Vorlesung: Fragestellungen, Themenfelder und Wissenschaftsgeschichte der Frauen- und Geschlechtergeschichte PDF

Summary

Diese Vorlesung zum Wintersemester 24/25 befasst sich mit der Wissenschaftsgeschichte von Frauen- und Geschlechtergeschichte. Sie beleuchtet verschiedene Perspektiven auf die Geschichte, analysiert Themen wie Arbeitsteilungen und Bewegungen, und diskutiert die Entwicklung der Geschlechterforschung. Die Datei enthält eine umfassende Übersicht.

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VO Fragestellungen, Themenfelder und Wissenschaftsgeschichte der Frauen -und Geschlechtergeschichte Johanna Gehmacher Wintersemester 24/25 Inhalt A. Wissenschaft und die Ordnung der Geschlechter................................................................ 2 1. Einführung: Perspektive...

VO Fragestellungen, Themenfelder und Wissenschaftsgeschichte der Frauen -und Geschlechtergeschichte Johanna Gehmacher Wintersemester 24/25 Inhalt A. Wissenschaft und die Ordnung der Geschlechter................................................................ 2 1. Einführung: Perspektiven auf Geschichte............................................................................. 2 2. Wissenschaftlichkeit, Staatlichkeit und Geschlecht............................................................... 3 3. Begriffspolitiken: Warum heißen Säugetiere Säugetiere?...................................................... 3 In der Natur lesen – die politische Bedeutung von Naturbegriffen......................................... 4 4. 5. Männer und Fakten, oder: Was macht einen Historiker aus?................................................. 4 B. Nach Frauen in der Geschichte forschen.............................................................................. 5 1. Geschichtswissenschaft in den 1960er Jahren....................................................................... 5 2. Anfänge der Frauengeschichte............................................................................................ 5 3. Erste Systematisierungen.................................................................................................... 7 C. Ökonomien, Arbeitsteilung, Geschlechterverhältnisse......................................................... 9 1. Arbeitsteilungen in öffentlichen und privaten Räumen.......................................................... 9 2. Für wen ist Arbeit eine Tugend?........................................................................................10 3. Die Polarisierung der Geschlechtercharaktere.....................................................................11 4. Was hat Hausarbeit mit Kapitalismus zu tun?......................................................................12 5. Ökonomien und Geschlechterverhältnisse im globalen Kontext............................................14 D. Frauenbewegungen, feministische Bewegungen..................................................................15 1. Feminismus, Frauenbewegung Begriffsgeschichte..............................................................15 2. Ziele und Strategien der Frauenbewegung..........................................................................16 3. Ziele und Strategien der Arbeiterinnenbewegung................................................................18 4. Gemeinsamkeit und Differenzen........................................................................................19 E. Geschlechterregime und Handlungsräume im Feld des Politischen...................................20 1. Der Vertrag als Rahmen: politische Handlungsräume in der Moderne...................................20 2. Gleichheit als Prinzip: das allgemeine Wahlrecht................................................................21 3. Politik des Paradoxen: Gleichheit und Differenz.................................................................22 4. Menschenrechte und Geschlecht........................................................................................24 F. Kategorien und flüchtige Identitäten..................................................................................25 1. Gender ohne Sex...............................................................................................................25 2. Frauen – ein „flüchtiges“, „schwankendes“ Kollektiv – Denise Riley...................................26 3. Gender als analytische Kategorie – Joan W. Scott...............................................................28 4. Mit der Kategorie Gender arbeiten – Beispiel Scott.............................................................30 G. Körper, Texte, Geschlecht..................................................................................................32 1. Die Gewordenheit des scheinbar Natürlichen......................................................................32 2. Körpergeschichte – historische Geschlechtermodelle (Laqueur)...........................................33 3. Körpergeschichte – Erfahrungen des Leibes (Duden)..........................................................34 4. Performativität und Geschlecht (Butler)..............................................................................35 5. Körpererfahrung und Körperdiskurse.................................................................................36 H. Generativität als historisches Thema..................................................................................37 1. „Leben schenken“ – Bedeutungen, Kontexte und Regulationen von Generativität.................37 2. Kindesweglegung – Das Findelhaus als institutionelle Verwaltung sozialer Not....................39 3. Schwangerschaftsabbruch – Abtreibung als politisch erkämpftes Recht................................40 I. Vielfältige Perspektiven: Intersektionalität, Interdependenzen...........................................42 1. Intersektionalität und Interdependenzen..............................................................................42 2. Black Studies und Critical Whiteness Studies.....................................................................44 3. Reflexionen von Intersektionalität in transnationalen Forschungsräumen..............................45 J. Sexualitäten, queere Geschichte, trans*historische Perspektiven........................................47 1. Kritik der Heteronormativität und die Geschichte der Sexualitäten.......................................47 2. Queer Studies, Queer Theory.............................................................................................48 3. Queere Geschichte und trans*historische Perspektiven........................................................49 K. Das Paradoxon der „allgemeinen“ Geschichte....................................................................50 1. Terminologien, Abgrenzungen...........................................................................................50 2. Die Nicht-Einheit der Geschichte (Karin Hausen)...............................................................51 3. Only Paradoxes to Offer (Joan W. Scott)............................................................................52 L. Timelines. Zur Produktivität von reflexiven Anachronismen im historischen Denken........54 1. Periodisierungen: Wann beginnt aus geschlechtergeschichtlicher Sicht der Zeitgeschichte?...54 2. Terminologien: Gab es im 18.Jahrhundert feministische Bewegungen?................................55 3. Radikale Historisierung: War Christine de Pizan eine weibliche Intellektuelle?.....................55 1 A. Wissenschaft und die Ordnung der Geschlechter 1. Einführung: Perspektiven auf Geschichte a. Zugriffe historischen Denkens Wonach fragt die historische Forschung? Es gibt vier verschiedene Blickrichtungen in der historischen Forschung, die von verschiedenen Disziplinen geprägt sind Geschichte des politischen Denkens Es wird untersucht wie Menschen in bestimmten Zeiten das Gemeinwesen selbst beschreiben und welche Aspekte diese Beschreibung beeinflusst haben. Es wird also eine historische Beschreibung des sozialen Lebens geschrieben. Dabei wird nach der Richtung des politischen Denkens gefragt, woran sich politische Akteure orientieren. Diese Blickrichtung ist vor allem durch die Politikwissenschaft geprägt. Theoretische Perspektiven auf vergangene Gesellschaften Der Blick in die Vergangenheit unter Betrachtung gegenwärtiger Theorien. Das Ziel ist die Überprüfung von spezifischen Zusammenhängen zu bestimmten und verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit. Zum Beispiel entsteht der Begriff der Klasse erst später als das Phänomen der Klasse untersuchbar ist. So werden Kontinuitäten gefunden, die eine plötzliche Entwicklung oder einen Fortschritt in Frage stellen. Alle Generationen schreiben aus ihrer zeitlichen Situiertheit heraus ihre eigene Version der Geschichte, wodurch die Vergangenheit zum Echoraum wird, auf den wir nur partiell zugreifen können. Dieser Ansatz kommt aus der Soziologie. Auseinandersetzung mit der Komplexität des historischen Materials Es werden Verflechtungen historischer Aspekte untersucht und dabei die Widersprüchlichkeit historischer Zeugnisse analysiert. Diese Blickrichtung ist spezifisch für die Geschichtswissenschaft. Historizität von Begriffen und ihren Bedeutungen Hierbei geht es um die Aktualisierung der Begriffe und Perspektiven. Dabei ist zentral die Unterscheidung der historischen Bedeutungen und der Aktualisierung ins Zentrum zu rücken. Ein Beispiel dafür die der Demokratiebegriff. Wichtig ist also der Zusammenhang zwischen Begriff und Kontext. b. Historische Frauenforschung, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, Feministische Geschichte Gewordenheit des scheinbar Überzeitlichen Joan Scott formuliert die Bereiche der historischen Frauenforschung aus dabei bezieht sie sich auf den Begriff der „effektiven Historie“ von Michel Foucault. Durch die konsequente Trennung von direkten Linien zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart wird die Vergangenheit ungleich dem Heute und die Zukunft somit offen. Es entfällt die Gewissheit des Blicks auf die Gegenwart. Die Frauen -und Geschlechtergeschichte knüpft in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit daran an und schlussfolgert, dass dementsprechend die Zuschreibungen zu Geschlechtern und andere Annahmen nicht überzeitlich sind. Daraus folgt die Gestaltbarkeit der Beziehung zwischen Geschlechtern 2 Perspektivenvielfalt Es werden in der Frauen -und Geschlechterforschung aus verschiedenen Perspektiven mit verschiedenen Zielen verschiedene Themen neu verhandelt und gedacht. Die Situiertheit des Wissen (Begriff von Donna Harway) spielt dabei eine zentrale Rolle, so wird auch hier meistens aus einer Perspektive des globalen Nordens, bzw. einer transatlantischen Perspektive gedacht. Gebrauchsweisen der Geschichte Die Geschichte ist immer ihrem Selbstzweck verpflichtet und daher immer im Kontext ihrer gesellschaftlichen Situation und den daraus resultierenden Interessen zu betrachten. Das Ergebnis historischer Forschung kann allerdings von politischen Akteuren genutzt werden. Stuart Hall beschreibt die Wissenschaft als „Umweg zu etwas Wichtigerem“. Die europäische Geschichtswissenschaft gründet sich im 19.Jh. und ringt seither mit dem Verhältnis von Nähe und Abgrenzung von der Politik. Als recht junges Phänomen ist die Legitimation des Staats über den Begriff der Nation zu betrachten. Geschichte dient hier der Legitimation. Die Geschichte, die sich immer mehr zu Wissenschaft herausbildet wirft den feministischen Bestrebungen im Feld der Geschichte Ideologie vor, woraufhin die feministische Seite damit kontert, dass sie dazu da ist die ideologischen Bestrebungen der Geschichte aufzudecken und daher diese der Ideologie zu bezichtigen sei. Es bildet sich der Konflikt in der feministischen Geschichte heraus, inwiefern die Wissenschaft politisch sein solle. Die Aufgabe der Geschichte kann es also sein das Handeln, das auf die Erkenntnisse folgt zu reflektieren. 2. Wissenschaftlichkeit, Staatlichkeit und Geschlecht Konstituierung moderner Wissenschaftlichkeit und moderner Staatlichkeit Eine Grundthese der Geschlechterhistoriker*innen lautet, dass die Essentialisierung von Weiblichkeit im 18.Jh. die Vorstellung von Binarität und die Exklusion der Frauen im 20. Und 21. Jh. verursacht hätte, das Denken also noch im 18.Jh. feststecke. Im Zusammenhang damit steht die Verknüpfung von Wissenschaft und Staat. Beide Bereiche sind im 18. Jh. noch nicht in Gänze entwickelt und müssen sich zunächst gegen die Kirche und Herrschaftlichkeiten durchsetzen. Dafür berufen sich beide auf die Objektivität der Natur. Die Natur wird also das erste Mal als rational statt magisch betrachtet und ist somit nicht mehr mit der Schöpfungsgeschichte vereinbar. Dieser Prozess ist die Säkularisierung des Erkenntnisprozesses. Als Mitte sich diese Perspektive durchsetzt, auch wenn sie noch nicht institutionalisiert ist, hat sie dementsprechende Wirkung auf die politischen Verhältnisse, da der Erfolg der Wissenschaft dazu führt die göttliche Legitimation der Herrschaft zu hinterfragen. Es folgt die Vorstellung der naturgegebenen Gleichheit der Menschen aber gleichzeitig die Legitimation der Unterscheidung der Menschen durch das Naturrecht. Daraus werden vermeintlich objektive Bilder der Natur des Menschen geformt 3. Begriffspolitiken: Warum heißen Säugetiere Säugetiere? Systematik der Pflanzen -und Tierklassen nach von Linne Karl von Linne beschreit 1735 die verschiedenen Klassen der Lebewesen: 3 Vögel, Amphibien, Fische, Insekten, Würmer und Brusttragende Mamalia – also Säugetiere. Londa Schiebinger untersucht diese Einteilung 1995 und analysiert das Verhältnis zwischen Erkenntnis und Geschlecht im 18.Jh.. Sie stellt fest, dass die Pflanzen bezüglich der Fortpflanzung mit Geschlechtern aufgeladen werden, was gar nicht nötig ist. Vermutet wird, dass diese Zuteilung von einer Faszination mit Geschlechterdifferenz herrührt. Die weibliche Brust als Namen gebendes Organ der Tierklasse Es stellt sich außerdem die Frage warum in der Benennung von Tierklassen nur die Säugetiere über Organe, die in der Fortpflanzung relevant sind verwendet werden. Logischer wäre eine Unterscheidung anhand der Haare, den vier Herzkammern oder der Ohrhöhle. Die Brust zum Stillen betrifft nur die Hälfte der Gruppe und ist nur kurz in dieser Funktion. Natur als Milch gebende Jungfrau Eine Begründung könnte sein, dass das Trinken von Tiermilch mystisch und religiös aufgeladen ist. So glaubt man, dass die Milch auf diesem Weg Fähigkeiten überträgt und interpretiert die Milch als etwas Heiliges. Der Begriff wird also symbolisch aufgeladen, um den Menschen im Tierreich zu legitimieren. 4. In der Natur lesen – die politische Bedeutung von Naturbegriffen Geschlechterpolitische Bedeutung von Linnes Begriffswahl Die Wahl der Begriffe ist stark aufgeladen. Aus Ihnen wird später eine logische Verbindung von Weiblichkeit zur Natur und im Gegenteil dazu Männlichkeit in der Vernunft verortet. Ein Grund für die Begriffswahl auch um ebendas zu erreichen könnte darin liegen, dass Linne Arzt war und engagierter Teil der Kampagne Stillen. Diese polemisiert es die Kinder zu Ammen aufs Land zu geben, was gemacht wurde, damit die Mutter nicht als Arbeitskraft ausbleibt. Die darin steckende Klassenidee dient der Propaganda von einem bürgerlichen Familienbild, in dem die Frau in der Küche und bei den Kindern verortet wird. Das Argument ist, dass ihr nährenden Brüste sie auf natürliche Weise im Häuslichen verorte. Der Begriff ist also eine sozio- politische Entscheidung. 5. Männer und Fakten, oder: Was macht einen Historiker aus? Warum ist das Feld der Politik männlich geprägt bzw. konstituiert? Bonny Smith gibt eine Antwort auf zwei Ebenen: Das Feld der Geschichte war beschränkt auf Politikgeschichte, die sich zum Beispiel mit der Legitimation von Nationalstaaten beschäftigte. Das Selbstbild der Politik wiederrum, ist es allerdings sich selbst in der Geschichte zu finden, z.B. in einem bürgerlichen Familienideal. Daher verschwinden Frauen. Geschichtsschreibung von Frauen würde diesen Kreislauf durchbrechen jedoch wurde weibliche Geschichtsschreibung zum Feind erklärt und als unwissenschaftlich abgetan. 4 B. Nach Frauen in der Geschichte forschen 1. Geschichtswissenschaft in den 1960er Jahren Zeitreisen Was ist Geschichtswissenschaft? Sie versucht in den 60er Jahren das Vergangene und das Wissen zu verschiedenen Zeitpunkten zu beschreiben. Durch die Imagination der Vergangenheit werden Lücken mit aktuellen Bildern gefüllt. Scheinbare Geschlechtsneutralität und neutrale Ergebnisse im Hinblick auf Gender und Race In den Geschichtswissenschaften der 60er Jahre werden die als wichtig markierten Bereiche der Gesellschaft, also Politik, Krieg und Macht untersucht. Dabei sind die Akteure anscheinend ausschließlich Männer, die Geschichte, eine Geschichte der Männer. Außerdem ist die Geschichte und ihre Forscher weiß und aus der Oberschicht. Dabei hinterfragen die Wenigsten diese Zustände. Es wundert niemanden und es wird damit argumentiert, dass die Geschichte eben nicht von Frauen handeln kann, weil Frauen zum Beispiel nicht in der Politik sind und, dass das einseitige Forschen deshalb nichts mit dem Fach und seinem Blick zu tun hätte, es sogar stattdessen objektiv, neutral und wissenschaftlich sei. Warum gibt es so wenige Historikerinnen? Es wird davon ausgegangen, dass das Fehlen der Frauen in auch viel früheren Tagen der Geschichte daran liegen würde, dass Frauen eben schon immer das tun was sie machen und auch deshalb kein Teil der Geschichte sein müssten, denn diese kümmere sich um Veränderungen. In den 70er und 80er Jahren werden diese Annahmen hinterfragt und explizit nach den Frauen in der Geschichte gefragt. Ursachen des Frauenausschlusses Der Ausschluss der Frauen aus den modernen Geschichtswissenschaften begründet sich schon in der Gründung der modernen Wissenschaft, Staatenbildung und dem damit einhergehenden Ausschluss der Frau aus der Öffentlichkeit. Hier findet sich der Ausgangspunkt dafür, wie Frauen zum Beispiel Bildung verboten wird oder ein Studierverbot ausgesprochen wird, sodass Frauen und ihre Perspektiven in der Wissenschaft fehlen. Das Verbot wird in manchen europäischen Ländern erst im 20.Jh. aufgehoben, bis Frauen aber an die Uni kommen dauert es bis in die 60er Jahre. Hier ergibt sich auch der Zusammenhang zum Wahlrecht. Dieses wurde häufig ausgeschlagen, indem man auf die Ungebildetheit der Frauen verwies, was sich als durchlässig erwies. Folgen des Frauenausschlusses Die Vorstellung der Historiker von Faktizität, Objektivität und Wissenschaftlichkeit bilden sich auch außerhalb der Uni in verschiedenen gesellschaftlichen Konflikten ab. 2. Anfänge der Frauengeschichte Gegeninstitutionen Vorschläge für eine neue Frauengeschichte Vorerst bildet sich eine neue Frauenbewegung, die außerhalb des Rahmens der Universität einen Raum für Bildung und Ideen bildet. Mit den Sommerakademien in den 70er Jahren entwickelt sich eine Gegeninstitution zur Uni. Dabei spielen die Bilder eine große Rolle. Verwiesen wird zum Beispiel auf Wandmalerei der Antike, 5 die eine Frau mit Buch zeigt, um zu zeigen, dass es gebildete Frauen schon immer gab und die daran anschließen wollen. Auch stellen sie Fotos nebeneinander, auf einem Frauen im Hörsaal, auf dem anderen ein Mann der die Kinder betreut. Die Bilder dienen der Mobilisierung, Motivation und Provokation. Es entstehen gleichzeitig Vorschläge für eine neue Frauengeschichte. In den USA werden schon in den 60er Jahren die women history gegründet und Natalie Zemon Davis wird zu einer zentralen Figur. In den 70er Jahren schreibt sie einen Aufsatz zu den Geschichtswissenschaft in dem sie Kritik an Ausblendung der Frauen aber auch positive Beispiele für Forschung über Frauen formuliert. Sie fordert, dass es aufgrund der Einschränkungen der Frauenforschung eine neue Frauengeschichte braucht. Damit hinterfragt sie die Geschichtswissenschaft grundlegend und möchte Neukonzeption bisheriger Ergebnisse (z.B. Epochengrenzen, Themenauswahl, Thesen und Ergebnisse). Die Tradition der Frauengeschichte und ihre Defizite Die bisherige Frauengeschichte sammelt Arbeiten von Frauen bis in die Antike und betrachtet dabei oft einzelne Biografien. Dieses Genre von Biografie Sammlungen sind anfangs religiös geprägt und werden im säkularen Bereich übernommen. Eine bekannte Sammlung schreibt Emma Adler mit Die berühmten Frauen der französischen Revolution 1789-1795 (1909). Sie schreibt auch von Olympe de Gauge, um Frauen dazu zu ermutigen politisch zu denken. Dies sind aber keine wissenschaftlichen Arbeiten, es gibt keine Quellen, sondern eine spezifische Funktion des Textes. Manche Texte gehen über eine solche spezifische Funktion hinaus und Kontextualisieren die Biografien mit historischen Bedingungen. So wird dieses Genre verwissenschaftlicht. Natalie Zemon Davis zitiert solche Werke aus dem 20 Jh., zum Beispiel von Alice Clarks oder Leon Abensur. Dabei lobt sie die Quellennutzung, Differenzierung der Kategorie Frau, die Infragestellung bisheriger Erkenntnisse und vor allem, dass auch Erklärungen und der Suche nach theoretischen Zugängen Thesen entwickelt werden, die respektvoll mit dem Gegenstand umgehen. Darin sieht Davis den Fortschritt. Programmatik für die Erneuerung der Frauengeschichte Davis formuliert also Forderungen an eine neue Frauengeschichte: Einbeziehung historischer Demographie (Schichtbedingte Differenzen interdisziplinär erforschen) Infragestellen der Bilder zur Struktur der Familie (Umdenken vom vermeintlichen Umbrich von Groß- zu Kleinfamilie, mehr Faktoren untersuchen) Einbeziehung neue Methoden (Verbindung aus quantitativer und qualitativer Forschung) Intensiverer Auseinandersetzung mit der Sexualität (wurde ab dem 19.Jh. in der Forschung verschleiert) Orientierung an allgemeinen Richtungen in der Geschichte (Tendenz zur Integration in Fakultät) Geschlecht als zentrale Kategorie historischen Forschens Durch das Bestreben sich auch den klassischen Themen der Geschichte zu widmen und die enge Verbindung zur Sozialgeschichte durch die Betrachtung von Gender und Race im Zusammenhang konzipiert Davis Geschlecht als zentrale soziale 6 Kategorie. Damit verbunden ist der große Optimismus, dass die Historiker das so an -und übernehmen. Auch wird klar, dass sich Frauen -und Geschlechtergeschichte in der Geschichte selbst relevant machen wollen und nicht nur als Protest wahrgenommen werden wollen. Sie stellen neue Fragen und benutzen neue Quellen. Es gibt einen neue Analyse von Machtbeziehungen und Sozialstrukturen, der Ebene der Symbole, die Neukonzeption des Begriffs Eigentum und das Überdenken der Zeiteinteilung der Geschichte. Weil Davis als Feministin bereits im Professionellen Feld der Wissenschaft verankert ist kommt die Hoffnung auf, dass ihre Gedanken in der Wissenschaft tatsächlich etwas verändern. Auch in der Politik erhoffte man sich Veränderung, vor allem durch die vielen anderen politischen Gruppen und Protesten, die eine Veränderung in der Politik forderten. Die Gewordenheit des scheinbar Natürlichen darstellen, um so für Politische Veränderung zu sorgen. Politscher Optimismus, Schwäche der Geschichtswissenschaft Weil die Geschichtswissenschaft zu diesem Zeitpunkt recht schwach ist hat die Frauen -und Geschlechtergeschichte gutes Standing. Mit dem Wachsen des Feldes benötigt man eine gewisse Systematisierung und es stellt sich die Frage nach der Institutionalisierung. Historische Frauenforschung – Interdisziplinarität Der Begriff der historischen Frauenforschung legt nahe, dass es noch andere Frauenforschungen gäbe und es sich hier um die spezifische, nämlich die historische handeln würde. Dementsprechend wird dieser Begriff als interdisziplinär verstanden und der Frauen – und Geschlechtergeschichte eher eine disziplinäre Verortung. 3. Erste Systematisierungen Kompensatorische und kontributorische Forschung Kompensatorische Forschung meint es lediglich die Lücken, die es in der Forschung gibt zu füllen. Kontributorische Forschung meint dahingegen neue Erkenntnisse in den Bereichen zu erzeugen, die vorher als wichtig erachtet wurden, Frauen darin aber in der Geschichtsschreibung übersehen wurden. Man erzählt also was „auch“ Frauen gemacht haben, während die grundlegenden Kategorien oder Wertungen nicht hinterfragt werden. Unterdrückungsgeschichte Unterdrückungsgeschichte wird Mechanismen, die die Stellung der Frauen erzeugen erklären und aufbrechen. Das Problem daran ist, dass das Ziel eine verallgemeinernde These ist, die die Frauen als eine homogene Masse versteht und Differenzen ausblendet. Auch wird die Option ausgeschlossen, dass auch Frauen machtvolle Positionen inne hatten. Differenzierung der Fragen statt Definition universaler „Weiblichkeit“ Eine wichtige Entwicklung ist dementsprechend die Differenzierung des Frauenbegriffs und der Fragen, statt ein Beharren auf einer universellen Weiblichkeit. 7 Frauengeschichte und Sozialgeschichte Daraus ergibt sich auch eine breite Kooperationen mit der Sozialgeschichte, die sich mit Klasse, Entwicklung der Familie, Transformation der Arbeitsteilung usw. beschäftigt. Dazu beschäftigt sich die Geschlechtergeschichte ab den 80er Jahren mit der Frage nach der Beziehung zwischen den Geschlechtern, wodurch sich der Begriff der Frauen -und Geschlechtergeschichte nochmals verändert. Verhältnis zu anderen Kategorien - Intersektionalität Die Geschlechtergeschichte findet sich auch in intersektionalen Zusammenarbeiten wieder zu Beispiel im Forschung zum Zusammenhang von Gender und Race oder Gender und Class. Kritik des Biologismus - Kritik des Begriffs der Geschlechterrollen Die Frauen -und Geschlechtergeschichte übt Kritik am biologischen Determinismus und am Bezug auf eine vermeintliche Biologie. Selbst aber nutzt sie zwei Begriffe, nämlich das biologische und kulturelle Geschlecht. Kritik der Kategorie Geschlecht Außerdem wird Kritik am Begriff Geschlecht geübt, weil es den Anschein macht, als würde man der spezifischen Frauengeschichte nicht mehr nachgehen. 8 C. Ökonomien, Arbeitsteilung, Geschlechterverhältnisse 1. Arbeitsteilungen in öffentlichen und privaten Räumen Zwischen Fabrik, Büro und Haushalt Illustration aus: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen. Juli 1976. Berlin 1977 Öffentlichkeit, Privatheit, Politik Motivation für die Forschung ab den 70er Jahren nach geschlechtsspezifischen Ökonomien ist politischer Natur durch die Beobachtung, dass Arbeit nach Geschlecht aufgeteilt wird und Frauen weniger oder kein Geld als Entlohnung erhalten im Vergleich zu Männern. Dabei orientieren sich die Fragen der Forschung an Lebensorten und vor allem der Unterscheidung von Orten der Ökonomie als öffentlich und privat und deren Konnotationen, zum Beispiel deren Entlohnung. Infragestellung von Arbeitsteilung Für öffentlich und privat sind auch psychologische Sphären gemeint, also die Gegenüberstellung von Emotionalität vs. Rationalität. Dahinter steht die Vorstellung dass der öffentliche Raum, der politische, der Konkurrenz behaftete Raum Rationalität braucht. Gegenüber der „private“ Raum, für den die Vorstellung herrscht, dass er ein Ort der Entspannung und Pflege ist, der Emotionalität erfordert. Es werden Räume gegenübergestellt und mit psychologischen Eigenschaft aufgeladen. Außerdem wird mit öffentlich und privat auch gemeint, dass die Politik auf jeden Fall öffentlich ist und nicht privat. Diese Haltung ist historisch nicht alt, denn, dass Politik mit den Aufgaben des Organisierens der Öffentlichkeit betraut wird kommt aus den Demokratisierungsprozessen der Neuzeit. Dabei wurde die bürgerliche Geschlechterideologie aus dem 17. Und 18.Jh. wurde dabei als Schutzraum im Gegensatz zum staatlichen öffentlichen Erwerb gesehen. Ökonomien und Machtverhältnisse Daraus folgert die Frage nach den Zusammenhängen Hausarbeit und Kapitalismus bzw. Reproduktion und Produktion. Die Frage danach wie diese Färbung der Kategorie der Weiblichkeit entsteht, obwohl die Fabriken im Frühkapitalismus zu einem hohen Maße Orte sind, an denen Frauen arbeiten. Sie sind geringer entlohnt und haben keine Ausbildung, denn ihre Fähigkeiten werden ihnen als natürliche für ihr Geschlecht zugewiesen werden. Die Frauen sind leicht ausbeutbar, weil die Arbeit oft nur temporär im Leben stattfindet und auch deshalb, weil sie für Kinder sorgen müssen und deshalb seltener die Arbeitsstelle verlassen können, was eine Protestform der Männer ist. Dieses kapitalistische Kalkül ist nicht nur privaten Kapitalisten vorbehalten, sondern auch der Staat beutet Frauen auf diese Weise aus. Familiäre Arbeitsteilungen Die Arbeitsteilungen im Privaten werden zu Begründungen und Voraussetzungen für die Arbeitsteilungen im Öffentlichen, zum Beispiel dafür wer wie entlohnt wird. Außerdem dafür, wer sich im Politischen engagieren kann. Diese Einteilungen organisieren also auch die ökonomischen -und Machtverhältnisse, weil die Frauen qua der Ideologie der Naturgebundenheit an den privaten Raum gebunden sind. 9 Die Geschichte dieser Verhältnisse hat die Forscherinnen früh schon interessiert, dazu drei Texte: 2. Für wen ist Arbeit eine Tugend? Über die Veränderung der Klassenverhältnisse zwischen Frauen und damit verbunden die Frage für wen wann Arbeit eine Tugend ist The Lady and the Mill Girl (Gerda Lerner, 1969) Die bürgerliche Hausherrin = Mill Girl. Wichtiger Text des second feminist wave, ein Text über die geschlechterspezifischen Verhältnisse in der Entstehung der USA. Welche Rolle spielt Geschlecht in der Siedlergesellschaft der first Nation, bei der verschiedene Ideen aus Europa mitgebracht werden, einige überwunden werden sollen, andere nicht? Siedlergesellschaften sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich selbst erfinden. Die Arbeitsmoral der Siedlergesellschaft Die Siedlergesellschaft ist hierarchisch strukturiert, Strukturen, die noch aus Europa mitgebracht werden. Aber alle müssen arbeiten und die Arbeit aller wird als wertvoll und notwendig gesehen. Für alle ist Arbeit eine Tugend. Veränderung durch die Industrialisierung: Frauen sind diejenigen, die in die Fabrik gehen, Männer bleiben in der Landwirtschaft. Während der Wert für Grund und Boden gleichbleibt, sinkt der Wert der Frauenarbeit in den Fabriken durch den Zustrom von Arbeitskräften aus Europa stark ab. Die ökonomische Abwertung führt zu einer symbolischen Abwertung und so wird die Moral der Frauen und ihre Weiblichkeit in Frage gestellt.. Müßiggang als Beweis von ökonomischem Erfolg Weiblichkeit wird jetzt zunehmend über die Lebensformen der Mittel -und Oberschicht definiert. In dieser wird der Müßiggang der Frauen, nicht arbeiten zu müssen im Wert verstärkt. So wird der Frau zugeschrieben nicht zu arbeiten. Die Arbeit wird also Tugend für Männer aber nicht mehr für Frauen. “Another result of industrialization was in increasing differences in life styles between women of different classes. When female occupations, such as carding, spinning and weaving, were transferred from home to factory, the poorer women followed their traditional work and became industrial workers. The women of the middle and upper classes could use their newly gained time for leisure pursuits: they became ladies.” Gerda Lerner: The Lady and the Mill Girl, 11 Die Geschlechterideologie der bürgerlichen Klasse und die Ausgrenzung der Frauen aus der Politik Es ergibt sich der Gegensatz zwischen dem Salon und der Fabrik als Orte Gegensatz, an dem sich Frauen aufhalten und bürgerliche Ideale erfüllen oder brechen. Wichtig ist, dass Lerner den Ausschluss der Frauen aus der Politik nicht nur auf Ideologie zurückführt, sondern auf Ideologie, deren Praktik und Arbeitsteilungen. Ausblendung der indigenen Gesellschaft In der US-amerikanischen Forschung bleiben Frauen indigener Gesellschaften bis weit ins 20.Jh. ausgeblendet. 10 3. Die Polarisierung der Geschlechtercharaktere Karin Hausen, Die Polarisierung der Geschlechtercharaktere, 1976 Über das Auftauchen der Geschlechtercharaktere Das Auftauchen des „Geschlechtercharakters“ um 1800 Ausgangspunkt des Aufsatzes ist die Beobachtung, dass die Beschreibung von Männlichkeit und Weiblichkeit an Qualität gewinnt und im Diskurs viel Energie bindet. Plötzlich werden in Konversationslexika weibliche und männliche Charaktere beschrieben, was zuvor keine Rolle spielt. Der weibliche und männliche „Geschlechtercharakter“ „Daher offenbart sich in der Form des Mannes mehr die Idee der Kraft, in der Form des Weibes mehr die Idee der Schönheit. (…) Der Geist des Mannes ist mehr schaffend, aus sich heraus in das Weite hineinwirkend, zu Anstrengungen, zur Verarbeitung abstracter Gegenstände, zu weitaussehenden Plänen geneigter; unter den Leidenschaften und Affecten gehören die raschen, ausbrechenden dem Manne, die langsamen, heimlich in sich selbst gekehrten dem Weibe an. Aus dem Manne stürmt die laute Begierde; in dem Weibe siedelt sich die stille Sehnsucht aus. Das Weib ist auf den kleinen Kreis beschränkt, den es aber klarer überschaut; es hat mehr Geduld und Ausdauer in kleinen Arbeiten. Der Mann muß erwerben, das Weib sucht zu erhalten; der Mann mit Gewalt, das Weib mit Güte oder List. Jener gehört dem geräuschvollen öffentlichen Leben, dieses dem stillen häuslichen Cirkel. Der Mann arbeitet im Schweiße seines Angesichtes und bedarf erschöpft der tiefen Ruhe; das Weib ist geschäftig immerdar, in nimmer ruhender Betriebsamkeit. Der Mann stemmt sich dem Schicksal selbst entgegen, und trotzt schon zu Boden liegend noch der Gewalt; willig beugt das Weib sein Haupt und findet Trost und Hilfe noch in seinen Thränen.“ Aus: Conversations-Lexikon oder Handwörterbuch für die gebildeten Stände; Bd. 4, 3. Auflage Leipzig, Altenburg 1815, 211, zit. nach Hausen, Polarisierung, 366 Vom Stand zum Charakter – Wechsel des Bezugssystems Das Besondere ist, dass diese Zuschreibungen auf große Gruppen neu ist. Zuvor gab es auf sehr kleine Gruppen in kleinen Werken Zuschreibungen, jetzt ist es in einem wissenschaftlichen Lexikon auf die großen Gruppen Mann und Frau. Dissoziation von Erwerbs -und Familienleben Relevant ist diese Zuschreibung erst einmal vor allem für eine kleine Gruppe des Bildungsbürgertums, in dem sich das Feld des Erwerbs am schnellsten vom Haus abtrennt, Formalisierung und Rationalisierung der Arbeit. Dies führt zu Dissoziation von Erwerbs -und Familienleben. Im 19.Jh. ist das noch eine minore Lebensrealität, erst im 20.Jh. wird diese Lebensform verbreitet gelebt. In der Frauenforschung um 1900 gibt es große Bestrebungen gegen diese Zuschreibung. Was bedeutet es, dass auch heute diese Zuschreibungen verstärkt werden? Ehe und Familie als Sozialformen moderner Gesellschaft Vor diesem Hintergrund werden Ehe -und Familienleben zu hegemonialen Lebensformen im 20.Jh., zu dem man sich immer weniger Alternativen vorstellen kann. 11 ➔ Hausen weist darauf hin, dass seit dem 18.Jh. sich Arbeit zunehmend am Rentabilität und Effizienz orientiert wird, nicht an Bedürfnissen oder Tugend (Rationalisierung) und Gegenüber dem wird Familie als Ort der Bedürfnisorientierung entworfen, wo psychische und physische Reproduktion stattfindet, was den Frauen zugewiesen wird. „Wichtig ist aber, daß zumindest für das Bürgertum diese Leistungen auch im Prozess der Verallgemeinerung von gesellschaftlich organisierter Arbeit dadurch sichergestellt werden, dass die Zuständigkeit für diese Arbeiten innerhalb der privat abgeschlossenen Familie und damit jenseits der gesellschaftlich herrschenden Zweckrationalität bei der Gattin, Hausfrau und Mutter festgeschrieben wird. Ideologisch wird diese spezifische Form der Aufteilung gesellschaftlich notwendiger Arbeit als natürliches Verhältnis interpretiert und die überantwortete Zuständigkeit für den einen oder anderen Leistungsbereich den Geschlechtern mit dem Natur-Argument gleich von Geburt her auf den Leib zugeschrieben.“ Karin Hausen: Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“- Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben, in: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart 1976, 363-393, 390f 4. Was hat Hausarbeit mit Kapitalismus zu tun? Gisela Bock und Barbara Duden über das Verhältnis von Hausarbeit und Kapitalismus von 1977 Familienformen und Arbeitsteilung Historische Veränderlichkeit von Familienformen Familie wird zunächst aus ihrer vermeintlichen Naturgegebenheit genommen und historisiert, was erkennbar macht, dass auch das Konzept Familie geworden ist. Transformationen von Arbeitsteilung Zunächst wird herausgestellt, dass durch die verschiedene Organisation von Familie auch die Arbeit, die dort anfällt, nicht immer Frauensache war, sondern Familie anderen Funktionalitäten von Haus und Öffentlichkeit folgt oder arme Teile der Bevölkerung sich eine strikte Einteilung nicht leisten konnten und/oder auch Kinder Arbeit leisteten. Mit den Transformationen der Arbeitsteilung entstehen ganz verschiedene menschliche Beziehungen und kulturelle Bedeutungen. Die Forscherinnen kommen aus marxistischen Denkstrukturen, die genau wie vormoderne Denkansätze Arbeit biologisch begründet, die Forscherinnen sitzen also dem bürgerlichen Ideal auf. Daher: „Hausarbeit galt und gilt der Wissenschaft ebenso wie der Volksmeinung und einem großen Teil der Frauenbewegung als unhistorisch. Hausarbeit sei, so unterstellt man, so alt wie die Menschheit selbst, bzw. wie der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau bzw. wie die Unterdrückung der letzteren; sie sei immer die gleiche, ihrem Wesen nach eine naturgeschichtliche Konstante, hierin am ehesten der Sexualität vergleichbar. Beide hängen in der Tat engstens zusammen: gilt doch Hausarbeit als labor of love, ‚Arbeit aus Liebe‘.“ Gisela Bock/ Barbara Duden: Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus, in: Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen Juli 1976. Berlin 1977, 118-199, 121 12 Erwerbsarbeit in der Industriegesellschaft Sie stellen heraus, dass das Konzept der Hausarbeit erst in ihrem aktuellen Sinne entsteht, als das Öffentliche der Ort der Produktion und der Konzentration von Geld und Macht wird, also mit der Industrialisierung. Dadurch kommt es zur Auseinanderteilung von Familien -und Erwerbsarbeit, sodass beide Seiten neuformuliert werden und geschlechtliche Zuschreibungen gemacht werden. Hausarbeit und Liebe Hausarbeit: historisches Überbleibsel oder neues Phänomen? Durch die obengenannte Teilung erscheint der Haushalt und die Hausarbeit als traditioneller Rest. Marxistisch wäre es zu sagen, dass dieser Rest modernisiert werden muss. Im Aufsatz wird sich dagegen gewandt und argumentiert, dass das Konzept der Hausarbeit erst durch den Kapitalismus entsteht und gleichzeitig von diesem unsichtbar gemacht wird. Die Funktion der Liebe Zur Unsichtbarmachung gehört, dass die Hausarbeit aus Liebe geschehen soll, sie also keine Arbeit sondern Liebe. Alle Frauen werden Hausfrauen Die Ideologie der Hausfrauen breitet sich im 20.Jh. so stark aus, dass alle Frauen Hausfrauen werden. Rationalisierung der Hausarbeit So tut sich ein Graben auf, zwischen der permanenten Beschreiung dessen was eine Frauen zuhause leisten muss und alle werden Hausfrauen, während man sich diese einseitige Erwerbsarbeit auch leisten können muss. Besonders zu Zeiten des Kriegs oder der Hochkonjunktur benötigt man vor allem die Frauen, also muss man rationalisieren warum Frauen in Private gehören. Man versucht die Hausarbeit effizienter zu machen, besonders nach dem 2.WK. Das Problem bei der Rationalisierung ist, dass mit jedem Schritt der Rationalisierung, also mit jedem möglich werden der Tätigkeit, wird mehr Tätigkeit gefordert. Lohn und Arbeit Ökonomische Theorien stellen Arbeit maßgeblich über ihren ökonomischen Tauschwert dar, weshalb Hausarbeit nicht zu nennen ist. Eine Idee ist daher, die Entlohnung der Hausarbeit zu fordern, damit die Frauen in ökonomischen Theorien mitgedacht werden und Arbeitskampf führen können. Ein Problem ist, dass man so Gefahr läuft Frauen auf diese Rolle festzuschreiben. Die andere Frage ist, wer dafür zahlt, hierfür ist eine bestimmte Staatsorientierung bedeutsam. 13 5. Ökonomien und Geschlechterverhältnisse im globalen Kontext Was feministische Forscherinnen nicht beleuchtet haben, später aber in der feministischen Ökonomie zentral wird: Hausarbeit und Pflege im Kontext transnationaler Ketten von Warenverkehr und Arbeitsmigration Es kann keine Lösung sein die Kämpfe um die Hausarbeit in Industrienationen so zu lösen, dass die Arbeit an Frauen aus dem globalen Süden ausgelagert wird, weil sie auf auch niedrige Entlohnung angewiesen sind. Globale Ungleichheit und Ausbeutung der Arbeit von Frauen Transnationale Familien und die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit 14 D. Frauenbewegungen, feministische Bewegungen 1. Feminismus, Frauenbewegung Begriffsgeschichte Interesse an historischen Bewegungen Sowie auch andere politische Bewegungen, orientieren sich die ersten Frauenbewegungen an anderen historischen Bewegungen um sich abzugrenzen, anzuknüpfen oder nach Organisationsformen zu suchen. Der Rückblick auf diese sich bildenden Frauenbewegungen ist dadurch erleichtert, dass sie Selbstdokumentation und Archivierung betreiben. Dabei müssen die Quellen kritisch behandelt werden. So schreiben Frauen nach dem 1.WK rückblickend über ihre Kämpfe um 1900 und erläutern, inwiefern sie doch recht hatten. Feministische Historikerinnen sind früh an den historischen Frauenbewegungen interessiert. Zum Beispiel Gerda Lerner, 1969, wenn sie nach der Declaration, die in den USA das Frauenwahlrecht fordert, forscht und fragt, warum es keine Koalition zwischen den Arbeiterinnen und der bürgerlichen Frauenbewegung gab. Sie begründet dies in der Industrialisierung. Begriffsbestimmung, Begriffsgeschichte Der Begriff der Frauenbewegung orientiert sich an der im 19.Jh. als Fakt verkaufte Geschlechterdifferenz. Frauenbewegung, Frauenbewegungen Im Singular beinhaltet der Begriff einen programmatischen Anspruch auf die Frauenfrage. Zur Mitte des 19.Jh. bedeutet das das Interesse an der Problemlage, die die bürgerliche Geschlechterideologie geschaffen hat. Sie ist also gegen Ausbeutung der Arbeitskraft der Frauen, gegen den Ausschluss aus der Politik und hinterfragt die „Geschlechtercharaktere“. Damit regiert die frühe Frauenbewegung auf eine spezifische Konfliktlage. Allerdings zeigt der Singularbegriff nicht die Verschiedenartigkeit der vielen Frauenbewegungen bezüglich Strategien, Themen und Anliegen. Daher bietet der Plural einen besseren Blick. Gemeinsam haben die beiden Begriffe, dass sie an der Lage der Frauen und der Verbesserung dieser interessiert sind. Unterschiedlich ist dabei wer mitgemeint ist und welches Thema im Zentrum steht. Begriffsgeschichte von „Feminismus“ Im späten 19.Jh. in Frankreich kommt der Begriff feminisme auf, der im deutschen mit der Endung -ismus die Programmatik signifiziert, vgl. Sozialismus, Nationalismus usw.. Ab den 1890 Jahren benutzen spezifische radikale Frauenwahlrechtsaktivist*innen in Frankreich den Begriff Feminismus statt Frauenbewegung, weil linke Männer sie unterstützen. Das Wort wandert dann im 20.Jh. in den englischen Raum, wo er jeglichen Feminismus in Frankreich meint oder den militanten Flügel der englischen Frauenwahlrechtsbewegung. In den USA wird der Begriff des Feminismus nach dem 2.Weltkrieg ein Abgrenzungsbegriff zu denjenigen, die zuvor für das Frauenwahlrecht gekämpft haben. In den 60er Jahren meint der Begriff in den USA ein besonderes Interesse am rechtlichen Rahmen für Frauen, weniger am kulturellen, weshalb der Begriff women liberation folgt. Im deutschen Sprachraum wird der Begriff der neuen Frauenbewegung genutzt, bis sich in den 80er Jahren der Begriff des Feminismus als mit bestimmten Theorien aufgeladen versteht. Danach kommt es zu zwei Faktoren: zum Einen projizieren Frauenhistorikerinnen in der Wissenschaft den Begriff des Feminismus zurück ins 15 19.Jh. und zum Anderen wird er Begriff in der politischen Sphäre zu einem Kennzeichen liberaler Gesellschaften und im globalen Süden als negativ konnotiert, weil er in Verbindung mit den Zivilisationsmissionen steht, deshalb bilden sich hier eigene Begriffe aus. POC in den USA bilden den Begriff des womenism heraus, weil sie sich vom Feminismus nicht mitgemeint fühlen. Mit diesem organisieren sie sich vor allem lokal. Begriffe sind kontextspezifisch und wandelbar und bedürfen daher einer kontextualisierenden und historisierenden Analyse 2. Ziele und Strategien der Frauenbewegung Die Themen der Frauenbewegungen in Österreich-Ungarn um 1900 sind politische, soziale Rechte, Rechtegeleichstellung, Arbeit, Bildung und die Kritik an der bürgerlichen Weiblichkeitsideologie. Dabei ist nicht etwa der deutschsprachige Raum dominant, sondern Frauenbewegungen gibt es im gesamtem Gebiet und die verschiedenen Gruppen sind untereinander vernetzt. Außerdem verbinden sich die Frauenbewegungen mit den Nationalstaatsbewegungen und können so ihre Interessen stärken Der Kampf gegen die reglementierte Prostitution Ein weiteres zentrales Thema ist der Kampf gegen die Reglementierung der Prostitution. In diesem transnationalen Kampf spielt das Beispiel Großbritannien eine große Rolle. In Großbritannien fordert eine gewissen Ms. Butler die geschlechterdiskriminierenden Hygienegesetze abzuschaffen. Durch diese Bemühungen kann die Auseinandersetzung mit Klassenverhältnissen (Bürgerlichkeit & Prostituierte) mit der Möglichkeit der Frauen der Oberschicht die Doppelstandards zwischen Mann und Frau in der eigenen Klasse verbinden. Denn das Hygienegesetz sollte zur Prävention von Geschlechtskrankheiten beitragen. Dafür wurden Prostituierte zwanghaft untersucht und Sperrgebiete errichtet. Männer werden allerdings nicht untersucht oder anders eingeschränkt. Männliche Sexualität wird hier als selbstverständlich und logisch gesehen, während Frauen ihre Sexualität abgesprochen wird oder sie dafür abgewertet werden. Diese Einschätzung dient in bürgerlichen Ehen der Legitimation des Ehebruchs des Mannes, während einer der Frau stark negativ ist. Ausgehend von Großbritannien wird in sämtlichen europäischen Ländern gegen Reglementierungen der Prostitution gekämpft. So wird 1893 in Österreich-Ungarn beim Reichsrat eine Petition zur Abschaffung der Reglementierungen mit Verweis auf Großbritannien abgegeben. Diese wird nicht einmal diskutiert aber die Bemühungen 1886 dokumentiert und eine Veranstaltung dazu abgehalten, wo auch eine Broschüre entsteht. Bildung und Erwerbsmöglichkeiten Zum Beispiel: der Wiener Frauen-Erwerb-Verein 1866 Die bürgerlichen Frauenbewegungen fordern die Möglichkeit auf Erwerb für Frauen. Das Familienideal verhindere Erwerbsarbeit für Frauen und es wird Kritik an der Mädchenerziehung laut. Durch sie würde Frauen keine Individualität zugestanden, sondern Mädchen würden auf die Bedürfnisse des künftigen Ehemanns trainiert. Außerdem erhalten Mädchen keine Bildung was wichtig ist für eine spätere 16 Erwerbsarbeit. Mädchen ist es verboten auf Gymnasien zu gehen oder Berufsschule zu besuchen. Radikale bürgerliche Frauen der Frauenbewegung schaffen daher eigene Bildungsinstitutionen, die privat finanziert und organisiert sind. Ein Beispiel dafür ist der 1866 gegründete Wiener Frauenerwerbsverein. Hier sollen anfangs Witwen und Waisen (zuvor Krieg, der zur Doppelmonarchie führt) gebildet werden, damit sie das Fehlen der Männer bewältigen können. Geschickt verbindet der Verein patriotische Ansätze und Frauenpolitische Anliegen. Als Vorbild für den Wiener Frauenerwerbsverein dient ein Berliner Verein. 1870 wird ein Antrag darauf gestellt, dass es Realgymnasien für Mädchen geben soll. 1892 setzt der Verein für erweiterte Frauenbildung dieses Anliegen selbst um und die ersten Mädchen gehen dort zu Schule und maturieren extern an den Jungenschulen, an denen beim Abschluss die Zulassung zur Universität auf dem Abschlusszeugnis gestrichen wird. Erst nach dem 1.Weltkrieg erhalten Mädchen ebenfalls staatliche Bildung an Gymnasien, auch wenn das Studieren an Universitäten noch offen ist. Die Forderung nach politische Partizipation für Frauen Die bürgerlichen Frauenbewegungen fordern außerdem an öffentlicher Verwaltung und Gesetzen beteiligt zu werden. Das Argument lautet, dass eine Verbesserung für ihr Leben nur eintreten kann, wenn sie an entsprechenden Gesetzen mitwirken. So ergibt sich ein klassischer Widerspruch politischer Bewegungen, denn sie wollen über ein Differenzargument Gleichheit herstellen. Historisch gilt das erste Wahlrecht nur für einen kleinen Teil der Gesellschaft, vor allem wohlhabende oder mächtige Menschen. Als es 1899 auf mehr Menschen ausgeweitet werden soll wird aus einer geschlechtsneutralen Bezeichnung derer die wählen dürfen die Bezeichnung „Männer“. Somit sind Frauen aus dem Wahlrecht ausgeschlossen. Verbot der politischen Betätigung (RGBl. 1867, Nr. 134, § 30) Die Frauenbewegungen gründen 1892 das Komitee in Angelegenheiten des Frauenwahlrechts, was die Sozialdemokraten in ihr Parteiprogramm mitaufnehmen. Dieses Komitee ist spezifisch ein Komitee und kein Verein, weil es bis nach dem 1.Weltkrieg mit dem Paragraf 30 für Frauen verboten ist in politische Vereine aufgenommen zu werden. Der Kampf ums Wahlrecht als transnationale Bewegung Die Frauenbewegungen sind transnational vernetzt, was unteranderem daran erkennbar ist, dass Broschüren auf verschiedenen Sprachen erstellt werden. Eine Herausgeberin ist die international woman suffragette alliance, die 1904 in Berlin gegründet wird. Die Frauenbewegungen vernetzen sich, berichten und tauschen sich aus auf Veranstaltungen. Dabei wird häufig von eigenen Erfolgen erzählt, sodass die anderen das auch in Angriff nehmen. Zum Beispiel wird 1906 das Wahlrecht für Frauen in Finnland eingeführt, was alle elektrisiert. 17 Die bürgerlichen Frauenbewegungen fordern also eine umfassende Veränderung der Gesellschaft und neue Geschlechterverhältnisse. Sie werden getragen von Frauen aus Bildungsschichten. Außerdem haben sie vielfältige Beziehungen zu anderen Bewegungen, auch mit Spannungen. 3. Ziele und Strategien der Arbeiterinnenbewegung Organisierung der Arbeiterinnen Die Arbeiterinnenfrauenbewegung fordert Schutz vor Ausbeutung im Erwerb und mit dieser sozial politischen Forderung auch das Frauenwahlrecht. Sie organisieren sich trotz erheblicher Widerständen, wie die hohe Arbeitsbelastung, wenig Bildung und dem Nichtinteresse der männlich geprägten Arbeiterbewegung. Sie organisieren sich also zunächst außerhalb der Partei oder anderen sozialistischen Bewegungen. 1898 halten die Frauen ein Komitee ab ohne das mit der Partei abzusprechen. Dadurch können sie unter den arbeitenden Frauen agitieren. Sie verbinden Gewerkschaftsarbeit und Frauenwahlrechts Aktivismus. Ab 1909 haben sie ein Vertretungsrecht als Bewegung in der sozialistischen Partei. Arbeiterinnenbildungsvereine: Alphabetisierung, politische Bildung 1890 bildet sich ein Arbeiterbildungsverein, der von bürgerlichen Frauen aus der Frauenbewegung unterstütz wird. 1892 schlagen die bürgerlichen Frauen auch eine gemeinsame Konferenz vor, die Arbeiterinnen lehnen aber ab. Überhaupt er gegründet wird der Verein, weil die Männer keine Frauen bei ihren Treffen zulassen. 1893 gründet sich der Leseclub Liberte, der Arbeiterinnen zur politischen Diskussion ausbildet und von Adelheid Popp geleitet wird. Textilarbeiterinnenstreik Wien 1893 Am 3.Mai streiken die Arbeiterinnen einer Textilfabrik, weil eine Kollegin aufgrund von politischem Aktivismus gekündigt wurde. Jetzt streiken alle anderen solange, bis sie wieder eingestellt wird. Der sog. „Streik der 700“ ist der erste selbstständige Streik von Frauen. Daher rührt auch der Tag der Arbeit am 01.Mai. Dokumentation des Elends, Kritik an der Ausbeutung Ende des 19.Jh. wird das Wahlrecht auch von Arbeiterinnen gefordert. Dabei begegnen sich die bürgerliche Frauenbewegung und die Arbeiterinnenbewegung und sie dokumentieren gemeinsam die aktuellen Arbeitsbedingungen, in dem sie Interviews führen und ein Dokument aufsetzen zu den Verhältnissen vor Ort. Die bürgerliche Frauenbewegung und die sozialistischen Arbeiterinnen trennen sich durch die Vernetzung internationaler sozialistischer Bewegungen mit der Begründung, dass jede Klasse ihre eigene Frauenbewegung mit eigenen Zielen und Strategien haben soll. Durch die Abgrenzung von den Bürgerlichen kann die Arbeiterinnenbewegung in die Sozialdemokratie eingewoben werden. Sozialistische Fraueninternationale, Frauentag 1911 Auf der sozialistischen Fraueninternationale wird ein internationales Frauensekretariat geschlossen und eine Resolution zum Frauenwahlrecht aufgesetzt. 18 Auf der zweiten Fraueninternationalen 1910 wird ein Frauentag gefordert, um gut agitieren zu können an einem ganzen Tag. Daraus werden Demonstrationen für das Wahlrecht. Es sind 20 000 Menschen da und die Demo wurde Monate vorbereitet. Besonders ist hierbei, dass es um das Wahlrecht für alle Männer ging und die Frauen ihre Anliegen hinten angestellt haben aus strategischen Gründen. Im Mittelpunkt steht der Erfolg der Sozialdemokratie. Dadurch stehen nun die Männer in einer Bringschuld und die bürgerliche Frauenbewegung zweifelt an der Arbeiterinnenbewegung. Der Frauentag zeigt, dass alle europäischen Städte hinter dem Wahlrecht stehen, auch für Frauen, selbst wenn das aus strategischen Gründen nicht gleich klar ist. 4. Gemeinsamkeit und Differenzen Gleiche Ziele in unterschiedliche Kontexten Bildung Rechte Soziales Organisationsprinzipien sind nicht politisch neutral Nationalstaat als Rahmenbedingung internationaler Organisierung „Reinliche Scheidung“ vs. Überparteilichkeit Single issue Wahlrecht „unpolitische“ Wohltätigkeit Antikolonialismus und/oder Feminismus Kooperationen finden trotzdem statt 19 E. Geschlechterregime und Handlungsräume im Feld des Politischen 1. Der Vertrag als Rahmen: politische Handlungsräume in der Moderne Gesellschaftsvertrag In der modernen Demokratie dient der Gesellschaftsvertrag als Basis. Die unteranderem mythologische Metapher besteht darin, dass die Söhne eines Patriarchen stürzen und sich im Anschluss vertragliche gegenseitig Freiheit und Gleichheit zugestehen. So soll auch die moderne Demokratie von anderen politischen Systemen befreit werden und man einigt sich auf die Freiheit. Die Legitimation des Staats kommt so durch einen guten Tausch zustande. Dafür die unsicherer und willkürliche Natur (das Chaos ohne Rechte und Verträge) soll aufgegeben werden, im Gegenzug erfährt man Schutz. Dieses Konzept setzt die natürliche Freiheit der Menschen schon voraus. Statt Gewalt der Väter sollen sich die Menschen durch diesen Tausch nun dem Staat unterwerfen. Diese Staatstheorie ist also die Theorie der bürgerlichen Freiheit. So haben in der Folge Staat und Individuen zum gleichen Maß Eigentum an der eigenen Person. Die bürgerliche Gesellschaft ist somit eine Vertragsgesellschaft. Im 19.Jh. wird an diesem Konzept marxistische Kritik geübt. So wird argumentiert, dass die proklamierte Gleichheit gar nicht gegeben ist von Anfang an. Man könne nicht Gleichheit unterstellen wo keine ist, weil man ansonsten nur die Ausbeutung der Menschen legitimiert. Geschlechtervertrag Feministische Kritik wird ebenfalls formuliert. Im Zentrum steht hier die Verfelchtung von Macht und Politik im Privaten. So wird der Ehevertrag kritisiert, da dieser folglich von Ungleichheit und Gleichheit zur gleichen Zeit ausgeht. In den USA formuliert Carole Pateman: Mit dem Gesellschaftsvertrag wird ein Geschlechtervertrag geschlossen, der die Geschlechter reguliert. Die Regulation der Geschlechter wird so zur Basis der modernen Demokratie. Dies drücke sich im Ehevertrag aus, der von ungleichen Partnern ausgehe. Durch diese Basis sichern sich Männer untereinander freien Zugang zu Frauen zu und konzipieren so das Patriachat als Grundlage der modernen Demokratie. Sie kritisiert den Gesellschaftsvertrag also als Vertrag unter Männern. Grundvertrag Das Private kann nicht vom Öffentlichen getrennt werden, weil die Verortung der Frau im Privaten die Voraussetzung für die Form des Öffentlichen bringt. Es bestehe eine untrennbare Verknüpfung. Der Grundvertrag bestehe also darin, dass Männer Freiheit bekommen, während Frauen unfrei sind. „In dieser Fassung der Geschichte wird die bürgerliche Gesellschaft nach dem Sturz der Herrschaft der Väter – oder des Patriarchats – durch den Grundvertrag hergestellt. (...) Die bürgerliche Gesellschaft entsteht durch Vertrag, wodurch Vertrag und Patriarchat als einander ausschließende Gegensätze erscheinen. Diese vertrauten Lesarten der klassischen Geschichten erwähnen nicht, daß viel mehr auf dem Spiel steht als die Freiheit. Bei der Abfassung des Grundvertrages stehen die Herrschaft der Männer über die Frauen und das Recht der Männer auf gleichen sexuellen Zugang zu den Frauen zur Debatte. Der Gesellschaftsvertrag ist eine Geschichte der Freiheit; 20 der Geschlechtervertrag ist eine Geschichte der Unterwerfung. (…) Der Grundvertrag beinhaltet Freiheit und Herrschaft gleicherweise. Der Grundvertrag regelt die Freiheit der Männer und die Unterwerfung der Frauen – und das Wesen der bürgerlichen Freiheit ist unverständlich ohne die fehlende Hälfte der Geschichte, die offenbart, wie das patriarchale Recht der Männer über die Frauen vertraglich festgelegt wird. (...) Die Söhne stürzen das patriarchale Recht nicht nur, um ihre Freiheit zu erringen, sondern auch, um sich die Frauen zu sichern. (...) Der Grundvertrag (...) ist das Instrument, mit dem das moderne Patriarchat festgeschrieben wird.“ - Carole Pateman Dies kann eine Erklärung dafür sein warum mit der Proklamation der Gleichheit, Zum Beispiel beim Wahlrecht ohne Unterschied durch das Geschlecht, nicht die Ungleichheit der Geschlechter auflösen können. Denn es besteht ein Paradoxon der Gleichheit und Ungleichheit. 2. Gleichheit als Prinzip: das allgemeine Wahlrecht „Die Frau als Wählerin“ Als der öffentliche Raum von Frauen erobert wird, zum Beispiel im Wahlrecht von 1918 in der österreichischen 1.Republik, wird Gleichheit zum Prinzip. Als Reaktion auf diese Gleichheit werden frühere Ungleichheiten wieder stark. Ein Beispiel kann im Leitartikel „Die Frau als Wählerin“ erkannt werden: Hier werden paradoxe Formulierungen von Gleichheit und Differenz zusammen geführt. Es wird in Frage gestellt, welche Folgen der politische Umsturz hat und inwiefern die Frauen vielleicht nicht reif genug sind für das Wahlrecht, wodurch man sich bemüht sie zu bilden. So werden sie adressiert. Frauen als Adressatinnen der Parteien Das Paradox von Gleichheit und Ungleichheit wird zunächst im Optimus über die Entwicklung aufgelöst. Dann wird aber deutlich welche Schwierigkeiten sich ergeben. Für politisch hoch gebildete Frauen ist es beispielsweise schwer eine politische Heimat zu finden, weil sich mit dem Frauenwahlrecht die Parteienlandschaft nicht angepasst hat. Das eingegangene Band zwischen Frauen, die Verbundenheit darüber gemeinsam gegen die Benachteiligung bei der Wahl vorzugehen, scheint nicht mehr stark, jetzt wo es zumindest auf dem Papier Gleichheit gibt. So werden die Differenzen zwischen den Frauen in ihrer politischen Ausrichtung deutlich. In der Debatte und in den Aufrufen, die Frauen zum wählen überzeugen sollen, wird „die Frau“ angesprochen. Die Frauen erleben eine Homogenisierung. Dies ist verwunderlich, da die Frauen nun die größte Wahler*innengruppe ist. Daran ist erkennbar wie wenig sich mit Geschlechterpolitik auseinandergesetzt wurde, denn wenn spezifischer auf Frauen eingegangen wurde, dann ging es um Mütter. Es ging allerdings nie um spezifische politische Interessen, sondern wurden die Frauen in ihrem Frausein adressiert. Die Männer allerdings werden nie versucht mit ihrem Mannsein und als homogene Gruppe versucht zu überzeugen. Die Geschlechterdifferenz lebt also in der Adressierung trotz rechtliche Gleichheit wieder auf. Diese Differenz wird von der Politik selbst hergestellt und macht aus rechtlicher Differenz eine politische Differenz und bildet im Zuge des Abschaffens der einen Asymmetrie eine neue. Den Frauenbewegungen fällt es schwer darauf zu reagieren. Die Arbeiterinnenbewegung findet sich selbst obsolet, löst ihre Gruppe auf und schließt 21 sich der Sozialdemokratie an. So verlieren sie ihre Machtbasis für den Kampf innerhalb der Partei und so könne sie die unsichtbare Ungleichheit nicht mehr adressieren und so auch die innerparteiliche Hierarchie nicht bekämpfen. Die bürgerliche Frauenbewegung beschließt für sich die Überparteilichkeit als Grundprinzip, um möglichst viele Frauen zu versammeln. Damit begibt sie sich allerdings in die machtlose Situation keine Partei mehr herausfordern oder kritisieren zu können, genauso wenig temporäre Allianzen mit manchen zu formen und endet so in wenig politischem Einfluss. Die homogene Kategorie Frau ist und bleibt problematisch, kann jetzt aber nicht mehr adressiert werden. Wie wählen die Frauen? Österreich ist ein Spezifikum, weil sie hier bis nach den 2.WK Wahlzettel an Frauen und Männer in verschiedenen Farben ausgegeben werden und so eindeutige Statistiken zur Geschlechterdifferenz im Wahlverhalten erstellt werden können. Danneberg macht dies. Ergebnis: Ein rein weibliches Elektorat ist ein wenig konservativer als ein rein männliches. Zu der Frage danach, ob Frauen Hitler an die Macht gebracht haben, lässt sich ganz klar sagen, dass zu jeden Zeitpunkt mehr Männer die NSDAP gewählt haben als Frauen. Allgemein ist im Wahlverhalten der Frauen zu erkennen, dass sie tendenziell mittig wählen. So besteht ein Zusammenhang von weiblichen Stimmen für die NSDAP und der Normalisierung der Partei, nachdem vor allem Männer Hitler gewählt haben. In Texten zu den Wahlergebnissen wird häufig von den Frauenstimmen geschrieben aber nie von den Männerstimmen. Auch hier findet also eine gewisse Homogenisierung statt. Die Männer werden hier differenziert und als Normalfall konstruiert, die Frauen dahingegen sind die Abweichung des Mannes. Verwunderlich, da Frauen ja das größere Elektorat bilden. Die spezifische Frauenagitation wird besonders am Ende der 1920er Jahre relevant, als man Angst vor einem Erdrutschsieg der NSDAP hat. 3. Politik des Paradoxen: Gleichheit und Differenz Politische Mandatarinnen – Frauen im Nationalrat Frauen sind als Akteurinnen nur sehr schmal vertreten. Insgesamt machen sie im Nationalrat zwischen 4 und 7 Prozent aus. Am stärksten sind sie noch bei den Sozialdemokraten vertreten, mit ca. 10-15%. Man könnte denken diese wenigen Frauen würden aber dann sicherlich diejenigen vertreten, die ihrem politischem Programm als Stimmgeber*innen zustimmen. Allerdings werden diese Abgeordneten von sich selbst und anderen immer auf das Frau sein heruntergebrochen. So werden sie schon mit dem Satz „Vom Frauenstandpunkt aus“ aufgerufen, wenn sie im Nationalrat sprechen. Die Frauenfrage, die diese Frauen verhandeln sollen scheint als eine spezifische Frauenaufgabe und weicht von den Männeraufgaben (was einfach alle sind) ab. So wird auch hier der Gleichheit mit Differenz begegnet und die Frau als das Andere zum Mann konstruiert. 22 Weibliche Moral oder individuelles Recht? Das individuelle Recht der Frauen steht im Hintergrund. Eher werden Forderungen im Namen der weiblichen Moral formuliert. Sie hätten einen besonderen Zugang zum Leben und deshalb auch eine besondere und wichtige Aufgabe in der Politik. Die Frauenpolitik sei davon geprägt, dass sie bisher von Männern gemacht worden wäre und es nur die Frauen durch ihre Fürsorglichkeit besser machen könnten. Mit diesem Versuch die Forderungen zu legitimieren waren die Frauen erfolgreicher Gehör zu finden als sich auf individuelles Recht zu berufen. Die Frauen als vernünftig zu begreifen und sie deshalb für Politik qualifiziert zu verstehen war wohl noch zu abstrakt. So fördert der Frauenrechtsaktivismus selbst das Bild eines bestimmten Wesens der Frau und fördert eine besondere Differenz. Frauen als politische Akteurinnen Für Frauen als politische Akteurinnen ist vor allem der Umgang innerhalb der eigenen Partei schwierig. Sie haben eine gewisse Ambivalenz zur eigenen Partei. Denn zum einen sind die Frauen das Aushängeschild der Parteien und zum anderen waren und sind diese Männernetzwerke. Auch deshalb machen Frauen die Frauenthemen, denn Handlungschancen scheint es fast nur hier zu geben. Politik für Frauen, frauenspezifische Politik Sozialpolitik Hausgehilfinnengesetz: Hausgehilfinnen haben niedrige Löhne und keine Sozialrechte. Man streitet über bessere Arbeitsbedingungen, wie einen Schlafraum oder mehr Freizeit. Mehr Freizeit steht allerdings immer im Konflikt zu Freizeit der bürgerlichen Frau und wird deshalb auf jeden zweiten Sonntag beschränkt. Hier werden die unterschiedlichen ökonomischen Interessen der Frauen sehr deutlich. Verfügungsrecht über die eigene Gebärfähigkeit Vor allem die Sozialdemokraten drängen auf die Entkriminalisierung der Abtreibung, was die Christdemokraten klar ablehnen, woran das Begehren scheitert. Auch hier tut sich die Differenz der Frauen auf, denn die Sozialdemokraten argumentieren mit Frauen der Unterschicht, die bei Abtreibungen in Hinterhöfen sterben, während sich bürgerliche christdemokratische Frauen eine medizinische und heimliche Abtreibung sehr wohl leisten können und gesellschaftlich nicht geächtet werden. Mädchenbildung Bei dieser Forderung kommt zu mehr parteiübergreifenden Allianzen. Die Ungleichbehandlung, dadurch, dass Mädchen auf teurere private Gymnasien gehen als Jungen, soll damit aufgehoben werden, dass alle Geschlechter auf alle Gymnasien gehen sollen. Dieses Bestreben bringt allerdings die Bildungseinrichtungen, die aus der Frauenbewegung entstanden sind in finanzielle Bedrängnis. Eherecht Beim Eherecht geht es den Abgeordneten um das Recht nach einer Scheidung erneut heiraten zu können, die sozialdemokratische Forderung wird allerdings abgelehnt. Politiker*innen ohne Unterschied des Geschlechts? Es bilden sich durchaus temporäre Allianzen aber einen einheitlichen Frauenstandpunkt gibt es nicht. So tut sich immer wieder das Paradox von Gleichheit 23 und Differenz auf: Über die Adressierung der Frauen kann man sich Gehör in Politik verschaffen, kann dann aber keine Mehrheit generieren, weil Frauen nicht eine homogene Masse sind. 4. Menschenrechte und Geschlecht Staatliche und überstaatliche Rechtsdiskurse Überstaatliche Rechtediskurse wirken häufig auf einen universellen Rahmen hin, wobei sich die Frage nach den grundsätzlichen Rechten der Menschen stellt. Besonders nach dem 2. WK gibt es viele Staatenlose Menschen und als Antwort auf die Zeit des Nationalsozialismus wird die allgemeine Erklärung der Menschenrechte geschrieben. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) Diese Erklärung ist kein Rechtszustand, sondern die Vereinten Nationen dienen als Bündnis als Ausgangspunkt dafür, dass Nationen diese Grundsätze übernehmen in nationale Politik. 24 F. Kategorien und flüchtige Identitäten 1. Gender ohne Sex Sex/Gender “’Sex’ is a word that refers to the biological differences between male and female (...) ‘gender’ however, is a matter of culture: it refers to the social classification into ‘masculine’ and ‘feminine’. The constancy of sex must be admitted, but also must the variability of gender.” Ann Oakley, Sex, Gender and Society. New York 1972 Der Feminismus und die Frauenforschung der Zeit hatten ein gemeinsames Problem, denn die biologische Determiniertheit der Geschlechter konnten nicht angegriffen werden, denn Wissenschaft ist keine angreifbare Kategorie. Die Geschichtswissenschaft hat daraufhin versucht die Gewordenheit der Geschlechter zu untersuchen. Diesen Umweg wollten nicht alle gehen. Die Soziologie hat daher versucht neue Definitionen zu finden, um dann damit zu argumentieren. Der politische Kontext, der historisierend vorgeht, und der soziologische, an Definitionen gebundene, finden sich in vielen Definitionen wieder, so auch bei Ann Oakley. Sex und Gender waren im Englischen schon mal vorhanden, im Deutschen gibt es diese nicht, es wird von biologischen und kulturellen Geschlecht gesprochen oder der englische Begriff Gender angeeignet. Oakley macht hier eine Mischung aus Sprachbeobachtung und einer Festlegung. Der Diskurs ist normativ. Sie kommt aus dem soziologischen Forschungsfeld der Hausarbeit, was als Thema wenig Anklang erfuhr, es musste um Anerkennung zu erfahren aus dem Kontext der biologischen Determiniertheit entnehmen, damit ein Arbeitszusammenhang, statt einem Liebeszusammenhang herzustellen. Daher rührt die Unterscheidung zwischen Sex und Gender bei Oakley. John Money und John Hampson (Mediziner) suchen ebenfalls nach einer solchen Differenzierung, um in ihrer Forschung zu Menschen deren Geschlecht nicht mit dem ihres Körpers übereinstimmt zu betreiben. Dabei gehen sie davon aus, dass die Realität von Geschlechtsorganen das biologische Sex betreffen und die psychologische Realität Gender. Es gibt eine solche Unterscheidung also schon, die spielt nur in den Gesellschaftswissenschaften keine Rolle bis dahin. Joan W. Scott macht in den 70er Jahren darauf aufmerksam, dass diese Differenzierung ein Akt der Sprachschöpfung ist. So wurde im englischen Wörterbuch in den 1940er Jahren Gender nur als Geschlechtsangabe im grammatikalischen Sinne und nicht im Zusammenhang mit Menschen gedacht. Eine Verwendung des Begriffs Gender auf Menschen oder Tiere könne nur ein Scherz oder ein Fehler sein, heißt es noch 1940. Durch den Feminismus wurde diese Differenzierung auf Menschen übertragen und in die Gesellschaft getragen, was sehr erfolgreich war. Allerdings brachte das Projekt auch große Probleme. Natur/Kultur Die Unterscheidung erlaubte es den Feministinnen sich nur auf den kulturellen Bereich des Geschlechtes zu konzentrieren, was praktisch war, weil ihnen so niemand mit biologischem Determinismus begegnen konnte. Zugleich wurde unsichtbar gemacht, wie diese Unterscheidung einer klassischen Trennlinie der Aufklärung folgt, nämlich der Unterscheidung von Kultur und Natur. Problematisch ist an dieser Unterscheidung, dass die Welt in Gegebenes und Gemachtes, Veränderbares und Unveränderbares, Immer-schon-bestehendes und historische Artefakte unterteilte. Dieser Sichtweise affirmierte die Unveränderlichkeit der Natur und die Kämpfe des 25 Machbaren. So konnte das biologische Geschlecht, als das das unveränderlich sei, nicht historisiert werden. Daher blieb die naturhistorische Differenz unkritisiert. Dadurch auch die Relevanz einer binären Differenz. Binäre Ordnung Dominant blieb also die Vorstellung, dass es über alle Zeiten hinweg und überall immer nur Mann und Frau gab und dies der wichtigste Unterschied zwischen den Menschen sei. Die binäre Weltvorstellung der Moderne wurde so in die Geschichte und nicht-europäische Kulturen hineininterpretiert. Historische Differenzierungen wie Rasse, Klasse oder Alter blieben unbeachtet. Die Vorteile und Grenzen der Unterscheidung von Sex und Gender lässt sich gut an der in den Punkten E.1-3 sehen, also am Paradox von Gleichheit und Differenz. Das Paradoxen besteht darin, dass man aus einem feministischen Anspruch heraus auf eine Geschlechterdifferenz hinweisen möchte (Frauen verdienen weniger als Männer) und die Differenz dabei bestätigt bzw. versieht man sie mit Bedeutung. Gleichzeitig gibt es eine Forderung nach der Aufhebung dieser Differenz (z.B. Frauen und Männer sind gleichermaßen vernünftig und befähigt Politik zu machen), was sich also als feministisches Paradox herausstellt. Die Unterscheidung von Sex und Gender bot so eine Möglichkeit ein veränderbaren Rahmen zu schaffen (Gender), als Preis war zu zahlen Sex nicht historisieren zu können und an der binären Geschlechterordnung festhalten zu müssen. 2. Frauen – ein „flüchtiges“, „schwankendes“ Kollektiv – Denise Riley Gibt es einen Feminismus ohne „Frauen“? Die 1948 geborene Lyrikerin Denise Riley möchte nicht mit den Kategorien Sex und Gender arbeiten und versucht neue Kategorien zu finden. „...’women’ is a volatile collectivity in which female persons can be very differently positioned, so that the apparent continuity of the subject of ‚women’ isn’t to be relied on; ‘women’ is both synchronically and diachronically erratic as a collectivity, while for the individual, ‘being a woman’ is also inconstant, and can’t provide an ontological foundation.” Denise Riley, “Am I That Name?” Feminism and the Category of ‘Women’ in History. Minneapolis 1990 Ihr Blick liegt nicht besonders auf dem Geschlecht und seiner Differenz, sondern spezifisch auf dem Begriff der „Frauen“. Probleme der Identifizierung Sie problematisiert, dass man ein Kollektiv mit diesem Begriff bezeichnet, denn ein solches Kollektivität gäbe es nicht in Realität, es sei konstruiert. Also betrachtet sie wie eine Gruppe an Personen aus der Gesamtheit einer Gesellschaft als Frauen kategorisiert und so ausgelagert wurden. Gibt es einen Feminismus ohne einen Appell an Frauen? Denn „die Frau“ gibt es nicht, so kann sie nicht angesprochen werden ohne die Individualität der einzelnen Personen zu leugnen. Auch der Nutzen des Plural Begriffs steht in Frage (siehe Zitat). Das Kollektiv Frauen ist nicht stabil, so wie das Individuum nicht konstant so ist, wie eine Frau ist. Wie kann der Feminismus dann seine Ansprüche geltend machen, wenn nicht im Namen von Frauen? Dafür verweist Riley auf die Ambivalenz der Geschichte des sozialpolitischen Feminismus. Der Anspruch bestand darin die Kategorie „Frau“ in Anspruch zu 26 nehmen, um spezifische Wünsche sichtbar zu machen/ Ungleichheiten sichtbar zu machen aber auch der Zurückweisung einer Vielzahl von Evokationen. Instabile Kategorien als Chance Die Probleme einer stabilen Kategorisierung können nach Riley weder durch Dekonstruktion (Frauen gibt es gar nicht), noch durch Transzendenz (erst in einer befreiten Zukunft werden Frauen ausmachen können was ihr Frausein bestimmt) gelöst werden. Sie sagt geht darum die Instabilität der Kategorie Frau anzuerkennen und nach ihren historischen Ursachen zu fragen. So würde man davon ausgehen, dass Frau sein in verschiedenen Kontexten der Zeit und des Raumes Unterschiedliches bedeuten kann. So wird die Instabilität zur Chance. Daher lautet ihr Vorschlag, nach den Überschneidungen und Differenzen der Kategorie Frauen und der Definition eines allgemeinen Menschseins zu fragen. Die Frage „Am I a woman as distict from human being?“ könne so differenzierende Antworten auf drei Ebenen ergeben: 1. Selbstbeschreibung einer weiblichen Sprecherin kritisch reflektieren, 2. Führt in einen Diskurs der aktuellen Politik der Frauen und Zuschreibungen und Sexualisierungen der aktuellen Geschlechterverhältnissen, 3. Erlaubt Reflektionen über andere vergeschlechtliche Kategorien und frühere Geschlechterdefinitionen. Voraussetzung dafür ist, dass nicht von einer kontinuierlichen Eigenschaft der Frauen ausgegangen wird über die dann Kategorien nur drüber gelegt werden. Dieser Ansatz, dass sich nur das Sprechen über Frauen verändert habe aber nicht die Kategorie wird hier ausdrücklich nicht vorgenommen. Riley fordert nicht die Abschaffung der Kategorie Frau(en), sondern die radikale Historisierung. Der Zweck der Geschichtsschreibung Als innovativ gilt ihr Ansatz zu betrachten was die Kategorie der Frau produziert hat an verschiedenen Punkten in der Geschichte und sie gleichzeitig danach schaut, was der Kategorie Frau gegenüber gestellt wurde (Klasse, Alter und Co.) und so worauf es bezogen wird. Sie geht also nicht davon, dass dem Kollektiv der Frauen ein Kollektiv der Männer gegenüber gestellt sei, sondern sie fragt, wie um die Kategorie Frau eine Vorstellung der Welt gebaut wurde. Damit orientiert sie sich an Michel Foucault, der als Zweck der Geschichtsschreibung die Infragestellung und Vervielfältigung von Identitäten definiert hatte. Es geht also nicht darum die Wurzeln der aktuellen Identitäten zu finden, sondern die Identitäten zu zerstreuen. Damit steht er entgegen einer machtvollen Metaphorik der Bewegung der Identitätsformation. Das bedeutet die Forderung nach der differenzierenden Auseinandersetzung mit der diskursiven historischen Formation von Identitäten, also die Frage wie Identität überhaupt hergestellt wird. Riley findet, dass erst eine solche Auseinandersetzung einen Bezugspunkt für feministische Strategien bietet. Ihre Dekonstruktion soll nicht in Begriffslosigkeit enden, sondern die Historizität der Kategorie Frauen soll Ausgangspunkt der Analyse sein. Wichtig ist dabei die Zeitlichkeit der Kategorie. Genau das machen soziologische Forschung nicht, Geschichte aber schon. Invokationen einer Kategorie „Frau“ Auch bezüglich der Invokationen auf die Kategorie Frau geht sie davon aus, dass Frauen nicht immer auf gleiche Weise als Gruppe vorhanden sind oder durch ihre 27 Definition transformiert werden, sondern dass die Kategorie Frauen in Momente der Beschreibung und Adressierung hergestellt wird. Wer, wann, wie und mit Welchem Ziel die Kategorie Frau diskursiv herstellt und welche Folgen das hat kann sehr unterschiedlich sein. Geschlechterkrieg im 15.Jahrhundert Ein Beispiel dafür ist die Frauenfrage des 15. Jahrhunderts. Dabei vor allem Christin de Pizans Verteidigung der Frauen in ihrem Buch Von der Stadt der Frauen (1405). Sie macht sich und er Auseinandersetzung mit einem Roman von Jean de Meung zur Sprecherin der Frauen und fordert Respekt. Ihre Legitimation erklärt sie durch eine Metaphorische Erklärung. Sie reagiert auf die Rede auf die Frauen und stellt sie selbst so nochmals her. Das bildet einen ersten Höhepunkt im „Geschlechterkrieg“ vom 15. – 17.Jh., der vor allem durch Texte ausgetragen wird. Dabei werden immer Frauen und Männer vergleichen, um herauszufinden wer besser ist. Es ergibt sich wieder das Paradox von Gleichheit und Differenz. Sexualisierung der Kategorie „Frauen“ Zwischen dem 17.Jh. und dem 19.Jh. ist eine gewisse Sexualisierung der Kategorie Frau zu beobachten. Zu dieser findet Riley, es geht weniger um neue Inhalte der Kategorie Frauen, vielmehr geht es um eine andere Gewichtung dieser Kategorie, in Verbindung mit einer neuen Idee von Natur gebracht werden. Männer als Kollektiv nicht diese umfassenden Redefinitionen wie Frauen. Individuum, Gesellschaft und „Frauen“ So wird zwischen dem 17. Und 19.Jh. die homogene Gruppe der Frauen im Aufklärungsdiskurs konstruiert, einen gleichen Diskurs für Männer gibt es aber nicht, so galten sie mehr als Individuen. So wurden Männer Individuen und Frauen ein soziales gesellschaftliches Kontinuum, sodass sich nicht mehr wie im 15.Jh. Männer und Frauen als Kollektiv gegenüber standen, sondern Frauen werden eine Materie der Gesellschaft ohne Individualität. Sie wurden nicht mehr angefeindet, sondern einfach nicht mehr als Individuen gezählt. Emanzipationsbewegungen und kollektive Identitäten Dies betrifft laut Riley auch andere Emanzipationsbewegungen, weil sie sich auf eine kollektive Identität berufen und so auf die Zeitlichkeit angewiesen und ihr ausgesetzt sind. Auch hier gilt es diese diskursiven Konstruktionsversuche zu analysieren. Die Macht die damit einhergeht sich als Kollektiv Macht zu verschaffen sind hoch, weil eine Kategorisierung immer gegen das Individuum gewendet werden kann. Die Aufgabe der Geschichte ist herauszufinden, warum dies so ist. Rileys Forschung setzt sich also ab von einer bloßen Ausdifferenzierung, denn der Begriff Frauen bleibt bestehen. So fordert Riley einen Feminismus mit Frauen statt ohne aber einen Feminismus, der den Begriff der Frauen nutzt aber diesen auch gleichzeitig als Irritation versteht. 3. Gender als analytische Kategorie – Joan W. Scott Race, Klasse, Geschlecht Joan Scott denkt weniger über Politik nach als Riley, sondern fragt sich wie man mit der Kategorie Gender in der Wissenschaft arbeiten kann. Damit fordert sie nicht nur eine neue weibliche Geschichte, sondern eine neue Geschichte überhaupt, indem die 28 Kategorie Gender in allen Bereichen der Wissenschaft untersucht wird. In ihrem kanonischen Essay Gender: The useful Category of Historical Analysis(1986) beschreibt sie die Marginalisierung der Genderperspektive, denn trotz der großen Anzahl an Beschreibungen, hätten diese keinen Einzug in die Geschichtsschreibung erhalten. Dies liege daran, dass der Begriff Gender bislang keine ausreichende theoretische Ausformulierung erfahren habe. Diesen Ausschluss zeigt sie an den meist als Triade gefassten Begriffen Race, Klasse und Geschlecht. Diese Begriffe zeigen, dass es eigentlich an Interesse an der ungleichen Verteilung von Macht und der Unterdrückung einzelner Gruppen gibt, doch die gleichzeitige Verwendung der Begriffe verschleiere die ungleiche Theoretisierung der Begriffe. Wofür Klasse steht sei klar, während Gender und Race nicht die gleiche theoretische Ausformulierung erfahren hätten. Verwendungen des Begriffs Gender Sie weist darauf hin, dass in den 1980er Jahren der Begriff Gender in einer unreflektierten Weise verwendet wurde, meist als Deckbegriff für Frauen. So wird die Verbindung zu Krieg, Politik oder Diplomatie gar nicht gemacht, was wichtige Themen in der Wissenschaft und Geschichte sind, sodass diese Komponenten getrennt werden. So wurden männliche und weibliche Sphären herausgebildet. Um dem entgegen zu wirken unterscheidet Scott drei Wege der Theorienbildung in den 80er Jahren: 1. Patriachatstheorien (Ausgangspunkt ist die Annahme, dass es eine lange Herrschaft der Männer gibt) 2. Marxistisch-feministische Theorien (Verknüpfung Gender und Klasse) 3. Psychoanalytische Ansätze. Theoretikerinnen des Patriachats Hier sieht Scott als Problem, dass von einer unveränderlichen kohärenten Realität des Körpers ausgehen, also biologistisch argumentiert wird. So bliebt die physische Unterschiedlichkeit der einzige Bezugspunkt, sodass das Thema historisch immer das gleiche bleibt. Marxistisch-feministische Theoretikerinnen Marxistisch-feministische Theorien landen allerdings bei Erklärungen zu Ungleichheiten immer bei ökonomischen Erklärungen. So sind Familie, Haushalt und Sexualität Ergebnisse der sich veränderten Produktionsweisen. Psychoanalytische Ansätze Dieser Ansatz ist ihrem am nächsten, dennoch hält sie zwei Kritiken fest. Dieser Ansatz hält an binären Gegensätzen fest und die Fehlerhafte Verbindung von Subjekt und der gesellschaftlichen Wirklichkeit, denn es kann zwar über die individuelle Realität gesprochen werden aber diese nicht in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen überführt werden. Wirkungen wahrgenommener Unterschiede So macht sie also ihren eigenen Versuch zu einer Definition von Gender: „1. Gender ist ein konstitutives Element von gesellschaftlichen Beziehungen und gründet auf wahrgenommene Unterschiede zwischen den Geschlechtern; 2. Gender ist eine wesentliche Weise, in der Machtbeziehungen Bedeutung verliehen wird. (...)“ Joan W. Scott, Gender: A Useful Category of Historical Analysis, in: American Historcal Review 91, Nr. 5, Dec 1986 29 Hier geht sie also davon aus, dass die Geschlechterbeziehung zwar konsekutiv ist aber welche Rolle sie spielt davon abhängt wie sie wahrgenommen wird. Außerdem bestimmt Gender Machtbeziehungen in einer Gesellschaft, damit verbindet sich Scott auch in andere gesellschaftliche Diskurse. Scott beschreibt die wahrgenommenen Geschlechterunterschiede in 4 Ebenen: 1. Ebene der Symbole, 2. Normen, 3. Institutionen, 4. Selbstwahrnehmung. Sie kehren wieder, wenn es um den zweiten Teil ihrer Definition, den metaphorischen Gebrauch von Gender geht. Hier geht es nicht mehr nur um Frauen und Männer, sondern um Verweise auf das Gendersystem um Machtdynamiken zu erklären, legitimieren oder affirmieren (das Bilden einer Koalition als Ehe bezeichnen, sexuelle Anspielungen auf Macht, weibliche Figuren als Repräsentation). Symbolische Ordnungen und Macht Gender beinhaltet 1 eine Vielzahl von kulturell zugänglichen Symbolen, die von Widersprüche in Repräsentationen hervorgerufen werden 2 normative Konzepte die Interpretation von Symbolen vorgeben 3 Auffassung der Politik und Bezüge zu gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen. 4 subjektive Identität Dabei versteht Scott die Symbole und die gesellschaftliche Realität in wechselseitiger Beeinflussung. Ein Symbol hat also Auswirkung auf die Gesellschaft und umgekehrt. 4. Mit der Kategorie Gender arbeiten – Beispiel Scott Standesbewusstsein als männliche Tugend Therese Gastenauer beschäftigt sich mit Verwaltungsordnungen und untersucht diese. Dabei fragt sie wie sich die Verwaltung des Staates ausdifferenziert hat und wer diese voran getrieben hat, zum Beispiel eben Beamte. Geschlechtergeschichtlich nähert sie sich mit Hilfe eines Aufsatzes von Karin Hausen. Wie könnte man ausgehend von Hausens Kategorien die Vermännlichung des Beamtentums beobachten? Dazu zieht sie Scott heran um sich mit den normativen Geschlechterrollen des josephinischen (18.Jh.) Beamtentums auseinanderzusetzen. Auf der Ebene der Symbole plädiert sie dafür nach Festschreibungen von Männlichkeit im Kontext scheinbar geschlechtsneutraler Konzeptionen vom Beamtentum zu fragen. Dafür verwendet sie ein Beamtengelöbnis als Quelle, das voll ist mit Geschlechtermetaphorik. Genauer betrachtet sie wie Geschlechterverhältnisse im Beamtentum geregelt wurden, welche Gesetze haben Geschlechterverhältnisse im Beamtentum geregelt? Bsp. Das Lehrerinnenzölibat – ein Gesetz das festlegte, dass Frauen nur solange Lehrerinnen sein dürfen wie sie unverheiratet sind. Oder das Doppelverdiener Gesetz aus den 30er Jahren, das besagte, dass nur ein Partner in einer Ehe eine Beamtenstellen haben durfte. Aufgrund ihres niedrigeren Gehalts haben so viele Frauen ihre Stelle aufgegeben und der Beamtenapparat war quasi männlich. Ist Gender noch eine nützliche Kategorie? (Joan W. Scott) Dadurch, dass Scott Gender explizit zu einer nützlichen Kategorie beschreibt, sagt sie dessen Temporarität schon an, denn nichts ist für immer nützlich. Ist die Kategorie also heute noch nützlich? Sie hat selbst 10 Jahre nach der Veröffentlichung überlegt sie dies selbst: 30 Nichtthematisierung des Körpers Durch den biologistischen Diskurs in den 2000er Jahren sei der Begriff Gender zum Beispiel aus der Medizin verdrängt worden, da man Gender als völlig soziale und historische Kategorie verstand. Die Nicht Thematisierung im US-amerikanischen Kontext von 2000 stellt für sie ein Problem dar. Daraufhin verabschiedet sie sich nicht vom Begriff aber sagt, dass es wichtig sei zusätzliche Kategorien zu entwickeln, weil Gender als Begriff weiter historisch geworden ist und von der biologistischen Debatte geprägt wurde. Essentialisierender Gebrauch von Gender Außerdem beleuchtet sie die Essentialisierung des Begriffs Gender als problematisch, da die Unterscheidung zwischen Sex und Gender nur noch selten gemacht wird und mit Gender nun Geschlecht als solches gemeint sei. Darin sieht sie eine Entdifferenzierung im allgemeinen Sprachgebrauch. Gender als „offene Frage“ nach der Etablierung von Bedeutungen In ihrem Artikel von 2010 Gender: still a useful Category geht sie auf die Zeitlichkeit des Begriffs ein und versucht einen neuen Sprachgebrauch für ihn zu finden. Unter der Betrachtung der bisherigen Verwendungen des Begriffs Gender kommt sie zu dem Schluss, dass dieser besonders dann praktisch ist, wenn er nicht lexikalisch festgelegt ist, sondern als Untersuchungsperspektive genutzt und immer wieder neugedacht werden kann. Damit sieht sie es mit dem Begriff Gender ähnlich wie Riley mit dem Begriff Frau, nämlich dass gerade die Instabilität der Kategorie und die Nutzung dieser zum herausfinden, was er bedeuten kann am nutzvollsten ist. “The ‘language of gender’ cannot be codified in dictionaries, nor can its meanings be easily assumed or translated. It doesn’t reduce to some known quantity of masculine or feminine, male or female. It’s precisely the particular meanings that need to be teased out of the materials we examine. When gender is an open question about how these meanings are established, what they signify, and in what contexts, then it remains a useful – because critical – category of analysis.” Joan W. Scott, Gender: Still a Useful Category of Analysis? 31 G. Körper, Texte, Geschlecht 1. Die Gewordenheit des scheinbar Natürlichen Nachdem der Begriff Frau ein instabiler bleibt, wird Binarität hinterfragt. Diese war im Streit um den Frauenbegriff ausgespart worden und im biologischen/natürlichen unangegriffen verortet worden Wissenschaftliche Strategen der Legitimation gegenwä

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