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Veterinärmedizinische Universität Wien
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Vizerektorat für Lehre und klinische Veterinärmedizin Veterinärmedizinische Universität Wien +43 1 25077–1015 [email protected] Veterinärplatz 1, 1210 Wien vetmeduni.ac.at Bachelorstudium Biomedizin und Biotechnologie Aufnahmeverfahren 2024/25 25.01.2024 Inhalt Biologie……………...……..…ab Seite 3 Chemie…………….……….. ab Seite 72 Physik………………………ab Seite 156 Bitte beachten Sie: Zum besseren Verständnis und um dem Niveau des Schulstoffs ab der 9. Schulstufe zu entsprechen, wurde für die Beschreibungen und Darstellungen in diesem Skript einer starken Vereinfachung gegenüber der Detailgenauigkeit der Vorzug gegeben. Vizerektorat für Lehre und klinische Veterinärmedizin Veterinärmedizinische Universität Wien +43 1 25077–1015 [email protected] Veterinärplatz 1, 1210 Wien vetmeduni.ac.at Biologie Aufnahmeverfahren 2024/25 25.01.2024 Vizerektorat für Lehre und klinische Veterinärmedizin Veterinärmedizinische Universität Wien +43 1 25077–1015 [email protected] Veterinärplatz 1, 1210 Wien vetmeduni.ac.at Impressum Titel: Biologie - Aufnahmeverfahren 2024/2025 Urheber: Titel: Grundlagen der Biologie - Vorbereitungsliteratur für das Aufnahmeverfahren Autor:innen: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Spreitzer, Ass.-Prof. Dr. Barbara Hamilton, Univ.- Prof. Mag. Mag. Dr. Sylvia Kirchengast, Sarah Kainz, BSc Titel: Chemische, biochemische und physiologische Grundlagen der Pharmazie und Ernährungswissenschaften - Vorbereitungsliteratur für das Aufnahmeverfahren Autor:innen: Ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Helmut Spreitzer, Ass.-Prof. Dr. Petra Rust, Martin W. Reichel, Bakk.rer.nat. MA, Dipl. oec. troph. Dr. Georg Hoffmann, Privatdoz Erstellt im Zuge des Open Education Austria Projekts. Mit der freundlichen Unterstützung des Center for Teaching and Learning der Universität Wien. Herausgeberin: Universität Wien Universitätsring 1 1010 Wien Lizenziert unter der CC BY-NC-SA 3.0 AT Lizenz Bearbeitung und Ergänzung durch: Vizerektorat für Lehre und klinische Veterinärmedizin mit dem Zentrum für Biologische Wissenschaften, dem Zentrum für Pathobiologie sowie dem Zentrum für Lebensmittelwissenschaften und öffentliches Veterinärwesen Veterinärmedizinische Universität Wien Veterinärplatz 1 1210 Wien Herausgeberin: Veterinärmedizinische Universität Wien Veterinärplatz 1 1210 Wien Lizenziert unter der CC BY-NC-SA 3.0 AT Lizenz Dieses Werk ist unter einer Creative Commons Lizenz vom Typ Namensnennung - Nicht- kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/ by-nc- sa/3.0/at/ oder wenden Sie sich brieflich an Creative Commons, Postfach 1866, Mountain View, California, 94042, USA. Inhaltsverzeichnis 1 Cytologie.................................................................................................................................. 2 1.1 Einleitung.......................................................................................................................... 2 1.2 Prokaryotische und Eukaryotische Zellen....................................................................... 3 1.3 Kompartimente eukaryotischer Zellen............................................................................... 6 1.4 Zell-Zell-Kommunikation................................................................................................. 14 2 Genetik.................................................................................................................................. 17 2.1 Begriffsbestimmungen.................................................................................................... 17 2.2 Der Zellyzyklus............................................................................................................... 17 2.3 Chromosomensätze, Meiose und Vererbungslehre........................................................ 23 3 Stoffwechsel.......................................................................................................................... 31 3.1 Kohlenhydrate................................................................................................................. 31 3.2 Fette............................................................................................................................... 32 3.3 Eiweißstoffe (Proteine).................................................................................................... 33 3.4 Die Ernährung der Tiere................................................................................................. 34 3.5 Verdauung und Absorption............................................................................................. 35 3.6 Enzymatische Verdauung von Makronährstoffen............................................................ 42 3.7 Wichtige Stoffwechselwege zur Energiegewinnung aus Nahrung................................... 46 4 Herzkreislauf.......................................................................................................................... 47 5 Immunbiologie....................................................................................................................... 52 5.1 Barrieren......................................................................................................................... 52 5.2 Blut................................................................................................................................. 52 5.3 Lymphatisches System................................................................................................... 54 5.4 Abwehr von Krankheitserregern...................................................................................... 55 5.5 Blutgruppen.................................................................................................................... 57 6 Neurobiologie......................................................................................................................... 58 6.1 Nervenzellen (Neurone).................................................................................................. 58 6.2 Arbeitsweise................................................................................................................... 59 6.3 Anatomie des Zentralnervensystems (bestehend aus Gehirn und Rückenmark)............ 61 6.4 Sinnesphysiologie........................................................................................................... 62 7 Abbildungsverzeichnis........................................................................................................... 66 8 Tabellenverzeichnis............................................................................................................... 67 1 1 CYTOLOGIE 1.1 EINLEITUNG Die grundlegenden strukturellen und funktionellen Einheiten jedes Lebewesens sind Zellen. Die meisten Zellen sind zwischen 1 und 100 μm groß und daher nur unter dem Mikroskop erkennbar. 1 Mikrometer (μm) = 10-3 mm =10-6 m. Ein Lichtmikroskop kann das Untersuchungsmaterial bis zu ca. 1.000 Mal vergrößern. Neuere technische Verfahren erlauben es, den Kontrast zu verbessern und Zellkomponenten zu färben und zu bezeichnen. Die meisten subzellulären Strukturen einschließlich der von Membranen umgebenen Organellen sind zu klein, um über Lichtmikroskope sichtbar gemacht werden zu können. Vom Elektronenmikroskop (EM), das man für die Untersuchung subzellulärer Strukturen einsetzt, gibt es zwei Typen: Das Rasterelektronenmikroskop (REM) ist besonders geeignet für die detaillierte Betrachtung und Untersuchung von Oberflächen; seine Bilder haben räumlichen Charakter Das Transmissionselektronenmikroskop (TEM oder auch Durchstrahlungselektronen- mikroskop) wird eingesetzt, um mithilfe eines Elektronenstrahls die innere Struktur des Materials zu erforschen. Abb. 1.1: Größenvergleiche 1 Zentimeter (cm) = 10 Meter (m) -2 1 Millimeter (mm) = 10-3 Meter 1 Mikrometer (μm) = 10-3 Millimeter =10-6 Meter 1 Nanometer (nm) = 10-3 Mikrometer = 10-9 Meter Größenangaben einiger Zellen: die meisten eukaryotischen Zellen (pflanzliche und tierische Zellen): 10 − 100 𝜇𝜇𝜇𝜇 Extreme: Menscheizelle 0,1 𝑚𝑚𝑚𝑚; Froscheizelle 1 𝑚𝑚𝑚𝑚; Afrikanischer Straußeneizelle 15 cm; menschliche Nervenzellen können über einen Meter lang werden die meisten prokaryotischen Zellen (Bakterien): 1 − 5 𝜇𝜇𝑚𝑚 Extreme: Thiomargarita namibiensis ist ein Schwefelbakterium mit einem Durchmesser von bis zu 0,75 𝑚𝑚𝑚𝑚, sie kommen ausschließlich an der Küste Namibias vor; Mycoplasmen 0,1 − 1,0 𝜇𝜇𝜇𝜇 Alle Zellen besitzen: Zell- od. Plasmamembran: diese trennt eine Zelle von der Außenseite. Zellmembranen fungieren als selektive Barriere, die den hinreichenden Durchtritt von Sauerstoff, Nährstoffen und Abfallprodukten gewährleisten und dadurch auch das Zellvolumen gleichbleibend hält. In jedem Fall verhindern sie aber, dass Moleküle von der einen Seite sich mit denen der anderen Seite vermischen. Cytoplasma: Inhalt der Zelle innerhalb der Plasmamembran inklusive Organellen (außerhalb des Zellkerns). 2 Cytosol: dies ist eine von der Zellmembran eingehüllte gelartige Flüssigkeit, in der viele biochemische Prozesse ablaufen; Teil des Cytoplasmas außerhalb der Organellen. Chromosomen: diese sind die Träger der Erbinformation in Form von DNA (in selten Fällen besitzen spezialisierte Zellen keine DNA z.B. rote Blutzellen). Ribosomen: diese sind große, im Elektronenmikroskop sichtbare Protein/RNA -Komplexe, an denen die Synthese der Proteine stattfindet. 1.2 PROKARYOTISCHE UND EUKARYOTISCHE ZELLEN Durch mikroskopische Beobachtungen war seit langem klar, dass Lebewesen aufgrund ihrer Zellstruktur in zwei Gruppen eingeteilt werden können: in Eukaryoten und Prokaryoten (auch Eukaryonten und Prokaryonten bezeichnet von gr. karyon = Kern). Eukaryotische Zellen (der Name kommt von griech. eu = richtig) sind kompartimentiert. Der Großteil des genetischen Materials (DNA) befindet sich in einem Zellkern, der von zwei Membranen (jede bestehend aus einer Lipiddoppelschicht) umgeben ist. Prokaryoten haben dagegen kein ausgesprochenes Kernkompartiment. Die DNA ist in einem Zellbereich im Inneren der Zelle konzentriert aber nicht von einer Membran umgeben. Abb. 1.2: Vergleich Eukaryont-Prokaryont 1.2.1 Die drei Hauptreiche (Domänen) der Lebewesen. Es gibt eine allgemeine Übereinkunft über die frühe Aufspaltung der drei grundlegenden Domänen in der Stammesgeschichte – Bakterien, Archaeen und Eukaryoten. Die beiden Organismendomänen Archaea und Bacteria sind Prokaryoten. Zu der dritten Domäne der Eukaryoten zählen Protisten (eine sehr heterogene ein- bis wenig-zellige Organismengruppe), und die großen Gruppen der Pilze, Pflanzen und Tiere. In eukaryotischen Zellen umschließen zusätzliche Membranen einzelne Organellen (= subzelluläre Strukturen, die bestimmte Funktionen in der Zelle durchführen). 1.2.2 Prokaryotische Zellen Prokaryotische Zellen, auch als Procyten bezeichnet, verfügen, wie schon erwähnt, über keinen Zellkern. Der Bereich, an der sich die DNA bei Prokaryoten befindet, wird auch als Nukleoid oder Kernäquivalent bezeichnet. Das Genom der meisten Prokaryoten besteht aus einem ringförmig angeordneten, doppelsträngigen Stück DNA. Man spricht auch vom sogenannten Bakterienchromosom. Manche Prokaryoten verfügen darüber hinaus über weitere DNA-Moleküle in Form von Plasmiden. Das sind ringförmige DNA-Moleküle mit meist nicht unbedeutenden genetischen Informationen, wie Antibiotika- oder Giftresistenzen. Plasmide können von Bakterium zu Bakterium transferiert und damit verbreitet werden, dieser Vorgang wird als Konjugation bezeichnet. Daraus erklärt sich die schnelle Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in sogenannten Spitalskeimen. Die Cytoplasmamembran (Zell- od. Plasmamembran) ist eine dünne, leicht bewegliche Barriere, die die Zelle umgibt und das Cytoplasma von der Umgebung der Zelle trennt. Eine Zellmembran besteht aus einer Lipiddoppelschicht mit eingebetteten Proteinen. Diese schützt durch Ihre Selektivität des Stofftransportes die Zelle vor einem Konzentrationsausgleich mit der Umgebung. Außerhalb der Plasmamembran befindet sich eine starre Zellwand, die die Zellmembran umgibt, sie gibt der Zelle die Form und eine gewisse Festigkeit. Diese starre Schichte, die sogenannte 3 Peptidoglykanschicht besteht aus Polysaccharidketten, gebildet aus Zuckerderivaten die durch Vernetzung mit wenigen verschiedenen Aminosäuren eine feste Struktur bilden. Funktionell schützt die Zellwand die Zelle vor dem Eindringen von z.B. Viren (Bakteriophagen) und verhindert ein Platzen, bedingt durch den erhöhten osmotischen Druck, der Zelle. Im Außenmilieu der Zelle liegt eine viel geringere Stoffkonzentration an gelösten Teilchen vor, als im Inneren der Zelle, damit würde Wasser aus der Umgebung in die Zelle eindringen und eine Zelle ohne starre Zellwand zum Platzen bringen. Umhüllt wird die gesamte Zelle zusätzlich von einer Schleimschicht aus Polysacchariden zum Schutz vor Austrocknung (Kapsel). Der grundlegende chemische Aufbau und die Struktur des genetischen Materials sind also in Prokaryoten und Eukaryoten gleich. Fimbrien und Pili (Singular: Pilus) sind filamentöse Strukturen, die aus Proteinen bestehen, die aus der Zelloberfläche herausragen und ganz unterschiedliche Funktionen innehaben können. Je nach Typus können sich Pili an andere Feststoffe- (um an einem günstigen Ort zu verweilen), Nährstoffe- (um Nahrung aus der Umgebung aufzunehmen) oder auch andere Bakterien (um Gentransfer durchzuführen) anheften. Nicht zu verwechseln mit den Pili ist indes das deutlich größere, auch aus Proteinen bestehende Flagellum, welches nur der Fortbewegung dient. Abb. 1.3: Schematische Darstellung einer Bakterienzelle 1.2.3 Eukaryotische Zellen Zusätzlich zu der die Zelle umhüllenden Plasmamembran besitzen Eukaryoten ein komplexes System an inneren Membranen, die die Zelle in Kompartimente (die bereits erwähnten Organellen) unterteilt. Diese innere Organisation schafft neue abgegrenzte Räume, in denen unterschiedliche Stoffwechselvorgänge ablaufen und die damit spezielle Aufgaben übernehmen. Auch hier gilt das allgemeine Prinzip der Beziehung zwischen Struktur und Funktion. So sind in allen eukaryotischen Zellen mit Ausnahme von hoch differenzierten und spezialisierten Zellen folgende membranumschlossene Organellen zu finden: der Zellkern das Endomembransystem (Äußere Kernmembran, Endoplasmatisches Reticulum, Golgi- Apparat, Lysosomen, Transportvesikel, Vakuole) Mitochondrien Chloroplasten (in Pflanzen und Grünalgen) Peroxisomen Zusätzlich sind in eukaryotischen Zellen noch folgende nicht-membranumschlossene Komponenten zu finden, deren Auftreten vom Spezialisierungsgrad der Zelle abhängig ist: 4 die Ribosomen (die auch in Prokaryoten in etwas unterschiedlicher Form vorkommen) verschiedene Cytoskelett Komponenten 1 Nukleolus (Kernkörperchen) 2 Zellkern (Nukleus) 3 Ribosomen 4 Vesikel 5 Raues ER (Endoplasmatisches Reticulum) 6 Golgi-Apparat 7 Mikrotubuli 8 Glattes ER (Endoplasmatisches Reticulum) 9 Mitochondrien 10 Lysosom 11 Cytoplasma 12 Peroxisomen 13 Zentriolenpaar Abb. 1.4: Schematische Darstellung einer eukaryotischen tierischen Zelle Abb. 1.5: Schematische Darstellung einer eukaryotischen pflanzlichen Zelle 5 Abb. 1.6: Schematischer Darstellung eines Zellkerns 1.3 KOMPARTIMENTE EUKARYOTISCHER ZELLEN 1.3.1 Der Zellkern Der Zellkern ist von zwei eng aneinander liegenden Membranschichten umgeben, die durch eine Vielzahl von Kernporen durchzogen werden, die eine Kommunikation zwischen Kerninnerem und Cytosol erlauben. Der Zellkern ist also ein intrazelluläres Kompartiment in Eukaryotischen Zellen, der den Großteil des genetischen Materials beherbergt. Die Kernporen bestehen aus einer radiar- symmetrisch angeordneten Struktur aus Proteinen, die Moleküle bis zu einer bestimmten Größe ungehindert passieren lassen. Der Kernporenkomplex spielt eine wichtige Rolle in der selektiven Auswahl von größeren Molekülen, und reguliert damit den Transport von RNA- und Proteinmolekülen vom Kerninneren ins Cytoplasma und umgekehrt. Die innere Kernmembran ist mit einem netzartigen Geflecht aus Proteinfilamenten (Kernlamina, eine zu den Intermediärfilamenten zählenden Filamenttyps des Cytoskelett) überzogen, die dem Kern Form und Festigkeit verleihen. Im Kerninneren ist der Großteil des genetischen Materials der Zelle in Chromosomen organisiert. Chromosomen bestehen aus einem Komplex von DNA (die Gene bzw. genetische Information tragende Komponente) und Proteinen (DNA und Proteinen bilden Chromatinfäden). Dieser Komplex wird als Chromatin bezeichnet, da er sich leicht mit speziellen (basischen) Farbstoffen anfärben lässt (von gr. chroma ‚Farbe‘). Im Lichtmikroskop werden Chromosomen als unterscheidbare Strukturen nur sichtbar, wenn sie sich in Vorbereitung der Zellteilung verdichten. Das Genom (gesamte genetische Material einer Zelle) ist nicht nur auf den Zellkern beschränkt. Ein geringer Teil der Gene befindet sich auf eigenen ringförmig angeordneten DNA-Strängen in den Mitochondrien sowie gegebenenfalls bei Pflanzen und Grünalgen auch in den Chloroplasten. Im Kerninneren befindet sich ein deutlich abgegrenztes Gebilde, der Nucleolus, der die Gene für die Bildung eines speziellen Typs an RNA konzentriert. Dort werden die RNA-Komponenten der Ribo- somen (rRNA) erzeugt, die dann mit den in den Kern transportierten ribosomalen Proteinen im Nukleolus zu den ribosomalen Untereinheiten zusammengebaut werden. Die assemblierten rRNA/Protein-Komplexe (die großen und die kleinen ribosomalen Untereinheiten) werden danach über die Kernporen ins Cytoplasma transportiert, wo sie im Zuge der Proteinsynthese zu kompletten Ribosomen vereint werden. 6 1 Doppelte Zellkernmembran 2 Äußerer Ring 3 Speichen 4 Kernporenkorb 5 Cytosolische Filamente Abb. 1.7: Schematische Darstellung von Zellkernporen 1.3.2 Das Endomembransystem Viele der membranumschlossenen Organellen sind entweder über direkte Membrankontakte miteinander verbunden (Kern und Endoplasmatisches Reticulum) oder können durch sogenannte Transportvesikel, das sind kleine membranumschlossene Organellen, in Kommunikation treten. Zum Endomembransystem gehören die äußere Kernmembran, das Endoplasmatische Reticulum, der Golgi-Apparat, Lysosomen, Vakuolen (besonders bei Pflanzen) und die bereits erwähnten Transportvesikel. Funktionell ist das Endomembransystem der Ort der Synthese von Proteinen (zum Teil) und Membranbestandteilen. Obwohl die Membranen des Endomembransystems miteinander in Verbindung stehen, ist sowohl Zusammensetzung als auch Funktion der einzelnen Membranen, spezifisch für die unterschiedlichen Organellen. Allerdings können sich Zusammensetzung und Funktion im Zuge der Kommunikation auch wieder ändern. Weder die Plasmamembran, noch die Membransysteme der Mitochondrien und Chloroplasten werden zum Endomembransystem gezählt. Fraglich ist weiterhin, ob Peroxisomen zum Endomembransystem gerechnet werden können. Das Endoplasmatische Reticulum (abgekürzt ER) Der Ausdruck wird abgeleitet vom griechischen endo = innen bzw. Reticulum = Netz, Netzwerk. Das ER ist ein stark verzweigtes Membrannetzwerk aus Röhren (Tubuli), Bläschen und abgeplatteten sackähnlichen Strukturen (Zisternen), die von der ER-Membran umgeben werden. Sie sind direkt in Verbindung mit der äußeren Kernmembran. Das ER kommt in zwei verschiedenen ineinander übergehenden Formen vor: Durch das verschiedene Aussehen in elektronenmikroskopischen Auf- nahmen unterscheidet man das glatte Endoplasmatische Reticulum (glatte ER) und das raue Endoplasmatische Reticulum (raues ER). An der cytoplasmatischen Seite der Membran trägt das raue ER (wie auch die mit dem ER in Verbindung stehende Kernmembran) eine Vielzahl an Ribosomen, was namensgebend für das „raue“ ER war, da die Membran im elektronenmikroskopi- schen Bild körnig und rau erscheint. Die Hauptfunktion des glatten ER ist die Synthese von Lipiden und Steroidhormonen sowie die Entgiftung (Detoxifizierung von Medikamenten und Giftstoffen). In Muskelzellen speichert das glatte ER besonders Ca2+-Ionen, die bei einem Muskelreiz schlagartig in das Cytosol ausgeschüttet werden und die Muskelkontraktion auslösen. An den Ribosomen des rauen ER werden eine Vielzahl an Proteinen synthetisiert, die mit einem speziellen Mechanismus direkt durch die Membran hindurch transportiert werden. Für diesen Durchtritt sind spezielle Membranproteine verantwortlich, die helfen, das entstehende Polypeptid durch die Membran zu schleusen. Entweder verbleiben die Proteine direkt in der Membran oder sie gelangen ins Lumen des ERs. Dort können sie dann in Transportvesikel verpackt und zu anderen Organellen transportiert werden, oder an die Zellmembran gelangen, dort mit der Zellmembran verschmelzen (Sekretorische Vesikel) und ihren 7 Inhalt aus der Zelle sezernieren. Das Endoplasmatische Reticulum ist also ein Membrannetzwerk und stellt die Synthesefabrik in einer Zelle für Proteine und Lipide dar. Der Golgi-Apparat Transportvesikel die vom ER abgeschnürt werden, können direkt mit dem Golgi-Apparat verschmelzen (nach dem Entdecker Camillo Golgi = sprich [ɡɔlʒi:] Goldschi). Der Golgi-Apparat kann vergleichsweise als Fabrik für Produktveränderung mit nachgeschalteter Sortieranlage und Frachtzentrum dargestellt werden. Der Golgi-Apparat besteht aus abgeflachten Zisternen, die nicht wie das ER über Membranbrücken verbunden sind. Die einzelnen abgeplatteten Stapel unter- scheiden sich in ihrer Dicke sowie Zusammensetzung und weisen daher eine Polarität auf. An der cis-Seite („Empfängerseite“) werden vor allem Transportvesikel aus dem ER empfangen, wogegen an der trans-Seite Vesikel abgeschnürt werden („Senderseite“), die ihren Inhalt an andere Orte der Zelle oder an die Plasmamembran (Sekretion) befördern. 1 Kernmembran 2 Kernpore 3 Raues ER 4 Glattes ER 5 Ribosom auf dem rauen ER 6 Transportvesikel mit Proteinen 7 Transport-Vesikel 8 Golgi-Apparat 9 cis-Golgi-Netzwerk 10 trans-Golgi-Netzwerk 11 Zisternen des Golgi- Apparates Abb. 1.8: Schematische Darstellung der Verbindungen von Zellkern, ER und Golgi-Apparat. Im Zuge des „Durchwanderns“ des Golgi-Apparats werden Proteine, die im ER gebildet wurden, modifiziert, wobei die verschiedenen Zisternen unterschiedliche Reaktionen durchführen. Nach erfolgter Modifikation in einer Zisterne müssen die Proteine durch Vesikel-Abknospung zur nächsten Zisterne transportiert werden für den nächsten Modifikationsschritt. Der Transport erfolgt zwar großteils von der cis- zur trans-Seite, es gibt aber auch einen Rücktransport von Vesikeln über die verschiedenen Zisternen zum ER als Bestimmungsort. Durch enzymatische Reaktionen in den Zisternen werden die unterschiedlichen Proteine modifiziert und im Zuge dessen auch sortiert. Beim Verlassen der Vesikel vom trans-Golgi tragen unterschiedliche Transportvesikel auf der Oberfläche spezifische Markierungen, die sie an den entsprechenden Bestimmungsort bringen. Lysosomen Lysosomen sind kleine membranumschlossene Organellen, die in der Zelle die intrazelluläre Verdauung von Makromolekülen durchführen. Im Inneren der Lysosomen herrscht ein saurer pH- Wert verglichen mit dem neutralen pH-Wert des Cytosol. Die für die Zerlegung der Nahrungsbestandteile wichtigen hydrolytischen Enzyme (Hydrolasen) haben einen optimalen Arbeitsbereich im sauren Milieu. Falls ein Lysosom platzt oder löchrig wird, können die in das Cytosol austretenden Enzyme in dem neutralen pH-Bereich nicht mehr arbeiten und der Zelle keinen Schaden durch Selbstverdauung zuführen. In Lysosomen werden unbrauchbare Moleküle und Nahrungsbestandteile in ihre kleinsten Einheiten zerlegt. Hier erfolgt die Müllbeseitigung innerhalb der Zelle. 8 Abb. 1.9: Lysosomen Die Lysosomen werden von der trans-Seite des Golgis als Vesikel abgeschnürt und verschmelzen mit sogenannten Endosomen. Das Verschmelzungsprodukt reift dann zum eigentlichen Lysosom, indem die inaktiven Vorstufen der Verdauungsenzyme durch den niedrigen pH-Wert aktiviert wer- den. Amöben und Protisten ernähren sich, in dem sie sich kleinere Organismen und Nahrungsteile einverleiben. Durch Einstülpen der Zellmembran und Abschnüren bildet sich eine Nahrungsvakuole, die dann mit einem Lysosom verschmilzt und die aufgenommenen Bestandteile verdaut. Dieser Vorgang wird als Phagozytose bezeichnet. Die Verdauungsprodukte, die Einzelbestandteile von Makromolekülen werden dann ins Cytosol transportiert und können dann wiederverwertet werden. Spezielle menschliche Blutzellen (Makro- phagen) können die Phagozytose auch nützen, um sich vor in den Körper gelangten Eindringlingen zu schützen. Vakuolen Die Funktionen von Vakuolen sind vielfältig und abhängig vom Zelltyp. Im Süßwasser lebende Protisten besitzen eine kontraktile Vakuole, die aufgenommenes überschüssiges Wasser aufnimmt und es wieder aus der Zelle hinausbefördert. Damit verhindern sie das Platzen der Zelle, da sie dem durch die hohe Elektrolytkonzentration innerhalb der Zelle ausgelösten ständigen Einstrom von Wasser entgegenwirken und das Wasser wieder aus der Zelle pumpen. Pflanzenzellen besitzen einen anderen Typ von Vakuolen (Zellsaftvakuolen) mit einer Vielzahl von Funktionen. Sie können als Speichervakuole dienen und einen Vorrat von Proteinen in Samen an- legen (Beispiel: Erbsen und Bohnen). Auch Ionen (K+, Cl-), Abfallprodukte, Gift-, Duft- und Farbstoffe können in Vakuolen gespeichert werden. Beim Größenwachstum einer Pflanzenzelle bietet die Va- kuole einen einfachen Mechanismus durch Wasseraufnahme ihr Volumen beträchtlich zu vergröß- ern, wobei das Cytosol an die Zellmembran verdrängt wird und kaum an Volumen zunehmen muss. Pflanzenzellen sind von Zellwänden umgeben, sie helfen das Wassergleichgewicht zu erhalten. Sie sind turgeszent (prall gefüllt) und im Allgemeinen in einer hypotonen Umgebung. Die Wasserkon- zentration ist in der Umgebung höher als in der Zelle, damit besteht die Tendenz Wasser aus der Umgebung aufzunehmen. Der Wassereinstrom ist begrenzt durch den „Gegendruck“ der starren Zellwand, die ein übermäßiges Anschwellen der Zelle verhindert. Sind Pflanzenzellen isoton (gleiche Konzentration) bezüglich des umgebenden Mediums, fließt kein Wasser ein, der Turgor (Innen- druck) sinkt und die Zellen erschlaffen (erstes Symptom des Welkens). Wenn das umgebende Medium hypertonisch ist (die Wasserkonzentration außen niedriger ist als in der Zelle) strömt Wasser aus der Zelle aus. Das kann dazu führen, dass sich das Cytoplasma von der Zellwand ablöst (Plasmolyse) und die Zelle abstirbt. Abb. 1.10: Verhalten der Pflanzen-Vakuole bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen 9 1.3.3 Ribosomen Ribosomen sind komplexe Gebilde aus RNA (ribosomale RNA = rRNA) und ribosomalen Proteinen, die die Informationen für den Bau und Struktur der Proteine, die auf der DNA gespeichert sind, in fertige Proteine umsetzen. Sie sind die Proteinsynthesemaschinerie der Zelle. Sie bestehen aus zwei Untereinheiten (die kleine und die große ribosomale Untereinheit), wobei sich in Prokaryoten und Eukaryoten die Anzahl der rRNA und Proteinmoleküle, aus denen die Untereinheiten gebildet werden, unterscheidet. Ribosomen kommen in der Zelle in freier Form im Cytosol und in gebundener Form am Endoplas- matischen Reticulum vor. Die auf den Genen der DNA gespeicherte genetische Information für die Proteine wird primär in RNA (mRNA= Messenger RNA) umgeschrieben (transkribiert = vom lat. transcribere = überschrieben). Diese bindet an die Ribosomen. Erst durch die mRNA entscheidet sich, ob ein Ribosom gebunden am ER vorliegt oder frei im Cytosol verbleibt. Proteine, die am ER gebundenen Ribosomen synthetisiert werden, gelangen direkt in das Lumen des ERs. An freien Ribosomen werden überwiegend Proteine synthetisiert, die im Cytosol verbleiben und dort ihre Funktionen ausüben. 1.3.4 Mitochondrien und Chloroplasten Energiegewinnung Lebewesen beziehen ihre notwendige Energie aus ihrer Umwelt auf unterschiedlichem Weg. Manche, wie Tiere, Pilze und die Bakterien, die im Verdauungstrakt der Tiere leben, erhalten sie, indem sie sich von anderen Lebewesen oder von den von ihnen gebildeten organischen Substanzen ernähren. Solche Organismen werden organotroph genannt (gr. troph = Nahrung). Andere gewinnen ihre Energie unmittelbar aus der anorganischen Welt. Sie bilden zwei Gruppen: Die eine nutzt die Energie des Sonnenlichts (phototroph = vom Licht lebend) und die andere Energie aus energie- reichen Systemen der mineralischen Umgebung, also aus anorganischen Stoffen (lithotroph = vom Gestein lebend). Organotrophe Organismen (auch wir Menschen gehören zu dieser Gruppe), könnten nicht existieren, wenn es nicht diese primären Energieumwandler gäbe. Zu den phototrophen Organismen gehören manche Bakterien, Algen und höhere Pflanzen. Die phototrophen Organismen haben die gesamte Chemie unserer Umwelt verändert. Beispielsweise ist der Sauerstoff in der Erdatmosphäre ein Abfallprodukt ihrer biosynthetischen Tätigkeit. Lithotrophe Organismen sind keine so auffallenden Erscheinungen in unserer Welt, denn sie sind mikroskopisch klein und leben meist in Umgebungen, die Menschen nicht oft aufsuchen: tief im Ozean, verborgen unter der Erde oder in verschiedenen anderen unwirtlichen Milieus. In eukaryotischen Zellen sind Mitochondrien und Chloroplasten dafür verantwortlich, dass Energie in einer für die Zelle verwertbaren Form bereitgestellt wird. Mitochondrien und Chloroplasten gehören nicht zum Endomembransystem besitzen zwei (Mitochondrien) bzw. drei (Chloroplasten) unterschiedliche Membrantypen haben Proteine, die von freien Ribosomen des Cytosols hergestellt werden und in das Innere der Organellen transportiert werden müssen. enthalten jeweils eine kleine Menge eigenes genetisches Material in Form einer ringförmigen DNA und eine eigene Proteinsynthese an prokaryoten-artigen Ribosomen. Mitochondrien sind die Organellen des Zellstoffwechsels, die den größten Anteil an ATP (Adenosin- triphosphat, ein Molekül, das in allen Zellen das „Zahlungsmittel“ für Energie benötigende chemische Reaktionen ist) aus dem oxidativen Abbau von Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen liefern. In den Chloroplasten, die nur in Pflanzen und Algen vorkommen, findet die Photosynthese, die Um- wandlung von Lichtenergie in chemische Energie, statt. Beide Energiegewinnungsprozesse sind strukturell an Membranen gekoppelt. Zur Vergrößerung ihrer Oberfläche ist die Mitochondrien- Innenmembran in Cristae gefaltet, die Chloroplasten besitzen zusätzlich zu einer Außen- und Innen- membran eine Thylakoidmembran, die einen Thylakoidraum umschließt. Mitochondrien sind in fast allen eukaryotischen Zellen vorhanden, wobei sie sowohl in Gestalt wie auch in ihrer Zahl sehr vari- abel sind, und sich, abhängig vom Energieaufwand der Zelle, in der Gesamtmenge mitochondrialen Raums bezogen auf das Zellvolumen, unterscheiden. 10 Abb. 1.11: Mitochondrium Manche spezialisierten Zellen besitzen ein einziges, in einer komplexen Form aufgebautes Mito- chondrium, meist sind es aber hunderte kleine kugelige bis zylinderförmige Gebilde mit einer glatten Oberfläche (Außenmembran). In Mitochondrien ist die innere Membran durch Ausstülpungen vergrößert und bildet damit genügend Platz für membranabhängige biologische Reaktionen, die für die Energiebereitstellung in der Zelle notwendig sind. Die innere Membran ist in zahlreiche sogenannte Cristae gefaltet und bildet damit eine große Oberfläche und einen zusätzlichen Raum, den Membranzwischenraum (Intermembranraum). Der von der Innenmembran umschlossene Innenraum der Organelle wird als Matrixraum bezeichnet und beherbergt Enzyme für spezifische oxidative Stoffwechselwege, die DNA der Mitochondrien und die für die Synthese von einigen Orga- nellen-spezifischen Proteinen notwendigen Ribosomen. Die Mitochondrien-Innenmembran hat eine spezifische Ausstattung von membrangebundenen Enzymen und Enzymkomplexen zur Zellatmung und ATP-Synthese. Chloroplasten sind ein spezieller Typ der zu der Gruppe der Plastiden gehörenden Organellen. Farblose Stärke speichernde Plastiden (Amyloplasten) findet man besonders in unterirdischen Speicherorganen der Pflanzen. Plastiden mit einer speziellen Pigmentausstattung im Unterschied zum Hauptpigment der Chloroplasten, die besonders für die Blütenfarbe verantwortlich sind, be- zeichnet man als Chromoplasten. Der charakteristische Farbstoff der Chloroplasten ist das Chloro- phyll, das gemeinsam mit anderen Pigmenten (akzessorische Pigmente wie Karotinoide und Xanto- phylle) für die Absorption der Lichtquanten des Sonnenlichtes verantwortlich ist. Chloroplasten sind mit zwei Membranen umgeben, wobei die Innenmembran nicht wie bei Mitochondrien durch Einstül- pung aufgefaltet und vergrößert ist. Im Inneren der Chloroplasten befindet sich eine zusätzliche Membrankomponente (Thylakoide), die den Thylakoidinnenraum umschließt und sackartig abge- flacht und in miteinander verbundenen Membranstapeln (Granastapel) angeordnet ist. Der Raum zwischen Innenmembran und Thylakoidmembran wird als Stroma bezeichnet und beherbergt ähnlich der Matrix der Mitochondrien, Enzyme spezifischer Stoffwechselvorgänge, chloroplasten- spezifische DNA und Ribosomen zur Synthese einiger Chloroplasten-spezifischer Proteine. 1 äußere Membran 2 Intermembranraum 3 innere Membran (1+2+3: Hülle) 4 Stroma 5 Thylakoidlumen (im Innern des Thylakoids) 6 Thylakoidmembran 7 Granum (Granastapel) 8 Thylakoid 9 Stärkekörner 10 Ribosomen 11 Chloroplasten-DNA 12 Lipidtröpfchen Abb. 1.12: Chloroplast 11 1.3.5 Peroxisomen Peroxisomen sind kleine mit einer einzelnen Membran umhüllte Vesikel ohne eigene DNA, in deren Inneren ein ideales Milieu für chemische Reaktionen herrscht, bei denen Wasserstoffperoxid (H2O2, ein starkes Oxidationsmittel und Zellgift) erzeugt und abgebaut wird. Wasserstoffperoxid-erzeugen- de Reaktionen (bzw. die Enzyme, die Reaktionen katalysieren, bei denen H2O2 entsteht) sind somit durch die Kompartimentierung vom Rest der Zelle abgegrenzt. Des Weiteren wird überschüssiges H2O2 sofort von einem peroxisomalen Enzym (Katalase) abgebaut. Damit wird gewährleistet, dass die Zelle nicht der schädlichen Wirkung von Peroxiden ausgesetzt wird. Peroxisomen spielen eine Rolle beim Abbau der langkettigen Fettsäuren. Eine spezielle Form von Peroxisomen in fettspei- chernden Pflanzensamen (Glyoxisomen) ermöglicht es der Pflanze, bei der Keimung Fette in Kohle- hydrate umzubauen. Dieser Prozess versorgt den Keimling so lange mit Energie, bis die Pflanze durch Photosynthese direkt Kohlenhydrate erzeugen kann. Die „Verwandtschaftsbeziehung“ von Peroxisomen zu anderen Organellen ist nicht geklärt. Lipide für den Bau der Peroxisomenmembran kommen vom ER, Proteine werden sowohl aus dem Cytosol als auch vom ER beigesteuert und in die Organelle importiert. Abb. 1.13: Perixosom 1.3.6 Das Cytoskelett Die Fähigkeiten eukaryotischer Zellen, eine Vielzahl von Formen anzunehmen, die vielen Kompo- nenten in ihrem Inneren zu organisieren, mit der Umgebung mechanisch in Wechselwirkung zu treten und koordinierte Bewegungen auszuführen, beruhen auf dem Cytoskelett, einem komplexen Netzwerk aus Proteinfilamenten, das sich durch das gesamte Cytoplasma erstreckt. Diese filamen- töse Architektur hilft, die mechanische Stabilität der vergleichswiese großen eukaryotischen Zelle abzusichern. Für tierische Zellen, die keine Zellwände besitzen, ist diese Funktion besonders wich- tig. Obwohl manche Komponenten des Cytoskeletts auch in Bakterien vorkommen, ist es in den großen und strukturell komplex aufgebauten eukaryotischen Zellen besonders bedeutend. Die Funktionen des Cytoskeletts sind: mechanische Stabilität der Zelle, Bewegung der Zelle, Be- wegung innerhalb der Zelle. Im Gegensatz zu unserem knöchernen Skelett ist das Cytoskelett eine äußerst dynamische Struktur, die fortwährend neu organisiert wird, sobald die Zelle ihre Gestalt wechselt, sich teilt und/oder auf ihre Umgebung reagiert. Das Cytoskelett repräsentiert nicht nur die „Knochen“ einer Zelle, sondern auch ihre „Muskeln“. Es ist direkt verantwortlich für ausgedehnte Bewegungen, wie das Kriechen von Zellen auf einer Oberfläche, die Kontraktion von Muskelzellen, und die Formveränderung von Zellen in der Embryonalentwicklung. Ohne Cytoskelett würden Wun- den niemals heilen, Muskeln wären unbrauchbar und Spermien würden nie die Eizelle erreichen. Die Bewegung von Zellen basiert sowohl auf einem gerichteten Auf- und Abbau der Filamente als auch auf der Wirkung von sogenannten Motorproteinen, die unter anderem parallelliegende Fila- mentstränge aneinander vorbeibewegen können. Auf solch einem Mechanismus beruht z. B. die peitschenartige Bewegung des Flagellums von Spermien. Abgesehen von der Muskelkontraktion und der Bewegung von Zellen durch den extrazellulären Raum haben Motorproteine im Zusammenspiel mit dem Cytoskelett weitere wichtige Funktionen in eukaryotischen Zellen. Sie dienen dem intrazellulären Transport von Organellen, Vesikeln und anderen Lasten entlang von „Cytoskelett-Straßen“ und ermöglichen damit der Zelle, das Cytoplasma zu organisieren. Motorproteine haben auch essenzielle Aufgaben bei der Aufteilung der Chromo- somen auf die Tochterzellen und bei deren Abschnüren voneinander bei der Zellteilung. 12 Das Cytoskelett baut sich aus drei Haupt-Fasertypen auf: Mikrotubuli, röhrenartige Fasern (𝑑𝑑 = 25𝑛𝑛𝑛𝑛); ① Mikrofilamente, auch Aktinfilamente genannt (𝑑𝑑 = 5 − 9𝑛𝑛𝑛𝑛); ② Intermediärfilamente, die in der Stärke dazwischen angesiedelt sind (𝑑𝑑 = 10 𝑛𝑛𝑛𝑛) ① ② Abb. 1.14: Endothelzellen unter dem Mikroskop (flache Zellen, die Blutgefäße innen auskleiden). Die Zellkerne sind blau gefärbt. Die Mikrotubuli wurden über einen Antikörper grün markiert. Die Aktinfilamente wurden mit rot fluoreszierendem Farbstoff markiert. Abb. 1.15: Mikrotubuli Mikrotubuli Das sind lange Hohlzylinder (Röhren) gebildet aus den Proteinen α- und β-Tubulin. Diese beiden Untereinheiten (α- und β-Tubulin) bilden ein Heterodimer. Mikrotubuli werden durch Polymerisation der Heterodimere gebildet. Je nach ihrer Aufgabe in der Zelle werden Mikrotubuli nach ihrer Bildung stabilisiert (nach erfolgter Bildung keine Längenänderungen mehr, weder weitere Polymerisation noch Abbau) oder verbleiben in einem dynamischen Zustand, wobei sie schnellen Längenänderungen unterworfen sind, die durch abwechselnde Anlagerung und Abdissoziation von Heterodimeren zustande kommen. Mit ihrer Röhrenstruktur und einem äußeren Durchmesser von 25nm sind Mikrotubuli wesentlich starrer als Aktinfilamente. Mikrotubuli sind mit einem Ende meist an einem einzigen Mikrotubuli-organisierenden Zentrum (MTOC), dem Basalkörper (an der Basis von Flagellen und Geißeln) oder dem sogenannten Zentrosom befestigt. Im Verlauf der Zellteilung wird ein zweites Zentrosom gebildet, mit dessen Hilfe ein symmetrischer, bipolarer Spindelapparat aufgebaut werden kann, der der symmetrischen Aufteilung der Chromosomen in die beiden Tochterzellen dient. 13 Durch die unterschiedliche Struktur der α- und β-Tubuline sind die Enden des Hohlzylinders nicht ident. Es gibt ein sogenanntes Plus- und Minus-Ende jedes Hohlzylinders, an denen die Anlagerung und Depolymerisierung der Tubulindimere verschieden schnell ablaufen. Die Verankerung an das Zentrosom oder den Basalkörper erfolgt in allen Fällen über das Minus-Ende. Hauptfunktionen: Aufrechterhaltung der Zellgestalt (Stützbalken), Zellbewegung (Schwimmen mittels Cilien und Flagellen), Chromosomenaufteilung bei der Zellteilung, intrazellulärer Transport von Organellen, Vesikeln und anderen Lasten (Mikrotubuli als Straßen für Motorproteine). Aktinfilamente Aktinfilamente (auch als Mikrofilamente bezeichnet) sind zweisträngige, helikale Polymere aus dem Protein Aktin. Sie sind flexible Stränge mit "5 − 9 nm" Durchmesser, die zu vielfältigen linearen Bündeln, flächigen Netzwerken und räumlichen Gelen organisiert sein können. Aktinfilamente sind zwar überall in der Zelle verteilt, ihre größte Dichte erreichen sie jedoch in der Zellrinde (Cortex) unmittelbar unterhalb der Plasmamembran. Ähnlich wie Mikrotubuli, darf man sich Aktinfilamente nicht als fixe seilartige Strukturen vorstellen. Die Enden der Filamente werden laufend abgebaut oder verlängert, wobei auch bei den Aktinfilamenten die Polarität des Stranges eine unterschiedliche Anlagerungs- und Abbaugeschwindigkeit bedingt. Diese Filamenttypen können an einer Stelle in der Zelle rasch abgebaut werden und an einer anderen Stelle wieder polymerisiert werden. Damit kann sich sowohl die Gestalt und Form als auch die Lage der Zelle verändern. Hauptfunktionen: Aufrechterhaltung der Zellgestalt (Zugspannung) und Veränderung der Zellgestalt, Zellbewegung (Ausbildung von Pseudopodien), Muskelkontraktion, Cytoplasmaströmung, Zell- teilung (Ausbildung der Teilungsfurche). Intermediärfilamente Diese sind seilähnliche Fasern mit einem Durchmesser von etwa 10mm. In ihrer Struktur sind sie viel stabiler als die anderen beiden Filamenttypen. Sie bestehen aus den Intermediärfilament-Prote- inen, die eine große, einheitliche Familie bilden. Eine Art der Intermediärfilamente bilden die Kern- lamina, ein Geflecht das unmittelbar unterhalb der Kernmembran liegt; andere Arten erstrecken sich durch das Cytoplasma und verleihen der Zelle mechanische Festigkeit. Keratin ist ein Sammelbegriff für verschiedene wasserunlösliche und extrem langlebige Faserproteine, die von menschlichen oder tierischen Organismen gebildet werden und die Hornsubstanz charakterisieren. Sie sind der Haupt- bestandteil von Säugetierhaaren, Finger- und Zehennägeln, Krallen, Klauen, Hufen, Hörnern, Nasenhörnern der Nashörner, Stacheln der Igel, Barten der Wale, Schnäbeln und Federn der Vögel, Hornschuppen und äußere Panzerbedeckung der Reptilien. Intermediärfilamente sind extrem haltbare und langlebige Strukturen, die der Zelle mechanische Festigkeit verleihen. In Epithelien (Zellschichten, die innere oder äußere Oberflächen des Organismus bekleiden, z.B. Darm oder Haut) gewährleisten Intermediärfilamente nicht nur die mechanische Stabilität einzelner Epithelzellen, sondern die Stabilität der ganzen Zellschicht, da die Intermediärfilamente jeder Zelle über Zell-Zell-Verbindungen mechanisch an jene der Nachbarzelle gekoppelt sind. Hauptfunktionen: Aufrechterhaltung der Zellgestalt (Zugspannung), Verankerung des Zellkerns und anderer Organellen, Bildung der Zellkernlamina. 1.4 ZELL-ZELL-KOMMUNIKATION Tiere und Pflanzen sind vielzellige Lebewesen. Sowohl Pflanzen als auch tierische Organismen bilden unterschiedliche Gewebe und Organe aus, die aus Verbänden einzelner Zellen bestehen. Die Zellen eines Zellverbandes haben miteinander Kontakt und kommunizieren miteinander. Die Vielzelligkeit der Lebewesen bedingt, dass Zellen miteinander verbunden und miteinander kommun- izieren müssen. Für verschiedene Organismen sind dafür unterschiedliche Strukturen ausgebildet. Die beiden großen Organismenreiche, Pflanzen und Tiere, haben unterschiedliche Überlebens- strategien in der Evolution ausgebildet. Da für den Nahrungserwerb bei Pflanzen keine Notwendigkeit besteht mobil zu sein, können sie sich in der Regel nicht aktiv bewegen. Sie müssen sich vor Fressfeinden schützen, eine feste Struktur ausbilden, sich gegen Austrocknen schützen und andererseits ein Platzen der Zellmembran beim Einstrom von Wasser verhindern. Eine starre extrazelluläre Zellwand bietet für diese Bedingungen einen guten Schutz. Zell-Zell-Verbindungen in pflanzlichen Zellen ermöglichen einen Austausch von Wasser und gelösten niedermolekularen Stoffen. Dazu dienen zahlreiche mit der Plasmamembran ausgekleidete Kanäle, genannt Plasmodesmen (oder auch Plasmodesmata). Über diese Kanäle ist 14 das Cytoplasma jeder Zelle im Zellverband mit dem Cytoplasma ihrer Nachbarzellen verbunden. Damit haben die Zellen eines Zellverbandes ein gemeinsames Cytoplasma, zumindest was Wasser und niedermolekulare Stoffe betrifft. CW … Zellwand CA … Callose (Zellwandbestandteil) PM … Plasmamembran ER … Endoplasmatisches Reticulum DM … Desmotubulus rote Kügelchen … Aktin violette Kügelchen … Andere Proteine und Spikes Abb. 1.16: Plasmodesmen Vielzellige Tiere hingegen sind mobil, haben dafür ein Skelett als Stütze und Muskulatur, um sich zu bewegen. Im Unterschied zu Pflanzenzellen bilden sie keine steifen extrazellulären Zellwände aus, sondern verfügen über eine extrazelluläre Matrix, in der die Zellen eingebettet sind. Tierische Zellen sezernieren Glykoproteine, Proteine mit kovalent gebundenen Zuckeranteil und Proteoglykane. Bei Proteoglykanen ist der Zuckeranteil deutlich höher als der relativ minimalistische Proteinkern. Eines der häufigsten tierischen Matrix-Glykoproteine ist das Collagen, das außerhalb der Zelle ein festes Fasernetzwerk ausbildet. Kollagen verbindet sich mit einem weiteren Glykoprotein, dem Fibronektin, das seinerseits mit Membranproteinen (Integrine) der Zellen interagiert. Integrine sind auf der cytoplasmatischen Seite der Zelle mit dem Cytoskelett in Verbindung. Im Gewebeverband sind die Zellen von der extrazellulären Matrix umgeben, ganze Organe müssen aber nach außen hin einen begrenzenden Abschluss (Epithel) besitzen. Epithelien werden generell ein- oder mehrzellige Zellschichten bezeichnet, die die inneren und äußeren Oberflächen bedecken. Ein bezeichnendes Beispiel dafür ist die innere Oberfläche des Darmes. Hier müssen Nahrungs- mittelmoleküle selektiv vom Darminhalt in den Organismus aufgenommen werden. Zellen der Darm- epithelien sind mit einem Ring spezieller, haftender Proteine umgeben (s.g. Tight junctions), die ein unkontrolliertes Eindringen des Darminhalts in das Gewebe verhindern. Unterhalb des dichten Ringes der Tight junctions befinden sich sogenannte Desmosomen, die mit dem Cytoskelett (Intermediärfilamenten) in Verbindung treten und die Zellen untereinander wie mit Nieten fest verbinden. Zum gegenseitigen Austausch von kleinen Molekülen durchziehen Gap junctions, vergleichbar mit den Plasmodesmata der Pflanze, die Zellmembran. Sie bestehen aus besonderen Kanal-Proteinen, die in den Zellmembranen benachbarter Zellen aneinander gegenüberliegenden Stellen Poren und somit Verbindungskanäle bilden. Im Unterschied zu den Plasmodesmen werden sie nicht von einem Cytoplasmastrang durchzogen. 15 Abb. 1.17: Tight junctions Abb. 1.18: Desmosomen 16 2 GENETIK 2.1 BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Die Gesamtheit der Erbanlagen eines Organismus wird als Genom bezeichnet. Die wesentlichen Informationsträger der Erbanlagen sind die Chromosomen. Diese befinden sich im Zellkern, der in den meisten Körperzellen vorhanden ist. Bei höheren Organismen sind die Chromosomen im Zellkern paarweise vorhanden. So haben Rinder 60 Chromosomen (30 Paare), Pferde 64 (32 Paare) und Hühner 78 (39 Paare). Aufgrund der paarigen Chromosomensätze spricht man von diploiden Organismen. Eine besondere Stellung nehmen die Geschlechtschromosomen ein, da sie in einem der Geschlechter kein homologes Paar bilden (zum Beispiel XY bei männlichen vs XX bei weiblichen Säugetieren; ZW bei weiblichen vs ZZ bei männlichen Vögeln). Die Chromosomen des Kerngenoms, die nicht Geschlechtschromosomen sind, fasst man unter dem Begriff Autosomen zusammen. Zusätzlich zum Kern befindet sich auch in den Mitochondrien ein ringförmiges Chromosom vorhanden, das ebenfalls Erbinformation enthält. Chromosomen bestehen aus langen Molekülen der Desoxyribonucleinsäure (DNA), die von Proteinen (Histonen) verpackt werden. Die DNA ist ein Kettenmolekül, das aus den Bausteinen Zucker, Phosphatbrücken und den organischen Basen (Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin) besteht. Die Basenabfolge kann als Bauplan für die Proteinbildung in den Zellen betrachtet werden und ist zudem Informationsträger für Steuerungsfunktionen im Erbgut. Die Abschnitte auf den Chromosomen, die für Merkmalausbildungen verantwortlich sind, werden als Gene bezeichnet. Gene liegen an bestimmten Orten im Genom (Genort = Locus); die Lage der Gene auf den Chromosomen wird in sogenannten Genkarten ausgewiesen. Da der Begriff "Gen" mehrere Bedeutungen haben kann, werden oft präzisere Begriffe wie "Locus“ (genau bestimmte Region im Genom) und "Allel“ (Variante an einem Locus) verwendet. Gene können sich zwischen den Individuen einer Population aufgrund unterschiedlicher Basenabfolge der DNA unterscheiden, auch die verschiedenen (Gen-)Varianten bezeichnet man Allele eines Gens. Unterschiedliche Allele können zu unterschiedlichen Merkmalsausprägungen (Phänotypen) in den Individuen einer Population führen. Die Zusammensetzung der Allele in einem Individuum wird als Genotyp bezeichnet. Trägt ein Individuum an einem Locus zwei idente Allele wird dieser Genotyp als homozygot (reinerbig) bezeichnet, trägt es zwei unterschiedliche Allele wird dieser Genotyp als heterozygot (mischerbig) bezeichnet. Mutationen, sind plötzliche Veränderungen des Erbgutes. Mutationen passieren zufällig und führen zu neuer genetischer Variation (also zu neuen Allelen). Äußere Einflüsse (wie zum Beispiel Strahlung und Gifte) können die Häufigkeit, mit der Mutationen auftreten, erhöhen. Passieren Mutationen in der Keimbahn können sie in die nächste Generation weitervererbt werden. 2.2 DER ZELLYZYKLUS Um zwei genetisch idente Tochterzellen zu bilden, muss unter anderem das Erbgut verdoppelt werden, sodass zwei komplette Kopien entstehen. Das verdoppelte genetische Material muss dann genau zwischen den beiden Tochterzellen aufgeteilt werden, sodass in jeder Tochterzelle eine vollständige Kopie des Genoms vorhanden ist. Zusätzlich zur Verdopplung ihrer Genome vermehren die meisten Zellen auch ihren übrigen Inhalt, z.B.: Organellen und Makromoleküle. Täten sie das nicht, würden sie mit jeder Teilung kleiner. Um ihre Größe konstant zu halten, müssen Zellen Wachstum (d.h. die Zunahme ihrer Masse) und Teilung aufeinander abstimmen. Das genetische Material (auch Erbgut oder Genom genannt) in Eukaryoten ist in Chromosomen organisiert. Bakterien besitzen meist nur ein ringförmig geschlossenes DNA-Molekül, Eukaryoten besitzen mehrere lineare doppelsträngige DNA Stränge, genannt Chromosomen. Das menschliche Genom ist, wenn es in gestreckter Form vorliegen würde, ca. 2m lang, dennoch beträgt der Durchmesser des Zellkerns nur 5 bis 8 μm. All dieses genetische Material in einem so kleinen Raum zu verstauen, ist mit der Aufgabe vergleichbar, 20 km extrem feinen Drahtes ordentlich in einen Tennisball zu verpacken. In eukaryotischen Zellen sind die enorm langen doppelsträngigen linearen DNA-Moleküle in einzelne Chromosomen verpackt, die nicht nur in einen Zellkern passen, sondern bei jeder Zellteilung, nach 17 der Verdopplung, auch noch auf Tochterzellen verteilt werden müssen. Die komplexe DNA- Verpackung wird durch spezielle Proteine ausgeführt, die an die DNA binden und in eine Folge von Windungen und Schleifen falten, die stufenweise eine immer höhere Organisation ergeben. Der Komplex aus DNA und Proteinen wird als Chromatin bezeichnet. Der Kondensierungsgrad im Chromatin ist dynamisch. Trotz der Kondensierung bleibt die DNA zugänglich für viele Enzyme, die für ihre Replikation (Verdopplung), Reparatur bzw. für die Regulation der Genexpression zuständig sind. Alle Arten eukaryotischer Zellen haben eine bestimmte Anzahl von Chromosomen. Beim Menschen sind somatische Zellen diploid (2n) und Fortpflanzungszellen haploid (n). Die diploiden somatischen Zellen (das sind alle Zellen des Organismus mit Ausnahme der Fortpflanzungszellen) des Menschen besitzen 46 Chromosomen (22 Autosomenpaare und 2 Gonosomen/Geschlechtschromosomen). Je 23 davon stammen von einem der beiden Elternteile. Die Fortpflanzungszellen (auch genannt Gameten), zu denen die Eizellen und die Spermien gehören besitzen einen haploiden Chromosomensatz (n), in Menschen sind das 23 Chromosomen - 22 Autosomen und 1 Geschlechtschromosom (X oder Y). M-Phase (DNA) Interphase DNA (Chromatin) Abb. 2.1: Chromosom 2.2.1 Die wichtigsten Vorgänge des Zellzyklus Der Zellzyklus wird in 4 verschiedenen Phasen aufgeteilt, wobei nur in der Teilungsphase der Chromosomen (Mitose, M-Phase) diese sichtbar sind (Abb.2.1). In der Synthesephase (S-Phase) wird die DNA verdoppelt, dieser Vorgang wird als DNA-Replikation bezeichnet. Die Chromosomen bestehen nach der Verdopplung aus 2 eng beieinanderliegenden Schwesterchromatiden aus identischer DNA. Die beiden Schwesterchromatiden werden durch spezielle Proteinkomplexe, den Kohäsin-Proteinen, über ihre ganze Länge zusammengehalten, wobei die engste Verbindung im Bereich der Centromere vorliegt. Jedes Chromosom besitzt ein Centromer, welches durch spezifische DNA-Sequenzen definiert ist, und an welchem in der Mitose ein Protein-Komplex ausgebildet wird, an den Mikrotubuli binden können. Bei der Trennung der Schwesterchromatiden bleibt der Zusammenhalt der beiden DNA-Doppelstränge im Centromer-Bereich am längsten erhalten. Die Schwesterchromatiden werden in der M-Phase auf die Tochterzellkerne verteilt; erst danach teilt sich die Zelle selbst in einem weiteren Vorgang (Zytokinese/Cytokinese) in zwei unabhängige Zellen. Zwischen der M-Phase und der folgenden S-Phase erstreckt sich eine Zwischenphase, die G1- Phase (G aus dem engl. Gap/ Lücke). Eine zweite Zwischenphase zwischen S-Phase und M-Phase wird als G2-Phase bezeichnet. G1-, S- und G2-Phase werden zusammen als Interphase bezeichnet, die auch in schnell teilenden Zellen oft mehr als 90% der Zeit des Zellzyklus einnimmt. Im Mikroskop betrachtet ist die Interphase eine scheinbare Ruhephase der Zelle, tatsächlich ist es aber die Phase 18 des Zellzyklus, in welchem die Zelle ihre, für den Gesamtorganismus lebenswichtigen Funktionen ausführt und zusätzlich sowohl ihre Masse als auch ihr Erbgut verdoppelt. M Mitose mit anschließender Cytokinese I Interphase G1 Gap1-Phase/Lücke 1 kann in G0 verharren S Synthesephase (DNA Synthese) G2 Gap2-Phase/Lücke 2 Abb. 2.2: Der Zellzyklus 2.2.2 Die Mitose Der Spindelapparat Ein für die Trennung der Schwesterchromatiden in der Mitose notwendiger „Spindelapparat“ wird aufgebaut. Er besteht aus Mikrotubulifasern und assoziierten Proteinen und wird aus vorhandenen Tubulindimeren durch Polymerisation aufgebaut. Dabei werden in der Zelle vorhandene Mikrotubuli- stränge in die einzelnen Bestandteile zerlegt (depolymerisiert) und die freiwerdenden α- und β-Tubu- lindimere als Baumaterial verwendet. Im Lauf der Mitose erreichen die Mikrotubuli eine komplexe Struktur an den Chromosomen, den Kinetochor, der an den Centromeren der Chromosomen lokalisiert ist, und binden dort. Die Phasen der Mitose Die Mitose wird in 5 mikroskopisch gut sichtbare Teilbereiche unterschieden (Pro-, Prometa-, Meta- , Telo- und Anaphase), die einzelnen Stadien unterscheiden sich charakteristisch im Aussehen des Spindelapparates, in der Lage und der Verdichtung der Chromosomen und in der Ausbildung der Kernhülle. Prophase Die Chromatinfasern kondensieren (verkürzen sich) zu deutlich sichtbaren Chromosomen mit Schwesterchromatiden, die an den Centromeren ganz eng beieinanderliegen. Außerhalb des Kerns gelegen bewegen sich die in der Interphase verdoppelten Centrosomen (mit je einem Centriolenpaar) auseinander. Die Centrosomen wirken als Mikrotubuli-organisierende Zentren (englisch microtubule organising center, MTOC) und sind Ausgangspunkte für die Ausbildung des mitotischen Spindelapparats (Mitosespindel). Die Mikrotubuli wachsen ausgehend von den beiden Centrosomen und drängen die beiden Centrosomen auseinander. Die Kernhülle fragmentiert. Prometaphase Die Kernhülle löst sich ganz auf (zerfällt) und die Chromosomen sind maximal verkürzt. Die Centrosomen sind an den gegenüberliegenden Polen der Zelle angekommen, wobei die davon ausgehenden Mikrotubuli in die ehemalige Kernregion einwandern und an die Kinetochorstrukturen der Centromere binden (Kinetochor-Mikrotubuli). Andere Mikrotubulifasern (polare Mikrotubuli) sind nicht mit den Kinotochoren verbunden, interagieren aber mit den Mikrotubuli des gegenüberliegenden Pols. Ausgehend von den Centrosomen interagiert ein wieder anderer Typ der Mikrotubuli (Astral-Mikrotubuli) mit dem Zellcortex. Die Chromosomen können nun mittels der anhaftenden Mikrotubuli bewegt, ausgerichtet und angeordnet werden. Metaphase Die Chromosomen bilden eine sogenannte „Metaphaseplatte“, indem sie sich alle in einer Ebene genau in der Mitte zwischen den beiden Centrosomen anordnen. Alle Kinetochore der 19 Schwesterchromatiden sind über Kinetochormikrotubuli mit den gegenüberliegenden Spindel-Polen verbunden. Anaphase Die Schwesterchromatiden werden durch die Auflösung der verbindenden Kohäsin- Komplexe getrennt. Durch das Verkürzen der Kinetochor-Mikrotubuli, die an den Kineto- choren gebunden sind, wird jedes Chromatidenpaar in zwei eigenständige Chromosomen getrennt und an entgegengesetzte Pole der Zelle gezogen. Die polaren Mikrotubuli ver- längern sich und drängen die Pole weiter auseinander und strecken gleichzeitig die Zelle. Am Ende der Anaphase sind die Chromosomen an den Polen angekommen, wobei beide Pole jetzt einen vollständigen Chromosomensatz besitzen. Telophase Die Mikrotubuli depolymerisieren und zerfallen. Die Chromosomen werden von einer neuen Kernhülle umgeben und die Chromosomen dekondensieren wieder. Nach Abschluss der Dekondensation, hat der Kern wieder die Arbeitsform. Es sind somit 2 Tochterkerne mit einem vollständigen Chromosomensatz entstanden. Auf die Telophase folgt in den meisten Fällen die Zytokinese/Cytokinese, mit der die Tochterkerne dann zwei eigenständige Tochterzellen bilden. Diese eigentliche Zellteilung ist jedoch nicht Bestandteil der Mitose. Es werden in tierischen Zellen durch Einschnürung unter Bildung einer Teilungsfurche die beiden Zellen getrennt. Die Furchung erfolgt immer senkrecht zur Längsachse der Mitosespindel. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Teilungsfurche zwischen den beiden getrennten Tochterchromosomensätzen verläuft und jede Tochterzelle einen identischen und vollständigen Chromosomensatz erhält. Abb. 2.3: Die Phasen der Mitose 2.2.3 Die Kontrolle des Zellzyklus Der Zellzyklus muss in einem komplexen Organismus streng kontrolliert werden. Die Teilungsraten unterscheiden sich drastisch zwischen verschiedenen Zelltypen. Zum Beispiel teilen sich Hautzellen regelmäßig über die gesamte Lebensspanne eines Organismus, wohingegen manche Muskelzellen oder auch Nervenzellen die Teilung komplett eingestellt haben. Zu den Faktoren, die den Zellzyklus regulieren, gehören äußere Faktoren wie Zellgröße und das Nährstoffangebot. Auch die An- oder Abwesenheit von Nachbarzellen spielt eine Rolle. Tierische Zellen, die dicht gewachsen sind, teilen sich nicht mehr weiter, sie gehen in das G0-Stadium über. Weiterhin steuern in Geweben, die für sie 20 bestimmten, Wachstumsfaktoren den Verlauf des Zyklus. Es gibt drei verschiedene Regulationsübergänge oder Kontrollpunkte (‚check points‘), an denen der Zellzyklus überwacht und gegebenenfalls angehalten werden kann. Das Kontrollsystem blockiert den Fortgang durch jeden dieser Kontrollpunkte, falls es Probleme innerhalb oder außerhalb der Zelle „bemerkt“. Krebszellen unterlaufen diese Kontrollpunkte und entgehen damit dieser Kontrolle. Sie teilen sich ungeordnet, rasch und lebenslang. Der erste Kontrollpunkt ist der Start (G1-Kontrollpunkt oder der Restriktionspunkt) in der späten G1-Phase, wo sich die Zelle festlegt, in den Zellzyklus einzutreten und die Chromosomen zu verdoppeln. Falls z.B. die extrazellulären „Umweltbedingungen“ für die Zelle ungünstig sind, bleibt die Zellzyklus hier stehen und die Zelle begibt sich in die sogenannte G0-Phase, was zu einem Stopp in der Zellteilung führen kann (wie oben bei den Nervenzellen erwähnt). Sobald die Zelle den G1- Kontrollpunkt hinter sich hat, durchschreitet sie normalerweise rasch den gesamten restlichen Weg des Zellzyklus – bei Säugetieren typischerweise innerhalb von 12 bis 24 Stunden. Deshalb heißt der G1-Kontrollpunkt manchmal auch Start, weil sich die Zelle beim Durchschreiten dieses Punktes darauf festlegt, den gesamten Teilungszyklus abzuschließen. Der zweite Kontrollpunkt ist der G2/M-Kontrollpunkt, an dem das Kontrollsystem die frühen mitotischen Ereignisse auslöst, die zur Ausrichtung der Chromosomen an der Spindel in der Metaphase führt. Das Kontrollsystem kontrolliert in diesem Punkt, ob die gesamte DNA vollständig repliziert ist oder sich noch Schäden in der DNA befinden, die nicht repariert worden sind. Wenn dies der Fall ist, darf die Zelle nicht in die Mitose eintreten, denn die Tochterzellen hätten dann keine intakten Kopien des Genoms. Der dritte Kontrollpunkt ist der Metaphase-zu-Anaphase-Übergang (Metaphase/Anaphase- Kontrollpunkt), an dem das Kontrollsystem die ordnungsgemäße Trennung der Schwesterchromatiden gewährleistet; dies führt zum Abschluss der Mitose und zur Cytokinese. Ein Halt in diesem Kontrollpunkt erfolgt, wenn nicht alle Chromosomen korrekt an die Mitosespindel (Kinetochor-Mikrotubuli) angeheftet sind. Dies würde zu einer Ungleichverteilung der Chromosomen in den beiden Tochterzellkernen führen, da zum Beispiel beide Schwesterchromatiden an einen Pol gezogen werden würden und die andere Zelle dieses Chromosom dann überhaupt nicht aufweist. Darüber hinaus werden viele Vorgänge in der Zelle im Lauf des Zellzyklus kontrolliert, z.B.: der Energiestatus, die Zahl der Organellen, etc. Störungen führen dann ebenfalls zu einem Anhalten des Zellzyklus an einem der Kontrollpunkte. Start Kontrollpunkt Check: Sind die Umweltbedingungen günstig? JA → Beenden der G1-Phase, Eintritt in den Zellzyklus und die S-Phase (DNA - Synthese) G2/M Kontrollpunkt Check: Wurde die gesamte DNA verdoppelt? Sind die Umweltbedingungen günstig? JA → Eintritt in die Mitose Metaphase/Anaphase Kontrollpunkt Check: Sind alle Chromosomen an den Spindelapparat angeheftet? JA → Beendung der Mitose und weiter zur Zellteilung (Cytokinese) Tabelle 2.1: Kontrollpunkte des Zellzyklus Wesentliche Regulatoren und Steuerungssysteme des Zellzyklus sind Cycline und cyclinabhängige Kinasen (CDKs, Cycline Dependent Kinases). Das sind spezielle Zellzyklusproteine, die zu bestimmten Zeitpunkten im Zyklus verstärkt exprimiert werden, bis ihre Konzentration ein Maximum erreicht. Danach werden die Cycline schnell abgebaut. CDKs und die zugehörigen Cycline bilden Komplexe. Die CDKs aktivieren spezifisch eine Reihe anderer Proteine und steuern so den Zellzyklus. Kinasen sind Enzyme, die andere Proteine phosphorylieren können. Ihre Aktivität besteht in der Erkennung von bestimmten Proteinen anhand ihrer Struktur und Aminosäuresequenz und darin, 21 Phosphorylgruppen an definierten Positionen der erkannten Proteine anzuhängen. Diese Modi- fikation führt zu einer Aktivierung oder Hemmung der Aktivität des phosphorylierten Proteins. Wie der Name schon hinweist, werden die cyclinabhängigen Kinasen (CDK = ‚cyclin-dependent kinases‘) selber erst durch die Bildung eines Komplexes mit der zweiten Gruppe der Proteine, den Cyclinen, aktiviert. Der Name „Cycline“ leitet sich vom cyclischen Verlauf der Konzentration dieser Proteine während des Zellzyklus ab. Die Aktivität der CDKs steigt und fällt in Abhängigkeit von der Konzentration der jeweiligen Cyclin-Partner. Abb. 2.4: Die Kontrollpunkte im Zellzyklus Glossar: Centromer: Bereich eines Chromosoms, welcher durch spezifische DNA-sequenzen definiert ist. In der Mitose wird hier ein Protein-Komplex (Kinetochor) ausgebildet, an den Mikrotubuli binden können. Die Schwesterchromatiden werden am Centromer am längsten zusammengehalten. Centrosom: elektronendichter Bereich im Cytoplasma, Mikrotubuli organisierendes Zentrum mit je einem Centriolenpaar. Schwesterchromatide: Sequenz-identische DNA- Doppelstränge nach der Neusynthese von DNA mit den zugehörigen Chromatidproteinen. Kinetochor: Proteinkomplex, der an den Centromeren der Chromosomen lokalisiert ist. An diesen binden die Mikrotubuli, die in der Anaphase-Telophase die Schwesterchromatiden auseinanderziehen. Zellcortex: Bereich des Cytoplasmas unmittelbar an der Zellmembran, reich an Cytoskelett- elementen. Abb. 2.5: Metaphase Chromosomen einer diploiden Zelle (2𝑛𝑛 = 6) 22 2.3 CHROMOSOMENSÄTZE, MEIOSE UND VERERBUNGSLEHRE Bei einem Großteil der höheren Eukaryoten hat sich das Prinzip der Vermischung des halben genetischen Materials zweier Individuen in der Evolution konsequent durchgesetzt. Ein daraus abgeleiteter Organismus besitzt je eine Kopie der Chromosomenpaare beider Elternteile (diploider Chromosomensatz; 2n). Damit sich der Chromosomensatz in jeder aufeinanderfolgenden Generation nicht verdoppelt, bedingt dieser Typ von Fortpflanzung, dass in den für die Fortpflanzung verwendeten Fortpflanzungszellen (Gameten) die Chromosomenzahl auf die Hälfte reduziert wird (haploider Chromosomensatz; n). Dieser Prozess, die sog. Reduktionsteilung, wird als Meiose bezeichnet. Spezielle Abläufe in der Meiose gewährleisten, dass in den resultierenden Gameten von jedem Chromosom nur eine Kopie vorhanden ist. Bei getrennt geschlechtlichen Tierarten entstehen die weiblich bzw. männlich differenzierten Gameten (Eizellen und Spermienzellen) in verschiedenen Individuen. Schema der sexuellen Fortpflanzung: Die sexuelle Fortpflanzung ist von den Einzellern bis zu den höchst entwickelten Lebewesen durch 2 Schritte gekennzeichnet: durch die Meiose. Die Meiose erfolgt jeweils in einer bestimmten Phase der Entwicklung eines Lebewesens und führt zur Bildung von Gameten. durch die Befruchtung, wobei 2 Gameten verschmelzen und ihre Kerne sich vereinigen (Karyogamie), Abb. 2.6: Sexuelle Fortpflanzung (ein Wechsel zw. diploidem und haploidem Chromosomensatz) 2.3.1 Chromosomensätze Wenn man eine menschliche somatische Zelle (alle Zellen außer den Fortpflanzungszellen) im Mikroskop betrachtet, kann man durch Zuhilfenahme spezieller Färbungsmethoden jedes der 46 Chromosomen nach Größe, Bandenmuster, Lage des Centromers und Länge der Chromosomenarme zuordnen. Das menschliche Karyogramm weist jeweils zwei Exemplare von Chromosom 1-22 (44 Autosomen) und zusätzlich zwei Geschlechtschromosomen (2 Gonosomen) auf, nämlich zwei X-Chromosomen im weiblichen bzw. ein X- und ein Y-Chromosom im männlichen Organismus. In einer diploiden somatischen Zelle gibt es beim Menschen also 22 Paare homologer Chromosomen, wobei immer ein Chromosom jedes Paares vom mütterlichen und eines vom väterlichen Elternteil beigesteuert wird. Das ebenfalls vorhandene Gonosomenpaar ist entweder homolog (X + X) oder nicht (X + Y). Die Bezeichnung n gibt die Anzahl der Chromosomenpaare (n=23 beim Menschen) bzw. die Anzahl der Chromosomen in einer haploiden Zelle wieder, wogegen 2n=46 die Anzahl der Chromosomen in einer diploiden Zelle bezeichnet. Menschliche Zellen besitzen also 46 Chromosomen; ausschließlich Ei- und Samenzellen besitzen 23 Chromosomen. 23 Weibliche humane Fortpflanzungszellen (Eizellen = Oozyten) haben 22 Autosomen und ein X-Chromosom. Männliche humane Gameten (Samenzellen = Spermien) hingegen haben 22 Autosomen und zusätzlich, zu 50% ein X- oder zu 50% ein Y-Chromosom. Da sich bei der Befruchtung eine Oozyte (tragen immer ein X-Chromosom) und ein Spermium (50% der Spermien tragen ein X-, 50% ein Y-Chromosom) vereinigen, wird eine Geschlechterverteilung in den Nachkommen von ca. 50% männlichen und 50% weiblichen Nachkommen gewährleistet. Der Lebenszyklus des durch sexuelle Fortpflanzung entstandenen Individuums beginnt mit der Verschmelzung von haploiden Gameten (Oozyten und Spermien) unter Bildung einer diploiden Zygote (befruchtete Eizelle). Die Reduktionsteilung läuft in weiblichen und männlichen Organismen in speziellen Organen und zu unterschiedlichen Zeiten der Entwicklung ab. Im Laufe der Embryonalentwicklung wandern Zellen in die sogenannte Genitalleiste ein und durchlaufen als Oogonien und Spermatogonien die Meiose. In den Eierstöcken (Ovarien) reifen die Eizellen (Oozyten), wobei die Meiose in der Entwicklung des weiblichen Organismus schon in der Embryonalphase vor der Geburt beginnt, aber erst nach der Pubertät jeweils einmal im Monat für meist nur eine reife Oozyte abgeschlossen wird. Die Meiose im männlichen Organismus erfolgt in den Hoden, beginnt aber erst mit der Geschlechtsreife. Im Hoden treten ab der Pubertät kontinuierlich immer wieder neue Zellen in die Meiose ein. Durch die Befruchtung reifer Eizellen mit Samenzellen wird der Kreislauf des Lebenszyklus geschlossen. 2.3.2 Die Meiose Wie bei der Mitose wird vor der Meiose das genetische Material in der S-Phase durch DNA Replikation verdoppelt. Die Zelle hat danach einen diploiden Chromosomensatz (2n) und jedes Chromosom besitzt Schwesterchromatiden. Um haploide Gameten (n) für die Fortpflanzung zu erhalten reicht also eine einzige Reduktionsteilung nicht aus. Die Zellen müssen zwei Teilungen vollziehen, sie werden als Meiose I und Meiose II bzw. erste und zweite meiotische Teilung bezeichnet. Beide meiotischen Teilungsschritte werden in Prophase, Metaphase, Anaphase und Telophase/Cytokinese unterschieden, wobei zwischen Meiose I und Meiose II keine zwischengeschaltete DNA Synthese stattfindet. Nach Paarung der homologen Chromosomen werden in der Anaphase I der Meiose I die Schwesterchromatiden nicht getrennt, sondern bleiben über ihr Centromer aneinander gebunden. Es werden hier die homologen (mütterlichen und väterlichen) Chromosomen aufgeteilt. In der Anaphase der Meiose II dann werden (analog der Mitose) die Schwesterchromatiden voneinander getrennt. Von einer diploiden Zelle (mit verdoppelten DNA) ergeben sich dann 4 haploide Gametenzellen. Die Meiose garantiert so, dass nach der Befruchtung wieder ein Organismus mit diploidem Chromosomensatz (2n) entsteht und noch dazu ein Austausch des genetischen Materials erfolgt (s.u.). Die Meiose I ① ② ③ ④ Abb. 2.7a: Die Meiose I (noch mit Fragmenten der Zellkernhülle): die replizierten homologen Chromosomen ① Prophase I (blau vom Vater, rot von der Mutter) paaren sich und tauschen homologe Segmente aus ② Metaphase I die homologen Paare ordnen sich in der Metaphaseplatte ③ Anaphase I die homologen Chromosomenpaare trennen sich 24 ④ Telophase I der ersten meiotischen Teilung folgt: es entstehen 2 haploide Zellen, jedes Chromosom besitzt zwei Schwesterchromatiden Nach Auflösen der Kernhülle und Verdichtung der Chromosomen kommt es in der Prophase I zu einer Paarung der homologen Chromosomen. Die replizierten Chromosomen (mit 2 Schwester- chromatiden) beider Elternteile lagern sich zuerst locker aneinander (Synapsis), wobei die homo- logen Chromosomenabschnitte direkt aneinander liegen. Danach bilden die Homologen (auch Bivalente genannt) mit speziellen Proteinen einen engen sogenannten synaptonemalen Komplex, der sich über die Gesamtlänge der Chromosomen erstreckt und sie fest zusammenhält. In diesem Stadium kommt es zum gegenseitigen Austausch von Teilabschnitten des genetischen Materials zwischen den mütterlichen und väterlichen Chromosomen durch Einwandern des reziproken DNA- Stranges. Dieses sogenannte Crossing-over ermöglicht eine Vermischung des DNA Materials beider Eltern. Auf diese Weise erfolgt eine Neuzusammensetzung (Rekombination) des mütterlichen und väterlichen Anteils des Genoms. Das ist neben der Reduktion zu haploiden Zellen, die zweite wesentliche Funktion der Meiose. Sie führt dazu, dass Nachkommen mit einer eigenen Kombination von Eigenschaften entstehen können. Das Crossing-over gewährleistet auch, dass die homologen Chromosomen bis zur Anaphase I verbunden bleiben. Durch den Zerfall des synaptonemalen Komplexes treten die Chromosomen wieder auseinander, bleiben aber durch Chiasmata, mikroskopisch sichtbare Bereiche, in denen Crossing-over stattgefunden hat, miteinander verbunden. Wie in der Mitose wird der Spindelapparat ausgebildet und die Centrosomen wandern polwärts. In der Metaphase I ordnen sich die Bivalente in der Metaphaseplatte an, die Kinetochor-Mikrotubuli verbinden sich mit den Kinetochoren der Centromere der homologen Chromosomen. Jeweils eines der beiden Homologen ist mit dem gegenüberliegenden Spindelpolen verankert. In der Anaphase I verkürzen sich wie in der Mitose die Kinetochormikrotubuli und ziehen die homologen Chromosomen auseinander, die Schwesterchromatiden bleiben über die Centromere weiterhin miteinander verbunden. Telophase I und Cytokinese: Es bilden sich zwei Tochterzellen mit einem haploiden Chromo- somensatz aber mit jeweils zwei Schwesterchromatiden pro Chromosom. Artenspezifisch bildet sich eine Kernhülle und die DNA kann dekondensieren. Die Meiose II Abb. 2.7b: Die Meiose II ⑤ ⑥ ⑦ ⑧ Prophase II Metaphase II Anaphase II Telophase II & Cytokinese Zwischen der Meiose I und der Meiose II erfolgt keine Verdoppelung der DNA. Die Abläufe in der Meiose II sind identisch mit der der Mitose, mit dem Unterschied, dass das Ausgangsmaterial haploide Zellen mit verdoppelter DNA sind und das Produkt somit haploide Zellen mit nur einem Chromatid. Es entstehen beim Betrachten des gesamten Ablaufes in der Meiose I + II vier Tochterzellen, wobei im weiblichen Säugetierorganismus (wie der Mensch einer ist) sich nur eine der vier Zellen zu einer reifen Eizelle entwickelt, die anderen drei Meioseprodukte jedoch degenerieren. 25 Zwei Ebenen der Neuordnung erzeugen somit während der Meiose neue Chromosomenkombinationen und beeinflussen die genetische Ausstattung der Nachkommen. Unabhängige Segregation der mütterlichen und väterlichen homologen Chromosomen. Jed- es einzelne Chromosom kann in der Anaphase I zu einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit an eines der beiden Pole der teilenden Zelle gezogen werden. Durch diese unabhängige Verteilung von mütterlichen und väterlichen homologen Chromosomen können somit bei einem Organismus mit n Chromosomen 2n verschiedene haploide Keimzellen entstehen. Wenn z.B. 𝑛𝑛 = 3 ist, sind 8 (= 23 ) unterschiedliche Keimzellen möglich. Beim Menschen (𝑛𝑛 = 23) sind es somit ungefähr 8,4 Millionen (=223) Varianten! In der Prophase I lagern sich die homologen Chromosomen eng aneinander und es kommt zur Ausbildung eines Crossing-overs. Mit Hilfe einer Proteinmaschinerie (Rekombinations- komplex) werden Segmente homologer Nicht-Schwesterchromatiden ausgetauscht und dabei die Genvarianten auf den Chromosomen neu kombiniert (rekombinante Chromosomen). Die Neuverteilung der Chromosomen in der Meiose liefert zusammen mit der Rekombination, die durch das Crossing-over entsteht, eine nahezu unbegrenzte Möglichkeit der genetischen Variation in den Keimzellen eines einzelnen Individuums. Interphase Prophase Prometaphase Metaphase Anaphase Telophase & Cytokinese ① ② ③ ④ ⑤ ⑥ ⑦ ⑧ ① Prophase I ⑤ Prophase II ② Metaphase I ⑥ Metaphase II ③ Anaphase I ⑦ Anaphase II ④ Telophase I & Cytokinese ⑧ Telophase II & Cytokinese Abb. 2.8 und Tab. 2.2: Mitose und Meiose im Vergleich; bei beiden Vorgängen erfolgt zuerst eine Replikation der DNA. Phase Mitose Meiose Metaphase jedes individuelle Chromosom ordnet Meiose I: die Bivalente ordnen sich in sich in die Metaphaseplatte der Metaphaseplatte Anaphase Trennung der Schwesterchromatiden Meiose I: Trennung der homologen Chromosomen Tochterzellen zwei (2n = diploid) vier (n = haploid) Funktion Bildung eines vielzelligen Organismus Bildung von Gameten aus einer diploiden Zygote 26 2.3.3 Mendel'sche Genetik und Rekombination Gregor Mendel (1822-1884) begründete die moderne Vererbungslehre. Er machte viele seiner berühmten Experimente mit Erbsen. Wie Menschen und die meisten Tiere sind Erbsen diploid, jedes Individuum hat also jeweils einen Chromosomensatz von einem und einen vom anderen Elternteil vererbt bekommen. Erbsen können aber, wie viele Blütenpflanzen, selbstbefruchten (auch als selbsten bezeichnet). Das bedeutet, dass die beiden Elternteile, also auf der Pollenseite und der Eizellseite, dasselbe Individuum sind. Nach einigen Generationen selbsten geht fast die gesamte intraindividuelle allelische Variabilität verloren, sodass beinah alle Loci im Genom homozygot, also genetisch einheitlich, sind. Um Erbsen gezielt zu kreuzen werden die Blüten vor der Selbstbefruchtung geöffnet und Pollen übertragen. Genau das haben Gregor Mendel und seine Techniker getan. Es werden nun unterschiedliche Kreuzungsschemata beleuchtet. Betrachtung eines Genorts (Locus) Abb. 2.9: Rückkreuzung (Copyright 2023 Claus Vogl) Die Abbildung 2.9 zeigt zwei homozygote Linien für einen Locus, die Null-Linie (L0 mit ausschließlich Allelen des Typs Null) und die Eins-Linie (L1 mit ausschließlich Allelen des Typs Eins). Es ist hierbei egal, welches Allel mit Null und welches mit Eins bezeichnet wird. In der Abbildung Rückkreuzung bilden diese beiden Linien den Ausgangspunkt in der Parentalgeneration (erste Zeile, mit „P“ bezeichnet). In der nächsten Zeile ist die erste Nachkommengeneration, die Filialgeneration (F1), dargestellt. Die Gameten innerhalb der homozygoten Ausgangslinien sind ident, sodass von der P- Generation immer entweder ein Null-Typ Allel (von der Null-Linie) oder ein Eins-Typ Allel (von der Eins-Linie) vererbt wird. Die F1 ist folglich genetisch einheitlich heterozygot. [Diese Tatsache entspricht der 1. Mendel'schen Regel, die auch Uniformitätsregel genannt wird.] Der Phänotyp (also das Aussehen) der heterozygoten F1 kann dem der Null-Linie oder dem der Eins-Linie entsprechen. In diesem Fall sprechen wir davon, dass sich das Null-Allel oder respektive das Eins-Allel dominant, das alternative Allel rezessiv ausprägt. Wenn die Kreuzungsprodukte anders als die beiden Elternteile ausschauen, zum Beispiel wie eine Mischung der beiden Eltern, wird die Allelausprägung kodominant bezeichnet. Wird die F1 Generation wieder mit einer der beiden Elternlinien rückgekreuzt (im Fall der Abbildung Rückkreuzung mit der Null-Linie) erhält man eine F2 Generation. Von der Elternlinie wird immer das ihr eigene homozygote Alle vererbt (in unserem Fall das Null- Allel der Null-Linie), von der F1 Generation wird in der Hälfte der Fälle (Mendel‘sche Vererbung ist fair) das Null-Allel vererbt, in der anderen Hälfte der Fälle das Eins-Allel. [Praktisch gesehen ist ein Rückkreuzungsexperiment bei Erbsen aufwändiger als das anschließend vorgestellte "Intercross" Experiment, weil die manuelle Übertragung von Pollen von der F1 zur Parentallinie oder umgekehrt notwendig ist. Nur die einfacheren "Intercross" Experimente wurden wirklich von Mendel beschrieben.] 27 Abb. 2.10: Intercross (Copyright 2023 Claus Vogl) Anstatt die heterozygote F1-Generation zu einer Ausgangslinie rückzukreuzen, kann man auch Nachkommen der F1 untereinander kreuzen (siehe Abbildung 2.10 Intercross). Bei Erbsen braucht man dazu keine künstlichen Manipulationen durchführen, weil sie ja selbsten. Es kommt sowohl auf der Pollenseite als auch auf der Eizellseite zu Meiosen mit Segregation der Allele. Die beiden Meiosen produzieren, unabhängig voneinander Gamenten mit Null- und Eins-Allelen mit Wahrscheinlichkeit von jeweils 1/2. Unabhängige Wahrscheinlichkeiten können durch Multiplizieren kombiniert werden, sodass insgesamt vier Möglichkeiten (geordnete Genotypen) entstehen können. Die Wahrscheinlichkeit für jeden Genotyp ist somit 1/2*1/2=1/4. Die beiden heterozygoten Genotypen (01) und (10) sind nicht unterscheidbar, sodass die Gesamtaufspaltung in der Intercross F2 1:2:1 ist. Dies entspricht 1/4 zu 1/2 zu 1/4, was Genotypen mit homozygoten Null-Allelen (00), heterozygoten Allelen (01 oder 10) und homozygoten Eins-Allelen (11) entspricht (siehe auch Abb. 2.10). Die Phänotypen in der F2 entsprechen denen der Null-Linie, der F1 Generation beziehungsweise der Eins-Linie. Es ist also möglich die Verteilung der Phänotypen in der F2 Generation aus jenen der Ausgangslinien und der F1 vorherzusagen. In Mendel's Experimenten trat eine Aufspaltung in 1:3 (oder 3:1) auf, weil bei den von ihm untersuchten Merkmalen immer Dominanz auftrat. [Diese Aufspaltung entspricht der 2. Mendel'schen Regel oder Aufspaltungsregel.] Tabelle 2.3: Vierfeldertafel F2 Man kann die Verhältnisse bei einem F2-Intercross (also der Kreuzung innerhalb der F1 Generation) auch durch eine Vierfeldertafel (Tabelle 2.3) darstellen. Die Zeilen differenzieren die Allele des ersten Elternteils, die Spalten jene des zweiten Elternteils. Es ist gleich, ob der Pollen-Elternteil oder der Eizell-Elternteil in den Zeilen oder Spalten angeordnet werden. Die letzte Spalte gibt die Wahrscheinlichkeiten der Allelproportionen des ersten Elternteils wieder (1/2 und 1/2), die letzte Zeile jene des zweiten. Aufgrund ihrer Position am Rand der Tabelle werden diese Randwahrscheinlichkeiten oder marginale Wahrscheinlichkeiten genannt. Da sich unabhängige Wahrscheinlichkeiten multiplizieren, können die vier gemeinsamen Wahrscheinlichkeiten durch Multiplikation der Randwahrscheinlichkeiten errechnet werden. Die Einträge auf der Nebendiagonale sind die beiden unterschiedlichen Möglichkeiten einen heterozygoten Genotyp zu produzieren. Fasst man die heterozygoten Genotypen zusammen, resultiert eine Aufspaltung von 1:2:1. Auch phänotypisch sind die beiden heterozygoten Genotypen 28 normalerweise nicht unterscheidbar, sodass bei kodominanter Allelwirkung eine Phänotypenverteilung von 1:2:1 resultiert, bei dominant rezessiver Allewirkung eine Phänotypenverteilung von 3:1 beobachtet wird. Zahlreiche Merkmale bei Tieren folgen einem monogenen Erbgang und die von Gregor Mendel aufgestellten Schemata finden auch in der heutigen Tierzucht ihre Anwendung. Es handelt sich meist um dominant/rezessive Merkmalsausprägungen. Beispiele hierfür sind die Hornlosigkeit beim Rind (Allel hornlos dominant über Allel behornt), die Tobianoscheckung beim Pferd (Allel gescheckt ist dominant über Allel nicht gescheckt), die Haarlänge bei Katzen (Allel Kurzhaar dominant über das Allel Langhaar). Weiters prägen sich für die meisten monogenen Erbkrankheiten die krankmachenden Allele rezessiv aus (Allel krank ist rezessiv gegenüber dem Allel gesund). Betrachtung zweier Loci auf unterschiedlichen Chromosomen (unabhängige, nicht gekoppelte Vererbung) Betrachtet man zwei Loci und liegen diese auf unterschiedlichen Chromosomen, so werden ihre Allele unabhängig voneinander vererbt (siehe Abbildung 2.11.). [Dies entspricht der 3. Mendel'schen Regel oder Unabhängigkeitsregel.] Abbildung 2.11: Unabhängige Vererbung (Copyright 2023 Claus Vogl) Es werden wieder die Null- und die Eins-Ausgangslinien unterschieden und es werden zwei Loci an unterschiedlichen Chromosomen betrachtet. In Abb. 2.11. stellen die vertikalen blauen Linien unterschiedliche Chromosomen dar, auf denen die zwei Loci A und B liegen. Die Null-Linie hat nur Null-Typ Allele, die Eins-Linie entsprechende mit Eins-Typ Allelen. Die F1-Generation ist wieder genetisch uniform und heterozygot an allen Loci, deren Allele sich bei den Ausgangslinien unterscheiden. Die Vererbung der Allele der beiden Loci ist unabhängig, sodass sich die Wahrscheinlichkeiten in der F2 durch Multiplikation der Wahrscheinlichkeiten der Genotypen der Loci A und B ergeben. Es ist zu beachten, dass in diesem Beispiel von der Null-Elternlinie an beiden Loci Null-Allele vererbt werden. Eine Aufspaltung unterschiedliche Allele gibt es nur bei den von der F1 produzierten Gameten. Gekoppelte Vererbung und Rekombination Liegen zwei Loci auf unterschiedlichen Chromosomen, so werden ihre Allele, wie oben beschrieben 29 unabhängig voneinander vererbt. Liegen die zwei Loci jedoch auf demselben Chromosom, ist die Vererbungswahrscheinlichkeit der beiden Loci assoziiert (was bedeutet, dass die Allelvarianten, die am selben Chromosom liegen, gekoppelt vererbt werden). Eine weitere Größe, nämlich die Rekombinationswahrscheinlichkeit r, ist nötig um die Vererbungswahrscheinlichkeiten der beiden Loci adäquat zu beschreiben. Abb. 2.12: Gekoppelte Vererbung und Rekombination (Copyright 2023 Claus Vogl) Es werden wieder die Null- und die Eins-Ausgangslinien unterschieden und es werden 2 Loci am selben Chromosom betrachtet. In Abb. 2.12. stellen die vertikalen blauen Linien die Chromosomen dar, auf denen die zwei Loci A und B liegen. Da die Loci am selben Chromosom liegen, spricht man von Allelkombination auf einem Chromosom (genannt Haplotyp). Die Null-Linie hat nur Haplotypen mit Null-Typ Allelen, die Eins-Linie entsprechende mit Eins-Typ Allelen. Die F1-Generation ist wieder genetisch uniform und heterozygot an allen Loci, deren Allele sich bei den Ausgangslinien unterscheiden. Jedoch kommt es während der Meiose bei der Bildung der Gameten zu Überkreuzungen zwischen den Chromosomenarmen (Crossing over). Dies ist symbolisiert durch die Kreuze in Abb. 2.12. Dieser Übergang entsteht molekular durch einen Doppelstrangbruch der DNA und Ligieren (siehe auch Kapitel Meiose). Die Rekombination hat in der Meiose der Parentalgeneration keine Auswirkungen auf die Haplotypen des Chromosoms, da beide Loci für dieselben Allele homozygot sind. In der Meiose der F1 kann aber durch Rekombination ein Chromosom produziert werden, das an einem Locus der eine elterliche Typ ist, am Anderen jedoch der andere elterliche Typ weitergeführt wird. In Fall der Rückkreuzung zu einer Elternlinie (hier wieder die Null-Linie) erhalten die Nachkommen immer die gleichen Allele der Elternlinie (im Beispiel Abb. 2.12. also die Null-Allele der Loci A und B). In der F2 können aufgrund der Rekombination in der F1 vier Haplotypen entstehen: die Ausgangshaplotypen (wo es zu keiner oder einer geraden Anzahl an Überkreuzungen kommt, also 0, 2, 4, etc.) und zwei weitere, die durch Rekombination entstanden sind (wo es zu einer ungeraden Anzahl an Überkreuzungen kommt, also 1, 3, 5, etc.). In diesem Fall sind die entstandenen Genotypen der beiden Loci in der F2 nicht unabhängig, sondern assoziiert mit der Rekombinationsrate r, die der Proportion einer ungeraden Zahl von Überkreuzungen in diesem Intervall entspricht. Die Rekombinationsrate während der Meiose ist bei Menschen und Tier sehr 30 niedrig: im Durchschnitt findet in etwa eine einzige Überkreuzung pro Chromosom pro Meiose statt. Liegen 2 Loci nahe benachbart auf einem Chromosom, treten neu rekombinierte Haplotypen mit geringerer Frequenz auf (r ist niedriger), als wenn die Loci weit entfernt voneinander am Chromosom liegen. Hilfreich für das Verständnis sind die Wikipedia Seiten: https://de.wikipedia.org/wiki/Mendelsche_Regeln https://de.wikipedia.org/wiki/Meiose https://de.wikipedia.org/wiki/Genkopplung". 3 STOFFWECHSEL 3.1 KOHLENHYDRATE Kohlenhydrate (Saccharide) sind energiereiche, organische Polyhydroxycarbonylverbindungen, die aus den chemischen Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) aufgebaut sind. Dazu zählen unter anderem die Verbindungen Traubenzucker und Rohrzucker, aber auch Cellulose und Stärke. Sie unterscheiden sich in ihren Molekülgrößen und daraus resultierenden Eigen- schaften. 3.1.1 Bildung von Kohlenhydraten Beim Vorgang der Photosynthese produziert die Pflanze aus energiearmen anorganischen Verbindungen mit Hilfe des Sonnenlichtes Kohlenhydrate für die Energiegewinnung. Die hergestellten Einfachzucker (Monosaccharide) dienen als Bausteine für alle weiteren Kohlen- hydrate. Photosynthese Bei der Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) aus der Luft und Wasser (H2O) aus der Erde, kann die Pflanze in ihren Blattgrünkörperchen (Chloroplasten) mit Hilfe von Chlorophyll und Sonnenlicht Glucose (Traubenzucker) bilden. Dieser Vorgang geschieht unter Abgabe von Sauerstoff (O2), welcher vom Menschen ebenfalls zum Überleben benötigt wird. Nimmt der Mensch Kohlenhydrate auf, werden diese unter Sauerstoffaufnahme wieder zu Kohlenstoffdioxid und Wasser gespalten. Man nennt diesen Vorgang Atmung, es wird dabei Energie frei. 3.1.2 Einteilung der Kohlenhydrate Je nach Anzahl der Zuckerbausteine und der damit steigenden Molekülgröße unterteilt man die Kohlenhydrate in vier Gruppen: Mono-, Di-, Oligo- und Polysaccharide. Die meisten Zuckerbausteine sind aus sechs Kohlenstoffatomen aufgebaut und werden deshalb als Hexosen bezeichnet. Davon abweichend sind Arabinose, Xylose oder Ribose, die nur ein C-5 Skelett (5 Kohlenstoffatome) besitzen. Man bezeichnet diese Zucker daher als Pentosen. Monosaccharide Monosaccharide, auch Einfachzucker genannt, bestehen aus nur einem einzigen Zuckerbaustein, die allgemeine Summenformel lautet: Cn(H2O)n. Man bezeichnet sie mit einem Trivialnamen und der Endung „-ose“. Glucose (Traubenzucker) ist ein süßer, gut wasserlöslicher Einfachzucker und bildet den Grundbaustein für viele Oligo- (z.B. Saccharose) und Polysaccharide (z.B. Cellulose). Man findet ihn vor allem in Obst, Gemüse, Honig und Süßigkeiten. Für den Menschen ist Glucose sowohl für die Energieversorgung als auch als Baustein von Glycogen besonders wichtig. So wird bei einem Überangebot von Glucose diese in Form des Polysaccharids Glycogen in Leber- und Muskelzellen gespeichert und bei Bedarf wieder daraus freigesetzt. Fructose, auch Fruchtzucker genannt, ist ebenfalls ein natürlich vorkommender, sehr süßer Einfachzucker und findet sich wie Glucose, in Obst, Gemüse, Honig und Süßigkeiten. Fructose ist als Baustein des Disaccharids Saccharose (Rohr- oder Rübenzucker) weit verbreitet. 31 Disaccharide Die allgemeine Summenform