Soziale Arbeit in der BRD Teil 1 PDF
Document Details
Uploaded by Deleted User
Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) Regensburg
Tags
Related
- Week 2 - Frankel and Gelman - Case Management - An Introduction to Concepts and Skills PDF
- Week 2 - Frankel and Gelman - Chap 1 - The Evolution of Case Management PDF
- Psychologische Grundlagen PDF
- Sozialrecht - 5. Lektion PDF
- Armut_AB_05_2_Sozialer_Wandel 2 PDF
- Rechtsgrundlagen Sozialer Arbeit PDF WiSe 2024/2025
Summary
Die PDF behandelt das Thema Soziale Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland, speziell in der Nachkriegszeit. Es werden verschiedene Aspekte wie die Besatzungszeit, Reeducation, Sozialstaat und soziale Marktwirtschaft im Kontext der 1960er und 1970er Jahre analysiert.
Full Transcript
Soziale Arbeit in der BRD I Die Nachkriegszeit Im Jahre 1945 regieren in Deutschland die vier Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich Die Besatzungszonen wurden unterschiedlich verwaltet, der Kontrollrat einigte sich aber auf geme...
Soziale Arbeit in der BRD I Die Nachkriegszeit Im Jahre 1945 regieren in Deutschland die vier Siegermächte USA, UdSSR, Großbritannien und Frankreich Die Besatzungszonen wurden unterschiedlich verwaltet, der Kontrollrat einigte sich aber auf gemeinsame Grundlagen (z.B. Potsdamer Abkommen von 1945, Kontrollratsdirektive Nr. 54: Grundprinzipien für die Demokratisierung des Bildungswesens in Deutschland von 1947) Die Nachkriegszeit ist vom Wiederaufbau geprägt (z.B. soziale Infrastruktur). Die Grundversorgung der Bevölkerung stand im Mittelpunkt (z.B. Veteranen, Witwen, Waisen, Kriegsversehrte, Flüchtlinge). Soziale Herausforderungen der Nachkriegszeit waren beispielsweise Armut, Hunger, Wohnungslosigkeit und Kriminalität. Die Siegermächte unterstützen durch Hilfsprogramme (z.B. CARE-Pakete) Reeducation in der Gesellschaft „Das Erziehungswesen in Deutschland muss so überwacht werden, dass die nazistischen und militaristischen Lehren völlig entfernt werden und eine erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht wird…“ (Potsdamer Abkommen, Politische Grundsätze, 7.) „Alle Schulen sollten Nachdruck legen auf die Erziehung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und demokratischen Lebensstil (democratic way of life)…“ (Grundsatz 5 der Kontrollratsdirektive Nr. 54) Reeducation in der Sozialen Arbeit „Ab den 1960er-Jahren liberalisierte und demokratisierte sich die Gesellschaft der BRD und mit ihr die Soziale Arbeit langsam. Hierzu trug die Reeducation von Fachkräften durch die westlichen Besatzungsmächte und das in diesem Rahmen vermittelte Konzept von „Casework“ bei. Casework war mehr als eine Methode, weil in ihr auch psychoanalytische Deutungsmuster berücksichtigt und ethische Prinzipien formuliert wurden: die Achtung für die menschliche Persönlichkeit, die Notwendigkeit der aktiven und selbstverantwortlichen Beteiligung der Hilfeempfänger*innen, die Anerkennung menschlicher Verschiedenheit und die Selbstreflexion der Fachkräfte. Die Lehre vom Casework war vor allem eine der professionellen, aber partnerschaftlichen Beziehungsgestaltung…“ (Kuhlmann 2019) Die BRD als Sozialstaat und soziale Marktwirtschaft „Sozialstaat bezeichnet einen demokratischen Staat, der verfassungsgemäß nicht nur die Grundrechte und persönlichen und wirtschaftlichen Freiheiten garantiert, sondern auch rechtliche, finanzielle und materielle Maßnahmen ergreift, um soziale Gegensätze und Spannungen (bis zu einem gewissen Maß) auszugleichen. Das Sozialstaats-Prinzip schließt insofern an das rechtsstaatliche Ziel der Gerechtigkeit an und ist in Art. 20 und 28 GG festgelegt.“ (Schubert/Klein 2020). „Soziale Marktwirtschaft bezeichnet eine Wirtschaftsordnung, die auf der Basis kapitalistischen Wettbewerbs dem Staat die Aufgabe zuweist, sozialpolitische Korrekturen vorzunehmen und auf sozialen Ausgleich hinzuwirken. Das wirtschaftspolitische Modell der Sozialen Marktwirtschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg v. a. von L. Erhardt und A. Müller-Armack entwickelt und gilt als Grundlage der dt. Sozial- und Wirtschaftsordnung.“ (ebd.) Soziale Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren Im Rahmen des Auf- und Ausbaus von Sozialstaat und sozialer Marktwirtschaft werden Gesetze erlassen, die für die Soziale Arbeit relevant sind, beispielsweise das Sozialgesetzbuch (SGB) mit für die Soziale Arbeit besonders relevanten rechtlichen Regelungen (z.B. SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe) Wichtige soziale Akteure und Institutionen, die während des Nationalsozialismus gleichgeschaltet oder verboten wurden, nehmen ihre Tätigkeit wieder auf. Dazu gehören beispielsweise die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege (in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege e.V. organisiert) und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. Soziale Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren Soziale Arbeit differenziert sich in verschiedene Handlungs- und Praxisfelder aus, beispielsweise Allgemeiner Sozialer Dienst, Heimerziehung (z.B. Wohngemeinschaften, betreutes Wohnen), Sozialpsychiatrische Dienste, Erziehungsberatung, Frauenhäuser, Sucht- und Drogenarbeit, sozialpädagogische Familienhilfe, Schuldnerberatung (Engelke et al. 2018, S. 295) In den 1970er Jahren wird die Entwicklung der Sozialen Arbeit von der 68er-Bewegung beeinflusst (z.B. antikapitalistische Ideen, Kritik an der Gesellschaft, Ablehnung von Casework, Forderung nach Gemeinwesenarbeit) Soziale Arbeit in den 1960er und 1970er Jahren Die Ausbildung von Fürsorgerinnen/Wohlfahrtspflegerinnen wird bis Ende der 60er-Jahre an Höheren Fachschulen für Sozialarbeit/Sozialpädagogik durchgeführt Im Zuge der Bildungsreform von 1969 werden an den Universitäten Studiengänge für Pädagogik eingerichtet. Sozialpädagogik etabliert sich als pädagogisches Teilgebiet Die Ausbildung wird von den Höheren Fachschulen an die 1971 gegründeten Fachhochschulen für Sozialarbeit/Sozialpädagogik verlegt In der Folge entwickeln sich unterschiedliche Studiengänge für Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Sozialwesen (und später auch: Soziale Arbeit) Gesellschaftliche Entwicklungen in den 1960er und 1970er Jahren Deutschland wird de facto zum Einwanderungsland (z.B. Familiennachzug). Konzepte wie Assimilation und Integration werden diskutiert Ein Bewusstsein für soziale Probleme entsteht, Armut wird zum Thema (absolute Armut in der sog. Dritten Welt, relative Armut in reichen Ländern); ein Bewusstsein für ökologische Probleme entsteht, Nachhaltigkeit wird zum Thema (Club of Rome: Grenzen des Wachstums) Soziale Bewegungen beeinflussen die Entwicklung der Sozialen Arbeit (z.B. Sozialarbeitsbewegung, Heimkampagne) Neue Soziale Bewegungen „Vielfältige soziale Bewegungen wirkten sich in der Folge auf die etablierten Praxen und Institutionen der sozialen Arbeit aus: die Heimkampagnen führten zur Entstehung der Jugendwohn- gemeinschaften in der Erziehungshilfe, die ‚Krüppelbewegung‘ zu einer Ambulantisierung der Behindertenhilfe, die Kinderladen- bewegung zur Demokratisierung der Kindergärten, die Frauen- bewegung zur Entstehung der Frauenhäuser. Die Anti-Psychiatrie- Bewegung bereitete den Boden für die Sozialpsychiatrie mit Konzepten des betreuten Wohnens und im Gesundheitsbereich entstand die Selbsthilfebewegung…“ (Kuhlmann 2019) Beispiel: Die Sozialarbeitsbewegung „Die Sozialarbeitsbewegung kritisiert Zustände, Arbeitsbedingungen sowie Funktionen der herkömmlichen Sozialen Arbeit. Sozialarbeitende stellen Forderungen nach Demokratisierung von Einrichtungen und Institutionen Sozialer Arbeit… Die Kritiken an der herkömmlichen Sozialen Arbeit sind weitreichend, denn Soziale Arbeit ist – wie bereits beschrieben – ambivalent. Jetzt wird festgestellt, dass Soziale Arbeit gesellschaftliche Ausgrenzung sogar mitproduziert. Indem Soziale Arbeit Menschen in die bestehende Gesellschaft integriert, reproduziert und verlängert sie gesellschaftliche Normen und Normalitätsvorstellungen. Sie passt damit die Betroffenen an das System an, das mit zu deren Benachteiligung und Ausgrenzung geführt hat – was gewissermaßen ein Teufelskreis ist.“ (Lorenz/Müller 2017, S. 102) Beispiel: Die Heimkampagne „Hauptprinzipien der Heimerziehung sind ‚Ertüchtigung‘ durch teils schwere Arbeit, ‚Besserung und Korrektion‘. In den Heimen gibt es Strafen wie Einsperren, Lohn- oder Taschengeldentzug, Ausgangssperren usw. Jugendliche können aufgrund geringer Abweichungen, wie vermeintlicher ‚sexueller Haltlosigkeit‘, ‚Herumtreiberei‘ oder ‚Aufsässigkeit‘ in die Maschinerie geraten. Sie werden als verwahrlost und schwer erziehbar stigmatisiert… Das Personal der Heime ist zu einem großen Teil nicht fachlich ausgebildet. Es kommt zu häufigen Erzieherwechseln, Gruppenwechseln, Verlegungen von Heim zu Heim…“ (Lorenz/Müller 2017, S. 102 f.) … und ihre Folgen „… Gegen diese und weitere skandalösen Zustände, wie Machtmissbrauch in der Fürsorge, protestieren Sozialarbeitende gemeinsam mit den sogenannten Fürsorgezöglingen in der Heimkampagne... Im Zuge der Heimkampagne entstehen als Gegenmodelle zur Heimerziehung sogenannte Jugendwohnkollektive. Die Wohngruppen organisieren sich wie Wohngemeinschaften, in denen mehrere Jugendliche mit Betreuer*innen zusammenleben. Sie folgen der Idee der Freiwilligkeit und Mitbestimmung.“ (Lorenz/Müller 2017, 103 f.)