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ForemostDieBrücke

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Universität Basel

2023

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diarrhea pharmacotherapy gastroenterology

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Diarrhoe Pharmakotherapie MSc Pharmazie HS 2023 Dr. Daphne Reinau Klinische Pharmazie Spital-Pharmazie, Universitätsspital Basel  [email protected] s...

Diarrhoe Pharmakotherapie MSc Pharmazie HS 2023 Dr. Daphne Reinau Klinische Pharmazie Spital-Pharmazie, Universitätsspital Basel  [email protected] stock.adobe.com stock.adobe.com Definition Diarrhoe («Durchfall») ist keine Krankheit, sondern ein Symptom Von Diarrhoe spricht man i. A. bei (mind. 1 Kriterium) – Stuhlfrequenz ≥ 3x/d – Stuhlkonsistenz breiig bis wässrig – Stuhlgewicht > 200 g/d Bei Erkrankungen des Dünndarms od. der oberen Dickdarmabschnitte werden grosse Stuhlmengen mit hohem Wassergehalt ausgeschieden. Erkrankungen der unteren Kolonabschnitte führen eher zu häufigen Entleerungen kleiner Stuhlmengen. Zusätzlich kann Schleim, Eiter od. Blut beigemengt sein Typische Begleitsymptome: Bauchkrämpfe, Schwäche, Fieber, Übelkeit, Erbrechen Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 2 Pathophysiologische Grundlage Ungleichgewicht zwischen Sekretion und Resorption im Gastrointestinaltrakt Physiologische Verhältnisse Eintritt von 9 L Flüssigkeit pro Tag in das Jejunum (Aufnahme von Wasser, Sekretion von Verdauungssäften) Durchtritt von 3 L in das Ileum Durchtritt von 1.5 L in das Zäkum 100 mL werden mit dem Stuhlgang ausgeschieden →Von 9000 mL Flüssigkeit werden täglich im Dünndarm und Dickdarm 8900 mL (rück-)resorbiert! stock.adobe.com Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 3 Einteilung nach Pathophysiologie Pathophysiologie Exemplarische Erkrankungen Malabsorptive und Maldigestion, Malabsorption und/od. Zufuhr von Kurzdarmsyndrom bei Resektion von Teilen des osmotische Diarrhoe schlecht/nicht resorbierbaren Substanzen → Dünndarms (Resorptionsfläche ↓) osmotisch aktive Substanzen im Darmlumen ↑ Lactoseintoleranz Hypermotile Diarrhoe Schnelle Darmpassage → Kontaktzeit ↓ mit Hyperthyreose intestinaler Resorptionsfläche Reizdarmsyndrom Exsudativ-entzündliche Defekte der intestinalen Schleimhaut → Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen Diarrhoe Exsudation osmotisch wirksamer Substanzen Invasive Infektionen (z.B. EHEC, Amöbiasis, Campylobacter) NSAR-Kolitis Sekretorische Diarrhoe Aktive Sekretion von Ionen und Wasser ins ETEC Darmlumen Cholera Typische Auslöser: Bakterientoxine, «Lebensmittelvergiftungen» Medikamente (z.B. sekretorische Laxantien, Colchicin) EHEC, enterohämorrhagische Escherichia coli; ETEC, enterotoxinbildende Escherichia coli Bei vielen Durchfallerkrankungen liegen mehrere Pathomechanismen gleichzeitig vor! Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 4 Einteilung nach Verlauf Akut Persistierend Chronisch (< 2 Wochen) (2-4 Wochen) (> 4 Wochen) Bakterieller Infekt X (X) (z.B. Campylobacter, Salmonellen, E.coli) Viraler Infekt («Magen-Darm-Grippe») X (X) (z.B. Noroviren) Parasiten X X (X) (z.B. Amöbiasis) Medikamente X X (X) (z.B. Laxantien, Antibiotika) Nahrungsmittelunverträglichkeit (X) (X) X (z.B. Lactoseintoleranz) Entzündliche Darmerkrankungen X X X (z.B. M. Crohn, C. Ulcerosa) Reizdarmsyndrom, Stress, Psyche X X (X) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 5 Symptomatische Therapie Falls möglich und sinnvoll, hat die kausale Therapie oberste Priorität – z.B. Verzicht auf auslösende Nahrungsmittel od. Medikamente, Behandlung von schweren Infektionen mit Antiinfektiva Die Mehrzahl der akuten Diarrhoen ist jedoch innert weniger Tage selbstlimitierend und kann rein symptomatisch behandelt werden – Rehydratation: Verhinderung einer Wasser- und Elektrolytverarmung – Motilitätshemmer: Unterbindung der häufigen Stuhlentleerungen – Aktivkohle: Bindung von Toxinen und Flüssigkeit – Probiotika: Regulation der Darmflora Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 6 Orale Rehydratationslösungen Ausgleich von Volumen- und Elektrolytverlust Können ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden Zusammensetzung: Na+, K+, Cl-, HCO3- od. Citrat, Glukose – Effekt von HCO3-/Citrat: Verbesserung der metabolischen Azidose – Effekt von Glukose: Na+ wird mit Glukose über den Natrium-Glukose-Kotransporter aktiv aus dem Darmlumen aufgenommen. Wasser und damit weitere Elektrolyte strömen entsprechend dem gebildeten osmotischen Gradienten passiv nach. WHO-Rehydratationslösung (auf 1L Wasser) Das Wirkprinzip funktioniert nur bei geeigneter Glukose 13.5 g Zusammensetzung der Lösung (molares Verhältnis Natriumcitrat 2.9 g Na+ zu Glukose 1:1 bis 1:2)! Natriumchlorid 2.6 g Kaliumchlorid 1,5 g Karow T, Lang-Roth R. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie 2023/24. Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 7 Orale Rehydratationslösungen – Fertigpräparate Normolytoral Elotrans www.pharmavista.ch (10/2023) Anwendung: Inhalt eines Sachets in 200ml Wasser od. ungezuckertem Tee auflösen (Mischverhältnis exakt einhalten!). Der Bedarf an Rehydratationslösung richtet sich nach Flüssigkeitsverlust und physiologischem Bedarf abhängig von Alter und Gewicht (siehe Fachinformationen). Dauer der Behandlung im Allgemeinen ca. 24 h. Alternative: Gesüsster Tee + Salzgebäck Nicht empfohlen: Cola, Limonaden (hohe Osmolarität → erschwerte intestinale Flüssigkeitsaufnahme; zu geringer Natriumgehalt; Kohlensäure reizend) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 8 Motilitätshemmer Opioide hemmen die Darmperistaltik (Bindung an µ-Opiatrezeptoren in der Darmwand) und erhöhen den Analsphinktertonus → Stuhlfrequenz ↓, Stuhldrang ↓ Strenge Indikationsstellung, da auch die Ausscheidung von Toxinen und infektiösen Erregern gehemmt wird! Kontraindikationen: – Dysenterie (blutige Diarrhoe, oft begleitet von hohem Fieber) ohne kausale Therapie – Antibiotika-assoziierte Enterokolitis – Akuter Schub Colitits ulcerosa – Ileus Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 9 Motilitätshemmer – Loperamid Imodium / - lingual / - lingual akut; Generika (Liste D) Galenische Formen: Kapseln, Schmelztabletten Dosierung: > 12 Jahre Initial 4 mg, dann 2 mg nach jedem ungeformten Stuhl Max. 16 mg/d 6–12 Jahre Initial 2 mg, dann 2 mg nach jedem ungeformten Stuhl Max. 6 mg/20 kg/d (max. 16 mg/d) Pharmakokinetik: Hoher First-pass-Metabolismus, nicht ZNS-gängig → keine Analgesie, kein Suchtpotential Wirkeintritt: 1–2 h HWZ: ca. 11 h UAW: Obstipation, Übelkeit, Bauchkrämpfe, Schwindel www.pharmavista.ch (10/2023) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 10 Motilitätshemmer – Tinctura Opii Primäre Wirksubstanz: Morphin (1%) Zentrale Wirkung mit Suchtgefahr → als Betäubungsmittel klassifiziert Einsatz bei schwerer Diarrhoe und ungenügender Wirkung von Loperamid – Keine gleichzeitige Verabreichung, da das schwächer wirksame Loperamid um dieselben Rezeptoren konkurriert Dosierung: 2–25 Tropfen 3–5 x/d Aufgrund des sehr bitteren Geschmacks empfiehlt sich die Einnahme verdünnt in einem Glas Wasser Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 11 Aktivkohle (Medizinalkohle) Verkohltes Material botanischer Herkunft mit einer grossen inneren Oberfläche Bindet in grossen Mengen (Kohlesuspension bei Intoxikationen) Toxine und Flüssigkeit Als Antidiarrhoikum schwach wirksam, höchstens als Adjuvans UAW: Dunkelfärbung des Stuhls CAVE: Interaktionen mit anderen Medikamenten (Adsorption) → Einnahmeabstand von mind. 2 h! Verschiedene Liste D-Präparate, z. B. www.pharmavista.ch (10/2023) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 12 Probiotika Lebende, apathogene Mikroorganismen der intestinalen Flora, die einen gesundheitlichen Nutzen vermitteln – Bsp.: Laktobazillen, Bifidobakterien, Enterokokken, Hefepilze Wirkungsweise (unvollständig verstanden) – Produktion von Laktat → Senkung des intestinalen pH → Hemmung des Wachstums pathogener Keime – Kompetitive Verhinderung der Anhaftung pathogener Keime an die Mukosa – Hemmung der Bildung pro-inflammatorischer Zytokine (z.B. TNF-α, IL-1, IL-6) und Stimulation der Produktion anti-inflammatorischer Zytokine (z.B. IL-10) Die Evidenz zum Nutzen von Probiotika bei Diarrhoe ist limitiert – Moderate Evidenz für die Prävention von Antibiotika-assoziierter Diarrhoe (inkl. C. difficile) – Inkonsistente Datenlage bei Reisediarrhoe – Vermutlich kein relevanter Nutzen bei akuter infektiöser Gastroenteritis Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 13 Probiotika Verschiedene Liste D-Präparate, z. B. Saccharomyces boulardii (Hefepilz) Enterokokken des Stammes SF68 www.pharmavista.ch (10/2023) Können ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden Mikroorganismen temperaturempfindlich → nicht mit eiskalten od. heissen Getränken/Speisen mischen Saccharomyces boulardii ist sensibel gegenüber Antimykotika → nicht zusammen anwenden Enterokokken des Stammes SF68 sind sensibel gegenüber Antibiotika → 1–2 stündiger Einnahmeabstand Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 14 Probiotika Probiotika sind i. A. gut verträglich (kaum UAW) und sicher CAVE: Keine Probiotika bei Immunsupprimierten und Schwerkranken (Risiko einer generalisierten Besiedelung)! Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 15 Pflanzliche Antidiarrhoika Können bei leichter Diarrhoe empirisch als unterstützende Massnahme eingesetzt werden Schleimdorgen, z.B. Johannisbrot (Ceratoniae fructus), Flohsamen (Psyllii semen), indische Flohsamenschalen (Plantaginis ovatae testa) – Führen durch Quellung und Adsorption von Wasser zu geformtem Stuhl Gerbstoffe, z.B. Heidelbeere (Myrtilli fructus), Schwarztee, Grüntee – Antisekretorisch (Fällungen mit Mukusproteinen auf der Darmschleimhaut), Hemmung der Darmperistaltik, schwach antimikrobiell stock.adobe.com Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 16 Schwangerschaft und Stillzeit Mittel der Wahl – Orale Rehydratationslösung – Aktivkohle – Probiotika Loperamid – Kann bei ungenügender Wirkung der o. g. Präparate kurzfristig eingesetzt werden (Datenlage beschränkt) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 17 Infektiöse Gastroenteritiden – Norovirus Weltweit häufigste Ursache viraler Gastroenteritiden Regelmässige Epidemien in Spitälern und Pflegeheimen (v.a. im Winter) Noroviren werden durch Stuhl und Erbrochenes ausgeschieden und sind hochinfektiös – 1 g Stuhl enthält ca. 100 Mio. Viruspartikel, bereits ca. 100 Viruspartikel können zur Ansteckung führen Übertragung fäkal-oral über − Orale Aufnahme virushaltiger, nach Erbrechen in der Luft schwebender Mikrotröpfchen − Kontakt mit infizierten Personen (z.B. über verunreinigte Hände) − Kontakt mit verunreinigten Gegenständen bzw. Oberflächen − Einnahme von verunreinigten Nahrungsmitteln (z.B. nach Zubereitung durch erkrankte Person) Höchstes Ansteckungsrisiko zum Zeitpunkt der Symptomatik – Erreger können aber auch noch 1–2 (selten viele) Wochen nach Sistieren der Symptome über den Stuhl ausgeschieden werden Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 18 Infektiöse Gastroenteritiden – Norovirus Inkubationszeit: 6–50 h Akut beginnende Symptomatik – Übelkeit, schwallartiges Erbrechen – Wässrige Diarrhoe – Bauchkrämpfe, Kopfschmerzen, Myalgien – Ev. leichtes Fieber Krankheitsdauer: 1–3 Tage Therapie Antivirale Arzneimittel stehen nicht zur Verfügung Symptomatische Therapie – Frühzeitige und ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr (insbes. bei Kindern und älteren Patienten)! – Antiemetika bei unstillbarem Erbrechen – Loperamid zurückhaltend (erregerhaltiger Stuhl soll ausgeschieden werden) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 19 Infektiöse Gastroenteritiden – Norovirus Hygiene-Massnahmen Kontaktisolation (bis 48 h nach Abklingen der Symptome) Möglichst keine gemeinsame Toilettennutzung Händedesinfektion Oberflächendesinfektion (z.B. patientennahe Flächen, Toiletten, Türgriffe) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 20 Infektiöse Gastroenteritiden – Salmonellen Gramnegative stäbchenförmigen Bakterien, v.a. Salmonella enteritidis und Salmonella typhimurium (nichttyphöse Salmonellen) Gehören neben Campylobacter zu den häufigsten bakteriellen Durchfallerregern Klassische Lebensmittelinfektion Infektionsweg – Hauptreservoir: Tiere (meist ohne klinische Erkrankung) stock.adobe.com – Menschliche Infektion primär durch orale Erregeraufnahme (Verzehr von nicht bzw. nicht ausreichend erhitztem Fleisch oder rohen Eiern), selten durch direkten Kontakt mit Salmonellen ausscheidenden Tieren od. direkte bzw. indirekte fäkal-orale Übertragung von Mensch zu Mensch Inkubationszeit: 5–72 h (meist 12–36 h) Symptome: plötzlich einsetzende wässrige Diarrhoe (z.T. mit Blutbeimengung), Bauchkrämpfe, manchmal Erbrechen und leichtes Fieber Krankheitsdauer: 2– 5 Tage (CAVE: Erregerausscheidung im Durchschnitt 1 Monat) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 21 Infektiöse Gastroenteritiden – Salmonellen Therapie Ansonsten gesunde Patienten ohne Risikofaktoren: symptomatische Therapie Alter > 50 Jahre, Immunsuppression, Herzklappen-Erkrankung: zusätzlich Antibiotika (1. Wahl Ciprofloxacin; Alternative: Azithromycin od. Ceftriaxon) https://ssi.guidelines.ch (Stand 10/2020) Präventive Massnahmen Rohes Fleisch und Speisen, die Rohei enthalten, im Kühlschrank aufbewahren (Salmonellen vermehren sich bei Temperaturen > 10⁰C). Auftauwasser von gefrorenem Geflügel (enthält häufig Salmonellen) separat auffangen und Gegenstände, die damit in Berührung gekommen sind, heiss abspülen. Ausreichende Garzeiten beachten (Salmonellen werden bei Temperaturen > 70 ⁰C über mind. 10 min abgetötet) Händehygiene (nach Toilettengang, nach Kontakt mit potentiell kontaminierten Nahrungsmitteln, vor der Zubereitung von Mahlzeiten, …) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 22 Infektiöse Gastroenteritiden – Campylobacter Gramnegative stäbchenförmigen Bakterien, v.a. Campylobacter jenuni und Campylobacter coli Infektionsweg: – Hauptreservoir: Tiere – Menschliche Infektion primär durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel (nicht ausreichend erhitztes Geflügel- und Hackfleisch, nicht pasteurisierte Milch, kontaminiertes Trinkwasser), seltener durch Kontakt mit infizierten Tieren od. Mensch-Mensch-Übertragung Inkubationszeit: 2–5 Tage, in Einzelfällen 1–10 Tage Symptome: – Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch – Diarrhoe (z.T. mit Blutbeimengung), Bauchkrämpfe, manchmal Erbrechen und Fieber Krankheitsdauer: ca. 1 Woche (Ausscheidung der Erreger im Stuhl 2–4 Wochen) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 23 Infektiöse Gastroenteritiden – Campylobacter Therapie In der Regel ist die Infektion selbstlimitierend und eine symptomatische Therapie ausreichend Indikationen für Antibiotika (1. Wahl: Azithromycin; Alternative: Ciprofloxacin): – Schwere od. sich verschlechternde Symptomatik – Immunsuppression – Symptome > 1 Woche https://ssi.guidelines.ch (Stand 10/2020) Präventive Massnahmen Küchen- und Händehygiene (vgl. Salmonellen- Infektion) stock.adobe.com Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 24 Nahrungsmittelintoxikation Gastroenteritis, die durch Toxine entsteht, welche von Mikroorganismen in Nahrungsmitteln od. auch erst im Darm des Menschen gebildet werden → eine eigentliche Infektion des Wirtsorganismus ist nicht erforderlich (≠ infektiöse Gastroenteritis) Toxinproduzenten sind hauptsächlich Bakterien, häufig Staphylococcus aureus, Bacillus cereus und Clostridien Jedes Nahrungsmittel kann kontaminiert sein, wobei besonders protein-, salz- und zuckerreiche Produkte (z.B. Fleisch, Milch, Süssspeisen) den Mikroorganismen einen idealen Nährboden bieten Typische Symptome ähneln denjenigen einer infektiösen Gastroenteritis: Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfe, Kreislaufsymptome, Fieber Inkubationszeit meist sehr kurz (wenige Stunden) Mehrheitlich selbstlimitierend mit kurzer Krankheitsdauer (1–3 Tage) Therapie in der Regel rein symptomatisch Prävention: Küchenhygiene Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 25 Reisediarrhoe Durchfallerkrankung, die bei Reisenden aus industrialisierten Ländern während der Reise in ein Risikogebiet oder kurz nach der Rückkehr auftritt (meist zwischen dem 4. und 14. Tag nach der Ankunft im Reiseland) Risikogebiete JAMA 2015;313(1):71-80. Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 26 Reisediarrhoe – Erreger und Symptome Ätiologie: Bakterien (80–90 %), Viren (5–10 %), Parasiten (5–10 %) JAMA 2015; 313(1):71-80 Übertragung hauptsächlich durch kontaminierte Lebensmittel Begleitsymptome: Bauchkrämpfe, Übelkeit und Erbrechen, evtl. leichtes Fieber Im Allgemeinen selbstlimitierend, Krankheitsdauer meist 2–7 Tage (bei bis zu 15 % können Symptome aber auch > 1 Woche andauern) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 27 Reisediarrhoe – Therapie- und Diagnostikalgorithmus Swiss Medical Forum 2021;21(9–10):149–153 Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 28 Reisediarrhoe – Antibiotika Nutzen-Risiko-Abwägung – Verkürzung der Krankheitsdauer um 1–2 Tage – UAW (z.B. Sehnenrupturen bei Fluorchinolonen) – Kollateralschäden (Kolonisierung mit multiresistenten Enterobakterien; Störung des intestinalen Mikrobioms; Verursachung einer Clostridioides-difficile-Kolitis) → Antibiotika sind nur bei moderater bis schwerer Reisediarrhoe indiziert (vgl. letzte Folie) Eingesetzte Wirkstoffe und Dosierungen: Azithromycin ist die Therapie der 1. Wahl bei schwerer Reisediarrhoe (zunehmende Resistenzen gegenüber Fluorchinolonen) Swiss Medical Forum 2021;21(9–10):149–153 Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 29 Reisediarrhoe – Prävention Allgemeine Massnahmen Häufiges Hände waschen Peel it, boil it, Obst schälen cook it, Verzicht auf rohe Speisen, Salat, Eiswürfel or forget it! Wasser aus der Flasche – Alternativ Wasser abkochen, filtern (z.B. Katadyn®-Filter) oder chemisch desinfizieren (z.B. Micropur® forte) Chemoprophylaxe Antibiotika – Rifaximin (in der Schweiz off-label) – Wirksamkeit nachgewiesen, aber keine routinemässige Empfehlung (UAW, Resistenzbildung, Kosten, fehlende Wirkung gegen Viren und Parasiten) – Ggf. sinnvoll bei Risikopersonen (z.B. Patienten mit einer schweren Grunderkrankung) Probiotika – Gut verträglich, aber limitierte Evidenz für Wirksamkeit Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 30 Antibiotika-assoziierte Diarrhoe Diarrhoe, die in Verbindung mit einer Antibiotikatherapie auftritt und für die keine andere Ursache erkennbar ist Kann unter praktisch allen Antibiotika auftreten (oral od. parenteral verabreicht), jedoch mit unterschiedlicher Häufigkeit Amoxicillin-Clavulansäure 10–25 %; Ampicillin 5–10 %; Cephalosporine, Chinolone und Makrolide 2–5 % Mechanismen – Störung der Darmflora mit sekundärer Überwucherung durch pathogene Mikroorganismen – Direkt toxische od. allergische Wirkung auf die Darmflora – Pharmakologischer Einfluss auf die Darmmotilität (Erythromycin, Clavulansäure) Wichtigster Schritt bei der Diagnostik und Therapie ist die Abgrenzung der Clostridioides difficile- Infektion, die ca. 10–20 % der Fälle ausmacht. Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 31 Antibiotika-assoziierte Diarrhoe – Infektion mit Clostridioides difficile Grampositives Stäbchenbakterium, wichtiger nosokomialer Keim Infektion fäkal-oral durch Aufnahme umweltresistenter Sporen Durch Antibiotikatherapie kommt es zur Verdrängung der normalen Darmflora und anschliessender Überwucherung mit C. difficile, welches gegen viele Antibiotika resistent ist und damit einen Überlebensvorteil hat Häufig nach Therapie mit Breitspektrum-Betalaktamen (insbes. Cephalosporine und Amoxicillin- Clavulansäure), Clindamycin und Fluorochinolonen, seltener nach Therapie mit Makroliden, Tetrazyklinen und Aminoglykosiden Symptome: schwere, teilweise blutige Diarrhoe, krampfartige Unterbauchschmerzen, ev. Fieber Beginn der Diarrhoe meist 5-10 Tage nach Start der Antibiotikatherapie − Kann jedoch bis 6 Wochen nach Therapiestopp auftreten! Maximalform: Pseudomembranöse Kolitis Komplikationen: − Paralytischer Ileus («Darmlähmung») − Toxisches Megakolon mit Gefahr der Kolonperforation (bei Perforation Letalität bis 50 %) www.endoskopiebilder.de Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 32 Antibiotika-assoziierte Diarrhoe – Infektion mit Clostridioides difficile Risikofaktoren für schweren Verlauf: − Alter > 65 Jahre − Immunsuppression − Komorbiditäten (z.B. Niereninsuffizienz, kardiovask. Erkrankungen) Therapie Richtet sich nach Schweregrad, Erstepisode/Rezidiv und Rezidivirisiko – 1. Wahl in vielen Fällen: Vancomycin 4 x 125 mg/d p.o. – Alternative bei schwerer Infektion, Rezidiven od. hohem Rezidiv-Risiko: Fidaxomicin (Dificlir®) 2 x tgl. 200 mg p.o. – Metronidazol p.o. nur noch bei nicht-schwerer Infektion und geringem Rezidiv-Risiko (schlechteres Therapieansprechen möglich), i.v. bei schwerer Infektion zusätzlich zu anderen Therapien Therapiedauer: 10 Tage https://ssi.guidelines.ch (Stand 11/2022) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 33 Antibiotika-assoziierte Diarrhoe – ohne Infektion mit Clostridioides difficile Mehrheit der Antibiotika-assoziierten Diarrhoen Milder Durchfall ohne Zeichen von Kolitis Bei Unsicherheit Ausschluss einer C. difficile Infektion mittels Stuhluntersuchung Selbstlimitierend → symptomatische Therapie Prävention: ggf. Probiotika Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 34 Diarrhoe – Abklärungen in der Apotheke Akuität Schweregrad Kontaktpersonen Seit wann besteht die Diarrhoe? Allgemeinzustand? Kontaktpersonen mit Wie häufig kommt es zu Darmentleerungen? ähnlichen Symptomen? Weitere Symptome Stuhlkonsistenz (z.B. wässrig, breiig)? Fieber? Blut im Stuhl? Bauchkrämpfe? Übelkeit/Erbrechen? Nahrungsmittelanamnese Arzneimittelanamnese Reiseanamnese Nahrungsumstellung bei Antibiotika-assoziierte Diarrhoe? Reisedestination? Säuglingen (meist nur Laxanzien? Zeitpunkt und Dauer des vorübergehendes Problem)? Magnesium? Aufenthalts? Nahrungsmittelunverträglichkeit Colchicin? (z.B. Lactoseintoleranz)? … «Verdächtiges» Essen (z.B. rohe Eier od. Fleisch) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 35 Diarrhoe – Red Flags Wann zum Arzt? Patienten mit schwerer Symptomatik, insbesondere - Kinder < 2 Jahre und betagte Patienten (Risiko akuter Dehydratation) - Patienten mit schwerer Grunderkrankung (z.B. Herzkreislauferkrankungen, Niereninsuffizienz) - Patienten mit schwierig einzustellenden Medikamenten (z.B. Immunsuppressiva) - Patienten mit aktueller oder kürzlich zurückliegender Antibiotika- therapie (Ausschluss einer Clostridieninfektion) Fieber > 39⁰C Vigilanzminderung Blut, Schleim od. Eiter im Stuhl Wechsel zwischen Diarrhoe und Obstipation Keine Besserung der Symptome innerhalb von 48 h Sich verschlimmernde, anhaltende (> 2 Wochen) oder immer wiederkehrende Beschwerden Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 36 Ernährungsempfehlungen bei akuter Diarrhoe Nahrungskarenz i.d.R. nicht nötig Ausreichende Flüssigkeitszufuhr Fettarme Bouillon Stärkehaltige Nahrungsmittel (z.B. Reis, Kartoffeln, Nudeln, Getreide) Fein geriebene Äpfel, zerdrückte Bananen Gekochtes Gemüse Eher zu vermeiden stock.adobe.com Kohlensäurehaltige od. fructosereiche Getränke, Alkohol, Koffein Fettreiche Nahrung Milchprodukte (ausser Joghurt) Pharmakotherapie | MSc Pharmazie HS 2023 | D. Reinau 37

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