien sind beispielsweise: Radio Satellitenfernsehen Printmedien (Bücher, Zeitschriften, usw 6 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Geschichte der Medienwelt Durch KI-Systeme wie ChatGPT kam es in den letzten Jahren zu einer Medienrevolution. Dabei gab es in der faszinierenden Geschichte der Menschheit natürlich bereits zahlreiche Innovationen, die unsere Kommunikation, unser Wissen und unsere Unterhaltung nachhaltig geprägt haben. Diese entscheidenden Wendepunkte werden oft als Medienmeilenstein bezeichnet und haben die Art und Weise, wie Informationen verbreitet und wahrgenommen werden, grundlegend verändert. Hier werden die neun wichtigsten Medienmeilensteine vorgestellt. Die Erfindung der Schrift und Papyrus (ca. 3100 v. Chr.) Die Erfindung der Schrift war ein Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. Sie wird in der Regel dem alten Mesopotamien zugeschrieben. Das Gebiet des heutigen Irak, insbesondere die Regionen zwischen den Flüssen Tigris und Euphrat, wird oft als “Wiege der Zivilisation” bezeichnet. Die sumerische Keilschrift gilt als eine der ältesten bekannten Schriften der Menschheitsgeschichte. Sie wurde auf Tontafeln mit einem spitz zulaufenden Schreibstil, der an Keile erinnert, niedergeschrieben. Nickmard Khoey, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons Mit der Fähigkeit, Gedanken und Informationen auf Papyrus und anderen Schreibmaterialien festzuhalten, wurde das Wissen bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben. Dies ermöglichte nicht nur die Aufzeichnung von historischen Ereignissen, sondern auch die Entwicklung von komplexen Gesellschaften und Kulturen. Die Schrift war der erste Schritt zur Konservierung von Wissen und zur Verbreitung von Ideen. Metropolitan Museum of Art, CC0, via Wikimedia Commons 7 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Der Buchdruck (15. Jahrhundert) Der deutsche Erfinder, Drucker und Verleger Johannes Gutenberg revolutionierte in Mainz im 15. Jahrhundert die Medienwelt mit der Erfindung des Buchdrucks. Mit beweglichen Lettern konnte eine breite Palette von Büchern kostengünstig produziert werden. Gutenbergs bedeutendstes Werk war die Gutenberg-Bibel, auch bekannt als die “42-Zeilige Bibel”, die um 1455 gedruckt wurde. Dieses Buch gilt als eines der ersten bedeutenden gedruckten Werke und markiert den Beginn des Buchdrucks in Europa. Die Erfindung des Buchdrucks revolutionierte die Kommunikation, die Verbreitung von Wissen und Ideen. Sie trug zur Verbreitung der Renaissance und zur Entstehung der modernen Wissenschaft und Literatur bei. Das demokratisierte den Zugang zu Wissen, denn nun konnte auch die einfache Bevölkerung einen Zugang zur Bildung erhalten. Der Buchdruck trug maßgeblich dazu bei, die Renaissance zu unterstützen und die Verbreitung von Wissen und Kultur in Europa zu beschleunigen. Jost Amman, Public domain, via Wikimedia Commons Zeitungen und Druckpresse (17. Jahrhundert) Die Einführung von Zeitungen und Druckpressen im 17. Jahrhundert revolutionierte die Kommunikation. Zeitungen boten aktuelle Nachrichten und Informationen einem breiten Publikum und halfen, die Öffentlichkeit zu informieren und zu bilden. Dies förderte den Gedankenaustausch und trug zur Entwicklung der modernen Nachrichtenberichterstattung bei. Zeitungen wurden zu wichtigen Werkzeugen für die Verbreitung von politischen Ansichten und Ideen. Sie ermöglichten es den Menschen, sich aktiv in gesellschaftliche und politische Diskussionen einzubringen. Die Entstehung von Zeitungen und Drucktechnologie förderte auch die Verbreitung von Wissen und Bildung, da sie den Zugang zu Informationen erleichterten. Dies trug dazu bei, dass Menschen besser informiert und aufgeklärter waren, was wiederum zur Entstehung von Bürgerrechten und einer unabhängigen Presse beitrug. Die Idee 8 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene der Pressefreiheit und des freien Austauschs von Informationen, die in dieser Zeit Fuß fasste, hatte weitreichende Auswirkungen auf die moderne Gesellschaft und die Demokratie. Die Zeitungen dieser Epoche sind somit Vorläufer der heutigen unabhängigen Medien, die eine wichtige Rolle in der Aufrechterhaltung der Demokratie und der Meinungsfreiheit spielen. Byron Co., Public domain, via Wikimedia Commons Fotografie (19. Jahrhundert) Die Erfindung der Fotografie wird oft dem Franzosen Joseph Nicéphore Niépce zugeschrieben, der 1826 das erste bekannte fotografische Bild, das sogenannte “Heliographie”, schuf. Später arbeitete Niépce gemeinsam mit Louis Daguerre, und ihre gemeinsamen Bemühungen führten zur Veröffentlichung der Daguerreotypie im Jahr 1839. Die Daguerreotypie war das erste weitverbreitete fotografische Verfahren und ermöglichte das Festhalten von Bildern auf lichtempfindlichen Platten. Die Fotografie half, soziale Missstände und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Fotos von Armut, Kriegen und sozialen Bewegungen bewegten die Gesellschaft und halfen, Veränderungen herbeizuführen. Sie wurde auch zu einem Schlüsselinstrument in der Massenkommunikation und Werbung. Sie sorgte für die schnelle Verbreitung von Informationen und Botschaften, ermöglichte die präzise Dokumentation von Geschichte, Kultur und Wissenschaft, förderte die Kunst und Kreativität und revolutionierte den Journalismus. Author unknown., Public domain, via Wikimedia Commons 9 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Telegraphie (19. Jahrhundert) Die Erfindung des Telegrafen, die maßgeblich mit Samuel Morse und Alfred Vail in den 1830er und 1840er Jahren verbunden ist, revolutionierte die Kommunikation. Der Telegraf ermöglichte die Übermittlung von Nachrichten über weite Entfernungen, indem er elektrische Signale durch Drahtleitungen sendete. Dies führte zu einer schnellen, zuverlässigen und effizienten Form der Kommunikation und beeinflusste die Menschheit in vielerlei Hinsicht. Der Telegraf hatte einen bedeutenden Einfluss auf den Handel, die Nachrichtenübermittlung, das Militär und die Verwaltung. Er half, die Welt zu vernetzen und legte den Grundstein für die heutigen globalen Kommunikationssysteme. Die Telegraphie ebnete den Weg für die moderne Informationsgesellschaft und den globalen Nachrichtenaustausch. Milica Buha, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons Radio und Fernsehen (20. Jahrhundert) Radio und Fernsehen revolutionierten im 20. Jahrhundert die Gesellschaft, indem sie die Massenkommunikation transformierten und die schnelle Verbreitung von Informationen, Nachrichten und Unterhaltung ermöglichten. Diese Medien prägten die Politik, halfen bei der Meinungsbildung und förderten die Bildung. Sie brachten Kultur und Unterhaltung in die Wohnzimmer der Menschen, beeinflussten die globale Vernetzung und förderten das Verständnis zwischen Nationen. Radio und Fernsehen spielten eine Schlüsselrolle in der Werbeindustrie und in der wirtschaftlichen Entwicklung. Obwohl sie heute von digitalen Medien ergänzt werden, bleiben sie wichtige Kommunikationsmittel, die die Welt und die Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren, nachhaltig verändert haben. Die Entwicklung des Radios und des Fernsehens basierst auf einer Vielzahl von Beiträgen und Entwicklungen und ist nicht auf eine einzelne Erfindung zurückzuführen. Beide Technologien wurden im Laufe der Zeit von vielen Forschern und Entwicklern weltweit weiterentwickelt und verfeinert. Heri nugroho, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons 10 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Internet und Digitalisierung (20. Jahrhundert) Die Erfindung und Verbreitung des Internets in den letzten Jahrzehnten markiert eine der tiefgreifendsten Medienrevolutionen in der Geschichte. Ursprünglich als dezentrales Netzwerk für militärische und wissenschaftliche Zwecke entwickelt (ARPA-Net), hat das Internet die Gesellschaft in vielerlei Hinsicht nachhaltig beeinflusst. Die Kommunikation wurde durch E-Mails, Instant Messaging und soziale Medien global und sofortig. Der Zugang zu Informationen wurde demokratisiert, da Suchmaschinen und Enzyklopädien Wissen im Handumdrehen verfügbar machten. Online-Nachrichten und soziale Medien haben die Nachrichtenbranche umgewandelt und Bürgerjournalismus gefördert. Das Internet hat den Bildungssektor transformiert, indem es den Zugang zu Online-Kursen und Bildungsmaterialien erleichtert hat. E-Commerce und Online- Marktplätze haben den Handel revolutioniert, und Unternehmen können weltweit Kunden erreichen. Kulturelle und unterhaltsame Inhalte sind jetzt online in überwältigender Vielfalt verfügbar. Soziale Medien-Plattformen wie Facebook und Twitter haben die Art und Weise, wie Menschen interagieren und Informationen teilen, umgestaltet. Das Internet hat politisches Engagement und Aktivismus gefördert, indem es die Organisation von Kampagnen und Protesten vereinfacht. Home-Office und die Verwendung von Videoanrufen haben den Arbeitsplatz und die Unternehmenskultur neugestaltet. Die Verfügbarkeit persönlicher Daten im Internet hat eine Debatte über Privatsphäre und Datenschutz entfacht. Allerdings haben die übermäßige Internetnutzung und die Abhängigkeit von sozialen Medien Fragen zur Sucht und psychischen Gesundheit aufgeworfen. Auch die Verbreitung von Fehlinformationen und die Gefahren für die Privatsphäre sind herausfordernde Aspekte der digitalen Ära. 1. Webserver der Welt von Tim Berners-Lee, by Coolcaesar, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons 11 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Smartphones (21. Jahrhundert) Die ersten Vorläufer von Smartphones tauchten in den 1990er Jahren auf, aber das Konzept des modernen Smartphones, wie wir es heute kennen, entwickelte sich in den 2000er Jahren. Am 15. August 1996 bringt der finnische Mobilfunkhersteller Nokia das erste Smartphone in die Läden, den “Nokia 9000 Communicator”. Mit diesem Gerät konnte man zum allerersten Mal auch ins Internet, es dauerte allerdings sehr lange, bis sich eine Seite aufbaute. Ein zentrales Kennzeichen eines Smartphones ist es im Web surfen zu können. Er verfügte über ein Klappdesign und ein vollwertiges Tastenfeld sowie die Möglichkeit, E-Mails zu senden und zu empfangen. Das schwedische Unternehmen Ericsson prägte in den nächsten Jahren den Smartphone-Markt und nutzte für seine Geräte auch zum ersten Mal den Begriff “Smartphone”. 2007 stellte Steve Jobs von Apple das erste iPhone inklusive Mobilfunktvertrag vor und verdrängt damit sämtliche Mitkonkurrenten. Im Oktober 2008 kam mit dem HTC Dream das erste Android-Smartphone auf den Markt. Die Erfindung des Smartphones hat die Art und Weise, wie Menschen auf Informationen zugreifen, miteinander kommunizieren, Unterhaltung genießen und zahlreiche andere Aktivitäten ausüben, revolutioniert. Diese vielseitigen Geräte haben das Potenzial des Internets und der sozialen Medien in die Handflächen der Menschen gelegt. Mit Smartphones können Nutzer von nahezu überall auf das Internet zugreifen, was den Zugang zu Informationen demokratisiert hat. Die Kommunikation wurde mobil. Smartphones vereinten Anrufe, Textnachrichten, E- Mails, Instant Messaging und soziale Medien in einem. Nokia Communicator 9000, by textlad, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons Soziale Medien (21. Jahrhundert) Das 21. Jahrhundert brachte die Ära der sozialen Medien mit Plattformen wie Facebook, Twitter und Instagram. Diese Plattformen haben die Art und Weise, wie Menschen miteinander interagieren und Informationen teilen, radikal verändert. Sie haben Bürgerjournalismus, soziale Bewegungen und den Einfluss von Online- Kommunikation auf Politik und Gesellschaft beeinflusst. Soziale Medien haben die individuelle und kollektive Kommunikation auf globaler Ebene transformiert. Soziale Medien bauen auf der Infrastruktur des Internets auf und fokussieren sich auf soziale Interaktion und den Austausch von Inhalten zwischen Nutzer*innen. Sie haben die Kommunikation und soziale Vernetzung vertieft, wodurch Menschen auf der ganzen Welt miteinander in Kontakt treten können. Soziale Medien haben die Art 12 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene und Weise, wie wir Informationen teilen und konsumieren, stark verändert. Sie beeinflussen unsere Meinungsbildung, unsere Unterhaltung und unsere sozialen Beziehungen. Künstliche Intelligenz und Big Data (21. Jahrhundert) Künstliche Intelligenz (KI) hat die Gesellschaft in den letzten Jahren tiefgreifend beeinflusst. Durch die Automatisierung von Aufgaben in verschiedenen Branchen wurden Effizienzsteigerungen erzielt und innovative Anwendungen in Bereichen wie Medizin, Bildung und Verkehr entwickelt. KI-Systeme spielen eine Schlüsselrolle in der Medizin, indem sie Diagnosen stellen und personalisierte Gesundheitslösungen ermöglichen. In der Bildung passen sie den Lernprozess an und bieten maßgeschneiderte Bildungsinhalte. Im Verkehrsbereich fördern sie die Entwicklung selbstfahrender Fahrzeuge und intelligenter Verkehrsmanagementsysteme zur Erhöhung der Sicherheit und Effizienz. Dennoch hat der breite Einsatz von KI auch ethische und soziale Fragestellungen aufgeworfen. Dazu zählen Datenschutzbedenken, ethische Richtlinien für den Umgang mit KI und die Herausforderungen durch Arbeitsplatzverluste aufgrund der Automatisierung. Die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft sind weitreichend und beeinflussen die Arbeitswelt, Bildungseinrichtungen, die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, sowie die Entscheidungsprozesse in Unternehmen und Regierungen. Die Diskussion und Forschung zu den Folgen und Möglichkeiten von KI werden in den kommenden Jahren intensiv fortgesetzt, da die Technologie weiterhin unser tägliches Leben verändert und die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, neugestaltet. Daniel Chetroni, stock.adobe.com 13 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medienkonvergenz bedeutet, daß alle medialen Inhalte (Realbild, Grafik, Audio) technisch digitalisiert werden und als Digitalsatz behandelt werden können. Alle Medienbausteilen lassen sich so auf einer Plattform zusammenführen. In Verbindung mit virtuellen 3D-Welten und Avataren wird aus Multimedia „enhanced publishing“ und „augmented reality“. (Prof. Ralf Lankau ist Professor für Mediengestaltung (Print/Screen) und Medientheorie) Unter Medienkonvergenz versteht man einen (…) Prozess oder Zustand, der die Verschmelzung verschiedener Medien bzw. Kommunikationskanäle auf der technischen, der inhaltlichen Ebene und der Nutzungsebene beschreibt. Medienkonvergenz bezeichnet mithin das Zusammenwachsen bisher getrennt betrachteter Kommunikations- und/oder Medienbereiche. In der Kommunikationswissenschaft wird der Konvergenzbegriff in zwei verschiedenen Zusammenhängen angewendet: Einerseits zur Beschreibung der inhaltlichen Konvergenz. Diese allgemeine Definition stammt aus der Mathematik und der Medizin, in denen der Begriff seinen Ursprung hat, andererseits zur Beschreibung des technischen Zusammenwachsens unterschiedlicher Anwendungen und Endgeräte zu einer einzigen technologischen Plattform. Bei der Medienkonvergenz kommt dem Internet eine besondere Bedeutung zu, denn es ist wesentlicher Bestandteil der technischen Konvergenzentwicklung. Computer und Internet sind gleichsam die Schaltstelle von Medienkonvergenz. Der Computer entwickelt sich zu einem Multimediagerät, mit dem man online fernsehen, spielen, Musik hören, Nachrichten oder Hintergründe zum aktuellen Geschehen abrufen kann und zudem über den Rückkanal interaktiv tätig werden kann. (Quelle: Wolfgang J. Koschnick (2010)) 14 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene 15 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Mediensozialisation Grundfragen der Mediensozialisationsforschung Wie lernen Menschen den Umgang mit Medien und welche Formen des Umgangs lassen sich unterscheiden? (Sozialisation zur Medienkommunikation) Wie verändern Medien die allgemeinen Sozialisationsprozesse und sind dies entwicklungsfördernde oder –gefährdende Veränderungen? (Sozialisation durch Medienkommunikation) Selbst-, Menschen- und Weltbild werden durch Medien mitgeprägt. Entwicklungsaufgaben werden bewältigt Mediensozialisation – eine Begriffsbestimmung (Quelle: Kubi-online, Kathrin Demmler, Ulrike Wagner) Die Aneignung von Medien, also von medialen Inhalten, Angebotsformen und Kanälen vollzieht sich ebenfalls „in gesellschaftlicher Einbettung und vor dem Hintergrund konkreter Lebenswelten und ihrer Bedingungen“ (Theunert/Schorb 2004:203). Medien bieten dabei Orientierungsvorlagen, sie werden zum Amüsement und zur Information gleichermaßen herangezogen, und sie bieten zunehmend kommunikative Werkzeuge an, die es den NutzerInnen gestatten, sich zu anderen in Beziehung zu setzen und eigene Werke zu gestalten und zu veröffentlichen. Medien sind als „Agenturen der Alltagskultur“ (Weiß 2008:175) auf komplexe Weise von Bedeutung im Verlauf des Sozialisationsprozesses. Die Heranwachsenden wenden sich mit vielfältigen Motiven und handlungsleitenden Anliegen ihren Medienfavoriten und medialen Interaktions- und Ausdrucksformen zu. Vor allem folgende Aspekte sind dabei für die Jugendlichen relevant: >> Sich in Beziehung setzen: Die Heranwachsenden stehen in einem regen Austausch mit anderen Gleichaltrigen und suchen in ihren medialen Selbstkonstruktionen ein Gegenüber, dass ihnen die Möglichkeit der Bestätigung des Eigenen gibt, aber bei dem sie durchaus auch mit Widerspruch zurechtkommen müssen. >> Sich selbstbestimmte Freiräume suchen: Auf der Suche nach Abgrenzung, z.B. von Erwachsenen, bieten die Medien den Heranwachsenden vielfältige Vorgaben und Vorlagen, die sie aufgreifen und sich in eigener Gestaltung erproben. 16 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene >> Sich beteiligen: Die Heranwachsenden finden in medialen Räumen Möglichkeiten, um sich zu positionieren und zu verorten. Diese Verortung bildet die Voraussetzung dafür, dass die Jugendlichen sich mit der eigenen Lebenswelt und der weiteren sozialen, kulturellen und politischen Welt auseinandersetzen können. >> Sich als kompetent erleben: Nicht zuletzt wird in der Betrachtung des Medienhandelns von Jugendlichen deutlich, dass sie über das Ausleben ihrer Interessen in medialen Räumen eine Bestätigung für ihr Handeln suchen und dabei stolz auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse sind und diese beständig weiterentwickeln wollen. Historische Dimension Ab etwa Mitte der 1980er Jahre wurden jene Stränge der Rezeptionsforschung, die das Verstehen des Medienumgangs von Heranwachsenden in den Vordergrund rücken, sich dem interpretativen Paradigma der Sozialwissenschaften zuordnen und ihre theoretischen Bezüge unter anderem aus der Entwicklungspsychologie wie der Sozialisationstheorie beziehen, immer weiter ausdifferenziert. Damit liegt ein breiter Fundus an theoretischen Zugängen und empirischen Befunden vor, der vertiefte Einblicke in den Medienumgang von Kindern und Jugendlichen erlaubt. Insbesondere das Fernsehen als eines der Leitmedien des Aufwachsens stand dabei in vielen Arbeiten im Vordergrund (vgl. z.B. Paus-Hasebrink u.a. 1999; Barthelmes/Sander 2001). Gerade neuere Veröffentlichungen belegen ein stärkeres Interesse an der Explizierung der Fragen zur sozialisatorischen Bedeutung der Medien (vgl. z.B. Süss 2004, Hoffmann/Mikos 2007, Paus-Hasebrink/Bichler 2008, Vollbrecht/Wegener 2010). Reflektiert werden dabei sowohl die theoretischen und methodischen Ansätze als auch die jeweils untersuchten Ausschnitte des Medienumgangs von Heranwachsenden. Einigkeit besteht in der Mediensozialisationsforschung darin, dass bislang „keine konzise Theorie der Mediensozialisation vor[liegt], die ihrer Dynamik, Kontingenz, Varietät und Komplexität annähernd gerecht wird“ (Kübler 2010:23, vgl. auch Hoffmann 2007). Gleichwohl bietet die Kinder- und Jugendmedienforschung eine Fülle an Ergebnissen, die die verschiedenen Aspekte der Medienaneignung von Heranwachsenden im Detail betrachtet und wertvolle Befunde zur Sozialisationsrelevanz von Medien liefert. Dimensionen des Medienhandelns von Jugendlichen in aktuellen Medienwelten Ein Kennzeichen jugendlicher Medienaneignung ist es, sich nicht mehr nur den Einzelmedien zuzuwenden, sondern sich die Vorzüge einer konvergenten Medienwelt, insbesondere über die digitalen, meist auch gleichzeitig multifunktionalen Medien, Computer und Internet zu Nutze zu machen (vgl. Wagner/Theunert 2006; Wagner 2011a): Sie verfolgen ihre medialen Vorlieben über 17 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene die Medien hinweg, z.B. ein bevorzugtes Computerspiel mit dem entsprechenden Film und den zugehörigen Internetforen. Jene, die sich tief in die konvergente Medienwelt begeben, zeigen ausgeprägte mediale Vorlieben oder Spezialinteressen, häufig verstärkt durch die Eltern und vor allem die Peergroup. Sie messen Computer und Internet hohen Stellenwert bei und zeigen sich interessiert daran, ihre medienbezogenen Fähigkeiten auszubauen. Phänomene der Medienkonvergenz tragen dazu bei, eine Art Netz aufzuspannen, das verschiedene Inhalte miteinander verknüpft, ehemals getrennte Strukturen zusammenführt und damit neue Räume entstehen lässt, in denen die NutzerInnen selbst Gestaltungsmöglichkeiten haben. Nicht übersehen werden darf dabei, dass diese technischen Entwicklungen von wirtschaftlichen Interessen geprägt sind, wie es Jenkinsals „corporate driven process“ beschreibt (Jenkins 2006a). Die Subjekte nutzen diese mediale ‚Infrastruktur’ und richten sich in ihr ein: Sie nehmen sie in Gebrauch und entwickeln ihre eigenen Aneignungsweisen. Sie nutzen die Möglichkeiten der Medien auch dazu, ihre eigenen Handlungsspielräume zu erweitern, indem sie kreative Wege finden, die Medien an ihre Bedürfnisse anzupassen. In der Medienwelt finden die NutzerInnen Inhalte, sie machen sich mit dem Umgang mit Apparaturen und Strukturen vertraut und sie finden in dieser Infrastruktur Räume, die sie selbst ausgestalten können. Soziale Netzwerkdienste als Interaktions- und Resonanzräume Online zu sein ist ein fester Bestandteil in der Medienzuwendung von Jugendlichen: 65 % der 12- bis 19-Jährigen gehen täglich online, weitere 25 % sind zumindest mehrmals pro Woche im Internet. Sogenannte Social-Web-Angebote wie Facebook oder Schueler-VZ sind ein Muss für viele Jugendliche. Besonders wichtig sind dabei die Pflege und der Ausbau bestehender sozialer Beziehungen. Neben den Möglichkeiten des kommunikativen Austauschs erleichtert das „Mitmach-Netz“ (Fisch/Gscheidle 2008) auch die Möglichkeiten, sich über die eigenen Produkte online in verschiedenen Facetten des eigenen Selbst zu präsentieren, z.B. über die Profile in den Online-Communitys oder eigenen „Channels“ auf Videoplattformen. Die Jugendlichen greifen dabei gerne auf bildhafte und präsentative Ausdrucksformen zurück (vgl. z.B. Wagner/Brüggen/Gebel 2009). In den Artikulationsformen der Jugendlichen in Online-Communitys finden sich zudem vielfältige Spuren massenmedialer Inhalte: Bevorzugte Musikstile, aber auch Fernsehvorlieben und Lieblingsfilme oder -computerspiele werden aufgegriffen und vielfältig weiterverarbeitet, z.B. in Form von Mashups. Mashups bezeichnen das Integrieren und Verweben von fremdproduzierten Inhalten in eigene Produkte, z.B. das Unterlegen einer eigenen Slideshow mit fremdproduzierter Musik. Dabei greifen Jugendliche auf unterschiedliche Quellen für diese massenmedialen Inhalte zurück: Zum Teil auf Material, das von den Anbietern selbst zur Verfügung gestellt wird, zum Teil auf Material, das andere NutzerInnen in Umlauf bringen und dessen Herkunft nicht mehr klar festzustellen ist (Wagner/Brüggen/Gebel 2009). Den Anregungen aus der Peergroup kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Fähigkeiten im Umgang mit multifunktionalen Medien, die gerade die gestalterischen 18 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Tätigkeiten erst ermöglichen, sind bei den Heranwachsenden hoch angesehen. MedienExpertInnen zu sein hat einen hohen Stellenwert unter vielen Jugendlichen (vgl. Wagner 2008). Identitätsarbeit in konvergierenden Medienwelten Für die Arbeit an der eigenen Identität finden die Heranwachsenden in Social Web- Angeboten vielfältige Präsentationsflächen, die dazu einladen, Facetten des eigenen Selbst zu erproben. Gleichzeitig bieten das Internet und seine Angebote einen Fundus an Material, in dem massenmediale Versatzstücke ebenso zu finden sind wie User Generated Content, mit dem die alltägliche Auseinandersetzung mit dem Selbst betrieben werden kann. Die Auseinandersetzung findet dabei auf drei Ebenen statt: Auf der persönlichen, der sozialen und auch der gesellschaftlich- kulturellen Ebene. Die Peergroup ist dabei ein Dreh- und Angelpunkt. Zentral für diese Prozesse der Identitätsarbeit werden nicht nur die gestalterischen Tätigkeiten der Heranwachsenden, sondern auch die Möglichkeiten, sich selbst und die eigenen Werke zur Diskussion stellen zu können (vgl. zu den Ausformungen von Identitätsarbeit ausführlich der Band von Theunert 2009). Jugendliche finden in diesen Räumen zudem die Möglichkeit, sich selbstbestimmte Freiräume zu schaffen. Es konturiert sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Entwicklungsaufgaben im Jugendalter und dem Medienhandeln der Jugendlichen. Neben der Erfahrung sozialer Eingebundenheit bilden Kompetenzerleben und die Erfahrung von Autonomie zwei weitere, zentrale Dimensionen gelingender Identitätsarbeit. Sich selbst als kompetent zu erleben ist für die Heranwachsenden dort möglich, wo sie sich mit ihren Fähigkeiten einbringen können und ihr Wissen als ExpertInnen geschätzt wird: Dies kann z.B. in verschiedenen Jugendszenen wie Computerspielszenen etc., in denen Medien eine wichtige Rolle spielen, erfahren werden. Die Erfahrung von Autonomie tangiert ein wesentliches Motiv, nämlich den Wunsch, sich zur Geltung zu bringen: Gerade über die produktiv-gestalterischen Tätigkeiten kann dieser Wunsch erfüllt werden. Gestaltungsräume für kulturelles Lernen Die Jugendlichen greifen für ihre Selbstdarstellung auf das zurück, was sie in den Medien vorfinden, sie bedienen sich daraus und sie werden kreativ tätig, indem sie Fotos und Videos selbst produzieren. So entstehen neue, eigene Ausdrucksformen, die auch veröffentlicht werden können und so einem mehr oder weniger großen, mehr oder wenig genau definierten Publikum zugänglich gemacht werden. Damit stellt sich die Frage nach den Teilhabemöglichkeiten der Subjekte auf eine neue Weise: Öffentlichkeit wird zu einer Art integrativem Bestandteil, um dem Wunsch nach Zugehörigkeit und nach Beteiligung nachgehen zu können. Publizieren und seine Themen auszudrücken, öffentlich zu machen und eigene Positionen zu vertreten scheint nun nicht mehr an aufwendige Technik gebunden zu sein, sondern im Rahmen des alltäglichen Medienhandelns potentiell zu verwirklichen sein. Jugendliche artikulieren sich in Online-Räumen der Sozialen Netzwerkdienste (z.B. Facebook) auf vielfältige und kreative Art und Weise – ob über eigene Produkte wie 19 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Videos oder Fotos oder über Profilbeschreibungen auf Social Network Sites: Sie können dort Themen platzieren, Standpunkte und Meinungen vertreten sowie die eigene Person und das eigene Erleben thematisieren und mit anderen darüber in Austausch treten. In diesen Prozess der medialen Artikulation werden stets auch Deutungsmuster und Erfahrungen eingebracht, die im Diskurs weiterentwickelt werden (vgl. dazu ausführlich Marotzki 2008). Ausblick Die Betrachtung der Medien als Gestaltungs-, Produktions- und Lebensräume erhält durch Angebote des Social Web neue Akzentuierungen (vgl. Ertelt/Röll 2008). In derartigen Online-Räumen, in denen sich Heranwachsende bewegen und verschiedenartigen Tätigkeiten nachgehen können, haben sie nun mehr denn je Möglichkeiten, sich mit ihren handlungsleitenden Themen und mit unterschiedlich gelagerten Motiven auseinander zu setzen. Sie sind zum einen Rezeptionsfläche für mediale Inhalte und zum anderen Räume zur Interaktion mit anderen und zur Präsentation eigener Werke (vgl. Wagner/Brüggen/Gebel 2009). Diese Räume sind neben den klassischen Sozialisationsinstanzen wie Schule und Elternhaus als informelle Lernräume von großer Bedeutung, gerade in Bezug auf das kulturelle Lernen. Im alltäglichen Austausch werden Handlungsweisen erprobt und Beziehungen gestaltet. Gleichzeitig bietet sich die Möglichkeit, Inhalte nicht mehr nur zu rezipieren, sondern auch aktiv zu generieren, zu bearbeiten und zu veröffentlichen, neue Potentiale für pädagogische Prozesse, die eine nachhaltige Unterstützung für eine souveräne Lebensführung darstellen. 20 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Lisas Medientag Nie in der Geschichte hatten die Menschen so einfach Zugang zu Medien und nie gab es so viele verschiedene Medien wie heute. Damit verbunden sind Möglichkeiten, von denen unsere Vorfahren nur träumen konnten. Um das zu verdeutlichen, begleiten wir die 15-jährige Lisa an einem mehr oder weniger typischen Tag. Smartphone 06:30 Der Wecker ihrer Smartwatch spielt ein Zufalls-Lied ihrer „Werde-endlich- A, I, S wach-Playlist“. Lisa greift verschlafen zu ihrem Smartphone und checkt die Nachrichten der Nacht, verteilt Likes und postet ein „Bin wach. Guten Morgen Welt!“ auf Instagram 06:42 Die Kontrolle der neuesten TikTok-Videos beim Zähneputzen muss heute ausfallen, denn Lisa ist noch fassungslos über den Vertretungsplan. Drei Stunden Unterricht bei Dr. Tafel – sie und ihre Freundinnen besprechen im Chat, wie sie dies überstehen können 07:15 „Papa!“ Lisa und ihr Vater haben ein morgendliches Ritual und streiten sich wie immer um die Titelseite der Zeitung. Lisa gewinnt. 07:45 Die Busfahrt nutzt Lisa wie immer, schließlich waren ihre Lieblings- Youtuber/-innen auch fleißig. Sie kommentiert, wie gut sie das Video mit den Upcycling-Tipps fand 09:35 Politik-Unterricht. Thema: Das Grundgesetz. Lisa benötigt keine Minute, den Text in der aktuellen Fassung im Internet zu finden. „Warum heißt es nicht ‚Verfassung‘?“ fragt die Lehrerin plötzlich ausgerechnet Lisa. Keine Zeit zum Googeln… Lisa improvisiert. 11:20 Der Unterricht bei Dr. Tafel nimmt kein Ende. Zum Glück darf sie ihr iPad benutzen. Sie kontrolliert ihre E-Mails und die Lernaufgaben auf der Schul-Plattform. 14:15 Lisa und ihre Freundinnen haben ihr Essen in der Mensa online vorbestellt und endlich eine Pause. Wenn nur die Mensa-Leute einen anderen Sender im Radio als den mit den Hits der 80er-Jahre wählen würden! 16:00 Lisa muss sich beeilen und ausgerechnet heute hat der Bus Verspätung, was Lisa auf dem Display sieht. Sie schreibt ihren Freunden/-innen, dass sie sich etwas verspätet. 18:35 Die Sitzung ihrer Bürgerinitiative „Fridays and all other days for future“ (FAAODFF) dauerte länger als geplant. Dafür war die Videokonferenz mit zwei anderen Gruppen in den Niederlanden und Schweden echt cool. Zum Glück funktionierte dieses Übersetzungstool. 19:20 Endlich zuhause. Feierabend. Ach nein, sie muss ja noch das Referat über die Bezeichnung „Grundgesetz“ vorbereiten, weil sie auf diese Frage im Unterricht keine richtige Antwort wusste. 19:45 Lisa darf ihren Opa nicht vergessen. Er wartet jeden Abend auf einen – meist sehr kurzen – Telefonanruf von ihr. Außerdem kennt er eine Antwort auf diese Grundgesetz-Frage. 20:01 Jetzt aber. Ihre Eltern warten schon vor der Tagesschau auf sie. Danach muss sie nur noch unauffällig auf Netflix umschalten, damit sie ihre Lieblingsserie schauen kann. 23:14 Lisa fallen die Augen zu, dabei wollte sie doch unbedingt noch das Kapitel mit dem süßen Jungen auf dem Pferdehof lesen. Die böse Stieftante will den Hof nach dem tragischen Unfall verkaufen. Oder so ähnlich. Lisa legt das Buch weg und postet ein „Gute Nacht Welt“ auf Instagram. 1. Notieren Sie in der linken Spalte, welche Medien Lisa jeweils nutzt, und in der rechten Spalte, zu welchem Zweck sie die jeweiligen Medien nutzt. Benutzen Sie folgende Kürzel: U= Unterhaltung, P= Politische Teilhabe, I = Information, B= Bildung, A= Alltagsorganisation, F= Freundschaft/Familie, S= Selbstdarstellung 2. Lisas Alltag ist stark von Medien geprägt. Benennen Sie Vor- und Nachteile davon. 21 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medienkompetenzen nach Baacke Schauen Sie sich das Video zum Thema Medienkompetenzmodell nach Baacke an. Medienkompetenzen nach Baacke Zu den Medienkompetenzen gehören: Medienkritik Das ist die Fähigkeit das Wissen was man über Medien hat anzuwenden und seinen eigenen Umgang mit Medien und dessen Folgen reflektieren zu können. Medienkunde Medienkunde ist das Wissen über die Existenz der Medien (Was gibt es alles?) und die rein praktische Fähigkeit diese gezielt einzusetzen und gegebenenfalls bedienen zu können. Mediennutzung Mediennutzung kann passiv passieren. Das Bedeutet die Person ist ein passiver Konsument von Medien, er nimmt sie war (z.B. Fernsehen) und übernimmt gezeigte Inhalte. Zweite Möglichkeit, die Mediennutzung findet aktiv statt, dann muss die Person das Medium (z.B. Kamera) bedienen da es sonst nutzlos ist. Mediengestaltung Darunter ist der kreative Nutzungsprozess zu verstehen. Wie nutze ich die Medien? Wie verbessere oder erneuere ich sie gegebenenfalls? Selbst etwas Gestalten (z.B. eine eigene Website. Der Begriff „Medienkompetenz“ wurde in den 70er Jahren vom Bildungsforscher Dieter Baacke geprägt. Im digitalen Zeitalter ist es wichtig, Medien effektiv nutzen zu können, um unsere Botschaften (z.B. Lernmaterial, Informationen) auf diese neue Weise (e.g., multisymbolisch über Internet und Geräte) optimal zu kommunizieren. In diesem Sinne ist Medienkompetenz ein notwendiger Aspekt kommunikativer Kompetenz. Es ermöglicht uns in einer digitalisierenden Welt zu orientieren und mit Hilfe unterschiedlichster Medien effektiver an unserer Welt teilnehmen zu können. Baacke fasste den großen Umfang der Medienkompetenz in vier Hauptdimensionen zusammen: Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung. Medienkritik hat drei Unterdimensionen: reflexiv, analytisch und ethisch. Sie betont die Bedeutung des kritischen Denkens und der Reflexion über die eigene Interaktion mit Medien (reflexiv). Es beinhaltet auch die Fähigkeit, mediale Inhalte 22 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene und deren Gestaltung kritisch zu hinterfragen (analytisch) und sich des Einflusses von Medien auf sozialer Ebene bewusst zu sein. Auf diese Weise führt die Medienkritik auch eine ethische Dimension ein. Medienkunde bezieht sich auf grundlegende Kenntnisse von Medien, Mediensystemen, Medienformaten und -geräten. Dies kann weiter in zwei Unterdimensionen unterteilt werden: 1. Die informative Dimension beschreibt klassische Wissensbestände wie z.B. „Was ist ein duales Rundfunksystem? Wie arbeiten Journalisten? Welche Programm-Genres gibt es? Nach welchen Grundsätzen wähle ich meine Programmvorlieben aus? Wie kann ich einen Computer für meine Zwecke effektiv nutzen?“ (GMK, 2016) 2. Die instrumentell-qualifikatorische Dimension beschreibt zusätzlich die nötigen Fähigkeiten, um neue Geräte bedienen zu können Mediennutzung betont das Wissen über die Medienanwendung und konzentriert sich darauf, geeignete Medien auswählen und verwenden zu können. Auch sie hat zwei Unterdimensionen: 1. die rezeptive Anwendung von Medien (e.g., Programm-Nutzungskompetenz) 2. das interaktive Anbieten und Handeln von Medien. Beispiele von Handlungsmöglichkeiten sind Teleshopping, Online-Banking, Telediskurs, Produktion von Podcasts oder Filme usw. Sie ermöglichen es, in der Medienwelt interaktiv tätig zu sein Mediengestaltung bezieht sich auf die Fähigkeit, aktiv an der Gestaltung und Produktion von medialen Inhalten mitzuwirken. Dieser Bereich konzentriert sich auch stark auf kontinuierliche Weiterentwicklung von Mediensystemen. Dies kann auch in zwei Unterdimensionen unterteilt werden: 1. Innovativ (Veränderungen, Weiterentwicklung des Mediensystems innerhalb der angelegten Logik) 2. Kreativ (Betonung ästhetischer Varianten, das Über-die-Grenzen-der- Kommunikationsroutine-hinaus-Gehen, neue Gestaltungs- und Thematisierungsdimensionen) (GMK, 2016) 23 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medienkompetenzen nach Schorb Schauen Sie sich das Video zum Thema Medienkompetenzmodell nach Schorb an. (Wo geht´s hier zur Medienkompetenz) Medienkompetenz als Ergebnis gelungener Medienaneignung (Prof. Dr. Bernd Schorb Leipzig) Medienaneignung Ist der Prozess in dem Medienkompetenz erworben wird durch Nutzung, Wahrnehmung, Bewertung und Verarbeitung von Medien. In diesem Prozess: verarbeiten die Subjekte Gegenstände und Inhalte als Träger menschlicher Erfahrung (historisch und aktuell) entwickeln die aktiven Subjekte durch Medien Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Zwecke der Gestaltung von Welt. vermitteln sich die Subjekte an die Welt unter selbsttätiger Nutzung der Medien. Medienkompetenz basiert auf strukturiertem, zusammenschauendem Wissen sowie einer fundierten ethischen Bewertung der medialen Erscheinungsformen und Inhalte und ist die sowohl Fähigkeit, sich Medien anzueignen, mit ihnen kritisch, genussvoll und reflexiv umzugehen als auch Medien nach eigenen inhaltlichen und ästhetischen Vorstellungen, in sozialer Verantwortung sowie in kreativem und kollektivem Handeln zu gestalten 24 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Aufbauend auf den Elementen aus Baackes' Struktur von Medienkompetenz, schlägt Schorb eine breite Triangulation von Medienwissen, -bewertung und -handeln vor. Diese drei aufeinander bezogenen Hauptaspekte können weiter in Nebenaspekte unterteilt werden. Das Medienwissen ist eng mit Baackes Medienkunde verknüpft und umfasst die Elemente von Funktions-, Struktur- und Orientierungswissen. Funktionswissen bezieht sich besonders auf die instrumentell-qualifizierenden Fertigkeiten, die für den Betrieb von Medien wie Hard- und Software erforderlich sind (e.g., Fähigkeit, ein Computerprogramm zu verwenden, Daten hoch und runter zu laden). Beim Strukturwissen geht es nicht nur um fokussiertes Wissen über Medienformate, -organisation und medienverbreitete Inhalte, sondern auch um komplexe Mediensysteme, wie die von Medien erzeugten Netzwerke, in die die Medien integriert sind. Dies schließen auch die Akteure der Mediennetzwerke und deren politische, wirtschaftliche oder akademische Interessen ein. Der dritte Aspekt Orientierungswissen bildet die Schnittstelle der Wissens- und der Bewertungsdimension. Das Orientierungswissen regt zum Nachdenken an, indem es den Subjekten die Grundlage gibt, ihre eigene Position innerhalb der Vielfalt der angebotenen Medieninhalte zu finden. Um dies zu erreichen, muss man die 25 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene funktionalen und strukturellen Wissensaspekte anhand ihres historischen, ethischen und politischen Kontexts bewerten und abwägen. Im Rahmen der Medienbewertung kann man Wissensbestände zur Orientierung auswählen und dem Medienhandeln Richtung und Handlungsziel geben. Für die Medienbewertung ist es notwendig, Medienangebote und -techniken kritisch zu analysieren, um mögliche Interessen hinter Medienphänomenen erkennen zu können und um über die Struktur, Gestaltung und Wirkung von Medien in einem gegebenen Kontext nachzudenken. Die Medienbewertung umfasst sowohl ethisch- kritische Reflexionen als auch kognitive Analysen. Zur ethisch-kritischen Reflexion gehört z.B. das Nachdenken über den subjektiven und gesellschaftlichen Wert von Informationen der verschiedenen Portale (e.g., Youtube, Wikipedia) und die Wahrnehmung und Kontrolle des eigenen Medienverhaltens und dessen Folgen. Andererseits konzentriert sich die kognitive Analyse auf die gesellschaftliche Einbettung der Medien (z.B. Analyse von Verweisstrukturen und den dahinterstehenden Interessen, Differenzierung zwischen Besitzer und Betreiber von Netzwerkplattformen und deren Folgen für das Netzangebot). Als prozessualer Aspekt der Medienkompetenz beginnt das Medienhandeln mit dem Verstehen der Zeichensprache der Medien und geht weiter zur Mediennutzung, Mediengestaltung sowie aktiven Kommunikation und Zusammenarbeit durch Medienpartizipation. Die Mediennutzung ist die Fähigkeit, Medien zu erarbeiten, zu bearbeiten und zielgerichtet auszuwählen bzw. einzusetzen. Die Mediengestaltung führt das Element Kreativität in das Medienhandeln ein. Sie ist die Erstellung und Bearbeitung von gewünschten Medieninhalten durch den Einsatz eigener kreativer Fähigkeiten und der zur Verfügung stehenden Technologien; „Mediengestaltung ist produzierendes, ästhetisches und selbsttätiges Tun“ (Schorb, 2005). Als Zielrichtung jedes Medienhandelns beschreibt die Medienpartizipation nicht nur die aktive Beteiligung an medial gestaltete gesellschaftliche Information und Online- Kommunikation, sondern auch die Fähigkeit, durch Austauschhandeln eine menschliche, virtuelle Gemeinschaft mitzugestalten. 26 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Medienpädagogische Strömungen 1. Die bewahrpädagogische Auffassung – Schutz vor schädlichen Medien. Der bewahrpädagogische Ansatz (Zusammenfassung von Gert Egle) Als Konzept der Medienerziehung kann der bewahrpädagogische Ansatz auf eine lange Geschichte zurückgreifen. Sie setzt mit dem 19. Jahrhundert ein, als Printmedien zu Massenmedien werden, und setzt sich fort mit dem Aufkommen des Films Anfang des 20. Jahrhunderts. Bewahrpädagogische Ansätze gehen von diesen Grundannahmen aus: Lernen vollzieht sich in Form eines Reiz-Reaktions-Modells. Medien besitzen eine unmittelbare Wirkung auf den Rezipienten. Medien besitzen ein gefährliches Sucht-, Verführungs- und Manipulationspotenzial. Kinder und Jugendliche verfügen weder über die nötigen kognitiven, affektiven, moralischen oder sozialen Voraussetzungen, um Medienerfahrungen einordnen und verarbeiten zu können. Heranwachsende sind ohne Schutz durch Reizüberflutung, mediale Scheinwelt und "schlechte" Massenunterhaltung überfordert. Daher verfolgt der bewahrpädagogische Ansatz die folgenden Ziele: Bewahren und Behüten von Kindern vor den schlechten Einflüssen der Medien Vorbeugen vor einem schädlichen Umgang mit den Medien Heranführen an positiv begutachtete Medienprodukte 27 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Einsetzen von pädagogisch geeigneten Medien Bewahrpädagogische Medienerziehung bedeutet in der Praxis: Etablierung von gesetzlichen Regelungen und Medienkontroll- und Begutachtungsorganen Fernhalten jüngerer Kinder von elektronischen Medien Steuerung des Medienkonsums der Heranwachsenden hin zum "guten" Medienprodukt (u. a. "Filmgespräch") Bereitstellen von Möglichkeiten nicht-medialer Alltagsgestaltungsweisen (vgl. Six, U. u.a. 1998) Kritik des Ansatzes Bewahrpädagogische Konzepte der Medienerziehung gelten heute, zumindest was ihre Grundannahmen anbelangt, als weitgehend überholt, auch wenn andere medienerzieherische Ansätze einige ihrer "Gedanken unter einer veränderten Perspektive weiterführen." (Six, U. u.a. 1998, S.39) Dabei hat die Kritik am bewahrpädagogischen Ansatz hervorgehoben: Trotz zahlreicher gesetzlicher Regelungen und Medienkontrollinstanzen sind die möglichen Risiken der Mediennutzung und ihrer Wirkungen nicht verringert worden. Gerade auch Medien, die von den Medienkontrollinstanzen nicht beanstandet worden sind, können sich für die Kinder als belastend auswirken. Es ist unmöglich, Kinder von den Medien wirklich fernzuhalten. Das Fernhalten der Kinder von den Medien verzichtet darüber hinaus auf die Vermittlung notwendiger Medienkompetenzen. Die Grundannahmen der "klassischen" Bewahrpädagogik sprechen den Kindern und Heranwachsenden ab, eine medienbezogene Selbständigkeit zu entwickeln. Die wesentlichen Annahmen der Bewahrpädagogik lassen die von der modernen Medienforschung erbrachten Erkenntnisse über das komplexe Wirkungsgefüge bei der Mediennutzung außer Acht. (vgl. Six, U. u.a. 1998, S.39 28 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Der Jugendmedienschutz als Vertreter der Bewahrpädagogik Eingriffsstufen des Jugendschutzgesetzes Altersdifferenzierte Verbote durch die FSK Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft USK Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle Aufgabe: Alterskennzeichnung Rechtliche Grundlagen: Jugendschutzgesetz (JuSchG) JugendmedienschutzStaatsvertrag (JMStV) Altersfreigabe gemäß UNBEDENKLICHKEIT Die FSK-Einstufungen Das Kennzeichen "FSK ab 0 freigegeben" entspricht dem bisherigen Kennzeichen "Freigegeben ohne Altersbeschränkung". Kleinkinder erleben filmische Darstellungen unmittelbar und spontan. Ihre Wahrnehmung ist vorwiegend episodisch ausgerichtet, kognitive und strukturierende Fähigkeiten sind noch kaum ausgebildet. Schon dunkle Szenarien, schnelle Schnittfolgen oder eine laute und bedrohliche (Freigegeben ohne Geräuschkulisse können Ängste mobilisieren oder zu Altersbeschränkung) Irritationen führen. Kinder bis zum Alter von sechs Jahren identifizieren sich vollständig mit der Spielhandlung und den Filmfiguren. Vor allem bei Bedrohungssituationen findet eine direkte Übertragung statt. Gewaltaktionen, aber auch Verfolgungen oder Beziehungskonflikte lösen Ängste aus, die nicht selbständig und alleine abgebaut werden können. Eine schnelle und positive Auflösung problematischer Situationen ist daher sehr wichtig. Ab sechs Jahren entwickeln Kinder zunehmend die Fähigkeit zu kognitiver Verarbeitung von Sinneseindrücken. Allerdings sind bei den sechs bis elfjährige beträchtliche Unterschiede in der Entwicklung zu berücksichtigen. Etwa mit dem neunten Lebensjahr beginnen Kinder, fiktionale und reale Geschichten unterscheiden zu können. Eine distanzierende Wahrnehmung wird damit möglich. Bei jüngeren Kindern steht hingegen noch immer die emotionale, episodische Impression im Vordergrund. Ein sechsjähriges Kind taucht (Freigegeben ab 6 Jahren) noch ganz in die Filmhandlung ein, leidet und fürchtet mit 29 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene den Identifikationsfiguren. Spannungs- und Bedrohungsmomente können zwar schon verkraftet werden, dürfen aber weder zu lang anhalten noch zu nachhaltig wirken. Eine positive Auflösung von Konfliktsituationen ist auch hier maßgebend. Bei Kindern und Jugendlichen dieser Altersgruppe ist die Fähigkeit zu distanzierter Wahrnehmung und rationaler Verarbeitung bereits ausgebildet. Erste Genre-Kenntnisse sind vorhanden. Eine höhere Erregungsintensität, wie sie in Thrillern oder Science-Fiction-Filmen üblich ist, wird verkraftet. Problematisch ist dagegen zum Beispiel die Bilderflut harter, gewaltbezogener Action-Filme, die zumeist noch nicht selbständig verarbeitet werden kann. (Freigegeben ab 12 Jahren) 12- bis 15-jährige befinden sich in der Pubertät, einer Phase der Selbstfindung, die mit großer Unsicherheit und Verletzbarkeit verbunden ist. Insbesondere Filme, die zur Identifikation mit einem "Helden" einladen, dessen Rollenmuster durch antisoziales, destruktives oder gewalttätiges Verhalten geprägt ist, bieten ein Gefährdungspotenzial. Die Auseinandersetzung mit Filmen, die gesellschaftliche Themen seriös problematisieren, ist dieser Altersgruppe durchaus zumutbar und für ihre Meinungs- und Bewusstseinsbildung bedeutsam. Parental Guidance (PG): Das Jugendschutzgesetz ermöglicht Kindern ab 6 Jahren Kinovorstellungen ab 12 Jahren in im Kino den Besuch von Filmen mit einer FSK-Freigabe ab Begleitung der Eltern oder einer 12 Jahren, wenn Sie von einem Elternteil oder Vormund erziehungsbeauftragten Person für begleitet werden. Ab dem 01. Mai 2021 gilt diese Regel Kinder ab 6 Jahren erlaubt auch, wenn die Kinder in Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person sind. Weitere Informationen finden Sie Bei 16- bis 18-jährigen kann von einer entwickelten Medienkompetenz ausgegangen werden. Problematisch bleibt die Vermittlung sozial schädigender Botschaften. Nicht freigegeben werden Filme, die Gewalt tendenziell verherrlichen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen, einzelne Gruppen diskriminieren oder Sexualität auf ein reines Instrumentarium der Triebbefriedigung reduzieren. Auch (Freigegeben ab 16 Jahren) die Werteorientierung in Bereichen wie Drogenkonsum, politischer Radikalismus oder Ausländerfeindlichkeit wird mit besonderer Sensibilität geprüft. 30 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Das Kennzeichen "FSK ab 18" entspricht dem bisherigen Kennzeichen "Keine Jugendfreigabe". Dieses Kennzeichen wird vergeben, wenn keine einfache bzw. schwere Jugendgefährdung vorliegt. Nach § 14 Abs. 3 u. 4 des Jugendschutzgesetzes erfolgt für DVDs und Blu-ray Discs die Vergabe des Kennzeichnens "FSK ab 18", wenn keine einfache Jugendgefährdung vorliegt, für die öffentliche Filmvorführung, wenn der Film nicht schwer (Keine Jugendfreigabe) jugendgefährdend ist. Gekennzeichnete Filme, DVDs und Blu-ray Discs werden von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) nicht indiziert. Keine Kennzeichnung Bei einer Altersfreigabe für Kinofilme muss nach § 14 Abs. 3 Jugendschutzgesetz (JuSchG) auch bei einer Freigabe "ab 18 Jahren" auf eine "schwere Jugendgefährdung" hin geprüft werden. Hintergrund der gesetzlichen Bestimmungen ist, dass in Einzelfällen auch Jugendliche Zutritt zu den Vorstellungen erhalten könnten. Bei einer Freigabe von Filmen auf DVD, Blu-ray oder vergleichbaren Bildträgern besteht verstärkt die Gefahr, dass bereits Jugendliche Filme sehen, die erst "ab 18 Jahren" freigegeben sind. Hier reicht daher bereits eine "einfache Jugendgefährdung" aus, damit keine Kennzeichnung ausgesprochen werden darf. Es ist daher möglich, dass ein Film, der im Kino eine Freigabe "ab 18 Jahren" erhalten hat, in der gleichen Version für eine Veröffentlichung auf DVD keine Freigabe erhält. Die gesetzlichen Bestimmungen zum Jugendschutz sind hier eindeutig und bindend für die Arbeit der FSK. "Keine Kennzeichnung" stellt aber kein Aufführungsverbot dar. Kinos können auf eigenes rechtliches Risiko den Film vorführen - allerdings nur vor Erwachsenen. Kommt ein Gericht – beispielsweise nach einer Anzeige - zur Auffassung, dass es sich um einen "schwer jugendgefährdenden Film" handelt, sind unter anderem Werbung und Ankündigung gesetzlich verboten und daher strafbar (Jugendschutzgesetz, § 15 Abs. 1). Über den Jugendschutz hinaus möglicherweise zu berücksichtigenden strafrechtlichen Beständen fallen ebenfalls in den Aufgabenbereich der Justiz - und nicht der FSK. 31 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene 32 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Verbote gegenüber Minderjährigen durch die BzKJ Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (ehemals BPjM) Prüfstelle /gJMS Aufgabe: Jugendgefährdende Medien strafbewehrten Verboten zu unterwerfen, damit sie nur noch Erwachsenen, nicht aber Kindern oder Jugendlichen zugänglich sind Rechtliche Grundlagen: Jugendschutzgesetz (JuSchG) JugendmedienschutzStaatsvertrag (JMStV) Indizierung bei JUGENDGEFÄHRDUNG Was kann Gegenstand der Indizierung werden? In § 18 JuSchG heißt es: (1) Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundeszentrale nach Entscheidung der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste (Liste jugendgefährdender Medien) aufzunehmen. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende Medien sowie Medien, in denen 1. Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder 2. Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahegelegt wird. Eine Indizierung ist keine Zensur! Wie kann eine Indizierung ausgelöst werden? Innerhalb der Bundzentrale (BzKJ) ist die Prüfstelle für die Durchführung der Indizierungsverfahren zuständig. Ein Verfahren der Prüfstelle kann auf zwei Wegen zustande kommen: Durch den Antrag einer Stelle, die vom Gesetz dazu besonders ermächtigt worden ist (Obersten Jugendbehörden der Länder, die Landesjugendämter, die Jugendämter, die zentrale Aufsichtsstelle der Länder für den Jugendmedienschutz (Kommission für Jugendmedienschutz, KJM) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) 33 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene und durch Anregung einer Behörde bzw. eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe Privatpersonen, denen ein Medium jugendgefährdend erscheint, können selbst keinen Antrag und keine Anregung zur Indizierung an die Prüfstelle richten. Wenden Sie sich bitte deshalb zunächst beispielsweise an die Polizei oder Ihr örtliches Jugendamt. Alle Jugendämter sind antragsberechtigt. Ein Antrag verpflichtet zum Prüfverfahren; bei der Anregung bleibt ein Ermessensspielraum. 34 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Allgemeine Inhaltsverbote durch die Strafverfolgungsbehörden/ Staatsanwaltschaften Aufgabe: Beschlagnahmung und Einziehungen von Medien Rechtliche Grundlagen: Straftatbestände nach: Strafgesetzbuch (StGB) Grundgesetz (GG) „Verbot“, wenn SOZIALSCHÄDLICH Beschlagnahmen und Einziehung von Medien Medien, die Straftatbestände erfüllen, gelten nicht nur als (schwer) jugendgefährdend, sondern als sozialschädlich, ihre Verbreitung ist deshalb generell untersagt. Beschlagnahmen und Einziehungen von Medien sind Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden/ Staatsanwaltschaften. Gegen das Strafgesetzbuch (StGB) verstoßende Medieninhalte: § 86 StGB verfassungsfeindliche oder gegen Völkerverständigung gerichtete Propaganda § 86a StGB Kennzeichen verfassungsfeindlicher Parteien §130 StGB rassistische, völkische, nationalistische oder religiöse Volksverhetzung sowie Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischen Völkermords § 130a StGB die Anleitung zu schweren Straftaten wie Mord, Totschlag, Freiheitsberaubung, Erpressung oder Raub, Landfriedensbruch oder gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen § 131 StGB Darstellungen unmenschlicher Gewalttätigkeit in verherrlichender, verharmlosender oder menschenunwürdiger Weise § 184a StGB Gewalt- und Tierpornographie § 184b StGB Kinderpornographie 35 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene Einzelfallbezogene Prüfung auf Sozialadäquanz Mit Hakenkreuzen spielt man doch. „Through the Darkest of Times“ ist das erste deutsche Computerspiel, in dem Hakenkreuze und Hitlergruß gezeigt werden dürfen. Nach der sogenannten Sozialadäquanzklausel in § 86a 3 i.V.m. §86 Absatz 3 StGB greift der Tatbestand nicht, wenn die Handlung der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient. Die sog. Sozialadäquanzklausel gilt für die Strafvorschriften: - verfassungsfeindliche oder gegen die Völkerverständigung gerichtete Propaganda - Kennzeichen verfassungsfeindlicher Parteien - rassistische, völkische, nationalistische oder religiöse Volksverhetzung sowie die Leugnung oder Verharmlosung nationalsozialistischen Völkermords - die Anleitung zu schweren Straftaten wie Mord, Totschlag, Freiheitsberaubung, Erpressung oder Raub, Landfriedensbruch oder gemeingefährlichen Verbrechen und Vergehen Seit 2018 berücksichtigt die USK bei Altersfreigaben von Spielen die Sozialadäquanz. Die USK ändert ihre Praxis im Verfahren zur Altersfreigabe von Spielen, in denen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet werden. Ab jetzt kann die Sozialadäquanzklausel durch die USK-Gremien bei der Prüfung von Computerspielen mit einbezogen werden. Damit können solche Computerspiele eine Altersfreigabe der USK erhalten, in denen die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen von den USK-Gremien als sozialadäquat beurteilt wird. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, daß Symbole verfassungsfeindlicher Organisationen in einem Titel verwendet werden können, 36 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene sofern dies der Kunst oder der Wissenschaft, der Darstellung von Vorgängen des Zeitgeschehens oder der Geschichte dient. Am grundsätzlichen Verbot von Kennzeichen gem. §86a StGB hat sich jedoch nichts geändert. Daher verlangt eine Entscheidung über eine Altersfreigabe immer die Prüfung im Einzelfall und stellt keine generelle Ausnahme dar. Die Änderung wurde durch eine veränderte Rechtsauffassung der zuständigen Obersten Landesjugendbehörde möglich, die den aktuellen rechtlichen Bewertungen Rechnung trägt. 37 Medienpädagogik | Anja Blumauer-Geene 38