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Psychologische Diagnostik II P SYCHOPATHOLOGISCHER B EFUND 1 Der Rote Faden 2 4. Modifiziert nach Wittchen und Hoyer (2011), Kap. 16, S. 386 3 Psychopathologie „Gegenstand der Psychopathologie (grie...

Psychologische Diagnostik II P SYCHOPATHOLOGISCHER B EFUND 1 Der Rote Faden 2 4. Modifiziert nach Wittchen und Hoyer (2011), Kap. 16, S. 386 3 Psychopathologie „Gegenstand der Psychopathologie (griechisch: páthos = Leiden, Krankheit, Gefühl, lógos = Wort) sind Definition, Beschreibung, Auflistung und Zuordnung krankhaft veränderter psychischer Funktionen und Eigenschaften.“ (Payk, 2007, S. 5 f.) Die Begriffe Psychopathologie und Pathopsychologie werden i.d.R. synonym verwendet Beruhen auf der Beobachtung, Beschreibung und Strukturierung psychischer Abnormitäten beim Menschen erschlossen aus sprachlicher Mitteilung, Verhaltensbeobachtung und Psychometrie Liefert das für die Diagnostik nötige terminologische Rüstzeug: präzise Begriffe zur Benennung und Beschreibung Erkenntnisse sind notwendig zur Diagnosestellung und der darauf aufbauenden Therapiestrategie 4 Das AMDP-System Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (2015) Fremdbeurteilungsverfahren, das der internationalen Vereinheitlichung psychiatrischer Diagnostik und Forschung dient Kernstücke des AMDP-Systems: „Psychischer Befund“ und „Somatischer Befund“ (aber auch Fragen zur Anamnese) 5 Das AMDP-System: Struktur Anamnese 1: Soziodemographische Daten Anamnese 2: Einflüsse auf Genese und Funktion der Erkrankung Anamnese 3: Krankheitsverlauf, Suizidalität, Vorbehandlungen Psychischer Befund: 100 Symptome Somatischer Befund: 40 Symptome 6 AMDP-System: Psychischer Befund Bewusstseinsstörungen Sinnestäuschungen Orientierungsstörungen Ich-Störungen Aufmerksamkeits- und Störungen der Affektivität Gedächtnisstörungen Antriebs- und psychomotorische Formale Denkstörungen Störungen Befürchtungen und Zwänge Circadiane Besonderheiten Wahn Andere Störungen 7 Das AMDP-System Für die Beurteilung des jeweiligen Merkmals sind alle zur Verfügung stehenden objektiven (z.B. Untersuchung, Gespräch, Verhaltensbeobachtung) und subjektiven (vom Patienten berichteten) Informationen heranzuziehen Es ist systematisch zu jedem Merkmal Stellung zu nehmen → hoher Zeitaufwand! 8 AMDP-System: Psychischer Befund 9 Der psychopathologische Befund Psychopathologischer Befund: Abweichungen und Veränderungen von psychischen Funktionen werden registriert, geordnet und dokumentiert, vorerst ohne Interpretation, d.h. ohne weitere Aussagen über Hintergründe und diagnostische Zuordnungen Dafür werden Informationen verwendet aus der Beobachtung des Verhaltens (motorische Aktivität, Sprechakte) die der Patient mitteilt (Erlebnisse, Erfahrungen, Emotionen etc.) aus Testverfahren (z.B. zur Merkfähigkeit) Voraussetzungen: Fachliches Wissen und berufliche Erfahrung Gesprächsführungskompetenzen (z.B., wer sich nicht verstanden fühlt, wird ggf. bestimmte Informationen nicht mitteilen) Reflexion des eigenen Gesprächsführungsverhaltens und von systematischen Beobachtungsfehlern 10 Symptom – Syndrom – Störungsbild Symptom (griechisch: sýmptoma = Eigentümlichkeit): gestörte oder zumindest veränderte Elementarfunktion oder Eigenschaft ◦ Objektive Symptome: von außen zu beobachtende oder psychometrisch erfasste Symptome ◦ Subjektive Symptome: beschreibt der Betroffene selbst (Befinden) Psychopathologische Symptome sind „diagnostische Bausteine“, die kleinsten phänomenologisch zu unterscheidenden und operationalisierbaren Störungseinheiten CAVE: Ein einzelnes Symptom für sich genommen ist unspezifisch ◦ gleiche oder ähnliche Symptome können bei unterschiedlichen psychischen Störungen auftreten ◦ bei derselben Störung können verschiedene Symptome auftreten ◦ ein Symptom ist nicht zwingend ein Zeichen für eine psychische Störung 11 Symptom – Syndrom – Störungsbild Syndrom (griechisch: syndromé = zusammenlaufen): Symptome, die regelhaft miteinander zusammen auftreten bzw. deren gemeinsames Auftreten auf einen inneren Zusammenhang hinweist ◦ z.B.: Angstsyndrom, dementielles Syndrom, depressives Syndrom… Leitsyndrom: Symptomverbindung, die besonders charakteristisch für ein bestimmtes Störungssbild ist 12 Bewusstseinsstörungen 13 Bewusstsein „Bewusstsein – ein Zustand – umfasst alle registrierten Wahrnehmungen, Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen und Empfindungen im Zustand der Wachheit.“ (Payk, 2007, S. 136) 14 Bewusstseinsstörungen im AMDP Störungen des gesamten Erlebens und Verhaltens Ein quantitatives Merkmal: ◦ Bewusstseinsverminderung (Ausmaß) Drei qualitative Merkmale: ◦ Bewusstseinstrübung ◦ Bewusstseinseinengung ◦ Bewusstseinsverschiebung 15 Bewusstseinsverminderung Störung der Wachheit, der Vigilanz Reicht von Benommenheit bis zu Somnolenz, Sopor, Koma Unterschiedliches Maß an Schläfrigkeit und Verlangsamung ◦ Leicht: dösig, benommen, schläfrig, reagiert aber auf Ansprache ◦ Schwer: nur durch starke Reize weckbar (z.B. Schmerz) 16 Bewusstseinstrübung Qualitative Beeinträchtigung der Bewusstseinsklarheit Die Fähigkeit ist gestört, verschiedene Aspekte der eigenen Person, der eigenen Lebenswirklichkeit und der Umwelt zu verstehen, sie sinnvoll miteinander zu verbinden, sich entsprechend mitzuteilen und sinnvoll zu handeln 17 Bewusstseinseinengung Fokussierung des Denkens, Fühlens und Wollens auf wenige Themen Metapher: „Lichtkegel des Bewusstseins“ → enger und wenig beweglicher Lichtkegel Patient ist fixiert auf oder fasziniert durch bestimmte innere Erlebnisse oder äußere Gegebenheiten Verminderte Ansprechbarkeit auf Außenreize In leichter Ausprägung auch bei Hypnose, äußerster Konzentration, oder Meditation 18 Bewusstseinsverschiebung Subjektives Erleben eines erweiterten Bewusstseins durch Steigerung der Wachheit, intensivierter Wahrnehmung von Raum und Zeit, verfeinerter Sinnesempfindungen und eines erweiterten Erfahrungshorizontes Kommt vor z.B. bei: Meditation, Hypnose, Intoxikationen, Stimulantien; beim manischen und schizophrenen Syndrom, schizotypische Persönlichkeitsstörung 19 Orientierungsstörungen 20 Orientierungsstörungen im AMDP Orientierung: Bescheidwissen über Zeit, Ort, Situation und Person Meint nicht wahnhafte Situations- und Personenverkennungen, wenn eine reale Orientierung vorhanden ist (z.B. wenn Patient sich als Gott fühlt, aber über seine reale Situation Bescheid weiß) Orientierung zur Zeit Orientierung zum Ort Orientierung zur Situation Orientierung zur Person Orientierungsstörungen sind leicht zu kaschieren → Prüfen! 21 Zeitliche Orientierungsstörung Wissen um Datum, Tag, Tageszeit, Monat, Jahr, Jahreszeit ist vermindert oder aufgehoben. ◦ Genauer Kalendertag muss nicht unbedingt gewusst werden (darf leicht abweichen), aber Wochentag muss gewusst werden Unterscheide! ◦ Zeitgitterstörung (falsche Einordnung von Gedächtnisinhalten in das richtige Zeitgitter) → Gedächtnisstörung 22 Örtliche Orientierungsstörung Der gegenwärtige Aufenthaltsort wird nicht oder unscharf gewusst Unterscheide! ◦ Wenn sich ein Patient sich in seiner Umgebung nicht zurechtfindet (Zimmer nicht findet) → Gedächtnisstörung 23 Situative Orientierungsstörung Störung der Erfassung (Auffassung) der jeweiligen Situation in ihrem Bedeutungs- und Sinnzusammenhang für die eigene Person ◦ Beispiel für eine Situation: Untersuchungssituation, in der er der Patient und der andere der Therapeut ist ◦ Führt oft zu Verwirrtheit, Verständnislosigkeit, teilweise Aggressivität 24 Orientierungsstörung zur eigenen Person Die aktuelle persönliche, lebensgeschichtliche Situation wird nicht oder nur teilweise gewusst ◦ → Geburtstag, Alter, Name, Anzahl und Name der Kinder, Name des Partners, Beruf/Beschäftigung, Rolle im Lebensalter und sozialen Kontext 25 Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen 26 Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen im AMDP-System Bildet verschiedene Aspekte kognitiver Beeinträchtigung ab ◦ Auffassungsstörungen ◦ Konzentrationsstörungen ◦ Merkfähigkeitsstörungen ◦ Gedächtnisstörungen ◦ Konfabulationen ◦ Paramnesien Manche sind im Gespräch vom Interviewer nicht beobachtbar, wenn sie trotzdem plausibel geschildert werden, sind sie als „leicht“ einzuschätzen ◦ Unterscheide!: Wenn nicht plausibel → z.B. Insuffizienzgefühle? 27 Auffassungsstörung (AMDP) Störung der Fähigkeit, Wahrnehmungen in ihrer Bedeutung zu begreifen und sinnvoll miteinander zu verbinden → kognitive Verarbeitung Auch: Konkretismus ◦ Beeinträchtigung der Fähigkeit zu abstrahierend-symbolischem Denken ◦ Beispiele: Haften an Details, Probleme bei Verallgemeinerungen Fehlende Auffassung, falsche Auffassung oder verlangsamte Auffassung (schwerbesinnlich) 28 Prüfung der Auffassung Allgemeiner Gesprächskontext Sprichwörter Fabeln Bildgeschichten Gemeinsamkeiten/Unterschiede Auf fremdsprachliche Schwierigkeiten achten 29 Konzentrationsstörungen (AMDP) Verminderte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ausdauernd einer Tätigkeit oder einem Thema zuzuwenden Zeigen sich v.a. durch Zunahme von Fehlern im Verlauf von Aufgaben, durch Zerstreutheit, vermehrte Ablenkbarkeit, verminderte Ausdauer subjektiv plausibel berichtet oder im Gespräch festgestellt 30 Prüfung der Konzentration Monatsnamen vorwärts (relativ stark automatisiert) Monatsnamen rückwärts (Modifikation eines automatisierten Vorgangs) Von 100 immer 5 abziehen (abstrakte Leistung mit einfachem System) Von 100 immer 7 abziehen (abstrakte Leistung mit häufigem 10er-Sprung) Achtung unterscheide: Dyskalkulie! 31 Mnestische Störung im AMDP Bis 10 Minuten: Merkfähigkeitsstörung Ab 10 Minuten: Gedächtnisstörung 32 Merkfähigkeitsstörungen (AMDP) Herabsetzung bis Aufhebung der Fähigkeit, sich frische Eindrücke über eine Zeit von ca. 10 Minuten zu merken Abhängig von: Sinnesgebiet, Material, affektiver Bedeutung der Inhalte, Abrufmethode (Wiedererkennen vs. Reproduktion) Prüfen: –z.B. drei Begriffe (ein bedeutungsneutraler abstrakter Begriff, ein Gegenstand des täglichen Lebens, ein ferner liegender Gegenstand z.B. geographischer Begriff) → „35“, „Oslo“, „Aschenbecher“ 33 Gedächtnisstörungen (AMDP) Herabsetzen bis Aufhebung der Fähigkeit, Eindrücke oder Erfahrungen längerfristig (länger als ca. 10 Minuten) zu speichern bzw. Erlerntes aus dem Gedächtnis abzurufen Zusammenfassung des eher labilen Frischzeitgedächtnisses (bis ca. 60 Minuten) und des eher stabilen Altgedächtnisses (weiter zurückliegende Erfahrungen) abgebildet. Auch: ◦ Amnesien ◦ Zeitgitterstörungen 34 Konfabulationen (AMDP) Auffüllen von Erinnerungslücken mit spontan wechselnden Einfällen Prüfen: denselben Sachverhalt mehrfach erfragen → wechselnde Antworten, was der Patient nicht bemerkt Immer zusätzlich markieren: Gedächtnisstörung (liegt dem zugrunde) 35 Paramnesien (AMDP) Erinnerungsverfälschungen oder -täuschungen Déja-vu: vermeintliche Vertrautheit, falsche Bekanntheit Jamais-vu: vermeintliche Fremdheit Ekmnesien: Störungen des Zeiterlebens bzw. der zeitlichen Einordnung (Gefühl in der Vergangenheit zu leben) Hypermnesien: Steigerung der Erinnerungsfähigkeit Flashbacks : Nachhallerinnerungen Falsche Erinnerungen: false-memory-syndrome Unterscheide: wahnhafte Erinnerungen sind nicht gemeint 36 Formale Denkstörungen 37 Formale Denkstörungen im AMDP gehemmt (subjektiv gebremst) verlangsamt (fremdbeobachtet langsam) umständlich eingeengt perseverierend Grübeln Gedankendrängen Ideenflüchtig Vorbeireden Gesperrt /Gedankenabreißen Inkohärent/zerfahren Neologismen 38 Gehemmt (AMDP) Denken wird subjektiv als gebremst, verlangsamt oder blockiert wahrgenommen Wie gegen einen inneren Widerstand, mit großem Kraftaufwand Bis hin zum subjektiven Erleben, nicht mehr denken zu können 39 Verlangsamt (AMDP) Das Denken des Patienten erscheint dem Beobachter verlangsamt und schleppend → „zähes“ Gespräch, stockender Gedankengang, Gesprächspausen 40 Umständlich (AMDP) Trennt Nebensächliches nicht vom Wesentlichen, sich in unwichtigen Einzelheiten verlieren → Weitschweifigkeit Inhaltlicher Zusammenhang bleibt aber bestehen Frage Antwort 41 Eingeengt (AMDP) Einschränkung des inhaltlichen Denkumfanges, Frage Thema1 Fixierung auf wenige Themen Pat. Kommt immer wieder auf ein Thema zurück Frage Thema2 Um dies festzustellen, müssen mehrere Themen angeboten werden Frage Thema3 42 Perseverierend (AMDP) Haftenbleiben an zuvor gebrauchten Worten oder Angaben, die im aktuellen Zusammenhang nicht mehr sinnvoll sind Z.B.: ◦ „Können Sie mir sagen, was das hier ist?“ ◦ „Tasse.“ ◦ „Genau. Können Sie mir sagen, wie Sie heißen?“ ◦ „Tasse…. Tasse.“ 43 Grübeln (AMDP) Unablässiges Gedankenkreisen um meist unangenehme Themen ohne Ergebnis Nur mit Mühe zu unterbrechen Wird als unangenehm bis quälend empfunden 44 Gedankendrängen (AMDP) Viele verschiedene Einfälle und Gedanken, denen der Patient sich ausgeliefert fühlt (Selbsteinschätzung des Patienten) Gedanken können nicht geordnet oder beherrscht werden 45 Ideenflüchtig (AMDP) Vermehrung von Einfällen „von Hölzchen auf Stöckchen“ Gedanken werden nicht zu Ende geführt, weil sie von dazwischenkommenden Einfällen abgelenkt werden ◦ durch äußere Einflüsse (Geräusche) oder gedankliche Assoziationen ◦ → assoziativ gelockert Frage Antwort 46 Vorbeireden (AMDP) Mit der Antwort wird das Thema der Frage verfehlt, obwohl die Frage verstanden wurde Nicht gemeint: absichtliches Nichteingehen Antwort auf eine Frage, umgangssprachliches „Aneinander-Vorbeireden“ Frage Antwort 47 Gesperrt / Gedankenabreißen (AMDP) Plötzlicher Abbruch eines sonst flüssigen Gedankenganges ohne erkennbaren Grund → Stocken mitten im Satz – Schweigen – Aufgreifen des Gesprächs mit anderem Thema Gesperrt: vom Untersucher beobachtet Gedankenabreißen: vom Patienten berichtet/empfunden 48 Inkohärent / zerfahren (AMDP) Verständlicher Zusammenhang des Denkens und Sprechens des Patientens geht verloren Im Extremfall ist das Denken bis in einzelne, scheinbar zufällig durcheinander gewürfelte Satzbruchstücke oder Wörter zerrissen Beispiele: ◦ „Ich bin jetzt im Hause ein Jahre lang links und rechts geimpft und wer kein Menschfresser ist, ist über 30 Jahre“ ◦ „Ich habe eine kennengelernt, die sich nicht anders zeigen konnte als sie alles gemeinhin nahmen. Es war gemeint so und es musste heißen: lasset den frohen Baas im Bauch. Froh-sein ist ein Mädchen mit Mann verquillt und die beiden suchen Heil im Glück“ 49 Inkohärent / zerfahren (AMDP) Paralogik ◦ unlogisches Denken mit erhaltenem Satzbau Paragrammatismus ◦ Satzbau zerstört, rätselhaft-unverständliches Wort- und Satzgemisch Sprachzerfall, Schizophasie ◦ unverständliches, sinnloses Wort- und Silbengemisch - Wortsalat 50 Neologismen (AMDP) Wortneubildungen oder Wortverwendungen, die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen und oft nicht unmittelbar verständlich sind ◦ Bildung von neuen Wörtern aus einzelnen Silben oder Wörtern (z.B. Reißverschluss = Ritschratsch) ◦ Verwendung bekannter Wörter in anderer Bedeutung (z.B. Kuli = Papierskater) Extremfall: Gebrauch künstlicher Sprache Nicht gemeint: Begriffe aus Subkulturen, mangelnde Sprachkenntnis 51 Befürchtungen und Zwänge 52 Befürchtungen und Zwänge (AMDP) Misstrauen Hypochondrie Phobien Zwangsdenken Zwangsimpulse Zwangshandlungen 53 Misstrauen (AMDP) Verhalten anderer wird ängstlich-unsicher auf die eigene Person bezogen Z.B. mehrfache Erkundigung, warum bestimmte Fragen gestellt werden Auch markieren, wenn es innerhalb von Wahn auftritt 54 Hypochondrie Ängstlich getönte Beziehung zum eigenen Körper, an dem z.B. Missempfindungen wahrgenommen werden, mit offensichtlich unbegründeter Befürchtung, körperlich krank zu sein oder zu werden Normale Körpervorgänge bekommen oft eine übermäßige Bedeutung Gesteigerte Aufmerksamkeit auf körperliche Phänomene, Überbewertung ≠ Hypochondrischer Wahn 55 Phobien (AMDP) Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten Wird vom Patienten als unbegründet und unangemessen erkannt Patient versucht, die Konfrontation mit den Angst auslösenden Situationen oder Objekten zu vermeiden (Vermeidungsverhalten) Ortsgebundene Ängste: ◦ Agoraphobie, Klaustrophobie Situationsbezogene Ängste: ◦ Soziale Phobie Objektbezogene Ängste: ◦ Spinnenphobie, Hundephobie, Blut-Spritzen-Phobie Unterscheide: Körperbezogene Ängste werden unter Hypochondrie markiert 56 Zwangsdenken (AMDP) Sich immer wieder aufdrängende Gedanken oder Vorstellungen, die als unsinnig erlebt werden. Wird oft als quälend erlebt → drängen sich meist gegen inneren Widerstand auf Werden als eigene Gedanken, nicht als von außen eingegeben erlebt Oft: bedrohliche, aggressive, blasphemische, obszöne Vorstellungen 57 Zwangsimpulse (AMDP) Immer wieder sich gegen den inneren Widerstand aufdrängende Impulse, bestimmte Handlungen auszuführen, die als unsinnig erlebt werden Häufig als quälend erlebt Beispiel: Impulse, etwas zu kontrollieren, sich oder andere zu schädigen oder obszöne Worte in unpassenden Situationen zu sagen 58 Zwangshandlungen (AMDP) Handlungen/Rituale müssen immer wieder gegen inneren Widerstand ausgeführt werden und lassen sich vom Patienten nicht oder nur schwer unterbinden, obwohl sie als unsinnig erlebt werden Wird als quälend erlebt Handlungen werden als eigene erlebt, nicht als von außen bestimmt Beispiel: ◦ Waschzwänge ◦ Kontrollzwänge 59 Wahn 60 Definition (AMDP) „Wahn entsteht auf dem Boden einer allgemeinen Veränderung des Erlebens und imponiert als Fehlbeurteilung der Realität, die mit apriorischer Evidenz (erfahrungsunabhängiger Gewissheit) auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur Erfahrung der gesunden Mitmenschen sowie zu ihrem kollektiven Meinen und Glauben steht. Der Kranke hat im Allgemeinen nicht das Bedürfnis nach einer Begründung seiner wahnhaften Meinung, ihre Richtigkeit ist ihm unmittelbar evident.“ Vorkommen bei verschiedenen Störungen (nicht nur Schizophrenie) Es sind (fast) immer zwei Markierungen vorzunehmen: ◦ Formale Beschreibung ◦ Inhaltliche Beschreibung Wahnsymptome nach AMDP Formale Aspekte Inhalte Wahnwahrnehmung gehen zeitlich Beziehungswahn Wahneinfall voraus Beeinträchtigungs- u. Wahngedanken Verfolgungswahn Systematisierter Wahn Eifersuchtswahn Wahndynamik Schuldwahn Verarmungswahn Hypochondrischer Wahn Größenwahn Andere Wahninhalte Schweregradeinschätzung anhand Beeinträchtigung im Alltag „Doppelte Buchführung“ beachten Inhaltliche Merkmale Beziehungswahn: ◦ Wahnhaftes Beziehen von Ereignissen auf die eigene Person ◦ Entnehmen von vermeintlich an Patienten gerichteter Signale aus unbedeutenden Ereignissen Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn: ◦ Patient erlebt sich als bedroht, verspottet, verfolgt ◦ Apriorische Gewissheit, dass man ihm nach Hab und Gut, Gesundheit oder Leben trachtet Eifersuchtswahn: ◦ Wahnhafte Überzeugung, vom Partner betrogen zu werden Schuldwahn: ◦ Wahnhafte Überzeugung, Schuld auf sich geladen zu haben ◦ Überbewertung von tatsächlichen Fehlern möglich ◦ Teilweise: Überzeugung, dafür bestraft zu werden 63 Inhaltliche Merkmale Verarmungswahn: ◦ Wahnhafte Überzeugung, dass der finanzielle Ruin bevorsteht, man kein Geld für Lebensmittel mehr hat oder für die Behandlung Hypochondrischer Wahn: ◦ Wahnhafte Überzeugung, körperlich schwer krank zu sein ◦ Kann konkret sein (Krebs) oder unkonkret Größenwahn: ◦ Wahnhafte Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung ◦ Überzeugung, anderen Menschen eindeutig überlegen zu sein Andere Wahninhalte: ◦ Weitere Wahnthemen wie: Wahnhafte Überzeugung schwanger zu sein; Überzeugung, letzte Nacht auf einem anderen Planeten gewesen zu sein… 64 Formale Merkmale Wahnwahrnehmung: ◦ Reale Sinneswahrnehmungen erhalten eine abnorme Bedeutung ◦ Wahnhafte Fehlinterpretation einer an sich richtigen Wahrnehmung (Bsp.: Hund hebt die Pfote → „göttliches Zeichen!“) Wahneinfall: ◦ Rein gedankliche, neu aufgetretene wahnhafte Vorstellungen (es geht keine Sinneswahrnehmung voraus) ◦ Beispiel: „Gestern wurde mir klar, dass ich den Friedensnobelpreis erhalte, weil ich die Supermächte telepathisch ausgesöhnt habe.“ Wahngedanken: ◦ Aus Wahnwahrnehmungen oder Wahneinfällen hervorgegangene und festgehaltene wahnhafte Überzeugungen ◦ Bsp: „Vor mehreren Monaten sind lauter gelbe Autos in der Stadt herumgefahren, die mich beobachtet haben. Seitdem sind sie hinter mir her.“ 65 Formale Merkmale Systematisierter Wahn: ◦ Grad der Verknüpfung einzelner Wahnsymptome, es werden kausale Verbindungen hergestellt in Form eines größeren Systems Wahndynamik: ◦ Ausmaß der Affekte im Zusammenhang mit dem Wahn Wahnstimmung: ◦ diffuse emotionale Gespanntheit im Vorfeld eines Wahns ◦ Erwartungsspannung in einer verändert erlebten Welt oder durch ein verändert erlebtes Ich, „Es liegt etwas in der Luft“ ◦ Grundstimmung kann Unheimlichkeit, Misstrauen, Bedrohung, Angst, aber auch Gehobenheit, Euphorie sein 66 Abgrenzungsprobleme „nur weil man paranoid ist, heißt das nicht, dass Sie nicht hinter dir her sind“ (Phillip K. Dick) → Mollath „Wahn entsteht auf dem Boden einer allgemeinen Veränderung des Erlebens und imponiert als Fehlbeurteilung der Realität, die mit apriorischer Evidenz (erfahrungsunabhängiger Gewissheit) auftritt und an der mit subjektiver Gewissheit festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur Erfahrung der gesunden Mitmenschen sowie zu ihrem kollektiven Meinen und Glauben steht. Der Kranke hat im Allgemeinen nicht das Bedürfnis nach einer Begründung seiner wahnhaften Meinung, ihre Richtigkeit ist ihm unmittelbar evident.“ Abgrenzung politischer Extremismus/Terrorismus und psychopathologischer Wahn (Anders Breivik vs. Christian Klar) 67 Sinnestäuschungen 68 Sinnestäuschungen (nach AMDP) Illusionen: ◦ Verkennung (verfälschte Wahrnehmung) von realen Gegenständen, Geräuschen, Personen oder Situationen ◦ Bsp: Büsche werden als drohende Gestalten verkannt Halluzinationen: ◦ Wahrnehmung ohne externe Reizquelle ◦ Stimmenhören ◦ Andere akustische Halluzinationen ◦ Optische Halluzinationen ◦ Körperhalluzinationen ◦ Geruchs- und Geschmackshalluzinationen Pseudohalluzinationen: ◦ Halluzinationen bei denen der Trugcharakter erkannt wird Halluzinationen (AMDP) Wahrnehmungen ohne entsprechende Reizquelle Stimmenhören: ◦ Die Stimmen (Phoneme) können direkt ansprechen, das Handeln kommentieren, in Rede und Gegenrede sprechen. ◦ Auch Lautwerden eigener Gedanken Andere akustische Halluzinationen: ◦ Hören von Geräuschen (Akoasmen) ◦ Bsp: Musik, Stöhnen, Klicks… Optische Halluzinationen: ◦ Visuelle Wahrnehmungen, ◦ Bsp: Lichtblitze, Muster, Gegenstände, Personen, ganze Szenen Halluzinationen (AMDP) Wahrnehmungen ohne entsprechende Reizquelle Körperhalluzinationen: ◦ Taktiles Wahrnehmen: kalte Hand auf dem Körper, eiskaltes Wasser auf dem Rücken ◦ Störungen des Leibempfindens (Coenästhesien): „elektrischer Strom fließt durch meinen Bauch“ – „in meinem Kopf schwappt das Gehirn hin und her“ Geruchs- und Geschmackshalluzinationen: ◦ „fauliger Geschmack im Mund“ – „plötzlich hat es nach Gas gerochen“ Ich-Störungen 72 Ich-Störungen (AMDP) Erlebnisweisen, bei denen es zu Störungen der Ich-Umwelt-Grenze oder zu Störungen des personalen Einheitserlebens kommt Erlebnisweisen, in denen körperliche Vorgänge sowie das eigene Denken, Fühlen oder Handeln als von außen gelenkt empfunden werden Merkmale: ◦ Derealisation ◦ Depersonalisation ◦ Gedankenausbreitung ◦ Gedankenentzug ◦ Gedankeneingebung ◦ Andere Fremdbeeinflussungserlebnisse 73 Ich-Störungen (AMDP) Derealisation: ◦ Umgebung oder Zeiterleben werden unwirklich verändert erfahren ◦ Personen, Gegenstände, Umgebung erscheinen unwirklich, fremd, räumlich verändert, die Umwelt wirkt sonderbar ◦ Bsp: „Ich sehe alles wie durch einen Schleier“ – „Die Welt kommt wie aus einem künstlichen Stoff vor.“ Depersonalisation: ◦ Patient selbst kommt sich fremd, unwirklich, verändert oder wie ein anderer vor (kurz oder über längere Zeit) ◦ Bsp: Vorstellung vergrößerter Extremitäten, „in den Angstattacken spüre ich meinen Körper nicht mehr“ – „jedes Mal implantieren sie mir ein neues Ich“ 74 Ich-Störungen (AMDP) Gedankenausbreitung: ◦ Patienten erleben, dass andere Menschen an ihren Gedanken Anteil haben, diese lesen oder hören können (Gedankenlautwerden) („alle wissen, was ich denke“) Gedankenentzug: ◦ Patienten erleben, dass die die Gedanken ihnen weggenommen oder „abgezogen“ („andere stehlen mir die Gedanken“) Gedankeneingebung: ◦ Patienten erleben ihre Gedanken und Vorstellungen als beeinflusst, gemacht, gelenkt, gesteuert, eingegeben („sie machen, dass ich ständig sexuelle Dinge denken muss“) Andere Fremdbeeinflussungserlebnisse: ◦ Gefühle, Intentionen, Verhalten oder Körperfunktionen werden als gemacht erlebt („die steuern meinen Herzschlag“) 75 Störungen der Affektivität 76 Störungen der Affektivität (AMDP) Grenze zwischen Psychopathologie und gesundem Erleben ist hier besonders unscharf Affekte sollen hier deskriptiv abgebildet werden, unabhängig davon, ob sie angemessen sind oder psychopathologischen Symptomen einer bestimmten Grunderkrankung entsprechen ◦ Z.B. Schuldgefühle werden auch bei Schuldwahn markiert ◦ Z.B. Insuffizienzgefühle werden auch bei tatsächlicher Leistungsminderung markiert (falls vorhanden) Störungen der Affektivität (AMDP) Ratlos: ◦ Patient wirkt stimmungsmäßig, wie jemand, der sich in seiner Situation nicht mehr zurechtfindet, seine Situation nicht begreift, erscheint „staunig“ („Was ist los...?“, „Wo bin ich...?“, suchende Handlungen, zögerndes Verharren) ◦ Nicht gemeint: Entschlussunfähigkeit, Rat suchen ◦ Nicht gemeint: der kognitive Aspekt Gefühl der Gefühllosigkeit: ◦ Subjektiv erlebte Reduktion oder Verlust affektiven Erlebens (empfundene Gefühlsleere), Erleben als leer, gefühlsverarmt ◦ „ich fühle mich wie abgestorben, tot und leer“ - „ich würde gern weinen, aber es geht nicht mehr“ Affektarm: ◦ Spektrum an Affekten ist vermindert (vom Untersucher beobachtet) → nur ein oder wenige Affekte werden gezeigt ◦ Oder: Patient wirkt affektiv unbeteiligt Störungen der Affektivität (AMDP) Störung der Vitalgefühle: ◦ Herabsetzung des allgemeinen Gefühls von Kraft, Energie und Lebendigkeit („ich bin so kraftlos, immer erschöpft“) Deprimiert: Niedergedrückt, niedergeschlagen Hoffnungslos: Pessimistische Stimmung, der Glaube an eine positive Zukunft ist vermindert oder abhanden gekommen Ängstlich: ängstlicher Affekt unabhängig von der Ursache Euphorisch: Übersteigerte Heiterkeit, Zuversicht, Vitalgefühl, Wohlbefinden Dysphorisch: missmutige Verstimmtheit, übellaunig, mürrisch, unzufrieden, ärgerlich Gereizt: unangemessen rasche oder heftige Reaktion mit Ärger oder Aggressivität, „knisternde“ Atmosphäre Störungen der Affektivität (AMDP) Innerlich unruhig: innere Aufgeregtheit, Spannung, Nervosität Klagsam/Jammrig: Ausdrucksstarkes Vortragen von Schmerz und Kummer („Wehklagen“) Insuffizienzgefühle: Vermindertes Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit oder den eigenen Wert, Patient hält sich für unfähig, dumm, hässlich oder Ähnliches (gespürte Insuffizienz unabhängig vom Realitätsgehalt) Gesteigertes Selbstwertgefühl: positives Gefühl von Steigerung des eigenen Wertes, der Kraft oder der Leistung, Patient traut sich besonders viel zu, hält sich für besonders klug, fühlt sich überlegen (unabhängig vom Realitätsgehalt) Schuldgefühle: Patient hat das Gefühl, etwas falsch gemacht und gegen Normen verstoßen zu haben (unabhängig vom Realitätsgehalt) Störungen der Affektivität (AMDP) Verarmungsgefühle: Patient fürchtet, ihm fehlten die Mittel, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten (unabhängig von Realität) Ambivalenz: Koexistenz widersprüchlicher Gefühle, Vorstellungen, Wünsche, Intentionen, Impulse, oft als quälend empfunden (nicht gemeint: Entschlussunfähigkeit) Parathymie: Produzierte Affekte sind im Kontext unpassend (Bsp: Patient berichtet lachend, dass seine Mutter gestorben ist), dafür müssen mehrere Affekte vorhanden sein Affektlabil: Schneller Stimmungswechsel, starke affektive Ablenkbarkeit oder emotionale Instabilität Affektinkontinent: Bei geringem Anstoß überschießende Affekte, die vom Patienten nicht beherrscht werden können Affektstarr: Verminderte affektive Modulation (Verminderte Schwingungsfähigkeit/Amplitude) Antriebs- und psychomotorische Störungen 82 Antrieb (AMDP) Antrieb: belebende Kraft, die die Bewegung aller psychischen Funktionen hinsichtlich Tempo, Intensität und Ausdauer bewirkt Gibt Lebendigkeit, Schwung, Initiative, Tatkraft Wird erkennbar an Aktivitätsniveau und Psychomotorik Antriebs- und psychomotorische Störungen (AMDP) Antriebsarm: ◦ Mangel an Energie, Initiative, Anteilnahme, übliche Tätigkeiten werden seltener ausgeführt ◦ Z.B.: Patient vernachlässigt seine Hobbys Antriebsgehemmt: ◦ Energie, Initiative und Anteilnahme werden subjektiv als gebremst/blockiert erlebt ◦ Tätigkeiten erfordern einen höheren Kraftaufwand, mehr Anstrengung („alles ist so mühsam“, „ich will, bringe aber die Kraft nicht auf“), Patient möchte, aber kann nicht Antriebsgesteigert: ◦ Zunahme an Energie, Initiative, Anteilnahme ◦ Viele Pläne werden verfolgt, die nicht sinnvoll sein müssen Antriebs- und psychomotorische Störungen (AMDP) Motorisch unruhig: ◦ Gesteigerte und ungerichtete motorische Energie ◦ Patienten können nicht still sitzen, wippen mit den Füßen Parakinesen: ◦ Parakinesen: Qualitativ abnorme, meist komplexe Bewegungen, die häufig die Gestik, Mimik und auch die Sprache betreffen ◦ Stereotypien: Äußerungen auf sprachlichem und motorischem Gebiet, die die Tendenz aufweisen, oft längere Zeit hindurch in immer gleicher Form wiederholt zu werden (kein Zusammenhang zu vorher im Gespräch gebrauchten Worten wie bei Perseveration) → Echolalie, Echopraxie, flexibilitas cerea (wächserne Biegsamkeit), Verbigerationen (Wortstereotypien) ◦ Befehlsautomatismus: Pat. macht automatisch das Verlangte ◦ Negativismus: Pat. macht das Gegenteil oder nichts Antriebs- und psychomotorische Störungen (AMDP) Manieriert/bizarr: ◦ Alltägliche Bewegungen und Handlungen (auch Gestik, Mimik und Sprache) erscheinen dem Beobachter verschroben, posenhaft, verschnörkelt, geziert, affektiert, gekünstelt Theatralisch: Patienten erwecken den Eindruck, als würden sie sich selbst darstellen, auch Aggravation Mutistisch: Wortkargheit bis hin zum Nichtsprechen (Verstummen, Kommunikationslosigkeit) trotz Wachheit Logorrhoisch (→ Logorrhoe): Verstärkter Redefluss, kann kaum oder nicht mehr zu unterbrechen sein Circadiane besonderheiten 87 Circadiane Besonderheiten (AMDP) Bildet regelmäßige Schwankungen der Befindlichkeit und des Verhaltens während 24-Stunden-Perioden ab Betrifft die Gesamtbefindlichkeit, nicht nur Einzelaspekte Merkmale: ◦ Morgens schlechter ◦ Abends schlechter ◦ Abends besser Andere störungen 89 Andere Störungen (AMDP) Sozialer Rückzug: ◦ Vom Patienten ausgehender Rückzug, führt zur Verminderung sozialer Kontakte ◦ Nicht gemeint: soziale Isolation trotz Kontaktwunsch und entsprechenden Aktivitäten Soziale Umtriebigkeit: ◦ Zunahme sozialer Aktivitäten ◦ Pat. Nimmt von sich aus vermehrt Kontakte auf, meist oberflächlich und wechselhaft ◦ Wird oft als unangenehm, belästigend, unangemessen empfunden Andere Störungen (AMDP) Aggressivität: ◦ Feindseliges und angriffslustiges Verhalten ◦ sowohl verbal als auch aggressive Handlungen gegen Personen und Sachen ◦ Beispiel: Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen, Einschüchterungen, Sachbeschädigung, Köperverletzung Suizidalität: ◦ Gedanken, Pläne und konkrete Handlungen, die sich auf Selbsttötung beziehen ◦ Reicht von Lebensüberdruss, Todeswünschen, Suizidgedanken, Suizidplänen, Suizidversuch ◦ Nicht gemeint: riskante Verhaltensweisen ohne Suizidabsichten Andere Störungen (AMDP) Selbstbeschädigung: ◦ Selbstverletzungen mit der Absicht, sich selbst zu schädigen, aber ohne Suizidabsicht ◦ Beispiele: ◦ Verschlucken gefährlicher Gegenstände ◦ Aufkratzen der Haut ◦ Anschlagen des Kopfes gegen die Wand ◦ Einstechen von Nadeln ◦ Zufügen von Schnittwunden, Kratzwunden ◦ Auch Selbstverletzendes Verhalten mit dem Ziel der Spannungsreduktion ◦ Nicht gemeint: Riskante Verhaltensweisen ohne Absicht einer Selbstbeschädigung (riskantes Sexualverhalten, Drogenkonsum, ungesundes Essverhalten…) Andere Störungen (AMDP) Mangel an Krankheitsgefühl: ◦ Der Patient fühlt sich nicht krank, obwohl er „krank“ ist (z.B. in Manie) ◦ Nicht gemeint: hypochondrischer Patient, der sich körperlich, aber nicht „psychisch krank“ fühlt Mangel an Krankheitseinsicht: ◦ Der Patient erkennt die an sich wahrgenommenen Symptome nicht als krankheitsbedingt an, sondern führt sie auf andere Faktoren zurück (Beispiel: hypochrondrischer Patient, der sich körperlich, aber nicht „psychisch krank“ fühlt) Ablehnung der Behandlung: unzureichende Mitarbeit (Unpünktlichkeit, unzuverlässige Medikamenteneinnahme) bis völlige Verweigerung Pflegebedürftigkeit: Patient ist bei Aktivitäten des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen Was häufig am Anfang des psychopathologischen Befundes steht Keine abwerten- den Begriffe! Aus: Payk (2007) S. 104ff 94 Psychopathologischer Befund – Beispiel 55jährige, gepflegte, müde wirkende, leicht übergewichtige Patientin. Frau X geht zunächst leicht unsicher in Kontakt, fasst aber schnell Vertrauen und berichtet offen und reflektiert, nimmt Hilfe dankbar an. Frau K. ist wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten sicher orientiert. Die Konzentrationsfähigkeit ist im Gespräch ungestört, bei längeren Konzentrationsleistungen leicht gemindert. Das formale Denken ist geprägt durch Grübelkreisen. Es bestehen keine Befürchtungen oder Zwänge. Kein Anhalt für Wahn, Ich-Störungen oder Sinnestäuschungen. Der Affekt ist depressiv herabgestimmt mit starkem Insuffizienzerleben, Störung der Vitalgefühle und leichter Affektarmut. Bei Antriebsarmut hat Frau K. sich sozial zurückgezogen. Es bestehen Durchschlafstörungen, der Appetit ist vermehrt, ca. 2 Essanfälle/Woche. Bei gelegentlichen suizidalen Gedanken, von denen Frau K. sich distanzieren kann, besteht keine akute Suizidalität. 95 Nutzen und Kritik Nutzen Vereinheitlichung der psychopathologischen Deskription und Begriffe Systematisierung von Beobachtungen Kritik Keine direkte Ausrichtung an ICD 10/DSM-5 Nicht umfassend → primär an akutpsychiatrischer Versorgung ausgelegt, nicht an ambulanter psychotherapeutischer Praxis Zeitaufwändig 96 Probefragen Was ist das AMDP System und wofür wird es genutzt? Grenzen Sie die Begriffe Symptom, Syndrom und Störung voneinander ab und geben Sie jeweils ein Beispiel! Zu welchen Qualitäten kann man nach dem AMDP System orientiert sein? Was bedeutet die Begriffe Konfabulation und Neologismus? Nennen Sie Beispiele für formale Denkstörungen! Was ist der Unterschied zwischen Angst und Phobie? Wie können Sie einen wahnhaften Gedanken von einem Zwangsgedankenabgrenzen? Nennen Sie Beispiele für typische Zwangshandlungen! 97 Probefragen Was versteht man unter dem Begriff „assoziativ gelockert“? Nennen Sie beispielhaft ein formales und ein inhaltliches Merkmal von Wahn nach AMDP! ◦ Formal: ◦ Inhaltlich: Was versteht man unter einer „Orientierungsstörung zur eigenen Person“ nach AMDP? Ein Patient erzählt Ihnen: „In der Panikattacke sehe ich alles wie durch einen Schleier.“ Um welches Symptom nach AMDP aus dem Bereich der Ich- Störungen handelt es sich? Ein Patient berichtet: „Ich ging gestern Nacht durch den Park und sah in einigen Metern drei dunkle Gestalten. Als ich näher kam, sah ich, dass es nur Büsche waren.“ Um welche Sinnestäuschung handelt es sich? 98 Hintergrundliteratur Payk, T. R. (2015). Psychopathologie. Vom Symptom zur Diagnose (4., überarbeitete Auflage). Heidelberg: Springer. Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie (AMDP) (2015). Das AMDP-System: Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde (9. überarbeitete Auflage). Göttingen: Hogrefe. 99

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