Physiologie des Menschen - Neuroendokrines System PDF

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Medical School Hamburg - University of Applied Sciences and Medical University

Wilfrid Jänig, Ralf Baron, Florian Lang, Michael Föller

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neuroendokrines System physiologie mensch medizin

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Dieses Lehrbuch beschreibt das neuroendokrine System. Es behandelt die Themen peripheres vegetatives Nervensystem, Organisation, Hypothalamus und verschiedene Hormone. Das Buch enthält viele Abbildungen und Tabellen und ist ein wertvolles Werkzeug für Studenten der Medizin und Biologie.

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877 XVIII Neuroendokrines System Inhaltsverzeichnis Kapitel 70 Peripheres vegetatives Nervensystem – 879 Wilfrid Jänig, Ralf Baron Kapitel 71 Organisation des Vegetativen Nervensystems in Rückenmark und Hirnstamm – 892 Wilfrid Jänig, Ralf Baron...

877 XVIII Neuroendokrines System Inhaltsverzeichnis Kapitel 70 Peripheres vegetatives Nervensystem – 879 Wilfrid Jänig, Ralf Baron Kapitel 71 Organisation des Vegetativen Nervensystems in Rückenmark und Hirnstamm – 892 Wilfrid Jänig, Ralf Baron Kapitel 72 Hypothalamus – 909 Wilfrid Jänig, Ralf Baron Kapitel 73 Allgemeine Endokrinologie – 916 Florian Lang, Michael Föller Kapitel 74 Hormone von Hypothalamus und Hypophyse – 924 Florian Lang, Michael Föller Kapitel 75 Schilddrüsenhormone – 932 Florian Lang, Michael Föller Kapitel 76 Pankreashormone – 937 Florian Lang, Michael Föller Kapitel 77 Nebennierenrindenhormone – 943 Florian Lang, Michael Föller 879 70 Peripheres vegetatives Nervensystem Wilfrid Jänig, Ralf Baron © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Brandes et al. (Hrsg.), Physiologie des Menschen, Springer-Lehrbuch https://doi.org/10.1007/978-3-662-56468-4_70 supraspinale Worum geht’s? Zentren Die vegetativen Funktionen des Körpers werden primär afferente fortlaufend den Erfordernissen angepasst Neurone Das innere Milieu des Körpers wird ständig optimal auf die Erfordernisse angeglichen. Diesem Vorgang dienen spinale die Regulation des Gasaustausches mit der Umwelt, des Integration Transportes, der Körpertemperatur, des Elektrolyt-, Wasser- und Mineral-Haushaltes, der Reproduktion und der Körperabwehr. Die Aufrechterhaltung und Anpas- sung dieser physiologischen Parameter in einem engen Bereich und ihre Anpassung an die Belastungen des präganglionäre Neurone Organismus werden Homöostase genannt. Übertragung in vegetativen Die Regulation der Körperfunktionen wird durch Ganglien das Gehirn koordiniert und über vegetative und neuroendokrine Systeme ausgeübt Die Signale vom Gehirn erreichen die Peripherie des Körpers neuronal über das periphere vegetative Ner- vensystem (. Abb. 70.1) und hormonal über die neu- postganglionäre Viszeral- roendokrinen Systeme. Die Signale von der Peripherie Neurone organ des Körpers zum Gehirn werden neuronal über primär afferente Neurone mit dünnen myelinisierten und un- myelinisierten Axonen geleitet. Hormonelle und humo- neuroeffektorische rale Signale, die das Gehirn erreichen, können Stoff- Übertragung wechselprodukte, Produkte von endokrinen Drüsen, Blutgefäß aber auch zellspezifisch sezernierte Signalmoleküle, wie z. B. Entzündungsmediatoren sein. Die afferenten. Abb. 70.1 Zwei vegetative motorische Endstrecken. Sie bestehen aus je zwei Gruppen von prä- und postganglionären Neuronen, die in Neurone messen die mechanischen, thermischen, me- den vegetativen Ganglien synaptisch miteinander verschaltet sind. Sie tabolischen und entzündlichen Zustände der Gewebe. sind funktionell nach ihren Zielgeweben definiert und übertragen die Aktivität vom Rückenmark oder Hirnstamm zu diesen Die neuronale Regulation der Organe und Organsys- teme wird im Gehirn koordiniert Das Gehirn enthält sensomotorische Zentren für die 70.1 Sympathikus und Parasympathikus koordinierte Regulation des inneren Milieus des Kör- pers. Verhalten besteht aus der koordinierten Aktivie- 70.1.1 Einteilung des peripheren vegetativen rung der Somatomotorik, der vegetativen Motorik und Nervensystems des neuroendokrinen Systems. Die Zentren dieser koor- dinierten Aktivierung der Motorik liegen im Rücken- Das periphere vegetative Nervensystem besteht aus drei mark, Hirnstamm, Hypothalamus und den Hirnstamm- Teilen: Sympathikus (thorakolumbales System), Parasympa- ganglien. Sie stehen unter der Kontrolle des Großhirns. thikus (kraniosakrales System) und Darmnervensystem. (. Abb. 70.1). Das Grundelement des peripheren vegetativen Nervensystems besteht aus zwei Populationen hintereinander geschalteter Neurone (. Abb. 70.1). Der Sympathikus entspringt dem 880 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem Brustmark und den oberen zwei bis drei Segmenten des Len- > Das periphere vegetative Nervensystem besteht denmarks und wird deshalb auch thorakolumbales System aus Sympathikus, Parasympathikus und Darmnerven- genannt. Der Parasympathikus entspringt dem Hirnstamm system. und dem Sakralmark und wird deshalb auch kraniosakrales System genannt. Die terminalen Neurone von Sympathikus und Parasympathikus liegen außerhalb des ZNS. Ihre Zellkör- 70.1.2 Sympathikus per liegen in den vegetativen Ganglien. Ihre Axone projizie- ren von den Ganglien zu den Erfolgsorganen; diese Neurone Die Zellkörper der sympathischen präganglionären Neurone heißen deshalb postganglionäre (oder ganglionäre) Neurone. liegen im thorakolumbalen Rückenmark und die der post- Die Neurone, deren Axone in die Ganglien projizieren und ganglionären Neurone paravertebral in den Grenzsträngen auf den Dendriten und Somata der postganglionären Neurone oder prävertebral in den Bauchganglien. synaptisch endigen, nennt man präganglionäre Neurone. Ihre Somata liegen im Rückenmark und Hirnstamm. Die Begriffe Präganglionäre Neurone Die sympathischen prägang- sympathisch und parasympathisch beschränken sich auf die lionären Neurone in der intermediären Zone des Brust- und efferenten prä- und postganglionären Neurone. Afferenzen, die oberen Lendenmarks projizieren über die Vorderwurzeln die inneren Organe innervieren, werden neutral als viszerale und die Rami communicantes albi zu den bilateralen para- Afferenzen bezeichnet (7 Abschn. 70.1.2). vertebralen Ganglien oder den unpaaren prävertebralen Das Darmnervensystem ist ein spezielles Nervensystem Bauchganglien (. Abb. 70.2). Ihre Axone sind dünn myeli- des Magen-Darm-Trakts; es funktioniert auch ohne den Ein- nisiert oder unmyelinisiert und leiten mit Geschwindigkeiten fluss von Rückenmark und Hirnstamm (7 Kap. 38.3). von < 1–15 m/s. Sympathikus Parasympathikus Auge III Mesen- zephalon Pons Medulla Tränen-, Speicheldrüsen VII, IX X obl. Ganglion N. vagus cervicale superius Lunge zervikal Ganglion stellatum Hals, Kopf Herz Ganglion Arm mesentericum superius Leber thorakal Ganglion coeliacum Magen Pankreas Bein Milz Dünndarm Niere NNM lumbal Ganglion Dickdarm, mesentericum Rektum inferius sakral N. splanchnicus pelvinus Blase Grenzstrang 70 Genital- paravertebrale prävertebrale Ganglien Ganglien organe. Abb. 70.2 Aufbau des peripheren vegetativen Nervensystems. muskulatur hat ihren Ursprung in allen thorakolumbalen Segmenten. Rote und grüne durchgezogene Linien: präganglionäre Axone; rote Ihr Ursprung ist links für die Extremitäten und den Kopf angegeben. und grüne unterbrochene Linien: postganglionäre Axone. Die sympa- (III, VII, IX und X = Hirnnerven; NNM = Nebennierenmark) thische Innervation von Blutgefäßen, Schweißdrüsen und Haarbalg- 70.1 · Sympathikus und Parasympathikus 881 70 Ganglien Die meisten sympathischen Ganglien liegen organ- 70.1.4 Viszerale Afferenzen fern. Einige postganglionäre Neurone zu den Beckenorganen liegen organnahe. Die paravertebralen Ganglien sind in den Viszerale Afferenzen melden mechanische und chemische Grenzsträngen organisiert. Von den Grenzsträngen ziehen die Ereignisse von den inneren Organen zum Rückenmark und unmyelinisierten postganglionären Axone entweder über die zum unteren Hirnstamm. Rami communicantes grisei zu den Effektoren des Rumpfes und der Extremitäten oder über spezielle Nerven zu den Or- Vagale und spinale viszerale Afferenzen Etwa 85 % aller ganen im Kopfbereich, im Brustraum, im Bauchraum und Axone in den Nn. vagi und etwa 50 % aller Axone in den im Beckenraum (. Abb. 70.2). Von den prävertebralen Bauch- spinalen Nn. splanchnici sind afferent. Diese Afferenzen ganglien gelangen die postganglionären Axone über Nerven- kommen von Sensoren innerer Organe und werden deshalb geflechte oder spezielle Nerven zu den Organen im Bauch- und viszerale Afferenzen genannt. Ihre Zellkörper liegen im Beckenraum. Ganglion inferius (und wenige im Ganglion superius) des N. vagus und in den thorakalen, oberen lumbalen und sakra- Effektoren Die Effektorzellen des Sympathikus sind die len Spinalganglien (spinale viszerale Afferenzen). Afferen- glatte Muskulatur aller Organe (Gefäße, Eingeweide, Aus- zen von den arteriellen Presso- und Chemosensoren in der scheidungsorgane, Lunge, Haare, Pupillen), der Herzmuskel Karotisgabel laufen im N. glossopharyngeus (Zellkörper im und zum Teil die exokrinen Drüsen (Schweiß-, Speichel-, Ganglion petrosum). Die viszeralen Afferenzen zum Hirn- Verdauungsdrüsen). Außerdem werden Fettzellen, verschie- stamm und zum Sakralmark sind in neuronale Regulationen dene Hormondrüsen, Nierentubuli und lymphatische Ge- innerer Organe eingebunden (Lunge, Herz, Kreislaufsystem, webe (z. B. Thymus, Milz, Peyer-Plaques und Lymphknoten) Magen-Darm-Trakt, Entleerungsorgane, Genitalorgane). vom Sympathikus innerviert. Mechano- und Chemosensibilität Die meisten viszeralen Afferenzen haben mechanosensible Eigenschaften und mes- 70.1.3 Parasympathikus sen bei Dehnung der Wände der Hohlorgane entweder die intraluminalen Drücke (z. B. die arteriellen Pressosensoren Die Zellkörper der parasympathischen präganglionären Neu- vom arteriellen System und die sakralen Afferenzen von der rone liegen in Hirnstamm und Kreuzmark und projizieren zu Harnblase) oder die Volumina in den Organen (z. B. Afferen- den organnahe gelegenen postganglionären Neuronen. zen von Magen-Darm-Trakt, rechten Vorhof und der Lunge). Andere mechanosensible Afferenzen von der Mukosa des Präganglionäre Neurone Die Zellkörper der präganglio- Darms werden durch Scherreize adäquat erregt. Einige Affe- nären parasympathischen Neurone liegen im Kreuzmark und renzen sind chemosensibel (z. B. arterielle Chemosensoren in im Hirnstamm (. Abb. 70.2). Ihre Axone sind myelinisiert der Aorten- und Karotiswand, Osmosensoren in der Leber, oder unmyelinisiert und sehr lang. Sie ziehen in speziellen Glukosesensoren in der Mukosa des Darms). Die Funktionen Nerven zu den organnah gelegenen parasympathischen post- viszeraler Afferenzen werden in den entsprechenden Kapiteln ganglionären Neuronen. beschrieben. Ganglien und Effektoren Größere parasympathische Gan- Viszerale Afferenzen und Schmerz Reize, die viszerale glien findet man nur im Kopfbereich und im Becken in der Schmerzempfindungen auslösen können (z. B. starke Deh- Nähe der Erfolgsorgane; ansonsten sind die postganglionä- nung und Kontraktion des Magen-Darm-Trakts oder ren Zellen in oder auf den Wänden des Magen-Darm-Trakts der Harnblase, Mesenterialzug, ischämische Reize), werden (intramurale Ganglien), des Herzens und der Lunge ver- durch die Impulsaktivität in spinalen (thorakalen, lumbalen streut. Der Parasympathikus innerviert die glatte Organ- und sakralen) viszeralen Afferenzen kodiert, nicht aber in muskulatur sowie die Drüsen des Magen-Darm-Trakts, der vagalen Afferenzen. Die Nozizeptoren dieser spinalen Affe- Ausscheidungsorgane, der Sexualorgane und der Lunge; er renzen liegen in der Serosa, am Mesenterialansatz und mög- innerviert weiterhin die Schrittmacherzellen und Vorhöfe licherweise auch in den Organwänden. des Herzens, die Tränen- und Speicheldrüsen im Kopfbereich > Viszerale afferente Neurone sind spinal oder vagal und und die inneren Augenmuskeln. Mit Ausnahme der Arterien nicht sympathisch oder parasympathisch. der Geschlechtsorgane (besonders des Penis, der Klitoris und der kleinen Schamlippen), der Darmmukosa und Teilen der Die. Tab. 70.1 fasst im Folgenden die wesentlichen Effekte Gesichtshaut und des Gehirns innerviert er nicht die glatte von Sympathikus und Parasympathikus auf die einzelnen Gefäßmuskulatur. Organe und Gewebe zusammen. > Sympathikus und Parasympathikus bestehen aus prä- und postganglionären Neuronen. 882 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem. Tab. 70.1 Effekte der Aktivierung von Sympathikus und Parasympathikus auf die einzelnen Organe Organ oder Organsystem Reizung des Parasympathikus Reizung des Sympathikus Adrenorezeptoren Herzmuskel Abnahme der Herzfrequenz Zunahme der Herzfrequenz β1 Abnahme der Kontraktionskraft Zunahme der Kontraktionskraft β1 (nur Vorhöfe) (Vorhöfe, Ventrikel) Arterien In Haut (Rumpf, Extrem) 0 Vasokonstriktion α1 In Haut und Mukosa Vasodilatation Vasokonstriktion α1 (Gesicht: Nase, Mund) Im Abdominalbereich 0 Vasokonstriktion α1 Im Skelettmuskel 0 Vasokonstriktion α1 Vasodilatation (nur durch Adrenalin) β2 Vasodilatation (cholinerg) (nur einige Spezies) Im Herzen (Koronarien) Vasodilatation (?) Vasokonstriktion α1 Erektiles Gewebe (Penis, Vasodilatation Vasokonstriktion α1 Klitoris, Uterus, Vagina) Im Gehirn (intrakranial) Vasodilatation Vasokonstriktion α1 In Speicheldrüsen Vasodilatation Vasokonstriktion α1 Venen 0 Vasokonstriktion α1 Gastrointestinaltrakt Zunahme der Motilität Abnahme der Motilität α2 und β1 Longitudinale und zirkuläre Abnahme der Muskulatur Motilität* Sphinkteren Erschlaffung* Kontraktion α1 Milzkapsel 0 Kontraktion α1 Niere Juxtaglomeruläre Zellen 0 Reninfreisetzung erhöht β1 Tubuli 0 Natriumrückresorption erhöht α1 Harnblase Detrusor vesicae Kontraktion Erschlaffung (gering) β2 Trigonum vesicae (Sphincter internus) 0 Kontraktion α1 Urethra Erschlaffung Kontraktion α1 Genitalorgane Vesica seminalis, Prostata 0 Kontraktion α1 Ductus deferens 0 Kontraktion α1 Uterus 0 Kontraktion α1 Erschlaffung (abhängig von Spezies β2 und hormonalen Status) Auge M. dilatator pupillae 0 Kontraktion (Mydriasis) α1 70 M. sphincter pupillae Kontraktion (Miosis) 0 M. ciliaris Kontraktion Nahakkomodation M. tarsalis 0 Kontraktion (Lidstraffung) M. orbitalis 0 Kontraktion (Bulbusprotrusion) 70.1 · Sympathikus und Parasympathikus 883 70. Tab. 70.1 (Fortsetzung) Organ oder Organsystem Reizung des Parasympathikus Reizung des Sympathikus Adrenorezeptoren Tracheal-/Bronchialmuskulatur Kontraktion Erschlaffung (vorwiegend durch β2 Adrenalin) Mm. arrectores pilorum 0 Kontraktion α1 Exokrine Drüsen: Speicheldrüsen Starke seröse Sekretion Schwache muköse Sekretion (Glan- α1 dula submandibularis) Tränendrüsen Sekretion 0 Drüsen im Nasen-Rachen-Raum Sekretion 0 Bronchialdrüsen Sekretion ? Schweißdrüsen 0 Sekretion (cholinerg) Verdauungsdrüsen (Magen, Pankreas) Sekretion Abnahme der Sekretion oder 0 Mukosa (Dünn-, Dickdarm) Sekretion Flüssigkeitstransport aus Lumen Glandula pinealis (Zirbeldrüse) 0 Anstieg der Synthese von Melatonin β2 Braunes Fettgewebe 0 Wärmeproduktion β3 Stoffwechsel Leber Hemmung der Freisetzung von Glykogenolyse, Glukoneogenese β2 Glukose & Triglyzeriden Adipozyten des weißen Fettgewebes 0 Lipolyse (freie Fettsäuren im Blut β2 erhöht) Insulinsekretion (aus β-Zellen der Sekretion Abnahme der Sekretion α2 Langerhans-Inseln) Glukagonsekretion (aus α-Zellen) 0 Sekretion β Immunsystem 0 Hemmung β2 (α1) * über inhibitorische Motoneurone des Darmnervensystems 70.1.5 Wirkungen von Sympathikus und Effektorantworten bei Erregung peripherer parasympathi- Parasympathikus scher oder sympathischer Neurone Physiologische Erre- gung peripherer vegetativer Neurone löst Effektorantworten Sympathikus und Parasympathikus bestehen in der Peri- mit folgenden Merkmalen aus (. Tab. 70.1): pherie aus vielen anatomisch getrennten vegetativen moto- 5 Die meisten Effektorantworten bestehen aus Kontrak- rischen Endstrecken, die die zentralen Botschaften auf viele tion, Sekretion oder Stoffwechselwirkungen (Glyko- Effektororgane übertragen. genolyse, Lipolyse). Erschlaffung oder Hemmung von Sekretion sind eher selten. Die vegetative motorische Endstrecke Prä- und postgang- 5 Die meisten Erfolgsorgane reagieren nur auf die Aktivie- lionäre parasympathische oder sympathische Neurone bilden rung eines vegetativen Systems (z. B. fast alle Blutgefäße). Neuronenketten, über die die Impulsaktivität vom Rücken- 5 Wenige Erfolgsorgane reagieren auf beide vegetativen mark oder Hirnstamm zu den Effektorzellen übertragen wird. Systeme (z. B. intrakraniale Blutgefäße, erektiles Gewebe, Diese Neuronenketten werden vegetative motorische End- Herz, Harnblase, Iris). strecken genannt. Jede Endstrecke innerviert nur einen Typ 5 Antagonistische Antworten zwischen Sympathikus von Effektorgewebe. Die Neurone einer Endstrecke werden und Parasympathikus sind mehr die Ausnahme (z. B. am nach dem Typ von Effektorzellen bezeichnet (z. B. Hautvaso- Herzschrittmacher) als die Regel. konstriktor-, Kardiomotor-, Muskelvasokonstriktor-, Pupil- lomotorneurone etc.). Die häufig propagierte Ansicht, dass Sympathikus und Para- sympathikus generalisierend antagonistisch auf die Effektor- zellen wirken, ist nicht richtig. Funktionell ergänzen sich beide Systeme. 884 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem Rezeptoren vermittelt, die an G-Proteine gekoppelt In Kürze sind, welche entweder Ionenkanäle, Kontraktilität oder Das periphere vegetative Nervensystem besteht aus andere zelluläre Funktionen über intrazelluläre Signal- Sympathikus, Parasympathikus und Darmnervensystem. wege modifizieren. Der Sympathikus entspringt dem Brustmark und den oberen 2–3 Segmenten des Lendenmarks und wird Die molekularen Strukturen beider Rezeptortypen sind weit- deshalb auch thorakolumbales System genannt. Der gehend aufgeklärt. Bisher werden nach strukturellen und Parasympathikus entspringt dem Hirnstamm und dem pharmakologischen Kriterien mindestens vier nikotinische Sakralmark und wird deshalb auch kraniosakrales Sys- und mindestens fünf muskarinische Rezeptoren in verschie- tem genannt. Das Darmnervensystem ist ein spezia- denen Geweben unterschieden. lisiertes Nervensystem des Darmes (7 Kap. 38.3). Affe- renzen von inneren Organen werden als viszerale Affe- Blockade und Förderung der Wirkungen von Acetylcholin renzen bezeichnet. Prä- und postganglionäre Neurone, Beide Wirkungen von Acetylcholin können selektiv durch die in den vegetativen Ganglien synaptisch miteinander bestimmte Pharmaka blockiert werden. Diese Pharmaka re- verschaltet sind, bilden vegetative motorische End- agieren kompetitiv zu Acetylcholin mit den postsynaptischen strecken aus, die nach den Effektorgeweben, die sie cholinergen Rezeptoren, ohne selbst agonistische Wirkungen innervieren, definiert sind. zu haben, und verhindern auf diese Weise die Wirkung von Acetylcholin. Die nikotinische Wirkung von Acetylcho- lin auf die postganglionären Neurone kann durch quaternäre Ammoniumbasen blockiert werden. Man nennt diese Sub- 70.2 Transmitter und ihre Rezeptoren in stanzen Ganglienblocker. Die muskarinische Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus Acetylcholin kann selektiv durch Atropin, das Gift der Toll- kirsche, blockiert werden. In der Pharmakologie bezeichnet 70.2.1 Klassische Transmitter im peripheren man Pharmaka, die auf Effektorzellen so wirken wie (cho- vegetativen Nervensystem linerge) postganglionäre parasympathische Neurone, Para- sympathomimetika. Pharmaka, die die Wirkung von Acetyl- Die Signalübertragung im peripheren vegetativen Nerven- cholin auf vegetative Effektorzellen aufheben oder abschwä- system ist chemisch; sie geschieht hauptsächlich über Acetyl- chen, nennt man Parasympatholytika (z. B. Atropin). cholin oder Noradrenalin, die ihre Wirkungen über cholinerge Rezeptoren bzw. Adrenorezeptoren vermitteln. Sympathikus Parasympathikus Die chemische Erregungsübertragung von prä- auf post- ganglionäre Neurone und von postganglionären Neuronen auf die Effektoren läuft im peripheren vegetativen Nerven- ZNS system prinzipiell nach den gleichen Mechanismen ab wie an der neuromuskulären Endplatte und an den zentralen Synapsen. Im Gegensatz zur motorischen Endplatte sind aber im vegetativen Nervensystem die prä- und postsynap- präganglionär tischen Strukturen sehr variabel (Herzmuskelzellen, glatte Muskelzellen, Drüsenzellen, Neurone), genau wie Dichte und Muster der Innervation der vegetativen Effektoren. Acetylcholin Acetylcholin nikotinisch nikotinisch N N Ganglien kAcetylcholin Ganglien- Acetylcholin wird von allen präganglionären Nervenendi- blocker gungen und den meisten postganglionären parasympathischen N+ Neuronen ausgeschüttet (. Abb. 70.3). Außerdem setzen sym- postganglionär pathische postganglionäre Neurone zu den Schweißdrüsen und möglicherweise sympathische postganglionäre Vasodila- Noradrenalin Acetylcholin tatorneurone zu den Widerstandsgefäßen der Skelettmusku- (ACh M) muskarinisch Effektoren latur Acetylcholin frei. Acetylcholin wirkt über nikotinische α β M und muskarinische Rezeptoren: 70 5 Die nikotinische Wirkung von Acetylcholin und von Adrenozeptorblocker Blocker: Atropin Nikotin auf die postganglionären Neurone wird über Neuropeptide Rezeptoren vermittelt, die Ionenkanäle ligandengesteuert ATP kolokalisiert öffnen. NO 5 Die muskarinische Wirkung von Acetylcholin und ent-. Abb. 70.3 Überträgerstoffe und die entsprechenden Rezeptoren sprechender Pharmaka auf die Effektorzellen wird über im peripheren Sympathikus und Parasympathikus 70.2 · Transmitter und ihre Rezeptoren in Sympathikus und Parasympathikus 885 70 kNoradrenalin und Adrenalin 5 α1-Adrenorezeptoren vermitteln ihre Wirkungen Die Überträgersubstanz in den meisten sympathischen post- Gq-Protein-gekoppelt durch Aktivierung von Phospho- ganglionären Nervenendigungen ist Noradrenalin. Man nennt lipase C und des nachfolgenden Phosphoinositidstoff- deshalb diese Neurone noradrenerge Neurone (. Abb. 70.3). wechsels in den Effektorzellen. Adrenalin ist nur bei niederen Vertebraten und Vögeln ein 5 α2-Adrenorezeptoren vermitteln ihre Wirkungen über Überträgerstoff im peripheren vegetativen Nervensystem; ein G-Protein mit hemmender Wirkung (Gi-gekoppelt) es kommt ansonsten aber als Überträgerstoff im ZNS vor. Nor- durch Hemmung der Adenylatzyklase oder sind über adrenalin und Adrenalin sind Katecholamine. Pharmaka, die ein G-Protein direkt an Ionenkanäle gekoppelt. Sie befin- die Wirkung sympathischer noradrenerger Neurone auf die den sich präsynaptisch als Autorezeptoren in den Nerven- vegetativ innervierten Organe nachahmen, nennt man Sympa- endigungen vegetativer Neurone (7 Abschn. 70.3.4), aber thomimetika. Pharmaka, die die Wirkungen von Katechola- auch postsynaptisch in den Effektorzellen und im ZNS. minen auf die Organe aufheben, nennt man Sympatholytika 5 β-Adrenorezeptoren vermitteln ihre Wirkungen über (Antiadrenergika, Adrenorezeptorblocker). ein G-Protein mit stimulierender Wirkung (Gs-gekop- pelt) durch Aktivierung der Adenylatzyklase. β1-Adre- Adrenorezeptoren Die Membranrezeptoren für Adrenalin norezeptoren vermitteln v.a. die Wirkungen des Sympa- und Noradrenalin werden Adrenorezeptoren genannt. Nach thikus auf das Herz und die Freisetzung von Renin. zwei pharmakologischen Kriterien werden α- und β-Adreno- β2-Adrenorezeptoren vermitteln u. a. Stoffwechsel- rezeptoren unterschieden. wirkungen (Glykogenolyse in der Leber, Lipolyse), Er- Die Kriterien sind: schlaffung glatter Muskulatur (Bronchialmuskulatur, 5 die Effektivität äquimolarer Dosen verschiedener einige Gefäße, Uterus), Aktivierung der Synthese von Katecholamine, α- und β-Adrenorezeptorvermittelte Melatonin in der Glandua pinealis sowie Wirkungen auf Wirkungen zu erzeugen; das Immunsystem. β3-Adrenorezeptoren vermitteln die 5 die Effektivität von Pharmaka (Sympatholytika), diese Wirkung sympathischer Neurone auf das braune Fettge- α- und β-rezeptorischen Wirkungen zu blockieren. webe. Molekulare Struktur der Adrenorezeptoren Bei den Adre- Physiologische Wirkungen von Adrenorezeptoren Die norezeptoren handelt es sich um transmembranale Proteine meisten Gewebe, die durch Adrenalin und Noradrenalin mit sieben Helixstrukturen in den Membranen der Effektor- beeinflusst werden können, enthalten sowohl α- als auch zellen sowie Schleifen und je einer Endkette auf der extra- β-Adrenorezeptoren in ihren Zellmembranen, wobei beide zellulären Seite (Rezeptor) und auf der intrazellulären Seite meistens entgegengesetzte Wirkungen vermitteln. Unter (für die Kopplung an die intrazellulären Signalwege). Man physiologischen Bedingungen hängt die Antwort eines unterscheidet zwei Typen von α-Adrenorezeptoren (α1- und Organs jedoch davon ab, ob die eine oder andere Adreno- α2-), die je noch einmal in drei Untertypen eingeteilt werden, rezeptorvermittelte Wirkung überwiegt.. Tab. 70.1 zeigt, und drei Typen von β-Adrenorezeptoren. Adrenalin und welche Adrenorezeptoren diese physiologischen Wirkungen Noradrenalin haben etwa gleich starke Wirkungen auf die der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin an den wich- α1-Adrenorezeptoren und β3-Adrenorezeptoren; Noradrena- tigsten Organen vermitteln. lin wirkt stärker als Adrenalin auf β1-Adrenorezeptoren; Ad- renalin wirkt stärker als Noradrenalin auf α2- und β2-Adreno- > Die Haupttransmitter in postganglionären vegetativen rezeptoren: Neuronen sind Acetylcholin und Noradrenalin. Klinik Fehlen der Dopamin-β-Hydroxylase (DBH) in noradrenergen Neuronen Pathologie Symptome Blut liegen bei diesen Patienten unterhalb DBH ist ein Enzym, das Dopamin in Nor- Die Folgen dieses enzymatischen Defektes der Nachweisgrenze. adrenalin umwandelt. Es befindet sich in sind Störungen von Regulationen, in welche den Vesikeln der Varikositäten der sym- die sympathischen noradrenergen Neurone Therapie pathischen noradrenergen Nervenfasern eingebunden sind (z. B. des kardiovasku- Die Patienten werden erfolgreich mit der und in den Zellen des Nebennierenmarks. lären Systems: neuronale Regulation von Substanz Dihydroxyphenylserin therapiert. In einer kleinen Gruppe von Patienten Blutdruck und Durchblutung von Skelett- Diese wird von den noradrenergen Neu- können die noradrenergen Neurone und muskel, Eingeweiden und Haut), jedoch ronen aktiv aufgenommen und über das die Nebennierenmarkzellen kein Noradre- keine Störungen der Schweißsekretion Enzym DOPA-Dekarboxylase durch Dekar- nalin bzw. Adrenalin mehr synthetisieren (Sudomotoneurone sind cholinerg) und der boxylierung in Noradrenalin umgewan- und bei Erregung ausschütten, weil dieses Funktionen, die durch parasympathische delt. Diese pharmakologische Therapie Enzym fehlt. Neurone vermittelt werden. Die Konzentra- muss lebenslänglich durchgeführt tionen von Noradrenalin und Adrenalin im werden. 886 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem 70.2.2 Ko-lokalisierte nicht klassische Neuropeptide In den Varikositäten vieler vegetativer post- Transmitter ganglionärer Neurone sind Neuropeptide mit den klassi- schen Transmittern ko-lokalisiert. So sind z. B. in cholinergen An der Signalübertragung im peripheren vegetativen Nerven- Neuronen zu Schweißdrüsen (Sudomotoneurone, sympa- system sind neben Acetylcholin und Noradrenalin auch ATP, thisch), zu Speicheldrüsen (Sekretomotoneurone, parasym- NO und einige Neuropeptide als Transmitter beteiligt. pathisch) und zu den Rankenarterien des erektilen Gewebes der Genitalorgane (Vasodilatatorneurone, parasympathisch) Adenosintriphosphat (ATP) In einigen autonomen Syste- Acetylcholin und das Neuropeptid vasoactive intestinal men kommt ATP als ein mit Noradrenalin oder Acetylcholin peptide (VIP) ko-lokalisiert und in vielen postganglionären in denselben Vesikeln ko-lokalisierter Überträgerstoff vor. noradrenergen Neuronen zu Blutgefäßen Noradrenalin und ATP wird bei Depolarisation der präsynaptischen Endigun- das Peptid Neuropeptid Y (NPY). Viele präganglionäre Neu- gen zusammen mit Noradrenalin oder Acetylcholin frei- rone enthalten neben Acetylcholin ebenso ein oder mehrere gesetzt und reagiert mit Purinozeptoren in den Effektor- Neuropeptide. Peptide und klassische Überträgerstoffe sind membranen. Bekannte Beispiele für die purinerge Über- in den großen Vesikeln ko-lokalisiert. Die Funktion der tragung sind die synaptische Übertragung von postganglio- meisten Peptide in den vegetativen Neuronen ist unbekannt. nären noradrenergen Neuronen auf die glatte Muskulatur von Folgende Befunde sprechen dafür, dass einige Neuropeptide bestimmten Arteriolen (s. unten) und des Samenleiters. Auf als Transmitter wirken (z. B. VIP, NPY): welche Weise die „klassische“ (cholinerge oder noradrenerge) 5 Sie werden aus den Varikositäten bei Nervenreizung und die purinerge Signalübertragung an den Effektorzellen freigesetzt, besonders bei höheren Frequenzen und bei integriert werden, ist von der jeweiligen Kombination der Re- gruppierten Entladungen der Neurone. zeptorsubtypen abhängig. 5 Sie haben die gleichen Wirkungen auf die Effektor- organe wie die kolokalisierten klassischen Transmitter. Stickoxid (nitric oxide, NO) Alle bisher bekannten Über- In den Speicheldrüsen und um die Schweißdrüsen trägerstoffe sind präsynaptisch in Vesikeln gespeichert und sollen sie eine Vasodilatation erzeugen. üben ihre Wirkungen über Rezeptoren in den Membranen 5 Eine pharmakologische Blockade der klassischen der Effektorzellen aus. Das NO ist der erste Vertreter einer Transmitterwirkung beeinträchtigt die Wirkung der Klasse von synaptischen Überträgerstoffen im ZNS und im Peptide nicht. peripheren vegetativen Nervensystem, der diese Eigenschaf- ten nicht hat. Es wird bei Erregung der Neurone durch Akti- Die Neuropeptide verstärken vermutlich die Wirkungen der vierung der Kalzium-abhängigen neuronalen NO-Synthase klassischen Transmitter und sind besonders in der Aufrecht- aus Arginin synthetisiert, diffundiert aus den präsynapti- erhaltung tonischer Effektorantworten bei langanhaltender schen Endigungen und bewirkt postsynaptisch intrazellulär neuronaler Aktivierung der Neurone wirksam (z. B. Vaso- die Entstehung von zyklischem Guanosinmonophosphat aus dilatationen der Arterien im erektilen Gewebe der Genital- Guanosin-3-Phosphat. Die Halbwertszeit seines Verfalls im organe, Vasodilatationen um die Azini von Speichel- und Extrazellulärraum liegt im Bereich von mehreren Sekunden. Schweißdrüsen, lang anhaltenden Vasokonstriktionen von NO wird aus postganglionären parasympathischen Neuro- Widerstandsgefäßen). nen zum erektilen Gewebe des Penis (7 Kap. 71.6.1) und aus > Postganglionäre vegetative Neurone können neben Motoneuronen des Darmnervensystems, die die Ring- Acetylcholin und Noradrenalin auch ATP, einige Neuro- muskulatur innervieren (7 Kap. 38.3), und vermutlich auch peptide oder Stickoxid als Kotransmitter benutzen. aus anderen vegetativen Neuronen bei Erregung freigesetzt wird und erzeugt eine Erschlaffung der glatten Muskulatur. Neurone, die NO synthetisieren und freisetzen, benutzen auch andere Transmitter. So setzen die vasodilatatorisch wir- 70.2.3 Nebennierenmark kenden parasympathischen Neurone zum erektilen Gewebe des Penis und die relaxierenden Motoneurone zur Ringmus- Adrenalin aus dem Nebennierenmark ist ein Stoffwechsel- kulatur des Darmes bei Erregung auch Acetylcholin und das hormon; es dient vor allem der schnellen Bereitstellung von Neuropeptid VIP (vasoactive intestinal peptide) frei. Ace- Energie. tylcholin wirkt über muskarinische M3-Rezeptoren und das Endothel durch Freisetzung von NO erschlaffend auf das Freisetzung von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark erektile Gewebe. Neuronal freigesetztes VIP wirkt erschlaf- Das Nebennierenmark besteht aus Zellen, die entwicklungs- fend auf die Ringmukulatur des Darmes. geschichtlich und funktionell den postganglionären Neu- 70 ronen homolog sind. Die Ausschüttung der Katecholamine > NO und VIP vermitteln die Dilatation vom erektilen aus den Nebennierenmarkszellen wird ausschließlich neu- Gewebe und die Erschlaffung der Ringmuskulatur des ronal durch präganglionäre Neurone aus dem Thorakalmark Magen-Darm-Traktes (T5-T11) über cholinerge Synapsen reguliert (. Abb. 70.2). Erregung der präganglionären Axone führt beim Menschen zur Ausschüttung eines Gemisches von etwa 80 % Adrenalin 70.3 · Signalübertragung im peripheren Sympathikus und Parasympathikus 887 70 und 20 % Noradrenalin in die Blutbahn. Adrenalin und Nor- 70.3 Signalübertragung im peripheren adrenalin werden von verschiedenen Nebennierenmarkszel- Sympathikus und Parasympathikus len produziert. Die Ruheausschüttung beträgt etwa 8–10 ng je kg Körpergewicht und Minute. Beim Menschen ist unter 70.3.1 Prinzip der neuroeffektorischen nahezu allen physiologischen Bedingungen die Konzentra- Übertragung tion von Noradrenalin im Blut 3- bis 5-mal höher als die Kon- zentration von Adrenalin. Dieses zirkulierende Noradrenalin In den Varikositäten der postganglionären Axone finden Syn- stammt zu etwa 95 % aus den Endigungen sympathischer these und Speicherung der Überträgerstoffe statt, die nach postganglionärer Neurone, der Rest kommt aus dem Neben- ihrer Freisetzung auf die Synzytien der Effektororgane wirken. nierenmark. Funktionelle Synzytien der Effektorzellen Die Zellen der Adrenalin als Stoffwechselhormon Adrenalin dient über- meisten vegetativen Effektororgane (glatte Muskelzellen, Herz- wiegend der Regulation metabolischer Prozesse. Es mobili- muskelzellen, Drüsenzellen) sind durch Kontakte niedrigen siert katalytisch freie Fettsäuren aus Fettgewebe, ferner Glu- elektrischen Widerstandes (Nexus, gap junctions) miteinander kose und Laktat aus Glykogen (. Tab. 70.1). Seine metabo- verbunden und bilden funktionelle Synzytien (. Abb. 70.4a). lischen Wirkungen werden durch β2-Adrenorezeptoren Elektrische Ereignisse werden über die Nexus elektrotonisch vermittelt (. Tab. 20.1). Adrenalin hat in physiologischen auf Nachbarzellen übertragen. Aktionspotenziale in glatten Konzentrationen praktisch keine Wirkungen auf vegetativ Muskelzellen entstehen durch Öffnung spannungsabhän- innervierte Effektororgane. Die Funktion des zirkulierenden giger Ca2+-Kanäle, wenn die summierten elektrischen Ereig- Noradrenalins unter physiologischen Bedingungen ist unklar. nisse in einer Region des Synzytiums die Erregungsschwelle überschreiten. Die Ausbreitung unter- und überschwelliger Nebennierenmark und Notfallreaktionen In lebensgefähr- Ereignisse hängt von den passiven elektrischen Eigenschaf- lichen Notfallsituationen, wie bei Blutverlust, Unterkühlung, ten der Synzytien ab (Widerstand und Kapazitäten von Zell- Hypoglykämie, Hypoxie, Verbrennungen oder bei extremer membranen und Zytoplasma). Auf diese Weise entstehen ein- körperlicher Erschöpfung, kann sich die Ausschüttung von heitliche Kontraktionen oder Sekretionen aller Zellen eines Katecholaminen aus dem Nebennierenmark und aus den Synzytiums. sympathischen postganglionären Neuronen um das 10-fache der Ruheausschüttung erhöhen. Diese Ausschüttungen wer- Neuroeffektorische Kontakte Die meisten noradrenergen den durch den Hypothalamus und das limbische System ge- sympathischen Neurone haben lange, dünne Axone, die sich steuert. Die erzeugten Reaktionen der Effektororgane werden in den Effektorganen vielfach aufteilen und Plexus bilden auch Notfallreaktionen genannt. Während dieser Reaktio- (. Abb. 70.5a). Die Länge der Endverzweigungen eines Neu- nen scheinen nahezu alle Ausgänge des sympathischen Ner- rons kann schätzungsweise 10 cm und mehr erreichen. Die vensystems einheitlich aktiviert zu werden. Endverzweigungen bilden zahlreiche Varikositäten aus (100– 200/mm). In diesen finden Synthese und Speicherung der > Adrenalin aus dem Nebennierenmark ist ein Stoff- Überträgerstoffe statt. Die meisten postganglionären para- wechselhormon und kein Transmitter im peripheren sympathischen Neurone haben kurze dünne Axone, die sich vegetativen Nervensystem bei Säugern. ebenfalls in den Endorganen verzweigen, jedoch weniger zahlreich und mit weniger Varikositäten. In den meisten Effektororganen bilden viele Varikositäten der postganglio- In Kürze nären Axone enge Kontakte mit den Effektorzellen aus. Die Überträgerstoffe im peripheren Sympathikus und Diese vegetativen neuroeffektorischen Kontakte haben histo- Parasympathikus sind Acetylcholin und Noradrenalin. logisch und physiologisch die Merkmale konventioneller Acetylcholin wirkt über nikotinische Rezeptoren (Gang- Synapsen (. Abb. 70.5b). Sie bedecken etwa 1 % der Ober- lien) und muskarinische Rezeptoren (Effektororgane). fläche der Effektorzellen. Noradrenalin wirkt über Adrenorezeptoren. Adrenore- zeptoren bestehen aus den Familien der α- und β-Adre- Chemische Signalübertragung Die chemische Signalüber- norezeptoren, die wiederum nach verschiedenen Krite- tragung vom postganglionären Neuron auf die Effektorzellen rien unterteilt sind. Adrenalin aus dem Nebennierenmark geschieht im Wesentlichen (aber nicht ausschließlich) über wirkt hauptsächlich als Stoffwechselhormon. Außer die neuroeffektorischen Synapsen. Bei Erregung eines post- Acetylcholin und Noradrenalin werden auch andere Sub- ganglionären Neurons wird der Überträgerstoff aus den Vari- stanzen als Transmitter im peripheren vegetativen Ner- kositäten ausgeschüttet. Ein Aktionspotenzial führt in 1-5 % vensystem benutzt, wie z. B. ATP, Stickoxid und vermut- der Varikositäten zur Freisetzung des Inhaltes eines Vesi- lich einige Neuropeptide. kels (eines Quantums). Dieser Vorgang erzeugt kurzzeitig eine hohe Konzentration von Transmitter(n) im synapti- schen Spalt, einen kurzzeitigen synaptischen Strom durch die postsynaptische Membran und ein kleines postsynap- tisches Potenzial. Das resultierende postsynapische Gesamt- 888 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem a Methode > Die Signalübertragung von den postganglionären Neuronen auf die Effektorzellen geschieht in Form von Reiz Synapsen. Varikosität Ableitung Membranpotenzial 70.3.2 Neuroeffektorische Übertragung auf Schrittmacherzellen und Arteriolen gap junction Die neuroeffektorische Übertragung von postganglionären Effektorzelle Neuronen auf vegetative Zielgewebe ähnelt der chemischen Übertragung an einer konventionellen Synapse. b Arteriole Aktionspotenzial Neuroeffektorische Übertragung auf die Schrittmacherzellen Reize Reize im Herzen Praktisch alle Varikositäten der postganglionären parasympathischen Kardiomotoneurone bilden Synapsen mit den Herzschrittmacherzellen aus. Acetylcholin wird bei 20 mV Erregung dieser Neurone aus den Varikositäten in den synap- tischen Spalt freigesetzt, reagiert mit subsynaptischen mus- 0,5 s karinischen Rezeptoren und reduziert die Geschwindigkeit der Depolarisationen der Schrittmacherzellen oder hemmt sie c Herzschrittmacher vollständig (sodass ein Herzstillstand erzeugt wird), ohne das Membranpotenzial zu hyperpolarisieren (durch Abnahme 6s 50 mV der Na+-Leitfähigkeit;. Abb. 70.4c). Superfundiertes Acetyl- cholin dagegen reagiert mit extrasynaptisch lokalisierten Ace- tylcholinrezeptoren und hyperpolarisiert die Schrittmacher- zellen durch Erhöhung der K+-Leitfähigkeit und verkürzt die Aktionspotenziale (. Abb. 70.4c). Die synaptischen und ex- Reiz N. vagus Superfusion Acetylcholin 5 Hz 10-4 molar trasynaptischen Mechanismen der muskarinischen Acetyl- cholinwirkung sind verschieden. Der intrazelluläre Signalweg. Abb. 70.4a–c Die neuroeffektorische Übertragung in der Peri- von den subsynaptischen Rezeptoren zu den Na+-Kanälen ist pherie des vegetativen Nervensystems. a Versuchsanordnung zur bisher unbekannt. Der intrazelluläre Signalweg von den extra- Registrierung des Membranpotenzials (MP) von Effektorzellen und zur synaptischen Rezeptoren zu den K+-Kanälen läuft über ein elektrischen Reizung der Innervation. b Intrazelluläre Ableitung post- G-Protein, Adenylatzyklase und cAMP ab. Die Funktion der synaptischer Potenziale von glatten Muskelzellen einer Arteriole auf elektrische Reizung der Innervation mit drei Reizen (10 Hz; links: Sum- extrasynaptisch lokalisierten Acetylcholinrezeptoren ist nicht mation der postsynaptischen Potenziale, unterschwellig) oder mit vier bekannt. Reizen (rechts: Summation der postsynaptischen Potenziale und Ent- stehen eines Aktionspotenzials). c Intrazelluläre Ableitung von Schritt- Neurovaskuläre Übertragung an Arteriolen Arteriolen erhal- macherzellen im Sinusknoten des rechten Vorhofs des Herzens beim ten eine dichte Innervation durch noradrenerge postganglio- Meerschweinchen. Links: repetitive elektrische Reizung des N. vagus. Abnahme der Frequenz der Entladung ohne Hyperpolarisation. Rechts: näre Neurone. Nur die glatten Gefäßmuskelzellen, die an die Superfusion des Präparates mit einer Acetylcholinlösung. Abnahme Adventitia grenzen, sind innerviert. Viele Varikositäten, die der Frequenz der Entladung mit Hyperpolarisation und Abnahme von nicht vom Schwann-Zellzytoplasma vollständig umgeben sind, Größe und Dauer der Aktionspotenziale; das Letztere durch den Abfall bilden enge synaptische Kontakte mit glatten Muskelzellen des Membranwiderstandes durch Öffnung der K+-Kanäle. b nach Hirst aus. Die synaptischen Bläschen, die Noradrenalin enthalten, 1977, c nach Campbell et al 1989 sind in der Nähe dieser synaptischen Kontakte konzentriert (. Abb. 70.5b). potenzial ist das Ergebnis der räumlichen Summation der Erregung der postganglionären Axone aktiviert postsy- postsynaptischen Potenziale unter vielen Varikositäten und naptisch das Synzytium der glatten Muskelzellen unter- hängt in Dauer und Größe von den passiven elektrischen schwellig oder überschwellig. Die schnellen postsynaptischen Eigenschaften des elektrisch gekoppelten Effektorzellverban- Ereignisse werden an vielen Blutgefäßen durch den Trans- des (funktionelles Synzytium, s. o.) ab. Repetitive Akti- mitter Adenosintriphosphat (ATP) über Purinorezeptoren vierung der postganglionären Neurone führt zur zeitlichen (sog. P2X1-Rezeptoren) in den postsynaptischen Membranen 70 Summation der postsynaptischen Ereignisse und bei Errei- ligandengesteuert vermittelt. ATP ist mit Noradrenalin in den chen der Schwelle zu Aktionspotenzialen. Die Aktionspoten- synaptischen Vesikeln kolokalisiert. In anderen Blutgefäßen ziale breiten sich über den Verband der Effektorzellen aus (z. B. Venen und großen Arterien) werden diese postsynapti- und erzeugen durch intrazelluläre Mobilisation von Kalzium schen Potenziale durch Noradrenalin und über α1-Adreno- die Effektorantwort (z. B. Kontraktion glatter Muskulatur, rezeptoren vermittelt. Noradrenalin aus den Varikositäten Sekretion von Drüsen). reagiert vor allem mit extrasynaptisch lokalisierten α-Adre- 70.3 · Signalübertragung im peripheren Sympathikus und Parasympathikus 889 70 a Bei vielen Effektoren sind diese Rezeptoren entweder perivaskuläre verschieden von den subsynaptischen Rezeptoren sympathische Widerstandsgefäß Nervenfasern und/oder vermitteln ihre Wirkungen über verschiedene Varikosität intrazelluläre Signalwege. 5 Die über extrasynaptische Rezeptoren durch exogen applizierte Transmitter erzeugten Wirkungen müssen von den durch Nervenerregung über subsynaptische Rezeptoren vermittelten physiologischen Wirkungen unterschieden werden. Sie sind häufig pharmakologi- gap junction glatte Muskelzelle scher (d. h. nicht physiologischer) Natur. Medikamente scheinen ausschließlich über die extrasynaptischen Rezeptoren auf die vegetativen Effektorzellen zu wirken. b kleine Vesikel Varikosität Die Signalübertragung von den postganglionären Neuronen große Vesikel Schwannzell- auf viele vegetative Effektorgewebe geschieht über neuro- zytoplasma Basallamina effektorische Synapsen; sie ist eine Grundlage für die Spezi- fität der neuronalen Regulation vegetativer Effektororgane durch das zentrale Nervensystem. Multiple Einflüsse auf vegetative Effektorgewebe Das Ver- halten vieler vegetativer Effektorgewebe ist nicht nur von der Aktivität in den postganglionären Neuronen abhängig, extrasynaptische subsynaptische sondern auch von zirkulierenden Hormonen, lokalen para- Rezeptoren Rezeptoren krinen Prozessen, lokalen metabolischen Veränderungen, Effektorzellsynzytium mechanischen Prozessen und Einflüssen aus der Umwelt (z. B. thermischen). Der Blutflusswiderstand im Muskel-. Abb. 70.5a,b Die neurovaskuläre Übertragung an kleinen Arte- strombett hängt z. B. von der Aktivität in den postganglio- rien. a Perivaskulärer noradrenerger Plexus, der von postganglionären Vasokonstriktoraxonen gebildet wird. Glatte Gefäßmuskelzellen bilden nären Muskelvasokonstriktorneuronen, von der myogenen ein funktionelles Synzytium über gap junctions (7 Kap. 3.2) aus. Die Aktivität der glatten Gefäßmuskulatur, vom metabolischen Varikositäten bilden enge Kontakte mit den adventitialen glatten Mus- Zustand des Skelettmuskels, von Faktoren des Endothels kelzellen. b Diagramm der neurovaskulären Synapse. Varikosität mit prä- (z. B. freigesetztem NO) und von zirkulierenden Hormonen synaptischer Spezialisierung und Ansammlung synaptischer Bläschen, (z. B. Adiuretin, Angiotensin II) ab (7 Kap. 20.3). die Noradrenalin und ATP enthalten. Einige große Vesikel enthalten auch Neuropeptide. Die postsynaptischen Rezeptoren sind sub- und extra- synaptisch 70.3.3 Denervationssupersensibilität norezeptoren. Dieses führt Gq-Protein-gekoppelt über einen Vegetative Effektoren reagieren einige Zeit nach Denervie- intrazellulären Signalweg zur Erhöhung der intrazellulären rung überempfindlich auf Überträgerstoffe. Kalziumkonzentration. In der neuronalen Regulation der Kontraktilität kleiner Blutgefäße werden subsynaptisch und Viele dicht innervierte vegetative Effektororgane degene- extrasynaptisch vermittelte Signalübertragungen integriert rieren nicht nach Zerstörung ihrer Innervation, zeigen aber (. Abb. 70.5b). eine gewisse Inaktivitätsatrophie. Sie entwickeln 2–30 Tage nach Denervierung und schwächer auch nach Dezentrali- > ATP potenziert die vasokonstriktorische Wirkung von sierung (Durchtrennung präganglionärer Axone) eine Über- Noradrenalin. empfindlichkeit (Supersensibilität) gegen Überträgerstoffe Beide beschriebenen Beispiele können verallgemeinert wer- des peripheren vegetativen Nervensystems und gegen Phar- den (. Abb. 70.5b): maka. Die Denervations- und Dezentralisationsüberemp- 5 Die neuroeffektorische Übertragung auf viele erreg- findlichkeit lässt sich als Anpassung der Empfindlichkeit bare Effektorzellen im peripheren vegetativen Nerven- vegetativer Effektororgane an die Aktivität der sie inner- system ist spezifisch. Sie ist die Grundlage für eine zeit- vierenden postganglionären Neurone auffassen. Bei chro- lich und räumlich geordnete neuronale Regulation nischer Abnahme oder Zunahme der neuronalen Aktivität vegetativer Effektororgane durch das ZNS (z. B. Regu- und damit der Freisetzung von Transmitter nimmt die lation des arteriellen Blutdrucks, Thermoregulation, Empfindlichkeit des Effektors zu bzw. ab. So können sich z. B. Regulation der Entleerungsorgane, Regulation des Pupil- denervierte oder dezentralisierte Blutgefäße schon bei lendurchmessers usw.). physiologischen Konzentrationen von Noradrenalin im Blut 5 Exogen applizierte Überträgerstoffe des vegetativen Ner- kontrahieren. Exokrine Drüsen werden hingegen nicht sensi- vensystems wirken über extrasynaptische Rezeptoren. bilisiert. 890 Kapitel 70 · Peripheres vegetatives Nervensystem Denervationssupersensibilität starker Erregung der postganglionären Neurone zu einer Be- Die Entstehung der Denervationssupersensibilität hängt wahrschein- grenzung der Freisetzung von Noradrenalin über die α2-Adre- lich von folgenden Faktoren ab: Abnahme der Wiederaufnahme von norezeptoren (negativer Rückkopplungsmechanismus). Transmitter (z. B. Noradrenalin); Änderung elektrophysiologischer Ei- genschaften der Effektormembranen (z. B. Erniedrigung des Membran- Zirkulierendes Adrenalin aus dem Nebennierenmark mag potenzials oder der Erregungsschwelle); Erhöhung der Ca2+-Permeabili- durch Reaktion mit den präsynaptischen β2-Adrenorezeptoren tät der Effektorzellmembran oder erhöhte intrazelluläre Verfügbarkeit zu einer Förderung der Noradrenalinfreisetzung führen (po- von Ca2+; vermehrte Expression und/oder erhöhte Affinität von post- sitiver Rückkopplungsmechanismus). synaptisch lokalisierten Rezeptoren (z. B. Adrenorezeptoren); Verände- rung der intrazellulären Signalwege. > Die Freisetzung von Noradrenalin wird präsynaptisch über α2-Adrenorezeptoren gehemmt. Außer den cholinergen und adrenergen Rezeptoren sind auch 70.3.4 Präsynaptische Kontrolle der andere Rezeptoren im peripheren vegetativen Nervensystem Transmitterfreisetzung prä- und postsynaptisch in den Neuronen und in den Effek- tormembranen nachgewiesen worden, wie z. B. Dopamin-, Die Freisetzung von Transmitter aus postganglionären Axo- Opiat-, Angiotensin-, sonstige Peptid- und Prostaglandin-E- nen kann durch präsynaptische Wirkung des Transmitters ge- Rezeptoren. Die meisten dieser Rezeptoren haben wahr- hemmt werden. scheinlich keine physiologische, sondern nur pharmakolo- gische Bedeutung (z. B. in der therapeutischen Medizin). Die Transmitter des vegetativen Nervensystems beeinflussen Dieselben Rezeptoren sind präsynaptisch auch im ZNS ge- auch ihre eigene Freisetzung aus den präsynaptischen Struk- funden worden, wo sie Angriffspunkte vieler zentral wirken- turen. Diese präsynaptischen Wirkungen der Überträger- der Pharmaka sind. stoffe werden durch Adrenorezeptoren und cholinerge Re- zeptoren in den präsynaptischen Membranen vermittelt. 5 Reaktion von Noradrenalin mit präsynaptischen 70.3.5 Impulsübertragung in vegetativen α2-Adrenorezeptoren führt zur Abnahme der Trans- Ganglien mitterfreisetzung, 5 Reaktion von Adrenalin mit präsynaptischen β2-Adre- Paravertebrale sympathische und parasympathische Gang- norezeptoren erhöht die Transmitterfreisetzung lien übertragen und verteilen zentrale Signale; prävertebrale (. Abb. 70.6). sympathische Ganglien integrieren periphere und zentrale Signale. Unter physiologischen Bedingungen führt eine hohe Kon- zentration von Noradrenalin in der Nähe der Varikositäten bei Divergenz und Konvergenz In den meisten vegetativen Ganglien größerer Tiere divergiert ein präganglionäres Axon auf viele postganglionäre Zellen, und viele präganglio- näre Axone konvergieren auf eine postganglionäre Zelle Varikosität (. Abb. 70.7a). Divergenz und Konvergenz finden nur zwi- schen Neuronen der gleichen vegetativ-motorischen End- strecke statt (7 Abschn. 70.1) und nicht zwischen Neuronen β2 α2 funktionell verschiedener Endstrecken. Konvergenz- und Divergenzgrad Adrenalin Quantitativ variiert der Grad von Konvergenz und Divergenz außeror- dentlich zwischen den Spezies und von Ganglion zu Ganglion je nach Effektororgan. Beim Menschen werden z. B. etwa 1 Mio. postganglio- näre Neurone im Ganglion cervicale superius von 10.000 präganglio- nären Axonen innerviert. Die Divergenz präganglionärer Axone auf NA postganglionäre Neurone gewährleistet, dass die Aktivität in einer rela- tiv kleinen Zahl von präganglionären Neuronen auf eine große Zahl postganglionärer Neurone verteilt wird (Verteilerfunktion vegetativer Ganglien). Die Konvergenz präganglionärer Axone auf postganglionäre Neurone gewährleistet einen hohen Sicherheitsgrad der synaptischen Übertragung von prä- nach postganglionär in den prävertebralen Gan- glien. Welche Rolle sie in den paravertebralen Ganglien spielt, ist unklar. α 70 β Der Grad der Konvergenz variiert zwischen funktionell verschiedenen postganglionären Neuronen: Nur wenige präganglionäre Neurone Effektor konvergieren auf postganglionäre Pupillomotoneurone, aber viele auf postganglionäre Vasokonstriktorneurone.. Abb. 70.6 Präsynaptische Kontrolle der Freisetzung von Nor- adrenalin (NA) durch Katecholamine. NA=Noradrenalin; α, β=Adre- > In vegetativen Ganglien wird die Aktivität durch Diver- norezeptoren; -=(α2) Hemmung; +=(β2) Förderung der Freisetzung von genz von wenigen präganglionären Neuronen auf viele Noradrenalin postganglionäre Neurone übertragen. Literatur 891 70 a präganglionär postganglionär Ganglien, die bei Aktivierungen immer überschwellige erre- 1 gende postsynaptische Potenziale von mehreren 10 mV er- zeugen (ähnlich wie bei der neuromuskulären Endplatte) und auf diese Weise die Entladungen der postganglionären Neu- a rone bestimmen. Die anderen konvergierenden prägang- 2 lionären Axone erzeugen bei Aktivierung nur kleine unter- schwellige postsynaptische Potenziale. Ihre Funktion ist b Divergenz Konvergenz unklar (. Abb. 70.7b). 3 Viele postganglionäre Neurone in prävertebralen Gang- lien haben aber auch integrative Funktion: Diese Neurone c erhalten nicht nur meist schwache synaptische Eingänge von 4 präganglionären Neuronen, sondern auch von cholinergen intestinofugalen Neuronen, die ihre Zellkörper im Darmner- vensystem haben, und von Kollateralen spinaler viszeraler 5 afferenter Neurone, die das Peptid Substanz P als Transmitter benutzen (. Abb. 70.7c). b c > Die Impulsübertragung geschieht in den meisten Relais Integration vegetativen Ganglien nach Art einer Relaisstation. prä prä In Kürze spinal Aus den Varikositäten der postganglionären Neurone afferent N freigesetzte Überträgerstoffe wirken primär über sub- Ü N S S S N synaptische Rezeptoren auf die Effektoren (neuro- postganglionäres postganglionäres effektorische Übertragung). Exogen applizierte Über- Neuron Neuron P trägerstoffe wirken jedoch vorwiegend über extrasy- S naptische Rezeptoren. Bei vielen Effektoren sind beide Rezeptoren entweder verschieden und/oder sie vermit- teln ihre Wirkungen über verschiedene intrazelluläre Signalwege. Nach Denervierung entwickeln einige Ef- intestinofugale Neurone vom DNS fektororgane eine Überempfindlichkeit (Supersensibili- tät) auf die Transmitter vegetativer Neurone und ent- paravertebral (Grenzstrang) prävertebral sprechende Pharmaka. Die Freisetzung von Transmit- einige prävertebral (coeliacum, mesentericum) tern wird auch im vegetativen Nervensystem durch Vasokonstriktor, Sekretomotor, Sekretomotor Pilomotor, Vasodilatator usw. Motilitäts-regulierend Rückwirkung der Transmitter auf die präsynaptischen parasympatisch Endigungen bzw. Varikositäten meist hemmend, aber. Abb. 70.7a–c Impulsübertragung in vegetativen Ganglien. z. T. auch fördernd beeinflusst. Die meisten vegetativen a Divergenz (Axon b auf Neurone 1-5) und Konvergenz (Axone a-c auf Ganglien übertragen und verteilen die Aktivität der prä- Neuron 3) präganglionärer Axone auf postganglionäre Neurone in Grenz- ganglionären Neurone. Prävertebrale Ganglien haben strangganglien. b Relaisfunktion in paravertebralen (Grenzstrang-)Gang- auch integrative Funktionen. lien und einigen prävertebralen postganglionären Neuronen (z. B. zu Blut- gefäßen). S=schwache Synapsen mit unterschwelligen postsynaptischen Potenzialen; Ü=„starke“ (dominante) Synapse mit überschwelligen post- synaptischen Potenzialen. c Integration von synaptischen Eingängen zu vielen postganglionären Neuronen in prävertebralen Ganglien: Eingang Literatur von präganglionären Neuronen (prä); von cholinergen intestinofugalen Neuronen mit Zellkörpern im Darmnervensystem (DNS); von Kollateralen Jänig W, The integrative action of the autonomic nervous system: spinaler peptiderger viszeraler Afferenzen (Überträgersubstanz Substanz neurobiology of homeostasis. Cambridge, New York: Cambridge P). Synaptische Übertragung: N=cholinerg nikotinisch; P=peptiderg University Press (2006) Mathias, C.J., Bannister, R. (Hrsg.) Autonomic Failure. Oxford University Press, Oxford, 5. Auflage (2013) Relais- und Integrationsfunktion In den paravertebralen Robertson, R., Biaggioni, I., Burnstock, G., Low, P.A., Paton, J.F.R. (Hrsg.) sympathischen Grenzstrangganglien, die zur Haut und zu Primer of the autonomic nervous system. 3. Auflage, Elsevier Academic Press, Oxford (2012) den tiefen somatischen Geweben projizieren, auf einige postganglionäre Neurone prävertebraler Ganglien und in den parasympathischen Ganglien werden die Impulse nach Art einer Relaisstation übertragen, ohne modifiziert zu werden. Ein bis drei der konvergierenden präganglionären Axone bil- den Synapsen mit den postganglionären Neuronen in diesen Organisation des Vegetativen Nerven- systems in Rückenmark und Hirnstamm Wilfrid Jänig, Ralf Baron © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 R. Brandes et al. (Hrsg.), Physiologie des Menschen, Springer-Lehrbuch https://doi.org/10.1007/978-3-662-56468-4_71 Worum geht’s? unterer Vegetative motorische Endstrecken und Signal- Hirnstamm übertragung vom Gehirn zum Effektorgewebe Das periphere vegetative Nervensystem besteht aus einer großen Zahl vegetativer motorischer Endstrecken, über die die zentral erzeugten Signale zu den Effektor- geweben übertragen werden (. Abb. 71.1). Die Signal- übertragung in den vegetativen Ganglien und von den Parasympathikus postganglionären Neuronen auf die Effektorgewebe ist anatomisch und physiologisch funktionsspezifisch. Sie bedeutet, dass das Gehirn „genau weiß“, zu welchen Effektorgeweben es seine Signale während der Regula- afferente neuronale & tion des inneren Milieus des Körpers sendet. Dies ist nichtneuronale eine wichtige neurobiologische Grundlage für die Prä- Eingänge zision der Regulation verschiedener Körperfunktionen Effektorgewebe (7 Kap. 70.3). Vegetative Reflexkreise im Rückenmark und Hirn- Rückenmark stamm sind Bestandteile der neuronalen Regulation vegetativer Körperfunktionen Die funktionelle Spezifität der prä- und postganglionä- Sympathikus ren Neurone der vegetativen motorischen Endstrecken Parasympathikus zeigt, dass die präganglionären Neurone im Rücken- mark und Hirnstamm mit Reflexkreisen verknüpft sind, die in ihrer synaptischen Verschaltung mit primär affe- Effektorgewebe renten Neuronen, Interneuronen und untereinander. Abb. 71.1 Vegetative Regulationszentren im unteren Hirnstamm ebenso spezifisch sind (rot in. Abb. 71.1). Diese Re- und Rückenmark flexkreise bilden die vegetativen Zentren, über die die vegetativen Körperfunktionen geregelt werden und an die äußeren und inneren Bedingungen des Körpers 71.1 Organisation des vegetativen angepasst werden. Das Geheimnis dieser zentralen Nervensystems im Rückenmark neuronalen Regulationen auf systemischer, zellulärer und molekularer Ebene kennen wir nur unvollständig. 71.1.1 Spontanaktivität in vegetativen Ihrer Aufklärung werden uns ungeahnte Möglichkeiten Neuronen in der Therapie von neuronalen Fehlregulationen der vegetativen Körperfunktionen geben. Diese betrifft Viele peripheren vegetativen Neurone sind spontan aktiv; auch besonders die bisher unbekannten Mechanismen, die Effektorzellgewebe werden durch Erhöhung und Ernied- die zur Abnahme der Präzision neuronale Regulationen rigung dieser Aktivität beeinflusst. 71 vegetativer Körperfunktionen im Alter führen (z. B. Re- gulation des Kreislaufes, der Atmung, der Körpertem- Messungen zeigen, dass die peripheren vegetativen Neurone peratur, der Beckenorgane usw.). in niedrigen Frequenzbereichen von bis zu etwa 8 Hz arbei- ten (. Abb. 71.2). Viele Typen von vegetativen Neuronen sind 71.1 · Organisation des vegetativen Nervensystems im Rückenmark 893 71 unter Ruhebedingungen spontan aktiv (z. B. Vasokonstrik- Vasokonstriktorneuronen zu Widerstandsgefäßen entsteht torneurone, Kardiomotorneurone, Sudomotorneurone zu z. B. in Neuronen der rostralen ventrolateralen Medulla Schweißdrüsen, motilitätsregulierende Neurone zu den Ein- oblongata oder Vorläuferneuronen (7 Abschn. 71.2). geweiden usw.). Andere werden nur unter speziellen Bedin- > Viele funktionelle Gruppen peripherer vegetativer gungen aktiviert (z. B. parasympathische und sympathische Neurone sind spontan aktiv und arbeiten im Niederfre- Neurone zu den Genitalorganen). Die Spontanaktivität er- quenzbereich von >1 Hz bis 4 Hz während der vegeta- möglicht dem Gehirn, vegetative Funktionen durch Abnahme tiven Regulationen. oder Zunahme der Aktivität zu regeln (z. B. die Durchblutung von Organen, peripherer Blutflußwiderstand, Herzminuten- volumen, Schweißproduktion usw.). Die Höhe der Spontanaktivität variiert in peripheren vege- 71.1.2 Spinale Reflexe tativen Neuronen von etwa 0,1 bis 4 Hz und liegt in Vasokons- triktorneuronen zu Haut- und Muskelblutgefäßen unter Ruhe- Das Rückenmark enthält vegetative Reflexkreise, die die bedingungen und bei neutraler Umgebungstemperatur bei etwa Grundbausteine vieler Regulationen sind. 0,1–1 Hz. Die Höhe dieser Aktivität in den vegetativen Neuro- nen ist den Eigenschaften von glatter Muskulatur und sekre- Lage der präganglionären Neurone im Rückenmark Die torischen Epithelien angepasst. Zum Beispiel, wegen der lang- präganglionären sympathischen und parasympathischen anhaltenden intrazellulären Antworten, die die relativ langsam (sakralen) Neurone liegen in der intermediären Zone des ansteigenden und abfallenden Kontraktionen glatter Musku- thorakolumbalen und sakralen Rückenmarks. Diese Zone be- latur bewirken, wird durch eine niedrige neurogene Aktivität steht im Thorakolumbalmark aus dem Nucl. intermediolate- ein gleichmäßiger Kontraktionszustand (Tonus) erzeugt. ralis (IML), dem Nucl. intercalatus und dem Nucl. centralis Die Spontanaktivität in den vegetativen Neuronen hat ihren autonomicus. Die meisten präganglionären sympathischen Ursprung in Hirnstamm und Rückenmark. Die Aktivität in Neurone liegen im Nucl. intermediolateralis, der bis in die weiße Substanz reicht (. Abb. 71.3). Funktionell verschiedene präganglionäre Neurone sind in rostrokaudalen Zellkolum- Maß für nen der spinalen intermediären Zone angeordnet. Prägang- peripheren Widerstand lionäre parasympathische Neurone zur Harnblase liegen late- ral im Sakralmark an der Grenze zur weißen Substanz und Neurone zum Enddarm mehr medial im Sakralmark. Zunahme Organisation spinaler vegetativer Reflexe (. Abb. 71.3) Pri- mär afferente Neurone und präganglionäre Neurone sind im Rückenmark über erregende oder hemmende Interneu- rone zu vegetativen di- oder polysynaptischen Reflexbögen Vasokonstriktion verschaltet. Diese vegetativen Reflexbögen sind folgender- Ruhelage maßen charakterisiert: (1) Durch die Funktion und Herkunft der afferenten Neurone mit dünnen myelinisierten (Aδ) und Vasodilatation unmyelinisierten (C) Axonen, die die mechanischen, ther- basale mischen, metabolischen und entzündlichen Zustände der myogene Aktivität (somatischen oder viszeralen) Gewebe messen. (2) Durch die Funktion der präganglionären Neurone (z. B. als kutane 0 2 4 6 8 Vasokonstriktorneurone, Muskelvasokonstriktorneurone, Reize pro s Ruheentladungsrate Sudomotorneurone, motilitätsregulierende Neurone zum in Vasokonstriktorneuronen Darm, zu Genitalorganen, zur Harnblase usw.). (3) Durch die erregenden oder hemmenden Interneurone. Bereich physiologischer Entladungsraten in postganglionären Vasokonstriktorneuronen Afferenzen und Efferenzen desselben Organs sind zu seg- mentalen spinalen oder intersegmentalen Reflexbögen. Abb. 71.2 Beziehung zwischen der Aktivität in Vasokonstriktor- verschaltet (. Tab. 71.1), so z. B. beim Herzen (kardiokar- neuronen und Blutflusswiderstand. Anstieg von Blutflusswiderstand diale Reflexe), beim Gastrointestinaltrakt (intestinointesti- in der Skelettmuskulatur (Ordinate) mit der Frequenz elektrischer über- schwelliger Reizung der präganglionären Axone im Grenzstrang. Der nale Reflexe), bei der Niere (renorenale Reflexe), bei Blase Widerstand, der in vivo in Ruhe herrscht, kann durch etwa einen Reiz pro und Mastdarm (Entleerungsreflexe; Reflexe zur Speicherung; Sekunde erzeugt werden. Abnahme der Ruheaktivität hat eine Vasodila- 7 Abschn. 71.4, 7 Abschn. 71.5) und bei den reproduktiven tation (Erniedrigung des Widerstandes) zur Folge. Wenn in den Vaso- Organen (Genitalreflexe; 7 Abschn. 71.6

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