Olaf Fritsche - 2 Das Leben ist konzentriert und verpackt PDF
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Medizinische Universität Graz
Olaf Fritsche
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This document focuses on the topics of the biological characteristics of life, the concentration and packaging of life substances. It describes the different states of matter (gas, liquid and solid) and explains how, in each of these states, they relate to biological processes.
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2 Leben ist konzentriert und verpackt Lebensvorgänge können nur ablaufen, wenn die dafür notwendigen Stoffe räumlich dicht beieinander liegen und aufeinandertreffen. Gleichzeitig müssen Prozesse, die...
2 Leben ist konzentriert und verpackt Lebensvorgänge können nur ablaufen, wenn die dafür notwendigen Stoffe räumlich dicht beieinander liegen und aufeinandertreffen. Gleichzeitig müssen Prozesse, die in entgegengesetzte Richtungen verlaufen, voneinander getrennt bleiben. Spezielle Hüll- strukturen separieren darum das lebendige Innere vom toten Äußeren und aufbauende von abbauenden Vorgängen. Auf diese Weise schafft sich das Leben eigene Bedingungen, unter denen seine typischen Prozesse optimal stattfinden können. Leben muss konzentriert nicht als Basis für Leben in Frage kommen, nutzen viele Organismen sie gerade wegen ihrer außeror- und beweglich sein dentlichen Mobilität für verschiedene Aufgaben. Etwa als stets verfügbaren Rohstoff, sich selbst ver- breitendes Signal oder als bequeme Entsorgungs- Fast alle Indizien für Leben, die wir im vorherigen form von kleinen Abfallprodukten. Kapitel erarbeitet haben, setzen voraus, dass sich die Genau das entgegengesetzte Problem hätten Orga- Bestandteile eines lebenden Systems bewegen, mit- nismen, die aus Festkörpern bestehen. In ihnen einander reagieren und sich gegenseitig verändern. hat jedes Teilchen engen Kontakt zu seiner Nach- Obwohl diese Forderungen auf der Erde, wo mittlere barschaft, die sich jedoch praktisch nie ändert. Temperaturen und Drücke herrschen, anscheinend Starke Bindungen halten jedes Atom und Molekül recht einfach zu erfüllen sind, schränken sie die Mög- an seinem Platz und verhindern größere Bewe- lichkeiten, wie ein Organismus aufgebaut sein kann, gungen oder gar Wanderungen. Das Repertoire an bereits erheblich ein. Sie zwingen dem Leben bei- realisierbaren chemischen Reaktionen und Verän- spielsweise für die wesentlichen Prozesse einen derungen ist dementsprechend gering. Für eine Aggregatzustand auf. lebendige Dynamik wären reine Festkörper des- halb zu unflexibel. So sind die Moleküle eines Gases durchaus beweg- Viel besser sieht es für Flüssigkeiten aus. Die lich. Die Anziehungskräfte zwischen ihnen sind Anziehungskräfte zwischen deren Molekülen sor- sogar so gering, dass gen für einen gewissen Zusammenhalt, brechen Lösungsmittel (solvent) sie sich weitgehend aber hinreichend leicht auf und formen sich an Substanz, die Moleküle eines anderen unabhängig vonein- anderer Stelle neu, was Verschiebungen und Strö- Stoffs vereinzelt und umschließt, ander bewegen und mungen zulässt – ein idealer Kompromiss zwi- ohne dass es dabei zu einer chemi- über das gesamte schen Stabilität und Flexibilität. Die Auswahl an schen Reaktion kommt. Die Teilchen zur Verfügung ste- flüssigen Substanzen ist allerdings eher beschei- des gelösten Stoffs sind in dem ent- hende Volumen aus- den, doch dieser Nachteil wird dadurch ausge- standenen homogenen Gemenge auch unter dem Mikroskop optisch breiten. Dadurch glichen, dass sich die unterschiedlichsten Stoffe in nicht mehr zu erkennen. dünnen Gase schnell Flüssigkeiten lösen lassen. Sie werden dadurch aus, und ihre Mole- annähernd so beweglich wie das Lösungsmittel küle treffen sich zu selten und zu unkontrolliert für selbst, sind aber an dieses gebunden und können eine biologische Chemie. Obwohl Gase deshalb sich nicht verflüchtigen. Das ermöglicht eine © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2015 O. Fritsche, Biologie für Einsteiger, DOI 10.1007/978-3-662-46278-2_2 22 2 Leben ist konzentriert und verpackt Aggregatzustände gasförmig flüssig fest 2.1 Grundsätzlich stehen dem Leben drei Aggregatzustände offen. Aufgabenteilung: Das Lösungsmittel sorgt als 2.2 Der Lebensraum Erde ist reich an Verbindungen in fester, Medium für die Beweglichkeit, und die gelösten flüssiger und gasartiger Form. Substanzen übernehmen die Funktionen des Lebens. ken. In der äußeren Elektronenschale des Sauerstoff- Wasser hat besondere Eigenschaften atoms befinden sich allerdings noch zwei freie Elektronenpaare, die nicht an den Bindungen betei- Die mit Abstand häufigste Flüssigkeit auf der Erde ist ligt, wohl aber negativ geladen sind und Platz benöti- Wasser, und schon wenige Hundert Millionen Jahre gen. Durch die Abstoßungskräfte zwischen ihnen nach der Entstehung des Planeten gab es Tümpel, und den Bindungselektronen nimmt das Molekül die Seen und Ozeane, in denen sich eine zaghafte chemi- Form eines Tetraeders an – einer Pyramide mit drei- sche Biologie entwickeln konnte. Wasser war und ist eckiger Grundfläche. Im Zentrum dieser geometri- aber nicht nur leicht verfügbar, es hat für Lebewesen schen Figur befindet sich der Sauerstoff, während die außerdem eine ganze Reihe von Vorteilen, die sich Wasserstoffatome an zwei der vier Ecken sitzen und aus seiner besonderen Chemie und Physik ergeben. die freien Elektronenpaare zu den beiden anderen Jedes Wassermolekül besteht aus einem Sauer- Ecken weisen. In dieser räumlichen Konfiguration stoffatom, das über je eine kovalente Bindung (siehe überlagern sich die elektrischen Felder der (Teil-) Kasten „Chemische Bindungen“ auf Seite 23) mit Ladungen nicht mehr richtig, und die Polarisierung zwei Wasserstoffatomen verknüpft ist (H2O). Die dringt nach außen. Das Wasser wird so zu einem gemeinsamen Elektronenpaare in diesen Bindungen polaren Molekül mit negativen und positiven Berei- sind jedoch im zeitlichen Mittel stark zum Sauerstoff chen. verschoben (siehe Kasten „Elektronegativität und Weil elektrisch entgegengesetzte Ladungen sich Polarität“ auf Seite 24). Als Folge sind die Wasser- anziehen, richten benachbarte Wassermoleküle sich stoffatome leicht elektrisch positiv geladen und der bevorzugt so aus, dass die positiven Wasserstoffatome Sauerstoff elektrisch negativ. Anders als im Fall von in Richtung der negativen Elektronenpaare der Ionen, bei denen ein oder mehrere Elektronen ganz Sauerstoffatome weisen. Es entsteht eine Wasser- vom einen Partner auf den anderen übergehen, tra- stoffbrückenbindung (Abbildung 2.4). Ganz allge- gen die Atome im Wassermolekül keine volle Ladung, sondern nur eine Teil- oder Partialladung, was in Formeln manchmal mit einem kleinen griechischen Delta und dem Vorzeichen der jeweiligen Ladung (δ+ d+ bzw. δ–) gekennzeichnet wird. Entsprechend werden d+ H die asymmetrischen Elektronenpaarbindungen mit- 5° d– unter durch einen Keil (!) dargestellt und als polare 4,4 10 Bindungen bezeichnet, die chemische Gruppe als d+ H O Dipol (Abbildung 2.3). d– d– Wären die drei Atome des Wassers in einer gera- d+ 95,84 pm den Reihe mit dem Sauerstoff in der Mitte angeord- net, würden sich die Teilladungen nach außen hin 2.3 Das Wassermolekül ist gewinkelt und trägt Teilladungen, weitgehend gegenseitig aufheben und kaum auswir- die in die Ecken eines Tetraeders weisen. Leben muss konzentriert und beweglich sein 23 Genauer betrachtet Chemische Bindungen Chemische Bindungen halten Atome zusammen. Die Über- freien Elektronenpaar des Akzeptors. In Biomolekülen han- gänge zwischen den verschiedenen Typen sind fließend. delt es sich dabei häufig um ein Stickstoff- oder ein weiteres Am stärksten ist die kovalente Bindung (auch Atombin- Sauerstoffatom. dung oder Elektronenpaarbindung genannt). Bei ihr teilen Die Wasserstoffbrückenbindung ist mit 20 kJ/mol oder sich zwei Atome ein oder mehrere Elektronenpaare, wo- weniger sehr schwach und zusätzlich sehr winkelabhängig. durch ein (neues) Molekül entsteht. Je mehr kovalente Bin- Am stärksten wirkt sie, wenn die drei beteiligten Atome auf dungen zwischen den Atomen bestehen, umso enger sind einer geraden Verbindungslinie liegen. Dann beträgt der Ab- sie miteinander verknüpft. Dies macht sich sowohl im stand zwischen dem Wasserstoffatom und dem Akzeptor- Abstand der Atome voneinander als auch in der Stärke ihres atom etwa 150 pm bis 260 pm, zwischen Akzeptor und Zusammenhalts bemerkbar. Die folgende Tabelle zeigt als elektronegativerem Atom des Donors 240 pm bis 350 pm. Beispiel die Werte von Kohlenstoffbindungen: In Formeln werden Wasserstoffbrückenbindungen häufig durch Punkte zwischen Donor und Akzeptor angedeutet: Bindung Abstand in pm Bindungsenergie –O–H.....N– (Pikometer, 10–12 m) in kJ/mol Die van-der-Waals-Wechselwirkung entsteht zwischen eigentlich unpolaren Partnern. Der Ladungsschwerpunkt der C–C 154 348 Elektronenhülle eines Atoms schwankt aber leicht und fällt C=C 134 614 häufig kurzzeitig nicht mit dem positiv geladenen Atomkern C!C 120 839 zusammen. Deshalb sind auch neutrale Atome vorüberge- hend immer wieder elektrische Dipole. Nähern sich zwei sol- che Atome einander an, stimmen sich ihre temporären Bei kovalenten Bindungen stehen die Partner immer in einer Dipole aufeinander ab, und die Elektronenhüllen synchroni- festen Orientierung zueinander, die von der Elektronen- sieren ihre Verschiebungen. Das Ergebnis ist eine schwache struktur der jeweiligen Atome vorgegeben wird. Während Anziehungskraft, die mit weniger als 5 kJ/mol noch geringer eine Einfachbindung noch Rotationen um die Verbindungs- ist als eine Wasserstoffbrückenbindung und nur über extrem achse durch die Atome zulässt, sind Doppel- und Dreifach- kurze Distanzen wirkt. Da im Prinzip aber jedes Atom in der bindungen starr. Lage ist, an einer van-der-Waals-Wechselwirkung teilzuneh- Ionenbindungen entstehen, wenn geladene Atome oder men, treten diese oft in großen Mengen auf und summieren Moleküle (Ionen) durch ihre elektrostatische Anziehung sich zu beachtenswerten Bindungskräften. zusammengehalten werden. Ihre Stärke hängt vom Abstand Hydrophobe Wechselwirkungen gehen auf keine und dem Umgebungsmedium ab. In wässrigen Lösungen Anziehungskraft zurück, sondern sind ein Entropie-Effekt schirmen die Wassermoleküle als Hydrathülle die Ionenla- (siehe Kasten „Entropie als Maß der Beliebigkeit“ auf Seite dungen effektiv ab und schwächen die Bindung dadurch auf 11). In Wasser können unpolare Moleküle nur äußerst weniger als ein Zehntel der Stärke einer kovalenten Bindung. wenige und schwache Bindungen zum Medium aufbauen, Da das elektrische Feld einer Ladung sich in alle Richtungen auch untereinander haben sie kaum Zusammenhalt. Bedeu- erstreckt, haben Ionenbindungen keine bevorzugte Ausrich- tender ist die Freiheitsbeschränkung der Wassermoleküle, tung. wenn diese sich um alle vereinzelten unpolaren Teilchen Auch die Wasserstoffbrückenbindung ist eine elektro- lagern müssen. Sammeln die unpolaren Moleküle sich zu statische Anziehung. Sie verbindet eine Donorgruppe und einem gemeinsamen größeren Komplex, bleibt dem Wasser einen Akzeptor. Der Donor besteht aus einem stark elektro- deutlich mehr Spielraum. Dieser Anstieg der Entropie des negativen Atom wie Sauerstoff, an dem über eine kovalente Wassers übersteigt die Entropieabnahme der unpolaren Bindung ein Wasserstoffatom hängt. Das gemeinsame Substanz und die Beiträge der verschiedenen Bindungen. Er Elektronenpaar ist weit zum elektronegativeren Partner ver- sorgt dafür, dass unpolare Gruppen und Moleküle so weit schoben, wodurch dieser partiell negativ geladen wird und wie möglich vom Kontakt mit dem Wasser ausgeschlossen der Wasserstoff partiell positiv. Die positive Teilladung des werden. Wasserstoffs sorgt für die elektrostatische Anziehung zum 24 2 Leben ist konzentriert und verpackt Genauer betrachtet Elektronegativität und Polarität Die Elektronegativität eines Elements gibt an, wie stark des- Sauerstoff 3,5 Phosphor 2,1 sen Atome innerhalb einer kovalenten Bindung die Bin- Stickstoff 3,0 Wasserstoff 2,1 dungselektronen zu sich heranziehen. Sie hängt von der Kohlenstoff 2,5 Natrium 0,9 positiven Ladung des Atomkerns und dem Radius des Atoms Schwefel 2,5 Kalium 0,8 ab. Im Periodensystem der Elemente nimmt die Elektrone- gativität darum von links nach rechts (steigende Kernladung) Je höher der Wert ist, umso elektronegativer ist das Element und von unten nach oben (sinkender Atomradius) zu. und umso stärker ziehen seine Atome Bindungselektronen an Es existieren verschiedene Tabellen mit den Elektronega- sich heran. Bei unterschiedlich elektronegativen Atomen ver- tivitätswerten der Elemente, die leicht unterschiedliche schiebt sich dadurch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Angaben enthalten, da die Werte nicht direkt experimentell Bindungselektronen und damit ihr mittlerer Ladungsschwer- gemessen, sondern ganz oder teilweise auf theoretischer punkt. Die Bindung wird polar, und die beteiligten Atome tra- Grundlage errechnet werden müssen. In der Biologie ist die gen eine Teil- oder Partialladung. Je größer die Elektronegati- Skala nach Linus Pauling am gebräuchlichsten. Darin ist die vitätsdifferenz ist, umso stärker sind die Polarität und die Elektronegativität von Fluor willkürlich auf den Wert 4,0 Ladung. Bei einer Differenz von mehr als 1,7 gehen die Bin- gesetzt und von Lithium auf 1,0. Für die wichtigsten biolo- dungselektronen überwiegend ganz auf den elektronegative- gisch relevanten Elemente ergeben sich dann folgende ren Partner über, und der Bindungscharakter entspricht mehr Elektronegativitäten: einer Ionenbindung als einer kovalenten Bindung. mein werden dabei zwei negativ geladene Bereiche atomen Brücken schlagen kann, ist jedes Molekül mit von Molekülen (beim Wasser sind dies die Sauer- bis zu vier Nachbarn verbunden, wobei ständig Brü- stoffatome) über die „Brücke“ eines positiv gela- cken aufbrechen und neue entstehen. Typischerweise denen Wasserstoffatoms miteinander verbunden. liegt die Lebensdauer einer solchen Wasserstoffbrü- Wasserstoffbrückenbindungen treten sowohl zwi- ckenbindung nur im Bereich weniger Pikosekunden. schen verschiedenen Die räumlichen Gebilde vorübergehend verknüpfter Wasserstoffbrückenbindung Molekülen als auch Moleküle werden als Cluster bezeichnet. (hydrogen bond) innerhalb eines grö- Die biologisch nützlichen Eigenschaften des Schwache chemische Bindung, bei ßeren Moleküls auf. Wassers gehen überwiegend auf die Polarität des der ein positiv geladenes Wasserstoff- Sie sind ziemlich Moleküls und seine Tendenz, Wasserstoffbrückenbin- atom die Verbindung zwischen dem schwach und erlan- dungen zu bilden, zurück. elektronegativeren Bindungspartner, gen meist erst da- mit dem es durch eine kovalente Bin- durch Bedeutung, Die Wasserstoffbrücken halten die Wassermole- dung verknüpft ist, und einem freien dass sie in großer küle zusammen und sorgen so dafür, dass Wasser Elektronenpaar eines anderen Atoms herstellt. Sie kann innerhalb eines Zahl vorkommen. unter normalen Bedingungen überhaupt flüssig Moleküls oder zwischen verschiede- Weil jedes Sauer- ist. Ohne diese Bindungen würden die kleinen nen Molekülen auftreten. stoffatom gleich zu Moleküle angetrieben von der Wärmeenergie der zwei Wasserstoff- Umgebung als Gas umherfliegen, wie beispiels- 2.4 Die positiv geladenen Wasser- stoffatome und die negativ geladenen H freien Elektronenpaare benachbarter Wassermoleküle ziehen einander an. O H Es entstehen Wasserstoffbrückenbin- dungen (links), über welche sich die Wassermoleküle zu Clustern vereinigen (rechts). Leben muss konzentriert und beweglich sein 25 Eigenschaften von Wasser flüssig dichter als Eis Wärmespeicher nicht komprimierbar polares Lösungsmittel strukturgebend Reaktionsteilnehmer 2.5 Wasser hat viele lebensfreundliche Eigenschaften. weise der ein wenig größere Schwefelwasserstoff Die Temperatur von Wasser ändert sich nur träge. (H2S). Auf molekularer Ebene ist Wärme nämlich nichts Wenn Wasser zu Eis gefriert, bilden sich zwischen anderes als Bewegung der Moleküle. Führt man seinen Molekülen alle vier möglichen Wasserstoff- Wasser aber Energie zu, wird erst einmal ein gro- brücken aus und bleiben bestehen. Es entsteht ein ßer Teil davon benötigt, um bestehende Wasser- starrer Kristall, in dem die Moleküle von den Brü- stoffbrückenbindungen aufzubrechen. Nur der cken auf größerem Abstand zueinander gehalten Rest steigert tatsächlich das Ausmaß der Wärme- werden als im flexibleren flüssigen Zustand. bewegung. Die spezifische Wärmekapazität des Dadurch enthält Eis im gleichen Volumen weniger Wassers – die notwendige Wärmeenergie, um die Moleküle als flüssiges Wasser und hat somit eine Temperatur von einem Kilogramm Wasser um geringere Dichte. Diese Dichteanomalie des Was- 1 °C zu erhöhen – ist darum recht hoch. Wasser sers ist der Grund dafür, dass Eis schwimmt und bietet deshalb Lebewesen eine weitgehend kon- sich im Winter auf Gewässern eine isolierende Eis- stante Temperatur. schicht bildet, die den direkten Wärmeverlust an Wasser lässt sich im biologisch relevanten Bereich die Atmosphäre verhindert. Organismen können so gut wie gar nicht komprimieren. Statt enger so in den weiterhin flüssigen Regionen unter dem zusammenzurücken, üben seine Moleküle höhe- Eis überleben. ren Druck auf die Umgebung aus. Aus diesem 2.6 Auf der Erde (links) ist Wasser eine unverzichtbare Grundlage für Leben. Darum fahnden Forscher bei der Suche nach Leben auf anderen Planeten stets nach Anzeichen für flüssiges Wasser. Beim Mars glauben sie, in diesem abgerutschten Teilstück eines Steilhangs den entscheidenden Hinweis gefunden zu haben (rechts). 26 2 Leben ist konzentriert und verpackt Grund eignet es sich gut, um Hohlräume auch ohne Gerüst in Form zu bringen. Wassermoleküle lagern sich leicht mit ihrer pas- 4 Prinzip verstanden? senden Seite an polare oder geladene Bereiche 2.1 Wie entsteht die Oberflächenspannung des Wassers? anderer Moleküle. Sie umschließen diese dabei 2.2 Warum bildet Wasser auf vielen Untergründen Trop- und bringen sie dadurch in Lösung. Weil die meis- fen, statt wie Öle zu verlaufen? ten biologisch wichtigen Moleküle nach außen elektrisch geladene Regionen präsentieren, sind sie hervorragend in Wasser löslich. Größere Biomoleküle haben meist auch Ab- Lebewesen müssen schnitte, die unpolar sind und weniger gut mit verpackt sein Wasser wechselwirken. Bei der räumlichen Faltung solcher Moleküle werden diese Bereiche oft in die wasserabgewandten Innenbereiche verlegt. Auf Das Leben braucht somit ein Verpackungsmaterial, diese Weise beeinflusst das Wasser die Struktur das wässrige Lösungen möglichst gut zusammenhält, der Makromoleküle. also selbst nicht wasserlöslich ist. Außerdem sollte es Schließlich nimmt Wasser an vielen chemischen eine flexible Bauweise erlauben, damit die Lebens- Reaktionen teil. Beispielsweise indem es die Bin- einheit bei Bedarf vergrößert, verkleinert oder dung eines anderen Moleküls aufbricht, beim Ver- umgebaut werden kann. Ein einzelnes Riesenmole- schmelzen einer neuen Bindung als überflüssiges kül wäre dafür schlecht geeignet. Besser ist ein Bau- kleines Molekül abgespalten wird oder indirekt kastensystem mit kleinen Bausteinen, die je nach eine Reaktion unterstützt, indem es die entstehen- Aufgabe sogar unterschiedliche Eigenschaften haben den Produkte umschließt und somit die Rückre- können. aktion erschwert. Lipide haben zwei Gesichter Zufallsbewegungen verteilen Biomoleküle Idealerweise sollte solch ein Baustein aus zwei unter- schiedlichen Bereichen bestehen: Wasser ist also ein sehr geeignetes Medium für Lebensprozesse. Dennoch stellt gerade die Beweg- Ein wasserabstoßender (hydrophober) Teil über- lichkeit, die es den Biomolekülen verleiht, ein Pro- nimmt die eigentliche Sperrfunktion gegenüber blem dar. Angetrieben von der Umgebungswärme Wasser und den darin gelösten Stoffen. vollführen sowohl die Wassermoleküle als auch die Damit sich die Grenzmoleküle im Wasser nicht biochemischen Substanzen heftige Zitterbewegun- einfach wie Öl zu Tropfen zusammenschließen, gen, bei denen sie ständig zusammenstoßen, aber brauchen sie auch eine wasseranziehende (hydro- gelegentlich auch kleinere Strecken ohne Kollision phile) Domäne. zurücklegen. Durch diese Zufallsbewegungen vertei- len sich die gelösten Moleküle mit der Zeit im gesam- Dieser amphiphile Aufbau sorgt dafür, dass sich die ten Wasserkörper. Sinkt ihre Konzentration dabei zu Moleküle in Wasser automatisch mit ihren hydro- sehr ab, begegnen sie sich kaum noch, und die che- phoben Abschnitten zusammenfinden und ihre mischen Reaktionen, die das Leben auszeichnen, fin- hydrophilen Regionen zum Wasser hin ausrichten. den zu selten statt. Wie wir weiter unten sehen werden, organisiert sich Um den Verdünnungstod zu vermeiden, müssen das System dadurch selbst. die Biomoleküle deshalb auf ein kleines Volumen Den geforderten funktionellen Doppelcharakter beschränkt werden. Schon ein Wassertropfen wäre finden wir bei einigen Vertretern der Lipide (siehe für diesen Zweck zu groß. Gleichzeitig muss dafür Kasten „Lipide“ auf Seite 30). Vor allem die Phos- gesorgt sein, dass eine derart winzige Menge Wasser pholipide sind für den Aufbau einer flächigen Grenz- nicht einfach verdunstet. Zwei Bedingungen, die sich schicht geeignet, denn sie haben neben einem am besten erfüllen lassen, indem das Wasser mitsamt „Schwanz“ aus langen hydrophoben Ketten auch der gelösten Stoffe in eine Hülle verpackt wird. einen deutlich kürzeren „Kopf“ mit hydrophilen che- mischen Gruppen, deren genaue Zusammensetzung je nach Anforderung variiert. Zusammengehalten Lebewesen müssen verpackt sein 27 Genauer betrachtet Kurzschreibweise für Moleküle Biologische Moleküle sind häufig komplex aufgebaut und nur Knick oder gibt es eine Kreuzung, befindet sich an den schwierig in Formeln aufzuzeichnen. Um etwas mehr Über- entsprechenden Stellen ein Kohlenstoffatom. Freie Bin- sicht zu gewinnen, haben sich verschiedene Kurzschreibwei- dungsplätze sind mit Wasserstoff aufgefüllt. sen durchgesetzt, die manchmal schwer zu unterscheiden ∑ Bei einer besonders knappen Schreibweise für Kohlen- sind. hydrate (siehe Kapitel 3 „Leben ist geformt und ge- schützt“) hängen an verwaisten Bindungsstrichen an- ∑ Bei der einfachsten Variante fehlt das H für Wasserstoff, stelle von Kohlenstoffatomen Hydroxylgruppe (–OH). Wir wenn es mit einem Kohlenstoffatom verbunden ist. Der erkennen dies daran, dass in der gesamten Strukturfor- Bindungsstrich endet blind. Alle anderen Atome sind auf- mel keine Hydroxylgruppen ausgewiesen sind, obwohl geführt. diese einen wesentlichen Bestandteil der Kohlenhydrate ∑ Das Formelzeichen C für Kohlenstoff wird weggelassen. darstellen. Für Wasserstoff fällt bei dieser Version außer dem H auch der dazugehörige Bindungsstrich weg. Vor allem für lange Kohlenstoffketten ist diese Schreibweise zum Stan- O H O H O dard geworden. Läuft in einer so geschriebenen Formel C C ein Bindungsstrich scheinbar „ins Leere“, macht er einen H C OH C OH HO C H HO C O OH O OH O OH = = C C H C OH C OH = = H2N C H H2N C H C OH C OH H2N H CH2OH CH2OH CH2OH Die Formel für die Aminosäure Glycin C2H5NO2 in verschie- Für Glucose und andere Kohlenhydrate gibt es eine zusätzli- denen Schreibweisen. che Ultakurzform. werden Kopf und Schwanz meistens durch eine Gly- zu dem unterschiedlichen Verhalten gegenüber Was- cerolrückgrat (ein anderer Name für Glycerol ist Gly- ser kommt (Abbildung 2.8). cerin). Schauen wir uns den atomaren Aufbau der Phos- Den Schwanz der Phospholipide stellen Fettsäu- pholipide einmal genauer an, um zu verstehen, wie es ren (Abbildung 2.9). Sie bestehen aus langen unverzweigten Ketten von Kohlenstoffatomen, an Phospholipide deren freien Bindungsplätzen Wasserstoff angela- gert ist, bis jedes Kohlenstoffatom insgesamt vier Fettsäuren Bindungen hat. Da Kohlenstoff und Wasserstoff ähnliche Elektronegativitäten aufweisen, sind die Esterbindung Ketten unpolar und bieten dem Wasser keine Ansatzpunkte für Wasserstoffbrücken. Auch un- Glycerol tereinander können die Ketten nur schwache van- der-Waals-Wechselwirkungen aufbauen. Dennoch Esterbindung ist es für eine Mischung aus Wasser und Fettsäuren günstiger, wenn die Fettsäuren sich zusammen- Phosphat schließen, weil das Wasser dadurch mehr Spiel- raum für verschiedene Anordnungen hat. Diese Alkohol erhöhte Entropie des Lösungsmittels ist der eigentliche Antrieb für die sogenannten hydro- 2.7 Phospholipide bestehen aus Komponenten mit unter- phoben Wechselwirkungen zwischen unpolaren schiedlichen Eigenschaften. Molekülen im polaren Wasser. 28 2 Leben ist konzentriert und verpackt CH3 c Phospholipid- orbitale an den Kohlenstoffatomen zickzackför- H 3C N + CH3 symbol mig lang gestreckt. Anders bei ungesättigten Fett- hydrophiler Kopf säuren. Dort „fehlen“ Wasserstoffatome. Statt- CH2 Cholin dessen treten eine, in mehrfach ungesättigten Fett- CH2 säuren zwei oder noch mehr Doppelbindungen O zwischen den Kohlenstoffatomen auf. Jede dieser –O P O Phosphat Doppelbindungen führt in die Kette einen Knick um etwa 30 ° ein. Das Molekül ist darum nicht O mehr so gerade gestreckt wie bei den gesättigten H2C CH CH2 Glycerol Fettsäuren. O O Freie Fettsäuren C O C O enden auf einer Fettsäure (fatty acid) Seite mit einer Molekül mit einer langen unverzweig- CH2 CH2 ten Kohlenwasserstoffkette und einer Carboxylgruppe Carboxylgruppe (–COOH). hydrophobe Schwänze (–COOH). Darin Fettsäuren zieht der elektro- negative Sauerstoff die Bindungselektronen zum Kohlenstoff und vor allem zum Wasserstoff so stark zu sich herüber, dass der Wasserstoff leicht als Kation abgegeben wird. Da das Kation des Was- serstoffs ein Proton ist und es sich bei Protonen- donatoren per Definition um Säuren handelt, ist a Strukturformel b Kalottenmodell das gesamte Molekül eine Säure. 2.8 Die langen Kohlenwasserstoffketten bilden den hydropho- …–COOH ! …–COO– + H+ ben Schwanz eines Phospholipids, die Phosphatgruppe und In den Phospholipiden haben die Fettsäuredomä- der daran gebundene Rest den hydrophilen Kopf. Das Rückgrat nen jedoch ihren Säurecharakter verloren, denn stammt bei Phosphoglyceriden vom Glycerol. Hier am Beispiel bei der Lipidbildung reagiert die Carboxylgruppe von Phosphatidylcholin (Lecithin). mit der Hydroxylgruppe (–OH) des Glycerols und bildet unter Abgabe von Wasser eine Esterbin- dung (…–CO–O–…) (Abbildung 2.10). Fettsäuren können „gesättigt“ oder „ungesättigt“ Das Glycerol bildet mit seinen drei Kohlenstoff- sein (Tabelle 2.1). Das Attribut bezieht sich auf das atomen eine Art Rückgrat der Phospholipide. zahlenmäßige Verhältnis von Wasserstoffatomen Solange das Molekül eigenständig ist, befindet sich zu Kohlenstoffatomen in der Kette. In gesättigten an jedem C-Atom eine Hydroxylgruppe (–OH). Fettsäuren ist jedes Kohlenstoffatom mit so vielen Das Glycerol gehört darum chemisch zu den drei- Wasserstoffatomen wie möglich verbunden, also wertigen Alkoholen. In Phospholipiden sind dage- am Ende mit drei (–CH3) und in der Mitte mit gen die Hydroxylgruppen an den Kohlenstoffato- zwei (–CH2–). Zu seinen Kohlenstoffnachbarn hat men C-1 und C-2 (siehe Kasten „Nummerierung es nur Einfachbindungen. Eine derartige Kette ist von Kohlenstoffatomen“ auf Seite 42) durch Fett- wegen der räumlichen Anordnung der Bindungs- säuren ersetzt. 2.9 Bei gesättigten Fettsäuren wie der Stearinsäure (links) hat jedes Kohlen- O O stoffatom zu seinen Nachbarn nur Ein- C C fachbindungen, wodurch das Molekül OH OH sehr flexibel ist. In ungesättigten Fett- säuren wie der Ölsäure (rechts) „fehlt“ Wasserstoff, sodass es eine oder meh- rere starre Doppelbindungen gibt, die Stearinsäure Ölsäure Knicke in der Kette verursachen. Lebewesen müssen verpackt sein 29 Tabelle 2.1 Einige häufige Fettsäuren in Phospholipiden Name Anzahl der Kohlenstoffatome Formel Palmitinsäure 16 H3C(CH2)14COOH Stearinsäure 18 H3C(CH2)16COOH Palmitoleinsäure 16 H3C(CH2)5CH=CH(CH2)7COOH Ölsäure 18 H3C(CH2)7CH=CH(CH2)7COOH Linolsäure 18 H3C(CH2)4CH=CHCH2CH=CH(CH2)7COOH O O delt es sich um Serin, Ethanolamin, Cholin oder R1 + HO R2 R1 + H2O Inositol, die über eine Estergruppe an das Phos- phat gebunden sind. Sie alle weisen polare Berei- OH O R2 che auf, das Cholin sogar ein positiv geladenes 2.10 Aus einer Säure und einem Alkohol entsteht durch Stickstoffatom, und sind entsprechend gut in Was- Abtrennung von Wasser ein Ester. ser löslich. An das C-3-Atom des Glycerolgerüsts ist über eine Lipide bilden spontan Schichten weitere Esterbindung eine Phosphatgruppe ange- knüpft, die sich von der Phosphorsäure ableitet. Durch ihren amphiphilen Aufbau sind Phospholi- Vier Sauerstoffatome umgeben darin ein Phos- pide gut geeignet, um das konzentrierte Innere des phoratom. Wegen der Elektronegativitätsdifferenz Lebens einzuhüllen, denn sie finden sich im Wasser ist die Gruppe sehr polar. Unter biologisch rele- spontan zu Schichten und Bläschen zusammen. vanten Bedingungen wird sogar ein Wasserstoff- Haben die unpolaren Kohlenwasserstoffketten ein- kern ohne sein Elektron abgespalten, sodass das mal Kontakt zueinander aufgenommen, bleiben sie Phosphat eine negative Überschussladung trägt. wegen der hydrophoben Wechselwirkungen und Dadurch ist es stark hydrophil und markiert den zahlreicher van-der-Waals-Bindungen zwischen den Beginn des Kopfteils eines Phospholipids. Ketten (siehe Kasten „Chemische Bindungen“ auf Die abschließende Gruppe bildet einer von meh- reren Alkoholen (Tabelle 2.2). Am häufigsten han- Genauer betrachtet Tabelle 2.2 Die häufigsten Alkohole, die als Kopfgruppe in Phospholipiden auftreten Funktionelle Gruppen O Funktionelle Gruppen bestimmen die chemischen Eigen- HO schaften und das Reaktionsverhalten eines Moleküls. In HO OH biologischen Systemen kommen vor allem folgende Grup- NH2 pen häufig vor: NH2 Serin Ethanolamin Stoffklasse funktionelle Gruppe chemische Formel OH Aldehyd Aldehydgruppe –CH=O Alkohol Hydroxylgruppe –OH OH Amin Aminogruppe –NH2 N OH Carbonsäure Carboxylgruppe –COOH HO Keton Ketogruppe –CO– OH Sulfid, Thiol Sulfhydrylgruppe –SH OH OH Phosphat Phosphatgruppe –O–PO3H2 Cholin Inositol 30 2 Leben ist konzentriert und verpackt Genauer betrachtet Lipide Lipide sind Kohlenwasserstoffe, die ganz oder zum größten gruppe. Sphingolipide sind vor allem am Bau der Nervenzel- Teil wasserunlöslich sind. len beteiligt. Bei Fettsäuren handelt es sich um Kohlenwasserstoff- Bei Glykolipiden besteht die Kopfgruppe aus Kohlen- ketten, die an einem Ende eine Carboxylgruppe tragen. Ge- hydraten (Zuckern), die immer auf der Außenseite der Mem- sättigte Fettsäuren weisen zwischen den Kohlenstoffatomen bran liegen. Als hydrophober Unterbau kommen bei Bakte- nur Einfachbindungen auf und sind darum lang gestreckt. rien und Pflanzen hauptsächlich Glycerol und Fettsäuren vor, Bei ungesättigten Fettsäuren gibt es eine oder mehrere Dop- bei Tieren fast ausschließlich Sphingosin. Die Kohlenhydrat- pelbindungen, die jeweils einen starren Knick in das Molekül anteile sind Erkennungssignale für andere Zellen. einführen. Isoprenoide leiten sich vom Grundbaustein Isopren ab. In Triglyceriden sind drei Fettsäuremoleküle über Ester- Von biologischer Bedeutung sind vor allem Steroide und bindungen an ein Molekül Glycerol gebunden. Die Fettsäu- Carotinoide. ren bestimmen dabei die Eigenschaften des Triglycerids. Sind sie lang und gesättigt, handelt es sich um ein Fett, das CH3 bei Raumtemperatur fest ist. In den flüssigen Ölen sind hin- CH2 gegen vermehrt kurze und ungesättigte Fettsäuren zu fin- H 2C den. Lebewesen nutzen Triglyceride häufig als Energie- speicher. Isopren Wachse bestehen aus einer gesättigten Fettsäure und Steroide sind an einem Kohlenstoff-Ringsystem aus drei einem ebenfalls gesättigten Alkohol, die über eine Esterbin- Sechser- und einem Fünferring zu erkennen, das allen ge- dung miteinander verknüpft sind. Das langkettige Molekül meinsam ist. ist stark hydrophob und dient Organismen unter anderem als wasserabweisende Schutzschicht. Phospholipide haben einen hydrophoben Schwanz aus C D langen unpolaren Kohlenwasserstoffketten und einen hydro- philen Kopf aus polaren oder geladenen Gruppen. Zu ihnen zählen die Phosphoglyceride und die Sphingomyeline. Bei A B den Phosphoglyceriden bilden Fettsäuren den Schwanzteil, die über ein Glycerolrückgrat mit dem Kopf aus einer Phos- phatgruppe und einem hydrophilen Alkohol verbunden sind. Steran Bei den Sphingomyelinen übernimmt das Sphingosin die Rolle des Rückgrats und einer Fettsäure. Dieses Molekül ver- Die Vertreter dieser Stoffgruppe übernehmen viele unter- fügt selbst über eine lange Kohlenwasserstoffkette sowie schiedliche Aufgaben in Organismen. Beispielsweise kommt eine Aminogruppe (–NH2), über die eine Fettsäure gebunden Cholesterol (Cholesterin) in tierischen Membranen vor, Gal- wird, und eine Hydroxylgruppe, an die sich der Kopfteil kop- lensäuren sind an der Fettverdauung beteiligt, Cortisol, pelt. Estrogene (Östrogene) und Testosteron steuern als Hor- OH mone verschiedene Körperfunktionen. Carotinoide sind lang gestreckte Moleküle mit Kohlen- stoffketten, in denen sich Einfach- und Doppelbindungen HO ablösen. Diese Bindungsstruktur ermöglicht es ihnen, Licht NH2 zu absorbieren, wodurch sie uns farbig erscheinen. Sie sind Sphingosin darum an der Photosynthese und am Sehvorgang beteiligt und können aggressive Formen von Sauerstoff unschädlich machen. Phospholipide sind ein wichtiger Grundbaustein biologischer Membranen. Außerdem sind sie an der Signalleitung be- teiligt. Sphingolipide setzen auf Sphingosin als Grundgerüst, an das sich eine Fettsäure und ein hydrophiler Rest lagern. Die oben besprochenen Sphingomyeline gehören damit sowohl zu den Sphingolipiden als auch zu den Phospholipi- den. Alle übrigen Sphingolipide enthalten keine Phosphat- β-Carotin Lebewesen müssen verpackt sein 31 1 für alle hydrophil Lipidvariationen bei Archaea Phospholipid-Bilayer Die Archaea (früher Archaebakterien genannt) bilden hydrophob neben den Bakterien (Bacteria) und den Eukaryoten (Euka- rya) eine der drei großen Domänen im Stammbaum des Lebens. Einige ihrer Besonderheiten sind bei ihren Mem- branlipiden zu finden. Die unpolaren Kohlenwasserstoff- ketten sind verzweigt und nicht über eine Esterbindung mit dem Glycerolrückgrat verbunden, sondern über eine stabi- lere Etherbindung (…–C–O–…). Möglicherweise sind dies Anpassungen an die extremen Lebensräume, die manche 2.12 Im Wasser ordnen sich Phospholipide zu einer doppel- Archaea besiedeln und zu denen sehr saure, salzhaltige schichtigen Membran an. Die hydrophilen Kopfteile sind dem und heiße Standorte zählen. Die funktionelle Unterteilung Wasser zugewandt und schirmen so die hydrophoben Kohlen- in einen Schwanz- und einen Kopfteil gilt dennoch genauso wasserstoffketten im Inneren ab. Etwa 6 nm bis 8 nm dick ist für die Archaea-Lipide. so ein Bilayer. Seite 23) eng beieinander. Das Streben des Wassers, phoben Teilen aufeinander und bilden eine Doppel- die unpolaren Molekülteile auszuschließen, sorgt schicht, auch Bilayer genannt (Abbildung 2.12). Die schließlich dafür, dass dünne Membranen heran- hydrophilen Kopfgruppen stehen bei diesen Mem- wachsen, in denen sich die Lipide parallel aneinander branen nach außen und sind dem Wasser zugewandt, drängen. während das Innere wegen seiner Hydrophobizität Damit auch die Endstücke der Fettsäureschwänze eine effektive Barriere für alle polaren oder gelade- nicht mit dem Wasser in Berührung kommen, lagern nen Moleküle darstellt. Eine ebene Membran, die sich sich zwei solcher Einfachschichten mit ihren hydro- nicht unendlich ausdehnt, hätte aber an ihren Rän- dern weiterhin Kontakt zum Wasser. Weil sie jedoch als Aggregat zahlreicher Einzelbausteine flexibel ist, kann sich die Membran krümmen und zu einem Vesikel genannten Bläschen schließen (Abbildung 2.13). Auf diese Weise umgrenzt sie einen Hohlraum, Liposom 2.11 Seifenblasen sind wie Zellmembranen aus dünnen Lipid- 2.13 Schließt sich die Lipidmembran so zusammen, dass sie schichten aufgebaut. Allerdings umgeben die Lipide beim Kin- einen wässrigen Hohlraum umgibt, entsteht ein Lipidvesikel. derspielzeug mit ihren hydrophilen Köpfen eine dünne Wasser- Dank der hydrophoben Barriere kann das Innere eines Vesikels haut im Inneren der Doppelschicht und weisen mit den deutlich anders zusammengesetzt sein als das umgebende hydrophoben Schwänzen nach außen. Medium. 32 2 Leben ist konzentriert und verpackt der von einer wasserfeindlichen Schicht umgeben wird – die ideale Verpackung für eine Biochemie, die weitgehend unabhängig vom umgebenden Medium sein soll. Fettsäuren bestimmen die seitliche Bewegung Flip-Flop Beweglichkeit von Membranen 2.14 Seitwärts können sich die Lipidmoleküle in einer Mem- bran einfach und schnell bewegen. Der Wechsel zwischen den Lebensformen, die sich mit einer Lipidmembran Schichten, der Flip-Flop, kommt dagegen kaum vor. umgeben, profitieren außerdem von einem weiteren Vorteil: Die Membranen sind mechanisch kaum zu zerstören. Da innen und außen der gleiche Druck herrscht, zerplatzen sie nicht, wenn sie auf einen har- Wie flexibel und flüssig sich eine Membran ver- ten Gegenstand stoßen. Stattdessen weichen die hält, hängt von ihrer Lipidzusammensetzung ab. Je Lipidmoleküle einfach aus und fließen wieder nach, länger und gerader die Fettsäureketten der Lipide sobald der Gegenstand verschwindet. Selbst ein Loch, sind, umso enger können diese sich aneinanderlagern das aus irgendwelchen Gründen in der Doppel- und mehr Bindungen zueinander aufbauen. Die schicht entsteht, schließt sich von selbst wieder, weil Beweglichkeit der Moleküle ist dadurch gehemmt. die hydrophoben Lipidketten sofort Kontakt zu Bei niedrigen Temperaturen kann die Membran ihresgleichen suchen. sogar einen beinahe festen gelartigen Zustand ein- Die Membran verhält sich weniger wie eine feste nehmen. Die Übergangstemperatur für den Wechsel Struktur, sondern vielmehr wie eine Flüssigkeit. Ihre zwischen flüssig und fest liegt beispielsweise für reine Fluidität verdankt sie dem Aufbau aus kleinen Bau- Phosphatidylcholin-Membranen, die nur Palmitin- steinen und deren relativ schwachen Bindungen säure-Schwänze (je 16 Kohlenstoffatome) haben, bei untereinander. Dadurch werden die Moleküle in etwa 40 °C, mit Stearinsäure-Schwänzen (je 18 Koh- ihren wärmebedingten Zufallsbewegungen kaum lenstoffatome) sogar bei fast 60 °C. Beide sind somit eingeschränkt. Mit Nettogeschwindigkeiten von rund bei Zimmertemperatur fest und in diesem Zustand 2 µm pro Sekunde (7,2 mm pro Stunde) bewegen sie biologisch ungeeignet. Es sind also dringend Mecha- sich seitlich hin und her. Auf den ersten Blick mag nismen nötig, um die Membran flexibel zu halten. uns das langsam erscheinen, aber 2 µm entsprechen Eine Möglichkeit sind kurzkettige Fettsäuren. Sie etwa der Länge eines Bakteriums. Dessen Membran- halten weniger stark zusammen und steigern die lipide können folglich innerhalb einer Sekunde vom Fluidität. Schon Ketten mit nur jeweils 14 Kohlen- vorderen zum hinteren Ende gelangen. stoffatomen (Myristinsäure) senken die Über- Im Gegensatz zu den einfachen lateralen (seit- gangstemperatur auf 24 °C. lichen) Bewegungen ist der Wechsel zwischen der Einen noch größeren Effekt haben ungesättigte inneren und der äußeren Membraneinfachschicht, Fettsäuren, deren Ketten durch die Doppelbin- der „Flip-Flop“, äußerst schwierig und selten. Für dung geknickt sind. Sie stören die regelmäßige einen Flip-Flop muss ein Lipidmolekül zuerst die Anordnung und sorgen für größere Abstände zwi- Bindungen seines hydrophilen Kopfteils zum Wasser schen den hydrophoben Schwänzen. Membranen aufbrechen und ihn dann durch die hydrophobe Sperrschicht der Kohlenwasserstoffketten bringen. Ohne eine weitere antreibende Kraft als die zufälli- Membranfluidität gen Wärmebewegungen ist die Wahrscheinlichkeit, genug Energie für den Wechsel anzusammeln, sehr kurzkettige Fettsäuren gering. Dementsprechend gelingt einem Lipid nur alle paar Stunden ein Flip-Flop, obwohl der eigentli- ungesättigte Fettsäuren che Übergang auch hier sehr schnell vonstatten geht (Abbildung 2.14). Echte Biomembranen sind des- Cholesterol halb asymmetrisch aufgebaut mit unterschied- lichen Lipidzusammensetzungen in der äußeren und 2.15 Die Zusammensetzung einer Membran bestimmt, wie der inneren Schicht. beweglich sie ist. Lebewesen müssen verpackt sein 33 H H H HO Cholesterol 2.17 Cholesterol hat ein starres System von vier Ringen und eine kurze verzweigte Kohlenwasserstoffkette, die beide in das Innere von Membranen tauchen, wo sie die dichte Anordnung 2.16 Lange und gesättigte Fettsäuren machen Lipide starr und der Fettsäureketten stören. fest wie in Butter. Kurze und ungesättigte Fettsäuren lassen Öle und Membranen flüssig werden. taucht in den Innenbereich ein, wo er auf noch mit ausschließlich ungesättigten Ketten bleiben bis nicht ganz geklärte Weise die Fluidität beeinflusst. weit unter den Gefrierpunkt des Wassers flüssig. Cholesterol dehnt den ansonsten recht scharfen Bei Längen von 18 Kohlenstoffatomen bis –22 °C, Übergang zwischen der gelartigen und der fluiden mit 16 Kohlenstoffatomen sogar bis –36 °C. Man- Phase über einen breiten Temperaturbereich aus. che Organismen, die in kalten Umgebungen leben, Dabei spielt sicherlich die starre und voluminöse haben darum in ihren Membranen einen höheren Ringstruktur (Abbildung 2.17) eine Rolle. Einer- Anteil kurzkettiger und ungesättigter Fettsäuren, seits stört das Cholesterol damit die Ordnung der und einige Bakterien variieren die Zusammenset- Fettsäureketten, andrerseits bietet es selbst zahlrei- zung der Lipide sogar je nach der Temperatur des che Ansatzpunkte für Bindungen. Möglicherweise Mediums, in dem sie wachsen. bildet es außerdem mit einigen anderen Lipiden Tiere setzen hingegen meist auf ein zusätzliches Komplexe, die als Lipid Rafts bezeichnet werden Lipid aus der Gruppe der Steroide (siehe Kasten und wie „Flöße“ (engl.: rafts) in der Membran „Lipide“ auf Seite 30). Cholesterol (auch Choles- schwimmen. terin genannt) hat eine winzige polare Kopf- gruppe, die nur aus einem HO-Dipol besteht, mit dem sich das Molekül an der Membranoberfläche Membranen schaffen Funktionsräume hält. Der weitaus größere Teil ist hydrophob und Alle bekannten Organismen nutzen biologische Membranen als begrenzende und blockierende Hülle. Viele setzen gleich mehrere davon ein und Offene Fragen trennen damit Abläufe, die sich sonst gegenseitig stö- ren könnten. Außerdem erfüllen Membranen eine Rätselhafte Lipid Rafts Vielzahl zusätzlicher Funktionen, die wir in den fol- Das Konzept der Cholesterol-reichen Mikrodomänen genden Kapiteln genauer betrachten werden und für könnte einige experimentelle Beobachtungen an Membra- die sie mit weiteren Molekülklassen wie Proteinen nen erklären, die sonst schwer zu verstehen sind. Bei- und Kohlenhydraten ausgestattet sind. An dieser spielsweise verhalten sich in Fluoreszenzmikroskopen Stelle verschaffen wir uns zunächst einen kurzen nicht alle Bereiche einer Membran gleich, sondern viel- Überblick über die Vielfalt der Biomembranen mehr so, als gebe es zwei verschiedene Phasen, die unter- (Abbildung 2.26). schiedlich starr sind. Allerdings ist noch nicht geklärt, ob Allen Lebensformen gemeinsam ist die Plasma- Lipid Rafts nur in künstlichen Membranen auftreten oder membran, auch Cytoplasmamembran genannt. auch in natürlichen Biomembranen. Außerdem haben ver- Sie umgibt die Basiseinheit des Lebens – die Zelle. schiedene Forschergruppen sehr unterschiedliche Anga- ben zu ihrer Größe, zeitlichen Haltbarkeit und Beweglich- Auf alles, was sich außerhalb der Plasmamembran keit ermittelt. befindet, kann eine Zelle unter günstigen Umstän- den verzichten und trotzdem weiterleben. Verliert 34 2 Leben ist konzentriert und verpackt interzellulärer Biomembranen Raum Plasmamembran Plasmamembran Äußere Membran Plasmamembran Kernhülle endoplasmatisches Reticulum 2.19 Im Elektronenmikroskop erscheinen Membranen als Bänder mit drei Zonen. Die Zonen der hydrophilen Kopfteile Golgi-Apparat sind dunkel und der hydrophobe Bereich dazwischen hell. Auf dieser Aufnahme sind zwei parallel verlaufende Plasmamem- Vakuolen branen benachbarter Zellen zu sehen. Lysosomenmembran Peroxisomenmembran und zerstören sie oder speichern Substanzen, bis sie gebraucht werden. Die membranumhüllten Kompar- Chloroplastenmembran timente einer Zelle werden Organellen genannt. Mitochondrienmembran Die Bezeichnung Eukaryot weist Eukaryoten (eukaryots) und 2.18 Zellen nutzen Membranen als universelles Mittel, um auf den Zellkern Prokaryoten (prokaryots) Abläufe voneinander zu trennen. Unterscheidung von Organismen da- (vom griechi- nach, ob ihre Zellen einen Zellkern schen karyon für haben (Eukaryoten, Eukarya) oder „Kern“) hin. Er nicht (Prokaryoten). Eukaryoten ent- sie aber ihr Inneres, das Cytoplasma, stirbt sie. enthält den über- halten zudem Organellen, sind kom- Die Plasmamembran muss darum sehr zuverläs- wiegenden Teil plexer organisiert und in der Regel sig entscheiden, welche Substanzen in die Zelle des Erbmaterials größer. Zu den Prokaryoten zählen die hinein und aus ihr heraus dürfen. Außerdem in Form von Bakterien (Bacteria) und die Archaeen muss sie Informa- DNA (nach dem (Archaea). Die Unterteilung spiegelt tionen weiterleiten, englischen deoxy- allerdings nicht den Stammbaum des Cytoplasma (cytoplasm) Ausstülpungen bil- ribonucleic acid Lebens wider, denn wahrscheinlich Der Zellinhalt, den die Plasmamem- sind die Archaea enger mit den Euka- den, Fremdkörper für Desoxyribo- bran umschließt, mit Ausnahme des rya verwandt als mit den Bacteria. Zellkerns. Das Cytoplasma umfasst umschließen, Aus- nucleinsäure). Le- das wässrige Zellmedium mit den scheidungen abson- diglich die Mito- darin gelösten Molekülen (Cytosol), dern, ein elektrisches chondrien und Chloroplasten, die wir weiter das Cytoskelett und die Organellen. Feld aufrechterhal- unten behandeln, beherbergen außerhalb des ten und vieles mehr. Kerns noch DNA. Zum Schutz der DNA umgibt Für viele Bakterien ist die Plasmamembran die eine Kernhülle aus gleich zwei Membranen das einzige Membran. Andere umgibt zusätzlich eine Kerninnere, das Karyoplasma (Abbildung 2.22). Äußere Membran, die als vorgelagerte Barriere Über Kernporen, an denen die beiden Membranen für große Moleküle dient (Abbildung 2.20). Wäh- miteinander verschmolzen sind, ist ein Austausch rend die Innenseite der Äußeren Membran vor- möglich. wiegend Phospholipide als Baustein verwendet, Die äußere der beiden Kernmembranen faltet sich dominieren auf der Außenseite Lipopolysaccha- an einigen Stellen weit verästelt in das Zelllumen ride – komplexe Verbindungen von Fettsäuren hinein. Das dadurch entstehende gelappte Mem- und Zuckern. bransystem wird endoplasmatisches Reticulum (ER) genannt. Wir unterscheiden zwei Varianten. Innerhalb der Plasmamembran nutzen nur eukaryo- Das raue ER ist von zahlreichen Ribosomen tische Zellen Membranen zur weiteren Unterteilung besetzt, den Proteinfabriken der Zelle, während (Abbildung 2.21). Sie schützen dadurch besonders das glatte ER der Ort für mehrere Stoffwechsel- wertvolle Bereiche, lassen entgegengesetzte Reaktio- prozesse ist, darunter die Synthese von verschiede- nen gleichzeitig ablaufen, schließen giftige Stoffe ein nen Lipiden. In der Leber ist das endoplasmatische Lebewesen müssen verpackt sein 35 Äußere Membran Peptidoglykanschicht Plasmamembran Neben aufbauenden Prozessen finden auch manche Abbauvorgänge in Organellen statt: In tierischen Zellen werden Makromoleküle innerhalb von Lysosomen in ihre Grundbausteine zerlegt. Die Membran schützt den Rest der Zelle vor den spaltenden Enzymen und dem sauren Milieu, in dem die Reaktionen am besten ablaufen. Fette, Alkohol und andere Stoffe werden in Per- oxisomen unter Einsatz von Sauerstoff abgebaut, wobei Peroxide entstehen, die gleich wieder zer- 2.20 Manche Bakterien haben außerhalb der Plasmamem- stört werden müssen. Peroxide, zu denen das Was- bran noch eine Äußere Membran mit einem komplexen asym- serstoffperoxid (H2O2) gehört, enthalten zwei metrischen Aufbau. Substanzen von außen müssen als Erstes Sauerstoffatome, die miteinander über eine Ein- diesen Filter passieren. fachbindung verknüpft sind. Diese Bindung bricht leicht auf, und die daraus hervorgehenden che- misch aggressiven Radikale greifen andere Zell- Reticulum außerdem am Glykogenstoffwechsel inhalte an. und am Abbau von Giften beteiligt. Vom endoplasmatischen Retikulum wandern Eine Art cytologisches Joker-Kompartiment sind die kleine abgeschnürte Transportvesikel zur näherlie- Vakuolen, die vor allem in Pflanzen als größte Orga- genden cis-Seite des Golgi-Apparats. Dieser nelle das Zellinnere dominieren können. Nahrungs- besteht aus Dictyosomen genannten Stapeln fla- cher Membrantaschen, in denen Proteine verän- dert, sortiert und konzentriert werden. Nach 1 Abschluss der Modifikationen schnüren sich auf 2 der trans-Seite Vesikel mit den fertigen Produkten 3 5 ab und transportieren sie zu ihren Zielorten. In Pflanzenzellen übernimmt der Golgi-Apparat zusätzlich die Aufgabe, einige Polysaccharide zu synthetisieren, die zum Bau der Zellwand verwen- det werden. 11 8 9 6 4 10 7 2.22 Eukaryotische Zellen besitzen ein Membransystem, das teilweise ineinander übergeht. So sind die Kernhülle (1) mit ihren Poren (2) und das endoplasmatische Reticulum (3, raues ER mit Ribosomen (5), an denen Proteine synthetisiert werden; 2.21 Eukaryotische Zellen unterteilen ihr Cytoplasma durch 4, glattes ER) miteinander verbunden. Frisch produzierte zahlreiche interne Membransysteme in spezialisierte Kompar- Makromoleküle (6) wandern in Transportvesikeln (7) auf die timente mit unterschiedlichen Aufgaben. Bei diesem Trompe- cis-Seite (9) des Golgi-Apparats (8), wo sie in den Membran- tentierchen (Stentor coeruleus) sind einige davon bereits im stapeln (11) modifiziert und zur trans-Seite (10) weitergereicht Lichtmikroskop zu erkennen. werden, bis sie in Vesikeln an ihren Zielort gelangen. 36 2 Leben ist konzentriert und verpackt eukaryotische Mitochondrien- Zelle Vorläuferzelle Thylakoidmembran Thylakoidlumen Thylakoid eukaryotische Zelle mit Mitochondrien Chloroplasten- Vorläuferzelle äußere Membran Granum Pflanzenzelle mit innere Mitochondrien und Stroma Membran Chloroplasten 2.23 Im Lichtmikroskop erscheinen Chloroplasten als grüne 2.25 Gemäß der Endosymbiontentheorie nahm eine eukaryoti- Strukturen, die häufig Kugelform haben. Sie sind von zwei sche Urzelle zunächst ein Bakterium auf, das auf die Veratmung Membranen umgeben und beherbergen ein stark gefaltetes von stofflicher Nahrung angewiesen war, ohne es zu verdauen. und verzweigtes Membransystem, in welches die Komplexe für Aus dem Bakterium entwickelte sich das Mitochondrium heuti- die Lichtreaktionen der Photosynthese eingebaut sind. ger Zellen. Die enge Symbiose mit einem ebenfalls einverleib- ten photosynthetischen Bakterium führte zu den modernen Chloroplasten. vakuolen transportieren aufgenommene Nahrungs- teilchen zu den Lysosomen. Kontraktile Vakuolen befördern überschüssiges Wasser aus der Zelle hin- aus. Und in ausgereiften Pflanzenzellen dehnt sich Zelle eine Form, speichert verschiedene Farbstoffe, die Zellsaftvakuole so weit aus, dass sie alle anderen Abwehrsubstanzen gegen Fraßfeinde und Enzyme, Strukturen an den Rand drückt. Sie gibt damit der die Samen bei der Keimung und Entwicklung benö- tigen. Die Membran der Zellsaftvakuole wird Tono- plast genannt. Zwei Zellorganellen heben sich deutlich von den übrigen Kompartimenten ab. Sowohl Mitochon- drien als auch Chloroplasten sind statt von einer gleich von zwei Membranen umgeben, außerdem besitzen beide Organellen eigene DNA und Systeme zur Proteinsynthese. Für einen voll integrierten Zell- bestandteil ist solch eine halbautonome Ausstattung ungewöhnlich. Deshalb kam bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Idee auf, dass es sich bei Mitochon- drien und Chloroplasten um die Nachfolger von ursprünglich eigenständigen Bakterien handelt, die von einer größeren Zelle geschluckt, aber nicht ver- daut wurden. Nach dieser Endosymbiontentheorie gingen ein großer Teil des Erbguts und der Zellfunk- tionen im Laufe der Zeit auf den größeren Partner 2.24 Die innere der beiden Mitochondrienmembranen ist der Gemeinschaft über. Dennoch ähneln Mitochon- stark gefaltet, wie in dieser elektronenmikroskopischen Auf- drien und Chloroplasten in vielen Punkten noch nahme an den dunklen Strichen zu sehen ist. An diesen Cristae immer eher heutigen Bakterien und einzelligen Algen läuft die Zellatmung ab. als den Zellen, in denen sie seit etwa zwei Milliarden Lebewesen müssen verpackt sein 37 a Cytoplasmamembran Zellwand b Zellkern Kernpore Golgi-Vesikel Cytoplasma Kapsel Kernhülle (Golgi-Apparat) Lysosom Plasmamembran Plasmid Mitochondrium Cytoplasma Peroxisomen Pili Cytoskelett Flagellum glattes endo- plasmatisches Reticulum Nucleoid (ringförmige DNA) Sekretions- vesikel 2.26 Alle Zellen sind von einer Plasmamembran umgeben, raues endoplas- matisches Reticulum welche die entscheidende Grenze zwischen innen und außen darstellt. Bei manchen Bakterien (a) ist dies die einzige Mem- bran, andere verfügen noch über eine Äußere Membran, die c allerdings weniger selektiv Stoffe durchlässt. Der Innenraum ist nicht durch Membranen unterteilt. Tiere (b) und Pflanzen (c) Plasmodesmen Cytoskelett- Golgi-Apparat Zellmembran filamente haben dagegen eine Fülle von membranumhüllten Strukturen. Zellwand Golgi-Vesikel Der Zellkern (Nucleus) schützt den überwiegenden Teil des Erb- materials. Benötigte Informationen wandern als Kopie zum Chloroplast endoplasmatischen Reticulum, das wie ein Netz die Zelle Thylakoid- glattes durchzieht und Ort vieler Synthesereaktionen ist. Auch am und membran endoplas- im Golgi-Apparat, der im Mikroskop an Stapel von Geldmünzen Vakuole: matisches Lumen Reticulum erinnert, finden Synthesen und Modifikationen frischer Zell- Tonoplast bestandteile statt. Für Abbauvorgänge gibt es die Peroxisomen und Lysosomen (bei Tieren). Die Vakuole der Pflanzen erfüllt Mitochon- Zellkern: Kernpore gleich eine ganze Reihe von Aufgaben, darunter die Speiche- drium Kernhülle rung von Farbstoffen. Für die erforderliche Energie sorgen die Peroxisom Mitochondrien und bei Pflanzen die Chloroplasten. Beide sind Cytoplasma raues von gleich zwei Membranen umgeben und beherbergen noch kleine membranöse endoplasmatisches kleine Mengen Erbgut. Vesikel Reticulum Jahren beheimatet sind. Beispielsweise unterscheiden dem Cytosol angeliefert werden. Dadurch gewin- sich ihre äußere und innere Membran in der Zusam- nen die Mitochondrien bei nicht photosynthe- mensetzung: Die äußere entspricht einer typischen tischen Eukaryoten den Hauptanteil der chemi- eukaryotischen Membran, wohingegen in der inne- schen Energie für die gesamte Zelle, weshalb man ren kein Cholesterol zu finden ist, dafür aber bei sie mitunter „Kraftwerke der Zelle“ nennt. Mitochondrien das Phospholipid Cardiolipin, das sonst nur in Bakterienmembranen vorkommt. Zusätzlich zu den aufgeführten verbreiteten Organel- len gibt es noch weitere Formen, die nur in bestimm- Die wichtigste Funktion der Chloroplasten be- ten Zelltypen vorkommen – wie das Akrosom, mit steht darin, durch Photosynthese die Energie des dessen Hilfe Spermien mit Eizellen verschmelzen – Sonnenlichts einzufangen und in einer chemi- oder in einzelnen Organismengruppen – wie das schen Bindung zu fixieren. Die dafür notwendige Hydrogenosom, in dem einige Einzeller bei Abwesen- Reaktionskaskade findet an einem stark gefalteten heit von Sauerstoff in einer Gärung molekularen und verzweigten Membransystem innerhalb der Wasserstoff produzieren. Auch bei ihnen umschließt Chloroplasten statt, dem Thylakoid. eine Membran das besonders zusammengesetzte Die innere Membran der Mitochondrien (Ein- Innere und grenzt es dadurch vom umgebenden zahl: Mitochondrium) ist ebenfalls stark gefaltet Cytosol ab. und hat zahlreiche als Cristae bezeichnete Ein- stülpungen. Dort werden mit Sauerstoff aus der Luft Produkte des Stoffwechsels veratmet, die aus 38 2 Leben ist konzentriert und verpackt Köpfe und Ideen Die Barriere Zellmembran – Wie sie von natürlichen und künstlichen Viren überwunden wird Von Ernst Wagner Die Nanomedizin entwickelt ermutigende neue Therapiean- über rezeptorvermittelte Endocytose in die Zelle aufgenom- sätze wie die Gentherapie, Antisense- oder RNA–Interfe- men und setzen sich in ähnlicher Weise aus dem Endosom renz-Therapie. Dabei werden therapeutische Nucleinsäuren frei: Adenoviren über Membranlyse und Influenzaviren über (DNA oder RNA) mit dem Ziel eingesetzt, in der Zelle Gene Membranfusion. ein- oder auszuschalten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Diese erstaunlich effizienten Transportmechanismen Pharmazeutika stellt für die relativ großen, hydrophilen und natürlicher Viren haben mich inspiriert, sie als Vorbilder zur negativ geladenen Nucleinsäuren die Aufnahme durch die Entwicklung von „künstlichen Viren“ zu wählen. Diese sollen Zellmembran eine nahezu unüberwindbare Hürde dar. als Nanocarrier für therapeutische Nucleinsäuren zielgerich- Die Natur hat in Form der Viren sehr effiziente Lösungen tet Tumorzellen abtöten. Dabei wurden die einzelne Trans- entwickelt, Nucleinsäuren über die Membranbarriere in portfunktionen der Viren in analoger, abgewandelter Form Wirtszellen einzuschleusen. Beispielsweise wird beim auf chemisch-synthetischem Wege nachgebaut. Positiv gela- Schnupfenvirus (Rhinovirus) ein kleiner RNA-Einzelstrang dene synthetische Polymere wie Polylysin oder Polyethylen- mit Proteinen in ein Capsid verpackt, das wie ein trojani- imin wurden zur Verpackung der therapeutischen DNA oder sches Pferd von Rezeptoren der Wirtzelle erkannt, gebunden RNA in virusähnliche Nanopartikel eingesetzt. Daran wurden und über Endocytose in intrazellulären Vesikeln (Endoso- Peptide und Proteine wie der epidermale Wachstumsfaktor men) ins Zellinnere aufgenommen wird. In späten Endoso- (EGF) oder das Transferrin (Tf) gekoppelt, die zur rezeptorver- men wird durch den sauren endosomalen pH (pH < 5,6) eine mittelten Bindung und Endocytose in Tumorzellen dienen, an Konformationsänderung der viralen Capsidproteine indu- denen die entsprechenden Rezeptoren überexprimiert sind. ziert, die dann zur Porenbildung in der Lipidmembran und Weiters wurden Lipidmembran-destabilisierende syntheti- Freisetzung der RNA ins Cytoplasma der Zelle führt, wo die sche Peptide eingefügt, deren Sequenz beispielsweise aus Virusreplikation stattfindet. Auch Adenoviren (Erkältungen, membranaktiven Proteinen des Rhinovirus, Influenzavirus, grippale Infekte) und Influenzaviren (echte Grippe) werden oder auch aus dem Melittin des Bienengifts abgeleitet wurde. Solche synthetischen virusähnlichen Nanocarrier wurden Polymer - Ligand in Tumormodellen der Maus bereits erfolgreich eingesetzt. +++ Tf-haltige künstliche Viren, die Plasmid-DNA zur gezielten DNA Expression von Tumor-Nekrose-Faktor (TNF-α) im Tumor Porenbildner inaktiv RNA aktiv enthielten, konnten Mäuse von Fibrosarkomen heilen. EGF- (a) haltige künstliche Viren konnten als Träger einer künstlichen doppelsträngigen RNA, poly-(Inosin:Cytosin) (poly-(I:C)), im Mausmodell Glioblastome (sehr agressive Hirntumore) er- (b) folgreich abtöten. Im letzteren Fall wurde der Tumor durch ein körpereigenes antivirales Abwehrsystem überlistet: Die mit Rezeptor dem synthetischen Virus ins Cytosol eingeschleuste fremde poly-(I:C) RNA täuscht eine echte Infektion mit RNA-Viren vor, worauf die Tumorzellen mit starker Interferonproduktion Cytoplasma und Apoptose (programmierter Zelltod) reagieren und damit sich selbst und benachbarte Krebszellen umbringen. (c) Endocytose Prof. Dr. Ernst Wagner promo- vierte in Organischer Chemie an (e) der Technischen Universität (d) Wien. Nach einem Postdoc- Nucleus Aufenthalt an der ETH Zürich wurde er Gruppenleiter am Institute of Molecular Pathology (IMP) am Campus Vienna Bio- Zellbarrieren: Aufnahme von künstlichen Nanocarriern in die center und Director for Cancer Zelle. a) Komplexierung der therapeutischen Nucleinsäure. Vaccines & Gene Therapy bei b) Bindung an Zelle. c) Endocytose. d) Endosomale Freiset- Boehringer Ingelheim Austria. Seit 2001 ist er Ordinarius für zung ins Cytoplasma. e) Optional: Transport in den Zellkern. Pharmazeutische Biotechnologie an der Universität München. Lebewesen müssen verpackt sein 39 4 Prinzip verstanden? 2.3 Welche Vorteile hat ein modularer Aufbau von Mem- branen gegenüber einem einzelnen Riesenmolekül als Hülle? 2.4 Wie viele Membranen muss ein Molekül passieren, das von außen bis in das Innere eines Mitochondriums vordringen soll (unter der Annahme, dass es keine Auf- nahmesysteme oder Poren gibt)? 1 für alle Grenzschichten bei Vielzellern „Glaub mir doch: Ein paar Lipide, und schon kannst du dein Kleinere Verbände von Zellen können sich gut in gleichbe- Wasser viel besser halten!“ rechtigten Partnerschaften organisieren. Sobald die An- sammlung aber sehr viele Zellen umfasst, kommt es zu b Bücher und Artikel Spezialisierungen. Dann entstehen häufig auch Abschluss- gewebe, Häute und Schleimhäute, die ähnlich wie Mem- branen das Innere vom Äußeren trennen. Sie schützen vor mechanischen Beschädigungen, blockieren Giftstoffe, Bruce Alberts et al.: Molekularbiologie der Zelle. (2003) Wiley- nehmen Nährstoffe und lebenswichtige Substanzen auf, VCH verhindern Austrocknung durch den Verlust von Wasser Ausführliche und detaillierte Beschreibung aller Aspekte und tragen mit dazu bei, den Organismus in Form zu hal- der Zellbiologie. ten. So gesehen ist der Verdauungstrakt von Tieren Phillip Christen und Rolf Jaussi: Biochemie. (2005) Springer „außen“, da vom Eintritt bis zur Ausscheidung keine Haut Kurze und übersichtliche Darstellung mit anschaulichen oder Schleimhaut zu überwinden ist. Schemata. Yoshihito Yawata: Cell Membrane – The Red Blood Cell as a Model. (2003) Wiley-VCH Ergebnisse der Forschung an Erythrocytenmembranen, die als typisches Modell genutzt werden. Prinzipien des Lebens im Überblick Die Moleküle des Lebens finden in Lösungen den besten Kompromiss zwischen Konzentration und Internetseiten Beweglichkeit. www.chem1.com/acad/sci/aboutwater.html Wasser ist ein geeignetes Lösungsmittel, das durch Die Physikochemie des Wassers und seine Besonderheiten seine Wasserstoffbrücken eine stabile physikali- von einem ehemaligen Chemie-Professor erklärt. sche Umgebung bietet, viele Stoffe löst und selbst www.cytochemistry.net/Cell-biology/membrane.htm an Reaktionen teilnimmt. Umfassende Einführung in biologische Membranen. Mit zahlreichen Fotos, Schemata und kurzer Darstellung einiger Um die hohe Konzentration von Biomolekülen Untersuchungsmethoden. aufrechtzuerhalten, muss Leben von einer Hülle www.rps-schule.de/gym/internet/wbt/lbs/biomembran.swf umgeben sein, die sich nicht in Wasser löst. Online-Kurs zum Schulwissen mit kleinen vertonten Film- Bei Zellen bestehen diese Membranen aus Lipiden, chen und Animationen. Gut geeignet für die schnelle die einen hydrophilen Kopf und ein hydrophobes Wiederholung. Schwanzteil haben. Durch den modularen Aufbau sind Biomembra- ä Antworten auf die Fragen nen flexibel und ihre Bestandteile beweglich zu- einander. Komplexe Zellen sind mit internen Membranen in mehrere Funktionsräume unterteilt. 2.1 Die Teilladungen der Wassermoleküle wirken anziehend auf entgegengesetzte Ladungen. Die Moleküle der Luft sind aber 40 2 Leben ist konzentriert und verpackt elektrisch neutral und unpolar, weshalb es an einer Wasser- cher sind als die Oberflächenspannung. Die Kugelform wird oberfläche kaum Bindungskräfte zwischen Wasser und Luft hauptsächlich durch die Schwerkraft gestört, die sie ein wenig gibt. An einem Wassermolekül im Randbereich wirken darum abplättet. Die van-der-Waals-Bindungen innerhalb von Öltröpf- nur Kräfte, die in den Wasserkörper hinein und zur Seite gerich- chen sind hingegen zu schwach, um die Moleküle gegen die tet sind. Es entsteht ein fester Zusammenhalt, der als Oberflä- Schwerkraft zusammenzuhalten. Deshalb fließt Öl auf nahezu chenspannung bezeichnet wird. Gelangt ein leichter unpolarer allen Untergründen auseinander und bildet eine flache Pfütze. Körper – eine Nadel oder der Fuß eines Wasserläufers – auf die Oberfläche, stellen auch seine Moleküle keine Konkurrenz zu 2.3 Modular aufgebaute Membranen aus kleinen Einheiten den Wasserteilchen dar und brechen deren Bindungsnetz sind flexibler als es Strukturen aus Makromolekülen wären. Sie darum nicht auf. Der Körper dringt nicht in das Wasser ein, er reagieren wegen der relativ schwachen Einzelbindungen bei liegt einfach auf dem Molekülnetz auf. Polare oder geladene mechanischer Beanspruchung elastisch und zerbrechen nicht Körper ziehen die Wassermoleküle hingegen an, die sich mit irreversibel. Dennoch sorgt die Vielzahl der Bindungen dafür, ihren Dipolen neu ausrichten und das Objekt umschließen. Sie dass sie schnell wieder ihre energetisch günstige geschlossene gehen infolgedessen ebenso unter wie ein schwerer Körper, Form einnehmen. Soll die Membran vergrößert oder verklei- der aller Oberflächenspannung zum Trotz durch die Gravita- nert werden, brauchen keine kovalenten Bindungen aufgebro- tionskraft in Richtung Erdmittelpunkt gezogen wird. chen zu werden, sondern es lassen sich einfach neue Bau- steine einfügen bzw. entfernen. Auch zusätzliche andere Mole- 2.2 Die größte Anzahl von Wasserstoffbrückenbindungen küle sind leichter einzubauen, da die Membranbausteine ohne innerhalb einer kleinen Wassermenge ließe sich erreichen, großen Aufwand Platz machen und sich entsprechend der Pola- wenn das Wasser eine perfekte Kugel bilden könnte. In der rität von selbst dicht schließend anlagern. Schwerelosigkeit schwebend nimmt es wegen der Oberflä- chenspannung tatsächlich diese Form an. Auf einer hydropho- 2.4 Es sind drei Membranen zu überwinden: die Plasmamem- ben Unterlage entstehen kaum Bindungen zwischen Wasser bran sowie die innere und die äußere Membran des Mitochon- und Untergrund, sodass die anziehenden Kräfte weit schwä- driums.