Handbuch für den Sachkundenachweis im Pflanzenschutz PDF

Summary

Dieses Handbuch bietet eine umfassende Einführung in den Pflanzenschutz und den integrierten Pflanzenschutz. Es behandelt verschiedene Aspekte der Ökologie, Methoden und Wirkstoffe und gibt Einblicke in den Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln und deren Auswirkungen auf die Umwelt. Das Handbuch aus dem Jahr 2009 richtet sich an professionelle Pflanzenschützer.

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1 Österreichische Arbeitsgemeinschaft für integrierten Pflanzenschutz 1045 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, Bauteil 3/2/3237 AUSGABE 2009 Handbuch für den Sachkundenachweis im Pflanzenschutz Richard Szith Inhaltsverzeichnis Seite Vorwort 4 1. Ökologie 5 1.1 Das ökologische Gleichgewicht 5 1.2 Aufgaben des Pflanzenschutzes 7 1.3 Methoden des Pflanzenschutzes 9 1.3.1 Kulturtechnischer Pflanzenschutz 9 1.3.2 Mechanisch-physikalischer Pflanzenschutz 10 1.3.3 Biologischer Pflanzenschutz 11 1.3.3.1 Einsatz nützlicher Organismen 11 1.3.3.2 Natürliche Kontrolle der Schadorganismen 13 1.3.3.3 Einbürgerung von Nützlingen 13 1.3.4 Biotechnischer Pflanzenschutz 13 1.3.4.1 Ausnützung der Sinnesorgane von Schädlingen 13 1.3.4.2 Ausnützung der Kenntnisse über Lebensvorgänge 14 1.3.4.3 Selbstvernichtungsverfahren (Autozidverfahren) 14 1.3.4.4 Züchtung widerstandsfähiger (resistenter oder toleranter) Kulturpflanzen 14 1.3.5 Chemischer Pflanzenschutz 15 1.4 Die wichtigsten schädlichen und nützlichen Organismen der Kulturpflanzen 16 1.4.1 Viren 16 1.4.2 Phytoplasmen (Mykoplasmen, MLO) 18 1.4.3 Bakterien 18 1.4.4 Pilze 19 1.4.5 Samenpflanzen (Unkräuter u.a.) 20 1.4.6 Tierische Schädlinge 22 1.4.6.1 Nematoden (Älchen) 22 1.4.6.2 Schnecken 22 1.4.6.3 Milben 23 1.4.6.4 Insekten (Kerbtiere, Kerfe) 23 1.4.6.5 Wirbeltiere 27 2. Integrierter Pflanzenschutz 29 2.1 Definition des integrierten Pflanzenschutzes 29 2.2 Praktische Durchführung eines integrierten Pflanzenschutzes 30 2.3 Ökologische Beurteilung der Pflanzenschutzmethoden 33 2.4 Ökonomische Beurteilung der Pflanzenschutzmethoden 34 2.5 Integrierter Pflanzenbau 35 2 3. Toxikologie und Umweltverhalten der chemischen Pflanzenschutzmittel 36 3.1 Erklärung des Begriffes „Gift„ 36 3.2 Letale Dosis (LD50), Letale Konzentration (LC50) 37 3.3 Einteilung der Chemikalien (Pflanzenschutzmittel) in Giftklassen 37 3.4 Verhalten chemischer Pflanzenschutzmittel in der Umwelt 40 3.5 Wartezeit 42 3.6 Höchstwert 42 3.7 Umwelttoxizität 44 3.7.1 Bienenschutz 44 3.7.2 Einfluss chemischer Pflanzenschutzmittel auf das Bodenleben 45 3.7.3 Schutz der Gewässerorganismen vor Pflanzenschutzmitteln – Abstandsauflagen zu Oberflächengewässern 46 3.7.3.1 Abstandsauflagen zu Oberflächengewässer für Pflanzenschutzmittel mit öster- reichischer Zulassung 47 3.7.3.2 Abstandsauflagen zu Oberflächengewässer und Grundwasserschutzauflagen für Pflanzenschutzmittel mit deutscher Zulassung 48 3.7.3.3 Abstandsauflagen zu Oberflächengewässer für Pflanzenschutzmittel mit nieder- ländischer Zulassung 50 3.7.4 Schutz der Saumbiotope vor Pflanzenschutzmitteln 50 4. Pflanzenschutzmittelkunde 51 4.1 Aufbau der chemischen Pflanzenschutzmittel 51 4.2 Selektivität der Pflanzenschutzmittel 52 4.2.1 Resistenz 53 4.2.2 Verhalten der Pflanzenschutzmittelwirkstoffe auf oder in Pflanzen 55 4.2.3 Einteilung der Pflanzenschutzmittel gegen tierische Schädlinge nach der Art der 58 Aufnahme 4.2.3.1 Atemgifte 58 4.2.3.2 Kontaktgifte (Berührungsgifte) 58 4.2.3.3 Fraßgifte (Magengifte) 59 4.2.4 Einteilung der Herbizide nach ihrer Wirkungsweise 59 4.2.4.1 Systemische Herbizide 59 4.2.4.2 Ätz- und Kontaktherbizide 60 4.2.5 Einteilung der Herbizide nach der Anwendungszeit hinsichtlich der Unkrautentwicklung 60 4.2.6 Einteilung der Herbizide nach der Anwendungszeit hinsichtlich der Entwicklung der Kulturpflanzen 61 4.3 Einteilung der Pflanzenschutzmittel nach ihrer Wirkungsbreite (Selektivität) 62 4.4 Einteilung der Pflanzenschutzmittel nach ihrer chemischen Zusammensetzung 64 4.4.1 Pflanzenschutzmittel natürlicher Herkunft 64 4.4.1.1 Anorganische Wirkstoffe natürlicher Herkunft 64 4.4.1.2 Organische Wirkstoffe natürlicher Herkunft 65 4.4.2 Synthetische Pflanzenschutzmittel 68 4.4.2.1 Synthetische Insektizide 69 4.4.2.2 Synthetische Akarizide 74 4.4.2.3 Synthetische Fungizide 76 4.4.2.4 Synthetische Herbizide 85 5. Applikationstechnik (Anwendungstechnik) 98 5.1 Applikationsverfahren 98 5.1.1 Feste Verfahren 98 5.1.2 Flüssige Verfahren 98 5.1.3 Gasförmige Verfahren 99 5.1.4 Beizung, Saatgutinkrustierung 100 5.2 Verteilung der Pflanzenschutzmittel bei flüssigen Applikationsverfahren 100 5.3 Abdrift 101 5.4 Gebräuchliche Düsen 102 5.4.1 Rundlochdüsen (Rundstrahldüsen, Kegelstrahldüsen) 102 5.4.2 Schlitzdüsen, Flachstrahldüsen 103 5.4.3 Flachstrahl-Pralldüsen 105 5.4.4 Injektor-, Luftabsaug-Flachstrahldüsen 106 5.4.5 Weitere Düsenformen 106 5.5 Düsenwahl 107 3 5.6 Einstellung der Pflanzenschutzgeräte 108 5.6.1 Einstellung der Pflanzenschutzgeräte für Flächenkulturen (Feldbau, Grünland) 108 5.6.2 Einstellung der Pflanzenschutzgeräte für Raumkulturen (Obst-, Wein- und Hopfenbau) 109 (Obst-, Wein- und Hopfenbau) 5.7 Applikationsmethoden 110 5.7.1 Applikationsmethoden bei Flächenkulturen (Feldbau, Grünland) 111 5.7.1.1 Flächenbehandlungen mit Spritzgeräten 111 5.7.1.2. Reihenbehandlung (Bandspritzung) 111 5.7.1.3 Punkt- und Nesterbehandlung 112 5.7.2 Applikationsmethoden bei Raumkulturen (Obst-, Wein- und Hopfenbau) 112 5.7.2.1. Anwendung der Pflanzenschutzmittel im Obstbau 112 5.7.2.2. Anwendung der Pflanzenschutzmittel im Weinbau 112 5.8 Ausstattungs- und Funktionsanforderungen an Pflanzenschutzgeräte 113 5.9 Wartung und Kontrolle von Pflanzenschutzgeräten 113 6. Anwenderschutz 115 6.1 Schutzkleidung 115 6.2 Vorsichtsmaßnahmen während der Pflanzenschutzarbeit 116 6.3 Verhalten bei Vergiftungsfällen 117 6.4 Lagerungshinweise und –vorschriften für Pflanzenschutzmittel 118 7. Gesetzliche Bestimmungen für den Pflanzenschutz (Stand 1. Mai 2008) 120 7.1 Gesetze zum Schutze der Kulturpflanzen 120 7.1.1 Pflanzenschutzgrundsatzgesetz 120 7.1.2 Forstgesetz 120 7.1.3 Pflanzenschutzgesetz 120 7.1.4 Pflanzenschutzmittelgesetz 121 7.2. Düngemittelgesetz 122 7.3 Gesetze, die Vermehrung und Züchtung von Pflanzen betreffend 122 7.3.1 Saatgutgesetz 122 7.3.2 Pflanzgutgesetz 122 7.3.3 Rebenverkehrsgesetz 122 7.3.4 Gentechnikgesetz 122 7.4 Gesetze, Pflanzenschutzmittelrückstände betreffend 123 7.4.1 Lebensmittelgesetz 123 7.4.2 Futtermittelgesetz 123 7.5 Qualitätsklassengesetz 123 7.6 Gesetze, den Umgang mit Chemikalien und Giften betreffend 123 7.6.1 Chemikaliengesetz 123 7.6.2 Abfallwirtschaftsgesetz 124 7.6.3 Gefahrgutbeförderungsgesetz-Straße 124 7.7 Gesetze, die Umwelt betreffend 125 7.7.1 Wasserrechtsgesetz 125 7.7.2 Verbot des Verbrennens biogener Materialien 126 7.7.3 Naturschutzgesetze der Länder 126 7.7.4 Bodenschutzgesetze der Länder 126 7.7.5 Bienenzuchtgesetze der Länder 126 7.8 Gewerberecht 126 8. Pflanzenschutzberatungsstellen in Österreich 127 9. Anhang 130 9.1 Risiko (R-Sätze) und Sicherheitratschläge (S-Sätze) in Österreich 130 9.2 Auflagen zum Gewässerschutz in Deutschland 133 10. Sachregister 136 10.1 Fachausdrücke 136 10.2 Schädliche und nützliche Organismen 142 10.3 Pflanzenschutzmittelwirkstoffe 149 4 VORWORT Wie in den anderen Industriestaaten, nimmt der Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung auch in Österreich ständig ab. Im Jahre 1960 machte er in Österreich noch rund 30 Prozent aus, inzwischen ist er auf zirka 5 Prozent abgesunken. Das heißt, dass immer weniger Landwirte immer mehr Personen aus den anderen Schichten der Bevölkerung versorgen müssen. Produzierte ein Bauer 1950 Nahrungsmittel für zehn Mitmenschen, so macht er dies heute für rund 125 Mitmenschen. Gleichzeitig sind die Ausgaben für die Nahrungsmittel von 1950 bis heute von rund 43 Prozent des Haushaltseinkommens auf etwa 12 Prozent gesunken. Wenn die Menschen in den Industriestaaten heute nicht hungern, – im Gegenteil, landwirtschaftliche Erzeugnisse zu günstigen Preisen im Überfluss angeboten bekommen, – so ist dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass sich die Landwirtschaft moderner Methoden und Hilfsmittel bedient. Zu diesen Hilfsmitteln zählen auch die chemischen Pflanzenschutzmittel. Nur zu leicht könnte sich aber die Situation ändern, wenn in Zukunft landwirtschaftliche Produkte immer mehr zur Energiegewinnung (Biosprit usw.) herangezogen werden. Dies ist auch einer der Gründe, warum die Preise für Weizen seit 2002 weltweit um zirka 200 Prozent, die für Reis um 75 Prozent gestiegen sind. In Pressemeldungen wurde in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass es in manchen Ländern bereits zu Unruhen durch eine Knappheit an Lebensmitteln gekommen ist. Verschärft wird die Situation noch durch die Tatsache, dass die landwirtschaftliche Nutzfläche weltweit zugunsten der Urbanisierung und Industrialisierung abnimmt. Gleichzeitig steigt mit zunehmendem Wohlstand der Fleischkonsum. Für die Erzeugung von 1 kg Rindfleisch werden 7 kg Getreide, für 1 kg Schweinefleisch 3 kg Getreide benötigt! Auch in Österreich ist eine Verteuerung der Nahrungsmittel klar erkennbar. Obwohl die chemischen Pflanzenschutzmittel zu den am besten geprüften chemischen Stoffen hinsichtlich der menschlichen Gesundheit und ihrem Verhalten in der Umwelt zählen, erweckt ihre Verwendung bei vielen Menschen ein Unbehagen. In der Tat können chemische Pflanzenschutzmittel, wenn sie unsachgemäß verwendet werden, auch negative Einflüsse auf die Gesundheit der Menschen und ihrer Umwelt haben. Aufgabe der Landwirtschaft ist es aber, die Menschen ausreichend mit einwandfreien Nahrungsmitteln zu versorgen und gleichzeitig eine gesunde Umwelt zu erhalten. Daher ist es notwendig, dass die Land- und Forstwirte mit chemischen Pflanzenschutzmitteln sachkundig umgehen. Mit dieser dritten Auflage des „Handbuchs für den Sachkundenachweis im Pflanzenschutz“ versucht die Österreichische Arbeitsgemeinschaft für integrierten Pflanzenschutz den Land- und Forstwirten die erforderlichen Kenntnisse dazu zu vermitteln. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Richard Szith 5 1. Ökologie Unter Ökologie versteht man die Lehre von den Beziehungen der Lebewesen untereinander und zur Umwelt. 1.1 Das ökologische Gleichgewicht Den Lebensraum, der den Anforderungen bestimmter Lebewesen (Pflanzen, Tiere) entspricht, nennt man Biotop. Es gibt verschiedene Biotope, feuchte oder trockene Lagen, Hochgebirge oder Niederungen, saure oder alkalische Böden usw. Alle Wesen eines Biotops leben in einer eng verketteten, aufeinander abgestimmten Gemeinschaft, einem sogenannten Ökosystem. Nach außen hin scheint es, dass sich dieses System in einem ökologischen Gleichgewichtszustand befindet. Dieser Zustand beruht darauf, dass alle Lebewesen innerhalb eines Biotops untereinander in einem eng vernetzten Abhängigkeitsverhältnis stehen. Er wird aber ständig durch Einflüsse von außen, nämlich sowohl durch die Natur selbst (z.B. durch die Witterung, Lichteinflüsse usw.), als auch durch die Menschen gestört. Allgemein wird behauptet, dass das ökologische Gleichgewicht umso stabiler sei, je mehr Arten von Lebewesen (Pflanzen und Tiere) in einem Ökosystem vorhanden sind. Dennoch kann der Wegfall einer Art (z.B. einer Pflanzenart) für andere fatale Folgen haben. Dies gilt insbesondere für monophage Tiere, die sich praktisch nur von einer bestimmten Pflanzenart ernähren. Gerade aus dem Fachgebiet des Pflanzenschutzes könnte man dazu eine Vielzahl von Beispielen aufzählen. So ist der Apfelschorf an das Vorhandensein von Apfelbäumen oder der Blauschimmel an das Vorhandensein von Tabakpflanzen gebunden. Werden in einem Gebiet keine Kartoffel angebaut, findet der Kartoffelkäfer seine wichtigste Wirtspflanze nicht mehr vor und wird verschwinden. Werden Brennnesseln systematisch dezimiert, werden die Raupen des Tagpfauenauges oder des Kleinen Fuchses, zweier bunter Tagfalter, ihrer wichtigsten Wirtspflanze beraubt. Polyphage Arten, die sich von einer Vielzahl verschiedener Pflanzen ernähren können, wie beispielsweise die Gemeine Spinnmilbe, Drahtwürmer, Engerlinge, Erdraupen, Mäuse usw., werden durch den Wegfall einer bestimmten Pflanzenart praktisch nicht betroffen. Unter dem ökologischen Gleichgewicht versteht man einen Gleichgewichtszustand zwischen den verschiedenen Gliedern einer Lebensgemeinschaft, der sich selbst reguliert und empfindlich ist. Wie aus dieser Definition hervorgeht, weist das ökologische Gleichgewicht zwei markante Merkmale auf: Es ist selbst regulierend und empfindlich. Dazu nachfolgende Erklärungen: Der S e l b s t r e g u l i e r u n g s m e c h a n i s m u s d e s ö ko l o g i s c h e n G l e i c h g e w i c h t s In der Natur gibt es einen ständigen Wettkampf zwischen den Lebewesen, ein Fressen und Gefressenwerden. Das heißt, dass sich jedes Lebewesen von anderen ernährt, gleichzeitig aber selbst wieder natürliche Gegenspieler hat. Eine besondere Stellung nehmen die meisten grünen Pflanzen ein, für die mineralische Stoffe die Lebensgrundlage darstellen und somit an der Spitze einer Nahrungskette stehen. Durch diesen Wettkampf ums Überleben stehen die Lebewesen untereinander in einem Gleichgewichtszustand. Findet eine Gruppe von Lebewesen genug Nahrung vor, wird sie sich vermehren, verschlechtert sich das Nahrungsangebot, geht ihre Anzahl zurück. Sind beispielsweise in einem Wald viele Borkenkäfer vorhanden, finden Spechte ausreichend Nahrung vor, so dass sie sich rasch vermehren. Gibt es viele Spechte, wird die Anzahl der Borkenkäfer rückläufig sein. In der Folge finden wiederum die Spechte zu wenig Nahrung vor, um ihre Brut ausreichend mit Futter zu versorgen. Nun wird sich die Anzahl der Spechte verringern und die 6 Borkenkäfer können sich wieder vermehren. Dieses Wechselspiel wird sich abermals wiederholen. Das bedeutet, dass zwischen den beiden Tierarten ein so genannter „ökologischer Gleichgewichtszustand“ vorliegt, der stets um einen Mittelwert schwankt. Kennzeichnend ist auch, dass keine Art die andere ausrottet. Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution (Entwicklungsgeschichte der Lebewesen) durch die Eigenschaft, dass er logisch denken kann, vom Gleichgewichtszustand abgehoben. „Er machte sich die Erde untertan“. Dabei stellt sich der Mensch subjektiv in den Mittelpunkt der Schöpfung und er bezeichnet alle Lebewesen, die ihm feindlich gegenüberstehen, – sei es, weil sie ihn direkt attackieren (z.B. Läuse, Flöhe usw.) oder weil sie seine Nahrungskonkurrenten sind, – als schädlich. Jene Lebewesen, von denen sich der Mensch direkt ernährt (Kulturpflanzen, Haustiere) oder die ihm als Nahrungsmittel- und Rohstofflieferanten (z.B. Honigbienen, Seidenraupen usw.) dienen, werden als nützlich eingestuft. Auch die natürlichen Gegenspieler der Schädlinge werden als nützlich bezeichnet. Wie subjektiv diese Einteilung der Organismen in schädliche oder nützliche ist, sei an einem Beispiel erklärt: Hügelbildende Waldameisen gelten als wertvolle Helfer bei der Bekämpfung diverser Forstschädlinge (z.B. der Kleinen Fichtenblattwespe, Fichtengebirgsblattwespe u.a.). Ein gut entwickeltes Volk der kleinen Roten Waldameise kann in 20 bis 25 Tagen 1 bis 2 Millionen Fichtenblattwespenlarven vertilgen. Auch Spechte werden als Gegenspieler verschiedener Schadkäfer im Forst (Borkenkäfer, Bockkäfer usw.) als nützlich eingestuft. Spechte können aber auch bei Ameisenvölkern großen Schaden anrichten. Ein Specht kann nämlich täglich bis zu 3000 Ameisen fressen. Daher soll man Ameisenhügel zum Schutz vor Spechten mit einem pyramidenartigen Gestell überdachen, das mit einem Drahtgitter überzogen ist. Sind nun Spechte schädlich oder nützlich? Neben den Schädlingen und Nützlingen gibt es noch indifferente Arten und Lästlinge. Indifferente Organismen können Nützlingen als Nahrungsquelle (z.B. indifferente Milben für Raubmilben) dienen. Außerdem können sie Platzkonkurrenten für Schädlinge sein. Indifferente Lebewesen werden daher eher den Nützlingen zugeordnet. Lästlinge stören das Wohlbefinden des Menschen, ohne ihn direkt oder indirekt anzugreifen. An Kulturpflanzen richten Lästlinge keine direkten Schäden an, werden aber von den Menschen als unangenehm empfunden (z.B. Ameisen in Glashäusern). Für die Land- und Forstwirtschaft stellt sich der ökologische Gleichgewichtszustand oft zu langsam ein. Marienkäfer sind beispielsweise natürliche Gegenspieler der Blattläuse. Sie werden sich in Kulturpflanzenbeständen erst dann vermehren, wenn Blattläuse in größerer Anzahl vorhanden sind. Bis zu diesem Zeitpunkt können aber Blattläuse durch ihre Saugtätigkeit oder durch die Übertragung von Virosen schon längst einen Schaden an den Kulturpflanzen angerichtet haben. Pflanzenschutz zu betreiben ist daher eine ökologische Notwendigkeit! E m p f i n d l i c h k e i t d e s ö k o l o g i s c h e n G l e i c h g e w i c h t s Das ökologische Gleichgewicht wird durch äußere Einflüsse, die von der Natur oder vom Menschen herrühren, ständig gestört. Die Natur bringt das Gleichgewicht vor allem durch die Witterung in Unruhe, denn kein Jahr gleicht dem anderen (kalte oder milde Winter, verregnete oder trockene Sommer usw.), keine Woche durch das Wechselspiel von Schön- oder Schlechtwetterperioden der vorigen und sogar jeder aufeinander folgende Tag unterscheidet sich vom anderen aufgrund der Tageslänge. Durch diese witterungsbedingten Störungen gibt es das ökologische Gleichgewicht eigentlich gar nicht, sondern es ist ständig in Bewegung. Es strebt zwar einen Gleichgewichtszustand an, der aber nie erreicht wird. Witterungseinflüsse als Folgen: Ursachen der Störung des ökologischen Gleichgewichts: Warmes, feuchtes Wetter Verstärktes Auftreten von Pilzkrankheiten (z.B. Apfelschorf, Falscher Mehltau der Weinrebe, Kraut- und Knollenfäule der Kartoffel usw.). Es gibt aber auch Pilzkrankheiten, die in der kühleren Jahreszeit ihre optimalen Lebensbedingungen vorfinden (z.B. Baumkrebs, Rote Wurzelfäule der Erdbeere u.a.). Warmes, trockenes Wetter Verstärktes Auftreten von Insekten (Blattläusen u.a.) 7 Nach Hagelschlag Auftreten von Rindenkrankheiten und –schädlingen an Bäumen und Sträuchern Nach Schneebruch Auftreten von Borkenkäfern an Bäumen Geschlossene Schneedecke Gefahr des Auftretens des Zwergsteinbrandes bei Weizen über 100 Tage Längere andauernde Gefahr des Auftretens der Narrenkopfkrankheit (Hexenbesen) bei Überschwemmungen (länger Mais und anderen Gräsern. als 3 Tage) Dadurch, dass die Menschen sesshaft wurden und den Boden mit Pflanzen zu bebauen begannen, griffen sie in der Jüngeren Steinzeit erstmals im größeren Ausmaße in ökologische Gleichgewichtszustände ein. Man nennt dieses Ereignis die Neolithische Revolution. Mit den ersten Feldern (Monokulturen) fanden aber nicht nur die Menschen, sondern auch die (anderen) natürlichen Gegenspieler der unter Kultur genommenen Pflanzen einen „gedeckten Tisch“ vor. Daher kann man annehmen, dass bereits die ersten Bauern Pflanzenschutz betrieben haben. Jede Art des Landbaues stellt somit einen Eingriff in ökologische Zusammenhänge dar und hat Pflanzenschutzprobleme zur Folge. Störungen durch den Menschen sind oft nachhaltig. Mitunter können sich auch wieder neue Ökosysteme aufbauen (z.B. Heide-, Karstlandschaften, Almen u.a.). Fachleute sprechen auch von einer Großstadtökologie mit Tieren (Tauben, Amseln, Ratten usw.) und Pflanzen (exotischen, zum Teil ausgewilderten Zierpflanzen), die sich dieser Situation angepasst haben. Beispiele für Ursachen, wie der Mensch im Rahmen der Landwirtschaft in ökologische Gleichgewichtszustände eingegriffen hat: Mensch als Verursacher Folgen: Ackerung, Wiesenumbruch Unkräuter, vor allem die Lichtkeimer Anlage von Feldern (Monokulturen) Schädlinge finden einen „gedeckten Tisch“ vor. Fehlender Fruchtwechsel Auftreten von Nematoden oder Auflaufkrankheiten Pflanzenzüchtung Kulturpflanzen sind anfälliger gegenüber Krankheiten oder (Selektionszüchtung) Schädlingen als die dazugehörigen Wildformen. Die Pflanzen bleiben länger grün und können von Schad- organismen länger angegriffen werden. Besonders eine Stick- Düngung (vor allem stoffüberdüngung lässt die Getreidepflanzen lagern, gleichzeitig Überversorgung mit wird das Auftreten von Pilzkrankheiten gefördert. Stickstoffdüngern) Obstbäume, die mit Stickstoffdüngern überversorgt sind, werden von Blattläusen und Spinnmilben stärker befallen. Verschleppung von Schadorganismen (Unkrautsamen, Überbetriebliche Zusammenarbeit, Unkraut-wurzelstücken, Nematoden usw.) mit Erde, die an den Mechanisierung Maschinen haftet. 1.2 Aufgaben des Pflanzenschutzes Aufgabe des Pflanzenschutzes ist es, die Erträge der Kulturpflanzen zu sichern. Dies betrifft sowohl deren Menge (Quantität), als auch deren Güte (Qualität). Nur solche Früchte, deren Entwicklung durch keinen Schädlings- oder Krankheitheitsbefall gestört worden sind, werden eine hohes Maß äußerer und innerer Qualität aufweisen. Der Pflanzenschutz ist daher nur indirekt ertragssteigernd. Er verhindert Ernteverluste und Qualitätsminderungen. Jede Methode des Landbaues stellt einen Eingriff in ein ökologisches Gleichgewicht dar. Die Natur ist bestrebt, den ursprünglichen Gleichgewichtszustand wieder herzustellen. In der Land- und Forstwirtschaft wird dieser Vorgang durch das Aufkommen von Schadorganismen erkennbar. Aufgabe des Pflanzenschutzes ist es, dieses Aufkommen von Schadorganismen zu unterbinden. 8 Dabei muss vorsichtig vorgegangen werden, um das ökologische Gleichgewicht nicht noch mehr zu stören. B e m e r k u n g e n: Ähnliche Aufgabenstellungen haben die Jagd und der Naturschutz. Jagd: Durch die Ausrottung von Raubtieren (Wolf, Luchs, Bär) haben sich Rehe, Hirsche, Wildschweine usw. stark vermehrt und sind zu Schädlingen in der Land- und Forstwirtschaft geworden. Ihre Anzahl muss durch Abschüsse verringert werden. Naturschutz: Viele Naturschutzgebiete sind Landschaften, die durch Menschenhand entstanden sind (z.B. Hutweide und Pusztalandschaft im Seewinkel, Burgenland). Sie sind also Kulturlandschaften. Würde man sie der Natur wieder überlassen, würden sie sich verändern. Bei der Lösung von Pflanzenschutzproblemen muss behutsam vorgegangen werden, indem man vorhandene nützliche Organismen möglichst schont. Unbedachte Pflanzenschutzmaßnahmen können neue Probleme auslösen. Als Problemlösung bietet sich der integrierte Pflanzenschutz an. Darüber hinaus hat der Pflanzenschutz eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Mechanisierung in der Landwirtschaft (z.B. Unkrautbekämpfung zur Ernteerleichterung) zu erfüllen. Beispiele: Die Einzelkornsaat bei Hackfrüchten verlangt eine konsequente Bekämpfung tierischer und pilzlicher Schadorganismen im Boden. Aus jedem abgelegten Samenkorn soll nämlich eine ertragsbringende Kulturpflanze heranwachsen. Fällt ein Korn durch Schädlingsbefall aus, bleibt eine Lücke. Viele Lücken führen zu Ertragsminderungen. Ein übermäßiger Unkrautwuchs kann die vollautomatische Ernte bei Getreide oder Hackfrüchten scheitern lassen (z.B. Klettenlabkraut bei Getreide- oder Rapsmähdrusch, Weißer Gänsefuß aufgrund der kräftigen Stängel beim Einsatz von Rodemaschinen auf Zuckerrüben- oder Kartoffelfeldern). Die Krautabtötung bei Kartoffeln oder das Hopfenputzen mit Deiquat-Mitteln (Reglone) zur Ernteerleichterung. Wie bereits erwähnt wurde, betrifft die Sicherung der Qualität nicht nur die äußeren, sondern auch die inneren Merkmale. Tabelle: Beispiele für Ursachen der Qualitätsminderung durch Schaderreger: Ursachen: Qualitätsminderungen durch Äußere Qualität: Verschiedene, auf Früchten oder Blättern Flecken bildende Pilze, z.B.: Schalenfehler (z.B. Schorfflecken) bei Äpfeln Apfelschorf Brennflecken bei Bohnen braune Flecken auf Bohnenhülsen (Schoten) Alternaria-Pilze bei Kraut und Kohl Blattflecken auf Kraut- und Kohlgemüse Kartoffelschorf Schalenfehler bei Kartoffelknollen Sternrußtau Blattflecken bei Rosen Insektenfraß an Früchten, z.B.: Obstmade (Raupe des Apfelwicklers) Bohrlöcher und Fraßgänge in Äpfeln Made der Kirschfruchtfliege „wurmige“ Kirschen Raupe des Maiszünslers oder Käfer Fraß an Maiskolben (vor allem bei Zuckermais) des Maiswurzelbohrers Raupen der Kohleulen („Herzwurm“) Fraßgänge in Kohlköpfen Drahtwürmer bei Kartoffeln Fraßgänge in Kartoffelknollen 9 Fäulnis, gleichzeitig Gefahr der Beeinflussung der inneren Verschiedene Fäulniserreger bei Qualität durch die Bildung von Mykotoxinen (z.B. Penicillium Früchten patulum erzeugt das Gift Patulin) I n n e r e Q u a l i t ä t: Mutterkorn, Taumellolch oder Samen Verschiedene Giftstoffe (Alkaloide) in Brot, Müslis oder der Kornrade Futtermitteln Krebserregende Aflatoxine (besonders bei Erdnüssen, Aspergillus flavus, ein Schimmelpilz Sojabohnen oder anderen Nahrungsmitteln aus tropischen Gebieten) oder Ochratoxin (an Getreide). Mykotoxine (Vomitoxin, Zerealinon u.a.) in Getreide, Mais Verschiedene Fusarium-Arten bzw. in Mehl und Futtermitteln. Von Fusarium befallene (Schimmelpilze) Braugerste kann die Ursache des „Gushings“ (Wildwerden, Ausschäumen) des Biers beim Öffnen der Flaschen sein. Änderung der Mahl- und Backeigenschaften des Getreides, Befall durch Kornkäfer krebserregenden Stoffwechselprodukte in Mehl und Futtermitteln Änderung der Mahl- und Backeigenschaften des Getreides, Befall durch Mehlmilben u.a. bitterer Geschmack des Mehles, Giftstoffe Abbau des Klebergehaltes des Getreides, Verlust der Befall durch Getreidewanzen Backfähigkeit Geschmacksbeeinflussung (muffiger Geschmack) beim Echter Mehltau der Weinrebe Wein Hahnenfuß, Herbstzeitlose, Verschiedene giftige Pflanzen im Grünlandfutter Sumpfschachtelhalm In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass es umgekehrt bei Früchten und anderen Lebensmitteln durch eine unsachgemäße Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu Rückstandsproblemen und unerwünschten Geschmacksbeeinflussungen kommen kann, die eine negative Beeinträchtigung der inneren Qualität darstellen. 1.3 Methoden des Pflanzenschutzes Es gibt verschiedene Methoden des Pflanzenschutzes. Die Zuordnung einzelner Pflanzenschutzmaßnahmen ist nicht immer eindeutig möglich. 1.3.1 Kulturtechnischer Pflanzenschutz Im Unterschied zu den anderen, nachfolgend aufgezählten Methoden ist der kulturtechnische Pflanzenschutz vorbeugend wirksam. Beispiele für den kulturtechnischen Pflanzenschutz: Wahl des richtigen Standortes für Kulturpflanzen. In feuchten Staulagen besteht eine erhöhte Gefahr eines Auftretens von Pilzkrankheiten. Standortgerechte Sortenwahl. Anbau wenig anfälliger oder widerstandsfähiger (resistenter) Sorten. Fruchtfolge als Maßnahme gegen Fußkrankheiten im Getreidebau, gegen Nematoden (Älchen) bei Getreide, Zuckerrüben oder Kartoffeln, gegen den Maiswurzelbohrer, gegen die Bodenmüdigkeit im Obst- und Weinbau, gegen Unkräuter im Ackerbau usw. Kronenerziehung bei Obstbäumen: Durch eine lockere Kronenerziehung trocknen Wassertropfen nach Regen oder Tau durch Sonneneinstrahlung und Wind auf den Blättern rascher ab. Gleichzeitig wird die Blattnässedauer verkürzt und der Lebensraum für Pilzkrankheiten (z.B. Apfelschorf) eingeengt. Reberziehung und Freistellen der Weintrauben: Ähnlich wie im Obstbau wird auch im Weinbau durch einen lockeren Aufbau des Rebstocks der Lebensraum für Pilze (z.B. Peronosporakrankheit) eingeengt. Besonders wichtig ist dies in feuchteren Lagen. Das Freistellen der Trauben vor der Ernte beugt einem Befall durch den Grauschimmel (Botrytis cinerea) vor. 10 Beseitigung von Brennnesseln, Acker- und Zaunwinden u.a. Unkräutern in Weingärten, um Zikaden die wichtigsten Wirtspflanzen zu nehmen. Zikaden sind im Weinbau häufig die Überträger von Phytoplasmosen. Propfrebenbau mit der Verwendung von Unterlagen der „Amerikanerreben“ Vitis riparia, Vitis rupestris oder Vitis berlandieri, die widerstandsfähig gegen die (Wurzel-)Reblaus sind. Dadurch hat dieser ursprünglich gefürchtete Schädling an Bedeutung verloren. Durch das Pfropfen von Hausgurken auf den Feigenblattkürbis Cucurbita ficifolia wird ein weitgehender Schutz vor der Welkekrankheit erreicht, die durch den Pilz Fusarium oxysporum verursacht wird. Gleichzeitig kann auch eine Teilwirkung gegen den Erreger der Schwarzen Wurzelfäule beobachtet werden. Die Haargurke (Sicyos angulatus, Handelsbezeichnung KJ-100) bietet als Unterlage wiederum einen Schutz vor Nematoden. Überdachen von Himbeer-, Brombeer- oder anderen Strauchbeerkulturen als Schutz vor Blattnässe. Dadurch werden Infektionen durch schädliche Pilze, wie Grauschimmel, Rutenkrankheit der Himbeeren u.a., hintan gehalten. Zur Infektion benötigen nämlich die meisten Pilze tropfnasse Blätter oder Triebe. Mähweidenutzung: Wechsel der Nutzung (Mähen und Beweiden) im Grünland, um einer Verunkrautung vorzubeugen. Sofortiges Entrinden von geschlägertem Holz, das im Wald gelagert werden muss bzw. sofortiger Abtransport von geschlägertem, nicht entrindetem Holz aus dem Wald als Maßnahmen gegen Borkenkäfer. 1.3.2 Mechanisch-physikalischer Pflanzenschutz Man kann wohl mit Sicherheit annehmen, dass bereits in der Jüngeren Steinzeit die ersten Bauern begonnen haben, ihre Kulturpflanzen frei von schädlichen Käfern oder Insektenlarven zu halten, indem sie diese absammelten und zerdrückten. Außerdem fingen die Menschen an, das Wild durch Einfriedungen von ihren Feldern fernzuhalten. Mechanisch-physikalische Maßnahmen können daher als die ältesten Methoden des Pflanzenschutzes angesehen werden. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte man im Obstbau nur durch mechanisch-physikalische Maßnahmen gegen tierische Schädlinge vorgehen, indem man beispielsweise Zweige, die von Gespinstmotten befallen waren, abschnitt und (durch Verbrennen) vernichtete. Im Winter schabte man die borkige Rinde der Apfelbäume ab, um die Apfelwicklerraupen (im Präpuppenstadium) freizulegen, damit sie von Vögeln leichter gefunden und gefressen wurden. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt der mechanische Pflanzenschutz als die wichtigste Methode zur Bekämpfung von Unkräutern. Von diesem Faktum leitet sich auch die Sammelbezeichnung „Hackfrüchte“ für Mais, Kartoffeln, Zucker- und Futterrüben ab. Durch das Aufkommen der chemischen Unkrautbekämpfung mit Herbiziden in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor aber das Unkrauthacken an Bedeutung. Gesetzliche Beschränkungen beim Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln (z.B. in Wasserschongebieten usw.) führten aber in jüngster Zeit dazu, dass die mechanische Unkrautbekämpfung durch Hacken oder Striegeln wiederum an Bedeutung gewann. Beispiele für mechanisch-physikalische Pflanzenschutzverfahren: 1. Mechanisches Entfernen von Schadorganismen: Unkrautbekämpfung durch Hacken, Jäten oder Striegeln, Abmähen von giftigen oder unbekömmlichen Pflanzen, die vom Vieh verschmäht worden sind, nach einer Beweidung Wegschneiden von mehltaukranken Trieben bei Apfelbäumen, Absammeln und Wegschneiden von Monilia-Fruchtmumien auf Obstbäumen, Abbrocken von Rundknospen bei Johannisbeeren, die von der Johannisbeergallmilbe befallen sind, Absieben von Unkrautsamen (z.B. Kornrade u.a.) oder Mutterkorn bei der Saatgutreinigung des Getreides. Einsatz von Gebläsen bei der Saatgutreinigung (Wegblasen von Unkrautsamen) usw. 2. Zerdrücken, Zerschlagen, Zerquetschen von Schadorganismen: Zerdrücken von Raupennestern, Kippfallen gegen Wühlmäuse, Bekämpfung des Maiszünslers durch feines Häckseln und Unterpflügen von Ernteresten (Maisstroh und Stoppeln). 11 3. Mechanisches Abhalten von Schadorganismen: Einzäunen von Obstgärten und anderen Kulturen, um Wild fernzuhalten, Kulturnetze (Vliese) aus Kunststoff zur Abwehr von zufliegenden schädlichen Insekten im Gemüse- (z.B. Kohlfliege usw.) und Erdbeerbau (z.B. Erdbeerblütenstecher), Vogelschutznetze, Hagelschutznetze, Anlegen von Leimringen um die Stämme von Obstbäumen, um das Aufwandern des Weibchens des Frostspanners zu verhindern, Umwickeln der Wurzelballen junger Obstbäume mit einem ¾zölligen verzinkten Drahtgitter vor dem Auspflanzen zum Schutz vor Wühlmäusen, Anlegen von (Plastik-)Schutzhüllen um die Stämme junger Waldbäume als Schutz vor dem Wild (Nage- oder Fegeschutz) usw. 4. Abhalten von Schadorganismen mittels Elektrizität: Elektrozäune um Gemüsegärten, Felder (Sojafelder) usw. als Wildschutz 5. Thermischer Pflanzenschutz: Unkrautbekämpfung mit Abflamm- oder Infrarotgeräten (Die Wirkung beruht auf der Gerinnung des Pflanzeneiweißes bei hohen Temperaturen.), Verbrennen von Schnittholz von Himbeeren oder Johannisbeeren bei Befall durch Himbeermotte, Himbeer- oder Johannisbeerglasflügler, Verbrennen von Baumrinde, die von Borkenkäfern befallen ist, Warmwasserbehandlung von Gemüse- oder Zierpflanzenzwiebeln gegen Wurzelmilben, Dämpfen der Erde im Gartenbau (Bodenentseuchung gegen Nematoden, Keimlingskrankheiten u.a.), Kühllagerung von Früchten zur Abtötung oder Entwicklungshemmung bei Vorratsschädlingen (z.B. Speisebohnenkäfer). Möglichkeiten des Hackstriegeleinsatzes im Pflanzenschutz Beim Striegeln müssen sich die Unkräuter in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befinden. Wurzelunkräuter lassen sich durch Striegeln nicht bekämpfen. Das Striegeln sollte bei Schönwetter um die Mittagszeit erfolgen, damit ausgerissene und verletzte Unkräuter rasch vertrocknen. Außerdem befinden sich die Kulturpflanzen zur Mittagszeit oft in einem leichten Welkezustand, so dass sie biegsamer sind und den Striegelzähnen besser ausweichen können. Nachfolgend seien die besten Einsatzzeitpunkte für Hackstriegelgeräte angeführt: Getreide: 3-Blatt-Stadium bis zum Ende der Bestockung des Getreides. Winterraps: Im Herbst ab 20 cm Wuchshöhe der Rapspflanzen, im Frühjahr muss diese Maßnahme meist ein- bis zweimal wiederholt werden. Pferdebohne (Ackerbohne): Vor dem Aufgang blindstriegeln, nach dem Aufgang ab dem 4-Blatt- Stadium der Pferdebohnen Maßnahme ein- bis zweimal wiederholen, danach hacken. Soja: Ab 4-Blatt-Stadium der Sojapflanzen ist ein- bis zweimaliger Striegeleinsatz möglich, danach hacken. Futtererbse: Ab 3-Blatt-Stadium der Erbse ist ein ein- bis zweimaliger Striegeleinsatz möglich. Zucker- und Futterrübe: Ab 2-Blatt-Stadium der Rüben ein- bis zweimaliger Striegeleinsatz möglich, danach hacken. Kartoffel: Vor dem Aufgang blindstriegeln, nach dem Aufgang Maßnahme ein- bis zweimal wiederholen. Grünland: Belüftung der Grasnarbe, einebnen von Maulwurfshügeln, verteilen von Mist- oder Gülleschleiern sowie von Kuhfladen nach einer Weidenutzung. 1.3.3 Biologischer Pflanzenschutz 1.3.3.1 Einsatz natürlicher Organismen Unter biologischem Pflanzenschutz versteht man den bewussten Einsatz von nützlichen Organismen zur Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten oder -schädlingen. Diese Methode hat vor allem im gärtnerischen Bereiche an Bedeutung gewonnen, um in Glashäusern Spinnmilben, Weiße Fliegen, Blattläuse oder andere Schädlinge zu bekämpfen. Der biologische Pflanzenschutz wird sich vor allem 12 dann bewähren, wenn die Nützlinge für ihre Entwicklung günstigere Umweltbedingungen vorfinden als die Schädlinge. Die nützliche Raubmilbe Phytoseiulus persimilis ist beispielsweise bei Temperaturen um 25° C und hoher Luftfeuchtigkeit (über 80 %) gegenüber der schädlichen Gemeinen Spinnmilbe im Vorteil. Ein Vergleich zeigt: Entwicklungskriterium Gemeine Spinnmilbe Raubmilbe Tetranychus urticae Phytoseiulus persimilis Entwicklungsdauer: Ei Ö Erwachsene (Imagines) 10 Tage 7 Tage Lebensdauer der Erwachsenen (Imagines) 5 Wochen 4 Wochen Anzahl der Eier je Tag und Weibchen 7 bis 10 Eier 3 bis 4 Eier Eine Raubmilbe kann unter günstigen Bedingungen pro Tag 20 Spinnmilbeneier, 20 junge Spinnmilben (Nymphen) oder 5 erwachsene (adulte) Spinnmilben vertilgen. Die Temperaturen dürfen nicht unter 8°C sinken, da die Raubmilben sonst stark geschädigt oder gar abgetötet werden. Beispiele für Nützlinge und insektenpathogenen Pilzen Bakterien oder Viren, die im Handel erhältlich sind: R a u b m i l b e n: Phytoseiulus persimilis gegen die Gemeine Spinnmilbe in Glashäusern, Amblyseius cucumeris oder A. barkeri gegen Blasenfüße (Thripse), z.B. gegen den Kalifornischen Blütenthrips in Glashäusern E r z w e s p e n: Aphelinus abdominalis gegen die Grünstreifige Kartoffelblattlaus in Glashäusern, Trichogramma evanescens gegen den Maiszünsler im Freiland, Trichogramma cacoeciae und T. dendrolimi gegen Apfelwickler, Fruchtschalenwickler oder Pflaumenwickler S c h l u p f w e s p e n: Encarsia formosa gegen Weiße Fliegen in Glashäusern, Dacnusa sibirica gegen Minierfliegen (z.B. Liriomyza huidobrensis) in Glashäusern, Diglyphus isaea gegen Minierfliegen in Glashäusern R ä u b e r i s c h e G a l l m ü c k e n: Aphidoletes aphidimyza, eine räuberische Gallmücke gegen Blattläuse (z.B. Baumwollblattlaus oder Grünfleckige Kartoffelblattlaus) in Glashäusern F l o r f l i e g e n: Chrysoperla carnea gegen Blattläuse in Glashäusern R ä u b e r i s c h e B l u m e n w a n z e n: Orion sp. gegen Thripse (Kalifornischer Blütenthrips) oder Blattläuse in Glashäusern M a r i e n k ä f e r: Cryptolaemus montrouzieri, ein Australischer Marienkäfer gegen die Wolllaus in Glashäusern I n s e k t e n p a r a s i t i e r e n d e N e m a t o d e n: Heterorhabditis sp. gegen Dickmaulrüssler und Nacktschnecken, Steinernema feltiae und S. carpocapse gegen Dickmaulrüssler- und Trauermückenlarven P i l z e: Verticillium lecanii gegen Blattläuse in Glashäusern Metarrhizium anisopliae gegen Dickmaulrüssler Beauveria spp., Pilze gegen Engerlinge (Maikäferlarven), Larven der Kartoffelkäfers Ampelomyzes quisqualis gegen den Echten Gurkenmehltau in Glashäusern B a k t e r i e n: Bacillus thuringiensis, gegen Raupen (Traubenwickler usw.) u.a. Insektenlarven V i r e n: Granuloseviren gegen Apfelwickler oder Fruchtschalenwickler. Die vorhin angeführten nützlichen Organismen sind meist bei der Kontrolle von Schädlingen oder Pflanzenkrankheiten nur kurzfristig erfolgreich wirksam, solange es nämlich die äußeren Umstände (Temperaturen, Luftfeuchte usw.) zulassen. Außerdem sind Nützlinge oft sehr wirtspezifisch. Das bedeutet, dass sie auf ihren Wirt angewiesen sind und ohne diesen nicht überleben können. 13 1.3.3.2 Natürliche Kontrolle der Schadorganismen Neben dem biologischen Pflanzenschutz, bei dem, wie bereits erwähnt wurde, nützliche Organismen bewusst gegen schädliche eingesetzt werden, gibt es noch die natürliche Kontrolle von Schadorganismen. Sie beruht darauf, dass man Maßnahmen setzt, um nützliche Organismen, die in einem Biotop schon vorhanden sind (z.B. Raubmilben, Laufkäfer, Marienkäfer, Florfliegen u.a.), zu fördern. Dies geschieht unter anderem durch die Anwendung selektiver (nützlingsschonender) chemischer Pflanzenschutzmittel. (Vergleiche „Ausnützung natürlicher Begrenzungsfaktoren“, Definition des „Integrierten Pflanzenschutzes“ im Kapitel 2.1) Dadurch ist es beispielsweise möglich, ein schädliches Auftreten der Obstbaumspinnmilbe in Obst- und Weingärten mit Hilfe von Raubmilben (vor allem mit Hilfe der Raubmilbe Typhlodromus pyri) zu unterbinden. Auch im Feldbau verwendet man bei der Blattlausbekämpfung bevorzugt Insektizide, wie das Pirimicarb-Mittel „Pirimor“, die nützliche Insekten, wie Marienkäfer, Schwebfliegen oder Florfliegen, schonen. Unter günstigen Bedingungen frisst ein Marienkäfer täglich 20 bis 40 Blattläuse. Eine Marienkäferlarve verzehrt bis zur Verpuppung 200 bis 700 Blattläuse. Insgesamt beseitigt die gesamte Nachkommenschaft eines Marienkäfers im Idealfall rund 130.000 Blattläuse im Jahr. Allerdings müsste man je Hektar Getreide 500.000 bis 700.000 Marienkäfer freilassen, um Getreideblattläuse ausreichend zu bekämpfen. 1.3.3.3 Einbürgerungen von Nützlingen: Es gibt auch Beispiele, dass Nützlinge erfolgreich eingebürgert wurden, nachdem zuvor die Schädlinge als deren Wirtstiere aus anderen Gebieten (Erdteilen) eingeschleppt worden waren. Das heißt, dass sich die Nützlinge in der neuen Umgebung anpassen und vermehren konnten. Die eingebürgerten Nützlinge übernahmen somit die Funktion der „natürlichen Kontrolle“, siehe oben. Beispiele für Einbürgerungen von Nützlingen in Mitteleuropa: Herkunft der Schädlinge: In Mitteleuropa eingebürgerte Nützlinge: Blutlaus aus Nordamerika Aphelinus mali, eine Zehrwespe aus Nordamerika San-José-Schildlaus aus Ostasien (über Prospaltella perniciosi, eine Zehrwespe aus Nordamerika nach Europa) Nordamerika 1.3.4 Biotechnischer Pflanzenschutz Unter Technik versteht man die Umsetzung und Nutzung der Naturgesetze. Biotechnik ist die technische Anwendung von Lebensvorgängen. 1.3.4.1 Ausnützung der Sinnesorgane von Schädlingen Optisch durch Farbtafeln oder Farbschalen zum Anlocken und zur Beobachtung (Warndienst) oder Bekämpfung von Schädlingen. Lockfarbe Insekt: : Kirschfruchtfliege, diverse Rapsschädlinge (Rapsstängelrüssler, Kohltriebrüssler, gelb Rapsglanzkäfer), Maiswurzelbohrer, Sattelmücke bei Getreide, Blattläuse, Weiße Fliegen, Minierfliegen, Trauermücken u.a. orange Möhrenfliege weiß Apfelsägewespe, Pflaumensägewespen, Himbeerkäfer u.a. blau Blasenfüße (Thripse) in Glashäusern, Fritfliege (bei Getreide und Mais) Akustisch durch Warnschreie der Vögeln (z.B. Stare im Obst- und Weinbau) Geschmack durch Abhaltemittel (Repellentien) Geruch zum Abhalten von Schädlingen, z.B. durch Verstänkerung (Wildverbissmittel), Zum Wegfangen von Schädlingen mit Hilfe von Pheromonen (z.B. Blausieb im Obstbau), Alkoholfallen zum Wegfangen des Ungleichen Holzbohrers im Obstbau u.a. 14 1.3.4.2 Ausnutzung der Kenntnisse über Lebensvorgänge Lebensvorgänge werden durch Hormone oder Pheromone gesteuert. Hormone sind biologisch hochwirksame Stoffe, die im Körperinneren von Drüsen gebildet werden und Lebensvorgänge steuern (z.B. Wachstum, Häutung von Insektenlarven, Verpuppung, geschlechtliche Entwicklung, psychisches Verhalten usw.). Ihre praktische Anwendung im Planzenschutz erfolgt als Juvenilhormone, Entwicklungshemmer, Häutungshemmer, Häutungsbeschleuniger usw. Pheromone sind spezifische Botenstoffe (Duftstoffe), die von Tieren an die Umgebung abgegeben werden. Sie dienen der Kommunikation innerhalb einer Art in Form von Signalen. Man unterscheidet zwischen Sexualpheromonen (Geschlechtspheromonen), mit welchen die Weibchen die Männchen anlocken, und Aggregationspheromonen (Versammlungspheromonen), die Artgenossen zu geeigneten Brutplätzen führen. Auch die „Bienensprache“ ist zum Teil auf Pheromone zurückzuführen. Praktische Anwendung der Pheromone: Pheromonfallen beim Pflanzenschutzwarndienst (mit Sexualpheromonen), Wegfangen von Borkenkäfern im Forst (z.B. Buchdrucker, Kupferstecher oder Gestreifter Nutzholzborkenkäfer) mit Hilfe von Pheromonfallen oder durch das Auslegen von geschlägerten, berindeten Fangbäumen in Wäldern. Im Obstbau kann man ein Schadauftreten des Blausiebs mit Hilfe von Pheromonfallen stark vermindern. Verwirrungstechnik (Konfusionstechnik): Bei dieser Pflanzenschutztechnik wird eine große Anzahl von Sexualpheromonquellen mit Hilfe spezieller Dispenser (Verdunster) in Pflanzenkulturen (z.B. Obst- und Weingärten) ausgebracht. Die Männchen der Schädlinge (z.B. Apfelwickler, Fruchtschalenwickler, Traubenwickler u.a.) werden zwar angelockt, durch die Vielzahl der Pheromonquellen werden sie aber verwirrt und finden die wirklichen Weibchen ihrer Art nicht mehr. In der Folge unterbleiben Begattungen und Ablagen befruchteter Eier. Die Verwirrungstechnik wird bereits erfolgreich im Obst- und Weinbau durchgeführt. Attract & kill-Methode (attract, engl. = anlocken, kill, engl. = töten): Eine andere Entwicklung der Nutzbarmachung von Pheromonen ist die Methode Attract & Kill. Dabei wird eine viskose Paste, die einerseits ein Pheromon, andrerseits ein Insektizid (z.B. Pyrethroide, wie Cyfluthrin oder Permethrin enthält, auf den Pflanzen (z.B. Ästen von Bäumen) aufgebracht. Das Pheromon lockt den Schädling an, gleichzeitig wird er durch das Insektizid abgetötet. Diese Methode findet auch Anwendung bei der Stallhygiene. Beim Mittel „Lurectron Fliegenköder“ werden mit Hilfe des Versammlungspheromons Muscalure die männlichen und weiblichen Stubenfliegen angelockt und mit Methomyl abgetötet. 1.3.4.3 Selbstvernichtungsverfahren (Autozidverfahren) autozid = selbst tötend (vernichtend, ausrottend) Bei dieser Methode werden Schädlinge zur Vernichtung der eigenen Art ausgesetzt. Dies geschieht dadurch, dass man Tiere mit verminderter Fortpflanzungsfähigkeit (Sterilisation durch Bestrahlung oder Chemikalien) freilässt. Da meist vererbbare Eigenschaften beeinträchtigt werden, spricht man auch von einer genetischen Schädlingsbekämpfung (genetic control). Eine erfolgreiche Durchführung dieser Methode setzt ein isoliertes Vorkommen von Schädlingen (z.B. Inseln, geschlossene Räume, wie Glashäuser, Lagerräume usw.) voraus. 1.3.4.4 Züchtung widerstandsfähiger (resistenter oder toleranter) Kulturpflanzen Die herkömmlichen Formen der Resistenzzüchtung sind entweder die Selektionszüchtung durch ständige Auswahl widerstandsfähiger Pflanzenstämme oder die Kreuzungszüchtung durch Einkreuzung von (Wild-)Pflanzen derselben Art, um die Widerstandskraft der Kulturpflanzen gegen Schädlinge oder Krankheiten zu erhöhen. Die Resistenzzüchtung unterliegt einem steten Wettlauf mit der Natur, da sich neue Stämme von Schaderregern herausselektieren können, welche die Resistenz 15 brechen („Resistenzbrecher“). Dies gilt vor allem für die Selektionszüchtung. Darum verlieren manche Getreidesorten nach einiger Zeit (2 bis 3 Jahren) scheinbar ihre resistenten Eigenschaften. Durch die Gentechnik werden der Pflanzenzüchtung neue Möglichkeiten eröffnet. Unter Gentechnik versteht man die Isolierung der Erbinformation eines Lebewesens und deren Einfügung in das Erbmaterial einer anderen Art. Auf diese Weise entstehen transgene Pflanzen, die eine zusätzliche Erbinformation enthalten. Äußerlich können solche transgene Pflanzen von den übrigen („normalen“) nicht unterschieden werden. Beispielsweise gibt es bereits Maissorten, die das Toxin des Bacillus thuringiensis produzieren können und daher gegen den Maiszünsler oder den Maiswurzelbohrer resistent sind. In Labors gibt es schon Tabakpflanzen, die durch die Übertragung eines Gens aus Erdnusspflanzen gegen den Blauschimmel resistent sind. Der gentechnisch veränderte „golden rice“ (engl.: goldener Reis) produziert Karotin, die Vorstufe des Vitamins A. In Japan gibt es bereits blau blühende Rosen usw. Die wichtigsten Zielsetzungen der gentechnologischen Forschung auf dem Gebiete des Pflanzenschutzes sind: Pflanzen mit verbesserter Widerstandsfähigkeit gegen Schadorganismen. Pflanzen mit verbesserter Herbizidresistenz, z.B. Maissorten, die gegen die herbiziden Wirkstoffe Glyphosate oder Glufosinate resistent sind. Beide Wirkstoffe verhalten sich durch einen raschen Abbau sehr günstig in der Umwelt, so dass keine Probleme mit Rückständen in Lebensmitteln oder Verunreinigungen des Grundwassers zu befürchten sind. Grundlagenforschung für pflanzliche Abwehr- oder Schutzmechanismen: Viele pflanzenschädigende Pilze, Viren, Insekten oder Nematoden werden nämlich von den Wirtspflanzen durch sogenannte Elizitoren (Proteine oder komplex aufgebaute Zuckermoleküle) schon frühzeitig erkannt. In der Folge können sich die Pflanzen manchmal durch natürliche Abwehrreaktionen sehr wirksam vor Schädigungen schützen. 1.3.5 Chemischer Pflanzenschutz Der Wunsch des Menschen, Kulturpflanzen durch Bestreichen, Bestäuben oder Bespritzen mit bestimmten Präparaten vor Schädlingen oder Krankheiten zu schützen, lässt sich bereits in alten Kulturepochen nachweisen. Die Wurzeln des modernen chemischen Pflanzenschutzes gehen ins 19. Jahrhundert zurück (z.B. Quecksilbermittel, Kupferkalkbrühe). Der eigentliche Durchbruch des chemischen Pflanzenschutzes geschah im Jahre 1939 mit der Entdeckung der insektiziden Wirkung von DDT. Seither hat sich der chemische Pflanzenschutz enorm weiterentwickelt und ist gegenwärtig zur wichtigsten Methode geworden. Vorteile des chemischen Pflazenschutzes Einfache Anwendbarkeit: Mit chemischen Pflanzenschutzmitteln und geeigneten Geräten ist es möglich geworden, große Felder oder hohe Baumbestände rasch und wirkungsvoll von Schadorganismen zu befreien. Rasche und sichere Wirkung: Der chemische Pflanzenschutz machte erst eine kurative Behandlung von Pilzkrankheiten möglich. Preiswürdigkeit: Vergleicht man die Kosten der mechanischen und der chemischen Unkrautbekämpfung bei Feldfrüchten (Zuckerrüben, Mais u.a.), schneidet meist die Anwendung von Herbiziden günstiger ab. Gute Handelsfähigkeit: Chemische Pflanzenschutzmittel lassen sich auf Lager legen. Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz müssen unter anderem an diesen Vorteilen gemessen werden. Diesen Vorteilen verdankt die Bevölkerung in den entwickelten Staaten, dass sie nicht mehr an einem Mangel an Nahrungsmitteln leiden muss. Im Gegenteil, die Ertrags- und Qualitätssicherung mit Hilfe des chemischen Pflanzenschutzes funktioniert so gut, dass in diesen Ländern Lebensmittel meist im Überschuss vorhanden sind. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war ein Mangel an Nahrungsmitteln auch in den heutigen Industriestaaten durchaus noch gang und gäbe. Die ausreichende Versorgung mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln ließ die Lebenserwartung der Menschen in den Industriestaaten rasch ansteigen. Betrug die durchschnittliche Lebenserwartung der österreichischen Bevölkerung um das Jahr 1900 etwa 35 Jahre, ist sie heute auf über 75 Jahre angestiegen. 16 Nachteile des chemischen Pflanzenschutzes Unerwünschte Nebenwirkungen: Die chemischen Pflanzenschutzmittel verfügen neben der Giftwirkung gegen Schadorganismen (tierische Schädlinge, Pilze, Unkräuter usw.) auch über unerwünschte Nebenwirkungen (gegen Bienen, nützliche Organismen, Fische, Fischnährtiere usw.). Rückstandsprobleme: In Lebens- und Futtermitteln sowie im Trinkwasser (Grundwasser) kann es durch die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel zu unerwünschten Rückständen oder Verunreinigungen kommen. Kompensationskrankheiten oder -schädlinge: An die Stelle der bekämpften Krankheiten oder Schädlinge können „neue“ Arten treten. Durch die Bekämpfung des Apfelwicklers mit breit wirksamen Insektiziden können beispielsweise Probleme mit der Obstbaumspinnmilbe ausgelöst werden. Man spricht dann von „induzierten“ (herbeigeführten) Pflanzenschutzproblemen. Resistenzerscheinungen: Durch die wiederholte Anwendung von Pflanzenschutzmitteln derselben Wirkstoffgruppe können sich widerstandfähige, resistente Stämme von Schadorganismen herausselektieren (z.B. phosphorinsektizidresistente Spinnmilben, triazinresistente Unkräuter, benzimidazolresistenter Apfelschorf usw.). Die Ausbringung chemischer Pflanzenschutzmittel geschieht in der Regel durch Spritzen, Sprühen, Stäuben, Begasen oder Streuen. Die meisten chemischen Pflanzenschutzmittel werden synthetisch hergestellt. Es gibt auch chemische Pflanzenschutzmittel natürlichen Ursprungs, wie Kupfermittel, Schwefelmittel, Pyrethrum u.a. Chemische Pflanzenschutzmittel können breit oder selektiv wirksam sein. 1.4 Die wichtigsten schädlichen und nützlichen Organismen der Kulturpflanzen Grundlage für den erfolgreichen Anbau von Kulturpflanzen ist die Beachtung von Standorteinflüssen, nämlich der Bodenverhältnisse und des (Klein-)Klimas. Manche Schäden an den Kulturpflanzen müssen auf unbelebte, nichtparasitäre Ursachen, z.B. Hitze- oder Kälteschäden (Frost), Hagelschlag, Nährstoffmangel oder -überschuss, falsche Belichtungsverhältnisse, anhaltende Trockenheit oder Nässe, Emissionen u.a., zurückgeführt werden. Der praktische Pflanzenschutz befasst sich aber primär mit den Erregern von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen der Kulturpflanzen sowie mit deren natürlichen Gegenspielern. Nachfolgend seien die wichtigsten schädlichen und nützlichen Organismen beschrieben. 1.4.1 Viren Bei den Viren handelt es sich um unbelebte, obligate Krankheitserreger ohne eigenen Stoffwechsel. Sie sind nur in lebenden Zellen funktions- und „vermehrungsfähig“. Viren vermögen den Stoffwechsel im Wirtsorganismus (Wirtspflanze) umzusteuern. Dadurch kommt es zu einer Vervielfachung (scheinbaren „Vermehrung“) der Viren. Viren sind winzig kleine (150 bis 2000 mµ), kugelige, stäbchen- oder fadenförmige, nur in einem Elektronenmikroskop sichtbare Eiweißkörperchen (Nukleoproteine). (1 mµ = 1/1,000.000 mm.) Im Prinzip besteht ein Virus aus einer RNS (Ribonucleinsäure), seltener aus einer DNS (Desoxyribonucleinsäure), – also aus einer Erbinformation, – die von einer Proteinschutzhülle umgeben ist. Es gibt auch Viren ohne eine Proteinschutzhülle. Diese werden als Viroide bezeichnet. Die Verbreitung der Viren erfolgt durch eine passive Übertragung. Bei den Kulturpflanzen geschieht dies häufig durch deren vegetative Vermehrung (Klonung), wie beispielsweise bei der Pflanzkartoffelvermehrung oder in Baum- und Rebschulen. Eine Übertragung durch Samen ist selten. (Die Samenübertragbarkeit eines Virus hängt nämlich von seiner Fähigkeit ab, die Blütenmeristeme während der frühen Differenzierungsstadien zu befallen.) Oft erfolgt die Übertragung mechanisch mit dem Saft verletzter Pflanzen, der an Hackgeräten, am Fell von Tieren, die sich in einem Feld befinden, oder an der Kleidung von Menschen, die auf einem Feld arbeiten, haftet. Weiters können verschiedene saugende Insekten (Blattläuse, Blattflöhe, Zikaden, Thripse, Weiße Fliegen u.a.), Milben oder Nematoden Pflanzen mit Viren (z.B. Scharka-Virus beim Steinobst, Eisenfleckigkeit bei der Kartoffel, Tomatenringfleckenvirus TmRSV, Reisigkrankheit bei der Weinrebe u.a.) infizieren. Der Überträger der Virösen Wurzelbärtigkeit (Rizomania) bei Zucker- oder Futterrüben ist der Pilz Polymyxa betae, jener des Tomatenringfleckenvirus der Pilz Olpidium brassicae usw. Man bezeichnet 17 die Überträger als Vektoren. Die Stecklenberger Krankheit bei Weichseln kann wiederum durch Blütenpollen übertragen werden. Nach der Art und Dauer der Übertragbarkeit durch saugende Schädlinge unterscheidet man zwischen nichtpersistenten und persistenten Viren: Bei nichtpersistenten Viren reicht bereits eine kurze Saugzeit (oft nur von wenigen Sekunden) durch Blattläuse oder andere Vektoren aus, damit Viren von einer kranken Pflanze aufgenommen und an eine gesunde Pflanze übertragen werden. Dabei bleiben die Vektoren aber nur kurze Zeit infektiös. Zu diesem Virustyp zählen beispielsweise das Y-Virus PVY oder A-Virus PVA der Kartoffel, „nekrotische“ Rübenvergilbungsvirus BYV, Rübenmosaikvirus, Kohlschwarzringfleckenvirus, Gurkenmosaikvirus CMV, Wassermelonenmosaikvirus WMV, Zucchinigelbmosaikvirus ZYMV, Wasserrübenmosaikvirus TuMV, Luzernemosaikvirus u.a. Bei den persistenten Viren geschieht die Aufnahme und Übertragung der Viren durch saugende Schädlinge wesentlich langsamer. Dafür kann aber die Weitergabe durch die Vektoren über lange Zeit erfolgen. Aus diesen Gründen kann eine weitflächige Sekundärausbreitung des Virus durch eine Bekämpfung der Vektoren mit Insektiziden durchaus verhindert werden. Zu diesem Virustyp zählen beispielsweise das Blattrollvirus der Kartoffel PLRV, das „milde“ Rübenvergilbungsvirus BMYV, das Wasserrübenvergilbungsvirus TuYV, das Gerstengelbverzwergungsvirus BYDV, das Blattrollvirus der Erbse u.a. Mitunter spricht man auch von semipersistenten Viren, deren Verhalten zwischen den beiden oben genannten Gruppen einzustufen ist. Schadbilder bei Kulturpflanzen: Geringere Erträge, verminderte Qualität der Ernteprodukte, Wuchsveränderungen (z.B. „Besenwuchs“), Farbveränderungen an Blüten oder Blättern („Mosaik“) u.a. Man spricht von latenten Viren (verborgenen Viren), wenn die Symptome bei bestimmten (Sorten von Kultur-)Pflanzen nicht sichtbar werden. Hingegen sind Indikatoren Pflanzen, bei denen sich die Symptome von Virosen (Viruskrankheiten) besonders ausprägen. Es kann auch vorkommen, dass Schadbilder der Virosen durch Pflegemaßnahmen (z.B. durch Stickstoffdüngung) oder andere äußere Einflüsse (z.B. Hitze) „maskiert“ (verdeckt) werden. Maßnahmen gegen Viren: Viren sind bis heute nicht kurativ mit chemischen Mitteln bekämpfbar. Daher sind vorbeugende (präventive) Maßnahmen von großer Wichtigkeit: Virustestungen mit Indikatorpflanzen (Anzeigerpflanzen) oder mit serologischen und enzymatischen Methoden (z.B. ELISA-Test = enzyme linked immuno sorbent assay, TPIA = tissue print immunoassay-, DBIA = dot-blot immunoassay-Nachweisverfahren u.a.). Virusfreimachung durch Thermotherapie (Wärmebehandlung bei 34° C bis 40° C über einen längeren Zeitraum in eigenen Klimakammern oder Räumen). Chemische Bekämpfung der Vektoren (Überträger), vor allem bei persistenten Viren. Andere Hygienemaßnahmen, wie die Desinfektion von Arbeitsgeräten, das Entfernen und Vernichten viruskranker Pflanzen, die Bekämpfung von Unkräutern, die Wirtspflanzen der Viren sein können (z.B. Gänsefußarten als Wirtspflanzen für Rübenviren) usw. Prämunisierung: Eine weitere Möglichkeit gegen aggressive Viruskrankheiten vorzugehen ist die Prämunisierung. Dabei infiziert man eine Pflanze mit einem wenig aggressiven Virusstamm. In der Folge ist ein Befall durch einen aggressiven Virusstamm nur mehr sehr begrenzt möglich. Einige Beispiele für wirtschaftlich bedeutende Virosen: Getreide: Gelbverzwergungsvirus BYDV, Gelbmosaik der Gerste Zuckerrübe: Vergilbungskrankheit, Wurzelbärtigkeit (Rizomania) Kartoffel: Y-Virus, Blattrollvirus, Eisenfleckigkeit u.a. Apfel: Apfelmosaik Steinobst: Scharka (Pockenkrankheit) Weinrebe: Reisigkrankheit (Grapevine Fanleaf Virus GFLV) Kürbisgewächse: Gurkenmosaikvirus, Wassermelonenmosaikvirus, Zucchinigelbmosaikvirus 18 Diverse Zierpflanzen: Tomatenfleckenvirus, Arabismosaikvirus u.a.) Viren als „Pflanzenschutzmittel“: Manche Viren können als Krankheitserreger auch Insekten oder andere Tiere befallen. Zum Teil werden solche Viren schon für Zwecke des Pflanzenschutzes genutzt. Dabei ist es von Vorteil, dass Viren sehr wirtsspezifisch sind. Beispiele: Granuloseviren zur Bekämpfung von Apfelwicker und Fruchtschalenwickler im Obstbau Polyederviren zur Bekämpfung diverser Forstschädlinge 1.4.2 Phytoplasmen (Mykoplasmen, MLO) Phytoplasmen sind sehr kleine (50-800 nm), vielgestaltige Lebewesen, die zwar eine dünne Membran, aber keine starre Zellwand besitzen. Sie kommen in den Pflanzen nur in den Siebgefäßen (Phloem) vor. Die Überwinterung der Phytoplasmen erfolgt aufgrund der Degeneration der Stamm- und Sprosssiebzellen während der kalten Jahreszeit in den Wurzeln. Die Neubesiedelung der oberirdischen Pflanzenorgane erfolgt im Frühjahr. Aus diesem Grunde sollte man für Untersuchungen primär Wurzelstücke verwenden. Da die Schadbilder der Phytoplasmosen (durch Phytoplasmen verursachte Krankheiten) jenen der Virosen sehr ähnlich sind, wurden früher viele Pflanzenkrankheiten letzteren zugeschrieben. Ähnlich wie bei den Viren erfolgt die Verbreitung der Phytoplasmen ebenfalls meist durch Klonung oder durch Vektoren (häufig durch Zikaden). Maßnahmen gegen Phytoplasmosen: Eine Behandlung der Phytoplasmosen mit chemischen Pflanzenschutzmitteln ist bis heute nicht möglich. Darum sind vorbeugende Maßnahmen, wie bei den Virosen, notwendig. Chemische Bekämpfung der Vektoren (Überträger, z.B. Zikaden). Der Nachweis der Phytoplasmen erfolgt in Labors durch fluoriszenzmikroskopische Untersuchungen oder durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR = Polymerase Chain Reaction) Einige Beispiele für wirtschaftlich bedeutende Phytoplasmosen: Kartoffel: Stolbur-Krankheit Apfel: Besentriebigkeit Birne: Birnenverfall Weinrebe: Goldgelbe Vergilbungskrankheit (Flavescence dorée MLO) 1.4.3 Bakterien Bakterien sind einzellige, mikroskopisch kleine Lebewesen, die der Pflanzenwelt zugeordnet werden. Bakterien, die Pflanzen infizieren, haben die Form einfacher, unbegeißelter oder begeißelter Stäbchen. Die Infektionen (das Eindringen in Pflanzen) erfolgen in der Regel passiv, seltener mit Hilfe der Geißeln, über Verwundungen oder durch die Spaltöffnungen der Blätter. In den Pflanzen können sie sich in den Leitbündeln weiter ausbreiten. Auf diese Weise können die Bakterien in Kartoffelpflanzen von der Mutterknolle in die Tochterknollen gelangen. Bakterien sind zwischen 0,2 und 100 µm groß und können nur mit Hilfe von Mikroskopen beobachtet werden. Die Fortpflanzung erfolgt ungeschlechtlich durch Zellteilung. Symptome: Glasige, feuchte Flecken oder schleimige Stellen an Blättern (z.B. Fettfleckenkrankheit der Bohnen), Blüten, Trieben oder Zweigen (z.B. Feuerbrand bei Kernobst), Schwarzfärbung der Gefäße und Blattadern (z.B. Bakterielle Welke der Tomaten), krebsartige Wucherungen an Wurzeln oder Trieben (z.B. Wurzelkröpfe bei Weinreben oder Obstgehölzen) usw. 19 Gegenmaßnahmen: Pflanzenhygienische Maßnahmen ergreifen: Gesundes Vermehrungsmaterial (Saatgut und Pflanzgut) verwenden, kranke Pflanzen entfernen und vernichten (verbrennen), nicht kompostieren, Wurzelbeschädigungen und andere Verwundungen vermeiden, Pflanzerde (in Gärtnereien) entseuchen usw. Unter den chemischen Präparaten weisen die Kupfermittel eine bakterizide (bakterienabtötende) Wirkung auf. Kupfermittel sind Belagsmittel. Sie dringen nicht in die Pflanzen ein und müssen daher vorbeugend angewandt werden. Antibiotika (Streptomycin u.a.) dringen in die Pflanzen ein, sind aber in Österreich zur Behandlung von Bakteriosen (Bakterienkrankheiten) nur in Ausnahmefällen zugelassen (z.B. Feuerbrand im Kernobstbau). Einige Beispiele für wirtschaftlich bedeutende Bakteriosen: Obstgehölze, Weinreben: Wurzelkropf (Mauke, Grind) Kernobst, Cotoneaster, Weißdorn u.a.: Feuerbrand Kartoffel: Kartoffelschorf, Bakterienringfäule, Schleimfäule, Nassfäule Tomate: Bakterielle Welke Gurke: Bakterielle Blattfleckenkrankheit Bohne: Fettfleckenkrankheit Begonien, Dahlien, Gladiolen, Lilien, Pelargonien u.a. Zierpflanzen: Rosettengallen Bakterien als „Pflanzenschutzmittel“: Bacillus thuringiensis-Präparate zur Bekämpfung von Insektenlarven, vor allem Schmetterlingslarven (Raupen), wie bei Kohlweißling, Traubenwickler, Maiszünsler, Eichenwickler, Lärchenwickler u.a. 1.4.4 Pilze (Fungi) Pilze sind einzellige oder (meist) mehrzellige Organismen. Die mehrzelligen Pilze bestehen aus Zellfäden, den so genannten Hyphen. In ihrer Gesamtheit bilden die Hyphen das Myzel. Mit Hilfe der Hyphen durchdringen die Pilze das Wirtsgewebe (Pflanzengewebe). Die Verbreitung der Pilze erfolgt durch Sporen, häufig mit Hilfe des Windes. Man unterscheidet verschiedene Arten von Sporen: Konidien entstehen vegetativ durch Abschnürungen vom Myzel. Sporangien entstehen generativ nach Kopulationsvorgängen. Zoosporen sind mit Hilfe von Geißeln frei bewegliche Sporen primitiver Pilzgruppen (z.B. der „Falschen Mehltaupilze“). Sklerotien bestehen aus dicht zusammengeballten Myzelfäden und stellen widerstandsfähige Dauerformen dar, die ungünstige Umweltverhältnisse (winterliche Kälte) überstehen können (z.B. Mutterkorn, Sclerotinia-Arten u.a.). Pilze sind Pflanzen ohne Chlorophyll und können daher nicht assimilieren. Aus diesem Grunde erfolgt ihre Lebensweise saprophytisch oder parasitisch. Saprophytisch heißt, dass sie sich von abgestorbenen organischen Substanzen ernähren. Parasitisch bedeutet, dass sie lebende Organismen befallen. Parasitische Pilze sind für den Pflanzenschutz von Bedeutung. Manche Pilze machen sowohl eine saprophytische, als auch parasitische Phase durch (z.B. der Apfelschorf: saprophytisch im Herbst und Winter auf dem Falllaub, im Frühjahr und Sommer parasitisch auf den assimilierenden Blättern der Apfelbäume). Manche Pilze leben mit Algen oder höheren Pflanzen in einer Symbiose. Darunter versteht man das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Arten zum gegenseitigen Nutzen. Beispiele für Symbiosen: Pilze und Knöllchenbakterien bei Schmetterlingsblütlern (Leguminosen), Pilze und Algen, man spricht von Flechten, Pilze und Bäume (Baumwurzeln), man spricht von Mykorrhizzen. 20 Mykorrhiza (griech.: mykes = Pilz, griech.: rhiza Wurzel): Mykorrhizen sind „Wurzelpilze“, die mit höheren Pflanzen eine Symbiose eingehen. Die Pilze erhalten von den höheren Pflanzen Kohlehydrate oder Aminosäuren, während sie umgekehrt die höheren Pflanzen mit Wasser, Vitaminen und Mineralsalzen versorgen. In vielen Fällen sind die Mykorrhizen für die höheren Pflanzen unentbehrlich, wie beispielsweise für die Keimung der Samen von Orchideen. Auch für ein Überleben von Pflanzen oberhalb der Waldgrenze (Grasheiden- und Zwergstrauchstufe) sind Mykorrhizen wesentlich beteiligt. Mykorrhizen findet man bei vielen Landpflanzen an. Je nachdem, wie weit sie ins Wurzelgewebe der höheren Pflanzen eindringen, unterscheidet man zwischen endotrophen und ektotrophen Mykorrhizen. Bei ektotrophen Mykorrhizen dringen die Hyphen zwar bis zur innersten Zellschicht der Rinde der Wurzeln vor, wachsen aber zwischen den Zellen weiter (z.B. bei Kiefern, Fichten, Lärchen, Eichen u.a.). Bei endotrophen Mykorrhizen stoßen die Hyphen bis ins Innere der Zellen vor (z.B. bei Orchideen, Heidekrautgewächsen, Farnen u.a.). Bei der chemischen Behandlung von Pilzkrankheiten bei höheren Pflanzen ist darauf zu achten, dass Mykorrhizen durch Fungizide (chemische Mittel gegen Pilzkrankheiten) nicht geschädigt werden. Symptome der Mykosen (Pilzkrankheiten): Die Schadbilder durch Mykosen (Pilzkrankheiten) sind mannigfaltig: Flecken auf Früchten, Blättern oder Trieben, „trockene“ Fäulnis (vergleiche bakterielle Fäulnis), Brand, Welkeerscheinungen usw. Gegenmaßnahmen: Kulturtechnische Maßnahmen: Richtige Auswahl an Kulturpflanzensorten (resistente oder tolerante Sorten), Wahl des richtigen Standortes (Pilze bevorzugen meist windstille, feuchtwarme Standorte), Baum- und Rebschnitt (Pilze finden im dichten Laub günstigere Lebensbedingungen vor, da die Blätter nach Regen oder Tau länger nass bleiben), Fruchtwechsel im Ackerbau u.a. Mechanische Maßnahmen: Entfernen erkrankter Pflanzen oder Pflanzenteile (z.B. Wegschneiden mehltaukranker Triebe bei Apfelbäumen, Entfernen von „Monilia-Fruchtmumien“ von Obstbäumen) u.a. Chemische Maßnahmen: Einsatz von Fungiziden Einige Beispiele wirtschaftlich bedeutender Mykosen (Pilzkrankheiten): Apfel: Apfelschorf, Apfelmehltau u.a. Weinrebe: Echter Mehltau, Falscher Mehltau (Peronospora), Grauschimmel Getreide: Halmbruchkrankheit, Getreidemehltau, diverse Rostkrankheiten Mais: Stängelbruch, Beulenbrand, Blattfleckenkrankheiten Helminthosporium spp. Kartoffel: Kraut- und Knollenfäule Zuckerrübe: Cercospora-Blattfleckenkrankheit Tabak: Blauschimmel Rose: Rosenrost, Sternrußtau Fichte: Rotfäule, Wurzelschwamm Pilze als „Pflanzenschutzmittel“: Manche Pilze befallen auch lebende tierische Organismen: Beauveria-Arten zur Bekämpfung von Engerlingen (Maikäfer u.a.), Metarhizium anisopolae zur Bekämpfung des Gefurchten Dickmaulrüsslers in Glashäusern, Verticillium lecanii zur Blattlausbekämpfung in Glashäusern. Coniothyrium minitans (ein Bakterium) gegen Sclerotinia sclerotiorum und S. minor 1.4.5 Samenpflanzen (Unkräuter u.a.) Die Samenpflanzen stellen die höchst entwickelte Pflanzengruppe dar. Sie sind in Wurzel, Sprossachse (Stängel, Stamm) und Blätter gegliedert und bilden Blüten aus. Nach der Befruchtung entstehen in den Blüten die Samen als Vermehrungsorgane. Manche Pflanzen können sich auch mit Hilfe von Wurzelausläufern vermehren. 21 Samenpflanzen können die Kulturpflanzen auf verschiedene Weise schädigen: Parasitisch, indem sie die Nährstoffe aus anderen lebenden Pflanzen entnehmen (z.B. Misteln auf Bäumen, Kleeseide, Sommerwurz u.a.), oder als Unkräuter, Ungräser oder Unhölzer Unkräuter sind unerwünschte Pflanzen. Der Löwenzahn ist in geringer Menge im Grünland sehr geschätzt. Bei einem Überschreiten einer bestimmten Anzahl von Pflanzen je Flächeneinheit, der Schadensschwelle ist er aber als Platzkonkurrent unerwünscht. Mitunter können auch Kulturpflanzen unerwünscht sein, wie Kartoffeldurchwuchs im Rahmen der Fruchtfolge. Ungräser sind unerwünschte Gräser. In Kulturpflanzenbeständen zählen beispielsweise der Flughafer, der Windhalm, die Hühnerhirse oder die Quecke zu den unerwünschten Gräsern. Auch Ausfallgetreide ist unerwünscht. Unhölzer sind unerwünschte, verholzte Pflanzen (z.B. Brombeeren oder Hauhechel im Grünland). Beikräuter sind Pflanzen, die mit Kulturpflanzen vergesellschaftet vorkommen. Sie können zu Unkräutern werden, wenn die Schadensschwelle überschritten wird. Auf nährstoffreichen, sauren, gut mit Wasser versorgten Böden tritt in Wintergetreide beispielsweise verbreitet der Ackerfrauenmantel auf. Aufgrund seiner geringen Wuchshöhe wird er nur sehr selten zum Unkraut. Er bleibt vielmehr ein Beikraut. Bei den Unkräutern und Ungräsern unterscheidet man zwischen Licht- und Platzkonkurrenten: Wiesenampfer, Löwenzahn, Pestwurz u.a. im Grünland; Almampfer auf Almen; Huflattich im Getreide; Hühnerhirse, Borstenhirse u.a. im Mais usw. Nährstoff- und Wasserkonkurrenten: Klettenlabkraut, Hederich, Ackersenf, Hühnerhirse u.a. im Ackerland, Zwischenwirte für Krankheiten und Schädlingen: Flughafer u.a. Ungräser als Wirtspflanzen für das Getreidezystenälchen, Schwarzer Nachtschatten für Kartoffelnematoden und Kartoffelkrebs, Ungräser für Halmbruchkrankheiten bei Getreide, Kreuzblütler für die Kohlhernie bei Raps oder Kohlgemüse, Brennnessel und Acker- und Zaunwinde für die Goldgelbe Vergilbungskrankheit (Flavescence dorée MLO) bei Weinreben u.a. Mechanisierung, Ernte und Produktion (Pflege) behindernde Pflanzen: Ackerwinde und Zaunwinde beim Mähdrusch bei Mais; Weißer Gänsefuß oder Zurückgekrümmter Fuchsschwanz (Amarant) bei mechanischer Hackfruchternte; Windhalm bei der Produktion von Mutterkorn (Behinderung der Beimpfung von Roggenblüten), verholzte Pflanzen bei der Mahd im Grünland u.a. Giftpflanzen: Sumpfschachtelhalm, Herbstzeitlose, Hahnenfuß u.a. im Grünland, Kornrade bei Getreide u.a. Qualitätsmindernde Pflanzen: Lauch oder Schafgarbe im Grünlandfutter als „Milchverpester“ (Geschmacksbeeinflussung); Samen des Klettenlabkrautes beim Trocknen von Rapssämereien wegen zu hoher Feuchtigkeit u.a. Einteilung der Unkräuter nach der Art ihrer Vermehrung: Samenunkräuter vermehren sich ausschließlich durch Samen: Einkeimblättrige (monokotyle): Windhalm, Flughafer, Hühnerhirse u.a. Ungräser Zweikeimblättrige (dikotyle): Klettenlabkraut, Hohlzahn, Taubnessel, Hirtentäschel, Hederich, Klatschmohn, Kamille-Arten, Wicken, Weißer Gänsefuß, Zurückgekrümmter Fuchsschwanz (Amarant), Ambrosie u.a. Wurzelunkräuter vermehren sich sowohl durch Samen, als auch durch Wurzelausläufer: Einkeimblättrige (monokotyle): Quecke, Wilde Mohrenhirse (Johnsongras) u.a. Zweikeimblättrige (dikotyle): Ackerwinde, Zaunwinde, Ackerdistel, Wiesenampfer, Geißfuß u.a. Farnpflanzen: Ackerschachtelhalm (Farne sind keine Samenpflanzen. Sie bilden keine Samen, sondern Sporen aus.) Maßnahmen gegen Unkräuter: Kulturtechnische Maßnahmen: Fruchtfolge, Anbau von Zwischenfrüchten, Abschleppen der Felder vor der Aussaat usw. Mechanische Maßnahmen: Hacken, Striegeln, Jäten. Thermische Maßnahmen: Abflammen, Infrarottechnik. Chemische Maßnahmen: Einsatz von Herbiziden. 22 1.4.6 Tierische Schädlinge 1.4.6.1 Nematoden (Älchen) Nematoden sind winzig kleine Fadenwürmer (ca. 0,5 mm lang). Die Pflanzen schädigenden Arten leben entweder frei im Boden, in den Wurzel-, Stängel- oder Blattgeweben der Pflanzen. Schadbilder: Nesterweises Kümmern der Pflanzen ohne äußerlich erkennbare Ursachen. Bei Nematoden, die im Boden frei leben, kommt es bei vielen Pflanzen zu einer übermäßig starken Ausbildung von Haarwurzeln (z.B. „bärtige“ Rüben). Bei Zysten bildenden Nematoden erkennt man an den Wurzeln kleine (ca. 0,8 mm), weißliche bis gelbliche Kügelchen (Zysten), die voller Eier bzw. Larven sind. Die Zysten sind die reifen Weibchen. Einige Beispiele für Pflanzen schädigende Nematoden: Blattälchen (Aphelenchoides-Arten) an Chrysanthemen, Astern, Dahlien, Farnen, Primeln u.a. Zierpflanzen. Stängel- oder Stockälchen (Ditylenchus-Arten) an Nelken, Hortensien, Zwiebeln, Erbsen, Bohnen, Luzerne, Mais u.a. Gallenbildende Wurzelälchen (Meloidogyne-Arten) an Begonien, Kakteen, Rosen, Stiefmütterchen u.a. Zierpflanzen sowie an Salat, Gurken, Tomaten, Paprika u.a. Gemüsepflanzen. Wandernde Wurzelälchen (Pratylenchus-, Paratylenchus- oder Rotylenchus-Arten) an Kernobst (Bodenmüdigkeit), Erdbeeren, Gemüse, Zierpflanzen. Zystenbildende Wurzelälchen (Heterodera-, Globodera-Arten) an Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Kohl, Karotten, Kakteen, Ficus usw. Gegenmaßnahmen: Kulturtechnische Maßnahmen: Fruchtwechsel (eventuell sogar eine „Kampffruchtfolge“, z.B. durch den Anbau resistenter Ölrettichsorten im Rahmen der Zuckerrübenfruchtfolge gegen das Rübenälchen), Anbau von Mischkulturen (z.B. mit Tagetes, Asparagus u.a.). Resistenzzüchtung, Anbau widerstandsfähiger (resistenter) Sorten (z.B. bei Kartoffeln gegen das Gelbe Kartoffelälchen) Thermische Maßnahmen: Bodendämpfung in Gärtnereien. Chemische Maßnahmen: Bodenentseuchungsmittel oder Anwendung systemischer Nematizide. Nematoden als Nützlinge: Es gibt auch insektenpathogene Nematoden, wie beispielsweise die Heterorhabditis-Arten gegen die Larven Pflanzen schädigender Käfer (z.B.: Dickmaulrüsslerlarven, Engerlinge usw.) oder Schnecken. 1.4.6.2 Schnecken Schnecken können mit ihren Reibzungen (Radula, einer Raspel vergleichbar) Löcher in Blätter oder weiche Früchte (z.B. Erdbeeren) schaben. Schnecken sind bevorzugt an feuchten Standorten anzutreffen, da sie ihre Haut nicht vor Verdunstung schützt. Schadbilder: Lochfraß, Schleimspuren. Gegenmaßnahmen: Kulturtechnische Maßnahmen: Beseitigung von feuchten Unterschlüpfen (Erdschollen, Bodenspalten) durch Vorbereitung eines feinkrümeligen Saatbettes im Ackerland. Mechanisch-physikalische Maßnahmen: Im Kleingartenbereich mit (elektrischen) Schneckenzäunen. Biologische Maßnahmen: Entenhaltung im Freiland, Schonung von Igeln oder Kröten, Einsatz von Heterorhabditis-Arten (Nematoden). Biotechnische Maßnahmen: Anlockung mit Hilfe von Bierfallen im Kleingartenbereich. Chemische Maßnahmen: Anwendung von Molluskiziden als Köder- oder Spritzmittel. 23 1.4.6.3 Milben Milben zählen zu den Spinnentieren. Milben, die für den Pflanzenschutz von Bedeutung sind, sind sehr klein. Erwachsene Spinnmilben haben beispielsweise eine Körperlänge von etwa 0,5 mm, Gallmilben von etwa 0,15 mm. Sie können daher oft nur mit einer Lupe oder gar nur mit Hilfe eines Mikroskops beobachtet werden. Man unterteilt die Pflanzen schädigenden Milben in Spinnmilben, Weichhautmilben und Gallmilben. Schadbilder: Milben schädigen durch Saugen. Diese Saugstellen sind bei Spinnmilben an den Blättern der Kulturpflanzen oft als feine, weiße Pünktchen erkennbar. Bei Weichhautmilben und Gallmilben führen die Saugreize zu Kräuselungen der Blätter oder zur Bildung von Blattgallen. Gegenmaßnahmen: Kulturtechnische Maßnahmen: Vermeidung einer Stickstoffüberdüngung. Biologische Maßnahmen: Gezieltes Freilassen von Raubmilben (z.B. Phytoseiulus persimilis in Glashäusern) Natürliche Kontrolle: Ausnützung natürlicher Begrenzungsfaktoren durch die Verwendung selektiver Pflanzenschutzmittel, die Raubmilben und andere Nützlinge (Blumenwanzen, Kugelkäfer u.a.) schonen. Chemischer Pflanzenschutz: Anwendung von Akariziden. Beispiele für wirtschaftlich bedeutende Schadmilben: Garten-, Zierpflanzen- oder (Beeren-)Obstbau: Gemeine Spinnmilbe (Bohnenspinnmilbe) Obstbau, Weinbau: Obstbaumspinnmilbe („Rote Spinne“) Apfel: Apfelrostmilbe u.a. Johannisbeeren: Johannisbeerknospengallmilbe Erdbeeren: Erdbeermilbe Weinbau: Kräuselmilbe, Pockenmilbe Milben als Nützlinge: Wie bereits erwähnt wurde, gibt es auch räuberische Milben, die phytophage Milben angreifen. In Erwerbsobst- oder in Weingärten findet man häufig die Raubmilbe Typhlodromus pyri an. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Schutzräuber. Unter Schutzräubern versteht man Nützlinge, die in einem Biotop auf das Auftreten von Beutetieren (z.B. Spinnmilben) warten. Sie sind keine Nahrungsspezialisten und nehmen, wenn keine Beutetiere vorhanden sind, als Ersatz auch andere eiweißreiche Nahrung (z.B. Pollen oder indifferente Milben) an. In Glashäusern hat sich das Freilassen der Raubmilbe Phytoseiulus persimilis bewährt. Diese Raubmilbe kann von verschiedenen Nützlingszuchtstellen erworben werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass auch die Spinnen als Insektenfänger zu den Nützlingen zählen. Netzspinnen bauen Netze und fangen darin ihre Beutetiere. Jagdspinnen lauern ihrer Beute auf oder schleichen sich an. 1.4.6.4 Insekten (Kerbtiere, Kerfe) Insekten sind die artenreichste Tiergruppe unserer Erde. In Mitteleuropa entfallen von den rund 40.000 bekannten Tierarten etwa drei Viertel auf Insekten. Insekten können für die Landwirtschaft als nützliche (z.B. Bienen, Seidenraupen), indifferente oder schädliche Arten von wirtschaftlicher Bedeutung sein. Der Insektenkörper lässt normalerweise eine deutliche Dreiteilung in Kopf, Brust und Hinterteil erkennen. Adulte (erwachsene) Insekten haben in der Regel an der Brust drei Bein- und zwei Flügelpaare. Der Kopf trägt zwei Facettenaugen und zwei Fühler als Geruchsorgane. Die Atmung der Insekten erfolgt mittels Tracheen. Der Insektenkörper ist von einer starren Chitinhülle, dem Panzer, umgeben. Um wachsen zu können, müssen Insekten während des Larvenstadiums die Chitinhülle mehrmals durch Häutungen erneuern. 24 Abb.: Schematische Darstellung eines Insektenkörpers: Dreiteilung in K = Kopf mit Facettenaugen und Fühlern (Antennen), B = Brust (Thorax) mit meist 2 Flügelpaaren und 3 Beinpaaren, H = Hinterteil (Abdomen) Für den Pflanzenschutz bedeutende Insektenarten sind: Urinsekten: Springschwänze, Silberfischchen u.a. Geradflügler: Maulwurfsgrille u.a. Blasenfüße: Gladiolenthrips u.a. Thripse Wanzen: Getreidewanzen u.a. Zikaden: Rosenzikade, Rebzikaden u.a. Mottenschildläuse: Weiße Fliegen u.a. Blattläuse, einschließlich der Blattflöhe u.a. Schildläuse: San-José-Schildlaus, Zwetschkenschildlaus, Kommaschildlaus u.a. Käfer: Kartoffelkäfer, Schnellkäfer (Drahtwürmer), Maikäfer (Engerlinge), Erdflöhe, Rüsselkäfer u.a. Netzflügler: Florfliegen u.a. Zweiflügler: Gallmücken, Fliegen u.a. Hautflügler: Bienen, Wespen, Ameisen u.a. Schmetterlinge: Wickler (Apfelwickler), Gespinstmotten, Miniermotten, Weißlinge, Eulen (Erdraupen), Spanner (Frostspanner) u.a. Im Laufe ihrer Entwicklung machen viele Insekten (z.B. Fliegen, Mücken, Bienen, Wespen, Ameisen, Käfer, Schmetterlinge u.a.) eine vollkommene Metamorphose (Verwandlung) vom Eistadium Ö Larvenstadium Ö Puppenstadium Ö Vollkäfer (Imago) durch. Bei den Puppen unterscheidet man drei Grundtypen: Abb.: Puppenformen: Freie Puppe Mumienpuppe Tönnchenpuppe Tönnchenpuppe: Die Puppe befindet sich in der letzten, nicht abgeworfenen Larvenhaut, wie beispielsweise bei den Fliegen. Siehe nachfolgende Abbildung, rechts. Freie Puppe: Die Extremitäten (Fühler, Mundwerkzeuge, Flügel, Beine) sind frei abstehend und deutlich erkennbar, wie beispielsweise bei den Käfern oder Netzflüglern. Siehe nachfolgende Abbildung, links. Mumienpuppen: Die Extremitäten sind dicht mit dem Puppenkörper verklebt, wie beispielsweise bei den Schmetterlingen oder Zweiflüglern. Siehe nachfolgende Abbildung, Mitte. Mitunter sind Puppen von einem schützenden Seidengespinst, dem Kokon, umgeben. 25 Für das Larvenstadium von Insekten mit einer vollkommenen Verwandlung gibt es bei manchen Arten eigene Bezeichnungen: Fliegen: Maden Maikäfer: Engerlinge Schnellkäfer: Drahtwürmer Schmetterlinge: Raupen Spanner (Schmetterlinge): Höckerraupen, aufgrund ihrer Fortbewegungsweise. Sie besitzen neben den drei Brustbeinpaaren nur am 6. und 10. Hinterleibsring Bauchfüße. Abb.: Larvenformen verschiedener Insekten: Bei Arten mit einer unvollkommenen Verwandlung fällt das Puppenstadium weg (z.B. Blasenfüße, Wanzen, Zikaden, Schaben, Blattläuse, Ohrwürmer, Heuschrecken, Schildläuse, Weiße Fliegen u.a.). Die Entwicklung zum erwachsenen (adulten) Insekt erfolgt allmählich. An den Larven, die man auch als Nymphen bezeichnet, erkannt man bereits die Flügelanlagen, die sich mit jeder Häutung weiterentwickeln. 26 Abbildung: Beispiele für eine vollkommene und unvollkommene Verwandlung von Insekten Bei einigen Arten ist die Metamorphose nicht deutlich erkennbar, wie bei den Springschwänzen (Collembolen), Silberfischchen u.a. Insekten können direkt durch Fressen oder Saugen, sowie indirekt als Überträger von Krankheiten (Vektoren, vergleiche Virosen im Kapitel 1.4.1 Viren) Schäden an Kulturpflanzen (Wirtspflanzen) verursachen. Der für das Ulmensterben verantwortliche Pilz Ceratocystis ulmi wird vom Großen Ulmensplintkäfer übertragen. Maßnahmen gegen Pflanzen schädigende Insekten: Die Möglichkeiten der Bekämpfung Pflanzen schädigender Insekten richten sich nach deren Lebensweise (oberirdisch oder im Boden lebende Insekten, im Inneren von Blättern minierende Insekten usw.) und Gewohnheiten (fressende oder saugende Insekten, wirtswechselnde Blattläuse usw.). B e i s p i e l e: Kulturtechnische Maßnahmen: Fruchtwechsel (z.B.: Maiswurzelbohrer) Mechanische Maßnahmen: Maiszünsler: Feines Zerschlagen (Häckseln) der Ernterückstände des Maises (Stroh und der Stoppeln) vor der Herbstackerung. Frostspanner: Anlegen von Leimringen um die Baumstämme im Herbst. Thermische Maßnahmen: Glasflügler: Verbrennen von befallenem Schnittholz von Obstbäumen oder -sträuchern (Himbeeren, Johannisbeeren) Biologische Maßnahmen: Siehe Kapitel 1.3.3 Biologischer Pflanzenschutz: Schonung natürlich vorhandener Nützlinge, Freilassung von Nützlingen (siehe unten), Autozid- Methode, Anwendung von Bakterien- oder Viruspräparaten Biotechnische Maßnahmen: Siehe Kapitel 1.3.4 Biotechnischer Pflanzenschutz: Farbtafeln (Kirschfliege, Weiße Fliege usw.), Lockstoffe, Pheromone, Verwirrungstechnik usw. Chemische Maßnahmen: Anwendung von Belagsinsektiziden gegen Insekten, die an Blättern fressen, z.B. Kartoffelkäfer(larven), Kohlweißlingsraupen u.a., tiefenwirksamen Insektiziden gegen minierende (im Blattgewebe fressende) Insekten (z.B. Maden der Rübenfliege, Räupchen der Miniermotten u.a.) oder systemischen Insektiziden gegen saugende Insekten (z.B. Blattläuse u.a.). Saatgutinkrustierungsmitteln gegen Bodenschädlinge (z.B. Drahtwürmer) usw. Insekten als Nützlinge: Neben den Bienen oder Seidenraupen, die dem Menschen als Nahrungsmittel- (Honig) oder Rohstofferzeuger (Seide) direkt von Nutzen sind, gibt es auch Insekten, die andere tierische Schädlinge (Insekten, Milben usw.) angreifen und töten. Dabei unterscheidet man zwischen Räubern (Prädatoren), die ihre Beutetiere überwältigen und meist sofort verzehren (z.B. Marienkäfer, Wanzen, 27 Libellen, Florfliegen, Schwebfliegen u.a.), und Schmarotzern (Parasiten), die in oder auf einem Wirt auf Kosten dessen Körpersubstanz leben, ohne ihn gleich abzutöten (z.B. Erz- und Schlupfwespen, Raupenfliegen u.a.) Beispiele für nützliche Insekten Nützlinge als Gegenspieler von Florfliegen Chrysopidae Blattläusen, Spinnmilben u.a. Raubwanzen Anthocoridae, Miridae etc. Blattläusen, Spinnmilben u.a. Marienkäfer Coccinellidae Blattläusen, Spinnmilben u.a. Laufkäfer Carabidae Schmetterlingsraupen oder -puppen, Fliegeneiern, Schnecken, Blattläusen u.a. Insekten Kurzflügler Staphylinidae Fliegenpuppen Weichkäfer Cantharidae Schnecken Leuchtkäfer Lampyridae Schnecken Räuberische Gallmücken Honididae Blattläusen Raupenfliegen Tachinidae Raupen Schwebfliegen Syphidae Blattläusen Schlupf- Ichneumonoidae und Erzwespen Chaleidoidae Schildläusen, Blattläusen, Miniermotten, Weißen Fliegen, Raupen Ameisen Formicidae Raupen Bei den nützlichen Insekten handelt es sich um Säuberungsräuber, die erst dann auftreten, wenn Schädlinge (z.B. Blattläuse, Spinnmilben usw.) bereits in größerer Anzahl auf den Pflanzen vorhanden sind. Zum Teil werden Nützlinge in eigenen Labors gezüchtet und den Landwirten (vor allem Gärtnern) zum Kauf angeboten. (Vergleiche Schutzräuber, Kap. 1.4.6.3. Milben.) 1.4.6.5 Wirbeltiere Unter den Wirbeltieren sind vor allem Vögel (Stare, Sperlinge, Tauben u.a.) und Säugetiere (Mäuse, Ratten u.a.) als Schädlinge der Kulturpflanzen zu erwähnen. Zum Teil zählen diese Tiere auch zum jagdbaren Wild (Reh, Hase, Wildschwein, Fasan u.a.). Bisamratten zerstören das Kulturland durch das Unterwühlen von Teich-, Bach- und Flussufern oder Uferschutzanlagen. Maßnahmen gegen schädliche Wirbeltiere: Mechanische Maßnahmen: Vogelschutznetze, Umzäunen von Obstgärten zum Schutz vor Hasen oder Rehen, Auslegen von Fallen gegen Mäuse und Ratten. Biologische Maßnahmen: Wiedereinbürgerung des Luchses in den Alpen zur Regulierung des Rotwildbestandes (Rehe, Hirsche). Das Rotwild verursacht im Forst Schäden durch Schälen der Baumrinde oder Verfegen von Jungbäumen. Biotechnische Maßnahmen: Abspielen der Schreie des Stars oder anderer Tiere, Aushängen von Menschenhaaren (in Form von Kugeln in Netzen) zur Abwehr von Rehen u.a. Wild. Chemische Maßnahmen: Rodentizide (meist in Form von Ködern) gegen Mäuse und Ratten, Repellentien gegen gegen jagdbare Tiere, Wildverbissmittel u.a. Wirbeltiere als Nützlinge: Unter den Wirbeltieren gibt es auch nützliche Arten, die von

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