Textbook WP2 Allgemeine Psychologie PDF

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International School of Management

Dr. Andrea Augustin, Annika Petruch

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general psychology cognitive psychology learning psychology psychology textbook

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This textbook covers the fundamental concepts of general psychology, focusing on perception, learning and memory, emotions, and motivation. It's aimed at ISM International School of Management students, and provides a structured learning resource.

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WP2 og ne ie ol ei m yc e g h Ps ll A...

WP2 og ne ie ol ei m yc e g h Ps ll A k oo xtb Te Wahrnehmen Lernen & Gedächtnis Emotionen & Grundlagen der Allgemeinen Grundlagen der Lernpsychologie Motivation Psychologie, Grundlagen der und bekannte Lerntheorien, Emotionstheorien in der Wahrnehmung, Prozesse der Gedächtnis und Wissenserwerb, Psychologie, Stress, Burn-Out ismfernstudium Wahrnehmungsorganisation Urteilen und Entscheiden und Stressbewältigung, Motive & Motivation WP2 Autorinnen: Dr. Andrea Augustin Annika Petruch Modulverantwortung: Prof. Dr. Johannes Moskaliuk Redaktion: Annika Petruch Dieses Textbook ist Teil des Lernmaterials für die Fernstudiengänge der International School of Management. Mehr Infos über das Fernstudium unter www.ism-fernstudium.de Das Team Fernstudium ist per E-Mail erreichbar unter [email protected] ISM International School of Management GmbH Otto-Hahn-Str. 19 44227 Dortmund www.ism.de 2 ismfernstudium WP2 Inhalt Abbildungsverzeichnis  5 Tabellenverzeichnis 8 So arbeitest Du mit dem Textbook 9 Lernziele 10 1 Überblick 11 Grundlagen der Allgemeinen Psychologie  13 Welche Ziele hat die Allgemeine Psychologie? 14 Wie kommunizieren Nervenzellen miteinander?  16 Wie ist das Nervensystem aufgebaut?  21 Ich bin Dein Gehirn  23 Neuronale Plastizität: Das Gehirn verändert sich 29 2 Neurowissenschaftliche Methoden 30 Grundlagen der Wahrnehmung  33 Die fünf Sinnesmodalitäten 34 Was ist Wahrnehmung? 38 Die Psychophysik und die Signalentdeckungstheorie 39 3 Das Weber‘sche Gesetz  42 Das Sinnessystem Sehen 44 Der Aufbau des menschlichen Auges 45 Farbsehen 48 Visuelle Verarbeitung im Gehirn 50 Wie kommen Reize von außen nach innen?  51 4 Optische Täuschungen als Methode zur Erforschung der Wahrnehmung  53 Das Sinnessystem Hören 57 Hören ist das Wahrnehmen von Schallwellen 58 5 Wie funktioniert das auditive System? 61 Prozesse der Wahrnehmungsorganisation  63 Was ist Aufmerksamkeit?  65 Gestaltpsychologie: Prinzipien der Wahrnehmungsgruppierung 66 6 Die Wahrnehmung räumlicher Tiefe  69 Lernen und Gedächtnis 73 Was ist Lernen?  74 Behaviorismus und Verhaltensanalyse 75 Lernen durch Beobachtung: Soziales Lernen 81 Wie funktioniert das Gedächtnis? 82 Wie funktioniert der Erwerb von neuem Wissen? 86 3 ismfernstudium WP2 Inhalt 7 Urteilen und Entscheiden 87 Kognitive Psychologie – Die Psychologie des Denkens 88 Denken als Informationsverarbeitung 89 Was sind Urteile? 90 Wie werden Urteile gebildet? 92 Entscheidungen und wie wir sie treffen 100 8 Der Entscheidungsprozess und seine Phasen 102 Emotion  108 Was sind Emotionen? 110 Die Ebenen der Emotion im Detail 110 Universalität der Emotionen 112 Wichtige Emotionstheorien 113 Funktionen von Emotionen 116 Positive Psychologie und ihr Einfluss  117 9 Anwendungen Positiver Psychologie in der Wirtschaft 119 Stress & Burn-Out 120 Stress – Eine Begriffsbestimmung 122 Chronischer Stress, Belastung, Beanspruchung 124 Wie funktioniert Stressbewältigung? 127 10 Einführung in die Burn-Out-Forschung  128 Motivation 133 Definition und Gegenstandsbereich der Motivationspsychologie 135 Klassische Motivationstheorien – eine kurze Geschichte der Motivation  138 Neuere Theorien zur Motivation  143 Intrinsische vs. extrinsische Motivation 145 Literaturverzeichnis 147 Bildnachweise  152 4 ismfernstudium WP2 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Darstellung der psychischen Funktionsbereiche aller Menschen (in Anlehnung an Rathsmann-Sponsel & Sponsel, 2007) 14 Abbildung 2: Ziele der Allgemeinen Psychologie 15 Abbildung 3: Aufbau einer Nervenzelle  17 Abbildung 4: Der Schmerzrückzugreflex benötigt hier nur drei Neuronen: ein sensorisches, ein motorisches und ein Interneuron 18 Abbildung 5: Erregungsübertragung in einem Neuron 19 Abbildung 6: Neuron und die drei Arten von Gliazellen 21 Abbildung 7: Struktur des menschlichen Nervensystems (in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 93)  22 Abbildung 8: Aufbau des Gehirns und Gehirnareale 23 Abbildung 9: Die Strukturen des limbischen Systems sind nur bei Säugetieren zu finden 24 Abbildung 10: Großhirn mit Hemisphären und Corpus Callosum 25 Abbildung 11: Querschnitt des Gehirns mit grauer und weißer Substanz  25 Abbildung 12: In Bezug auf die Funktion können wir das Großhirn in verschiedene Areale oder „Lappen“ einteilen  26 Abbildung 13: Lage von motorischem, somatosensorischem, auditorischem und visuellem Cortex im menschlichen Großhirn  28 Abbildung 14: Die Aufzeichnung eines EEG in einem Labor 30 Abbildung 15: Bild aus einem PET-Scan des Gehirns. Die höchste Aktivität der Ner- venzellen ist rot dargestellt, jeweils niedrigere Aktivität orange, gelb, grün und die geringste Aktivität blau  30 Abbildung 16: fMRT-Aufnahme eines Gehirns 31 Abbildung 17: Entscheidungstabelle zur Signalentdeckungstheorie  40 Abbildung 18: Zusammenhang von Standardreiz und Unterschiedsschwelle nach Weber 42 Abbildung 19: KitKat Minis: Vorne die neue Verpackungsgröße mit 184 g, hinten die alte Größe mit 233g Inhalt. Der Preis blieb unverändert (Verbraucher- zentrale Hamburg, 2014) 43 Abbildung 20: Aufbau des menschlichen Auges 46 Abbildung 21: Blinder Fleck-Test 46 Abbildung 22: Akkommodation des menschlichen Auges 47 Abbildung 23: Das für den Mensch sichtbare Spektrum der elektromagnetischen Wellen 48 Abbildung 24: Die Sehnerven zwischen Auge und Cortex 50 Abbildung 25: Der distale Reiz wird aus Informationen des proximalen Reizes identi- fiziert (in Anlehnung an Gerrig et al., 2016)  51 Abbildung 26: Empfindungen werden mental organisiert, dann eingeordnet und mit hilfe von Vorwissen identifiziert 52 Abbildung 27: Das Dreieck von Penrose ist ein räumlich nicht realisierbares Objekt 53 Abbildung 28: Das Hermann-Gitter 53 5 ismfernstudium WP2 Abbildung 29: Die Ebbinghaus-Illusion 54 Abbildung 30: Die Poggendorff-Täuschung 54 Abbildung 31: Auflösung zu den Illusionen der Ebbinghaus-Täuschung und der Poggendorf-Täuschung 54 Abbildung 32: Der Necker-Würfel links und der Rubin-Pokal rechts 56 Abbildung 33: Lautstärke und Tonhöhe als zwei Dimensionen des Schalls (in Anlehnung an Pinel et al., 2018, S. 195)  58 Abbildung 34: Die menschliche Hör- und Schmerzschwelle 60 Abbildung 35: Das menschliche Hörsystem besteht aus drei Hauptteilen: dem Ausse- nohr, dem Mittelohr und dem Innenohr  61 Abbildung 36: Beispiele für das Gesetz der Nähe und das Gesetz der Ähnlichkeit 67 Abbildung 37: Beispiele für das Gesetz der Fortsetzung und das Gesetz der Geschlos- senheit 67 Abbildung 38: Beispiel für das Gesetz des gemeinsamen Schicksals 68 Abbildung 39: Beispiel für Querdisparation 69 Abbildung 40: Konvergenz als Tiefenkriterium  70 Abbildung 41: Relative Größe als Tiefenkriterium 71 Abbildung 42: Ponzo-Täuschung 71 Abbildung 43: Das Weizenfeld als Beispiel für Texturgradienten als Tiefeninformation 72 Abbildung 44: Klassische Konditionierung: Der Pavlov‘sche Hund 76 Abbildung 45: Erwerb und Extinktion einer konditionierten Reaktion (in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 206)  78 Abbildung 46: Gedächtnisarten in Abhängigkeit von der Länge der Speicherung 83 Abbildung 47: Die drei Ebenen des menschlichen Gedächtnisses und ihr Zusammenspiel 84 Abbildung 48: Urteilsobjekt und Urteilsdimension 90 Abbildung 49: Die Stufen der Informationsverarbeitung (in Anlehnung an Bless et al., 2004, S. 19)  92 Abbildung 50: Kognitive Schemata sind wie Netze, sie besitzen Knotenpunkte, die einen Begriff mit anderen verbinden 94 Abbildung 51: Mehrstufiger Entscheidungsprozess führt schließlich zu einem Feed- back-bzw. Lernprozess (in Anlehnung an Betsch et al. 2011, S. 75) 102 Abbildung 52: Die vier Bedingungen für rein rationales Handeln im Konzept des Homo Oeconomicus 103 Abbildung 53: Grafische Darstellung von Verlustaversion (in Anlehnung an Bröder & Hilbig, 2017) 104 Abbildung 54: Post-selektionale Prozesse und die Rolle von Konsequenzen für das Lernen aus Entscheidungen (in Anlehnung an Betsch et al., 2011, S. 112) 105 Abbildung 55: Ein Beispiel für Framing – die große Null erweckt den Eindruck als sei in dem Produkt gar kein Fett enthalten © SupermarktCheck.de.  107 Abbildung 56: Durch die Angabe des Kalorienverbrauchs beim Treppensteigen werden die Fußgänger zur Treppen- statt zur Aufzugnutzung motiviert 107 6 ismfernstudium WP2 Abbildung 57: Unterschiede zwischen Affekt, Emotion und Stimmung 110 Abbildung 58: Der schnelle und der langsame Weg der Entstehung von Emotionen (in Anlehnung an Ledoux, 1996, S. 164) 111 Abbildung 59: Emotionale Reaktionen sind universell, können aber kulturell beein- flusst sein  112 Abbildung 60: Interpretation von Gesichtsausdrücken (in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 461). Die Lösung findest Du auf der Lernplattform. 113 Abbildung 61: Entstehung von Emotionen nach der James-Lange-Theorie 113 Abbildung 62: Nach der Cannon-Bard-Theorie bestimmt die Verarbeitung im Gehirn alle weiteren Reaktionen 114 Abbildung 63: Reizverarbeitung laut der Theorie der kognitiven Bewertung  115 Abbildung 64: Kognitive und motivationale Funktionen von Emotionen  116 Abbildung 65: Einen Flow erleben wir dann, wenn die eigenen Fähigkeiten zu einer herausfordernden Tätigkeit passen (in Anlehnung an Massimini & Carli, 1991) 117 Abbildung 66: Der französische Hersteller von Küchen- und Geschenkartikeln nutzt Formen gezielt, um positive Assoziationen und damit positive Emotio- nen zu wecken ©Pylones SAS  119 Abbildung 67: Gesundheit wird von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren be- einflusst (eigene Darstellung in Anlehnung an Engel, 1977) 122 Abbildung 68: Fight-or-Flight-Reaktion, bei akutem Stress bereitet sich der Körper auf Kampf oder Flucht vor (in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 475)  123 Abbildung 69: Ob eine Belastung uns beansprucht hängt auch davon ab, welche Voraussetzungen wir mitbringen  124 Abbildung 70: Die Dimensionen von Stress (in Anlehnung an Gerrig & Zimbardo, 2008, S. 479)  125 Abbildung 71: Das Burn-Out-Risiko-Modell (nach Kallus und Jiménez, 2008) 128 Abbildung 72: Die Faktoren Person, Situation und Umwelt beeinflussen das Burn-Out- Risiko im Studium 130 Abbildung 73: Ansätze zur Verringerung der auf Arbeitskräfte einwirkenden Stress- Faktoren (in Anlehnung an Dormann & Zapf, 2001) 131 Abbildung 74: Verhalten resultiert aus Faktoren der Person und der Umwelt (nach Brandstätter et al, 2013)  136 Abbildung 75: Zusammenhang zwischen Motiv, Motivation und Anreiz 137 Abbildung 76: Die Maslowsche Pyramide (1971) ordnete die menschlichen Bedürfnisse in einer festgelegten Rangfolge 139 Abbildung 77: Das Rubikon-Modell postuliert die Phasen Abwägen, Planen, Handeln und Bewerten (Heckhausen & Gollwitzer 1987 zitiert nach Heckhausen & Heckhausen, 2010, S. 311)  140 Abbildung 78: Der Einfluss von Erwartungen auf das mentale Kontrastieren 142 7 ismfernstudium WP2 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Neurowissenschaftliche Methoden im Überblick 32 Tabelle 2: Heuristische und systematische Informationsverarbeitung im Vergleich (in Anlehnung an Betsch et al., 2011, S. 43) 96 Tabelle 3: Wovon hängt das Glücksempfinden ab? (DeNeve & Cooper 1998, Diener et al. 2003, Headey et al. 2010, Lucas et al. 2004, Myers 1993, 2000, Myers u. Diener 1995, 1996 und Steel et al. 2008; zitiert nach Myers, 2014, S. 522)  118 Tabelle 4: Emotionale und körperliche Merkmale bei Burn-Out (nach Stock, 2010) 130 Tabelle 5: Abwägen und Planen sind mit verschiedenen Bewusstseinslagen verbunden (Brandstätter et al., 2013, S. 115)  141 8 ismfernstudium WP2 So arbeitest Du mit dem Textbook Das Textbook ergänzt die Lernmöglichkei- ten, die Dir die Lernplattform bietet. Nur die Lernplattform bildet alle relevanten Lern- inhalte des Moduls und damit das gesamte Lernmaterial ab. Merksatz Dieses Icon kennzeichnet Merksätze, die Mit diesem Textbook bekommst Du die Mög- wesentliche Inhalte des Textes zusammen- lichkeit, Dir im PDF oder im ausgedruckten fassen. Tipp: Ergänze eigene Merksätze zu Text, Markierungen zu setzen oder Notizen den Inhalten des Textbooks. Das erleichtert zu machen. Dir das Lernen. Die folgenden Icons helfen Dir dabei, Dich im Textbook zurechtzufinden. Personenbeschreibung Dieses Icon markiert eine Personenbeschrei- bung. Hier werden Dir bedeutende Perso- Lernziele nen vorgestellt, die im Text erwähnt werden, Dieses Icon kennzeichnet die Lernziele eines und Du erhältst Hintergrundinformationen Kapitels. Die Lernziele verdeutlichen Dir zu ihrem Leben und Werk. zu Beginn eines Kapitels den angestrebten Lerngewinn. Exkurs Kurzfassung Dieses Icon weist auf einen Exkurs hin. Hier Das Icon markiert eine Kurzfassung. Sie hilft werden Dir zusätzliche Informationen zu ei- Dir, einen Überblick über den Inhalt eines nem Themengebiet präsentiert oder es wird Kapitels zu bekommen. Du kannst sie auch weiterführende Literatur angeführt. Ein Ex- nutzen, um die wichtigsten Inhalte schnell kurs bietet Dir die Möglichkeit, Dein Wissen zu wiederholen oder aufzufrischen. zu erweitern oder Deine Interessen zu ver- tiefen. Definition Dieses Icon kennzeichnet eine Definition. Übung Hier findest Du Fachbegriffe oder Fremd- Das Icon kennzeichnet eine Übung. Hier hast wörter kurz und bündig erklärt. Eine Defini- Du die Möglichkeit, Lerninhalte zu erproben tion hebt die Hauptmerkmale eines Begriffs oder zu wiederholen. hervor und grenzt ihn von anderen Begrif- fen ab. Beispiel Video Dieses Icon markiert ein Beispiel. Anhand Dieses Icon markiert ein Lernvideo, das Praxis- und Fallbeispielen werden die Lern- Du auf der Lernplattform abrufen kannst. inhalte des Textbooks verdeutlicht. 9 ismfernstudium WP2 Lernziele In diesem Textbook lernst Du, ✔ Lern- und Gedächtnisprozesse anhand klassischer Lerntheorien zu erläutern, um dieses Wissen auf berufliche und ✔ die Anatomie und Funktionsweise des wirtschaftliche Fragestellungen anwen- menschlichen Nervensystems zu be- den zu können. schreiben, um ein Verständnis für die an der neuronalen Informationsverarbei- ✔ die relevanten Faktoren, von denen es tung beteiligten und darauf aufbauen- abhängt, wie Menschen Entscheidungen den psychologischen Prozesse zu bekom- treffen und Urteile fällen, zu benennen. men. ✔ die Mechanismen von Motivation und ✔ unterschiedliche neurowissenschaftliche Emotion darzustellen, um menschliches Methoden und deren Einsatzmöglich- Verhalten besser zu verstehen. keiten zur Untersuchung des Gehirns zu unterscheiden, damit Du neurowis- ✔ wichtige Modelle der Motivations- und senschaftliche Studien in Deine wissen- Emotionspsychologie gegenüberzustel- schaftlichen Arbeiten einbinden kannst. len und diese auf wirtschaftliche Frage- stellungen anzuwenden, z. B. bei der ✔ grundlegende Annahmen und Bedin- Gestaltung von Werbung oder der Kon- gungen sensorischer Wahrnehmung zu zeption von Entgeltsystemen für Mit- erläutern und so z. B. Sinnesempfindun- arbeitende. gen von Wahrnehmung zu differenzie- ren. ✔ psychologische Erkenntnisse zu Bean- spruchung und Belastung in Deiner Le- ✔ die verschiedenen Stufen des Wahrneh- benswelt zu identifizieren, um Dich und mungsprozesses kennen, um wiederge- andere Menschen bei der Bewältigung ben zu können, wie Menschen Informa- von Stress zu unterstützen. tionen aus der Umwelt aufnehmen und verarbeiten und welchen Einfluss Vor- wissen und Erwartungen auf die Wahr- nehmung haben. ✔ unterschiedliche Methoden zur Erfor- schung allgemeiner Wahrnehmungspro- zesse anhand von visuellen und auditi- ven Sinneseindrücken zu beschreiben. 10 ismfernstudium WP2 Überblick In diesem Textbook geht es um grundlegen- de psychologische Prozesse, die bei allen Menschen im Wesentlichen ähnlich funktio- nieren. Der Begriff Allgemeine Psychologie fokussiert grundlegende Prozesse mensch- lichen Wahrnehmens, Erlebens und Verhal- 3 tens und versucht allgemeingültige Aussa- gen zu formulieren. Vereinfacht gesprochen, Kapitel 3 beschäftigt sich mit der für uns geht die Allgemeine Psychologie davon aus, Menschen wichtigsten Sinnesmodalität: dem dass Wahrnehmung, Lernen und Gedächtnis, Sehen. Der Aufbau des Auges und die Funk- Entscheiden und Urteilen, Motivation und tionsweise des Sehprozesses sind komplex; Emotionen bei allen Individuen denselben das betrifft unter anderem das Fokussieren Gesetzmäßigkeiten folgen. Das unterschei- von Objekten, die räumliche Wahrnehmung det sie von der Persönlichkeitspsychologie, sowie das Farbensehen. Spannend sind beim auch differentielle Psychologie genannt, die Sehen jedoch nicht nur die rein physiologi- Unterschiede zwischen Menschen beschreibt schen Prozesse, denn der Wahrnehmungs- und diese messbar machen möchte. prozess läuft über mehrere Stufen ab. Visu- elle Wahrnehmung findet auch im Gehirn statt, was anhand von Beispielen aus der 1 In diesem Kapitel lernst Du die Grundlagen Wahrnehmungsforschung veranschaulicht der Allgemeinen Psychologie. Dabei stehen werden kann. Dazu gehören optische Täu- der biologische und neurologische Aufbau schungen und Mehrdeutigkeiten. und die Funktionsweise unseres Gehirns 4 und Nervensystems im Zentrum. Außerdem werden Dir eine Reihe wichtiger neurowis- Wie auditive Wahrnehmung, also das Hören, senschaftlicher Methoden zur Untersuchung funktioniert, lernst Du in Kapitel 4. Neben des Gehirns vorgestellt. dem Aufbau und der Funktionsweise des auditiven Systems, stehen die physikalischen Dimensionen von Schall und dessen Wahr- 2 Wann nimmt ein Mensch Reize aus der Um- nehmung beim Menschen im Fokus. welt wahr? Wahrnehmung folgt gewissen 5 Grundsätzen und findet über verschiedene Schritte hinweg statt. In Kapitel 2 lernst du In diesem Kapitel werden die Grundlagen diese Grundlagen menschlicher Wahrneh- der Wahrnehmung aus Kapitel 2 erweitert mung kennen. Ein wichtiger Forschungs- und vertieft. Aufmerksamkeit spielt für die bereich zum Thema Wahrnehmung ist die bewusste Wahrnehmung eine zentrale Rol- Psychophysik, die erforscht hat, ab welcher le, da sie die Wahrnehmung auf verschiede- Intensität Umweltreize zuverlässig erkannt ne Weise lenken kann. An den Erkenntnissen werden. der Gestaltpsychologie lässt sich erkennen, dass Wahrnehmung ein aktiver Prozess ist, der gewissen Prinzipien folgt. Das gilt eben- falls für die Tiefenwahrnehmung. 11 ismfernstudium WP2 6 Lernen kann auch aus psychologischer Pers- pektive betrachtet werden. Der Behavioris- mus hat sich intensiv mit Lernen durch Bil- dung von Assoziationen beschäftigt. Kapitel 6 stellt drei wichtige Lerntheorien vor: das klassische und das operante Konditionieren sowie das soziale Lernen. Da Lernen nicht ohne Gedächtnis funktioniert, wird außer- dem die Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses behandelt und Elaborations- techniken zum Erwerb von neuem Wissen vorgestellt. 7 Kapitel 7 befasst sich mit der Frage, wie Menschen Urteile fällen und Entscheidun- gen treffen. Beides hängt eng zusammen: In Kapitel 8 geht es um Emotionen. Dabei werden drei wichtige Emotionstheorien vor- gestellt, die beschreiben, wie äußere und in- 8 ohne Urteil keine Entscheidung. Neben dem nere Reize Gefühle und daraus resultierende Prozess und den Einflussfaktoren auf die Ur- Verhaltensweisen erzeugen. Darüber hinaus teilsbildung werden auch die bestimmenden erfüllen Emotionen verschiedene Funktio- Faktoren sowie die Phasen der Entscheidung nen für den Menschen. Einige dieser Funk- betrachtet. tionen und wie sie in der Wirtschaftspsycho- logie Anwendung finden, werden ebenfalls in diesem Kapitel behandelt. Stress ist ein Schlagwort unserer Zeit. Daher ist Kapitel 9 den Themen Stress & Burnout gewidmet. Beanspruchung und Belastung können zu Stress führen. Neben der Frage, 9 was Stress ist und wie der Körper auf Stress reagiert, stellt dieses Kapitel Methoden der Stressbewältigung vor und gibt eine Einfüh- rung in die Burn-Out-Forschung. Kapitel 10 führt in die Motivationsforschung ein. Es gibt unterschiedliche Motivations- theorien, die beschreiben, was Menschen antreibt, Handlungen auszuführen und Ziele 10 zu erreichen. Da Motivation auf Motiven be- ruht, werden darüber hinaus einige ausge- wählte Motive, wie z. B. das Leistungs- oder das Machtmotiv vorgestellt. Neuere Theo- rien zur Motivation messen Zielen einen zentralen Stellenwert für die Motivation zu. Diese werden zum Abschluss des Kapitels und des Textbook präsentiert. 12 ismfernstudium 1 WP2 Grundlagen der Allgemeinen Psychologie Lernziele In diesem Kapitel lernst Du, ✔ was die grundlegenden Ziele der All- Milliarden Neuronen. Wir unterscheiden gemeinen Psychologie sind und kannst zwischen sensorischen Neuronen, Motoneu- diese wiedergeben. ronen und Interneuronen. Neuronen sind für Rezeption, Verarbeitung und Weiterleitung ✔ welche unterschiedlichen Perspektiven von Informationen im Körper sowie das Re- es gibt, aus denen Du menschliches gulieren vieler körperlicher Funktionen zu- Wahrnehmen, Erleben und Verhalten ständig. Die Weitergabe von Informationen erklären kannst. zwischen den Nervenzellen erfolgt in Form von elektrischen Signalen und mit Hilfe von ✔ wie Nervenzellen aufgebaut sind und Neurotransmittern. Du kannst beschreiben, wie sie mitein- Das Nervensystem lässt sich in das Zentral- ander kommunizieren. nervensystem und das periphere Nervensys- tem gliedern, welches sich wiederum unter- ✔ den Aufbau unseres Nervensystems zu teilt in das autonome und das somatische erklären und dessen Funktionsweise zu Nervensystem. Das Nervensystem ermöglicht beschreiben. es, Informationen aufzunehmen, Entschei- dungen zu treffen und diese über den Kör- ✔ wie unser Gehirn aufgebaut ist und per umzusetzen. kannst die verschiedenen Gehirnareale Im Gehirn sitzen die meisten unserer Ner- benennen. venzellen, es ist der Teil des Zentralnerven- systems, der sich im Schädel befindet. Es lei- ✔ wichtige neurowissenschaftliche Metho- tet Informationen weiter, kontrolliert und den zur Untersuchung des Gehirns zu verarbeitet diese. Das Gehirn ist in zwei Hälf- unterscheiden. ten, die Hemisphären geteilt. Sein Aufbau umfasst unterschiedliche Areale. Den größ- ten Teil des Gehirns macht das Großhirn aus, das sich in vier Lappen unterteilen lässt. Das Kurzfassung Großhirn von Menschen und anderen Wir- beltieren besteht aus zwei Substanzen, der Die Allgemeine Psychologie untersucht, wie grauen und der weißen Substanz, die vor das Wahrnehmen, Erleben und Verhalten allem für Intelligenz und das Lernen bedeut- von Menschen allgemein funktioniert. Ziel sam sind. Dabei spielt die neuronale Plasti- ist es, psychische Funktionen und Prozesse zität des Gehirns eine entscheidende Rolle. (z. B. Motivation, Emotion, Lernen, Denken, Sie ermöglicht flexibles und dynamisches Problemlösen) zu beschreiben, zu erklären, Lernen sowie das Anpassen an Umweltbe- vorherzusagen und zu verbessern. In diesem dingungen. Kapitel betrachten wir die biologischen und Die Funktionsweise und der Aufbau des neurologischen Grundlagen, mit denen die Gehirns lassen sich durch verschiedene Psychologie arbeitet und die auch für die neurowissenschaftliche Methoden unter- Allgemeine Psychologie zentral sind. Da- suchen. Die wichtigsten Methoden sind bei unterscheiden wir die biologische, die die Elektroenzephalographie (EEG), die psychologische und die soziokulturelle Per- Computer-Tomographie (CT), die Positro- spektive, um zu beschreiben, welche Bedin- nen-Emissions-Tomographie (PET), die Ma- gungen und Prozesse Wahrnehmen, Erleben gnetresonanztomographie (MRT) und die und Verhalten beeinflussen. funktionelle Magnetresonanztomographie Unser Nervensystem ist an diesen Prozessen (fMRT). maßgeblich beteiligt. Es besteht aus vielen 13 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie die Allgemeine Psychologie von anderen Welche Ziele hat die Allgemeine Teilbereichen der Psychologie, die sich mit spezifischen Aspekten wie der Persönlich- Psychologie? keit (Differenzielle oder Persönlichkeitspsy- chologie) oder dem Verhalten und Erleben Die Allgemeine Psychologie ist eine Teil- als Konsument (Konsumentenpsychologie) disziplin der Psychologie. befassen (Prinz et al., 2017, S. 5). Sie wird deswegen als „allgemein“ be- Die Allgemeine Psychologie beschäftigt sich zeichnet, weil sie sich dem Studium der al- mit Gebieten wie der menschlichen Wahr- len Menschen gemeinsamen geistigen nehmung, den Themen Bewusstsein und Auf- Funktionen widmet. Diese allgemeinen merksamkeit, dem Willen und dessen Um- psychischen Funktionen sind bei allen Men- setzung (Motivation und Volition), Emotion, schen ähnlich. Dadurch unterscheidet sich Lernen und Wissenserwerb, dem Gedächtnis und den Funktionen der Wissensrepräsen- Die Psychologie ist die Wissenschaft vom tation, dem Denken und Schlussfolgern so- menschlichen Wahrnehmen, Erleben und wie dem Problemlösen und der Kreativität. Verhalten. Neben allen von außen beob- Die allgemeinen psychischen Funktionen als achtbaren Aktivitäten eines Menschen (Ver- zentrale Themenbereiche der Allgemeinen halten) umfasst sie auch jene inneren Prozes- Psychologie sind in Abbildung 1 dargestellt. se, die von außen nicht beobachtbar sind. Ein wichtiges Teilgebiet der Allgemeinen Psychologie ist die kognitive Psychologie. Fühlen, Stimmung, Befindlichkeit, Ver- Wahrnehmen, innen, fassung (Körpergefühl) Antrieb, Energie, außen, sehen, hören, Lust auf etwas, Mo- riechen, spüren, tivation, Wille, müde, schmecken erschöpft, Reserven F i l t er Fi l t e er Filt r Fi er lte Aufmerksamkeit, il t r Wünsche, begehren, Konzentration; mögen, brauchen, F freischwebend, Bedürfnisse, Fi Bewusst erleben er Figur und Hintergrund Absichten, Ziele lte t Fil Erlebnisfähigkeit, r Klarheit, Bewusstsein, Intensität, Dauer, Flüchtigkeit, Filter Filter Nachhaltigkeit Erfahrung, Konflikte, Gedächtnis, Erlebnisse, Spannungen, Probleme, Lebensgeschichte, Schwierigkeiten, Filter merken, geprägt Störungen erleben Filter ter Denken, Fil Bewerten, (positiv, Fil geistige Modelle bilden te negativ, neutral), nicht und in Beziehung r entscheidbar, Norm setzen, vorstellen, er (soll, darf) F lt ilt fantasieren Fi er er Filt r Filt e Filter Anlangen, Begabung, Lenken, steuern, Fähigkeiten, Kontrolle, planen, Fertigkeiten, abstimmen, anfangen, Können, beenden Tun, machen, handeln, Kompetenz verhalten, lernen, sprechen, bewegen, ruhen Abbildung 1: Darstellung der psychischen Funktionsbereiche aller Menschen (in Anlehnung an Rathsmann-Sponsel & Sponsel, 2007) 14 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Wie in Abbildung 2 dargestellt, verfolgt die Vorhersagen: Wenn wir wissen, welche Psychologie und somit auch die Allgemeine Ursachen ein Verhalten hat (z. B. „Wa- Psychologie vier wesentliche Zielsetzun- rum werden Begriffe in der Mitte der gen (Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 4-7): Wortliste vergessen?“), dann können wir auch Aussagen über die Wahrschein- Beschreiben: Erleben und Verhalten lichkeit von zukünftigen Verhaltens- und sollen möglichst „objektiv“ abgebildet Erlebensweisen treffen (z. B. „Wichtiges werden, wie dies beispielsweise durch am Anfang oder Ende einer Merkliste deskriptive Statistiken geschieht. Dies ist wird mit höherer Wahrscheinlichkeit etwa der Fall, wenn in einem Experiment korrekt erinnert.“) zur Merkfähigkeit erfasst wird, wie vie- le Wörter Probanden aus einer Liste von Verbessern: Wenn Verhalten oder Erle- zehn zu merkenden Begriffen korrekt ben verbessert werden sollen, dann gibt erinnern. es immer ein Zielkriterium – also einen erstrebenswerten Zustand, der erreicht Erklären: Dem Erleben und Verhalten werden soll. Ausgehend davon kann werden Ursachen zugeschrieben. Im Bei- dann versucht werden, Bedingungen spiel mit der zu merkenden Wortliste zu verbessern (z. B. „Unter welchen Be- kann etwa auffallen, dass gerade die Be- dingungen fällt das Merken der Wörter griffe aus der Mitte der Liste besonders leichter?“) oder den förderlichen Um- häufig vergessen wurden. Die Allge- gang mit einer Situation zu unterstüt- meine Psychologie versucht, die Gründe zen, was auch als Coping bezeichnet hierfür zu finden. wird (z. B. „Was kann ich tun, wenn ich etwas vergessen habe, das ich mir ei- Die Allgemeine Psychologie fragt nach gentlich merken wollte?“) dem Wie: wie das Erleben und Verhalten von Menschen allgemein funktioniert. Ziel ist es, dieses zu beschreiben, zu erklären, vorher- zusagen und zu verbessern. Ein wichtiges Teilgebiet ist die kognitive Psychologie. Zuschreibung von Ursachen für bestimmtes Verhalten und Erleben Aussagen über Wahr- scheinlichkeit von zukünftigen Verhaltens- Erklären und Erlebniswelten Beschreiben Vorhersagen „objektive“ Abbildung Verbessern des Erlebens und Ver- haltens durch Daten (z.B. deskrptive Statistik) Hinsichtlich des Zielkriteriums eine Verbesserung der Bedin- gungen bzw. Umgangsweise (=Coping) bewirken Abbildung 2: Ziele der Allgemeinen Psychologie 15 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Die wissenschaftliche Psychologie nimmt da- Wie kommunizieren Nervenzellen bei unterschiedliche Perspektiven (Analyse- niveaus) ein, um Bedingungen und Prozesse miteinander? zu beschreiben, die Wahrnehmen, Erleben und Verhalten beeinflussen (Myers, 2014, S. Alles, was psychisch ist, ist auch biolo- 8-9). gisch. Das ist eine zentrale Annahme der modernen Psychologie. Gefühle, Stimmun- Biologische Einflüsse: Genetische Prä- gen, Bedürfnisse, Wünsche, Ziele – alle psy- disposition, genetische Mutation, Gene, chologischen Prozesse sind auch biologisch. die auf die Umwelt reagieren, Anpas- Dein Körper, Dein Gehirn ist immer beteiligt. sungsprozesse Deshalb beschäftigst Du Dich in diesem Mo- dul auch mit den biologischen Grundlagen Psychologische Einflüsse: Gelernte psychologischer Prozesse. In diesem Kapitel Ängste und Erwartungen, emotionale geht es deshalb zunächst um Neuronen und Reaktionen, kognitive Verarbeitung und die Frage, wie Neuronen miteinander kom- Wahrnehmungsinterpretation munizieren. Wenn uns etwas stresst, dann geht es uns Soziokulturelle Einflüsse: Anwesen- sprichwörtlich auf die „Nerven“. Tatsächlich heit anderer Menschen, Erwartungen werden Gefühle (aber nicht nur die negati- der Gruppe, Gemeinschaft und Kultur, ven), Gedanken und viele weitere Aspekte Einflüsse von Gleichaltrigen (peergroup), des Erlebens und Verhaltens durch die Akti- (medial vermittelte) Rollenmodelle vität der Nervenzellen bestimmt. Eine Ner- venzelle oder Neuron ist ein bestimmter Wenn wir bei der Untersuchung der Merk- Zelltyp im Körper, der zu den wichtigsten fähigkeit im Beispiel mit der aus zehn Begrif- Teilen des Nervensystems gehört. Es wird ge- fen bestehenden Wortliste feststellen, dass schätzt, dass es im menschlichen Gehirn zwi- die besten Probanden sich alle zehn Wörter schen 100 Milliarden und 1 Billion Neurone korrekt merken konnten, die schlechtesten gibt (Gerrig & Zimbardo, 2016, S. 102). Die Probanden aber nur vier, dann kann es hier- überwiegende Mehrheit davon befindet sich für verschiedene Erklärungen geben. Viel- im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rü- leicht wurde manchen eine besonders gute ckenmark). Nervenzellen sind die Informati- Merkfähigkeit gewissermaßen in die Wiege ons- und Signalprozessoren des Körpers. Eine gelegt (genetische Prädisposition) oder sie spezifische Eigenschaft der Nervenzellen ist, haben gelernt, Informationen mit Hilfe von dass sie reizbar sind. Sie sind spezialisiert auf Merkstrategien besser zu erinnern (kogni- Rezeption, Verarbeitung bzw. Weiter- tive Verarbeitung). Einige Probanden füh- leitung von Informationen. Das Gehirn len sich durch die Untersuchungssituation besteht aus miteinander verbundenen Ner- möglicherweise so eingeschüchtert, dass venzellen, die viele Funktionen des Körpers sie gedanklich blockieren (Ängste) oder sie regulieren, und auch für unsere Fähigkeit zu sind der Meinung, dass es für sie gar nicht denken verantwortlich sind. wichtig ist, sich etwas gut merken zu können (Rollenmodelle). „Kein Prinzip ist für die heutige Psycholo- gie so zentral wie das folgende: Alles, was psychisch ist, ist auch biologisch. Jede Idee, die Sie haben, jede Stimmung und jedes Be- dürfnis, ist gleichzeitig auch biologisches Geschehen. Sie lieben, lachen und weinen mit Ihrem Körper. Ohne Ihren Körper, d. h. ohne Ihre Gene, Ihr Gehirn, die inneren che- mischen Vorgänge und ohne Ihre äußere Erscheinung, sind Sie einfach niemand, ein ‚nobody‘.“ (Myers, 2014, S. 56). 16 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Der Aufbau von Neuronen Das Axon wird spiralförmig von einer Mye- linscheide umgeben. Sie wird regelmäßig Abbildung 3 stellt den typischen Aufbau durch Ranviersche Schnürringe unterbro- eines Neurons dar. Eingehende Signale wer- chen. Das Axon, das aus letztlich einer ein- den an den Dendriten empfangen. Dendri- zelnen, ausgedehnten Faser besteht, leitet ten sind Verästelungen rund um den Zell- das Signal über das präsynaptische Neuron, körper herum. Der Zellkörper (Soma) enthält das Endknöpfchen und das postsynaptische den Zellkern und das Zytoplasma, was die Neuron an die nächste Nervenzelle weiter. Zelle lebendig hält. Das Soma liest die Infor- Dabei können drei Gruppen von Neuronen mationen aus, die über die Dendriten ein- unterschieden werden (Gerrig & Zimbardo, gehen und leitet diese an das Axon weiter. 2016, S. 78): Zellkörper (Soma) Myelinscheide Axon Zellkern präsynaptisches Neuron Dendriten Endknöpfchen postsynaptisches Neuron Abbildung 3: Aufbau einer Nervenzelle Sensorische Neuronen sind für die Neuronen sind die Grundbausteine des neu- Übermittlung von Informationen von ronalen Informationssystems und bestehen Sinnesrezeptoren (z. B. Weitergabe von aus mehreren Abschnitten: dem Zellkörper Bildern des Auges) verantwortlich. und den davon abzweigenden Dendriten. Sie empfangen Informationen und leiten Motoneuronen sind für die Übermitt- diese weiter zum Zellkörper, von wo aus die lung von Informationen weg vom zent- Axonbündel die Botschaft an andere Neuro- ralen Nervensystem hin zu Muskeln und nen, Muskeln oder Drüsen übermitteln. Drüsen (z. B. das Signal an einen Muskel, dass dieser sich zusammenziehen soll) verantwortlich. Interneuronen sind für das Weiterlei- ten von Informationen von sensorischen Neuronen zu Motoneuronen oder ande- ren Interneuronen verantwortlich. 17 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Neuronen kommen in großer Zahl im Ge- mark, die das Schmerzsignal schließlich bis hirn und Rückenmark vor, aber sie fungieren zum sensorischen Cortex im Gehirn weiter- auch als „Drähte“. geben. Dass Du in diesem Fall den Finger aber „automatisch“ zurückziehst und über Periphere Nerven sind die Nervenzellen, diese Reaktion nicht erst nachdenken musst, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark liegt daran, dass im Rückenmark auch eine den ganzen Körper durchziehen. Alle Funk- Verschaltung mit Motoneuronen stattfin- tionen im Gehirn basieren auf der Kommu- det. Diese Motoneuronen geben das Signal nikation zwischen den Neuronen. Hier wer- an die Muskeln der Hand weiter und steuern den ständig Milliarden von elektrischen und so den Reflex (z. B. Finger wegziehen). Ab- chemischen Signalen ausgesendet – sogar bildung 4 visualisiert, wie der Schmerzrück- über große Distanzen, bis hinunter zu den zugsreflex funktioniert. Zehenspitzen. Nervenzellen oder Neuronen sind be- Wie Neuronen kommunizieren stimmte Zelltypen und elementarer Be- standteil des zentralen Nervensystems. Sie Die Weiterleitung von Informationen über sind für Empfang, Verarbeitung und Weiter- die Neuronen geschieht sehr schnell. Wenn leitung von Informationen im Körper sowie Du Dich z. B. am Finger verletzt, dann re- die Regulierung vieler körperlicher Funktio- agieren Schmerzrezeptoren in der Haut und nen zuständig. Wir unterscheiden zwischen leiten das entstandene Schmerzsignal über sensorischen Neuronen, Motoneuronen und ein sensorisches Neuron weiter. Die Informa- Interneuronen. tion gelangt zu Interneuronen im Rücken- Schmerzrezeptoren Wahrnehmung wird sensorisches Neuron an das Gehirn weitergeleitet Reiz Schmerz Interneuron Nervenimpuls Motoneuron Rückenmark Reaktion Muskel Reiz Abbildung 4: Der Schmerzrückzugreflex benötigt hier nur drei Neuronen: ein sensorisches, ein motorisches und ein Interneuron 18 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Wie erfolgt nun die Weitergabe von Infor- mationen zwischen den Nervenzellen? Dazu Die Natrium-Kalium-Pumpe (Na+/K+-AT- erzeugt die Nervenzelle zunächst elektri- Pase oder Natrium-Kalium-Ionenpum- schen Strom (im Minivolt-Bereich) und löst pe) ist ein membranständiges Transport- so einen Impuls aus, der am Axon entlang- protein mit besonderer Bedeutung für die wandert. Dieser als Aktionspotenzial be- Funktion von Nervenzellen. Sie transportiert zeichnete Impuls wird mit Hilfe der soge- Natriumionen im Austausch gegen Kalium- nannten Natrium-Kalium-Pumpe erzeugt. ionen aus der Zelle heraus und ist sowohl zur Dabei erzeugen die Neuronen, ähnlich wie Aufrechterhaltung des Ruhezustands (Ruhe- bei einer Batterie, durch chemische Prozesse potenzial) als auch zur Wiederherstellung Elektrizität. Die Umwandlung von Chemie der Ionenverhältnisse nach einem Aktions- in Elektrizität erfolgt durch den Austausch potenzial (Refraktärphase) wichtig. elektrisch geladener Atome (Ionen). 2. Ein Neuron löst einen Impuls – das so- genannte postsynaptische Potenzial Wenn Du die Funktionsweise der Natrium- – aus, wenn es von Sinnesrezeptoren Kalium-Pumpe im Detail verstehen willst, durch Druck, Hitze oder Licht oder von lies Dir dazu Kapitel 3.3.2. „Aktionspoten- anderen Neuronen durch chemische Bo- ziale“ in Gerrig & Zimbardo (2016) durch. tenstoffe (Neurotransmitter) stimuliert wird. Die Weiterleitung von elektrischen Signa- len innerhalb einer Nervenzelle erfolgt in 3. Der ausgelöste Impuls wird Aktionspo- mehreren Stufen, wie in Abbildung 5 veran- tenzial genannt und wandert als elekt- schaulicht wird: rische Ladung das Axon entlang. 1. Das Ruhepotenzial ist das Membran- 4. Es kommt zur Depolarisation. Die potenzial des Neurons in Ruhe. Hier ist Durchlässigkeit der Neuronen-Memb- noch kein Signal an der Zelle angekom- ran für die Ionen verändert sich, positiv men. Im Inneren des Neurons befinden geladene Ionen strömen hinein und die sich dann mehr negative Ionen als außen Spannung im Neuron ändert sich. um die Nervenzelle. 5. Refraktärphase: nach einem Aktions- potenzial benötigt das Neuron eine gewisse Ruhephase, um die Ionenver- hältnisse des Ruhepotenzials wiederher- zustellen. Erst danach kann es wieder depolarisiert werden. 3. Auslösung eines Aktionspotenzials AP 1. synaptische Erregungsübertragung zwischen Sinneszelle und Neuron 4. Weiterleitung des APs 2. Ausbildung eines post-synaptischen Potenzials PSP 5. synaptische Übertragung auf z. B. eine Muskelzelle Abbildung 5: Erregungsübertragung in einem Neuron 19 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Jetzt hast Du verstanden, dass innerhalb ei- Hierbei gilt ein Schlüssel-Schloss-Prinzip: ner Nervenzelle elektrische Impulse erzeugt Nur, wenn die richtigen Neurotransmitter in und weitergegeben werden. Zwischen den der richtigen Konzentration vorhanden sind, Synapsen zweier Nervenzellen befindet sich lösen sie beim postsynaptischen Neuron – der synaptische Spalt. Bildlich gesprochen ist bei ausreichender Neurotransmitter-Dichte hier der „Stromkreislauf unterbrochen“; die – ein Aktionspotenzial aus. Nur dann findet elektrischen Impulse können nicht von einer also eine Informationsübertragung zwischen Nervenzelle in eine andere Nervenzelle wei- Nervenzellen statt. tergegeben werden. Damit ein Aktionspo- tenzial von einer Nervenzelle zur nächsten Mehr Informationen zu den wichtigsten weitergegeben werden kann, werden im Neurotransmittern und ihren Funktionen synaptischen Spalt Neurotransmitter freige- findest Du in Kapitel 3.3.4 “Neurotransmit- setzt. ter und ihre Funktionen“ in Gerrig & Zimbar- do (2016). Neurotransmitter – chemische Botenstof- fe, die den synaptischen Spalt zwischen den Neuronen überqueren. Die Stoffe werden vom präsynaptischen Neuron ausgeschüttet und wandern über den Spalt zum postsynap- tischen Neuron, wo sie an Rezeptormoleküle gebunden werden. Damit haben die Neuro- transmitter einen Einfluss darauf, ob in der postsynaptischen Zelle ein neuronaler Im- puls entsteht. (Myers, 2014, S. 55). 20 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Wie ist das Nervensystem Gliazellen (»glial cells«) – Zellen innerhalb aufgebaut? des Nervensystems, die die Neuronen stüt- zen, ernähren und schützen und möglicher- Leben bedeutet, Informationen aufzuneh- weise beim Lernen und Denken eine Rolle men, Entscheidungen zu treffen und die In- spielen. (Myers, 2014, S. 74) formationen und Befehle zurück in das Kör- pergewebe zu senden. All dies ermöglicht unser Nervensystem mit Milliarden von Neu- Gliazellen werden in ihrer Rolle für unser ronen. Im vorherigen Abschnitt hast Du die Nervensystem oft vergessen. Im weiterfüh- Funktionsweise einer einzelnen Nervenzelle renden Material auf der Lernplattform fin- kennengelernt. In diesem Abschnitt geht es dest du das Video „Die Welt der Gliazellen“. um das Nervensystem. In diesem Video erfährst Du, welche Arten von Gliazellen es gibt, was ihre Aufgaben Das Nervensystem ist ein Organsystem, das sind und wie sie mit den Neuronen zusam- bei allen Handlungen eine koordinierende menarbeiten. Rolle spielt, wie z. B. bei der Muskelsteue- rung, der Verarbeitung von Sinnesreizen und bei emotionalen sowie kognitiven Pro- zessen. Das Nervensystem besteht aus Ner- vengewebe, das sich aus Nervenzellen und Gliazellen (Stützzellen) zusammensetzt. Ner- venzellen und Gliazellen gibt es im mensch- lichen Gehirn ungefähr gleich viele. Ab- bildung 6 zeigt ein Neuron neben den drei Arten von Gliazellen. Oligodendrozyt Mikroglia Neuron Astrozyt Abbildung 6: Neuron und die drei Arten von Gliazellen 21 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Bei Wirbeltieren besteht das Nervensystem Das periphere Nervensystem kann unterteilt aus dem Zentralnervensystem (ZNS = alle werden in das somatische Nervensystem und Neuronen des Gehirns und des Rücken- das autonome (vegetative) Nervensystem. marks) und dem peripheren Nervensystem Das somatische Nervensystem reguliert die (PNS = alle Neuronen, welche jene Nerven- Aktivität der Skelettmuskulatur, steuert be- fasern bilden, die das ZNS mit dem Körper wusste Bewegungen und übermittelt Rück- verbinden). Das Rückenmark verbindet Ge- meldung über Bewegungen. Das autonome hirn und PNS. Abbildung 7 zeigt die Struktur Nervensystem überwacht grundlegende Le- unseres Nervensystems. bensfunktionen und reguliert unbewusste Körperfunktionen (z. B. Atmung, Verdau- Das periphere Nervensystem bildet die Ver- ung, Erregung). Es besitzt zwei Untersyste- bindung zwischen Organen und Geweben me. Der sympathische Teil sorgt in Gefahren- und dem zentralen Nervensystem. Das PNS und Stresssituationen für Erregung; er wird besteht aus 31 Nervenpaaren im Rücken- auch Sympathikus genannt. Es geht um mark, 12 Nervenpaaren im Schädelmark und Flucht oder Kampf. Der parasympathische zwei Grenzsträngen, die links und rechts der Teil sorgt für Beruhigung und Regeneration Wirbelsäule liegen, und den entsprechen- und wird auch als Parasympathikus be- den Nervenzellen, die sich ebenfalls außer- zeichnet. halb des zentralen Nervensystems befinden. Diese Nerven schließen unter anderem an Muskel- und Organgewebe an. Nervensystem Peripheres Nervensytem Zentralnervensystem (neuronales Gewebe außerhalb (Gehirn & Rückenmark) von Gehirn und Rückenmark) Somatisches Nervensytem Autonomes Nervensytem (sensorische und motorische (internes System, Nerven, willkürlich) nicht willkürlich) Sympathischer Teil Parasymphatischer Teil („Notfall“) („Entwarnung“) Abbildung 7: Struktur des menschlichen Nervensystems (in Anlehnung an Gerrig & Zimbar- do, 2016, S. 93) Das periphere Nervensystem verbindet das zentrale Nervensystem mit Organen und Geweben. Es besteht aus dem somatischen Nervensystem und dem autonomen (vege- tativen) Nervensystem, das sich wiederum in zwei Untersysteme gliedert, den Sympathi- kus und den Parasympathikus. 22 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Ich bin Dein Gehirn Stammhirn: Das Stammhirn umfasst den Hirnstamm und das Zwischenhirn. Das Zwi- Das Gehirn ist der Teil des Zentralnerven- schenhirn (Diencephalon) besteht aus Tha- systems, der sich im Kopf/Schädel befindet. lamus, Hypothalamus, Hypophyse und der Es leitet Informationen weiter, kontrolliert Zirbeldrüse (Epiphyse). Der Thalamus ist das und verarbeitet diese. Das Gehirn steuert „Tor zum Bewusstsein“, er kanalisiert ein- und koordiniert die Sinnesorgane, die Bewe- treffende sensorische Informationen und lei- gungen, das Verhalten und die homöostati- tet sie zum Cortex weiter. Er ist der Knoten- schen Funktionen des Körpers wie Atmung, punkt für sensorische Informationen und die Blutdruck und Körpertemperatur. Es besteht Umschaltzentrale im Gehirn. aus Neuronen (Nervenzellen), von denen Kleinhirn: Das Kleinhirn (Cerebellum) ko- jede mit vielen, manchmal mehreren tau- ordiniert Körperbewegungen, kontrolliert send anderen Neuronen verbunden ist. u.a. die Haltung und hält das Gleichgewicht Das Gehirn mit seinen durchschnittlich 1,4 aufrecht. Bei Beeinträchtigung oder Schädi- Kilogramm und 100 Milliarden Nervenzellen gung des Kleinhirns können unkontrollierte steuert nahezu alle lebenswichtigen Körper- Bewegungen entstehen (z. B. auch unter funktionen. Es lässt sich in verschiedene Ge- starkem Alkoholeinfluss). Neuere Studien hirnareale (siehe Abbildung 8) unterteilen, zeigen, dass das Kleinhirn auch an Zeitein- die jeweils unterschiedliche Funktionen aus- schätzungen, Differenzierung von Tönen üben. und Mustern sowie der Emotionsregula- Hirnstamm: Der Hirnstamm ist der innerste tion beteiligt ist. sowie älteste Teil des Gehirns und befindet sich im unteren Teil des Schädels. Er umfasst Limbisches System: Das limbische System das verlängerte Rückenmark (Nachhirn oder umfasst eine Gruppe von Strukturen, die sich Medulla oblongata), die Brücke (Pons), die zwischen Hirnstamm und Hirnrinde befin- Formatio Reticularis und das Mittelhirn den. Diese steuern Emotionen, Motivation (Mesencephalon). Der Hirnstamm steuert und das emotionale Gedächtnis, regeln aber wichtige Vitalfunktionen wie Temperatur, auch Aspekte des Körperhaushalts (Tempe- Herzfrequenz, Atmung und Blutdruck, die ratur). Das limbische System ist evolutionär einfache Verarbeitung sensorischer Infor- gesehen einer der ältesten Teile des Gehirns, mationen und andere grundlegende interne aber es enthält auch einige neuere Struktu- Prozesse des Körpers. ren. Es besteht aus drei hauptsächlichen Ab- schnitten. limbisches System Zwischenhirn mit Thalamus Großhirn Epiphyse Mittelhirn Kleinhirn Hypothalamus Brücke Nachhirn Hypophyse (verlängertes Rückenmark) Hirnstamm Rückenmark Abbildung 8: Aufbau des Gehirns und Gehirnareale 23 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Hippocampus: Die „Gedächtnis-Struktur“ – Er ist beteiligt an der Bildung des Langzeit- Wenn Du mehr über das limbische System gedächtnisses. und seine Aufgaben wissen möchtest, inter- essiert Dich vielleicht der Artikel „Gedächt- Amygdala: Sie ist beteiligt an Aggression nisforscher lernen von Amnesiepatienten“. und Angst sowie der emotionalen Kontrolle. Diesen findest du im weiterführenden Mate- rial auf der Lernplattform. Hypothalamus: Der Hypothalamus regu- liert das autonome Nervensystem durch Hormone; er ist an der Regulierung des Blutdrucks, der Herzfrequenz, des Hungers, des Durstes, der sexuellen Erregung und des Schlaf-Wach-Zyklus beteiligt (Abbildung 9). Abbildung 9: Die Strukturen des limbischen Systems sind nur bei Säugetieren zu finden 24 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Das Großhirn und sein Aufbau Im Gehirn von Wirbeltieren ist ein anato- mischer Unterschied zwischen grauer und weißer Substanz sichtbar. Die graue Subs- Das Großhirn (Cerebrum) enthält den größ- tanz besteht aus den Zellkörpern und Den- ten Teil des (menschlichen) Gehirns. Es verar- driten der Neuronen. Die Großhirnrinde, das beitet Impulse von sensorischen Nervenzel- sind die äußeren Schichten des Gehirns wird len und reguliert willkürliche Bewegungen. auch als zerebraler Kortex bezeichnet und Es ist auch der Ort, an dem kognitive und besteht hauptsächlich aus grauer Substanz. emotionale Prozesse (logisches Denken, Pla- Die Graue Substanz findet sich über das ge- nung, Gedächtnis, Emotionen usw.) ablau- samte zentrale Nervensystem verstreut. Die fen – gesteuert weiße Substanz findet sich im Gehirn und Corpus Callosum über speziali- Zentralnervensystem. Sie besteht aus Axo- sierte Arbeits- nen, die von Myelin umgeben sind. Myelin gruppen. Wie ist die schützende, fetthaltige Isolierschicht in Abbildung um die Axone und für die Farbe der weißen 10 dargestellt, Substanz im Nervensystem verantwortlich. zeichnet sich Die weiße Substanz füllt vom Volumen her das Großhirn fast die Hälfte des menschlichen Gehirns aus. durch seine fur- Querschnitte durch das Gehirn erlauben es chige Oberflä- uns, die Struktur der grauen und der weißen che aus. Diese Substanz zu verstehen, wie in Abbildung 11 faltige „Struk- zu sehen ist. tur“ wird als Großhirnrin- de bezeichnet. Linke Rechte Die Oberflä- Hemisphäre Hemisphäre che des Groß- hirns besteht Abbildung 10: Großhirn mit Hemi- aus Milliarden sphären und Corpus Callosum von Zellen in einer etwa 3 mm dicken Schicht. Das Großhirn besteht aus zwei fast symmetrischen Hälften (rechte und linke Hemisphäre), die über den Balken (Corpus Callosum) miteinander verbunden sind (ein dickes Bündel von Nervenfasern) und so für die neuronale Kommunikation der beiden Hälften sorgen. Im Inneren des Großhirns befindet sich das Ventrikelsystem, ein System von Röhren und Hohlräumen, die mit Liquor (Hirnwasser) gefüllt sind. Das Ce- rebrum macht etwa zwei Drittel unserer Ge- hirnmasse aus. Abbildung 11: Querschnitt des Gehirns mit grauer und weißer Substanz 25 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Das Großhirn lässt sich in vier Lappen unter- Die graue Substanz ist ein wichtiger Be- teilen, wie in Abbildung 12 dargestellt: standteil des Zentralnervensystems und be- stimmt maßgeblich dessen Funktionen. Mit Der Frontallappen: dient der motori- der grauen Substanz werden besonders die schen Kontrolle und ist ebenso an höhe- Intelligenzleistungen des Gehirns in Zusam- ren kognitiven Fähigkeiten beteiligt. menhang gebracht. Allerdings steuert sie neben der Intelligenz sämtliche Wahrneh- Der Parietallappen: verarbeitet Emp- mungsprozesse und motorischen Leistungen findungen wie Berührung, Schmerz und des Menschen. Temperatur, sowie die räumliche Wahr- nehmung. Die weiße Substanz kann als das Gegen- stück der grauen Zellen im Gehirn verstan- Der Okzipitallappen: ist an der visuel- den werden. Die auch als Mark oder Mark- len Verarbeitung (Verarbeitung von In- substanz bezeichneten weißen Nervenfasern formationen über die Augen) beteiligt. bestehen aus von Myelin ummantelten Axo- nen. Sie befinden sich in den inneren Regio- Der Temporallappen: ist zuständig nen und werden von der grauen Substanz für die auditive Verarbeitung und das umgeben. Die weiße Substanz ist sehr be- Sprachverständnis (Wernicke-Areal). deutsam für alle Prozesse im Gehirn, die mit Lernen zu tun haben. Abbildung 12: In Bezug auf die Funktion können wir das Großhirn in verschiedene Areale oder „Lappen“ einteilen 26 ismfernstudium WP2 1_Grundlagen der allgemeinen Psychologie Die Verarbeitung von Abbildung 13 zeigt erneut das menschliche Sinneseindrücken im Cortex Großhirn und die Gehirnareale, sowohl im Quer- als auch im Längsschnitt. Welche Kör- Welche Teile des Großhirns für welche Funk- perfunktionen werden in welchem Gehirn- tionen zuständig sind, können wir mittler- areale verarbeitet? weile ziemlich genau bestimmen. Im Fol- genden erhältst Du einen grundlegenden Der motorische Cortex (hellorange) ist für Überblick über wesentliche Funktionen. die Ausführung und Programmierung der Bewegungen verantwortlich und kontrol- Das Wernicke-Areal ist ein Beispiel für die liert die Aktionen der über 600 willkürlich Spezialisierung der einzelnen Areale auf einsetzbaren Muskeln des Körpers. Die Funk- der Großhirnrinde. Dieses nach seinem Ent- tionsbahnen verlaufen hier überkreuzt: Die decker Carl Wernicke benannte Areal spielt linke Hirnhälfte steuert Muskeln der rech- eine wichtige Rolle für das Sprachverständ- ten Körperseite und umgekehrt; der obere nis. Es wird auch als sensorisches Sprach- motorische Cortex steuert die untere Kör- zentrum bezeichnet und ist das Gegenstück perhälfte und umgekehrt. Dabei entspricht zum motorischen Sprachzentrum, dem Bro- jedes Körperteil einem bestimmten Bereich ca-Areal. Eine Erkrankung oder Schädigung des motorischen Cortex. Der Körper ist da- des Wernicke-Areals kann zu Legasthenie mit gewissermaßen auf dem Kopf stehend und sensorischer Aphasie führen. Die Spra- und verkleinert auf der Hirnrinde abgebil- che, die von Wernicke-Patienten gesprochen det, was auch als Homunculus bezeichnet wird, erscheint im Allgemeinen flüssig, aber wird (Bezeichnung für einen künstlich ge- es fehlt ihr an Bedeutung, das heißt Betrof- schaffenen Menschen in der Alchemie des fene können Worte nachahmen, aber sie Mittelalters). Dabei sind die Proportionen verstehen das Gesagte nicht. Sie sprechen des Homunculus aber verzerrt, weil einzelne zwar flüssig, jedoch „Kauderwelsch“. Körperbereiche eine sehr fein unterglieder- te Motorik aufweisen (z. B. Hände), andere Körperbereiche werden eher grob bewegt Carl Wernicke (* 15. Mai 1848, Tarnowitz, (Rücken). Wir können also die Finger der Polen; † 15. Juni 1905, Dörrberg, Deutsch- Hände sehr viel filigraner und genauer be- land) war ein deutscher Psychiater und Neu- wegen als die Rückenmuskeln. rologe und einer der bedeutendsten Vertre- ter der Neuropsychiatrie im 19. Jahrhundert, Auch der somatosensorische Cortex (hell- der psychische Krankheiten

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