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This document is a lecture or seminar on psychodynamic models and therapies, specifically focusing on analytical child and adolescent psychotherapy. It provides an overview of definitions, historical context, and developmental aspects. The document also discusses treatment techniques.

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Psychodynamische Modelle und Therapien Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Sven Baumbach Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsyc...

Psychodynamische Modelle und Therapien Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Sven Baumbach Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ▪ Definition ▪ Historische Einordnung ▪ Weiterentwicklungen ▪ Säuglings- und Kleinkindforschung ▪ Adoleszenz ▪ Entwicklungsstörung ▪ Behandlungstechnik Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Definition ▪ Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie ist eine auf Theorie und modifizierter Technik der Psychoanalyse aufbauende Methode zur Behandlung psychisch kranker Säuglinge, Kleinkinder, Kinder, Jugendlicher und junger Erwachsener ▪ Der Einbezug und die Mitbehandlung der primären Bezugspersonen ist, je jünger das Kind ist, umso notwendiger ▪ Kinderanalyse ist eine Forschungsmethode zur Erfassung des Unbewussten und seiner Ursprünge in der biopsychischen Entwicklung der Persönlichkeit in den Entwicklungszeiten der: ▪ frühesten Kindheit ▪ der eigentlichen Kindheit ▪ der Jugendzeit Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Definition ▪ Psychologische Anthropologie des Kindes und Jugendalters, die alle psychologischen und psychopathologischen Therapien zusammenfasst, die durch Forschung und klinische Praxis systematisiert werden Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Historische Einordnung ▪ Als Begründerinnen der Kinderanalyse gelten ▪ Hermine Hug-Hellmuth ▪ Melanie Klein ▪ Anna Freud Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Historische Einordnung Hug-Hellmuth war die erste, die Kinderanalysen durchführte und die noch heute gültigen Parameter der analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie herausgearbeitet hat ▪ Freies Spiel als Zugang zum Unbewussten ▪ Positive und Negative Übertragung ▪ Deutungs- und Widerstandsanalyse ▪ Arbeit mit den Eltern/Bezugspersonen ▪ Berücksichtigung der Geschwisterdynamik Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Historische Einordnung Systematisch geordnet und ausgebaut haben Theorie und Technik der Kinderanalyse Anna Freud und Melanie Klein ▪ Melanie Klein legte einen Schwerpunkt in ihrer Arbeit auf die Frühanalyse des Kindes mit seinen ES-Anteilen und ging davon aus, dass der Analytiker sofort als Übertragungsobjekt genutzt werde. ▪ Anna Freud hingegen betonte die Wichtigkeit der Ich-Funktionen und ging davon aus, dass es eine „übertragungsfreie“ Eingangsphase in der Therapie gebe Die Auseinandersetzungen zwischen Klein und Freud schafften einen konstruktiven Boden für Theorieentfaltung und Differenzierung der Praxis der Kinderanalyse Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Säuglings- und Kleinkindforschung ▪ Die empirische Säuglingsforschung konnte die kreisförmig-interaktiven- kommunikativen Vorgänge zwischen Eltern und Säugling zeigen ▪ Daniel Stern untersuchte dieses Geschehen in der interpersonalen Welt und stellt die Entwicklung des Selbstgefühls ins Zentrum seiner Theorie ▪ Störungen in dieser präverbalen Entwicklungsphase werden als Frühe Störung und Entwicklungsstörung bezeichnet ▪ Zur Früherkennung von Entwicklungsstörungen und Erfassung der Genese wurde durch die Erfahrungen mit Mutter-Kind-Therapien ein Diagnosesystem für die ersten drei Lebensjahre entwickelt (Zero to Three 1994) Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Säuglings- und Kleinkindforschung ▪ Symptomatisch können diese Störungen Ausdruck in Regulationsstörungen finden ▪ Ursachen hierfür sind vielfältig und können u.a. sein ▪ prä- und postnataler Stress ▪ schwere Schwangerschaft und/oder Geburt ▪ Paarkonflikte ▪ Konflikte in und mit der Herkunftsfamilie und ▪ psychische Erkrankungen Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Säuglings- und Kleinkindforschung ▪ Die Repräsentanzenwelt von Mutter und Vater wirken sich im intersubjektiven Austausch auf das Kind aus ▪ Etwas Präsentes wird in einem anderem nochmals präsent Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Entwicklungsstörung ▪ Für einen intrapsychischen (neurotischen) Konflikt braucht das Subjekt eine psychische Struktur ▪ Unterschieden wird in Strukturpathologie und Konfliktpathologie ▪ In der klinischen Arbeit, also der Behandlungstechnik folgt daraus ein ▪ konfliktorientiert deutendes bei Konfliktpathologien ▪ entwicklungsförderndes Vorgehen bei Strukturpathologien Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Adoleszenz ▪ Jugendliche stehen vor der Aufgabe ▪ die physische und die sexuelle Reifung psychisch zu verarbeiten und die körperlichen Veränderungen seelisch zu integrieren ▪ sich von den kindlichen Liebesobjekten (Eltern) zu lösen ▪ eine Partnerwahl (Objektwahl) außerhalb der Familie zu treffen ▪ Ich-Ideal und Überich müssen selbst organisiert werden ▪ Sozial und beruflich sind die eigene Zukunft zu planen und ein Platz in der Gesellschaft zu finden ▪ Biologische und psychische Veränderungen sind direkt aufeinander bezogen und erfordern eine umfassende Integration Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Adoleszenz ▪ Der Mensch befindet sich in der Adoleszenz in einer psychosozialen Aufschubphase (psychosoziales Moratorium), in der er durch freies Rollen- Experimentieren seinen Platz in der Gesellschaft finden und eine Ich-Identität finden soll ▪ Der Narzissmus hat eine entwicklungsstützende Funktion, weil er für den Jugendlichen eine Brückenfunktion übernimmt ▪ Die Brückenfunktion besteht in der Ablösung von den Bezugspersonen hin zu neuen Beziehungen ▪ Größenphantasien und Tagträume haben nicht nur die Aufgabe, zukünftige Selbstvorstellungen zu entwerfen, sondern in dem umfassenden und belastenden Umgestaltungsprozess als Quelle der Gratifikation zu dienen, bis das Selbstwertgefühl durch Bestätigungen der Umwelt und durch neue Beziehungen gefestigt wird Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Adoleszenz ▪ In der Adoleszenz kommt es zu einer normativen Regression, wodurch die Jugendlichen wieder mit schwelenden infantilen Abhängigkeiten, Bedürfnissen, Ängsten und Traumatisierungen in Berührung kommen ▪ Diese seelische Regression bietet die Chance, neuartige Lösungen für alte infantile Konflikte einzuleiten, weil das adoleszente Ich gegenüber dem infantilen Ich stärker, beständiger, vielseitiger und phantasievoller ist ▪ Das adoleszente Ich kann sich dagegen wappnen, in einem regressiven Zustand, in dem Abhängigkeitsbedürfnisse und Versorgungswünsche dominieren, zu versinken ▪ Klinisch kann der Kampf mancher Adoleszenter in diesem Kontext als Kampf gegen diese regressive Passivität verstanden werden Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Die Arbeit der analytischen Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn bezieht sich auf das ▪ Kind und die Beziehungsdynamik zwischen ▪ Eltern und TherapeutIn ▪ Beide Beziehungsstränge zeigen eine starke Wirkung und sind für die psychotherapeutische Arbeit enorm wichtig ▪ Das herausragende Element der Reflexion und Analyse des familiendynamischen Beziehungsgeschehens ist die Gegenübertragung ▪ Gegenübertragung ist das Gesamt der emotionalen, körperlichen und mentalen Reaktionen der TherapeutIn auf das Kind und seine Familie ▪ Dazu gehören auch deren Versuche oder Nichtversuche der Beziehungsaufnahme, deren Agieren, deren Widerstände, deren Kränkungen, Beschämungsgefühle und Schuldzuweisungen Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Die analytische Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutIn ist in ein multidimensionales Übertragungsnetz eingebunden ▪ Die familiendynamisch orientierte Arbeit in den Elterngesprächen muss dieses Netz bspw. heimlicher Bündnisse und Ausschließungen sowie die Befürchtung, die TherapeutIn könnte der bessere Elternteil sein, entflechten, klären und durcharbeiten Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Dem Spiel kommt in der analytischen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie eine besondere Rolle zu ▪ Der Mechanismus des Spiels entspricht dem ▪ der freien Assoziation ▪ des Phantasierens ▪ des Traums ▪ der Fehlleistung ▪ Auch beim Spiel kommt es zu Verdrängung, Verschiebung, Verdichtung, Symbolbildung, Identifikation und Rationalisierung ▪ Das Spielen hat immer einen sozialen Bezug. Es ist Niederschlag eines Beziehungsgeschehens und kann Kernszenen enthalten Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Für Winnicott ist jede zwischenmenschliche Kommunikation nur als Spiel denkbar, weil die Fähigkeit zu kommunizieren, auf der Fähigkeit zur Empathie aufbaut ▪ Empathie ist die Form von Objektbezogenheit, die innerhalb der Dialektik, ein anderer zu sein und zugleich nicht zu sein, entsteht ▪ Innerhalb dieses Kontextes spielt man mit dem Gedanken, der andere zu sein, gleichzeitig wissend, es nicht zu sein ▪ Auf diese Weise spielt bspw. auch die Jugendliche mit ihren Gedanken in Phantasien und Tagträumen Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Gesundes Spielen und gesunde Kommunikation zeigen sich in der Beweglichkeit des „role-taking“ bzw. in einer Art ständigen Fließens, die Gefühle und Gedanken des anderen zu imaginieren, mit Sinn und Bedeutung auszustatten und schließlich dafür Symbole und Metaphern zu erschaffen. ▪ Das „spielerische In-Fluss-Sein“ ist affektiv körperlich getragen durch sinnliche, also libidinöse Besetzungen und durch die Gestalt der inneren Beziehung des Selbst zu dem Selbst des anderen, also dem Objekt Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Dem Spielprozess wohnt Illusion und Imagination inne ▪ Es entfaltet sich die Dialektik zwischen ▪ Realität und Phantasie ▪ Einssein und Getrenntsein ▪ Innen und Außen ▪ Ich und Nicht-Ich ▪ einem „Als-Ob“-Denken und –Fühlen ▪ Geprägt ist das Spiel von den Spielerfahrungen aus der Vergangenheit, die eingebettet waren in die erfahrene Beziehung mit den Bezugspersonen Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ In der kinderanalytischen Arbeit gilt es, die Spielfähigkeit als Kommunikations- und Dialog- und damit als Beziehungsfähigkeit für Diagnostik und Behandlung zu nutzen ▪ Möglicherweise besteht die Notwendigkeit, die Spielfähigkeit zu entwickeln, indem Hemmungen, Blockaden und Einschränkungen abgebaut werden ▪ Die Möglichkeit die Repräsentanzen mobil werden zu lassen, kann bei Kindern und Jugendlichen eingefroren sein, so dass eine Spielunfähigkeit besteht ▪ Es konnte nachgewiesen werden, dass besonders bei „expansiven Störungen“ mit einer Aggressionsproblematik die Unfähigkeit zum „role-taking“, also über Gefühle und Gedanken des anderen nachzudenken, nur mit der Herstellung einer intensiven therapeutischen Beziehung im Rahmen einer hochfrequenten Langzeitanalyse, in der der Prozess der Neuorganisation von mentalen Repräsentationen stattfindet, korrigiert werden kann Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Der „Spiel-Raum“ der analytischen Situation und die mitspielende TherapeutIn in der Haltung einer „genügend guten Mutter“ bieten die Gelegenheit der Wiedereinsetzung der Spielfunktion ▪ Dies macht oft Grenzsetzungen bei überbordendem oder aggressiv- durchbruchartigem Spiel nötig ▪ Die Freilegung der Spielfähigkeit geschieht durch ▪ verändernde Wiederholung ▪ Durcharbeiten des Erinnerten ▪ Verwörtern des affektiven Beziehungsgeschehens ▪ Neuformulierung ▪ Deutung Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Die Deutungen beziehen sich dabei auf die Innenwelt ▪ Phantasie- ▪ Gedanken- und ▪ Erlebnisebene im Hier und Jetzt ▪ Das lebensgeschichtliche Vergangenheitsunbewusste und dessen abwehrhaften Umarbeitungen werden jedoch stets mitgedacht Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Behandlungstechnik Grundlagen ▪ Das Entwicklungsalter des Kindes bestimmt dabei, wie dessen Emotionen und Affekte deutend erarbeitet und durchgearbeitet werden. ▪ Da ein Behandlungsziel ist, dass das Kind durch die Behandlung in die Lage versetzt werden soll, sich selbst Be-Deutungen zu geben und sein Leben zu erklären, ist eine dem Entwicklungsalter des Kindes angemessene Technik zu wählen. ▪ Leitende Frage sind hier: ▪ Welches Strukturniveau hat das Kind erreicht? ▪ Handelt es sich um eine Frühe Störung, Entwicklungsstörung oder einen neurotischen Konflikt? ▪ Wie hoch ist die Fähigkeit zur: ▪ Selbstreflexivität ▪ selbstreflexiven und objektreflexiven Empathie ▪ Einsichtsfähigkeit Psychodynamische Modelle und Therapien | Baumbach | Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

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