Staatsorganisationsrecht Past Paper PDF - WS 20/21

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This document is an IB past paper for Staatsorganisationsrecht (German for constitutional law) from the Winter Semester 2020/2021. The document contains lecture notes as well as questions.

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Universitätsprofessor Dr. Martin Schulte Technische Universität Dresden Staatsorganisationsrecht WS 20/21 - Vorlesungsbegleitendes Skript - Ablaufplan der Vorlesung 26.10.19 Staatsbegriff 02.11.19 Bundestag...

Universitätsprofessor Dr. Martin Schulte Technische Universität Dresden Staatsorganisationsrecht WS 20/21 - Vorlesungsbegleitendes Skript - Ablaufplan der Vorlesung 26.10.19 Staatsbegriff 02.11.19 Bundestag 09.11.19 Bundesrat, Bundesregierung 16.11.19 Bundespräsident, Bundesverfassungsgericht 23.11.19 Gesetzgebungsverfahren 30.11.19 Das Recht der politischen Parteien 07.12.19 Probeklausur 14.12.19 Rechtsstaat 04.01.19 Rechtsstaat 11.01.19 Bundesstaat 18.01.20 Sozialstaat 25.01.20 Staatszielbestimmungen 01.02.20 Klausur 2 I. Einführung 1. Rechtsordnung 2. Gliederung des Grundgesetzes Gliederung des Grundgesetzes Sachgegenstand I. Grundrechte (Art. 1 – 19 GG) Inhaltliche Bindungen der Staatsge- walt II. Bund und Länder (Art. 20 – 37 GG) Verschiedenes III. Bundestag (Art. 38 – 48 GG) IV. Bundesrat (Art. 50 – 53 GG) IVa. Gemeinsamer Ausschuss (Art. 53 a GG) Staatsorgane V. Bundespräsident (Art. 54 – 61 GG) VI. Bundesregierung (Art. 62 – 69 GG) VII. Gesetzgebung (Art. 70 – 82 GG) VIII. Verwaltung (Art. 83 – 91 GG) Staatsfunktionen IX. Rechtsprechung (Art. 92 – 104 GG) X. Finanz- und Haushaltswesen Finanzielle Grundlagen des Staates (Art. 104a – 115 GG) (Finanzverfassung) Xa. Verteidigungsfall (Art. 115a – 115l GG) Hauptteil der Notstandsverfassung XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen Verschiedenes (Art. 116 – 146 GG) 3 II. Staatsbegriff Staatsbegriff Ein Staat ist die mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgestattete Körperschaft des sesshaf- ten Volkes, die im Sinne der sog. Drei-Elemente-Lehre (nach Georg Jellinek) folgende we- sentliche Merkmale erfüllen muss: Staatsgebiet Staatsvolk Staatsgewalt = nach klassischer Völker- = ein auf Dauer angelegter Ist die originäre, unteilbare rechtslehre ein natürlicher, Zusammenschluss von Men- Herrschaftsmacht über das abgegrenzter Teil der Erd- schen auf dem Gebiet, wel- Gebiet und die dort befindli- oberfläche, der beherrschbar che mit diesem rechtlich so- chen Personen (Gebiets- und und zum dauernden Aufent- wie untereinander verbunden Personalhoheit) halt von Menschen geeignet sind (Schicksalsgemein- ist schaft) Art. 20 II GG Zum Geltungsbereich: Prä- Zur Staatsangehörigkeit: ambel des GG Art. 116 GG Bei einem Staat kann es sich auch um einen Zusammenschluss mehrerer Teilstaaten zu einem Gesamtstaat handeln (sog. Bundesstaat), wenn dabei die oben genannten Merkmale gewahrt bleiben. Bundesrepublik Deutschland Staatsgebiet Staatsgewalt Staatsvolk Präambel: 16 Bundesländer Alle Staatsgewalt geht vom Deutscher ist, wer die deut- Volk aus (Art. 20 II GG) sche Staatsangehörigkeit be- sitzt (Art. 116 I GG) Ausübung: - Deutsche Staatsangehörig- - Durch Wahlen keit nach Staatsangehörig- (Art. 28, 38 GG) keitsgesetz (StAG) - Abstimmungen (Erwerb §§ 3 ff., Verlust §§ (Art. 29, 146 GG) 17 ff.) - Durch die drei Staatsge- - Statusdeutsche walten: Legislative, Exeku- tive und Judikative 4 III. Staatsorgane 1. Bundestag/ Parlament = Versammlung der vom Volk gewählten Volksvertreter, der Abgeordneten und das zentrale Organ der mittelbaren Demokratie: Da das Volk als Souverän nicht alle Entscheidungen selbst treffen kann, bestimmt es in periodisch wiederkehrenden Abständen seine Vertreter und über- trägt diesen die Staatsgewalt (repräsentative Demokratie) Funktionen  Gesetzgebung (Art. 77 I 1 GG)  Budgetrecht (Art. 110 GG)  Kreationsfunktion (Wahl anderer Staatsorgane) (Art. 63 I, 54 III, 94 I GG)  Mitwirkungs- und Zustimmungsfunktion (Art. 23 II GG)  Kontrollfunktion: Zitierrecht (Art. 43 GG), Einsetzung von Untersu- chungsausschüssen (Art.44 GG), Wehrbeauftragter (Art. 45b GG), Par- lamentarisches Kontrollgremium (Art. 45d GG) Legislaturperi-  4 Jahre (Art. 39 I 1 GG) ode  Beendigung der Legislaturperiode mit Zusammentritt eines neuen Bun- destages → Keine parlamentslose Zeit! (Art. 39 I 2 GG)  Vorzeitige Auflösung des Bundestages: Kanzlerneuwahlen (Art. 63 IV 3 GG), Vertrauensantrag ohne absolute Mehrheit (Art. 68 I 1 GG), Kein Selbstauflösungsrecht des Bundestages Organisation des  Geschäftsordnung Bundestages → Geschäftsordnungsautonomie (Art. 40 I 2 GG): Bundestag hat das Recht, seine Organisation und das Verfahren selbst festzulegen → Die Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) enthält verbindli- che Rechtsnormen mit Innenwirkung, die die Beziehungen der Abge- ordneten untereinander und das Verhältnis des Bundestages zu den an- deren Verfassungsorganen ausgestalten. → GOBT: Rechtsnatur einer autonomen Satzung (h.M.) 5  Organe des Bundestages →Bundestagspräsident: Übt die Sitzungsleitung und Disziplinargewalt während der Sitzungen, sowie das Hausrecht und die Polizeigewalt im Gebäude des Bundestages aus. → Bundestagsplenum: der Bundestag berät und entscheidet in öffentli- cher Plenarsitzung (§ 19 I 1 GOBT). Mögliche Gegenstände der Bera- tung des Plenums ergeben sich aus § 75 GOBT → Bundestagsausschüsse: Eigentliche Sacharbeit des Bundestages, be- reiten Plenarbeschlüsse vor. Ausschüsse erfolgen nach fachlichen Ein- teilungskriterien (z.B. Haushaltsausschuss, Petitionsausschuss)  Beauftragte des Bundestages: Im Grundgesetz vorgesehen ist der Wehrbeauftrage des Bundestages (Art. 45b GG): Unterstützung des Bundestages bei der Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrolle und Hinwirkung auf den Schutz der Grundrechte der Soldaten Gliederung des Bundestages (Quelle: Thurich, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Poket Politik – Demokratie in Deutschland, 4. Auflage 2011, S. 68) Beschlüsse  Schlichte Parlamentsbeschlüsse: Einflussnahme auf die politische Ent- wicklung, beispielsweise indem die Bundesregierung aufgefordert wird, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen → Derartige Beschlüsse ent- falten allerdings keine rechtliche Verbindlichkeit. 6  Echte (verbindliche) Parlamentsbeschlüsse: Entfalten echte Rechtswir- kungen, z.B. bei Wahl- oder Kreationsakten, eilbedürftige Entschei- dungen, parlamentsinterner Bereich. Beschlussfassung: Grundsätzlich mit einfacher Mehrheit (Art. 42 II GG) (es sei denn, absolute oder qualifizierte Mehrheit erforderlich) Stellung der Ab-  Amt und Aufgabe der Parlamentsabgeordneten werden als Mandat be- geordneten zeichnet.  Die Abgeordneten des Bundestages verfügen nach Art. 38 I 2 GG über ein freies Mandat. Beim freien Mandat ist der Abgeordnete nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur seinem Gewissen unter- worfen. Es schützt sie vor Einflussnahme von Wählern, Wählergrup- pen, Parteien bzw. Fraktionen oder anderen politischen und wirtschaft- lichen Gruppen und garantiert ihre Unabhängigkeit. Allerdings: Spannungsverhältnis gegenüber Faktionszwang, Fraktions- disziplin und Art. 21 GG  Mitwirkungsrechte (u.a. Rederecht, Interpellationsrecht)  Indemnität und Immunität (Art. 46 GG) → Indemnität: Ein Abgeordneter kann wegen seiner Abstimmung o- der wegen einer Äußerung, die er im Bundestag getan hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden (Art. 46 I GG) → Immunität: Ein Abgeordneter darf wegen einer mit Strafe bedroh- ten Handlung nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwor- tung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, er wird auf frischer Tat ertappt (Art. 46 II GG). Fraktionen  Art. 53 I 2 GG, §§ 10 ff GOBT  Eine Fraktion stellt den organisatorischen Zusammenschluss einer Gruppe von Abgeordneten zur gemeinsamen Wahrnehmung parlamen- tarischer Aufgaben dar.  Die Fraktionen sind ein integrierender Bestandteil der parlamentari- schen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. 7  § 10 I GOBT: Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert (Mindeststärke: fünf Prozent) der Mitglieder des Bundes- tages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.  Abgeordnete sind in ihrer Mandatswahrnehmung in erheblichem Maße auf die Zugehörigkeit zu einer Fraktion angewiesen. Fraktionslose Ab- geordnete spielen nur eine untergeordnete Rolle: Sie haben Rede- und Mitwirkungsrechte aber kein Stimmrecht, sie sind nach § 57 II 2 GOBT sog. beratende Ausschussmitglieder. Wahlen zum Deutschen Bundestag Wahlperiode, Art. 39 I 1 GG: Demokratieprinzip verlangt Verleihung staatlicher Machtbe- fugnisse auf Zeit (Herrschaft auf Zeit); 4 Jahre Wahlrechtsgrundsätze: Allgemeinheit Unmittelbar- Freiheit Gleichheit Geheimheit keit Aktives und Keine Zwi- Wahl ohne Zähl- und Er- Stimmabgabe passives Wahl- scheninstanz, Druck und folgswert- geheim, keine recht für alle wie Wahlmän- Zwang gleichheit Offenbarungs- deutschen ner pflicht des Staatsbürger Wählers 2. Bundesrat Aufgaben (Art. 50  Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes (Art. 76, 77 II-IV GG) GG) → Kein Bundesgesetz kommt zustande, ohne dass der Bun- desrat damit befasst war.  Mitwirkung an der Verwaltung des Bundes (u.a. Art. 80 II, 84 II, 85 II GG) → v.a. Zustimmungserfordernisse (z.B. bei bestimmten Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften). 8  Mitwirkung in europäischen Angelegenheiten (Art 23 II-VII GG) → d.h. KEINE selbstständigen Befugnisse, sondern lediglich Mitwir- kungsrechte bei der Wahrnehmung von Aufgaben anderer Bundesor- gane, insbesondere Bundestag und Bundesregierung Zusammensetzung  69 Mitglieder (Art. 51 GG)  Vertreter der 16 Landesregierungen Arbeitsweise  ca. ein Mal monatlich: öffentliche Plenarsitzungen (Art. 52 III 3 GG) → Vorbereitung in Ausschüssen des Bundestages  Eigene Geschäftsordnung (Art. 52 III 2 GG) = GOBR  Bundesratsmitglieder haben Rederecht im Bundestag (Art. 43 II GG)  Die Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht und auf Ver- langen die Pflicht, an den Verhandlungen des Bundesrates und sei- ner Ausschüsse teilzunehmen. Sie müssen jederzeit gehört werden. (Art. 53 S.1-3 GG)  Der Bundesrat ist von der Bundesregierung über die Führung der Geschäfte auf dem Laufenden zu halten. (Art. 53 S. 4 GG) Beschlussfassung  Mehrheit der Stimmen erforderlich (Art. 52 III 1 GG)  Stimmenabgabe eines Landes muss einheitlich sein (Art. 51 III 2 GG) Bundesratspräsi-  Art. 52 I und II GG dent  Vertretung des Bundespräsidenten (Art. 57 GG) 3. Bundesregierung Mitglieder (Art. 62 GG):  Bundeskanzler (Wahl durch Bundestag, Art. 63 GG)  Bundesminister (Ernennung und Entlassung durch Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundeskanzlers, Art. 64 I GG) Amtsdauer:  Verknüpfung mit der Legislaturperiode (Art. 69 II GG) 9  Vorzeitige Beendigung u.a. bei konstruktivem Misstrauensvotum (Art. 67 GG), Ver- trauensfrage (Art. 68 GG), Rücktritt Aufgaben: Über das ganze Grundgesetz verteilt, wobei sie vor allem Funktionen als politi- sches Führungsorgan, Exekutivorgan und bei der Gesetzgebung innehat. Aufgabenverteilung Kanzlerprinzip Ressortprinzip Kabinettsprinzip = Richtlinienkompetenz des = Ressortkompetenz der Mi- = Kollegialkompetenz der Bundeskanzlers (Art. 65 S. 1 nister (Art. 65 S.2 GG) Bundesregierung GG) Innerhalb der Richtlinien lei- Alle wichtigen Entscheidun- Der Bundeskanzler bestimmt tet jeder Minister sein Ress- gen werden vom Kabinett die Richtlinien der Politik ort selbstständig und in eige- kollegial gefällt, bei Mei- und trägt dafür die Verant- ner Verantwortung nungsverschiedenheiten zwi- wortung schen Bundesministern ent- scheidet das Kabinett durch Mehrheitsbeschluss Bundeskanzler  Wahl: Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ge- wählt (Art. 63 I GG). Zur Wahl ist die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages erfor- derlich (sog. Kanzlermehrheit, Art. 63 II GG)  Organisations- und Personalgewalt: Bundeskanzler bestimmt über Anzahl und fachli- che Ausrichtungen der Bundesministerien. Er kann neue Ministerien errichten, beste- henden Ministerien neue Aufgaben zuweisen, Ministerien zusammenlegen oder bishe- rige Ministerien auflösen.  Richtlinienkompetenz: Gem. Art. 65 S. 1 GG bestimmt der Bundeskanzler die Richtli- nien der Politik und trägt dafür Verantwortung. Er ist zuständig für die Formulierung der Grundlinien der Politik der Bundesregierung, für die politischen Leitentscheidungen und auch für die Entscheidung von Einzelfragen mit erheblicher politischer Tragweite. 10 4. Bundespräsident (=Staatsoberhaupt) Rechtliche Stellung  Bundespräsident = Staatsoberhaupt und damit ranghöchster Ver- treter der Bundesrepublik Deutschlands  Politische Bedeutung aber eher gering: in erster Linie Repräsenta- tion und Integration Wahl  Wahl durch die Bundesversammlung (Art. 54 GG) Amtsdauer  5 Jahre, einmalige Wiederwahl möglich (Art. 54 II GG)  Vorzeitige Beendigung u.a. im Fall der Präsidentenanklage mög- lich (Art. 61 II 1 GG) Aufgaben  Völkerrechtliche Vertretung und Repräsentation des Bundes (Art. 59 GG)  Ausfertigung der Gesetze (Prüfungskompetenz) (Art. 82 I GG)  Vorschlag des Bundeskanzlers (Art. 63 I GG)  Ernennung und Entlassung der Bundesbeamten, Bundesrichter, Offiziere und Unteroffiziere (Art. 60 I-III GG)  Begnadigungsrecht (Art. 60 II GG)  Ernennung und Entlassung der Bundesminister (Art. 64 GG)  Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers (Art. 63 II 2, IV 2 und 3, 67 GG)  Auflösung des Bundestags (Art. 68 I 1, 63 IV 3 Alt.2 GG) Reservekompetenzen  Billigung eines Minderheitskanzlers in Regierungskrisen (Art. 63 IV 3 Alt.1 GG)  Gesetzgebungsnotstand (Art. 81 GG) Erfordernis der Ge- Art. 58 GG genzeichnung Immunität Art. 60 IV GG Inkompatibilität Art. 55 GG 11 Problem: Prüfungsrecht des Bundespräsidenten Nach Art. 82 I GG fertigt der Bundespräsident die „nach den Vorschriften dieses Grundge- setzes zustande gekommenen Gesetze“ nach Gegenzeichnung durch die Bundesregierung aus. Problem: Umfang des Prüfungsrechts und ob Bundespräsident ggf. die Ausfertigung ver- weigern kann. Formelles Prüfungsrecht?  (+) Allgemein anerkannt!  Ergibt sich daraus, dass Bundespräsident nur die „nach den Vorschriften dieses Grund- gesetzes zustande gekommenen Gesetze“ ausfertigen muss, worunter jedenfalls die ver- fahrensmäßigen Voraussetzungen zu verstehen sind, wie allgemein aus der gleichen Verwendung des Begriffs des „Zustandekommens“ in Art. 78 GG geschlossen wird Materielles Prüfungsrecht?  Umstritten!  Wortlaut des Art. 82 I GG kein Ausschluss des materiellen Prüfungsrechts, aber ähnli- che Formulierung wie in Art. 78 GG (könnte für Beschränkung auf formelle Gesichts- punkte sprechen)  Materielles Prüfungsrecht aufgrund des Amtseids des Bundespräsidenten (Art. 56 GG) oder der Präsidentenanklage (Art. 61 GG) → Für sich alleine Zirkelschlüsse, schließlich kann der Bundespräsident durch den Eid nur zu Handlungen verpflichtet sein bzw. nur für das Unterlassen von solchen Handlungen zur Verantwortung gezogen werden, zu denen er auch sonst berechtigt ist.  Normverwerfungsmonopol liegt beim BVerfG, daher hätte Bundespräsident keine Kompetenz; Aber: BVerfG verwirft Gesetze, die ausgefertigt und in Kraft getreten sind → Bundespräsident der vorgelegtes „Gesetz“ nicht ausfertigt, verwirft kein Gesetz, er verhindert, dass der vorgelegte Entwurf überhaupt zu einem Gesetz wird → Keine Kompetenzkollision  h.M.: Evidenzkontrolle: d.h. die Verfassungswidrigkeit muss auf den ersten Blick, also ohne materielle Prüfung, erkennbar sein → Dann darf Ausfertigung verweigert werden 12 5. Bundesverfassungsgericht Grundlagen  Doppelfunktion: Gerichtshof des Bundes und oberstes Verfas- sungsorgan → Gem. § 1 I BVerfGG ist das BVerfG ein allen üb- rigen Verfassungsorganen gegenüber selbstständiger und unab- hängiger Gerichtshof  Besondere Stellung im Aufbau der Gerichtsbarkeit der Bundesre- publik Deutschland  Übergeordnete Rechtsinstanz zum umfassenden Schutz des Rechtsstaates (Rechtssicherheit der Bürger, Verhinderung der Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien durch den Staat)  Neben den anderen Staatsgewalten ist das BVerfG ein selbststän- diges und unabhängiges Verfassungsorgan, das keiner anderen Behörde untersteht  Wendet nicht gesetzliche Vorschriften auf den Einzelfall an, son- dern hat die Aufgabe, das gesamte staatliche Handeln einschließ- lich der Gesetzgebung an den Normen des Grundgesetzes und des Rechtsstaates zu messen  Wird nicht von sich aus tätig, sondern eröffnet Verfahren nur auf Antrag von Dritten (z.B. Bürger, Bundestag, Gemeinden, Ge- richte)  § 31 I BVerfGG: Entscheidungen sind allgemeinverbindlich, d.h. sie binden alle Verfassungsorgane des Bundes und der Länder so- wie alle Behörden und Gerichte  Letztentscheidungsinstanz der Rechtsprechung  Hat sich selbst den Grundsatz der richterlichen Selbstbeschrän- kung auferlegt, d.h. Verzicht, Politik zu treiben Aufgaben  „Hüterin der Verfassung“: Verbindliche Auslegung und Anwen- dung der Normen des GG  Unterbindung von Verstößen gegen die Verfassung (Verfassungs- beschwerden, Normenkontrolle)  Nichtigkeitserklärung von verfassungswidrigen Gesetzen und Parteien 13  Festlegung und Fortbildung (= Weiterentwicklung) von Rechts- normen im Prozess der Rechtsprechung Zuständigkeiten Große Bedeutung im politischen Prozess: BVerfG kann Regierung und Parlament in die Schranken weisen z.B. durch:  Nichterklärung von Rechtsnormen  Feststellung der Unvereinbarkeit einer Norm mit dem Gesetz  Ermahnung zur verfassungskonformen Änderung von Gesetzen Die Rechtsprechung des BVerfG umfasst vier große Bereiche (Art. 93 GG):  Verfassungsbeschwerden (Art. 93 I Nr. 4a GG): können von je- dem mit der Behauptung erhoben werden, durch den Staat in ei- nem Grundrecht verletzt worden zu sein (z.B. durch Verwaltungs- akt (VA) oder Gerichtsurteil). BVerfG prüft nur die Einhaltung der Grundrechte, die Beurteilung sonstiger Rechtsfragen und die Feststellung von Tatsachen obliegen allen übrigen Gerichten.  Normenkontrolle: gerichtliche Prüfung der Vereinbarkeit eines Rechtssatzes mit dem Grundgesetz, nur BVerfG darf feststellen, dass ein Gesetz nicht mit dem GG vereinbar ist. Wenn ein ande- res Gericht ein Gesetz für Verfassungswidrig hält und es deshalb nicht anwenden will, muss es zuvor die Entscheidung des BVerfG einholen → Konkrete Normenkontrolle (Richtervorlage, Art. 100 I GG) Darüber hinaus können die Bundesregierung, eine Landesregie- rung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages die Verfas- sungsmäßigkeit einer Rechtsnorm überprüfen lassen → Abs- trakte Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 GG)  Verfassungsstreitigkeiten zwischen staatlichen Organen (Or- ganstreitverfahren, Art. 93 I Nr.1 GG): BVerfG entscheidet zwi- schen zwei Verfassungsorganen um ihre Rechte und Pflichten aus der Verfassung.  Schutz von Demokratie und Verfassung (z.B. Parteiverbotsver- fahren Art. 21 IV GG) 14 (Quelle: Baumann, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Poket Recht – Juristische Grundbegriffe, 1. Auflage 2009, S. 23) Literaturhinweise:  Du Mesnil de Rochemont, Müller, Die Rechtsstellung der Bundestagsabgeordneten, JuS 6/2016, 504 – 506 (Teil 1), JuS 7/2016, 603 – 608 (Teil 2).  Hebeler, Die Beschlussfassung von Gesetzesvorlagen sowie die Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung gem. Art. 77 GG, JA 7/2017, 484 – 490.  Lampert, Die wahlrechtlichen Gleichheitssätze, JuS 10/2011, 884 – 888.  Schemmel, Die geschäftsführende Bundesregierung, NVwZ 3/2018, 105 – 110.  Hauk, Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten im Hinblick auf die Verfassungs-, Europarechts- und Völkerrechtskonformität des Gesetzes, JA 2/2017, 93 – 99.  Schulte, Das Recht der Untersuchungsausschüsse, JURA 8/2013, 505 – 511.  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Die Wahlrechtsgrundsätze, JuS 12/2013, 1078 – 1080.  15 IV. Gesetzgebung Gesetzgebungskompetenzen Grundsatz Länderzuständigkeit (Art. 30, 70 I GG) Ausnahme GG verleiht dem Bund Gesetzgebungskompetenzen Ausschließliche Konkurrierende Gesetzge- Grund- Ungeschriebene Ge- Gesetzgebungs- bungskompetenz des Bundes satz-ge- setzgebungs-kompe- kompetenz des (Art. 72 GG) setzge- tenzen des Bundes Bundes (Art. 71 Legaldefinition Art. 72 I GG: bungs- → Kompetenz Kraft GG) Länder haben nur die Befugnis kompetenz Sachzusammenhangs = Materien, die zur Gesetzgebung solange und (z.B. Art. → Annexkompetenz dem Bundes-ge- soweit der Bund von seiner Ge- 109 IV GG) → Kompetenz aus der setzgeber vorbe- setzgebungszuständigkeit nicht Natur der Sache halten sind (ins- durch Gesetz Gebrauch macht bes. Katalog (Katalog Kompetenztitel Art. Art. 73 I GG, 74 I GG) Art. 105 I GG) Für die Bejahung der Gesetzge- bungszuständigkeit des Bundes ist entscheidend, unter welchen Voraus-setzungen der Bund von der Gesetzgebungszustän- digkeit Gebrauch machen darf: → Kernkompetenz → Bedarfs- bzw. Erforderlich- keitskompetenz → Abweichungskompetenz 16 Gesetzgebungsverfahren Einleitungsverfahren →Gesetzesinitiativrecht (Art. 76 I GG) →Vorverfahren (Art.76 II, III GG) Gesetzesinitiativrecht Bundesregierung Mitte des Bundestages Bundesrat →ggf. Stellungnahme des (§ 76 GO BT) →ggf. Stellungnahme der Bundesrates (Art. 76 II GG) Bundesregierung (Art. 76 III GG) Bundestag Hauptverfahren  Beratung durch den Bundestag (§§ 78 ff. GO BT) → i.d.R. drei Beratungen, wobei nach der ersten Beratung eine Überweisung an einen Ausschuss erfolgt  Gesetzesbeschluss des Bundestages → i.d.R. durch einfache Mehrheit (Art. 42 II 1 GG), Ausnahme insbesondere bei verfassungsändernden Gesetzen (Art. 79 II GG, qua- lifizierte Mehrheit) Mitwirkung des Bundesrates:  Umfang der Mitwirkung hängt von der Qualifizierung des Gesetzes als Einspruchs- o- der Zustimmungsgesetz ab  Grundsätzlich handelt es sich um Einspruchsgesetze, es sei denn im GG ist die Zustim- mungsbedürftigkeit ausdrücklich vorgeschrieben (z.B. Art. 23 I 2, 84 I 6, 104 a IV GG)  Gesetz kommt nur in folgenden Fällen zustande (Art.78 GG): Einspruchsgesetz Zustimmungsgesetz  BR beantragt nicht die Einberufung des  BR stimmt zu (Var.1) Vermittlungsausschusses (Var.2)  BR legt keinen Einspruch ein (Var.3)  BR nimmt Einspruch zurück (Var.4)  Einspruch des BR wird durch BT gem. Art. 77 IV GG überstimmt (Var.5) 17 Abschlussverfahren  Gegenzeichnung → § 29 I1 GO BReg sieht die Gegenzeichnung durch Bundeskanzler und zuständigen Bundesminister vor; für die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes genü- gen die Voraussetzungen des Art. 58 S.1 GG  Ausfertigung (Art. 82 I GG): Bundespräsident unterschreibt auf der Originalurkunde → Prüfungskompetenz des Bundespräsidenten Formelles Prüfungsrecht Materielles Prüfungsrecht → Bzgl. Verstößen gegen formelles Ver- → Bzgl. Verstößen gegen materielles Ver- fassungsrecht (Gesetzgebungsverfahren, - fassungsrecht kompetenzen) z.T: umfassendes Prüfungsrecht h.M.: Evidenzkontrolle  Verkündung im Bundesgesetzblatt (Art. 82 I S. 2 GG)  Inkrafttreten (Art. 82 II GG) Literaturhinweise:  Bäumerich, Grundfälle zu den Gesetzgebungskompetenzen, JuS 2/2018, 123 – 129.  Bäumerich, Fadavian, Grundfälle zum Gesetzgebungsverfahren, JuS 11/2017, 1067 – 1073.  Maurer, Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, JuS 11/2010, 945 – 953.  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Bundesstaatsprinzip, JuS 10/2010, 873 – 876. 18 V. Demokratieprinzip und das Recht der politischen Parteien 1. Demokratieprinzip Inhalt De- Demokratieprinzip beinhaltet: mokratie-  Volkssouveränität als Ausübung der Staatsgewalt im Namen des Volkes prinzip und die Wahl der wichtigsten Träger der Staatsgewalt durch das Volk  Prinzip der Mehrheitsentscheidung  Gleichheit der Staatsbürger  Politische Grundrechte (z.B. Art. 5 I, 8 GG)  Oppositionsfreiheit  Zeitliche Begrenztheit der durch Wahlen vermittelten Legitimation → Demokratie bedeutet immer auch eine „Herrschaft nur auf Zeit“ Demokrati-  Nach dem Grundgesetz ist nur das Parlament vom Volk gewählt und da- sche Legiti- mit direkt legitimiert mation  Andere Staatsorgane müssen durch die Einschaltung des Parlaments mittelbar demokratisch legitimiert werden Verfassungs-  Art. 20 I, II 1 GG: Volkssouveränität rechtliche  Art. 20 II 2 GG: Ausübung der Staatsgewalt (Unmittelbar durch Wah- Verortung len und Abstimmungen; Mittelbar durch Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung)  Art. 21 GG: Politische Parteien  Art. 28 I GG: Homogenitätsklausel  Art. 38 ff. GG: Wahlen zum Deutschen Bundestag 2. Die politischen Parteien Parteibegriff § 2 I 1 PartG:  Parteien sind Vereinigungen von Bürgern.  Dauerhafter oder auf längere Zeit angelegter Wille, auf die politi- sche Willensbildung Einfluss zu nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitzu- wirken. 19  Die Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzungen muss be- stehen (z.B. durch Umfang und Festigkeit der Organisation, Zahl der Mitglieder, Hervortreten in der Öffentlichkeit).  Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein. Art. 21 I GG:  Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.  Ihre Gründung ist frei.  Ihre innere Ordnung muss demokratischen Grundsätzen entspre- chen.  Sie müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel so- wie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben (Transpa- renzgebot). Doppelstellung Verfassungsrechtliche Institution und Vereinigung des privaten Rechts. Funktionen  Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes, Art. 21 I 1 GG  Mittler zwischen Staat und Gesellschaft Gründungsfreiheit  Gründungsfreiheit (inkl. Programm- und Beteiligungsfreiheit), und innere Orga- Art. 21 I 2 GG, § 1 I 2 PartG → Schutz vor staatlichen Eingriffen nisation und Einflüssen auf die Willensbildung der Parteien  Grundrechtsfähigkeit, Art. 19 III GG  Einschränkung durch Art. 21 I 3 GG, §§ 6 ff. PartG  Innere Ordnung der Parteien muss den demokratischen Grundsät- zen entsprechen (Art. 21 I S.3 GG)  Verfassungsrechtliche Absicherung des Mehrparteiensystems durch das Demokratieprinzip, Art. 20 I und II GG Demokratische  Der Aufbau hat von „unten nach oben“ zu erfolgen. Binnenstruktur  Die entscheidende Willensbildung liegt bei den Mitgliedern.  Oberstes Willensbildungsorgan muss eine Mitgliederversamm- lung (Parteitag) sein.  Innerparteiliche Wahlen müssen die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 I 1 GG beachten. 20  Das Demokratiegebot betrifft nur die Innenbeziehungen der Par- tei, nicht dagegen die Außenbeziehungen zu Dritten, sodass sich kein Anspruch auf Aufnahme in die Partei herleiten lässt (§ 10 I 1 PartG: Freie Entscheidung der zuständigen Organe über die Auf- nahme in die Partei).  Parteiausschluss nur unter strengen Voraussetzungen zulässig, § 10 IV PartG. Chancengleichheit  Art. 21 I GG i.V.m. Art. 3 I, 38 I GG, §5 PartG  Grds. strenge und formale Gleichbehandlung (Aber: vorgefun- dene Wettbewerbslage darf nicht verfälscht werden) Parteifinanzie-  Transparenzgebot (Art. 21 I 4 GG) rung  Wesentliche Finanzquellen sind Mitgliedsbeiträge und Spenden i.S.v. § 27 I PartG sowie staatliche Teilfinanzierung, §18 PartG  Zulässig ist nur eine offene Parteifinanzierung, grds. unzulässig sind eine verdeckte Parteifinanzierung sowie eine vollständige Parteifinanzierung durch den Staat.  Bei Verstößen gegen das Transparenzgebot sind Sanktionen mög- lich, §§ 31a f. PartG. Verbot verfas- Parteiverbotsverfahren: sungswidriger  Materielle Voraussetzung ist, dass die Partei nach ihren Zielen o- Parteien der dem Verhalten der Anhänger darauf ausgeht, „die freiheitli- che demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu be- seitigen oder den Bestand der Bundesrepublik zu gefährden“, Art. 21 II GG (Abschließende Kriterien).  Entscheidungsmonopol des BVerfG: Art. 21 IV GG  Parteienprivileg: Privilegierung der politischen Parteien gegen- über den übrigen Vereinigungen und Verbänden. Grund: Erhöhte Schutz- und Bestandsgarantie wegen ihrer Sonderstellung im Verfassungsleben. Solange eine Partei nicht vom BVerfG verbo- ten ist, darf keine staatliche Stelle geltend machen, es handele sich um eine verfassungswidrige Partei, Art. 21 IV GG. 21 Literaturhinweise:  Uhle, Das Parteiverbot gem. Art. 21 II GG, NVwZ 9/2017, 583 – 590.  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Die politischen Parteien, JuS 8/2019, 763 ff.  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Die Wahlrechtsgrund- sätze, JuS 12/2013, 1078 – 1080.  22 VI. Rechtsstaat 1. Allgemein Kerngedanke: Die Ausübung aller staatlichen Gewalt soll umfassend an das Recht gebun- den werden. Kernvorschrift: Art. 20 III GG „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“ Rechtsstaatliche Gewalten- Gesetzmäßig- Rechts-si- Rechts- Grund- Normen-hierar- teilung keit der Ver- cherheit schutz und rechts-ge- chie waltung unabh. Justiz währleistung 2. Rechtsquellen 23 3. Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 II S.2 GG) → Die Ausübung der Staatsgewalt erfolgt durch besondere Organe der gesetzgebenden Gewalt, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung. → Die Ausübung der Staatsgewalt ist in Deutschland nicht nur horizontal zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, sondern auch vertikal zwischen dem Bund und den Ländern geteilt Legislative Exekutive Judikative (Gesetzgebende Ge- (Vollziehende Ge- (Rechtsprechende walt) walt) Gewalt) Vertikale Gewaltenteilung Bund Bundestag Bundesregierung Bundesgerichte Bundesrat Bundesverwaltung Länder Landtage Landesregierungen Landesgerichte Landesverwaltungen Horizontale Gewaltenteilung Die doppelte Funktion der Gewaltenteilung: Sicherstellung einer bestmöglichen Aufga- Freiheitssichernde Funktion, da die Staats- benwahrnehmung, indem jeder Gewalt ein gewalt durch die Trennung und gegenseitige Kernbereich eigenen Wirkens garantiert Kontrolle der Gewalten gemäßigt wird. wird 4. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Art. 20 III GG: Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz Vorrang des Gesetzes Vorbehalt des Gesetzes → Verwaltung darf nicht gegen bestehende → Verwaltung darf nur handeln, wenn ein Gesetze handeln entsprechendes Gesetz dies gestattet (Kein Handeln gegen Gesetz) (Kein Handeln ohne Gesetz) 24 5. Verhältnismäßigkeit Übermaßverbot; zentrale Rolle beim Grundrechtsschutz Legitimer Zweck Geeignetheit Erforderlichkeit Angemessenheit Die staatliche Maß- Die staatliche Maß- Es gibt kein milderes Die Wertigkeit des nahme verfolgt einen nahme erreicht bzw. Mittel, das den Zwecks steht in ei- legitimen Zweck fördert den Zweck Zweck gleich wirk- nem angemessenen sam erreicht wie die Verhältnis zur Maßnahme Schwere des Ein- griffs 6. Rechtssicherheit Bestimmtheitsgebot → Klarheit und Beständigkeit staatlicher Entscheidungen → Norm bzw. Rechtsakt muss so klar sein, dass für den Betroffenen die Rechtslage erkennbar ist und er sein Verhalten daran ausrichten kann → Ausprägungen: Art. 103 II und 80 I 2 GG; §37 I VwVfG → Bestimmtheitsgrad abhängig von der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhaltes mit Rücksicht auf den Normzweck →Unbestimmte Rechtsbegriffe möglich, wenn diese auslegungsfä- hig sind Widerspruchs-frei- → Im Kollisionsfall muss eine Regelung weichen heit der Rechts- → Kriterien: Rang (vgl. Normenpyramide), Zeitenfolge, Spezialität ordnung der Regelung Rückwirkungsver- → Absolutes Rückwirkungsverbot: Art. 103 II GG bot und Vertrau- → Allgemeines Rückwirkungsverbot ens-schutz  Echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen)  Unechte Rückwirkung (Tatbestandliche Rückanknüpfung) 25 7. Rechtsschutz und Justizgrundrechte Rechtsweggarantie Art. 19 IV GG → Justizgewährungsanspruch; Flankierung durch Art. 97 GG (sachliche und persönliche Unabhängigkeit des Rich- ters) Justizgrundrechte Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 I GG), Rechtliches Gehör (Art. 103 I GG), Absolutes Rückwirkungsverbot (Art. 103 II), Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 III GG) Literaturhinweise:  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Der Grundsatz der Gewalten- teilung, JuS 4/2012, 314 – 316.  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Rechtsstaatsprinzip, JuS 2/2010, 116 – 119. 26 VII. Bundesstaat →Verbindung von mehreren Einzelstaaten zu einem völkerrechtlich anerkannten Gesamt- staat. Bundesstaat= Staatsgebilde zwischen Einheitsstaat und Staatenbund, in dem sowohl der Zentralstaat als auch die Gliedstaaten echte originäre Staatsgewalt besitzen. Gesamtstaat Gliedstaaten entscheidet über alle Fragen, behalten ihre Staatlichkeit und sind an der Willensbildung die für die Einheit und den Be- des Ganzen beteiligt. Die Bundesländer haben eine eigene stand des Ganzen wesentlich Verfassung und können in ihrem Zuständigkeitsbereich sind. selbst völkerrechtliche Verträge schließen. Die Aufteilung des Bundesgebiets in Bundesländer mit eigener Staatsqualität spiegelt sich im Bundesstaatsprinzip, Art. 20 I GG, wider und ist durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG gesichert. Kompetenzverteilung Art. 30 GG: Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist grundsätzlich Sache der Länder! Vollzug der Gesetze Landesgesetze Bundesgesetze Durch die Län- Durch die Länder Durch den Bund der (Art. 86, 87 GG) (Art. 30 GG) Bundeseigene Ver- waltung Als eigene Angelegenheit Als Auftragsangelegenheit (Art. 83, 84 GG) (Art. 85 GG) Bundesauftragsverwaltung 27 →Bund kann nur tätig werden, wenn ihn eine Zuständigkeit im Grundgesetz dazu ermächtigt. Gesetzgebungskompetenz Verwaltungskompetenz Gerichtsorganisation Art. 70 ff. GG Art. 83 ff. GG Art. 92 ff. GG Die Länder als eigene Staaten in der Bundesrepublik Deutschland Die Länder haben das Recht, ihre eigene Staatsorganisation eigenständig zu regeln. Eine Grenze dieser selbstständigen Befugnis bildet allerdings die Homogenitätsklausel des Art. 28 I 1 und 2 GG: Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikani- schen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entspre- chen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Gegenseitige Einflussnahme bei Bund und Ländern Grunds. sind die Bereiche von Bund und Ländern streng voneinander getrennt, aber: Mecha- nismen der gemeinsamen Kontrolle und Koordination:  Die Länder wirken durch den Bundesrat an der Gesetzgebung (z.B. Einspruchsrecht des Bundesrates, Zustimmungsbedürftigkeit der Gesetze), an der Verwaltung des Bundes (z.B. Zustimmungsbedürftigkeit von Rechtsverordnungen Art. 80 II GG) und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit (Mitwirkungsbefugnisse aus Art. 23 II 1 GG).  Kontrollmechanismen: Bund-Länder-Streitverfahren (Art. 93 I Nr. 3 und 4 GG) und Verfahren der abstrakten Normenkontrolle (Art. 93 I Nr. 2 GG)  Einwirkung des Bundes auf die Länder: Aufsicht über den Vollzug der Bundesgesetze (Art. 84 III und IV, Art. 85 IV GG), Anrufung des BVerfG (Art. 93 I Nr. 2-4 GG), Bundeszwang (Art. 37 GG) 28 Der Grundsatz der Bundestreue Der Grundsatz der Bundestreue begründet über das geschriebene Recht hinaus Rechte und Pflichten von Bund und Ländern. Er verpflichtet Bund und Länder bei der Wahrung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundestaates und auf die Belange der Länder zu nehmen. Er gilt im Verhältnis von Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern. Die aus dem Prinzip bundesfreundlichen Verhaltens ableitbaren Pflichten reichen von Infor- mations-, Abstimmungs- und Zusammenarbeitsgeboten bis zur Verpflichtung, eine Kompe- tenz im Einzelfall nicht auszuüben bzw. sie in einer bestimmten Weise wahrzunehmen. Ein Verstoß kann allerdings erst dann angenommen werden, wenn das Verhalten eines Lan- des oder des Bundes im Einzelfall geradezu willkürlich oder rechtsmissbräuchlich erscheint. Literaturhinweise:  Voßkuhle, Kaufhold, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Bundesstaatsprinzip, JuS 10/2010, 873-876. 29 VIII. Sozialstaat Verankerung im GG Art. 20 I GG Art. 28 I 1 GG (demokratischer und sozialer Bundesstaat) (sozialer Rechtsstaat) Der Sozialstaat ist zur Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicher- heit verpflichtet.  Soziale Gerechtigkeit: Herstellung tatsächlicher Chancengleichheit (z.B. BAföG und Prozesskostenbeihilfe) sowie Schutz der „Schwachen gegen die Starken“ (z.B. Ar- beitsrecht und Verbraucherschutz).  Soziale Sicherheit: Schaffung oder Erhaltung von Einrichtungen, die für den Fall des Fehlens eigener Daseinsreserven in Krisen die notwendige Daseinshilfe gewähren (z.B. Sozialversicherungssystem nach dem SGB I-XI und Sozialhilfe nach dem SGB XII). Als staatsorganisationsrechtliches Strukturprinzip vermittelt das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I GG selbst keine Ansprüche gegen den Staat. Es handelt sich dabei um eine Staatsziel- bestimmung gerichtet auf die Herstellung sozialer Gerechtigkeit, sozialer Sicherheit und die Chancengleichheit im Rahmen der rechtsstaatlichen Ordnung. Das Sozialstaatsprinzip enthält einen Geltungsauftrag an den Gesetzgeber. Angesichts sei- ner Weite und Unbestimmtheit lässt sich daraus jedoch kein Gebot entnehmen, soziale Leis- tungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG folgt lediglich, dass der Staat die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein sei- ner Bürger schaffen muss. Literaturhinweise:  Voßkuhle, Wischmeyer, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Sozialstaatsprinzip, JuS 08/2015, 693 – 695. 30 IX. Staatszielbestimmungen Begriff  Neben den Grundrechten und den Staatsstrukturprinzipien, bilden Staatszielbestimmungen einen festen Bestandteil der deutschen Verfas- sungsrechtsordnung.  Staatszielbestimmungen sind offen gefasste Verfassungsnormen, die den Staat verpflichten, auf die Verwirklichung bestimmter Ziele hinzu- wirken. Die Art und Weise der Verwirklichung bleiben der Staatstätig- keit wegen der Zuerkennung eines weiten Handlungsspielraums über- lassen. Abgrenzung Staatsstrukturprinzipien:  Staatsstrukturprinzipien bilden die verfassungsrechtlichen Grundent- scheidungen des Staates, verleihen dem Staat in formeller und materi- eller Hinsicht sein maßgebliches Gepräge und formen damit das Fun- dament, auf das die Bundesrepublik Deutschland gegründet ist.  Art. 20 GG: Prinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats, des Bundes- staats, des Sozialstaats und der in Art. 1 GG niedergelegten Menschen- würde.  Ausnahme: Das Sozialstaatsprinzip wird oftmals auch den Staatsziel- bestimmungen zugerechnet.  Die genannten Prinzipien sind durch die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG abgesichert, Staatszielbestimmungen können dagegen durch eine Verfassungsänderung geändert oder beseitigt werden. Grundrechte  Grundrechte und Staatszielbestimmungen besitzen eine objektive Ver- pflichtungsdimension, die für das gesamte staatliche Handeln von Le- gislative, Exekutive und Judikative richtungsweisend ist.  Die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte haben darüber hin- aus eine subjektiv-rechtliche Qualität: sie sind Abwehrrechte gegen den Staat, können also staatliche Eingriffe der Legislative (Gesetz), der Exekutive (Verwaltungshandeln) und der Judikative (Gerichtsentschei- dungen) im Klageweg abwehren. 31  Diese subjektive Rechtserzwingungsmacht gegenüber den drei Staats- gewalten fehlt den Staatszielbestimmungen.  Ausnahme: Das BVerfG hat in der Hartz-IV-Entscheidung aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG i.V.m. Art. 1 I GG ein (soziales) Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzmi- nimums hergeleitet. Gesetzgebungsaufträge:  Gesetzgebungsaufträge sind ausdrücklich in Einzelnormen angeordnet (z.B. Art. 6 V, 21 III GG) und fordern den Gesetzgeber auf, das Nä- here durch Bundesgesetze zu regeln.  Gesetzgebungsaufträge richten sich nur an Gesetzgeber, Staatszielbe- stimmungen richten sich darüber hinaus auch an die Verwaltung und an die Rechtsprechung.  Die Verpflichtungskraft des Gesetzgebungsauftrags ist größer und punktueller, Staatszielbestimmungen wirken dagegen nur in allgemei- ner Form auf den Gesetzgeber ein, ohne ihn zwingend auf eine be- stimmte legislative Aktivität festzulegen. Existierende  Der Frieden in der Welt, Präambel Staatsziel-  Die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und bestimmungen Männern, Art. 3 II 2 GG  Die Erhaltung und Förderung eines freiheitlichen Kunst- und Wissen- schaftslebens, Art. 5 III 1 GG  Der Mutterschutz, Art. 6 IV GG  Die Gleichstellung nichtehelicher Kinder, Art. 6 V GG  Der staatliche Erziehungsauftrag, Art. 7 I GG  Die Sozialverpflichtung des Eigentums, Art. 14 II GG  Das Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I GG  Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere, Art. 20a GG  Die Verwirklichung eines vereinten Europas, Präambel und Art. 23 I GG  Die Friedenspflicht, Art. 24 II und 26 I GG 32  Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, Art. 72 II GG  Die Gewährleistung der Grundversorgung in den Bereichen Post, Ei- senbahn und Telekommunikation, Art. 87e IV und 87f I GG  Die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, Art. 109 II GG → Daneben werden Staatszielbestimmungen zum Teil im Wege der Inter- pretation auch aus Gesetzgebungskompetenzen abgeleitet (z.B. Militäri- sche Landesverteidigung, funktionsfähige Strafrechtspflege) oder sie ver- stehen sich, unabhängig vom Wortlaut, von selbst, wie das Ziel der Ge- rechtigkeit und das des Gemeinwohls. Diskutierte  Der Schutz ethischer, kultureller und sprachlicher Minderheiten Staatsziel-  Die Förderung von Bildung und Kultur bestimmungen  Der Gemeinsinn  Der Sport  Die Rechte von Kindern  Die Förderung von Generationengerechtigkeit Literaturhinweise:  Schladebach, Staatszielbestimmungen im Verfassungsrecht, JuS 2/2018, 118 – 122.  Voßkuhle, Wischmeyer, Grundwissen – Öffentliches Recht: Das Sozialstaatsprinzip, JuS 8/2015, 693 – 695. 33

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