VL11_EP.pdf PDF - Das frühe Erwachsenenalter - Universität zu Lübeck - WS 24/25

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Universität zu Lübeck

Prof. Dr. Nico Bunzeck

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erwachsenenalter biologischesAltern kognitiveEntwicklung psychosozialeEntwicklung

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Dieser Vortrag (VL11_EP.pdf) behandelt verschiedene Aspekte des frühen Erwachsenenalters, darunter biologisches Altern, körperliche und kognitive Veränderungen sowie psychosoziale Entwicklung. Der Fokus liegt auf den Prozessen, Theorien und Zusammenhängen in diesem Lebensabschnitt.

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Das frühe Erwachsenenalter – 18.-40. Lebensjahr Prof. Dr. Nico Bunzeck Universität zu Lübeck WS 24/25 Überblick Das biologische Altern – DNS- und Zellebene, Gewebe/Organe...

Das frühe Erwachsenenalter – 18.-40. Lebensjahr Prof. Dr. Nico Bunzeck Universität zu Lübeck WS 24/25 Überblick Das biologische Altern – DNS- und Zellebene, Gewebe/Organe Körperliche Veränderungen – Herz-Kreislauf- und Atmungssystem, Motorische Leistung Kognitive Veränderungen – Perry: Epistemische Kognition – Labouvie-Vief: Pragmatisches Denken und kognitiv-affektive Komplexität Psychosoziale Entwicklung – Erikson: Intimität vs. Isolierung – Levinson: Theorie der Lebensabschnitte – Die soziale Uhr 1 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Biologisches Altern (Seneszenz) – Genetisch beeinflusstes Nachlassen der Funktionen von Organen und körperlicher Systeme – Hohe Varianz: genetische Ausstattung, Lebensstil, Lebensumfeld, Zeitalter à Körperliche Veränderungen - Multidimensional und multidirektional - Beeinflussbar à Ursachen wirken auf verschiedenen Ebenen - Genetisch, zellulär, Organe, Organismus Die Lebensalter und der Tod. Gemälde von Hans Baldung um 1540 2 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf DNS- und Zellebene Genetische Programmierung Kumulative Wirkung zufälliger Ereignisse 3 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf DNS- und Zellebene Genetische Programmierung – Langlebigkeit familiär gehäuft à Zusammenhang Eltern/Kind, Zwillingsstudien – Erblichkeitsgrad Todesalter: 0.15-0.25 – Langlebigkeit nicht direkt vererbt à Risikofaktoren – Alterungsgene: steuern biologische Veränderungen 4 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf DNS- und Zellebene Kumulative Wirkung zufälliger Ereignisse (Zufallstheorie) – Spontane oder externe Mutationen – Kumulation à Reparaturmechanismen ineffizienter à Krebszellen 5 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf DNS- und Zellebene Kumulative Wirkung zufälliger Ereignisse - Freie Radikale - Natürliche, reaktionsfähige chemische Verbindungen - Zerstören Zellmaterial à DNA, Proteine, Lipide - Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Grauer Star und Arthritis - Hemmende Wirkung der Ernährung: Vitamine (C, E) Betakarotine 6 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf Gewebe- und Organebene Querverbindungstheorie – Proteinfaser des Bindegewebes bilden Verbindungen à Gewebe weniger elastisch à nachlassende Flexibilität, Trübung Augenlinse, Verstopfung Arterien, Nierenschäden – Pos. Effekt von Sport und gesunde Ernährung 7 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf Gewebe- und Organebene Zirbeldrüse Nachlassen der Funktionen des Endokrinen Hypophyse Systems - Produktion und Regulierung von Hormonen Schilddrüse - Verminderte Östrogenproduktion Thymus - Wachstumshormon ê à Muskel- und Knochenmasse ê, Körperfett é, dünnere Nebenniere Bauchspeiche Haut, Herzkreislauffunktion ê ldrüse - Bewegung, Ernährung Eierstock Hoden 8 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Altern auf Gewebe- und Organebene Nachlassen der Immunabwehr – Ansteckende Krankheiten, Krebs, Veränderungen Blutgefäße à Herz-Kreislauf – Genetisch bedingt – Interaktion mit anderen Alterungsprozessen 9 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Körperliche Veränderungen Herz-Kreislauf-System und Atmung - Herzmuskel starrer à max. Herzrate ê à Sauerstoffversorgung - Versteifen der Arterienwände und Plaques à Blutfluss ê - Atmungskapazität ê, Atmungsfrequenz é Muskeln - Absterben stimulierender Nervenfaser à Muskelfaser ê - Versteifen von Sehnen und Bändern à Geschwindigkeit und Flexibilität ê 10 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter 11 Körperliche Entwicklung Das biologische Altern beginnt im frühen Erwachsenenalter Körperliche Veränderungen Fortpflanzungsfähigkeit – Abnahme Fruchtbarkeit: 35 (Frau), 40 (Mann) à Empfängnis ê Chromosomenstörungen é – Kinder vermehrt mit ca. Mitte 30: Ausbildung, Beruf, Finanzen – Frauen: Anzahl und Qualität der Eizellen ê – Männer: Menge, Beweglichkeit, Anteil normaler Spermien ê 12 Körperliche Entwicklung Zusammenfassung / Lernziele Maximale Kapazität / Effizienz der Körperstrukturen gefolgt von Seneszenz Zelluläre/DNA-Ebene – Genetisch bedingt – Kumulation zufälliger Mutationen – Freie Radikale Gewebe und Organe – Querverbindungstheorie – Endokrines System und Immunabwehr Körperliche Ebene – Veränderungen erst allmählich, dann beschleunigt – Herz- und Lungenleistung, Muskeln – Fortpflanzungsfähigkeit 13 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Postformales Denken: kognitive Entwicklung nach Piagets formal-operationaler Stufe Persönliche Anstrengungen und soziale Erfahrungen à rationalere, flexiblere und pragmatischere Denkweise Frontalkortex: Wachstum, Myelinisierung von Nervenfasern, Synapsenausdünnung mit abnehmender Geschwindigkeit (vs. Adoleszenz) 14 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Perrys Theorie: Epistemische Kognition Wie kommen wir zu bestimmten Erkenntnissen, Überzeugungen und Ideen? Die Entwicklung epistemischer Kognition Warum reagieren Menschen unterschiedlich auf Ideenvielfalt? Befragung an Studenten: Was war im letzten Jahr „herausragend“? Dualistisches Denken William G. Perry (1913-1998) Relativistisches Denken Synthese innerhalb relativistischen Denkens 15 Kognitive Entwicklung Perrys Theorie: Epistemische Kognition Die Entwicklung epistemischer Kognition Jüngere Studenten – Wissen aus separaten Einheiten à objektiver Kriterien – Unabh. von denkender Person und Situation – Dualistisch à „richtig“/„falsch“, „gut“/„böse“, „wir“/„die anderen“ – Frage: „Wenn zwei Personen sich nicht über die Interpretation eines Gedichts einigen können, wie würden Sie entscheiden, welcher von ihnen Recht hat?“ – Antwort: „Man müsste den Dichter fragen – schließlich ist es sein Gedicht.“ – „Als ich in die erste Vorlesung kam, war alles, was der Mann sagte, wie das Wort Gottes. Ich glaubte ihm alles, weil er ein Professor war und das eine respektierte Position ist“ 16 Kognitive Entwicklung Perrys Theorie: Epistemische Kognition Die Entwicklung epistemischer Kognition Ältere Semester – Relativistisches Denken – Unterschiedliche Meinungen, mehrere Wahrheiten – Denken flexibler und toleranter – „Allein daran, dass es den berühmten Philosophen nicht gelungen ist, eine allumfassende Antwort zu finden, erkennt man, dass Ideen eigentlich individualisiert sind. Man beginnt, Respekt dafür zu entwickeln, wie großartig ihr Denken sein konnte, ohne absolut zu sein.“ 17 Kognitive Entwicklung Perrys Theorie: Epistemische Kognition Die Entwicklung epistemischer Kognition Synthese innerhalb relativistischen Denkens – Perspektive, in der Widersprüche vereint werden à eigene rationale Kriterien – „Welche Theorie kann kognitive Entwicklung im Kindesalter am besten Erklären? Piaget vs. Informationsverarbeitung?“ – „Ist die Psychoanalyse oder die kognitive Verhaltenstherapie das bessere Behandlungsverfahren?“ – Streben nach Verständnis unterschiedlicher Perspektiven à Wissen erweitern und Einsichten vertiefen 18 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Gisela Labouvie-Vief: Pragmatisches Denken und kognitiv-affektive Komplexität Welt voller Möglichkeiten à hypothetisches und pragmatisches Denken Logik als Werkzeug, um reale Probleme zu lösen Zwänge/Hindernisse erschweren das Realisieren hypothetischer Pläne Gisela Labouvie-Vief Widersprüche à Strategien Kompromisse zu bewältigen 19 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Gisela Labouvie-Vief: Pragmatisches Denken und kognitiv-affektive Komplexität Verbesserte Reflexion à Gefühlsleben à verbesserte Integration von Emotion und Kognition Kognitiv-affektive Komplexität: Bewusstheit positiver und negativer Gefühle und deren Koordinierung zu einer komplexen organisierten Struktur „Seit vor Kurzem unser erstes Kind geboren wurde, ist mein Leben erfüllter als je zuvor. Meine Euphorie wird gedämpft durch die Besorgnis, allen meinen Verpflichtungen adäquat gerecht werden zu können, dabei jedoch ein individueller Mensch mit Bedürfnissen und Wünschen zu bleiben.“ 20 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Gisela Labouvie-Vief: Pragmatisches Denken und kognitiv-affektive Komplexität 21 Kognitive Entwicklung Veränderung der Denkstrukturen Gisela Labouvie-Vief: Pragmatisches Denken und kognitiv-affektive Komplexität Fördert – Bewusstheit eigener/fremder Perspektiven und Motive à Perspektivenübernahme, Problemlösefähigkeit – Emotionskontrolle à rationalere Sichtweise und Entscheidungsfindung 22 Kognitive Entwicklung Zusammenfassung / Lernziele Postformales Denken – Kognitive Entwicklung nach Piagets formal operationaler Stufe – Bewusstsein für verschiedene „Wahrheiten“, Integration Logik und Realität, Toleranz für Widerspruch zwischen Theorie und Wirklichkeit Perry: epistemische Kognition – Dualistisches Denken – Relativistisches Denken – Synthese innerhalb relativistischen Denkens Labouvie-Vief – Pragmatisches Denken: Logik als Werkzeug für reale Probleme – Kognitiv-affektive Komplexität: Integration positiver und negativer Gefühle 23 Psychosoziale Entwicklung Intimität vs. Isolierung Lösung des Konflikts bestimmt, ob dauerhafte Beziehung oder Isolierung Gründe für Isolierung – Fragen eigener Identität: enge Beziehung à Aufgabe eigener Unabhängigkeit und Änderung der Identität Ende Adoleszenz / Anfang 20: geringe Bereitschaft zu dauerhafter Bindung Erik H. Erikson (1902-1994) 24 Psychosoziale Entwicklung Intimität vs. Isolierung Neuere Studien Intimität durch gefestigte Identität Erarbeitete Identität korreliert positiv mit Treue und Liebe VS. Identitätsmoratorium Freundschaften und Verhalten am Arbeitsplatz – Intimität: kooperativer, toleranter – Isolierung: weniger Bindungen à Verlust eigener Identität, Konkurrenzdenken, Intoleranz, Bedrohung durch Nähe Erfolgreiche Konfliktlösung als Vorbereitung für Generativität Entwicklungsverläufe variabel und nicht altersgebunden 25 Psychosoziale Entwicklung Theorie der Lebensabschnitte (Daniel J. Levinson, 1920-1994) Entwicklung als Folge quantitativ unterschiedlicher Phasen Übergang à stabile Phase à Infragestellen à Übergang Stabile Phase – Lebensstruktur: persönlicher Bedürfnisse und äußere gesellschaftliche Anforderungen integrieren à Lebensqualität Lebensstruktur – Zugrundeliegender Entwurf – Beziehungen zu anderen Menschen, Gruppen und Institutionen Zentral: Ehe, Familie, Beruf – Interindividuelle Unterschiede 26 Psychosoziale Entwicklung Phasen der psychosozialen Entwicklung Entwicklungs Erikson Levinson -phase Frühes Intimität vs. - Übergangsphase (Erwachsenwerden): 17-22 Erwachsenen- Isolierung - Eintreten in eine Lebensstruktur des frühen Erwachsenenalters: 22-28 alter (18-40) ______________________________________________________________ - Übergangsphase mit ca. 30: 28-33 - Vollendung der Lebensstruktur des frühen Erwachsenenalters: 33-40 Mittleres Generativität - Übergangsphase: 40-45 Erwachsenen- vs. Stagnation - Eintreten in eine Lebensstruktur des mittleren Erwachsenenalters: 45-50 alter (40-65) ______________________________________________________________ - Übergangsphase mit ca. 50: 50-55 - Vollendung der Lebensstruktur des mittleren Erwachsenenalters: 55-60 Spätes Ich-Integrität - Übergangsphase: 60-65 Jahre Erwachsenen- vs. - Spätes Erwachsenenalter (ab 65) alter (ab 65) Verzweiflung 27 Psychosoziale Entwicklung Theorie der Lebensabschnitte (Daniel J. Levinson, 1920-1994) Frühes Erwachsenenalter als „Abschnitt Größte Energie und Vielfalt, Widersprüche und Belastungen“ Erfüllung in Liebe, Sexualität, Familienleben, Beruf und Lebenszielen à komplexe Entscheidungen Geschlechterunterschiede Lebenstraum à Entscheidungsfindung Männer – Leistung und Erfolg im Beruf – Individualistischer Frauen – Integration von Beruf und Familie – Selbst durch Beziehung zu anderen 28 Psychosoziale Entwicklung Theorie der Lebensabschnitte (Daniel J. Levinson, 1920-1994) Übergang mit 30 Wenn bisher beruflicher Erfolg à Suche Lebenspartner, Familienplanung Wenn bislang Familienplanung à individualistischere Ziele Ohne enge Bindung o. berufliche Ziele à Krise möglich Vollendung der Lebensstruktur (frühes Erwachsenenalter) Männer: Fokus auf ausgewählten Ambitionen und Beziehungen Frauen: Verpflichtungen durch Berufsleben und Familie à Stabilität meist ab ca. 40 Kritik: diese (relativ alten) Ergebnisse haben keine Allgemeingültigkeit 29 Psychosoziale Entwicklung Die soziale Uhr Entwicklung bedingt durch Kultur- und generationsbedingte Faktoren Soziale Uhr: Altersabhängige Erwartungen wichtiger Lebensereignisse Bernice Neugarten (1916-2001) Voraus-/nacheilen beeinflusst Selbstwertegefühl à soziale Vergleiche 30 Psychosoziale Entwicklung Die soziale Uhr Persönlichkeitsentwicklung Frauen, 1930er geboren, Längsschnittstudie: 17-43 Jahre Wie genau hielten sich die Probandinnen an eine – „Soziale Uhr für Frauen“ vs. „soziale Uhr für Männer“? Ergebnis – Verantwortlicher, bessere Selbstkontrolle, toleranter, fürsorglicher, weniger Selbstwertgefühl, angreifbarer VS. – Dominanter, geselliger, unabhängiger, intellektuell effektiver – Bis 30 unverheiratet und keine berufliche Laufbahn: Selbstzweifel, Gefühl von Inkompetenz und Einsamkeit 31 Psychosoziale Entwicklung Die soziale Uhr Heute: altersabhängige Erwartungen flexibler Ggf. psychische Belastungen, wenn hinter eigenem Zeitplan Veränderungen der „sozialen Uhr“ im Laufe der Zeit à Kohorteneffekte? 32 Psychosoziale Entwicklung Zusammenfassung / Lernziele Erikson: Intimität vs. Isolation Levinson: Lebensabschnitte – Entwicklung als Folge von Perioden: Übergang und stabilen Phase – Aufbau und Änderung von Lebensstruktur – Lebensträume: Männer vs. Frauen Soziale Uhr – Abweichungen von altersabhängigen Erwartungen à Persönlichkeit, Selbstwertgefühl 33

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