SKRIPT LEHREN UND LERNEN PDF
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Universität Regensburg
2023
Simone Deinzer
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This document is a script on the topic of teaching and learning in pedagogical psychology. It covers various concepts, including learning theories, memory, knowledge acquisition, homework, problem-solving, learning strategies, self-regulated learning, teaching, class quality, group/cooperative learning, learning with media, and learning transfer. It's intended for use in psychology courses, specifically in the context of the 2023 spring exam at the University of Regensburg.
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Teilbereich 1 Pädagogische Psychologie des Lehren und Lernens Stand: Frühjahr 2023 1 Inhaltsverzeichnis Lernen und Lerntheorien................................................................................................. 3 Gedächtnis......................................
Teilbereich 1 Pädagogische Psychologie des Lehren und Lernens Stand: Frühjahr 2023 1 Inhaltsverzeichnis Lernen und Lerntheorien................................................................................................. 3 Gedächtnis...................................................................................................................... 29 Wissenserwerb............................................................................................................... 43 Hausaufgaben................................................................................................................. 53 Problemlösen.................................................................................................................. 54 Lernstrategien................................................................................................................ 56 Selbstreguliertes Lernen................................................................................................ 64 Lehren............................................................................................................................. 70 Unterrichtsqualität......................................................................................................... 83 Lernen in Gruppen/ Kooperatives Lernen..................................................................... 95 Lernen mit Medien....................................................................................................... 100 Lerntransfer.................................................................................................................. 102 Dieses Skript wurde für das Psychologie-Examen im Frühjahr 2023 an der Universi- tät Regensburg erstellt. Es basiert auf sämtlichen Skripten, die momentan im Um- lauf sind (z.B. Münchner Skripte, Regensburger Skripte, Erlangener Skripte etc.) so- wie den Literaturempfehlungen und Vorbereitungskursen der Uni Regensburg. Das Skript bieten einen breiten Überblick über so gut wie jeden bisher abgefragten Themenbereich. Jedoch gebe ich keine Garantie für Richtigkeit oder Vollständigkeit! Da sehr viel Arbeit und Zeit in diesem Skript steckt, bitte ich, von einer selbststän- digen Weiterleitung des Skripts an andere abzusehen. Das Skript kann gegen eine kleine Aufwandsentschädigung erworben werden. Viel Erfolg bei den Vorbereitungen! Liebe Grüße, Simone Deinzer 2 PÄDAGOGISCHE PSYCHOLOGIE DES LEHREN UND LERNENS Lernen und Lerntheorien 1. Grundbegriffe Lernen Lernen ist der Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderung im Erleben und Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrungen kommt. (Hasselhorn & Gold, 2013) → Eine Definition, die alle Aspekte des Lernens umfasst ist nicht bekannt! Lehren und Lernen stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Verschiedene Arten der Darbietung Intentionelles Lernen: Absichtlich, zielgerichtet Inzidentelles Lernen: Beiläufig, häufig effektiver, unbewusst, manchmal unerwünscht! Programmiertes Lernen: Lerntempo, Lernschritte Modelllernen 3 2. Lernen als Verhaltensänderung Lernen als Verhaltensänderung Lernen ist der Vorgang, durch den eine Aktivität im Gefolge von Reaktionen des Organismus auf die Umweltsituation entsteht oder verändert wird. Dies gilt jedoch nur, wenn sich die Art der Aktivitäts- veränderung nicht auf der Grundlage angeborener Reaktionstendenzen, von Reifung oder von zeit- weiligen organismischen Zuständen (z.B. Ermüdung, Drogen) erklären lässt. (Hilgard & Bower, 1970) Annahmen 1. Lernen beruht auf Erfahrungen Austausch zwischen Person und Umwelt Durch Erfahrungen erhalten Reize eine Bedeutung (Bsp.: Schweigefuchs bei Lärm) Reiz → Erfahrungsbedingte Reaktionen Abzugrenzen von: Reifung (altersbedingte Entwicklung) und physiologischen Ursachen (Müdigkeit, Krankheit, Rausch) 2. Lernen führt zu Veränderung von Verhalten oder Verhaltenspotentialen Lernen an sich ist nicht beobachtbar, aber Verhaltensveränderungen Beobachtbare sprachliche oder psychomotorische Veränderungen sind ein direkter Beleg für Lernen (z.B. Gedicht jetzt auswendig können oder Frage der Lehrkraft beantworten können) 3. Lernen sorgt für relativ dauerhafte Veränderung Lernprozess sollte zeitlich stabil sein und in verschiedenen Situationen reproduziert werden können In der Schule oft weniger zeitlich stabil, aber durch Hinweisreize sollten in der Schulzeit ge- lerntes Wissen wieder abgerufen werden können → Wenn nicht hat der Lernprozess nicht die gewünschte Veränderung bewirkt 2.1. Klassisches Konditionieren Klassisches Konditionieren gehört zum Behaviorismus. Behaviorismus Behaviorismus ist ein wissenschaftlicher Ansatz, der das Feld der Psychologie auf messbares, be- obachtbares Verhalten reduziert. Aus behavioristischer Perspektive interessiert damit nur objektiv bestimmbares Verhalten und dessen Beziehungen zur Umweltstimuli. (Zimbardo & Gerrig, 2008) Begründer des Behaviorismus: Watson 4 2.1.1. Definition Klassisches Konditionieren Klassisches Konditionieren ist eine Art des Lernens, bei der Verhalten ( konditionierte Reaktion, CR ) durch einen Stimulus ( konditionierter Stimulus, CS ) hervorgerufen wird, welcher seine Wirkung durch die Assoziation mit einem biologisch bedeutsamen Stimulus ( unkonditionierter Stimulus, UCS ) erlangte. (Zimbardo, 2008) 2.1.2. Grundprinzip Begriffe NS (Neutraler Stimulus) = Ursprünglich unbedeutender Reiz, der bisher keine Reaktion hervorgerufen hat UCS (Unkonditionierter Stimulus) = Reiz, der auf natürlichem Weg eine bestimmte Reaktion hervorruft UCR (Unkonditionierte Reaktion, Response) = Nicht gelernte, biologisch vorgeformte Reaktion, durch einen UCS hervorgerufen CS (Konditionierter Stimulus) = Ein Reiz, der eine emotionale oder physiologische Reaktion nach einem Konditionierungsvorgang hervorruft CR (Konditionierte Reaktion, Response) = Reaktion, durch einen CS hervorgerufen, gelernte Antwort auf einen vorher neutralen Reiz Prinzip Ausgangspunkt: Angeborene Reiz-Reaktionsverbindungen 1. NS → Keine spezifische Reaktion 2. UCS → UCR 3. NS + UCS → UCR Nach mehrmaliger Kopplung des NS und UCS 4. NS → CS Beim klassischen Konditionieren wird keine neue Reaktion gelernt, es entsteht lediglich eine neue Reiz-Reaktions-Verbindung. Motivation und Einsicht spielen bei klassischen Konditionieren keine Rolle! 5 Phasen der Konditionierung 1. Kontrollphase Futter (UCS) → Speicherfluss (UCR) Glocke (NS) → Keine Reaktion 2. Konditionierungsphase Glocke (NS) + Futter (UCS) → Speichelfluss (UCR) 3. Nachkonditionierungsphase/Löschungsphase Glocke (CS) → Speichelfluss (CR) Bekräftigung Um eine konditionierte Reaktion zu erwerben, sind Wiederholungen der Kopplung von neutralem und unkonditionierten Reiz nötig. Wie viele, hängt von der Intensität des UCS ab! 2.1.3. Experiment: Pawlowsche Hund Experiment nach Iwan Pawlow (1905) 2.1.4. Drei Prinzipien des Konditionierens Kontiguität = Zeitlich und/oder räumlich gemeinsames Auftreten der Reize NS und UCS Kontingenz = Vorhersagbarkeit = Zuverlässige Beziehung zwischen Reaktion und Konsequenz → Ereignisse müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufeinander folgen Informativität = Abheben des diskriminativen Reizes vom Rest der Umwelt 6 2.1.5. Weitere Prozesse klassischer Konditionierung Reizgeneralisierung Die konditionierte Reaktion kann auch bei anderen, dem konditionierten Reiz ähnlichen Stimuli auf- treten. Beispiel: Albert hat auch Angst vor anderen weißhaarigen Dingen. → Je ähnlicher der Reiz, desto wahrscheinlicher das Auftreten Reizdiskrimination Gegenteil zur Generalisierung. Stimuli, die dem konditionierten Reiz nicht ähnlich sind, sollten keine konditionierte Reaktion hervor- rufen! Beispiel: Albert darf zwischendrin mit Bauklötzen spielen. Dies freut ihn und ruft keine Furcht hervor. Konditionierung höherer Ordnung Wird ein konditionierter Reiz mit weiteren Reizen gekoppelt, kann dieser selbst CR auslösen. Beispiel: Verknüpfung von Klassenarbeit und Angst, nicht nur Klassenarbeit selbst löst Angst aus, sondern bereits deren Ankündigung oder ein Papierstapel. 1. Papierstapel (NS) → Keine spezifische Reaktion 2. Klausur (CS1) → Angst (CR1) 3. Papier (NS) + Klausur (CS1) → Angst (CR1) 4. Papier (CS2) → Angst (CR2) Extinktion CR geht verloren, wenn über einen längeren Zeitraum lediglich CS angeboten wird und dadurch nicht mehr mit dem UCS in Verbindung gebracht werden kann. → CR wird dadurch im Verlauf der Zeit immer schwächer bis er schließlich ausbleibt Generell ist es schwieriger eine konditionierte Reaktion vollständig zu löschen als sie zu erwerben. Gegenkonditionierung nach Bruner & Zeltner (1980) Eine Methode zum Umlernen bei unerwünschten Verhaltensweisen Anstelle des bisherigen, unerwünschten Verhaltens wird ein erwünschtes Verhalten gelernt Die unangebrachte Reaktion wird durch eine andere ersetzt, wobei der Ursprungsreiz gleich- bleibt Vom neu gelernten Verhalten wird angenommen, dass es mit dem bisherigen inkompatibel ist → Oft bei selbstverletzendem Verhalten angewandt 7 2.1.6. Empirie „Little Albert“ nach Watson & Rayner (1920) 1. Kontrollphase Lautes Geräusch durch Schlagen mit Hammer auf Eisenstange (UCS) → Angst (UCR) Ratte (NS) → Keine Reaktion 2. Konditionierungsphase Lautes Geräusch (UCS) + Ratte (NS) → Angst (UCR) 3. Nachkonditionierungsphase/Löschungsphase Ratte (CS) → Angst (CR) „Little Peter“ nach Jones (1924) Ausgangslage Peter (3 J.) hat Angst vor weißen Ratten und hatte diese Angst auch auf andere Objekte übertragen (Kaninchen, Wattebällchen, Pelzmäntel). Behandlung Gegenkonditionierung, also Abbau der Angst durch Kopplung einer angenehmen Situation (Essen von Eis) mit dem gefürchteten Objekt. Ablauf 1) Ratte (CS) in einem Käfig im Zimmer → Furcht (CR), aber relativ weit weg von Peter Kind bekam währenddessen Eis (UCS) → Angenehme Reaktion (UCR) 2) Ratte wurde etwas näher herangestellt während er Eis aß 3) Nach mehreren solcher Sitzungen: Peter hatte jegliche Angst vor dem Tier verloren Systematische Desensibilisierung nach Wolpe (1958) Ausgangspunkt Bestimmte Reaktionen sind unvereinbar → Mensch kann sich nicht im Zustand der Entspannung befinden und zugleich Furchterlebnisse empfinden (deswegen gut bei Phobien anwendbar) Methode Menschen durch geeignete Übungen zur völligen Entspannung bringen und in diesem Zustand mit dem furchtauslösenden Reiz konfrontieren → Überwindung der Furcht (Methode war erfolgreich!) Ablauf 1) Erstellung einer Angsthierarchie von der am wenigsten bis zur am stärksten furchteinflößen- den Situation 2) Erlernen der Entspannungstechnik 3) Durcharbeiten der Angsthierarchie auf rein mentaler Ebene, dabei Einsatz von Entspan- nungstechniken (wenn Angstgefühl einsetzt) 4) Durcharbeiten der Angsthierarchie auf realer Ebene 8 2.1.7. Schulbezug Übertragung Schulangst auf Fächer (Konditionierung höherer Ordnung) Mathe (NS) → Keine Reaktion Lehrer (CS1) → Furcht (CR1) Lehrer (CS1) + Mathe (NS) → Furcht (CR1) Mathe (CS2) → Furcht (CR2) Äußerungshemmung Ein Kind erfährt in der Grundschule häufig Kritik bezüglich seiner Äußerungen seitens der Lehrkraft. Nun, auf der weiterführenden Schule hat der Jugendliche eine Äußerungshemmung entwickelt und arbeitet im Unterricht so gut wie nie mit. Es wird eine Gesprächstherapie empfohlen. Bei dieser äußert das Gegenüber Verständnis. Dadurch wird die Erwartung des Jugendlichen „enttäuscht“, zurechtgewiesen zu werden. Bei mehrmaliger Durchführung wird er in der neuen Verhaltensweise „Sprechen“ bestärkt. Entstehung von Schulangst nach Gage & Berliner (1996) Schulgebäude (NS) → Keine Reaktion Negative Erfahrungen in der Schule (UCS) → Angst (UCR) Schulgebäude (NS) + Negative Erfahrung (UCS) → Angst (UCR) Schulgebäude (CS) → Angst (CR) 2.1.8. Kritik an der Theorie Mechanistische Lernauffassung Geeignete Umweltbedingungen müssen geschaffen werden, sodass sich gewünschte Verhal- tensweisen einstellen Menschen reagieren jedoch unterschiedlich auf scheinbar gleiche Bedingungen → Gleicher Stoff wird von Schülern unterschiedlich aufgenommen Fehlende Erklärung für neues Verhalten Es kann nicht erklärt werden, wie neues Verhalten entsteht Es werden keine neuen Verhaltensweisen gelernt, sondern lediglich Verbindungen mit ver- haltensauslösenden Reizen gestärkt Reaktionen an sich verändern sich nicht Beschränkte Anwendbarkeit Nur auf eingeschränktes Spektrum von Verhaltensweisen anwendbar Gezielte Vermittlung von Verhaltensweisen nur begrenzt möglich Andere Lernprinzipien nötig 9 Experiment Watson & Watson (1928) Zwei Söhne wurden behavioristisch erzogen, wie kleine Erwachsene behandelt, ohne Liebe und Zu- neigung, beide Söhne begingen Selbstmordversuche (begrenzte praktische Bedeutung). Fehlende Generalisierbarkeit Evolutionär sind einige Reize besser geeignet als andere z.B. hatte der Mensch schon immer mehr Respekt vor Tieren als vor Pflanzen 2.2. Operantes Konditionieren 2.2.1. Definition Operantes (instrumentelles) Konditionieren Lernform, bei der sich die Wahrscheinlichkeit einer Reaktion aufgrund einer Veränderung ihrer Kon- sequenzen verändert. (Zimbardo, 2008) 2.2.2. Grundprinzip Begründer: Watson, Skinner Nicht mehr Reiz-Reaktion entscheidend, sondern vorangegangene und nachfolgende Bedingungen → Konzentration auf Konsequenzen Lernen durch Konsequenzen von Verhalten → Verhalten steht in Verbindung mit Ereignissen, die ihm nachfolgen Operant = Jedes Verhalten, das von einem Organismus gezeigt wird und anhand seiner beobachtbaren Effekte auf die Umwelt des Organismus beschrieben werden kann Ergebnis: Erhöhung oder Verminderung der Wahrscheinlichkeit, dass operantes Verhalten erneut auftritt. Instrumentelle Konditionierung = Eine Aktivität ist ein Mittel zur Erreichung einer bestimmten Konsequenz Die Verhaltensweise wird dann zum Instrument, eine unangenehme Konsequenz zu verhindern oder eine angenehme herbeizuführen. 10 Prinzip der Verstärkung und Bestrafung Darbietung Beseitigung Angenehmer Reiz Positive Verstärkung Bestrafung Typ II Unangenehmer Reiz Bestrafung Typ I Negative Verstärkung Abbau von Verhalten Aufbau von Verhalten Verstärker = Jeder Reiz in der Folge eines Verhaltens, durch den sich die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens erhöht → Beispiel extrinsische Verstärker: Süßes, Stempel, Anerkennung, Lob, Lächeln, etc. Positive Verstärkung = Darbietung eines angenehmen Reizes (Lob, Anerkennung, Beachtung) Negative Verstärkung = Entzug eines unangenehmen Reizes (Keine Hausaufgaben) Bestrafung Typ I = Darbietung eines unangenehmen Reizes (Umsetzen, Strafarbeit) Bestrafung Typ II = Entzug eines angenehmen Reizes (Kein Wandertag, Handy wegnehmen) Ob ein Verstärker wirksam ist, zeigt sich erst im Nachhinein, wenn sich die Auftretenswahrscheinlich- keit ändert. 2.2.3. Lerngesetze nach Thorndike 1. Gesetz der Bereitschaft Motivationale Bereitschaft, durch die ein Lerner dazu neigt, etwas als angenehm oder unangenehm zu empfinden. 2. Gesetz der Übung Stärkung einer Verknüpfung durch Übung → Schwächung einer Verknüpfung durch Nicht-Übung 3. Gesetz des Effekts (law of effect) Kraft eines Stimulus wird verstärkt, wenn der Reaktion eine Belohnung folgt und geschwächt, wenn keine Belohnung folgt. Bestrafung hat kaum einen Effekt. Befriedigende Konsequenz → Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion steigt Unbefriedigende Konsequenz → Auftretenswahrscheinlichkeit dieser Reaktion sinkt Ergebnis: Lernen ist keine Assoziation zwischen zwei Reizen, sondern zwischen Reizen (S) und einer Reaktion (R), gelernt wird durch eine S-R-Verbindung. 11 2.2.4. Experimente: Katzenexperiment, Skinner-Box Katzen Experiment nach Thorndike (1898) Beobachtung von Katzen, die versuchten, sich aus der sogenannten „Puzzlebox“ zu befreien. Versuchsablauf Hungrige Katze wurde in einen Käfig gesperrt, vor dem Futter stand Durch einen Tritt auf eine Taste konnte das Versuchstier die Tür öffnen und somit an das Fut- ter gelangen Katze zeigte zuerst spontane Verhaltensweisen, um sich zu befreien (z.B. Kratzen an den Git- terstäben) → Trial & Error-Versuche Zufälliger Tritt auf die Taste→ Tür öffnet sich → Katze gelangt an das Futter Katze hat Erfolg → Katze drückt immer wieder die Taste Bei Erfolg immer schneller zielgerichtetes Verhalten (law of effect) → Konsequenzen als entscheidende Determinante des Verhaltens Skinner Box nach B.F. Skinner (1930) Unterschied zu Thorndike Nicht nur Beobachtung, sondern Kontrolle des Verhaltens mithilfe einer vorausgehenden Reizbedingung Die grundlegende Frage war nicht wie bei Thorndike, unter welchen Bedingungen sich das Verhalten verändern lässt, sondern wie sich das Verhalten unter Kontrolle bringen lassen kann durch vorausgegangenen Reiz Vollständig leerer Käfig mit glatten Wänden, einer Lichtquelle und einem Hebel für Ratten. Versuchsablauf Futterpille für die Ratte durch Drücken des Hebels → Keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Drückens Zusätzlich vorausgehende Reizbedingung (= Diskriminativer Reiz, z.B. Lichtquelle) Ratte erhält nur Futter (S+) wenn die Lichtquelle (S) eingeschaltet ist Tier lernt somit den Hebel nur zu drücken, wenn das Licht angeschaltet ist Lernen durch Konsequenzen: Das Verhalten (R) ist durch vorangehenden Reiz kontrollierbar. Schema Vorausgehender Reiz (S) Verhalten (R) Reizerlebnis (S+) (Licht an) (Hebel drücken) (Futter) 12 2.2.5. Drei Prinzipien des Konditionierens Kontiguität Zeitliches und räumliches gemeinsames Auftreten von Reiz und Konsequenz. Kontingenz Ereignisse müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit aufeinander folgen. Informativität Abheben des diskriminativen Reizes vom Rest der Umwelt. → Gleiche Prinzipien, wie beim klassischen Konditionieren → Gehören mit zum Grundprinzip 2.2.6. Verstärkerarten Soziale Verstärker Verstärkung durch Personen Positive Verstärker: Lob, Zuwendung, Aufmerksamkeit Negative Verstärker: Kein Tadel Bestrafung I: Tadel Bestrafung II: Keine Anerkennung, sozialer Ausschluss Materielle Verstärker Objekte, Token-Economy Positive Verstärker: Gutpunkte, Token, Striche Negative Verstärker: Keine Hausaufgaben, keine Strafarbeit Bestrafung I: Hausaufgabe, Strafarbeit Bestrafung II: Gutpunkte oder Token wegnehmen, Striche für schlechtes Benehmen Aktivitäten als Verstärker Positive Verstärkung: Rumtoben, Wandertag Negative Verstärkung: Kein Nachsitzen Bestrafung I: Ex, Nachsitzen, Hausaufgabe Bestrafung II: Rumtoben, Wandertag streichen 13 Primäre vs. Sekundäre Verstärker Primäre Verstärker Sekundäre Verstärker → Werden in der Schule weniger benutzt → Schulisch Bedeutsamer Befriedigung physiologischer Bedürfnisse Werden im Laufe des Lebens durch klassische Beispiele: Essen, Trinken, Schlafen Konditionierung erst gelernt Befriedigung von Bedürfnissen, wie Sicher- Wirkung ist nicht gelernt heit, Geborgenheit, soziale Anerkennung Weitere Beispiele: Lob, gute Noten, Geld Problem: Sättigung der Eltern, Gestaltungsspielraum Sekundäre Verstärker setzen bestimmte Lern- geschichte voraus Lehrkraft muss für Klasse passende Verstärker finden Kind liest gerne→ Spannendes Buch als Belohnung Konditionierte Verstärker sind leichter zu ver- wenden als primäre (transportabel, leicht zu beurteilen) Premack Prinzip Nach Premack (1965) Ein bevorzugtes Verhalten kann als effektiver Verstärker für ein weniger bevorzugtes Verhalten ein- gesetzt werden. → Beispiel: Zuerst Hausaufgaben, dann DS spielen Reihenfolge der Tätigkeiten entscheidend Lehrkräfte können danach fragen, welche Tätigkeiten die Schüler gerne machen Beliebte Tätigkeiten können als Belohnung zugesagt werden 2.2.7. Verstärkerpläne Kontinuierliche Verstärkerpläne Auf ein Verhalten erfolgt immer eine Verstärkung → Schneller Auf- bzw. Abbau Intermittierende Verstärkerpläne Zu lernendes Verhalten wird nicht jedes Mal verstärkt → Gut für Behalten, wenn Verhalten bereits beherrscht wird → Hohe Löschungsresistenz 14 Zwei Arten von intermittierenden Verstärkerplänen Quotenplan Intervallplan Verstärkung erfolgt nach gewisser Anzahl von Reakti- Verstärkung erfolgt nach bestimmten Zeitin- onen tervallen/Zeitspannen (unabhängig von Reaktion) Fixierter Variabler Fixierter Variabler Quotenplan Quotenplan Intervallplan Intervallplan Verstärker für die erste Re- Verstärker wird nach Verstärker für die Verstärker für die aktion wird nach einer festen einer variablen Anzahl erste Reaktion wird erste Reaktion wird Anzahl von Reaktionen ge- von Reaktionen nach einem be- nach einer variablen geben (z.B. jede fünfte). (durchschnittliche stimmten Zeitinter- Zeitspanne (Mittel- Anzahl festgelegt) vall gegeben. wert fest) gegeben. gegeben. Hohe Auftretenswahrschein- Tritt Verhalten in- Mäßige, aber sehr lichkeit von Reaktionen, we- nerhalb von 60 Se- stabile Verhaltensra- gen unmittelbarer Korrelati- Höchste Reaktionsrate kunden auf, wird te. Löschung lang- on Reaktion-Verstärker. und größter Lö- verstärkt, später samer als unter fi- schungswiderstand. nicht. xierten Intervallplä- nen. Direkt nach Verstär- kung nur wenige Reaktionen, wenn Zeit der Belohnung näher rückt → Reak- tionsrate steigt Schüler, der mit 10 Aufgaben Lehrer ruft Schüler Vokabeltest immer Schüler müssen je- fertig ist, darf mit Hausauf- auf, der sich mehrmals am letzten Tag der derzeit damit rech- gaben beginnen. vergeblich gemeldet Woche. nen, einen Vokabel- hat. test zu schreiben → Verstärkung nach Gefahr: Schüler be- oder aufgerufen zu 10 Aufgaben reiten sich nur für werden. diesen Tag vor → Prüfungsangst? 2.2.8. Weitere Prozesse des operanten Konditionierens Diskriminativer Reiz/ Hinweisreiz Die Reize, die einer Situation vorangehen, erlangen durch Assoziation mit Verstärkung oder Bestra- fung die Funktion, das Verhalten festzulegen. → Organismen lernen, dass ihr Verhalten bei manchen Reizgegebenheiten, nicht jedoch bei anderen eine bestimmte Wirkung (Verstärkung/Bestrafung) hat Bei einer roten Ampel verhält man sich anders als bei einer grünen Kind soll im Unterricht ruhig sitzen, darf aber in der Pause laut und bewegt sein Abendessen: Kind erzählt erst danach schlechte Note, da Eltern dann gelassener sind 15 Generalisierung Die Verhaltensweise, die ein Organismus als Reaktion auf diskriminatorische Reize zeigt, wird auf andere Reize, die dem diskriminativen Reiz ähneln, generalisiert Angemessenes Verhalten auch bei anderen Lehrkräften Lernmotivation auch in anderen Fächern Löschung Folgt auf ein Verhalten dauerhaft keine Konsequenz, wird dieses Verhalten dauerhaft aus dem Ver- haltensrepertoire gelöscht. Shaping Verhaltensformung nach Woolfolk (2014) Jeder kleine Schritt oder Fortschritt in Richtung auf ein erwünschtes Verhalten wird verstärkt Beispielsweise wird th als s ausgesprochen: Jede Annäherung an th wird gelobt Chaining Operantes Verfahren, bei dem jeder Reaktion innerhalb einer Kette von Einzelreaktionen ein konditi- onierter Verstärker folgt, bis auf die letzte Reaktion ein unkonditionierter oder primärer Verstärker folgt. Beispielsweise muss in Mathe komplexes Problem gelöst werden: Aufteilung in Einzelleistungen, jede Annäherung an die richtige Lösung einer Teilfrage wird gelobt, sind alle Teilprobleme gelöst wird die Gesamtaufgabe gelöst. Schüler lernen mit der Zeit komplexe mathematische Probleme eigenständig zu bewältigen. Jedes Glied der Kette ist ein diskriminativer Reiz für die nächste Reaktion und ein konditionierter Verstärker der unmittelbar vorausgeht. Diskrimination Gegensatz zu Generalisierung. Aufgrund unterschiedlicher situationaler Gegebenheiten wird verschiedenartig reagiert Beispiel: Im Klassenzimmer darf kein Lärm entstehen, auf dem Schulhof schon Für Unterscheidungslernen können diskriminative Hilfsreize (= Prompts) eingesetzt werden. Fading Ausblendung von Hilfsreizen, diese sollten nämlich schnell wieder ausgeblendet werden Beispiel: Lehrerfrage nicht klar Frage: Ist das Wort „singen“ ein Verb? → Keine Antwort Hilfsreiz: Beschreibt das Wort eine Tätigkeit? → Richtige Antwort Verstärkung: „Richtig, singen ist ein Verb“ → Verstärkung 16 Stimuluskontrolle Verhalten lässt sich durch den Einsatz von Hinweisreizen (diskriminative Stimuli) steuern und damit kontrollieren. Es ergeben sich zwei Möglichkeiten 1. Vermeidung bzw. unterlassen von Hinweisreizen, die bisher zu störenden oder unange- messenen Verhaltensweisen geführt haben → Keine langen Lehrermonologe oder Überforderung der Schüler 2. Schaffen von Hinweisreizen bzw. Situationen, die bisher zu erwünschten Verhaltenswei- sen geführt haben → Interesseweckende Unterrichtsgestaltung → Vorteil: Relativ leicht einsetzbar, keine negativen Nebenwirkungen Negative Sättigung Durch Fortbestehen bzw. andauernden Vollzug eines Verhaltens, wird dieses gehemmt Beispiel: Kind beschimpft Lehrkraft. Lehrkraft sagt, dass er alle Schimpfwörter sagen soll die er kennt und fordert ihn so heraus. Handlung verliert Reiz für das Kind → Abnahme des Ver- haltens 2.2.9. Empirie Bedeutung von sozialer Verstärkung bei Aggressivität nach Tharp & Wetzel (1975) Bedeutende Rolle der Interaktion mit dem Vater bei der Reduktion des unerwünschten Verhaltens. Ablauf Junge zeigt Aggressivität und Unaufmerksamkeit in der Schule Positiver Brief der Lehrerin an den Vater (positive Verhaltensänderung) → Belohnung durch gemeinsame Spielzeit mit dem Vater Kein Brief → Enttäuschungsdemonstration beim Vater und Ignorieren des Jungen Ergebnis Kontingenz sehr wirksam! Junge bemüht sich um Brieferhalt, Aggressivität geht zurück! „Teaching machines“ nach B. F. Skinner (1958) Schüler bearbeiten Multiple-Choice-Tests Bei richtiger Antwort: Nächste Frage Bei falscher Antwort: Weitere Versuche, Schüler lernen selbstständiger und individualisierter (jeder Schüler lernte so lange, bis er den Stoff sicher beherrschte) Bis heute relevant und erfolgreich (heißen heute Learner-Response-Systeme) 17 2.2.10. Schulbezug Aufbau von erwünschtem Verhalten durch operante Konditionierung Positive Verstärkung: Lob, gute Note, Token Negative Verstärkung: Wegnahme von negativem Strich, Wegnahme von Aufgaben Abbau von Unterrichtstörung Bestrafung I: Strafarbeit, schlechte Note, Tadel Bestrafung II: Kein Wandertag, Ausschluss aus Klasse Token Economy Systematische, symbolische Verstärker (Strichliste, Gutpunkte…) können in reale Verstärker einge- tauscht werden (Bonbons, Hausaufgabengutschein…) Häufiger Einsatz bei LRS-Kindern, mit intellektuellen Beeinträchtigungen oder bei Autismus und Verhaltensproblemen Es werden Vereinbarungen getroffen, für welches Verhalten Belohnung erfolgt Kann eingesetzt werden, wenn persönlicher Zuspruch der Lehrkraft nicht ausreicht Wichtig ist, dass Schüler auch Token wieder verlieren können Bedingungen nach O’Leary & Drabman (1971) Verständliche Erklärung Strikte Regeleinhaltung Keine Unterrichtsstörung durch die Tokenvergabe Leichte Überprüfung des Punktestandes Vorteile Nachteile Universell einsetzbar Keine Vorbereitung aufs reale Leben Viele Möglichkeiten Reduktion auf materielle Aspekte Keine Unterrichtsunterbrechung Gesteigertes Konkurrenzverhalten Richtlinien für Lehrkräfte und Schule für das operante Konditionieren Lernaufgaben mit positiven Ereignissen assoziieren (z.B. mit Süßigkeiten rechnen lassen) Schüler ermutigen, sich ihren Ängsten zu stellen (z.B. schüchterner Schüler soll etwas erklä- ren, was er gut kann) Schülern helfen, Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Situationen zu erkennen, sodass sie angemessen generalisieren können (z.B. Misserfolg nur in einer Aufgabe, nicht in dem ganzen Fach) 2.2.11. Kritik Einfluss auf die Lernkultur Die persönlichen Bedürfnisse, Wünsche, Absichten und Ziele der Lernenden spielen beim operanten Konditionieren keine Rolle. 18 Mangelnde Konditionierbarkeit von Verhalten Manchmal wirkt auch eine vermeintliche Strafe wie ein positiver Verstärker. → Also keine einheitlichen Wirkungen bei den Schülern Ethische Probleme Durch gezielte Manipulation von Hinweisreizen und Verhaltenskonsequenzen kann menschliches Verhalten unter Kontrolle gebracht werden. → Schüler werden zur Lernmarionette Nach Gage & Berliner kann der Einsatz von Belohnung und Bestrafung helfen, akute Verhaltensprob- leme zu überwinden. Er darf nur nicht so weit gehen, dass die Klasse allgemein ruhiggestellt wird, damit die Lehrkraft entspannter arbeiten kann. Ablehnung alternativer Erklärungen Skinner lehnte kognitive Konstrukte zur Erklärung von Verhalten ab, wobei ein großer Teil menschli- chen Lernens ohne Belohnung stattfindet. → Es muss also andere Lernmechanismen geben, um den Erwerb höherer geistiger Prozesse wie Sprache erklären zu können 2.3. Erlernte Hilflosigkeit 2.3.1. Definition Erlernte Hilflosigkeit Menschen, die die Überzeugung entwickeln, dass sie Ereignisse und Ergebnisse ihrer Bemühungen in Leistungssituationen nicht mehr kontrollieren können, befinden sich im Zustand der erlernten Hilflo- sigkeit. (Seligman, 1979) 2.3.2. Experiment: Hunde Experiment zur erlernten Hilflosigkeit Hundeexperiment nach Seligmann & Meier (1967) Ablauf 3 Gruppen von Hunden werden eingesetzt Gruppe 1 wird laufend Elektroschocks ausgesetzt - diese können sie durch eine Reaktion (Be- tätigung eines Hebels) beenden. Nach kurzer Zeit lernen die Hunde dies → Fluchtverhalten Gruppe 2 erfährt gleiche Bedingungen wie 1, nur dass die Hunde hier nichts tun können. Sie haben keinen Hebel, um die Schocks zu beenden Gruppe 3 dient als Kontrollgruppe → Sind in gleicher Apparatur, bekommen aber keine Schocks In einem zweiten Teil kommt eine Shuttle-Box zum Einsatz (zweiteilige Box mit Durchgang, den die Tiere stets benutzen können), in der es auf einer Seite Schocks gibt, auf der anderen nicht. 19 Ergebnisse Gruppe 1 entflieht den Schocks in der Shuttle-Box durch Gehen auf die andere Seite Gruppe 2 bleibt lethargisch liegen und lässt Schocks über sich ergehen → Erlernte Hilflosigkeit Gruppe 3 verhält sich wie Gruppe 1, nur lernen sie langsamer (keine Erfahrung) 2.3.3. Defizite resultierend aus erlernter Hilflosigkeit Motivationales Defizit Durch traumatische Bedingungen, die man nicht kontrollieren konnte, verliert man die Motivation zum Handeln → Es kommt zu Apathie, Resignation und Passivität Kognitives Defizit Selbst wenn es irgendwann einmal gelungen ist, der unangenehmen Situation zu entfliehen, so hat man trotzdem Schwierigkeiten zu lernen, dass die eigene Reaktion diese Veränderung bewirkt hat. Emotionales Defizit (Affektive Konsequenzen) Emotionales Gleichgewicht wird gestört → Angst, Niedergeschlagenheit, Verstimmung, Depression 2.3.4. Attributionstheoretische Erweiterung Arten von Attribuierungen Internal/External = Selbstverschuldet vs. Fremdverschuldet Global/Spezifisch = Beeinflusst viele vs. Nur diese eine Situation Stabil/Variabel = Chronische vs. Einmalige Hilflosigkeit Erlernte Hilflosigkeit: Internal, stabil, global 2.3.5. Empirie Falsche Attribuierung bei hilflosen Schülern nach Diener & Dweck (1980) Hilflose Schüler unterschätzen Erfolg und überschätzen Misserfolg, Vermeidung der Attribution auf Fähigkeit. 20 Hilflosigkeit durch unlösbare Objektwahlaufgaben nach O’Brien (1967) Zwei Gruppen bekamen Aufgaben zu lösen. Eine Gruppe bekam unlösbare Aufgaben. Im zweiten Durchlauf bekamen beide Gruppen lösbare Aufgaben. Die Gruppe die zuerst die unlösbaren Aufga- ben bekam, versuchte nicht einmal die Aufgaben zu lösen oder kamen auf keine Lösung. 2.3.6. Schulbezug Schüler müssen positive Rückmeldungen und Konsequenzen für ihre Anstrengungen erhalten, da sie sonst in das beschriebene Muster verfallen, dass alles was sie tun und investieren, „sowieso keinen Sinn hat“ und daraufhin jegliche Motivation zum Lernen verlieren und Prüfungsangst entwickeln können. Maßnahmen Reattributionstraining: Misserfolge nicht auf mangelnde Fähigkeiten, sondern auf geringe Vorbereitung attribuieren (→ Kontrollierbar) Immunisierung: Inkompatible Erfahrungen, diskriminative Kontrolle Förderung der Selbstwirksamkeit: Loben, individuelle Bezugsnorm, realistische Ziele Modelllernen: Schüler beachtet anderen Schüler, der schlechte Note auf wenig Vorbereitung attribuiert Selbstgesteuertes Lernen Lernstrategien Alltagsbezug 2.4. Modellernen 2.4.1. Sozial-kognitive Theorie Sozial-kognitive Theorie Eine Theorie, die kognitive Faktoren wie Überzeugungen, Selbstwahrnehmungen und Erwartungen in sozialen Lernprozessen berücksichtigt und auf den Erwerb sozialer, emotionaler, kognitiver, motiva- tionaler und Verhaltenskompetenzen eingeht. (Woolfolk, 2014) Das Modelllernen gehört zu den sozial-kognitiven Theorien und wurde von Albert Bandura entwi- ckelt. Die sozial-kognitive Theorie unterscheidet zwischen Beobachtungslernen und prozeduralem Lernen. Soziale Lerntheorien und kognitive Theorien gehen davon aus, dass Verhalten von der Umwelt beein- flusst wird. Nach Bandura lernt der Mensch nicht nur durch Auswertung von Verhaltenskonsequenzen, sondern auch durch Beobachtung (= Modelllernen) anderer und macht sich Erfahrungen, die andere gewon- nen haben, zunutze. 21 Er richtete sich gegen einen reinen Behaviorismus Es kann ohne Verhalten, passende Verstärkung oder Hinweisreizen gelernt werden Lediglich durch Beobachtung kann auch gelernt werden Sozial-kognitive Lerntheorie Beobachtetes Verhalten wird durch kognitive Konstrukte dauerhaft gespeichert und bei pas- sender Gelegenheit nachgeahmt Der Mensch ist aktiv am Lernprozess beteiligt, nimmt Reize auf und verarbeitet diese auch, bevor es zu einer Reaktion kommt Verhalten auch von Einstellungen, Überzeugungen und bisheriger Lerngeschichte beeinflusst 2.4.2. Abgrenzung zu behavioristischen Lerntheorien Behaviorismus Sozial-kognitive Lerntheorie Vermittelnde kognitive Aspekte des Lernens Zentral für Lernen ist die Erwartung dass ein werden missachtet. bestimmtes Verhalten zum Erhalt einer be- stimmten Belohnung führen wird (Verstär- kungserwartung). Beim lernenden Menschen wird das soziale Lernen erfolgt im sozialen Kontext. Umfeld missachtet. Das Verhalten anderer Menschen kann das Lernen stark prägen. Lernen wird als in eine Richtung orientierte Es gibt einen „reziproken Determinismus“ zwi- Reaktion des Individuums auf seine Umwelt schen Person, Umwelt und Verhalten. achtet. Das Erlernen neuer Verhaltensweisen kann Neue Verhaltensweisen werden erlernt. nicht erklärt werden. Lernen ist eine relativ überdauernde Verhal- Erwerb oder Veränderung von Verhaltenswei- tensänderung aufgrund von Erfahrung. sen durch Beobachtung eines Modells, das ent- weder real oder symbolisch gegeben sein kann. 2.4.3. Definition Beobachtungslernen Unter Beobachtungslernen (Modelllernen) ist zu verstehen, dass sich das Verhalten eines Individu- ums auf Grund der Wahrnehmung von Verhaltensweisen anderer Personen (so genannter Modelle) oder auf Grund verbaler Darstellung über das Verhalten anderer Personen ändert, und zwar in die Richtung größerer Ähnlichkeit mit der beobachteten oder auf Grund verbaler Übermittlung vorge- stellten Verhaltens. (Tausch & Tausch, 1971) 22 2.4.4. Reziproker Determinismus Reziproker Determinismus Eine Verhaltenserklärung, die von den gegenseitigen Auswirkungen auf das Individuum und seine Umgebung ausgeht. Auch triarchischer Determinismus genannt → Wechselspiel dreier Arten von Einflüssen Soziale Einflüsse (Umweltvariablen): Vorbilder, Rückmeldung, Handlungsfolgen... Leistungsergebnisse (Verhaltensweisen): Zielfortschritt, Motivation, Lernen... Einflüsse des Selbst (persönliche Variablen): Ziele, Selbstwirksamkeit, Erwartung... 2.4.5. Grundprinzip bzw. Prozesse des Modelllernens Phasen des Beobachtungslernens Wovon hängt es ab, ob Verhalten anderer imitiert wird? Aneignung Ausführung Aufmerksamkeitsprozesse Motorische Reproduktionsprozesse Gedächtnisprozesse Motivationsprozesse 1. Aufmerksamkeitsphase Aufmerksamkeit wird auf die relevanten Reize der Lernsituation gerichtet. Die Lehrkraft kann diese Aufmerksamkeit lenken. Lernende sind besonders aufmerksam, wenn die Modellierungsreize Deutlich sind (Deutlichkeit) Emotional berühren (Emotionale Valenz) Nicht zu komplex sind (Komplexität) Einen Wert für zukünftiges Handeln haben (funktionaler Wert) Und sie selbst als Beobachter Gute Fähigkeit zur Wahrnehmung haben (Wahrnehmungskapazität) Weder aufgeregt noch gelangweilt sind (Erregungsniveau) Eine angemessene Einstellung haben (Wahrnehmungseinstellung) Schon früher positive Erfahrungen damit hatten (frühere Verstärkung) 2. Behaltensphase Modellverhalten wird in sprachliche /bildliche Symbole überführt (symbolische Kodierung). Einsatz von Lernstrategien Lernstoff Gliedern (kognitive Organisation) Modelliertes Verhalten wiederholen Geistige Vorstellung (symbolische Wiederholung) Konkretes Üben der Handlungsschritte (motorische Wiederholung) 23 Beispiel: Bobfahrer merken sich Parcours vorher auf diese Weise. 3. Nachbildungsphase/Motorische Reproduktionsprozesse Grundsätzlich wäre das Verhalten jetzt reproduzierbar, aber: Fehlerquellen Bestimmte körperliche Fähigkeiten nötig Verfügbarkeit von Teilreaktionen Selbstbeobachtung bei den Reproduktionen Feedback der Genauigkeit (von Außenstehenden/Lehrkraft) 4. Motivationsphase Integration von behavioristischen Erkenntnissen: Drei verschiedene Verstärker Externe Verstärker Materielle Belohnung, soziale Reaktionen, sensorische Stimulation (Schulterklopfen), Kon- trollerleben Stellvertretende Verstärker Beobachtete Person wird für ihr Verhalten verstärkt Selbstverstärkung Nach langem Üben wird etwas erreicht: Selbstverstärkung und neue Motivation → Großer Unterschied zum operanten Konditionieren! Motivation kann beim Modelllernen auch selbst erzeugt werden, nicht nur von außen. 2.4.6. Experiment: Bobo-Doll, Rocky-Experiment Rocky-Experiment nach Bandura, Ross & Ross (1965) Bobo-Doll-Variation Ablauf Drei Gruppen von Kindern (3-6 Jahre) beobachteten 1. Aktiv aggressiven Erwachsenen, der anschließend belohnt wurde 2. Aktiv aggressiven Erwachsenen, der anschließend bestraft wurde 3. Aktiv aggressiven Erwachsenen, dessen Verhaltensweisen keine Konsequenzen nach sich zogen Kinder wurden in Spielraum mit Puppe Bobo gebracht, die vorher von den Erwachsenen aggressiv behandelt wurde. Ergebnis Jungen verhielten sich aggressiver als Mädchen. Gruppen 1 und 3 verhielten sich ähnlich aggressiv wie Erwachsene, Gruppe 2 (Bestrafung) deutlich weniger aggressiv → Beobachtungslernen 24 Bobo-Doll Experiment nach Bandura (1979) Ablauf Vier Gruppen von Kindern im Alter von 3 - 5 Jahren beobachteten 1.Wie eine Puppe real misshandelt wird 2. Wie sich eine Frau im Film aggressiv verhält 3. Eine aggressive Katze in einem Zeichentrickfilm 4. Keine Aggression (= Kontrollgruppe) Gruppen wurden je in Raum mit Spielsachen geführt, mit denen sie jedoch nicht spielen durften. Ziel war das Erreichen von Aggression/Frustration. Danach kamen sie in einen Raum mit weniger attraktiven Spielsachen, u.a. der Puppe Bobo. Ergebnis Gruppen 1-3 zeigten deutlich aggressiveren Umgang mit Spielsachen als Gruppe 4 → Doppelt so viele aggressive Akte → Modelllernen 2.4.7. Effekte des Modelllernens Neuerwerb von Verhaltensweisen Modell zeigt Verhaltensweisen, die der Beobachter noch nicht kennt, aber mehr oder minder iden- tisch reproduziert → Keine reine Imitation, sondern Prozess mit Kognition Beispiel: Motorische Fähigkeiten wie Autofahren, Werkzeuggebrauch, etc. Hemmungseffekte Reduktion der Häufigkeit früher erworbener Verhaltensweisen, abhängig von der Beobachtung aversi- ver Verhaltensfolgen einer Handlung (Bestrafung, etc.). Beispiel: Beobachtung der Bestrafung explorativen Verhaltens durch ungeduldige Mutter „Stell nicht immer so dumme Fragen“. Enthemmungseffekte Beim Beobachten werden vorher gehemmte Verhaltensweisen häufiger oder treten wieder auf, nach- dem ein Modell beobachtet wurde, das vorher verbotene oder bedrohliche Handlungen ohne negati- ve Folgen ausführt und/oder damit sogar Erfolg hat. Beispiel: Dialekt in einer Umgebung sprechen, welcher normalerweise negativ sanktioniert wird. Auslöseeffekte Modelle können Verhalten auslösen, welche der Beobachter schon völlig beherrscht! Beispiel: In die Hände klatschen, wenn es andere tun (Konzert…). 25 Nullwirkung Verhaltensweise bereits bekannt → Keine Lernwirkung 2.4.8. Verstärkerarten Direkte Verstärkung Beobachter ahmt Verhalten nach und bekommt dafür direkten Verstärker. Stellvertretende Verstärkung Beobachtung von Verhalten, das belohnt wurde (Verstärkung). → Bereitschaft der Nachahmung steigt Selbstverstärkung Beobachter verstärkt sich selbst. Ziel pädagogischer Einwirkung ist die Selbststeuerung des Lernenden → Förderlich, aber nicht not- wendig 2.4.9. Modellarten Natürliche Modelle Lernender steht mit ihnen unmittelbar in Kontakt. Beispiele: Eltern, Lehrer, Mitschüler, Peers Symbolische Modelle Sie als Cartoons oder Zeichentrickfiguren bestimmte Verhaltensweisen abbilden, die Lernende be- obachten und evtl. nachahmen. Sprachlich formulierte Erläuterungen Schritt für Schritt Anleitung zum Ziel. Beispiel: Plakat mit Rechenweg 2.4.10. Modelleigenschaften Ein potenzielles Modell muss als notwendige Lernvoraussetzung zuerst die Aufmerksamkeit eines Beobachters auf sich ziehen. Attraktivität Erfolg Prestige und hoher Status Kongruenz (Übereinstimmung von Wort und Tat) Ähnlichkeit (zum Lerner) Lerner muss Sympathie empfinden Kompetenz Figur-Hintergrund-Prinzip (z.B. ein aggressiver Schüler in einer ruhigen Klasse) 26 Lehrer, die bei den Schülern den Eindruck erwecken können, ihr Fachgebiet gut zu beherrschen und die zudem freundliche Beziehungen zu ihren Schülern entwickelt haben, erfüllen diese Bedingungen (Faktoren). Auch Begeisterungsfähigkeit ist eine wichtige Eigenschaft von Lehrern. 2.4.11. Empirie Lehrer als Modell nach Zimmermann & Kleefeld (1977) Lehrer sind in der Regel weniger gut geeignet als Modelle. Modelllernen findet eher unter Gleichalt- rigen, in Rollenspielen, bei Prüfungsängstlichkeit oder durch Medien statt. Lehrer können sich aber antrainieren, als gutes Modell zu fungieren Gruppe von Lehrkräften wurde in Modellierungstechniken geschult → Erklärten jeden Schritt ihres Verhaltens, bevor Lernende selbst handeln durften Im Vergleich mit untrainierten Lehrern waren die Ergebnisse der Experimentalgruppe deut- lich besser → Auch das WIE, nicht nur das WAS des Unterrichts ist wichtig! Beispiel: Lehrer essen im Chemie-Raum, Schüler denken sie dürfen es auch! Leistungen lassen sich durch mentales Training steigern nach Feltz & Landers (1982) Mentales Training ist die planmäßig wiederholte und bewusst durchgeführte Vorstellung einer Hand- lung beziehungsweise Bewegung ohne deren gleichzeitige praktische Ausführung. Schüler die mentales Training vollziehen, zeigen bessere Leistungen. 2.4.12. Schulbezug Modelllernen zum Zwecke der Verhaltensänderung Verbesserung/Aufbau des Arbeitsverhaltens Verbesserung des Sozialverhaltens Modellernen zum Zwecke des Verhaltensaufbaus Nachahmung positiven Verhaltens Modelllernen zum Zwecke des Wissenserwerbs Erwerb kognitiver Lerninhalte durch z.B. Vorrechnen, Problemlösen, lautes Denken Selbstinstruktionstraining nach Meichenbaum (1977) → Siehe selbstreguliertes Lernen 27 2.4.13. Kritik Breite der Theorie Die Theorie lässt sich nicht auf ein einzelnes Prinzip reduzieren, was die Erklärung erschwert. Ethische Probleme Die damaligen Experimente wären heute so nicht mehr denkbar. Verletzung des Tierschutzes, Ge- waltakte,... Mangelnde Berücksichtigung von Emotionen Biologische Ursachen von Aggressivität, wie Emotionen werden nicht berücksichtigt. Für eine aggres- sive Handlung braucht man nicht zwingend ein Modell. Vernachlässigung genetischer Unterschiede Das gleiche Modell einer Lehrkraft wird von unterschiedlichen Schülern auch unterschiedlich aufge- nommen. 28 Gedächtnis 1. Grundbegriffe Gedächtnis Gedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen, zu speichern und bei Bedarf wie- der abzurufen. (Gerrig & Zimbardo, 2008) Das Gedächtnis ist somit kein passiver Informationsspeicher, sondern ist abhängig von der Aktivität des Lerners bei der Aneignung. Die höchste Aufnahmeschnelligkeit ist im Schulalter zu finden. Qualität des Gedächtnisses ist abhängig Von Anzahl der Wiederholungen Zeitabstand zwischen Lernen und Abruf Konzentration & Aufmerksamkeit Interesse und Einstellung zum Lernstoff Gedächtnisprozesse Enkodierung Hiermit wird ein Prozess bezeichnet, durch den Informationen in ein System gelangen, das diese ver- arbeitet und in eine verwertbare Form umsetzt. Im Fall des menschlichen Gedächtnisses werden Informationen aus sämtlichen Sinnesorganen so umgewandelt, dass sie dem Verarbeitungssystem übertragen werden. Speicherung Bewahrung von Informationen. Speichermenge hängt vom Speichersystem ab. Abruf Prozess, der darauf zielt, im LZG gespeicherte Informationen zu „finden“. 29 2. Gedächtnismodelle 2.1. Einspeichermodelle Einspeichermodelle gewinnen zunehmend an Bedeutung. Einspeichermodelle gehen davon aus, dass es außer dem Langzeitgedächtnis keine separaten Spei- cher gibt → Es gibt nur einen einzigen Gedächtnisabschnitt 2.1.1. Prozessmodell der Verarbeitungstiefe Prozessmodell der Verarbeitungstiefe nach Craik & Lockhart (1972) Verarbeitung und Verständnis neuer Informationen ist abhängig von der Verarbeitungstiefe. →Je tiefer Informationen verarbeitet werden, desto wahrscheinlicher wird sie dem Gedächtnis überstellt Verarbeitungsebenen Das Wort wird strukturell verarbeitet (Form, etc. wird analysiert) Phonologische Analyse und Kodierung Zunehmende Semantische Kodierung (Bildung von Sinnzusammenhängen) Erinnerungsleistung Behaltensleistung entspricht Verarbeitungsstufe → Semantisch verarbeitete (tiefe Verarbeitung) Informationen werden besser behalten als nur graphisch (flache Verarbeitung) wahrgenommene Die Verarbeitungszeit spielt zugunsten der Verarbeitungstiefe keine Rolle. Kritik Keine klaren Kriterien, woran sich die Verarbeitungstiefe messen lässt → Was charakterisiert einen Prozess als tief oder flach? Unterschied von visueller/akustischer Darbietung wird nicht beachtet Craik und Tulvig (1975) veränderten das Konzept nach Verarbeitungsbreite Infos können nebeneinander verarbeitet werden (je mehr Elaborationen/Ausarbeitungen, desto bessere Behaltensleistung) Bezug zum schulischen Lernen Wissenserwerb basiert auf Aktivierung von Informationen im Gedächtnis und auf der Modifikation durch kognitive Prozesse (z.B. durch Verknüpfung zwischen neuen und bereits vorhandenen Ge- dächtnisinhalten. 30 2.2. Mehrspeichermodelle Mehrspeichermodelle des Gedächtnisses gehen davon aus, dass mehrere Subsyste- me/Gedächtnisebenen existieren, in denen die Verarbeitung von Informationen auf verschiedene Weisen erfolgt. 2.2.1. Dreispeichermodell Dreispeichermodell nach Atkinson & Shiffrin (1968) Drei miteinander interagierende Speichersysteme 1. Sensorisches Register, Ultrakurzzeitgedächtnis, Ultrakurzzeitspeicher Rezeptoren in den Sinnesorganen wandeln Umweltreize in Signale um, welche eine Weiterleitung durch das Nervensystem ermöglichen Neu eingehende Information wird kurz aufgenommen und nach Relevanz gefiltert Informationen, die nicht weiterverarbeitet werden, zerfallen Sensorisches Gedächtnis Funktionale Speichereinheit, die Sinnesinformationen nur sehr kurzfristig behält. (Woolfolk, 2014) Es gibt separate, parallel arbeitende sensorische Gedächtnisse für jede Sinnesmodalität Ikonisches Gedächtnis Eigenständiges visuell sensorisches Gedächtnis Echoisches Gedächtnis Auditives Gedächtnis Taktiles Gedächtnis Alle Informationen, die man durch Tasten, Berühren...erhält 31 Speicherkapazität und Reizverarbeitung Gedächtnis mit enormer Speicherkapazität, jedoch sehr geringer Speicherdauer (wird auch als Ultra- kurzzeitgedächtnis bezeichnet) → Informationen können etwa 1-2 Sekunden festgehalten werden Es kommt zu keiner Bewertung oder bewusste inhaltliche Reizverarbeitung → Aufnahme und Verarbeitung läuft unbewusst ab Weiterzuverarbeitende Informationen werden an ein Kurz-/Arbeitsgedächtnis geleitet Aufmerksamkeitsprozesse Im sensorischen Register treffen enorme Mengen an Informationen aufeinander. Diese können nicht alle zur weiteren Verarbeitung ins Kurzzeitgedächtnis transportiert werden. Dementsprechend müs- sen bestimmte Aufmerksamkeitsprozesse die wichtigsten Informationen herausfiltern. Für eine Er- klärung existieren viele Modelle, eines wird nachfolgend dargestellt. Filtermodell nach Broadbent (1958) Filtertheorie wurde auf Grundlage des dichotischen Hörens entwickelt Probanden bekamen zwei Audiotexte per Kopfhörer auf das linke und rechte Ohr dargebo- ten, sollten ihre Aufmerksamkeit aber nur auf einen Text fokussieren Der Inhalt des ignorierten Textes wurde nicht wahrgenommen, lediglich der Wechsel der Stimmfarbe oder wenn Töne hinzukamen, wurde bemerkt Aus seinen Studien konnte Broadbent belegen, dass aufgabenirrelevante Informationen gar nicht erst weiterverarbeitet werden. Lediglich ihre physikalischen Merkmale werden beachtet, um überhaupt relevante von irrelevanten Informationen zu unterscheiden. Durch einen Selektionsfilter wird eine Information ausgewählt und aus dem Gesamt des Informationsangebots weiterverarbeitet. 2. Kurzzeit- und Arbeitsgedächtnis Kurzzeitgedächtnis ist eine Komponente des Arbeitsgedächtnisses, welche Informationen in diesem System nur passiv zwischenlagert Informationen, die im sensorischen Register als relevant eingestuft werden, kommen ins KZG Erste Ebene, auf der bewusste Verarbeitung stattfindet Speicherkapazität The magical Number 7 nach George Miller (1956) KZG kann 7+/-2 Informationseinheiten verarbeiten, mittlerweile nimmt man nur noch etwa 4 an. Informationen, die in das KZG übertragen worden sind, können nach Peterson & Peterson höchstens 20-30 Sekunden dort gespeichert werden Speicherdauer kann durch Wiederholung verlängert werden (= Rehearsal) Durch Wiederholung auch Übertragung in Langzeitspeicher möglich Verarbeitungserfolg abhängig von der Konzentration, anfällig gegenüber äußeren Störungen 32 Erhalt im KZG Isolierungseffekt nach Köhler Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich die Informationen im KZG länger zu speichern als die „natürlichen“ 20 Sekunden Köhler belegte, dass Andersartiges innerhalb von Ähnlichem besser gemerkt wird, dass sich seltene Ereignisse also besser und intensiver codieren lassen Implikation für Unterricht Wichtige Aussagen hervorheben (bei zu vielen Elementen geht dieser Effekt aber verloren) Kodierung im KZG Ob nun eine Speicherung des Wissens im LZG erfolgt oder nicht, hängt von der Kodierung der Infor- mationen im KZG ab Diese Prozesse führen anders als die Wiederholungsprozeduren zu einer Übertragung des Wissens aus dem KZG in das LZG bzw. erleichtern ihre Übertragung 1) Chunking nach Miller (1956) Chunking ist ein Prozess der Rekonfiguration von Items, indem sie auf der Basis von Ähnlichkeiten oder anderen Organisationsprinzipien gruppiert werden. Oder sie werden zu größeren Mustern kombiniert. Chunk Ein Chunk bezeichnet eine bedeutungsvolle Informationseinheit. (Anderson, 1996) Beispiel Folge aus vier Ziffern 1 – 9 – 8 – 4 merken. Diese könnten die Kapazität des KZG eigentlich aufbrau- chen. Merkt man sich diese Zahlen aber in Form einer Jahreszahl, so ist nur ein Speicherplatz des KZG belegt. 2) Clustering nach Bousfield (1953) Clustering ist die Tendenz, Wörter einer Kategorie aufeinanderfolgend zu reproduzieren. Bousfield (1953) stellte in seinem Experiment fest, dass Versuchspersonen, die Listen mit 60 Wörtern erhalten hatten in geordneter Folge reproduzierten, obwohl lediglich eine beliebige Folge reprodu- ziert werden sollte. 3) Dual-Code-Theorie nach Paivio (1971) Entwickelte systematisch ein Erklärungsmodell für den Bildüberlegenheitseffekt. Annahme: Zwei Kodierungssysteme Bildhaft → Speicherung von Vorstellungsbildern Verbal → Speichert sprachliche Informationen 33 Entweder findet eine Speicherung in Bildlicher Weise Verbaler Weise In beiden Systemen gleichzeitig statt → Doppelspeicherung führt zu besseren Behaltensleistungen 3. Langzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis Funktionseinheit zur dauerhaften Speicherung von Informationen/Wissen. (Woolfolk, 2014) Im LZG unterscheidet man verschiedene Speichersysteme für verschiedene Arten von Wissen. Die meisten Psychologen unterscheiden zwei Arten von Langzeitgedächtnissen Explizites/deklaratives Gedächtnis Implizites/non deklaratives Gedächtnis Die Unterscheidung des Langzeitgedächtnisses zwischen deklarativem und non deklarativen Ge- dächtnis beruht auf Studien und Arbeiten von Squire, Anderson & Markowitsch. Im LZG können Informationen von Minuten bis hin zum ganzen Leben gespeichert werden. Modell des LZG nach Markowitsch (1995) & Squire (1987) 34 Explizit/Deklarativ Implizit/ Non deklarativ Bewusst, Verbalisierbar Unbewusst, aufgrund von Vorwissen, Verhaltensbezogen, kaum Verba- lisierbar Episodi- Semanti- Dispositionen Prozedurales Priming Non-Assoziatives sches Ge- sches Gedächtnis /Bahnen Gedächtnis dächtnis Gedächtnis Eigene Fakten, all- Sämtliche Fertigkeiten, Implizite Akti- Habituationen, Erfahrun- gemeines Konditionie- Gewohnhei- vierung von Sensibilisierung gen mit Wissen rungsprozesse ten, Wissen Begriffen und Raum- und wie Konzepten im Zeitinfor- etwas getan LZG mationen wird „Als ich „Punkt vor Unbewusst Stift halten, Verknüpfung Mutter schläft letzte Wo- Strich“ verknüpfte Instrument von Wissen und neben Kind wenn che wäh- Reiz-Reaktion spielen Verhalten Kind sich rührt, rend des „Die Haupt- wacht sie sofort Unterrichts stadt von „Wenn die „Im Unterricht auf gegessen Italien ist...“ Lehrerin den isst man nicht.“ → Sensibilisie- habe, war Raum betritt, rung die Lehre- stehen wir „Man meldet rin...“ auf.“ sich.“ Kühlschrankgriff bei Eltern in der Mitte, man greift bei jedem in die Mitte → Habitualisie- rung Die beiden Formen des LZG unterscheiden sich auch biologisch Es werden neben verschiedenen Arten von Informationen auch verschiedene Hirnareale beansprucht Patienten mit deklarativer Amnesie leiden in der Regel nur unter Ausfällen dieses Teils Prozedurale Gedächtnisleistungen sind möglich Prozesse im LZG 1. Lernen / Enkodierung Neues Einspeichern von Informationen 2. Erinnern /Abrufen Bewusstwerden von Gedächtnisinhalten 3. Konsolidieren / Behalten Festigung von Informationen durch wiederholten Abruf 4. Verknüpfen Von alten und neuen Informationen 5. Vergessen Zerfall von Gedächtnisinhalten oder Abänderung konkurrierender Informationen 35 2.2.2. Erweiterung des Dreispeichermodells Nach Baddeley & Hitch (1974) Die Forscher gehen von derselben Unterteilung in UKZ, AG und LZG wie Atkinson & Shiffrin aus. Sie haben jedoch einen anderen Aufbau des Arbeitsgedächtnisses entwickelt. Es besteht aus einem mo- dular aufgebauten System mit mehreren Subsystemen. Arbeitsgedächtnis Gedächtnissystem, welches die übertragene Information aus dem sensorischen Register so lange zwischenspeichert, bis diese mit Hilfe des bereits vorhandenen Wissens aufgearbeitet worden sind. (Baddeley, 2007) Größere Kapazität des Arbeitsgedächtnissen bedeutet, dass mehr separate Informationsinhalte ge- speichert werden können AG wichtig für den Erwerb des Lesens, des Leseverständnisses, mentale Addition und Multi- plikation Möglichkeit Informationen zu speichern und gleichzeitig zu manipulieren Notwendig beispielsweise für sinnentnehmendes Lesen, sodass man sich an den Satzanfang noch erinnern kann, am Ende Abgrenzung zum KZG durch komplexere Aktivität bei der Verarbeitung und kognitionsbiologisch ver- schieden aktive Hirnbereiche → Präzisierung des früheren Modells Visuell-räumlicher Notizblock und phonologische Schleife → Rehearsal von Infos, um sie länger speichern zu können oder sie ins LGZ transferieren zu können Zentrale Exekutive Teilsystem des Arbeitsgedächtnisses, dessen Funktion es ist, Aufmerksamkeit und andere mentale Ressourcen zu überwachen und zu lenken. 36 Diese Komponente überwacht und koordiniert die anderen Sub-Systeme, besitzt aber selbst keine Speicherkapazität. Wesentliche Funktionen Verbindung zum LZG herstellen Überwacht die Aufmerksamkeit Stellt Pläne auf Entscheidet, was abzurufen ist Teilt Ressourcen auf Phonologische Schleife Ein Übungssystem des Gedächtnisses für Worte und Laute, die man in 1,5 bis 3 Sekunden wiederho- len kann. Kurzzeitspeicher und aktives Auffrischen von Lauten, Wörtern und verbalen Informationen Beschränkte Kapazität von etwa 3 Einheiten Basiert auf akustischen Repräsentationen Baddeley meint, man könne hier so viel aufnehmen, wie man in 1,5 bis 2 Sekunden wieder- holen kann → Einem Schüler gelingt es häufig im Unterricht, Mitteilungen des Lehrers zu wiederholen, obwohl er gerade nicht aufgepasst hat Visuell-räumlicher Notizblock Funktion, visuelle und räumliche Informationen zu halten und zu bearbeiten. Dieses Sub-System speichert visuelle Informationen, die sprachliche Zusammenhänge veranschauli- chen. Episodischer Puffer Der episodische Puffer integriert Informationen aus der phonologischen Schleife, dem visuell- räumlichen Notizblock und dem Langzeitgedächtnis unter der Oberaufsicht der zentralen Exekutive. → Speichert Episoden temporär ab Beispiel: Schriftlich dargebotene Rechenaufgabe im Matheunterricht Aus visuell sensorischen Register wird Info an den visuell-räumlichen Notizblick weitergelei- tet und aufgenommen Phonologisch rekodiert In phonologischer Schleife zwischengespeichert und aufrechterhalten Abruf und Anwendung: Um Aufgabe zu lösen vollzieht zentrale Exekutive Kontrolle und Ko- ordination 37 2.3. Empirie Nachweis von sensorischem Register nach Sperling (1960) Ablauf Probanden wurden 3 Buchstabenreihen mit je 3 Buchstaben und Zahlen für eine zwanzigstel- Sekunde gezeigt. Sie sahen die Reihe zwei Runden. Ergebnis Sie konnten nachfolgend etwa vier der Buchstaben wiedergeben. In der zweiten Runde sollten sie eine spezifische Zeile abhängig von einem Tonsignal wiedergeben. Dies gelang allen perfekt, womit er die Existenz des ikonischen Gedächtnisses belegen konnte. Serieller Positionseffekt/Primacy-Recency-Effekt nach Murdock (1963) Psychologisches Gedächtnisphänomen, bei dem sich in einer Reihe dargestellter Objekte/ Lerninhalte die ersten (Primacy) und die letzten (Recency) Elemente am besten gemerkt werden. Erkenntnisse Erste Elemente gehen besser, da noch keine vorherigen Informationen in der Codierung in- terferieren und sie so ins LZG übertragen werden können Mittlere Elemente werden vergessen, da das KZG nach etwa 7 Einheiten erschöpft ist Letzte Elemente gehen besser, weil sich im KZG an aktuelle Informationen besser erinnert wird - diese wurden nicht durch folgende Informationen überschrieben Damit konnte die Existenz von LZG und KZG nachgewiesen werden. Durchgeführte Studie Probanden mussten 30 sinnlose Silben lernen, dabei wurden die ersten und letzten Silben am besten erinnert → Primacy-Recency-Effekt 3. Schulbezug Unterstützung langfristiger Speicherung In der Schule werden extrem viele Inhalte über das sensorische Register aufgenommen, können auf- grund der Kapazität aber nicht behalten werden Wenn Inhalte interessant sind, erfolgt initiale Verarbeitung und Information gelangt ins Ar- beitsgedächtnis (Achtung: 7+/-2 Einheiten → Auf Menge achten!) Wenn bereits Vorwissen vorhanden ist, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung ins Langzeitgedächtnis höher, dieses muss aber vorher aktiviert werden 38 Tipps zur langfristigen Speicherung 1) Aufmerksamkeit gewinnen → Information aus SR ins AG 2) Vorwissen aktivieren (auch Fehlkonzepte aufdecken und berichtigen) 3) Lehrinhalte gut strukturiert darbieten 4) Elaboration → Information aus AG ins LZG (tiefe Verarbeitung anregen, verschiedene Codie- rungsformen und Wissensarten anwenden, genügend Zeit einräumen) 5) Auf ungestörte Arbeitsatmosphäre achten (Ungestörtheit, Ruhe…) Zudem können auch Lernstrategien zur Festigung von Wissen beitragen. 4. Vergessen im Langzeitgedächtnis 4.1. Vergessen Information, die schon im LZG nachgewiesen wurde, aber nicht mehr abrufbar ist. Bezeichnung für den Vorgang, dass Wahrgenommenes bzw. Gelerntes im Gedächtnis nicht mehr verfügbar ist. Die erlebten Inhalte können nicht mehr reproduziert und in die Erinnerung zurückgeru- fen werden. Im Allgemeinen gilt Es wird mehr vergessen, je größer der zeitliche Abstand zwischen Speicherung und Erinne- rung ist Sinnarmes, unwichtiges Material wird eher vergessen als sinnvolles und wichtiges Art und Anzahl der auf einen Lernvorgang folgenden Eindrücke beeinflussen das Ausmaß 4.2. Grundtheorie nach Ebbinghaus Ebbinghaus lernte sinnlose Silben auswendig und stellte fest, dass er bereits nach 20 Minuten etwa 40% des Gelern- ten vergessen hatte, nach einer Stunde waren es 45% und nach einem Tag 66%. Aus seinen Erkenntnissen leitete er die Vergessenskurve ab. Er fand in weiteren Studien heraus, dass nur etwa 15% der gelernten Inhalte dauerhaft gespeichert werden. Dabei ist das Vergessen abhängig von der Art des Lernstoffs, vom persönlichen Interesse und auch der Häufigkeit der Repro- duktion. 39 4.3. Spurenzerfallstheorie Nach Woolfolk (2014) Annahme, dass ungenutzte Gedächtnisinhalte wie „Spuren im Sand“ mit der Zeit verblassen. Im LZG geht man davon aus, dass die Stärke einer synaptischen Verbindung mit der Stärke des En- gramms (Gedächtnisspur) korrespondiert. → Je stärker die Nervenverbindung, desto unwahrscheinlicher ist es, den entsprechenden Inhalt zu vergessen Synaptische Verbindungen können durch Abruf und Wiederholung gestärkt werden In der Schule so viele Hinweisreize wie möglich beim Erlernen geben Allgemein ist Vergessen eher schlecht erforschter Bereich, bei dem viele Unklarheiten herrschen. 4.4. Bedeutung für die Schule Vergessenskurven nach Michel & Novak (1990) Für die Schule ist es wichtig, die grundlegenden Aspekte des Vergessens bei der Vermittlung von Lerninhalten zu berücksichtigen, um diesem entgegenzuwirken. Michel & Novak ermittelten Vergessenskurven auf Grundlage verschieden aufbereiteter Lerninhalte. Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten wurden dabei am wenigsten Vergessen, darauf folgten Gedichte, Prosa und zum Schluss schließlich unzusammenhängende Elemente. Für die Schule bedeutet dies, Lerninhalte stets in einem größeren Zusammenhang darzustellen - vor- zugsweise als Gesetzmäßigkeit oder auch auf „kreativere“ Varianten zurückzugreifen, wie die Ver- mittlung einer Formel durch ein Gedicht/Reim. Um dem Vergessen entgegenzuwirken Mnemotechniken oder elaborierendes Wiederholen Verbesserung des Abrufs durch ähnlichen Lern- und Erinnerungskontext = Enkodierungsspezifität 5. Vorwissen 5.1. Definition Vorwissen Bereits verfügbares Wissen über den Inhalt, der durch einen folgenden Lernprozess angeeignet wer- den soll. (Hasselhorn & Gold, 2013) 40 Unterschiede im Vorwissen wirken sich auf die Informationsaufnahme und die Informationsverarbei- tung von Informationen aus → Vorwissen als kognitive Lernvoraussetzung Dynamisch, steht Person zur Verfügung, ist strukturiert und liegt in unterschiedlichen Formen vor Zum Teil explizit, zum Teil implizit, kann deklarativ/prozedural sein Umfasst konzeptuelle und metakognitive Komponenten Matthäus-Effekt: Schüler, die schon viel Vorwissen zu einem Thema besitzen, können den neuen Stoff effizienter und besser lernen (Scheren-Effekt!). 5.2. Empirie Rolle des Vorwissens für Gedächtnisleistungen nach Chi (1978) Vergleich der Gedächtnisleistung für Schach-Positionen Kindern mit guten Schachkenntnissen (Experten) Erwachsenen mit geringen Schachkenntnissen (Novizen) Die Kinder lösten schachbezogene Gedächtnisaufgaben besser als die Erwachsenen. → Bereichsspezifisches Vorwissen hat so großen Einfluss, dass sogar der übliche Alterstrend umkehrbar wird Schneider, Gruber, Gold & Opitz wiederholten und erweiterten 1993 die Studie um Aufgaben, die nichts mit Schach zu tun hatten. Hier brachte den Kindern ihr Vorwissen nichts und der übliche Alter- strend konnte wieder verzeichnet werden. Vorwissen und Intelligenz Studie nach Schneider, Körkel & Weinert (1989) Es besteht ein geringer statistischer Zusammenhang zwischen Intelligenz und Vorwissen. Die Kinder wurden in Intelligenz (IQ-Test) und im Vorwissen (Bezug auf Fußball) getestet Es wurde Aufgabe gestellt, Geschichte über Fußball nachzuerzählen Diese Geschichte war aber geprägt von Auslassungen und Widersprüchen Es zeigte sich, dass die Kinder mit hohem Vorwissen bessere Ergebnisse lieferten, als jene mit einer hohen Intelligenz → Diese kann das Vorwissen nicht ersetzen! Studie zeigte, dass auch bei hoher Intelligenz Vorwissen nicht entbehrlich ist. Zusammenhang zwischen Vorwissen und Neuerwerb nach Bransford et al. (2000) Kinder mit Vorwissen haben entsprechend der gezeigten Studien Vorteile beim Neuerwerb und Aus- bau des Wissens, weil… Das Erkennen von Merkmalen und Mustern eine schnellere Einordnung begünstigt Die vorhandene Wissensbasis einen Bezug zur Realität und Anwendungsmöglichkeiten gibt 41 5.3. Schulbezug Vorwissen bei Schülern Vorwissen hat auch im Bezug des Unterrichts eine große Bedeutung Vorwissen muss vor jedem neuen Thema in der Schule erfasst werden Durch spezifische Methoden muss es aktiviert werden Lücken im Vorwissen sollten geschlossen werden Je nach Grad des Vorwissens muss der Lehrer eine Binnendifferenzierung anbieten und den Lernstoff auf verschiedenen Stufen aufbereiten Vorwissen fördert die Qualität der Informationsverarbeitung über wenigstens die folgenden drei Prozesse Es erleichtert die Entscheidung über die Relevanz von Informationen und unterstützt damit die Prozesse der selektiven Aufmerksamkeit Es entlastet das Arbeitsgedächtnis Es steigert das Interesse am Lerngegenstand und erhöht somit die Bereitschaft weitere Res- sourcen für den Lernprozess zu mobilisieren Wichtig für Lehrer ist die genaue Fehleranalyse Schüler darf kein falsches Vorwissen im Kopf bleiben Maßnahmen nach Zielinski (1980) Wiederholung Nachhilfe Kurse für Vorwissen Individualisierte Hausaufgaben Nutzung der Verfügungsstufen Beachtung des Problems der Passung 42 Wissenserwerb 1. Definition Lernen als Wissenserwerb Lernen im Sinne von Wissenserwerb kann als der Aufbau und die fortlaufende Modifikation von Wis- sensrepräsentationen definiert werden. Es ist ein bereichsspezifischer, komplexer und mehrstufiger Prozess, der die Teilprozesse des Verstehens, Speicherns und Abrufens einschließt. (Steiner, 2001) 2. Wissensarten Man unterscheidet nach Woolfolk (2004) grundsätzlich zwei Wissensarten. Deklaratives Wissen (= Explizites Wissen) Prozedurales Wissen Faktenwissen, Weltwissen, oder das „wissen, Kognitive und psychomotorische Fähigkeiten, was…“ (Begriffe, Fakten) also das „wissen, wie…“ (Lesen) 2.1. Erwerb von deklarativem Wissen Enkodierung Ein Prozess, durch den Informationen so transformiert werden, dass sie aus der Umwelt aufgenom- men und verarbeitet werden können. Elaboration/Wiederholung Information muss im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Verknüpfung neuer Wissensinhalte (Be- griffe, Propositionen, Schemata, etc.) mit bereits bestehendem, d.h. im Gedächtnis repräsentiertem Wissen → Dadurch wird neuen Informationen mehr Sinn verliehen Organisation Ohne Organisation kann Wissen nicht im LZG abgespeichert werden Ordnen der Lerninhalte nach thematischen Kategorien (Clustering) Reduktion der Lerninhalte auf das Wesentliche Überführen des Wissens in übliche Darstellungsformen Speicherung Verschiedene Arten der Abspeicherung von Informationen im LZG Semantische Netzwerke Propositionale Netzwerke Schemata Skript 43 Abruf Aspekte wie die Umwelt oder Emotionen bei Lernprozessen werden mit den Informationen gespeichert Abrufen wird erleichtert, wenn der Kontext beim Abruf der gleiche ist wie beim Speichern (sog. Enkodierungsspezifität) Beispiel: Beim Vokabellernen am Strand werden diese auch besser dort erinnert. 2.1.1. Arten der Informationsspeicherung im deklarativen Gedächtnis Semantische Netzwerke Nach Collins & Quilian (1969) Werden auch Begriffsnetzwerke genannt. Semantische Netzwerke In einem semantischen Netzwerk werden Konzepte und semantische Beziehungen zwischen Konzep- ten repräsentiert. Die Konzepte werden über Knoten (nodes) und die Beziehungen über Verbindun- gen (links, arcs, edges) zwischen den Knoten dargestellt. Die Verbindungen hierbei können assoziativ sein oder über hierarchische Beziehungen (z.B. Rabe ist ein Vogel) sowie andere semantische Bezie- hungen zwischen den Knoten (z.B. Rabe hat Federn, Rabe kann fliegen) etc. Auskunft geben. (Dorsch, 2009) Gerichtete Graphen, in denen Knoten durch Kanten untereinander verbunden sind Knoten: Begriffe Merkmale: Zugehörige Merkmale der Begriffe sind über Kanten verknüpft Kanten: Repräsentieren Beziehungen zwischen den Knoten In einem semantischen Netzwerk gibt es Kleinere Knoten: Propositionen, Schemata oder bildhafte Vorstellungen Größere Knoten: Schemata/Konzepte Begriffe sind im semantischen (Weltwissen) Gedächtnis miteinander verbunden → Wissensstrukturen Aktivierungsprozesse dienen dem Auffinden von begrifflichen Bezügen. 44 Knoten einer Netzwerkstruktur unterscheiden sich in Assoziationsstärke → Je höher, desto häufiger erfolgreiche Verwendung der Wissenseinheiten Aktivationsniveau → Erfolgt entsprechend der Assoziationsstärke Durch Ausbau der Netzwerke können abgekürzte Direktverbindungen entstehen. → Je mehr Verknüpfungen der Lernende aufweist, desto schneller kann er sich erinnern Verbindung zwischen Knoten sind meist inaktiv, ihre Aktivierung erfolgt erst bei bewusstem Nach- denken. Empirie Ordnung von Inhalten nach Bower et al. (1969) Hierarchisch geordnete Inhalte werden besser behalten und schneller gelernt. Propositionale Netzwerktheorie nach Anderson (2000) Propositionales Netzwerk Untereinander verbundene Begriffe und Beziehungen, die das Wissen im Langzeitgedächtnis darstel- len. (Woolfolk, 2008) Proposition Die kleinste Bedeutung, Sinn oder Eigenschaft zuweisende Informationseinheit, die ein Urteil darüber zulässt, ob eine Aussage richtig oder falsch ist. (Schunk, 1991) Auf Grundlage von Lernerfahrungen entstehen zwischen den verschiedenen Begriffen Assoziationen, sogenannte Propositionen Grundlegende Bedeutungseinheit, aus denen sich Wissen strukturiert zusammensetzt Propositionen stellen Beziehungen (Assoziationen) zwischen Begriffen her Propositionale Netzwerke bestehen aus einer Relation (Prädikat) und einem Argument (Begriff). 45 Empirie Propositionale Netzwerke Studie nach Sachs (1967) Ablauf Probanden hörten eine Geschichte und am Ende wurde getestet, ob sie Sätze (aus der Mitte und vom Ende) wiedererkennen. Ergebnis Sätze am Ende können getreuer wiedergegeben werden, bei Sätzen aus der Mitte konnte nur deren Bedeutung wiedergegeben werden. Erklärung Ein Satz ist unmittelbar nach seiner Darbietung im Gedächtnis gespeichert, nach etwas Zeit kann aber nur noch die Bedeutung der Aussage wiederholt werden. → Propositionale Netzwerke speichern nur die Bedeutung und nicht die wörtliche Formulierung Schematheorie Schemata Schemata sind abstrakte Wissensstrukturen, die eine sonst unübersichtliche Menge von Informatio- nen strukturieren und dadurch reduzieren. (Woolfolk, 2014) Beispiele Nachdem eine Dreisatzaufgabe gelöst wurde, kann das Schema bei ähnlichen Problemstel- lungen erneut angewendet werden Das Schema Buch umfasst alle Erfahrungen, Merkmale die man im Laufe seines Lebens mit Büchern und Lesen von Büchern gesammelt hat Auto → Räder, Treibstoff, Lenkrad, Schaltung etc. Arten von Schemata Kontextspezifisch: Erfahrungs- und kulturbedingt (z.B. Schema zur Form der Erde) Emotionsbesetzt: Negativ besetztes Schema zu Mathe, weil Gefühl von Unfähigkeit Vor- und Nachteile von Schemata Vorteile Nachteile Ersparen es für jeden neuen Reiz einen Beobachtungen/Nacherzählungen können Speicherplatz zur Verfügung zu stellen aufgrund von Schemata verfälscht werden → Unterstützung Gedächtnisleistung (meist werden nur schema-konforme Reize Strukturieren unübersichtliche Mengen an wahrgenommen) Informationen Erhalten „freie Plätze“ → Hinzufügen wich- tiger Informationen wird möglich Viele Ereignisse lassen sich verlässlich vor- hersagen 46 Empirie Ungewöhnliche, nicht ins Schema passende Gegenstände werden eher erinnert nach Lampinen et al. (2001) Es wurden neben neutralen Gegenständen (z.B. Pflanzen, Poster, Ablagefächer) zehn typische Items (z.B. Heftgerät) und zehn atypische Items (z.B. ein Spielzeugauto) gut erkennbar in einem Büro plat- ziert. Im Anschluss sollten Probanden Dinge aufzählen, die sie gesehen hatten. Am häufigsten wur- den die atypischen Gegenstände erinnert. Schemata Studie nach Brewer & Treyens (1981) Ablauf Studenten wurden gebeten, in einem Arbeitszimmer eines Professors Platz zu nehmen. Nach 35 Se- kunden wurden sie in einen zweiten Raum gebracht und sollten völlig unerwartet aufzählen, was sich in dem Arbeitszimmer befand. Ergebnis Studenten erinnerten sich an alles, was typischerweise in einem Arbeitszimmer zu finden ist, es wa- ren aber auch untypische Objekte im Arbeitszimmer, die nur von wenigen erinnert wurden (z.B. ein Totenschädel), viele reproduzierten außerdem typische Objekte, die sich gar nicht in dem Zimmer befanden (z.B. Bücher). Erklärung Während der Erinnerungsphase erfolgt eine Aufarbeitung der gespeicherten Informationen. → Einzelheiten, die sinnlos vorkommen (nicht in das Schema passen) werden vergessen und Einzelheiten, die logisch sind (in das Schema passen) hinzugefügt Skripts Skripts Skripts sind Schemata, die typische Abfolgen von Ereignissen in einer alltäglichen Situation repräsen- tieren, auch Ereignis-Schemata genannt. (Woolfolk, 2014) → Ressourcenschonende Bewältigung alltäglicher Handlungsabläufe → Drehbuchartige Ereignisabläufe im LZG, nach denen ein Mensch sein Leben gestaltet Beispiel: Wissen wie man sich beim Betreten des Klassenzimmers verhält. Arten von Skripts Situationale Skripts Personale Skripts Instrumentelle Skripts Soziale Situationen, wie ein Erwartungshaltungen wie die Gewisse Ziele, wie der Schul- Restaurantbesuch Definition eines guten Schul- weg abschlusses 47 Ein Skript kann verschiedene Rollen beinhalten, da sich Personen je nach ihrer Funktion in einer Situ- ation unterschiedlich verhalten. → Schule: Klassensprecher agiert anders als Freund aus dem Fußball Empirie Relativ übereinstimmende Skripts für Angehörige einer Nation bzgl. Restaurantbesuch nach Bower, Black & Turner (1979) Wiedergabe von Handlungen organisiert nach Skript. Probanden sollten Verhalten im Restaurant aufzählen. Es kam zu großen Übereinstimmungen hinsichtlich der genannten Verhaltensweisen in- nerhalb einer Nation. 2.2. Erwerb von prozeduralem Wissen Prozedurales Wissen Prozedurales Wissen ist Wissen, das vorgeführt wird, wenn wir eine Aufgabe ausführen, „wissen, wie“. (Woolfolk, 2014) Zeitverlauf des Lernens: Von Liste von Fakten über eine Tätigkeit zur unbewussten, automatischen Ausführung einer Tätigkeit. Prozedurales Wissen Wird in der Regel aus deklarativem Wissen gewonnen Wird durch Übung verbessert und automatisiert (z.B. Fahrradfahren) Ist ohne große Anstrengung abrufbar Ist oft schwieriger zu beschreiben als anzuwenden (z.B. Schuhe binden) Kann auch nach Jahren (wenn gut geübt) wieder schnell erworben werden Unterscheidung von prozeduralem Wissen Psychomotorische Fertigkeiten (Autofahren) Kognitive Fertigkeiten (Bruchrechnen) Adaptive control of thought theory nach Anderson (1983) Bei dieser Theorie handelt es sich um eine komplette Theorie der menschlichen Informationsverar- beitung (Wahrnehmung, Sprache, Problemlösen, etc.). Bei dieser Theorie agieren das deklarative Gedächtnis, das prozedurale Gedächtnis und das Arbeits- gedächtnis zusammen, sodass es zum prozeduralen Wissenserwerb kommt. Modell gehört zu den Produktionssystemen → Beruht auf Entstehung, Speicherung und Ausführung von Produktionen ( = Wenn-Dann-Beziehungen) 48 Die ACT-Theorie unterscheidet drei Gedächtnissysteme: 1. Deklaratives Gedächtnis Im deklarativen Gedächtnis ist Faktenwissen gespeichert in Form von Propositionen Reihenfolgen Räumlichen Bildern 2. Prozedurales Gedächtnis Hier sind Prozeduren, also Wenn-dann-Verknüpfungen gespeichert Es wird angenommen, dass die Bedingungskomponenten von Prozeduren dem Bewusst- sein nicht zugänglich sind Wenn das WENN erfüllt ist, aber das DANN noch nicht, kommen 5 Prinzipien zum Tragen Spezifität Von zwei konkurrierenden Prozeduren wird diejenige bevorzugt, deren Bedingungs- komponente spezifischer ist Grad der Passung Es kommt eher die Prozedur zur Anwendung, die einen größeren Grad der Passung mit dem bestehenden Sachverhalt besitzt Zieldominanz Eine Prozedur kann nur dann aktiviert werden, wenn das momentan verfolgte Ziel mit dem Zielelement der Bedingungskomponente übereinstimmt Stärke der Prozedur Jede erfolgreiche Anwendung führt zur Stärkung der Prozedur, Misserfolge bewirken ei- ne Schwächung Datengebundenheit Datenelement kann nicht gleichzeitig in eine kognitive Mutter eingepasst werden 3. Arbeitsgedächtnis Hier sind alle Informationen, die dem Bewusstsein in Moment zugänglich sind, aktiviert (z.B. Sinnes- eindrücke, die gerade enkodiert werden, …). 49 Drei Stufen des Wissens Nach Anderson Stufe 1: Stufe des Erwerbs von Wissen über den genauen Ablauf der Fertigkeit → Deklarative Stufe Beschreibung der Prozedur Erlernen einer Fertigkeit beginnt auf kognitiver Stufe: Lerner erwirbt Wissen über den ge- nauen Ablauf der Fertigkeit und deren Ausführung (= Produktionsregel) → Regel ist dann als Wissen in deklarativer Form im Gedächtnis repräsentiert Deklarative Enkodierung von Informationen Beispiel Autofahren: Der erste Gang ist vorne links Stufe 2: Stufe der Wissenskompilation Ausbildung einer Prozedur für Fertigkeitsausführung (assoziative Phase) Bei weiterer Übung wird eine spezielle Prozedur für die Fertigkeitsausführung ausgebildet, indem das deklarative Wissen (d.h. die Regel für die Fertigkeit, z.B. Position der Gänge) in ei- ne prozedurale Form überführt wird. (Vorgang der Wissenskompilierung) Man braucht in der Regel nicht mehr ständig vergegenwärtigen (Entlastung des AG) Handlungsausführung wird immer flüssiger Deklaratives Wissen bleibt verfügbar, aber prozedurales Wissen bestimmt Handlungsausfüh- rung Stufe 3: Stufe der Wissensoptimierung Automatisierung (autonome Phase) der Fertigkeit (Verfeinerung der Fertigkeitsausübung) Schnellere und sicherere Ausführung Hersagen der Regel verschwindet (keine kognitive Steuerung mehr!) → Unbewusst Deklaratives Wissen tritt vollständig zurück (oft auch keine Verbalisierung mehr möglich!) 2.3. Empirie Nachweis von sensorischem Register nach Sperling (1960) Ablauf Probanden wurden 3 Buchstabenreihen mit je 3 Buchstaben und Zahlen für eine zwanzigstel- Sekunde gezeigt. Sie sahen die Reihe zwei Runden. Ergebnis Sie konnten nachfolgend etwa vier der Buchstaben wiedergeben. In der zweiten Runde sollten sie eine spezifische Zeile abhängig von einem Tonsignal wiedergeben. Dies gelang allen perfekt, womit er die Existenz des ikonischen Gedächtnisses belegen konnte. Serieller Positionseffekt/Primacy-Recency-Effekt nach Murdock (1963) Psychologisches Gedächtnisphänomen, bei dem sich in einer Reihe dargestellter Objekte/ Lerninhalte die ersten (Primacy) und die letzten (Recency) Elemente am besten gemerkt werden. 50 Erkenntnisse Erste Elemente gehen besser, da noch keine vorherigen Informationen in der Codierung in- terferieren und sie so ins LZG übertragen werden können Mittlere Elemente werden vergessen, da das KZG nach etwa 7 Einheiten erschöpft ist Letzte Elemente gehen besser, weil sich im KZG an aktuelle Informationen besser erinnert wird - diese wurden nicht durch folgende Informationen überschrieben Damit konnte die Existenz von LZG und KZG nachgewiesen werden. Durchgeführte Studie Probanden mussten 30 sinnlose Silben lernen, dabei wurden die ersten und letzten Silben am besten erinnert → Primacy-Recency-Effekt 2.4. Schulbezug Förderung des Erwerbs von Fertigkeiten bei Schülern Bedeutung von Instruktion Aufmerksamkeitsprozesse lenken → Vereinfachung des Fertigkeitsablaufes Zum Beispiel im Sinne des Scaffoldings (= Gerüst) o Unterstützung des Lernprozesses durch Anleitungen, Denkanstöße o Sobald der Lernende fähig ist, bestimmte Teilaufgaben eigenständig zu bearbeiten, wird das Gerüst wieder entfernt Instruktion soll auf eine Vereinfachung des Fertigkeitsablaufes gerichtet sein (z.B. zunächst Erlernen eines Handlungsgerüsts, das später ausdifferenziert wird) Üben Verteiltes vs. massiertes Lernen Verteiltes Lernen Massiertes Lernen Bei schwachen Lernern Bei kurzen und leichten Aufgaben Bei schweren, umfangreichen Aufgaben Bei fähigeren Lernern → Gefahr von Kontext gelöst zu lernen, was Bei Aufgaben die eine verlängerte Warm-up den Sinn beeinträchtigt Periode haben oder konzentrierte Anstren- gung erfordern (z.B. Programmieren von Computern) 51 Ganz-Lernmethode vs. Teil-Lernmethode Abhängig von Schwierigkeit und Umfang der Lernaufgabe und von den Voraussetzungen des Lerners. Ganz-Lernmethode Teil-Lernmethode Günstiger, wenn die Aufgabe ein integrier- Günstiger, wenn die Lernaufgabe die Größe tes Ganzes darstellt (z.B. Klavierstück einü- einer Einheit überschreitet, die der Lernen- ben) de gut in einem Übungsversuch bewältigen kann Günstiger bei unorganisierten Aufgaben und hoher Komplexität → Schnellerer Lern- erfolg, Motivationsaufbau Wenn Lernaufgabe gut in Einheiten unter- teilbar ist (unorganisierte Aufgaben mit ho- her Komplexität) Kombination der beiden Methoden am günstigsten. → Erst die Aufgabe im Ganzen durchgehen, dann Konzentration auf einzelne schwierigere Teile, dann Abschluss mit auf das Ganze bezogenem Lernen Aktivierung von Vorwissen → Siehe Vorwissen Lernstrategien → Siehe Lernstrategien Feedback Sollte unmittelbar nach Ausführung der Handlung gegeben werden und auch genau auf die Handlung bezogen sein Danach sollte Möglichkeit zur erneuten Handlungsausführung gegeben werden, um dem Lernenden zu ermöglichen, Feedback direkt umzusetzen Möglichkeit geben, ein inneres Modell aufzubauen, mit Hilfe dessen die Fertigkeitsausfüh- rung bewertet werden kann Vereinfachung des Fähigkeitsablaufes Anfangs Handlungsgerüst erlernen, später ausdifferenzieren Fertigkeit in einzelne Komponenten aufgliedern, einzelne Teile gut voneinander absondern (z.B. st erst auf Tastatur lernen) 52 Hausaufgaben 1. Definition Hausaufgaben Mit Hausaufgaben werden im Allgemeinen die Aufgaben bezeichnet, die sich aus dem Unterrichts- prozess ergeben und die außerhalb des Unterrichts erledigt werden sollen. (Keck, 1978) 2. Bedeutung von Hausaufgaben Unterschiedliche Ansichten Befürwortung der Hausaufgaben lässt sich in der Selbstständigkeit und im Pflichtbewusstsein seitens der Schüler finden → Zeitmanagement als wichtige Komponente Dieser Kompetenzerwerb ist allerdings umstritten und hängt von diversen Faktoren ab: Mo- tivation der Schüler, Aufgabenstellung, Lehrer, Motivation, Arbeitsplatz daheim, Schulweg… Können eine Verlängerung des Leistungsdrucks darstellen, da zu viele Hausaufgaben zu Über- forderung führen Hausaufgaben stellen Verlust der Freizeit dar und können so zur Belastung für das Familien- leben werden → Oft sind die Kinder auch nicht in der Lage, die Hausaufgaben selbst zu lösen und die Eltern sind gefragt Wirken nur leistungssteigernd, wenn sie sinnig, thematisch und kognitiv fordernd gestellt werden (das verpflichtende Ausmalen von Laubblättern ist eher nicht leistungssteigernd) Sollten vom Lehrer durchdacht und bewusst eingesetzt werden und nicht als inoffizielle Ver- längerung der Unterrichtsstunde / nicht geschaffter Inhalte gelten Hausaufgaben werden in der Schule selbst negativ beleuchtet, z.B. durch Hausaufgabengut- scheine als Belohnung → Werden von den Lehrern selbst als Last eingeordnet 3. Empirie Studie Mathehausaufgaben nach Trautwein, Köller & Baumert (2001) Durchgeführte Studie mit 123 Siebtklässlern aus verschiedenen Bundesländern. Sie ergab, dass in Mathematik häufige Hausaufgaben einen positiven Effekt auf die Leistungsentwick- lung haben, während große Hausaufgabenumfänge eher leistungshindernd zu beschreiben sind. 53 Problemlösen 1. Definition Problemlösen Denkvorgänge, die auf die Lösung bestimmter Probleme gerichtet sind und die sich mit Hilfe einer Menge mentaler Operationen von einem Angstzustand auf einen Zielzustand hinbewegen. (Zimbardo, 2008) Unerwünschter Angstzustand → Barriere behindert erwünschten Zustand 2. Barrieretypen Interpolarisation Ziel: Gegner besiegen Mittel: Bekannt Problem: Richtige Anordnung der einzelnen Operationen Synthese Ziel: Aus Blei Gold herstellen Mittel: Nicht bekannt → Barriere Problem: Mittel für die Zielerreichung sind nicht bekannt Dialektisch Ziel: Das genaue Ziel ist nicht bekannt (z.B. Was heißt „schöner“?) Mittel: Bekannt Problem: Ziel ist nicht genau bekannt Synthese und Dialektisch Ziel: Nicht genau bekannt Mittel: Nicht genau bekannt Problem: Es bestehen mehrere Barrieren 54 3. Problemlöseprozesse Prinzip nach Mietzel (2007) I Identifikation eines Problems D Definitionen der Ziele und Repräsentation des Problems E Exploration möglicher Strategien A Antizipieren von Ergebnissen und Vorgehensweisen L Lernen aus der Rückschau Konkrete Möglichkeiten Versuch & Irrtum Nutzung von Strategien Kreativität Systematisches Denken Schlussfolgern Zerlegung in Unterprobleme Umstrukturieren und Erkennen von Ordnungsprinzipien 4. Empirie Hungrige Katzen in Puzzle Box nach Thorndike (1898) Beobachtung von Katzen, die versuchten, sich aus der sogenannten „Puzzlebox“ zu befreien. Affenexperiment nach Köhler (1921) Affen im Käfig nutzen Kisten bzw. Stöcke, um an Banane zu kommen. 5. Schulbezug Problemlösemöglichkeiten in der Schule Vermittlung von Lösungsstrategien Aktivierung von Vorwissen Visualisierungen Überprüfung der Voraussetzungen (Verständnis der Aufgabe) Schaffung von Problemsituationen in natürlichem Kontext (Anchored Instruction) Darstellung von Beispielen (Musterlösung) Technik des lauten Denkens 55 Lernstrategien 1. Definition Lernstrategien Unter Lernstrategie versteht man einen Plan für eine Handlungssequenz der auf die Erreichung eines Lehrziels gerichtet ist. (Klauer, 1996) Lernstrategien = Kognitive/verhaltensbezogene Lernaktivität, die zu besseren Lernergebnissen beitragen können. 2. Drei Arten von Lernstrategien nach Wild und Schiefele Lernstrategien nach Wild & Schiefele Kognitive Lernstrategien Organisation Informationsreduzierende Vorgehensweise Auswahl/Zusammenfassen von Informationen→ Sinnstiftende Gliederung Gliederung anfertigen, Diagramm/Mind-Maps erstellen Elaboration Herausarbeitung von Sinnstrukturen in zu lernender Information Anreicherung der Information durch Herstellung von Assoziationen Konstruktion (Stoff mit eigenen Worten wiedergeben) Integration (Stoff mit gespeichertem Wissen vernetzen) Transfer (Übertragung auf andere Kontexte) 56 Wiederholung = Wissen auswendig lernen Gelerntes im Arbeitsspeicher behalten Unterstützung des Übergangs ins LZG Lautes/stilles Wiederholen, schreiben/unterstreichen wichtiger Passagen Kritisches Prüfen Gelerntes Hinterfragen Beispiel: Wofür nützt der Stoff? Anwendungskontext Metakognitive Strategien Metakognition Kognition über Kognition. „Spezieller Teil des Weltwissens eines Menschen, der sich auf seine Kogni- tion und Anwendung des Wissens bezieht“. (Flavell, 1979) Drei verschiedenen Arten von Wissen der Metakognition nach Schunk (2004) Selbstregulationswissen Deklaratives Wissen P