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Summary

Diese Zusammenfassung behandelt die Themen Wissenschaftstheorie, Wissen, Handeln, Kognition und Sprache. Sie analysiert die Beziehung zwischen Theorien, Wissen und der menschlichen Welt. Der Text diskutiert verschiedene Arten von Wissen und seine Verwendung, sowie die Institutionalisierung der Wissensproduktion und die Rolle der Wissenschaft.

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TEXT 1 (SCHUELEIN, REITZE) Wissenschaftstheorie für Einsteiger WIESO ERKENNTNIS UND WISSENSCHAFTSTHEORIE?  Theorien stehen unter Leistungsdruck (Gegenstand vollständig erklären) und Legitimationsdurck (darüber Auskunft geben, was sie tun)  Erkenntnis- und Wissensc...

TEXT 1 (SCHUELEIN, REITZE) Wissenschaftstheorie für Einsteiger WIESO ERKENNTNIS UND WISSENSCHAFTSTHEORIE?  Theorien stehen unter Leistungsdruck (Gegenstand vollständig erklären) und Legitimationsdurck (darüber Auskunft geben, was sie tun)  Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sind zwangsläufiger Effekt theoretischer Ansprüche ─ Theorien verlangen nach metatheoretischen Absicherung = einer Theorie, die die Theorie ihrerseits theoretisch begründet LEBEN – HANDELN – WISSEN  Erkenntnis = begründetes Wissen  Wozu benötigen wir Wissen?  Frage beantworten mit Blick auf Steuerungsprobleme  Auch Zufälle haben Gründe  sind logisch rekonstruierbare, aber nicht kalkulierbare Ereignisse  Gesamtprogramm steuert den Ablauf realer Ereignisse (nicht so wie Zufälle) UNBELEBTE REALITÄT  Feststehende Gleichung mit feststehenden Faktoren  Steuerung auf Basis von Kalkülen  also unter bestimmten Umständen  Keine Steuerungsprobleme  Ereignisse sind fest verbunden, vorprogrammiert, Ablauf festgelegt  Geschlossene und fixierte System sind nicht steuerungsbedürftig und steuerungsresistent  gibt keine Entscheidungen zu treffen  Keine Willkür und Abweichung HANDLUNGSFÄHIGE AKTEURE  Möglichkeitshorizont existiert  muss kombiniert werden mit Eigenleistungen, die wirklichkeitsbezogen sind  Braucht Zielvorstellungen (Normen)  Muss zumindest im großen und ganzen auf die Welt abgestimmt sein (Überlebensbedarf)  Kognitive Leistungen zur Steuerung nötig (Evolution)  Evolution kognitiver Leistungen 1. Stufe: Einfache  Modell der Abstimmung von Akteuren und Lebewesen mit fertigen Lebewesen Entscheidungs- und Verhaltensmustern (angeboren) 2. Stufe Übergang zu höherer Handlungsfähigkeit:  Lebewesen, die sich aktiv auf unterschiedliche Lebensbedingungen einstellen können, erfordern eine radikale Steuerungswende  Genetische Hochspezialisierung (=Festlegung auf spezifische Bedingungen) wird durch Stärkung der individuellen Handlungsfähigkeit ersetzt  Voraussetzung: Individuen benötigen Fähigkeiten zur Reflexion  Fähigkeit zur individuellen autonomen Auseinandersetzung mit der Welt Folgen der neuen Strategie:  Neuer Zugang zur Welt für Lebewesen; Entstehung einer völlig neuen Welt.  Individuelles Handeln ist eine Kompetenz, die entwickelt und eingeübt werden muss  müssen Bedingungen entstehen, die Einübung erlauben  Natur „erfand“ die Eltern-Kind-Beziehung neu  als soziales Milieu für Lernen und Erprobung. Veränderung der Interaktion zwischen Individuen:  Offener Prozess der wechselseitigen Beeinflussung ersetzt feststehende Choreografien  Entwicklung gemeinsamer Muster, die sich verselbständigen können.  Soziales Milieu wird zu einer eigenständigen Form von Realität  Ursprüngliche Formen des Handelns werden durch komplexe, offene, potentiell konfliktträchtige Formen überlagert KOGNITION  evolutive Wende bedingt Umstellung der Steuerung durch fixierte Verhaltensprogramme auf Steuerung durch aktive individuelle und soziale Leistungen ─ Psyche und Sozialstruktur ersetzen genetische Codierung  individuelle und soziale Kognition! ─ zunächst Hybridstrukturen, Mischformen mit minimalen Entscheidungsspielräumen, eingebunden in instinktive Abläufe  beschränkten Lernpotenzial & kognitive Möglichkeiten (bei Tieren) ─ entwickelte sich weiter (Erfolgsmodell)  Entwicklung selbsteskalativer Prozess, der die Evolution enorm beschleunigte ─ Besonders bei den Säugetieren beschleunigte sich dieser Prozess ─ vorläufige Endpunkt dieser Entwicklung ist homo sapiens sapiens ─ Instinkte sind weitgehend ersetzt durch die Fähigkeit zur kognitiven Verarbeitung der Welt und durch emotionalen Wirklichkeitskontakt (nicht mehr Umwelt!) ─ Kognition und Emotion sind genetisch vorprogrammiert, aber entwicklungsfähig &-bedürftig.  Menschen nehmen mit der Muttermilch die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen auf. SPRACHE  Nichtsprachliche Kommunikation (z. B. über chemische Informationsträger) ─ Semantisch eindeutig und besitzt eine enge, fixierte „Grammatik". ─ Vorteile: Exaktheit, unmittelbare Verständigung, enge Bindung an Handlungsrelevanz. ─ Nachteile: Mangelnde Flexibilität, keine aktive Benutzbarkeit, begrenzte Thematisierbarkeit von Wirklichkeit.  Sprache überwindet die Begrenzungen nichtsprachlicher Kommunikation ─ Erweitert den Thematisierungshorizont erheblich (Grammatik, Sätze, …) ─ Führt zu Dynamisierung der Entwicklung von Identität und Sozialstruktur ─ Sprache konserviert alles, auch situativ Unnützes oder Störendes ─ Als „humane Nachfolgeorganisation“ von Instinkten  Gesellschaftliches Steuerungs- und Differenzierungspotenzial erweitert sich: ─ Gesellschaften können mehr und vielfältigere Situationen erzeugen, kontrollieren und vernetzen. ─ Ausweitung & Temposteigerung der Entwicklung von individueller Identität und Sozialstruktur  Entwicklung verursacht höheres Differenzierungsniveau individueller Handlungen & sozialer Strukturen: ─ Entwicklung braucht Vernetzung & Absicherung durch leistungsfähiges Kommunikationssystem => Sprache bewahrt und übermittelt kognitive Leistungen (Formen und Themen des Denkens)  Sprache und Emotionen: ─ Sprache trägt und formuliert Emotionen: Basale Hintergrundsteuerung von Handeln ─ Kognitionen und Emotionen: Zwei Seiten eines psychischen Prozesses (Gegenstücke) ─ Sprache kann für kognitive und emotionale Zwecke genutzt werden ─ Unterscheidung zwischen „Denk-" und „Gefühlsgehalt" von Gedanken, Äußerungen und Handlungen ─ Sprache kann objektiv sein, muss aber nicht an Objektivität oder Wahrheit gebunden sein ─ Sprache drückt opportunistisch aus, was sich psychisch abspielt, bewusst und unbewusst ─ Sprachformen mit „Wahrheitsanspruch" garantieren keine tatsächliche Wahrheit ─ Kognitionen sind abhängig von inneren & äußeren Bedingungen (nicht selbstverständl. Autonom) TYPEN VON WISSEN UND SEINER VERWENDUNG Möglichkeiten, mit denen uns die Natur ausgerüstet hat, erweisen sich als zwiespältige Gaben:  Wir sind frei von festen Bindungen an ökologische Nischen und Verhaltensprogramme.  Wir sind ohne feste Orientierung, instabil und irritierbar.  Welt kann nie vollständig erfasst werden, und es gibt situativ nie genügend Wahrnehmungs- und Interpretationsmöglichkeiten ZWEI FUNKTIONSFORMEN VON BEWUSSTSEIN: 1. Alltagsbewusstsein  Aufgabe: Aufrechterhaltung von Handlungsfähigkeit.  Gesteuert durch Prinzipien: Egozentrik und Verwendung von Routinen. Egozentrik  Bewusstsein geht von momentaner Befindlichkeit aus  Weltwahrnehmung erfolgt perspektivisch, wie sie sich für uns darstellt Knappheit von Aufmerksamkeit wird durch folgende Mechanismen gelöst:  Beschränkung auf Themen, die uns hier und jetzt beschäftigen.  Beschränkung auf Sichtweisen, die uns unsere Situation nahelegt.  Einengung der Welt auf wenige Aspekte, die mit einfachen Mitteln bearbeitet werden. Routinen  =Interpretationsschemen, die situative Bedingungen mit Intentionen und Handlungsmustern verknüpfen.  = Art künstlicher Instinkte, die auf Erfahrung und Bewährung basieren  Erlauben halbautomatisches Handeln mit geringem Aufmerksamkeitseinsatz => kein bewusstes Handeln  Alltagsbewusstsein ist ein Doppelprozessor: ─ Operiert mit Vereinfachungen (Egozentrik, Routinen) ─ Operiert mit Differenzierungen (Reflexion) ─ Erzeugt und nutzt unterschiedliche Typen von Wissen, erweitert Handlungsmöglichkeiten 2. Reflexion  Umstellung auf Reflexion, wenn Schwierigkeiten oder interessante Themen auftreten: ─ Voller Fokus auf die Problemlösung (z. B. Autopanne). ─ Das, was vorher selbstverständlich war, wird zum Gegenstand intentionaler Auseinandersetzungen ─ Reflexion kann auch intensives und genaues Interesse („liebevoll“) bedeuten.  Ziel: Aufhebung der Begrenzungen des normalen Funktionierens des Alltagsbewusstseins.  Reflexion ist begrenzt, solange Handlungszwang besteht: ─ Weiterlaufender Handlungszwang verringert verfügbare Möglichkeiten.  Reflexion wird erleichtert durch Sondersituationen ohne akuten Handlungszwang: ─ Zeit, sich Themen unbeschränkt zu widmen  Erweiterung Wissens- & Interpretationshorizont INSTITUTIONALISIERUNG VON WISSENSPRODUKTION Durch soziale Institutionalisierung wird Reflexion auf ein qualitativ neues Niveau gehoben:  Reflexion löst sich von Restriktionen von Situationen & Personen und wird auf Dauer gestellt  Im Alltagsbewusstsein bleibt Reflexion improvisiert & begrenzt  Institutionalisierung bringt Reflexion in systematische Form  mehr auf situative/indivudelle Verarbeitungskapazitäten beschränkt Theorien entstehen durch institutionalisierte Reflexion:  Theorien = systematisch begründete Interpretationen auf Basis methodisch kontrollierter Wissenserzeugung  Theorie= Form, in der Reflexion organisiert werden kann, wenn sie sich von Zwängen der Praxis löst  Theorien werden zu Motor der Professionalisierung, Differenzierung & Neuentwicklung von Praxis ─ entfernen sich vom alltäglichen Denken, Reden und Tun ─ andere Reichweite als Vorstellungen des Alltagsbewusstseins ─ besitzen eine eigene Sprache mit bestimmten Bedeutungen und Verknüpfungen ─ Sprache ist eingeengt und reduziert, dafür aber präziser als die natürliche Sprache. ─ Theorien sind die Idealform institutionalisierter Reflexion Institutionalisierung von Reflexion ist sozialer Prozess:  Gesellschaftliche Rahmenbedingungen beeinflussen: ─ Themenauswahl, Fragestellungen, Methoden. ─ Auswahl und Sozialisation derjenigen, die mit Reflexion beauftragt sind.  Interne Effekte wie Interaktionsordnung, Habitus und Machtverhältnisse tragen auch zur Steuerung von Reflexion bei Wissenschaft ist ein Sonderfall institutionalisierter Reflexion:  Wissenschaft ist unter bestimmten Bedingungen entstanden.  verknüpft bestimmte Leistungen mit bestimmten Risiken  Bei manchen Realitäts-Typen hat dies keine Auswirkungen auf den logischen Gehalt der Theorien, sondern nur auf deren Gebrauch.  Bei anderen Realitäts-Typen besteht ein intensiver Austausch zwischen Theorie und Gegenstand: ─ Gesellschaftliche Verhältnisse werden zum Ausdruck gebracht. ─ Es wird anders auf sie eingewirkt OBJEKTIVE ERKENNTNIS, THEORIE UND WISSENSCHAFT  Theorie  der Anspruch auf objektive Erkenntnis  Theorie muss sich als logisch begründet präsentieren und sich ihrerseits theoretisch begründen ─ Anspruch auf Theorie ist immer verknüpft mit einer (expliziten oder impliziten) Begründung dieses Anspruchs in Form einer ebenfalls theoretischen Metatheorie, einer Theorie darüber, wie Theorie konstituiert und legitimiert wird  Verwendung Theorie = Notwendigkeit einer erkenntnistheoretischen Begründung ─ durch institutionellen Bedingungen geprägt Überlegungen: 1. Menschen wie Gesellschaften sind „wissensbasierte Systeme". ─ verfügen nicht über feststehende Programme, sondern müssen ihre Welt kognitiv bearbeiten, indem sie aus Information durch Interpretation Wissen erzeugen 2. Im alltäglichen Handeln verfügen Menschen über 2 verschiedene Modalitäten des Umgangs mit Wissen: ─ Alltagsbewusstsein ist auf die Aufrechterhaltung von Handlungsfähigkeit zentriert und sammelt Wissen egozentrisch und selektiv - bezogen auf die eigene Identität ─ Entwickelt/verwendet Routinen, die als flexibler „Instinktersatz" fungieren und Handeln steuern 3. Die Leistungsfähigkeit von Reflexion ist im Rahmen des Alltagsbewusstseins begrenzt. ─ kann gesteigert werden durch die Herstellung von Sondersituationen, in denen Handlungszwänge außer Kraft gesetzt sind  kann individuell geschehen ─ Exponentiell gesteigert wird Reichweite von Reflexion durch soziale Institutionalisierung: durch dauerhafte, arbeitsteilig spezialisierte & organisierte Einrichtungen, die sich nur Reflexion widmen 4. Mit sozialer Institutionalisierung ändert sich Reflexion: ─ Improvisation wird ersetzt durch systematische Untersuchung und Auswertung. ─ Befunde werden methodisch kontrolliert erhoben und in Form von Theorien mit objektivem Erkenntnisanspruch zum Ausdruck gebracht. ─ Notwendigkeit Legitimation von Behauptungen  Wenn eine Theorie aufgestellt wird, entwickelt sich parallel Theorie der Erkenntnis, =Metatheorie, die Anspruch der Theorie klärt/begründet 5. Methodische Kontrolle und theoretische Formulierung bedeuten eine Einengung und Disziplinierung von Interpretationen, während sich ihre Präzision erhöht. ─ Theorien in vieler Hinsicht von jeweiligen Rahmenbedingungen abhängig ─ brauchen interne und externe Autonomie, sonst Risiko der Instrumentalisierung & Verfälschung 6. Wissenschaft ist eine Sonderform von institutionalisierter Reflexion, die aus bestimmten historischen Umständen hervorgegangen ist. ─ Entwicklung der Wissenschaft ist eng mit der Dynamik moderner Gesellschaften verbunden. KAUSALITÄT  Theorie setzt wie jede Form der Erkenntnis voraus, dass es eine Wirklichkeit gibt, die eine erkennbare Logik – d. h. Ordnung und Regeln – besitzt.  einfachst denkbare Form von Logik ist Kausalität, d. h. Denken in Ursache und Wirkung  Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien enthalten stets auch kausale Logik Daher gilt: Erkenntnistheorie  beschäftigt sich mit der generellen Frage, wie Erkenntnis möglich ist und funktioniert  muss die Logik von Erkenntnis klären Wissenschaftstheorie  widmet sich der speziellen Problemlage der Sonderform Wissenschaft  muss die Funktionsweise einer besonderen Form von institutionalisierter Erkenntnis erfassen und begreifen Angesprochen werden fünf zusammenhängende Dimensionen von Erkenntnis: 1. Konstitution von Erkenntnis durch die logische und empirische Welt und ihre Bestandteile/Bedingungen. 2. Leistung der logischen und empirischen Produzenten und Träger von Erkenntnis (logisch: erkennendes Subjekt, d. h. humane Akteure, Institutionen, Systeme). 3. methodisch und theoretisch geleitete Konstitution des Gegenstands von Erkenntnis (Objekt der Reflexion), die Definition eines Themas aus der Welt. 4. methodisch und theoretisch geleitete Prozessieren mit dem Gegenstand bis zur Erzeugung von (logisch:) Erkenntnis und (empirisch:) Wissen (reflektiertes Objekt). 5. Auswirkungen von Erkenntnis und Wissen auf die Welt und den Träger der Erkenntnisproduktion. Logik und Form von Erkenntnis sind nicht das Gleiche, aber beides Teil Gesamtprozesses „Erkenntnis“  Aufgabe von Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie hat sich als „mission impossible" herausgestellt. ─ wird nicht versucht, eine alles umfassende Theorie anzubieten, sondern ein Überblick über Probleme des Erkennens und der Wissenschaft anhand ihrer Entwicklung. ─ Verständnis, was Wissen ist, wie es begründet und wie es verwendet wird, wird erheblich bestimmt von Prämissen, die wissenschaftspolitisch und indirekt auch gesellschaftspolitisch imprägniert sind. TEXT 2 (STEININGER & HUMMEL) Wissenschaftstheoretische Entwicklungstendenzen THEORIE DES WISSENS  Geschichte der Wissenschaftstheorie beginnt mit Aristoteles = Wissenssystematisierer der Antike  Aristoteles und meisten Philosophen nach ihm vertraten fundamentalistisches Erkenntnisprogramm: ─ "Echtes" Wissen sei nur auf Basis von Prinzipien möglich, die durch rationale Intuition und nicht durch unsichere Erfahrung gewonnen werden = Form des Empirismus  Ziel der griechischen Philosophen: ─ Trennung von wirklichem Wissen und bloßer Meinung oder Glauben ─ Beispiel: Sokrates: ─ Beschränktheit des menschlichen Wissens. ─ Fehlbarkeit der Vernunft. ─ Notwendigkeit, echtes Wissen von bloßem Glauben zu trennen  Kriterien für Wissen: ─ Wenn eine Person etwas weiß (im Gegensatz zum bloßen Glauben), muss: ─ Das Geglaubte wahr sein. ─ Die Person in der Lage sein, die Wahrheit zu rechtfertigen, zu begründen, zu demonstrieren ─ Musgrave  "gerechtfertigten, zuverlässigen Glauben"  Epistemologische Debatte: Dogmatiker Skeptiker  Glaube an die Existenz von Wissen  Zweifel daran, dass Wissen wirklich existiert  akzeptierten nicht den Schluss der  Nutzung des Konzepts des „unendlichen Skeptiker, dass kein Glaube jemals als wahr Regresses der Rechtfertigungen“ als erwiesen werden könne Hauptargument gegen Dogmatiker: ─ unendlicher Regress der Rechtfertigungen ─ Wahrheit eines Glaubens A kann nur könne durch Sätze gestoppt werden, die durch einen anderen Glauben B keiner weiteren Rechtfertigung bedürfen gerechtfertigt werden ─ Diese Sätze seien durch „unmittelbare" ─ B wiederum verlangt eine Rechtfertigung Einsicht wahr durch C ─ Dieser Prozess setzt sich ad infinitum fort  Formen „unmittelbaren" Wissens nach Musgrave (1992: 388): ─ Sätze, deren Wahrheit durch die Sinne bestätigt werden kann (Wahrnehmungsmeldungen). ─ Sätze, deren Wahrheit „im Lichte der Vernunft" als „selbstevident" gilt (Axiome).  Verbindung zu philosophischen Lehren: Rationalismus: Empirismus  Letzte Quelle allen Wissens liegt in der  Letzte Quelle allen Wissens liegt in der Vernunft oder im Intellekt. sinnlichen Erfahrung.  Ideal: Mathematik.  Ideal: Naturwissenschaft.  Entwicklungen im 20. Jahrhundert: ─ Post-empiristische und post-rationalistische Ansätze näherten sich einander an. ─ Spannungsfeld zwischen diesen Ansätzen prägt die gegenwärtige Wissenschaftstheorie RATIONALISMUS Rationalismus:  Erkenntnistheorie, die die „Ratio" (Denken bzw. Vernunft) als einzige oder wesentliche Erkenntnisquelle ansieht.  Vertreter: ─ Antike Philosophen: Demokrit, Sokrates, Plato, Aristoteles. ─ Neuzeitliche Philosophen: Spinoza, Descartes, Hegel (Schmidt 1934: 535).  Plato: Wahre Erkenntnis arbeitet nur mit Begriffen, nicht mit sinnlicher Wahrnehmung.  Kontinentaleuropäische Erkenntnistheorie bis zu Kant: Ableitung der Vorstellungen vom Wesen der Erkenntnis vorwiegend aus der Mathematik  Erkenntnis als unabhängig von der Erfahrung Kants Synthese von Rationalismus und Empirismus:  Erkenntnis besteht darin, was die Vernunft aus der Erfahrung ableitet POSITIVISMUS  nur gelten lassen, was empirisch nachweisbar und positiv begründbar ist  „Positiv“ meint das unbezweifelbar Gegebene  Schlagwörter: Beobachtung, Messung, Experiment. DEFINITION UND ABGRENZUNG DES POSITIVISMUS:  Positivismus fasst das Positive als Ursprung und Rechtfertigungsgrund aller Erkenntnis auf. ─ Gegen Metaphysik: Kritik an bloß erdachtem und spekulativ konstruiertem „Wissen“. ─ Gegen Skeptizismus: Entgegen der Annahme, es gebe kein sicheres, unbezweifelbares Wissen. Begriffliche Unschärfe des Positivismus (nach Schnädelbach):  Positivismus kann zweierlei bedeuten: ─ Ein „faktisch geltendes Normensystem der Forschungspraxis“. ─ Eine Theorie, die diese Praxis beschreibt.  Häufig abfällig verwendet, z. B. zur Beschreibung theorieloser Tatsachenforschung.  Fehlvorstellung: Positivismus bedeutet nicht, die Methoden der Naturwissenschaften auf alle Wissenschaften zu übertragen. AUGUSTE COMTE (1798–1857):  Begründer der Soziologie und des Positivismus.  Hauptfrage: Anforderungen an Wissenschaft und wissenschaftliche Erkenntnis zur Entwicklung einer Methodologie ohne Spekulationen ─ Wissenschaftliche Erkenntnisse seien nur durch Erfahrung möglich. ─ Prognosen und wirtschaftlicher Fortschritt basieren allein auf empirischer Erkenntnis.  Ziel: Etablierung einheitlicher Rationalitätsstandards in der Wissenschaft.  Geschichtsphilosophischer Kern des Positivismus nach Comte: ─ Verbindung von wissenschaftlicher Ordnung („loi encyclopedique“) und wissenschaftlichem Fortschritt („loi des trois états“) mit gesellschaftlicher Ordnung ─ Das „Gesetz der drei Stadien“ („la loi des trois états“): Entwicklung des menschlichen Wissens in drei Phasen: o Theologisches Zeitalter: Vorherrschaft von Priestern und Kriegern. o Metaphysisches Zeitalter: Vorherrschaft der Rechtsgelehrten und Philosophen. o Positivistisches Zeitalter: Dominanz von Wissenschaft und Industrie.  Kritik: Gesetz ist eine metaphysische Aussage, da es nicht aus unmittelbarer Erfahrung folgt und nicht mit Comtes geforderten Standards übereinstimmt EMPIRISMUS  Vertreter: Francis Bacon, John Locke, David Hume und John Stuart Mill  Grundannahme: Jeglichem Wissen liegt Erfahrung zugrunde. ─ Erkenntnis ist nur durch Sinneseindrücke möglich (unterstützte Beobachtung – Experimente) ─ Abgrenzung zum Rationalismus: Nicht der Verstand, sondern die Erfahrung wird als Grundlage von Erkenntnis beschrieben.  Wahrheit wird ermöglicht und gesichert durch: ─ Zusammenspiel von Beobachtung und Induktion.  Objektivierung menschlicher Erfahrung:  Ziel: Verbindliches, Gewissheit stiftendes Tatsachenwissen. MILL:  Ziel: Verbindung von Logik und Methodik (Positivismus von Comte erweitern)  Definition von Logik laut Mill: Die Wissenschaft vom Beweis.  Erkenntnis mit absoluter oder möglichst hoher Sicherheit: Kann durch Induktion erlangt werden (Schließen von Einzelfällen auf das Allgemeine).  Alle Wissenschaften müssen nach der Methode der Induktion arbeiten.  Haltung der Empiristen: ─ Hergebrachte Auffassungen vom menschlichen Geist als Ort eingeborener Ideen (Innatismus) werden verworfen. ─ Kritik an der Erblast der abendländischen Metaphysik: ─ Ablehnung von aprioristischen Annahmen. ─ Ablehnung platonischer Ideen. ─ Ablehnung metaphysischer Spekulationen. ─ Ablehnung seelischer Introspektionen. LOGISCHER EMPIRISMUS (LOGISCHER POSITIVISMUS) Logischer Empirismus als Weiterentwicklung des Empirismus:  „Wiener Kreises des Logischen Empirismus“  Entwicklung Wissenschaftstheorie als eigenständige Subdisziplin (Carnap & Schlick)  Verbindung & Logik und Empirismus (zuvor getrennt behandelt)  Wissenschaft auf unmittelbarer Erfahrung begründen (Empirismus)  Wissenschaft und Erkenntnis: ─ Begründen auf unmittelbarer Erfahrung als einziger Quelle. ─ Strukturierung durch induktive Logik als einzige Methode. ─ Befreiung von theoretischen Spekulationen zweifelhafter Herkunft. ─ Wissenschaftliche Weltanschauung sollte Mystizismus und Religion ersetzen.  Entwicklung einer Theoriesprache zur Garantie der Objektivität von Aussagen  Lernen von hohen Standards begrifflicher und argumentativer Genauigkeit (Schurz/Wittgenstein): Sinnvolle Sätze Sinnlose Sätze  sind empirisch überprüfbar:  sind nicht empirisch überprüfbar: Unterschied zum klassischen Empirismus:  Zurückweisung der Unfehlbarkeit (Infallibilität) von Beobachtungssätzen: ─ Beispiel: „Dort ist ein Tisch.“ wird als prinzipiell fehlbar angesehen.  Klassischer Empirismus: ─ Forderung, dass wissenschaftliche Begriffe durch Definitionsketten auf Beobachtungsbegriffe zurückgeführt werden müssen KRITISCHER RATIONALISMUS  Karl Popper (1902–1994)  prominentester Kritiker des (Logischen) Positivismus ─ Induktion ist in Wissenschaft unzulässiger Vorgang  immer nur ein Ausschnitt der empirischen Realität beobachtet  widerspricht Anspruch, dass wissenschaftliche Theorien (als All-Aussagen) „über potentiell unendlich viele Vorkommnisse formuliert sind.“ ─ Bei Induktion wird immer eine Information hinzugefügt, die nicht in Beobachtungen begründet ist. Umkehr der Methodologie des Wiener Kreises:  Erfahrung soll vom Baustein zum Prüfstein einer Theorie werden.  Methodologischer Ausgangspunkt von Wissenschaft: ─ Nicht die Erfahrung oder Beobachtung, sondern Theorien und Hypothesen. ─ Der kreative Einfall und der schöpferische Entwurf einer Theorie sind die Voraussetzungen. ─ Wie Hypothesen zustande kommen, ist für Popper weitgehend uninteressant.  Verifikation und Falsifikation: Verifikation einer Allaussage ist unmöglich, da sie unendlich viele Beobachtungen erfordern würde. ─ Hypothese wird nur solange beibehalten, bis sie falsifiziert wird. Falsifikation als zentrales Element: ─ Definitives Wissen gibt es nur über Hypothesen, die falsifiziert wurden. ─ Potentiell unbegrenzte Anzahl von noch nicht falsifizierten Hypothesen ist keine Erkenntnis.  Wahrheitsanspruch:  kann keine absolute Wahrheit erreicht werden, sondern nur Wahrheitsnähe  Falsifizierbarkeit ist das Abgrenzungskriterium zwischen wissenschaftlichen und nicht- wissenschaftlichen Aussagen: ─ Wissenschaftlich sind nur Aussagen, bei denen angegeben werden kann, unter welchen Bedingungen sie falsifiziert werden könnten. Kritik an Poppers Falsifizierbarkeit:  Lakatos: Wissenschaftliche Theoriesysteme werden selten aufgrund eines einzigen Gegenbeispiels verworfen.  Kritik an Poppers Ausschluss der Induktion: wissenschaftsdynamische Argumente, um diese Position zu hinterfragen PRAGMATISMUS  US-amerikanische Sozial- & Kommunikationswissenschaft vom Pragmatismus geprägt  Charles S. Peirce, Henry James und John Dewey (trotz Differenzen in ihren Anschauungen)  Symbolhaftigkeit menschlicher Kommunikation in den Fokus der Sozialwissenschaft  Erkenntnistheoretische Kernaussage: ─ Wahrheit ist das Ergebnis eines Gemeinschaftsdiskurses und daher niemals absolut. ─ Kommunikation innerhalb eines demokratischen Bezugsrahmens ist Voraussetzung für sozialwissenschaftliche Erkenntnis ─ Diskurs bezieht sich auf Erfahrungstatsachen, deren Gültigkeit durch Diskurs bestätigt/falsifiziert wird Peirce unterscheidet drei logische Schließungsmöglichkeiten:  Deduktion: Schluss vom Allgemeinen (Theorie) auf einen konkreten Sachverhalt.  Induktion: Schluss von konkreten Beobachtungen auf generelle Zusammenhänge.  Abduktion: Intuitive Entscheidung, welche mögliche Hypothese formuliert und überprüft wird. ─ Anwendbares Wissen (praktisch/theoretisch) entsteht durch Abduktion  Ablehnung rationalistisch-spekulativer Erklärungsmodelle  Werthaltungen und Weltanschauungen sind dennoch Bestandteil empirischer Sozialforschung: Hypothesen gelten gemäß Henry James als akzeptiert, wenn: ─ Sie nützliche Konsequenzen für das soziale Leben haben. ─ Sie allgemein anerkannt sind.  Letztgültiger Wahrheitsbeweis einer Sozialtheorie: praktisch resultierenden Konsequenzen für Sozialsystem  Normativität wird Teil der empirischen Sozialforschung.  Nicht-falsifizierbare Thesen (z. B. Existenz von Gott, Geistern) werden „pragmatisch“ möglich: ─ Wahr ist ein Gedanke, der im Leben weiterbringt und zu erfolgreichem Handeln führt.  Pragmatismus wird auch für die Verallgemeinerung wissenschaftlicher Paradigmata herangezogen:  Pragmatismus zeigt Anschlussfähigkeit an konstruktivistische Positionen. WISSENSCHAFTSDYNAMISCHE SICHTWEISEN  Theorien bestimmen, was wir sehen können, und jede Beobachtung findet in einem Kontext von Hintergrundinformationen statt (Beobachtungen sind immer theoriegeladen) ─ saubere Trennung zwischen Theorie und Beobachtung existiert nur in der Abstraktion des Wissenschaftstheoretikers  Theorie kann sich vor ihrer Falsifikation retten, indem ihre Hintergrundannahmen adaptiert werden THOMAS S. KUHN  Wissenschaft ist zu jeder Zeit einem Paradigma unterstellt, das als selbstverständlich und unproblematisch angesehen wird  Poppers Falsifikationsprinzip ist laut Kuhn alleine nicht der Mechanismus ist, nach dem sich Wissenschaft entwickelt.  Entwicklung der Wissenschaften ist kein ausschließlich rationaler Entwicklungsprozess, sondern auch durch soziale und politische Aspekte geprägt  In der Wissenschaft gibt es keine reine „Ideenkonkurrenz“, und Argumente allein reichen nie aus, um eine Theorie durch eine andere zu ersetzen KUHNS PARADIGMA  Konzepte der „Entfaltung“ und des „Great-man“-Modells  geht um Geschichte Entfaltung Great-man-Modell  Popper war im Rahmen des  betrachtet herausragende Forscher als Entfaltungskonzepts tätig, das die treibende Kräfte der wissenschaftlichen Entwicklung der Wissenschaft als autonome Entwicklung, was jedoch Wissenschaft nicht und zielgerichtete Abfolge von Ideen mit kulturellen oder sozialen Ereignissen in betrachtet. Verbindung bringt.  Paradigma bei Kuhn ist ein Set von Überzeugungen, Wertvorstellungen und Techniken, das von der Mehrheit eines Wissenschaftsbereichs akzeptiert wird  Was sind Paradigmen? ─ strukturieren einen Wissenschaftsbereich hinsichtlich der Auffassung von Wirklichkeit, der Problemstellung, der Lösungsansätze und der Entwicklung von Beurteilungskriterien. ─ = wissenschaftliche Leistungen, die Wissenschaftlern Problemstellungen & Lösungen bieten ─ Paradigma bestimmt nicht nur die Prinzipien und Problemstellungen, sondern auch die Interpretation der Beobachtungsdaten ─ In Kuhns Perspektive gibt es keine theorie- bzw. paradigmenneutrale Beobachtung  „starke Programm der Wissenschaftssoziologie“ ─ Kuhn sieht Paradigma als Fortschritt, weil es Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft davon entlastet, sich ständig über Grundprinzipien der Wissenschaft verständigen zu müssen Wissenschaftsentwicklung nach Kuhn:  Wissenschaft entwickelt sich nicht kontinuierlich, sondern schubweise.  Paradigmenwechsel folgt Prozess, der durch verschiedene Phasen gekennzeichnet ist:  Anomalien führen nicht zur Falsifikation, sondern zur Aushöhlung des Paradigmas. Einzelne Anomalien stellen die Gültigkeit eines Paradigmas nicht infrage. ─ Phase der Krise wird von theoretischen Chaos begleitet, in dem verschiedene Schulen unterschiedliche Paradigmen verwenden und Verständigungsprobleme auftreten  Wissenschaftliche Disziplinen sind wie politische Imperien, deren Untergang nicht durch Widerlegung, sondern durch eine umfassende Krise geschieht. ─ Paradigmenwechsel wird durch Widerstände und Machtspiele begleitet, und der Untergang des alten Paradigmas erfolgt nach einer Phase der Überbeanspruchung und Erschöpfung IMRE LAKATOS  Imre Lakatos war darum bemüht, zwischen den Positionen Poppers und Kuhns zu vermitteln  Entschärfung der Falsifikationstheorie und verbindet diese mit seiner Methodologie wissenschaftlicher Programme. ─ Damit versuchte er auch, Kuhns Position gerecht zu werden. (Kuhn weist darauf hin, dass Theoriensysteme nicht aufgrund einzelner Anomalien verworfen werden.)  trz: Lakatos weist darauf hin, dass nicht alle Theorien innerhalb dieser Systeme gleichwertig sind.  spricht nicht wie Kuhn von Paradigma, sondern von Theorieelementen, die harten Kern eines Forschungsprogramms ausmachen. ─ harte Kern ist durch falsifizierbare Zusatzannahmen (sog. Hilfshypothesen) ummantelt, die den Schutz des harten Kerns vor Falsifikation übernehmen. ─ Anomalien auf, kann dieser Schutzgürtel neu formiert oder auch vollständig ersetzt werden (Problemverschiebung)  Forschungsprogramme können durchaus nebeneinander bestehen und konkurrieren  Hilfshypothese ersetzt Hilfshypothese, und das Forschungsprogramm hat weiter Bestand = progressive Problemverschiebung  Je stärker degenerativ Forschungsprogramm im Laufe obiger Problemverschiebungen wird, umso eher beginnt Suche nach alternativen Theoriekernen = revolutionären Phase  Für Sozialwissenschaften lässt sich festhalten, dass viele Disziplinen, so auch die Kommunikationswissenschaft, durch Koexistenz von rivalisierenden Forschungsprogrammen gekennzeichnet sind ─ Obgleich Forschungsprogramme hier in Konkurrenz stehen, erlangt keines der Programme eine dominante Position = permanenten revolutionären Zustand PAUL FEYERABEND  bestritt Regelmäßigkeiten in der Wissenschaftsentwicklung  vielmehr wären es Irritationen und Irrationalitäten, die Fortschritt nach sich ziehen ─ Kritik Positivismus: Regeln und Methoden lähmen Wissenschaft ─ Wissenschaft, die in freien Gesellschaft Probleme lösen soll, sollte sich weniger Theorien denn eines demokratischen Konsens bedienen  bedarf freien Debatte  Probleme seien nicht durch eine vorgeblich allwissende Wissenschaft lösbar, sondern nur durch Entschlüsse jener Menschen, die von zu lösenden Problemen betroffen sind. ─ Theorien können die Basis für Entschlüsse der Menschen sein ─ Wissenschaft soll keinen kein überlegenen Status haben  Wissenschaftspraxis wird bei Feyerabend als durch unbewusste Voraussetzungen geprägt begriffen.  Feyerabend unterscheidet drei Ebenen: Ebene Ideenbildung  geht um Forscher selbst, der Idee folgend eine Hypothese bildet Ebene des  geht um die Frage, welche methodischen und theoretischen Wissenschaftsbetriebs Festlegungen vom Wissenschaftsbetrieb akzeptiert werden. ─ Feyerabend geht davon aus, dass der Mainstream durch Methoden geprägt ist, die der Komplexität des zu analysierenden Materials mit starker Vereinfachung entgegentritt. Ebene des  ist jene des zu untersuchenden Materials, das er als zu komplex und untersuchten mehrschichtig begreift, als dass es durch die Sucht nach geistiger Materials Sicherheit in Form von Klarheit, Präzision, Objektivität, Wahrheit beschreib- und analysierbar sei  Grundsatz „Anything goes!"  Alle diese Ebenen sind miteinander verbunden.  Lediglich intuitive Herangehensweisen, die auch Regelverletzungen einschließen – dies exemplifiziert er nicht zuletzt am Beispiel Galileis – führten letztlich zu Erkenntnisfortschritt. ─ argumentiert wie Pragmatist Peirce bei Schlussfolgerung der Abduktion. ─ Wie Popper formuliert Feyerabend mit dieser Forderung nach uneingeschränkten Methoden und Theorienpluralismus normative Kriterien, wie Wissenschaft zu sein hat. ─ Diese Forderungen finden sich bei Kuhn und Lakatos so nicht. KRITISCHE THEORIE  Marx kritisierte Positivismus, insbesondere Comte, wegen theoretischer und methodischer Unangemessenheit  Vorwurf: ideologischen Charakter  marxistische Wissenschaftstheorie basiert auf dialektischem und historischem Materialismus ─ Wissenschaft muss immer im Abhängigkeitsverhältnis zur materiellen Basis gesehen werden. ─ Die Meinung der Herrschenden ist auch die in der Wissenschaft herrschende Meinung. ─ Wissenschaftliche Erkenntnis ist von der herrschenden Ideologie beeinflusst.  Begriff „Kritische Theorie“ geht auf einen Aufsatz von Horkheimer zurück ─ bezeichnet die von der „Frankfurter Schule“ etablierte Verbindung von Marxismus, Psychoanalyse und Kulturphilosophie. Einfluss von Freud und Marx:  Freud: Triebverzicht habe den Menschen den Weg zur Kultur eröffnet  Marx beeinflusste die Kritische Theorie durch das System des „Dialektischen Materialismus“. ─ Dialektik bedeutet, dass die Welt als eine universelle Wechselwirkung betrachtet wird, in der Ursachen und Wirkungen ständig ihre Plätze wechseln Dialektischer Materialismus:  Gesellschaft wird in ihrer Entwicklung und wechselseitigen Abhängigkeit ihrer Elemente analysiert  Materialistische Erkenntnistheorie basiert auf „mehr oder weniger abstrakten Abbildern der wirklichen Dinge und Vorgänge“ in der Wahrnehmung  Gedankliche Vorstellungen existieren nicht unabhängig von der Wirklichkeit.  Wirklichkeit ist „real“ und als gedankliches Abbild prinzipiell erkennbar.  Dialektische Materialismus zielt darauf ab, Bewegungsgesetze der menschlichen Geschichte zu entdecken  Anstoß zur Enthüllung des „Geheimnisses der kapitalistischen Produktion“. Marx‘ Gesellschaftslehre:  Marx ging von drei Grundvoraussetzungen aus: 1. Gesellschaftsanalyse und -kritik muss auf der Analyse der dominierenden ökonomischen Verhältnisse basieren. 2. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess. 3. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein bestimmt, sondern ihr gesellschaftliches Sein bestimmt ihr Bewusstsein.  Organisation der gesellschaftlichen Produktion ist die Basis für den kulturellen Überbau (Rechtsprechung, Bildung, Kultur).  Kulturerscheinungen stellen (mehr oder minder) unmittelbaren Ausfluss ökonomischer Faktoren dar  Unterschiedliche Gesellschaftsformen (Sklavenhaltergesellschaft, Feudalgesellschaft, Kapitalismus) haben unterschiedliche kulturelle Ausprägungen aufgrund ihrer ökonomischen Basis. Marx‘ Theorie der sozialistischen Gesellschaft:  Kapitalismus bringt zwangsläufig eine sozialistische Gesellschaft hervor.  wird durch das Proletariat in einer revolutionären Umwälzung hergestellt.  Hobsbawm weist darauf hin, dass diese Aussagen nicht direkt aus der Kapitalismusanalyse abgeleitet werden, sondern aus einem philosophischen und eschatologischen Argument über die Natur und das Schicksal des Menschen.  Aussagen = vorempirische, utopische Behauptungen, nicht aus ökonomischen Analyse ableitbar Rezeption der Kritischen Theorie nach Marx:  Ausbleiben siegreicher antikapitalistischer Revolutionen und Aufkommen faschistischer Bewegungen führten zu einer Konzentration auf den „Überbaubereich“  Max Horkheimer sah Etablierung einer sozialistischen Gesellschaft als historisch möglich, aber nicht zwingend an  stellte einen politischen und ideologischen Unterschied zu Marx und Lenin dar, jedoch keinen erkenntnistheoretischen Widerspruch zum Dialektischen Materialismus  gibt erkenntnistheoretische Positionen von einer „streng Marxschen“ Haltung bis hin zu einer „Spekulativen Geschichtsphilosophie“.  Haltungen variieren je nach historischem Kontext und den beteiligten Personen KONSTRUKTIVISTISCHER STRUKTURALISMUS  Pierre Bourdieu  Zusammenführung des „Objektivismus“ mit subjektivistischen Vorgangsweisen. ─ Objektivismus: Untersuchung statistischer Regelmäßigkeiten, empirisch zustande gekommene Aussagen über Relationen in Sozialsystemen. ─ Subjektivismus: Verstehen aus dem Handeln der Beteiligten heraus (z.B. SI)  Sozialwissenschaft ist in Erkenntnisprozess von objektiven Strukturen & kulturellen Konstruktionen bei Theorie-, Themenwahl und Interpretation beeinflusst ─ entspricht den Darlegungen von Kuhn  Sozialwissenschaftler können durch Selbstreflexion der Umstände des Forschungsprozesses „sowohl den objektiven Sinn der anhand messbarer Regelmäßigkeiten organisierten Verhaltensformen als auch die einzelnen Beziehungen, in denen die Individuen zu ihren objektiven Existenzbedingungen und dem Sinn ihres objektiven Verhaltens stehen“ erfassen.  Abbruch der Darstellung wissenschaftstheoretischer Entwicklungstendenzen  Abbruch endet mit dem Befund des zitierten Texts von Heuermann ─ bedeutender Bruch, der nicht einer bewussten Darstellungsstrategie der Autoren geschuldet ist, sondern Umstand, dass Kuhn die Normativität der Wissenschaftstheorie aufgegeben hat ─ normative Poppersche Anspruch an Wissenschaft als methodologische Anleitung von Wissenschaftlern ist Kuhn fremd  Kuhn geht es nicht um „Basis aus sicherem Wissen und unzweifelhafter Methode“ Slunecko (1998: 28)  sieht die Aufgabe der Wissenschaftstheorie in der Kritik und Präzisierung jener Vorstellungen, die sich Wissenschaftler und Wissenschaftspublikum von Theorien machen ─ Ohne Kenntnis der eigenen Theorie- und Methodengeschichte sowie ohne Berücksichtigung des Umfelds des Forschungsbetriebs (z.B. Interessen, Bedingungen, Paradigmen, Prämissen, Vorannahmen), kann Wissenschaftstheorie diese Aufgabe nicht bewältigen.  Sozialwissenschaften und Wissenschaftstheorie driften auseinander. ─ Slunecko verweist darauf, dass diese Auseinanderentwicklung mit Kuhn erklärbar ist. ─ Hauptstrom der Human- und Sozialwissenschaften beruft sich auf wissenschaftliches Modell – den Kritischen Rationalismus –, das von Wissenschaftstheorie selbst bereits verlassen wurde  Slunecko zeichnet möglicherweise ein zu homogenes Bild der aktuellen Wissenschaftstheorie und der Sozialwissenschaften, dennoch ist sein Befund zu bedenken TEXT 3 (LAUTH, SAREITER) Wissenschaftliche Erkenntnis 1) WISSENSCHAFSTHEORIE UND BENACHBARTE DISZIPLINEN  Wissenschaftstheorie beschäftigt sich mit den logischen, methodologischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen der empirischen Wissenschaften.  Die Anfänge der Wissenschaftstheorie reichen bis in die Antike zurück (z.B. Aristoteles' „Zweite Analytik“, Descartes' „Discours de la méthode“, Bacons „Novum Organon“, John Stuart Mills „System der deduktiven und induktiven Logik“).  Erst im 20. Jahrhundert gewann die Wissenschaftstheorie eine thematische und methodische Selbständigkeit gegenüber der Philosophie und der philosophischen Erkenntnistheorie, insbesondere durch die Entwicklung der mathematischen Logik und Statistik.  Wissenschaftstheorie unterscheidet sich von benachbarten Disziplinen wie: ─ Wissenschaftsgeschichte ─ Wissenssoziologie ─ Wissenschaftsphilosophie (allgemeiner: philosophische Erkenntnistheorie).  Die Mathematik spielt in der Wissenschaftstheorie eine zentrale Rolle, vor allem durch: ─ mathematische Logik ─ Wahrscheinlichkeitstheorie und induktive Statistik.  Wissenschaftstheorie unterscheidet sich von: ─ Wissenschaftsgeschichte und Wissenssoziologie, da sie hauptsächlich erkenntnistheoretische und methodologische Fragestellungen behandelt. ALLGEMEINE UND SPEZIELLE WISSENSCHAFTSTHEORIE Allgemeine Wissenschaftstheorie: Spezielle Wissenschaftstheorie:  Behandelt logische und methodische  Behandelt spezifische Grundlagenprobleme Grundlagen, die für alle empirischen bestimmter Einzelwissenschaften, z.B.: Wissenschaften charakteristisch sind (z.B. ─ Wissenschaftstheorie der Voraussetzungen wissenschaftlicher Naturwissenschaften Erklärungen, Prognosen, empirische ─ Wissenschaftstheorie der empirischen Überprüfung und Bestätigung von Theorien). Sozialwissenschaften.  Vergleichende Wissenschaftstheorie: ─ Untersucht die methodologischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten sowie inhaltliche Zusammenhänge zwischen naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Theorien (z.B. Reduktionismus-Debatte). ─ Frage, ob dieselben Methoden auf beide Wissenschaftsbereiche anwendbar sind oder ob unterschiedliche methodische Ansätze nötig sind. 3) EMPIRISCHE PHÄNOMENE, EMPIRISCHE THEORIEN UND EMPIRISCHE METHODEN  Gegenstand der Wissenschaftstheorie sind logischen und methodischen Grundlagen der empirischen Wissenschaften  Bereiche wissenschaftlicher Forschung, die Gebrauch von empirischen Methoden, also von Beobachtungen, Messungen und Experimenten machen  Adjektiv „empirisch" ist aus dem griechischen Wort empeiria (= Erfahrung) abgeleitet ─ Grundlage in der menschlichen Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen  Empirische Phänomene: ─ Können durch zwei Merkmale charakterisiert werden: 1. Sie sind raum-zeitlich lokalisierbare Vorgänge. 2. Sie sind direkt oder indirekt der Beobachtung und Messung zugänglich. ─ Beispiele: astronomische Ereignisse, physikalische Vorgänge, biologische Phänomene, soziale Phänomene. ─ Unterscheidung zwischen Typen (wiederholbare Muster) und Exemplaren (einmalige Ereignisse). ─ „Beobachtbarkeit“ ist dehnbar und reicht von sichtbaren Phänomenen bis zu solchen, die nur indirekt durch ihre Auswirkungen beobachtbar sind. 3.2) EMPIRISCHE THEORIEN: Funktionen: 1. Beschreibung (deskriptive Funktion) 2. Erklärung (explanatorische Funktion) 3. Vorhersage (Prognosefunktion) Voraussetzungen für Theorien:  Geeignete Hypothesen formulieren im Rahmen einer Theorie  Hypothesen in einen logischen und systematischen Zusammenhang bringen (idealiter im Rahmen axiomatischer Theorien – alle Annahmen logisch ableitbar)  Empirische Nachprüfbarkeit  Verwendung mathematischer Modelle zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Phänomenen 3.3) EMPIRISCHE METHODEN:  Unterscheidung zwischen: 1. Methoden zur Datenerhebung (z.B. Umfragen, Stichproben, Messungen, Tests) 2. Methoden zur Datenauswertung 3. Methoden zur Hypothesenbildung 4. Methoden zum Hypothesentest. METHODEN ZUR DATENERHEBUNG:  Umfragen, Stichproben, Messungen, psychologische Tests.  Unterscheidung zwischen Labor- und Felduntersuchungen (künstliche vs. natürliche Bedingungen).  Längsschnitt- und Querschnittsuntersuchungen: Querschnitt Längsschnitt Rückschlüsse auf momentane Zustände einer Erhebungen zu verschiedenen Zeitpunkten Gesamtbevölkerung (langfristige Änderungen)  Unterscheidung zwischen Datenerhebungen und Experimenten im engeren Sinn: ─ Experimente im engeren Sinn; Verhalten unter bestimmten Versuchsbedingungen untersucht Versuchsbedingungen (z. B. Temperatur, Druck, Düngermengen) können gezielt variiert oder manipuliert werden. ─ Beispiel: Untersuchung des Volumens von Gasen bei Temperatur- oder Druckerhöhung. ─ Beispiel: Untersuchung des Ernteertrags bei Variation von Düngermengen. ─ Nicht-experimentelle Datenerhebung: Beispiel, Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Intelligenzquotient und schulischen Leistungen (keine Manipulation der Variablen) METHODEN ZUR DATENAUSWERTUNG:  Im Rahmen deskriptiven Statistik werden Kennziffern berechnet (z. B. Häufigkeitsverteilungen, Mittelwerte, Varianzen) ─ Kennziffern werden für Hypothesenfindung und Hypothesentest benötigt METHODEN ZUR HYPOTHESENFINDUNG:  Aus Stichprobendaten werden induktive Rückschlüsse auf die Grundgesamtheit gezogen.  Fragestellungen: Zusammenhang zwischen zwei Größen (z. B. Testintelligenz und Schulnoten).  Methode: Varianzanalyse, Regressionsanalyse, Faktoranalyse u.a., basierend auf Wahrscheinlichkeits- und induktiver Statistik. METHODEN ZUM TESTEN VON HYPOTHESEN:  Wissenschaftliche Hypothesen und Theorien sollen empirisch überprüfbar sein.  Stichproben werden gezogen, um Vorhersagen mit Messdaten zu vergleichen.  Es gibt verschiedene Testverfahren (z. B. t-Tests, F-Tests, x2-Tests).  Wahrscheinlichkeitsverteilung der Teststatistiken wird genutzt, um Hypothesen zu testen.  Wichtig: Angabe zur Genauigkeit der Schätzungen und Fehlerwahrscheinlichkeiten.  Induktive Methoden: ─ Statistische Schlüsse von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit. ─ Notwendig für wissenschaftliche Prognosen (Vorhersagen über zukünftige Messungen und Experimente). ─ Induktive Schlüsse können von korrekten Prämissen zu falschen Konklusionen führen. 3.4) EMPIRISCHE ERKENNTNIS:  Erkenntnistheoretische Fragen betreffen die Begründung und Überprüfung von wissenschaftlichen Hypothesen und deren Zuverlässigkeit.  Fragestellungen: Können wir zu gesicherten Erkenntnissen gelangen? Wie zuverlässig sind wissenschaftliche Erklärungen und Prognosen?  Wichtig: Übertragung naturwissenschaftlicher Methoden auf soziale Phänomene. 4) WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNIS – EIN ÜBERBLICK  Wissenschaftliche Erkenntnis strebt Objektivität an, abzugrenzen von subjektiven Meinungen und unbegründeten Vermutungen  Objektivität beruht auf der Überprüfbarkeit und Verifizierbarkeit wissenschaftlicher Theorien.  Logische Folgerung: ─ Deduktion: Ableitung von Schlussfolgerungen aus Annahmen (Prämissen). ─ Wenn die Prämissen wahr sind, muss auch die Konklusion wahr sein. ─ Wenn die Konklusion falsch ist, muss eine der Prämissen falsch sein.  Axiomatische Wissenschaft: ─ axiomatische Theorie basiert auf grundlegenden Annahmen (Axiomen). ─ Theoreme werden durch logische Deduktionen aus Axiomen abgeleitet. ─ Axiome können nicht formell verifiziert werden, ihre Korrektheit muss durch Erfahrung oder Evidenz sichergestellt werden.  Empirische Begründung von Theorien: ─ Theorie-Axiome müssen empirisch begründet werden, durch Beobachtungen, Messungen und Experimente. ─ Aristoteles' Unterscheidung zwischen induktiven und deduktiven Methoden. REAKTIONEN AUF HUMES HERAUSFORDERUNG:  Hume zeigte, dass aus empirischen Daten keine logischen Schlüsse auf allgemeingültige Theorien oder Vorhersagen über die Zukunft gezogen werden können.  Eine Reaktion ist der Versuch einer nicht-empirischen Begründung der wissenschaftlichen Erkenntnis (z. B. Immanuel Kant).  Eine andere Reaktion ist Karl Poppers falsifikationistische Methodologie: Wissenschaftliche Theorien sind nie verifizierbar, sondern nur falsifizierbar. POPPER'S FALSIFIKATIONISTISCHE METHODOLOGIE:  Theorien sind vorläufige Hypothesen, die durch empirische Befunde widerlegt werden können.  Wissenschaftlicher Erkenntnisfortschritt erfolgt durch Versuch und Irrtum. Theorien werden überprüft, indem ihre Vorhersagen mit empirischen Ergebnissen verglichen werden.  Poppers Auffassung der empirischen Überprüfung: ─ Zur empirischen Überprüfung von wissenschaftlichen Theorien sind nur deduktiv-logische, aber keine induktiven Methoden erforderlich. ─ Induktive Schlüsse sind logisch unzulässig und induktive Methoden sind überflüssig, weil zur Falsifikation von wissenschaftlichen Hypothesen nur deduktive Inferenzregeln benötigt werden.  Kritik am falsifikationistischen Modell: ─ Ergebnisse von Messungen und Experimenten stimmen fast nie exakt mit den Vorhersagen einer (quantitativen) Theorie überein. ─ Grund dafür sind vereinfachende Annahmen (Idealisierungen bzw. Näherungslösungen), weil es praktisch nicht möglich ist, sämtliche Wechselwirkungen in einem physikalischen System lückenlos zu erfassen ─ Ein weiterer Grund sind Meßfehler und Meßungenauigkeiten, die zu Abweichungen zwischen den Messwerten und den Vorhersagen der Theorie führen. ─ Eine Hypothese wird erst dann verworfen, wenn bei wiederholten Messungen oder Experimenten signifikante Abweichungen zwischen den Vorhersagen der Theorie und den empirischen Befunden auftreten. INDUKTIVE METHODEN UND IHRE RÜCKKEHR:  Die von Popper abgelehnten induktiven Methoden sind durch die Wahrscheinlichkeitstheorie und die mathematische Statistik wieder Einzug in die wissenschaftliche Methode gehalten. KUHNS WISSENSCHAFTSHISTORISCHE UNTERSUCHUNG:  Poppers Modell der Nicht-Verifizierbarkeit und Revidierbarkeit wird durch Kuhns Untersuchungen zu wissenschaftlichen Revolutionen bestätigt.  Etablierte wissenschaftliche Theorien (Paradigmen) sind weitgehend immun gegen empirische Widerlegungen  Widersprüche zwischen Theorie und Experiment sind in Kuhns Terminologie „Anomalien“, die zu einer Krise der normalen Wissenschaft und im Grenzfall zu wissenschaftlichen Revolutionen führen können.  Solche Anomalien führen jedoch nicht zwangsläufig zur Verwerfung der zugrundeliegenden Theorie, sondern erst dann, wenn ein neues Paradigma existiert, das den Platz des alten Paradigmas einnehmen kann. LAKATOS' ERKLÄRUNG FÜR DEN VERLAUF WISSENSCHAFTLICHER THEORIEN:  meisten naturwissenschaftlichen Theorien implizieren keine empirisch nachprüfbaren Vorhersagen ohne Zusatzhypothesen.  Beim Auftreten von Anomalien gibt es immer eine Mehrzahl von Revisionsalternativen: Entweder Anomalien werden durch Korrekturen der Zusatzhypothesen beseitigt oder es wird eine neue Theorie entwickelt, die die alten ersetzt (wissenschaftliche Revolution).  Lakatos stellt methodologische Regeln für den Vergleich konkurrierender Theorien auf, die die Kriterien für einen wissenschaftlichen Fortschritt formulieren: ─ Eine neue Theorie muss die Erfolge und Misserfolge (Anomalien) der alten Theorie erklären. ─ Sie muss die Vorhersagen der alten Theorie in den Bereichen, in denen diese erfolgreich war, bestätigen oder nur geringe Abweichungen zeigen. ─ In den Bereichen, in denen die neue Theorie signifikant von der alten abweicht, müssen diese Abweichungen empirisch überprüfbar und bestätigt sein.  Probleme der empirischen Überprüfung: ─ empirischen Daten zur Überprüfung von wissenschaftlichen Hypothesen und Theorien können fehlerbehaftet sein (Sinnestäuschungen, Meßungenauigkeiten, Fehler in der Datenerhebung, - übertragung, -auswertung). ─ Beobachtungen und Messungen sind theorieabhängig, was zu einem epistemologischen Zirkel oder unendlichem Regress führen würde. ─ Wissenschaftliche Theorien sind im strengen Sinne weder definitiv verifizierbar (wegen des Induktionsproblems) noch definitiv falsifizierbar (wegen des Basisproblems).  Wissenschaftliche Theorien und die Realität: ─ direkter Vergleich zwischen Theorie und Realität ist nicht möglich, da Theorien und Daten unzuverlässig sind. ─ Feststellung spricht gegen eine „naiv realistische“ Deutung der wissenschaftlichen Erkenntnis. ─ bedeutet jedoch nicht, dass die objektive Realität in eine „Konstruktion“ umgedeutet werden darf oder dass der Begriff der objektiven Wahrheit ersetzt werden kann.  Wissenschaftlicher Realismus und seine Bedeutung: ─ wissenschaftliche Realismus argumentiert für eine reale, objektive Welt, die durch wissenschaftliche Theorien beschrieben wird. ─ explanatorische Erfolg der Wissenschaften spricht für die Vermutung, dass die meisten Theorien zumindest näherungsweise eine korrekte Beschreibung der physikalischen Realität darstellen. TEXT 4 (SCHMIDT, ZURSTIEGE) Kommunikationswissenschaft oder die Beobachtung von Faszination 1.1 KOMMUNIKATION: DER «STOFF», AUS DEM GESELLSCHAFTEN BESTEHEN Begriff "Medien- und Kommunikationsgesellschaft":  Vorschlag zur prägnanten Kennzeichnung der gegenwärtigen Gesellschaft  Vorteil: Benennung einer der wichtigsten historischen und aktuellen Bedingungen der Gesellschaft.  Medien und Kommunikation spielen eine zentrale Rolle: ─ Für die gesellschaftliche Evolution. ─ Für die individuelle Entwicklung jedes Einzelnen. Eigenschaften von Medien:  Medien verbinden Kommunikationsinstrumente (wie natürliche Sprachen) mit: ─ Technischen Voraussetzungen. ─ Sozialen Einrichtungen, die für die Produktion und Verbreitung von Medienangeboten notwendig sind (z. B. Bücher, Filme)  Medien müssen als systemische Wirkungszusammenhänge oder soziale Systeme verstanden werden  Alle Elemente innerhalb der Medien eng miteinander verbunden sind. Entwicklung neuer Mediensysteme:  Neue Medientechnik muss durch soziale Einrichtungen organisiert werden: ─ Erfordert finanzielle Mittel, Verwaltung, rechtliche Absicherung und soziale Regelung.  Jedes neue Mediensystem orientiert sich am Markt: ─ Medienangebote werden als Waren angeboten. FOTOGRAFIE: Erfindung der Fotografie:  In den 1820er Jahren, erster Fotobeweis von Nicephore Niepce (1826).  Zeit grundlegender Umwälzungen, parallel zu Erfindungen wie Eisenbahn und Telegraph.  Fortschritt: Fotografische Abbildung ermöglichte präzise Darstellung der Wirklichkeit ohne subjektive Vermittlung durch Künstler (rein technische Mittel) ─ Speicherung und beliebige Reproduktion der Realität. ─ Einsatzgebiete: Wissenschaft, Kunst, Kriminologie, Porträtfotografie, Pressefotografie, Postkarten, erotische und pornographische Fotos. Faszination der Fotografie im 19. Jahrhundert:  Detailgenaue Abbildung: Menschen entdeckten auf Fotos bisher unbemerkte Details, da diese frei von situativen Störfaktoren betrachtet werden konnten.  Abstraktion und Wiederholbarkeit:  Das Foto als Wirklichkeitstest: Fotos galten als objektive und verlässliche Abbildung der Realität.  Einschränkungen: Fehlende Farbigkeit und subjektive Auswahl des Fotografen wurden zunächst ignoriert. Fotografie im Industrie- und Verkehrszeitalter:  Befriedigte gesellschaftliche Bedürfnisse: ─ Festhalten von Vergänglichem, Verlangsamung des Lebens, Bewahrung von Vertrautem.  Besonderheit der Fotografie: ─ Löste Darstellungen aus dem Fluss der Ereignisse heraus. ─ Bewahrte selbst das Flüchtigste in dauerhafter Form. ─ Überwand die Tyrannei der Zeit auf Kosten der Lebendigkeit des Abgebildeten.  Darstellung im Foto wurde als eine Art "Mumifizierung" der Wirklichkeit beschrieben. Rolle der Fotografie in der bürgerlichen Gesellschaft:  Diente primär dem Wunsch nach Besitz von Porträts, romantischen Darstellungen und Exotik.  Später wurde sie auch als Mittel zur Gesellschaftskritik eingesetzt. Pressefotografie ab 1880:  Ermöglicht durch Rollfilm und Kleinkamera: Fotografie wurde frei verfügbar.  Erhob die Fotografie in der Presse zu einem bedeutenden Medium.  Veränderte die Wahrnehmung der Massen: ─ Gesichter öffentlicher Personen wurden vertrauter. ─ Die Welt erschien kleiner durch die Erweiterung des Blickfeldes.  Gisèle Freunds Beschreibung: ─ Fotos sind konkrete Widerspiegelungen der Welt, während das geschriebene Wort abstrakter ist. Industrielle Massenproduktion von Fotografien:  Veränderung der Lebenswelt durch Alltagserfahrungen mit Texten und Bildern.  Doppelcodierung von Inhalten als Text und Bild, kombinierbar in vielfältigen Weisen.  Beginn des Zeitalters der Visualität: Fotografisches Bild wird Konkurrent des Wortes und ein massenhaft genutztes Kommunikationsmittel.  Analyse und Routinisierung industrieller und militärischer Abläufe durch fotografische Darstellung von Bewegungsabläufen.  Disziplinierung und Industrialisierung des Sehens; Fototechnik wurde breit nutzbar. Debatte um die Fotografie: Befürworter Kritiker  Foto als exakte, verlässliche Darstellung der  Gefahr einer unkontrollierten Bilderflut, Natur. Verfall von Kunst und Kultur.  Demokratisierung durch eigene  Entstehung einer marktgesteuerten Bildherstellung und Erweiterung kultureller Kulturindustrie mit industrialisiertem Erfahrungen. Bewusstsein. KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT UND MEDIENGESCHICHTE:  Zusammenhang zwischen Medienentwicklungen, sozialen Veränderungen & kognitiven Entwicklungen  Medien als notwendige Voraussetzung für gesellschaftliche Entwicklungen. Erfindung der  Kommunikation unabhängig von Zeit und Raum. Schrift (~3000 v.  Förderung des logischen und analytischen Denkens. Chr.)  Grundlage Staatenbildung, Bürokratie, Rechtsprechung & Buchreligionen. Buchdruck (ab  Breiter Zugang zu Wissen, Kunst und Unterhaltung. 1440):  Normierungen (z. B. Hochsprache, einheitliche Fassungen von Texten).  Verbreitung der Reformation, Demokratie, Nationalbewusstsein und Finanzkapitalismus.  Selbstorganisation gesellschaftlicher Kommunikation. Fotografie und Film:  Foto: Diskussion über Objektivität der Realität.  Film (ab 1895): Darstellung sichtbarer Ereignisse mit Bewegungs- und akustischer Dimension.  Filme als Gemeinschaftserlebnis und Instrument für ideologische Beeinflussung (z. B. Hollywood, Nazi-Filme). Hörfunk (ab 1918):  Live-Berichte und Interviews schaffen Illusion der Objektivität.  Zugang zu Wissen, Unterhaltung und Kultur für breite Bevölkerung.  Einführung regelmäßiger Zeitdurchsagen und Normierung des Tagesablaufs.  Nutzung durch Propaganda, insbesondere im nationalsozialistischen Deutschland. Fernsehen (ab  Verstärkung des Eindrucks des authentischen Dabeiseins. 1931):  Aufstieg zum Leitmedium mit Einfluss auf private Kommunikation und öffentliche Meinung.  Kommerzialisierung durch Werbung, insbesondere durch das duale Rundfunksystem (ab 1984). Internet (seit 1941,  Schrumpfung von Raum und Zeit, Beschleunigung der Kommunikation. softwaregesteuerte  Möglichkeiten für partizipatorische Demokratie und Telesozialität. Computer):  Herausforderungen wie Datenschutz, Kontrolle problematischer Inhalte und Stress durch Kommunikationsüberfluss. UNSERE ALLTÄGLICHEN PROBLEME MIT KOMMUNIKATION  Konflikte in Partnerschaft, Familie, Beruf, Politik oder Wirtschaft: Vorwürfe von Missverstehen, Verständnisunwilligkeit, Dummheit oder Bösartigkeit  Rückzug in den „Schmollwinkel“.  Generationenprobleme: Eltern verstehen Kinder nicht, und umgekehrt, Ähnliche Klagen über „die heutige Jugend“.  Dichter klagen seit Jahrtausenden über Schwierigkeiten, tiefste Gedanken und Gefühle auszudrücken.  Übersetzungsprobleme bei Verträgen und wichtigen Dokumenten: Streit über Angemessenheit und Richtigkeit des Wortlauts.  Verständigungsprobleme: Laien verstehen Experten nicht.  Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen haben Schwierigkeiten, die Diskussionen anderer Fachgebiete nachzuvollziehen.  Problematische Metaphern: Begriffe wie „Informationsflut“ und „globale Kommunikation“ (durch Internet) sind umstritten.  Werbewirkung und politische Propaganda: Sorgen über Effektivität von Maßnahmen und Strategien. Skepsis von Humberto R. Maturana:  Niemand kann rational von einer Auffassung überzeugt werden, die nicht bereits zu den Grundauffassungen gehört.  Ursachen für Misslingen von Kommunikation: Unterschiede erschweren Verstehen und Kommunikation (Alter, Geschlecht, Bildung, Überzeugungen, Wissenschaftl. Spezialisierung, Macht)  Umgang mit Kommunikationsproblemen im Alltag: ─ Entwicklung von Deutungs- und Verteidigungsstrategien. ─ Schuldzuweisungen an andere: Vorwurf, klare Rede nicht verstanden zu haben (Dummheit, Bösartigkeit, Unaufmerksamkeit) & Meidung solcher Kommunikationspartner in Zukunft.  Folgen für Betroffene: ─ Viele Menschen haben Schwierigkeiten, pragmatisch mit Kommunikationsproblemen umzugehen. ─ Psychiater haben nachgewiesen, dass misslingende Kommunikation Geisteskrankheiten auslösen kann Zwei Arten von Kommunikation: Face-to-face-Kommunikation Massenkommunikation  (interaktive  Nutzung massenhaft verbreiteter Medienangebote (z. B. Kommunikation) Zeitungen, Rundfunk, Filme).  Aktanten handeln in  Fehlen eines wichtigen Elements interaktiver Kommunikation: derselben Situation.  Austausch, Rückmeldung, Wechsel von Sprecher- und Hörerrolle.  Frage, ob es sich überhaupt um Kommunikation handelt. KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT ALS URSACHENFORSCHUNG VON KOMMUNIKATIONSPROBLEMEN Ursprünge des Fachs:  Beginn des 20. Jahrhunderts als «Zeitungskunde» an der Universität Leipzig (1916).  Weitere Institutsgründungen, z. B. an der Universität Münster (1919).  Etablierung der Bezeichnung «Zeitungswissenschaft».  Nach dem Zweiten Weltkrieg dominierte die Bezeichnung «Publizistik».  Weitere Benennungen entwickelten sich, z. B.: ─ «Publizistik- und Kommunikationswissenschaft» ─ «Journalistik» ─ «Kommunikationswissenschaft» ─ «Medienwissenschaft» ─ «Medien- und Kommunikationswissenschaft». Fachliche und institutionelle Diversifizierung:  Unterschiedliche Ansiedlung an Universitäten (verschiedene Fakultäten/Fachbereiche).  Fachzeitschriften: ─ Aviso (dreimal jährlich). ─ Wichtige weitere Zeitschriften: Publizistik, Medium & Kommunikationswissenschaft (ehemals Rundfunk und Fernsehen), Media Perspektiven Wandel der Forschungsbereiche:  Frühere Konzentration der Zeitungskunde/-wissenschaft auf die Presse (insbesondere Zeitungen).  Zunehmende «Entgrenzung»: ─ Einbezug weiterer Medien (Film, Hörfunk, Fernsehen, Video, CD-ROM, Internet). ─ Erweiterung des Themenspektrums: ─ Medientechnologie, Medienökonomie, Medienrecht. ─ Medienpädagogik, Medienästhetik, Medienethik. ─ Mediengeschichte, Medienphilosophie.  Kritische Stimmen zur Entwicklung: ─ Warnung vor unkontrollierter Ausweitung, die die Identität des Fachs gefährden könnte. ─ Forderung nach Offenheit für neue Medien und Themen, um Aktualität zu bewahren. Debatte über das Selbstverständnis des Fachs:  Einrichtung Selbstverständnisausschuss der DGPuK zur Klärung der Identität/Integrität des Fachs.  DGPuK-Positionspapier: Selbstverständnis als theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen  Fokus auf öffentliche, durch Massenmedien vermittelte Kommunikation sowie damit verbundene Produktions-, Verarbeitungs- und Rezeptionsprozesse. Abweichung von der offiziellen Darstellung:  Klassische Publizistik- und Kommunikationsforschung steht in Konkurrenz zur geisteswissenschaftlich ausgerichteten Medienwissenschaft.  Unterschiedliche Bezeichnungen und konkurrierende Forschungsansätze führen zu Verwirrung. Differenzierungen der Kommunikationsforschung:  Untersuchung einzelner Medien (Presse, Rundfunk, Film) oder des gesamten Mediensystems einer Gesellschaft.  Disziplinspezifische Fragen angewendet auf verschiedene Medien (z. B. Medienrecht, Medienökonomie).  Differenzierung nach Handlungsbereichen und -rollen in Mediensystemen: ─ Produzentenorientierte Forschungen (z. B. Kommunikator- oder Redaktionsforschung). ─ Rezipientenorientierte Forschungen (z. B. Medienwirkungsforschung). ─ Verarbeiterorientierte Forschungen (z. B. Medienkritik).  Orientierung an Nutzern: ─ Alters-, Geschlechts- und Schichtspezifik der Nutzergruppen. ─ Ziele, Einstellungen und Absichten von Mediennutzern.  Zeitliche Festlegung des Problembereichs: ─ Mediengeschichtsschreibung vs. aktuelle Medienuntersuchungen.  Basis- bzw. Hintergrundtheorien: ─ Philologische, publizistikwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche, konstruktivistische, technikphilosophische, systemtheoretische Ansätze. ─ Mischformen dieser Ansätze.  Absicht der Forschung: ─ Kultur- oder gesellschaftskritisch, affirmativ, rein deskriptiv. Grundlegende Probleme der Kommunikationswissenschaft:  Kommunikationswissenschaftler kommunizieren über Kommunikation: ─ Setzen voraus, was sie untersuchen wollen. ─ Verwenden Kommunikation, um Kommunikation zu untersuchen. ─ Problem: Unklare Definition von «Kommunikation».  Flüchtigkeit des Kommunikationsprozesses: ─ Veränderung des Prozesses, bevor die Untersuchung abgeschlossen ist.  Komplexität des Prozesses: ─ Systemische Zusammenhänge der Bestandteile erschweren die Untersuchung. ─ Addition einzelner Bestandteile ergibt kein vollständiges Bild des Kommunikationsprozesses.  Selbstbezüglichkeit (Reflexivität) der Kommunikation: ─ Kommunikation setzt Kommunikation voraus. ─ Analyse hat keinen klaren Einstiegspunkt.  Notwendigkeit der Präzisierung von Grundbegriffen: ─ Begriffe wie «Kommunikation», «Medium», «Rezipient», «Medienwirkung» müssen präzise geklärt werden.  Herausforderung durch die Alltagserfahrung mit Medien: ─ Unterschied zwischen Alltagswissen und wissenschaftlicher Analyse. Besonderheiten der wissenschaftlichen Kommunikation über Kommunikation:  Hinterfragen von Selbstverständlichkeiten der Alltagstheorien.  Disziplin in Theorie und Methodik zur Vermeidung von Verwechslung mit dem Forschungsgegenstand.  Gesellschaftliche Verantwortung der Theorien und Modelle von Kommunikation: ─ Anwendung auf eigene Theorie, nicht nur auf «die anderen». Bedeutung von Metaphern und Modellen:  Einfluss auf die Geschichte und Gegenwart der Kommunikationswissenschaft.  Irreführende Annahmen können zu falschen Schlussfolgerungen führen PROBLEME DER KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT GRUNDPROBLEME DER KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT: 1. Einfachheit versus Komplexität: ─ Einfache, komponentenarme Modelle liefern eindeutige Ergebnisse, sind jedoch der Komplexität sozialer Verhältnisse nicht angemessen. ─ Komplexe Modelle erschweren das Erzielen eindeutiger Ergebnisse. 2. Nachweis eindeutiger Kausalitäten: ─ Es ist schwer, klare kausale Zusammenhänge zwischen Medienangeboten, ihrer Rezeption und beobachtbaren Folgehandlungen herzustellen. ─ Zu viele psychische und soziale Einflussfaktoren wirken, die schwer isolierbar sind. ─ Vergangene Wirkungen beeinflussen zukünftige Wirkungen, was zu instabilen Untersuchungsbereichen führt und Ergebnisse bereits beim Formulieren veraltet erscheinen lässt. 3. Kognitive Prozesse: ─ Kognitive Prozesse sind nicht direkt beobachtbar, daher ist die Erforschung von Kommunikationswirkungen auf beobachtbare Begleit- oder Folgehandlungen angewiesen. ─ Dies erfordert fundierte Theorien zur Interpretation der beobachteten Indikatoren, was die Zuverlässigkeit der Aussagen beeinflusst. 4. Doppelte Perspektivierung der Kommunikation: ─ Kommunikation lässt sich sowohl auf Kognition als auch auf soziale Prozesse (z. B. „Sinn“) beziehen. ─ Es besteht die Aufgabe, das Zusammenspiel von Kognition, Medien, sozio-kulturellen Voraussetzungen und Kommunikation zu erklären. 5. Sozial verbindliche symbolische Ordnungen: ─ Kommunikationsprozesse benötigen stabilisierende symbolische Ordnungen (Gattungen, Darstellungsformen, Erzählmuster, stilistische Schemata, Metaphern etc.). ─ Institutionalisierte Großformen wie Literatur, Journalismus, Werbung und Public Relations haben sich historisch entwickelt und sind bis heute präsent. ─ Es stellt sich die Frage, wie diese Institutionen in ihrer Entstehung und Wirkung beschrieben oder erklärt werden können. 6. Medien- und Kommunikationsentwicklung: ─ Neue Medien schaffen neue Kommunikationsmöglichkeiten und beeinflussen bestehende Medien. ─ Die Beziehung zwischen Medien und Kommunikation sowie die Wirkungen der Medien unabhängig von ihrer Nutzung müssen beschrieben werden. 7. Wahrheit der Darstellungen: ─ Es bleibt unklar, ob Medien die Wirklichkeit abbilden oder eigenständige Medienwirklichkeiten erzeugen. ─ Die Rolle der Journalisten wird hinterfragt: Können sie ein objektives Bild der Wirklichkeit liefern, oder sind sie überfordert? Forderungen und Zielsetzungen:  Grundlagenprobleme der Kommunikationswissenschaft müssen explizit behandelt werden, damit Theorien nachvollziehbar und beurteilbar sind.  Diese Fragen ziehen sich wie ein „roter Faden“ durch alle Bereiche der Kommunikationswissenschaft, einschließlich Journalismus-, Rezipienten-, Nachrichtenwert-, Medienwirkungsforschung, Medientheorie und Mediengeschichte.  muss explizit dargestellt werden, welche Vorstellungen von Medien, Kommunikation, Akteuren bestehen.  Ziel ist es, plausible Antworten auf die Grundfragen zu formulieren und interdisziplinäre Ansätze (z. B. aus Kognitionstheorie, Neurobiologie, Anthropologie, Soziologie) einzubeziehen. INSTITUTIONALISIERTE MAKROFORMEN DER KOMMUNIKATION  Denken, Reden und Handeln werden von intersubjektiv gültigen Schemata bestimmt und sind dadurch sozial anschlussfähig.  Kommunikation erfolgt in thematisch geordneten Kommunikationszusammenhängen/Diskursen, die vorab festlegen, welche Beiträge in welcher Form zu bestimmten Themenkomplexen passen. ─ Diskurse fungieren wie symbolische Ordner, die allen Teilnehmern signalisieren, mit welcher Art von Kommunikation zu rechnen ist. ─ Diskurse sind eingebettet in übergreifende symbolische Formen = Makroformen Kommunikation  4 Makroformen im Hinblick auf die Wirklichkeits- und Wahrheitsverhältnisse in diesen Formen: Literarische  Produktion, Verbreitung, Rezeption und Verarbeitung literarischer Kommunikation: Texte wurden institutionalisiert und professionalisiert. ─ Literarische Texte gab es schon früher, aber kein soziales System von Berufsschriftstellern, Verlagen, Buchläden, Lesern und Kritikern.  Besonderheit literarischer Kommunikation: ─ Frage nach Wahrheit und Falschheit tritt zurück zugunsten der Frage nach ästhetischer Qualität. ─ Literarische Texte bauen eigene literarische Welten auf, in denen sich die Gesellschaft zwischen Realismus und Surrealismus beobachtet und beschreibt. ─ Keine realistische Darstellung Gesellschaft ─ Literatursystem operiert nach literarischen Werten (formaler Geschlossenheit, Schönheit, stilistischer Vielfalt und thematischer Bedeutsamkeit) Journalismus:  Institutionalisierung literarischer Fiktionalität ermöglichte die Entstehung eines konkurrierenden Systems: Journalismus.  definiert sich durch Authentizität und Aktualität  positioniert sich als objektiv, aktuell und öffentlich relevant.  sieht sich als Sachwalter der Gesellschaft Öffentlichkeitsarbeit  Bedarf nach öffentlicher Darstellung von Aktivitäten (PR):  Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations (PR) entstand: ─ Ziel: Positives Image für Unternehmen, Organisationen, Parteien ─ PR ist parteiisch, muss aber vertrauenswürdig erscheinen, um ihr eigenes Image zu wahren. ─ PR macht Anleihen beim Journalismus, um von dessen Renommee zu profitieren. Werbung:  Werbesystem nutzt die Kommunikationsmöglichkeiten der PR.  Werbung ist bedingungslos parteiisch, was allgemein bekannt ist.  Werbung blendet negative Aspekte des beworbenen Produkts aus.  Werbung vermittelt Wunschwelten und löst unlösbare Probleme durch Konsum ("Kauf mich und du wirst glücklich!"). Verknüpfung der Makroformen:  Literatur, Journalismus, Werbung und PR hängen eng zusammen, da sie durch Differenzbildung gegenseitig ihre Möglichkeiten erweitern.  Aussagenproduktion kann Authentizität oder Fiktionalität anstreben, interesselos oder interessengebunden sein, informieren oder Wunschwelten entführen. JOURNALISMUS ODER DAS VERSPRECHEN AUF AUTHENTISCH BERICHTERSTATTUNG PUBLIC RELATIONS ODER DIE KONSTRUKTION POSITIVER IMAGES WERBUNG ODER DIE GEWÜNSCHTE VERFÜHRUNG TEXT 5 (BONFADELLI, JARREN, SIEGERT) Einführung in die Publizistikwissenschaft 1) ZUR IDENTITÄT UND GESCHICHTE DES FACHES  Vielzahl von Fachbezeichnungen zu Beginn  DGPuK  Fach, das sich mit ähnlichen Problemen/Gegenständen beschäftigt = öfftl. Kommunikation  Außenperspektive: erscheint wie Bindestrich-Wissenschaft (heterogen)  praktisch alle Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften beschäftigen sich mit Kommunikation  Wurzeln deutschsprachiger Publizistikwissenschaft: Beginn 20. Jhdt mit Zeitungskunde  1916: erster Lehrstuhl für Zeitungswissenschaft Leipzig  In Schweiz spätere Institutionalisierung (bereits 1903 Habilitation Wettstein)  Wandel Mediensystem  Ausweitung und Entgrenzung Gegenstand Publizistikwissenschaften  in Richtung Massenkommunikationswissenschaft (Aufkommen Radio, Fernsehen) ─ + Spezialisierungen: Buch/Filmwissenschaft  Ab 1960er: communcation research (Amerika)  sozialwissenschaftliche Perspektive im Zentrum  empirische Ausrichtung  Cultural Studies & deren Rezeption  Vermehrt sprach,geistes, kulturwissenschaftliche Forschungsbereiche unter Bezeichnung „Medienwissenschaft“ ab 1980er 2) FACETTEN DES GEGENSTANDES UND FACHVERSTÄNDNISSES MATERIAL VS. FORMALOBJEKT PERSPEKTIVENVIELFALT  Kommunikation als soziales Totalphänomen, verschiedene Perspektiven  Unterschiedliche theoretische und empirisch-methodologische Ausrichtungen Bestimmung des Fachs über: 1. Interpersonale Kommunikation → allgemeine Kommunikationswissenschaft oder technisch vermittelte Kommunikation → Massenkommunikationswissenschaft 2. Publizistikwissenschaft: Perspektive auf durch Medien hergestellte Öffentlichkeit  Interpersonale, private Kommunikation nur am Rande thematisiert 3. Journalistik: Orientierung am Handlungssystem Journalismus, Inhalte für Öffentlichkeit  Journalistik und PR: praxisorientierte Institutionalisierungen des Fachs  Journalisten-/PR- Ausbildung im Zentrum  Gegensatz zu wissenschaftlich orientierten Disziplinen (z.B. Publizistik, Kommunikationswissenschaft)  Reflexion öffentlicher Kommunikation aus sozialwissenschaftlicher Perspektive ANALYSEEBENEN  Mikroebene: Personen/Medienakteure, Medienaussagen  Mesoebene: Medienorganisationen, -institutionen  Makroebene: Mediensysteme  In Praxis zumeist  disziplinäre Spezialisierung (historisch, linguistisch, technologisch, psychologisch, pädagogisch, soziologisch, ökonomisch, juristisch)  oft aus erkenntnistheoretischen Problemen nicht möglich, Analysen sowohl auf Mikro- und Makro-Ebene zu machen UNTERSCHIEDLICHE METHODISCHE ZUGRIFFE  PKW = mehrheitlich empirisch orientierte Sozialwissenschaft  Medienwissenschaft (Cultural Studies) = Geistes-/Kulturwissenschaft mit stärkerer Betonung auf qualitative Methoden INTEGRATIONSWISSENSCHAFT – TRANSDISZIPLINARITÄT – METHODENPLURALISMUS  PKW befasst sich mit öffentlicher Kommunikation durch (Massen-)Medien  Zentrum: Deskription und Erklärung der Phänomene/Probleme unter Berücksichtigung Akteure/Faktoren/Prozesse GEGENSTAND DER PUBLIZISTIK- UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT:  Alle Formen der öffentlichen Kommunikation bzw. Massenkommunikation  Wissenschaftliche Erhellung durch Definitionen, Modelle und Theorien  Beachtung interpersonale Kommunikation, wenn an öffentliche Kommunikationsprozesse gebunden  muss sich der aktuellen informations- und kommunikationstechnologischen Entwicklung stellen, um gesellschaftliche Erklärungskraft zu bewahren FRAGESTELLUNGEN DER PUBLIZISTIK- UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT:  Medien und Gesellschaft: Politische und rechtliche Rahmenbedingungen, ökonomische Voraussetzungen und medientechnische Basis der Massenkommunikation  Medienstrukturforschung und Medienentwicklung: Organisationen und Strukturen des Mediensystems und deren Entwicklung  Kommunikatorforschung (Journalismus und PR): Prozesse der Produktion von Medienbotschaften  Inhalts- und Qualitätsforschung: Medienrealität, die durch Massenmedien in Form von manifesten und latenten Aussagen produziert wird, und deren Resonanz in der Öffentlichkeit  Publikums- und Rezeptionsforschung: Strukturen der Publika der Massenmedien, Prozesse der Medienrezeption sowie Wünsche und Erwartungen der Rezipienten THEORETISCHE PERSPEKTIVEN  existiert keine alles dominierende theoretische Perspektive  Theorienpluralismus (Handlungs-& auch Systemtheorien)  meisten verwendeten theoretischen Ansätze stellen Hypothesensysteme über relativ eng begrenzte Teilbereiche der öffentlichen Kommunikation dar (sog. Theorien mittlerer Reichweite).  Auf Makroebene existieren umfassende allgemeine Theorieentwürfe oder Paradigmen.  In den 1970er- und 1980er-Jahren waren im deutschen Sprachraum der Strukturfunktionalismus und die Systemtheorie von Niklas Luhmann besonders erfolgreich  neueres, aber kontrovers diskutiertes Paradigma ist der Konstruktivismus.  Andere, in der Öffentlichkeit stark beachtete Entwürfe: Marshall McLuhan, Neil Postman, Pierre Bourdieu, Paul Virilio, Jean Baudrillard, Vilém Flusser. ─ Autoren betrachten Phänomene wie Beschleunigung, Simulation und Vernetzung. ─ Entwürfe werden in der akademischen Disziplin als eher unergiebig betrachtet, da sie nicht ohne weiteres empirisch überprüfbar sind. TEXT 6 (LOJKA, HAAS) Erkenntnis durch Recherche Ein Modell für Forschung und Lehre Zielsetzung der Übung zur Einführung in die Kommunikationswissenschaft:  Studierende sollen auf mehreren Ebenen mit grundlegenden Problemen konfrontiert werden: ─ Probleme der empirischen Sozialforschung. ─ Probleme des praktischen Journalismus. Erfahrungen der letzten Semester:  Die Zielsetzungen der Übung konnten nur rudimentär erreicht werden.  Eine Methode, die aus der kommunikationswissenschaftlichen Leitformel Harold D. Lasswells extrahiert wurde, erwies sich als wenig sinnvoll: ─ Zu große Gefahr von unreflektierten und unlustigen Kurzzusammenfassungen. ─ Diese führten zu einem mangelnden Verständnis und waren wenig fruchtbar.  Es gab keine direkte Umsetzbarkeit für berufspraktische Probleme des Journalismus oder anderer Kommunikationsberufe.  Dies führte zu Antriebsverlusten auf studentischer Seite und zunehmender Routinisierung auf Seiten der Vortragenden. Konzept zur Verbesserung der Übung:  Es wurde ein Konzept entwickelt, das kommunikationswissenschaftliche Forschung und Journalismus gleichzeitig und vergleichend behandelt.  Dies sollte eine Schnittmenge aus studentischem Berufsinteresse und wissenschaftlicher Grundausbildung ermöglichen.  Es spricht einiges dafür, am Beginn des Studiums einen Vergleich der Systeme Wissenschaft und Journalismus durchzuführen.  Historische Analyse zeigt, dass diese beiden Systeme Gemeinsamkeiten aufweisen: ─ Gemeinsame Wurzeln zwischen Literatur, Journalismus und Sozialwissenschaften hinsichtlich der Recherche, des Interviews, der Befragung, der Quellenarbeit und deren Weiterentwicklung. ─ Eric W. Allen beschrieb 1927 Journalismus als angewandte Sozialwissenschaft. ─ Franz Stark thematisierte 1980 das Wechselverhältnis zwischen Sozialwissenschaft und Journalismus. ─ Popper bezeichnete 1983 die Ausführungen von Peter Michael Lingens über journalistische Popperianer als bedeutend. Verständnis von Journalismus:  Journalismus als ein Modus der Erkenntnisgewinnung durch Recherche, der sich der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung annähert.  Unter diesen Bedingungen kann Journalismus als legitime Referenzgröße zur wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung herangezogen werden. Sieben-Schritt-Verfahren für Forschung und Journalismus:  Ein Konzept wurde entwickelt, das sieben Schritte umfasst und sowohl die wissenschaftliche als auch die journalistische Vorgehensweise integriert: ─ Auf wissenschaftlicher Seite: Praktische Umsetzung des kritischen Rationalismus. ─ Auf der Seite des Journalismus: Theoretische Umsetzung praktischer Recherchehinweise.  Beide Verfahren berücksichtigen die spezifischen Input-Output-Kontexte: ─ Journalismus: Input → Aussendungen, Gerüchte, Hinweise, Auffälligkeiten → Output → Artikel, Interviews, Reportagen. ─ Wissenschaft: Input → wissenschaftliches Problem → Output → wissenschaftliche Arbeit.  Beide Verfahren unterscheiden sich in der professionellen Praxis (Forschungszwang vs. Publikationszwang) und der Zielsetzung (Erkenntnisgewinn um der Erkenntnis willen vs. um des Gewinnes willen). Pragmatische Ziele der Systeme:  Wissenschaft: Strukturierung des Erkenntnisprozesses.  Journalismus: Entwicklung eines Rechercheplans. Beispiel für den ersten Schritt:  Der erste Schritt umfasst die Problematisierung und Bewertung von Alltagserfahrungen, die persönliche Aufmerksamkeit erregt haben.  In beiden Systemen gibt es spezifische Muster der Bewertung: ─ Wissenschaft: Kommunikationswissenschaftliche Relevanz einer Thematik. ─ Journalismus: Öffentliche Relevanz durch Interessenslagen und Betroffenheit.  Der Arbeitsaufwand für Forschung bzw. Recherche hängt von der Relevanz in einem dieser Systeme ab.  Praktische Beispiele sind notwendig, um die Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen. Literarische und soziologische Unterstützung:  „Die Arbeitslosen von Marienthal“ wurde als begleitende Literatur verwendet.  Diese Untersuchung ist ein soziographischer Versuch aus den frühen 30er Jahren, der durch eine Vielzahl an zeitgenössischem journalistischem Material unterstützt wird.  Die Studie ist durch methodische Vielfalt und den ständigen Ausweis der Forschungsschritte gekennzeichnet.  Paul Felix Lazarsfeld betont in der Studie die Wechselbeziehung zwischen Sozialwissenschaft und Journalismus.  Die Forschergruppe in Marienthal wollte eine Brücke zwischen beiden Systemen schlagen: ─ „Zwischen den nackten Ziffern der offiziellen Statistik und den allen Zufällen ausgesetzten Eindrücken der sozialen Reportage klafft eine Lücke, die auszufüllen der Sinn unseres Versuches ist.“ Gesellschaftliche Relevanz der Forschung:  Das Thema Arbeitslosigkeit bleibt ein zentrales Thema der Sozialwissenschaft und des Journalismus.  Moderne Forschungsbeispiele zu Arbeitslosigkeit und deren Umgang mit medialen Angeboten sind weiterhin relevant. Erste Ergebnisse der Lehrveranstaltung:  Wissenschaftliches Erkenntnisinteresse und Ergebnisse führten in einigen Fällen zu fundierter Kritik am Journalismus.  Wissenschaft wird somit zur Referenzgröße für die Beurteilung journalistischer Leistungen.  Der Pilotversuch wurde als gelungen betrachtet, mit der Empfehlung, das akzeptierte Konzept in einigen Details zu modifizieren. Qualitative Anforderungen:  Das hohe Anspruchsniveau für Studierende im zweiten Semester führt zu einer qualitativen Selektion.  Die Präsentation von Teilergebnissen und das Schreiben einer Schlussarbeit stellen hohe Anforderungen.  Eine nicht-kontinuierliche Mitarbeit führt zu einem negativen Gesamtergebnis. Betreuungsanforderungen:  Lehrbeauftragte müssen auch außerhalb der Übungszeiten für zusätzliche individuelle Betreuung zur Verfügung stehen. Resümee:  Studierende erlernen grundlegende Anforderungen wissenschaftlichen Arbeitens.  Sie entwickeln ein erstes kommunikationswissenschaftliches Problemverständnis.  Studierende sind in der Lage, unter Beachtung der wichtigsten propädeutischen Voraussetzungen kleinere wissenschaftliche Arbeiten selbständig zu verfassen.  Das Verständnis für die Anwendung kommunikationswissenschaftlicher Erkenntnisse wird geweckt.  Studentische Forschung unter Anleitung wird ermöglicht und die fruchtbringende Anwendung von Forschungsergebnissen zur Lösung späterer Berufsprobleme wird aufgezeigt.

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