MSc Psychodynamik 7. Sitzung (Wintersemester 2024/2025)
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Universität Kassel
2024
Sonja Etzler
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This document provides an overview of psychodynamic models and therapies for trauma-related disorders. It covers topics like the definition of trauma, various types of trauma responses, treatment strategies, and considerations in working with complex trauma patients. A course schedule is also included.
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Psychodynamische Modelle und Therapien Sitzung 7: Modelle und Psychotherapie der Traumafolgestörungen Wintersemester 2024/2025 PD Dr. Sonja Etzler Master...
Psychodynamische Modelle und Therapien Sitzung 7: Modelle und Psychotherapie der Traumafolgestörungen Wintersemester 2024/2025 PD Dr. Sonja Etzler Master Klinische Psychologie und Psychotherapie, Modul 4 Institut für Psychologie, Universität Kassel M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 244 Gliederung der Vorlesung Sitzung Termin Thema 1. 04.11.2024 Organisation, Auffrischung Bachelorvorlesung 2. 11.11.2024 Psychodynamisches Störungsverständnis 3. 18.11.2024 Settings, Techniken, Manuale 4. 25.11.2024 Analytische Psychotherapie 5. 02.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Depression 6. 09.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Angststörungen 7. 16.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Traumafolgestörungen Weihnachten 8. 13.01.2025 Modelle und Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen I 9. 20.01.2025 Modelle und Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen II 10. 27.01.2025 Psychodynamische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen 11. 03.02.2025 Psychodynamische Gruppentherapien 12. 10.02.2025 Forschung zur Psychodynamischen Psychotherapie 13. 17.02.2025 Puffer 19.02.2025 Klausur I 15:30h – 16:30h E-Klausuren Center 16.04.2025 Klausur II 09:15h – 10:15h E-Klausuren Center M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 245 Agenda Definition Trauma und Übersicht über Traumafolgestörungen Psychodynamische Modelle der Traumafolgestörungen Behandlung der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung Definition Trauma Übersicht über Traumafolgestörungen M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 247 Definition Trauma M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 248 Definition Trauma Typ – II Traumatisierung und sog. „man-made-disaster“ meist schwerwiegendere und langfristigere Folgen als Typ – I Traumatisierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 249 Übersicht über Traumafolgestörungen M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 250 Akute Belastungsreaktion (gekürzte Kriterien) Klarer zeitlicher Zusammenhang zwischen ungewöhnlicher Belastung und Beginn der Symptome, sofort oder nach Minuten Wechselndes Symptom-Bild: Nach einem anfänglichen Zustand der Betäubung treten unterschiedliche Symptome wie Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität und Rückzug auf, ohne dass eines davon längere Zeit dominiert. Rasche Symptomrückbildung: Die Symptome klingen schnell ab, meist innerhalb weniger Stunden nach Entfernung aus der belastenden Umgebung. Wenn die Belastung weiter besteht, verringern sich die Symptome in der Regel nach 24 bis 48 Stunden und sind nach spätestens drei Tagen meist minimal. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 251 Posttraumatische Belastungsstörung (gekürzte Kriterien) Ereignis und Belastung: Betroffene waren einer außergewöhnlichen Bedrohung ausgesetzt, die bei jedem Verzweiflung auslösen würde. Wiedererleben und Vermeidung: Belastung wird durch Flashbacks, Träume oder innere Bedrängnis wiedererlebt; ähnliche Umstände werden vermieden. Symptome: Möglich sind Erinnerungslücken, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme, Hypervigilanz oder erhöhte Schreckhaftigkeit. Zeitrahmen: Symptome treten innerhalb von sechs Monaten nach dem Ereignis auf. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 252 Andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung Merkmale: Unflexibles und unangepasstes Verhalten, eine feindselige oder misstrauische Haltung gegenüber der Welt, sozialer Rückzug, Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit, ein chronisches Gefühl von Nervosität wie ständiges Bedrohtsein sowie Entfremdung Dauer: Mindestens zwei Jahre, nicht erklärbar durch andere Störungen oder Hirnschäden Auswirkungen: Unflexibles Verhalten mit Beeinträchtigungen in Beziehungen und Beruf Diagnose: Fremdanamnese erforderlich M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 253 Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (gekürzte Kriterien) Erst im ICD-11, hier nach Herman (2003) Auslöser: Langfristige totalitäre Unterdrückung, z. B. durch Geiselnahme, Kriegsgefangenschaft, Missbrauch in familiären oder sexuellen Beziehungen, Sekten oder Banden. Zusätzlich Affektregulation: Anhaltende Dysphorie, Suizidgedanken, Selbstverletzungen, Wutausbrüche oder Unterdrückung, extreme sexuelle Hemmung oder Zwanghaftigkeit. Bewusstseinsveränderungen: Amnesie, Intrusionen, Depersonalisation, Derealisation. Selbstwahrnehmung: Ohnmacht, Scham, Schuldgefühle, Initiativeverlust. Täterschutz: Idealisierung, Rachegedanken, paradoxe Dankbarkeit, Übernahme der Täterideologie. Beziehungsprobleme: Isolation, gestörte Intimität, Retter-Suche, Misstrauen, fehlender Selbstschutz. Wertesystem: Verlust von Glauben, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 254 Anpassungsstörung (gekürzte Kriterien) Ereignisse unterhalb der Traumaschwelle Auslöser: Psychosoziale Belastung (z. B. Verlust, Trennung), Symptome beginnen innerhalb eines Monats. Symptome: Depressive Stimmung, Angst, Überforderung, soziale Beeinträchtigungen oder Verhaltensauffälligkeiten. Dauer: Maximal sechs Monate nach Ende der Belastung (außer bei chronischer Belastung). Ausschluss: Keine andere psychische Störung erklärt die Symptome besser. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 255 Exkurs Sexuelle Gewalt Formen sexueller Gewalt: Vergewaltigung, Belästigung, häusliche Gewalt, Inzest, erzwungene Prostitution. Betroffene: Hauptsächlich Frauen und Mädchen, doppelt bis dreifach häufiger betroffen als Jungen. Traumatische Auswirkungen: Zerstörung der leib-seelischen Integrität, sexualisierte Gewalt oft Machtinstrument. Motivationen: Macht (70 %), Wut (25 %), Sadismus (5 %), selten sexuelle Befriedigung. Sexualität bei Betroffenen: Häufig generelle Abneigung (60 %), Vermeidung von Berührungen, selbst- oder fremdschädigendes Verhalten (z. B. Promiskuität, sexuelle Ausbeutung). Prostitution: Teilweise aus Rache oder als Machtinstrument. Sexuelle Risikoverhalten: Häufiger bei männlichen Betroffenen (50 %) als bei weiblichen (25 %). Schutzstrategien: Vermeidung von Sexualität und Intimität zum Schutz vor retraumatisierenden Erinnerungen. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 256 Verlauf psychischer Traumatisierung Psychodynamische Modelle der Traumafolgestörungen M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 258 Psychodynamik – Entstehung Repräsentanzen Frühkindliche Traumata und Täter-Introjekte: Traumata (Typ II) führen zu inneren Repräsentanzen der Täter, die unbewusst autoaggressives Verhalten und Trauma-Wiederholungen fördern. Traumatische Erinnerungen werden häufig abgespalten. Beeinträchtigte Verarbeitung: Abspaltungen verhindern eine integrierte Verarbeitung und schwächen psychische Funktionen, wodurch pathogene Objektrepräsentanzen unverändert bleiben. Überforderung und Ich-Funktionen: Traumata überfordern die Psyche, besonders bei unreifen Ich-Funktionen und traumatischen Erfahrungen mit nahen Bezugspersonen, was zu widersprüchlichen Erlebnissen führt. Zeitpunkt der Traumatisierung: Je früher Traumatisierungen stattfinden, desto schwerwiegender sind sie (Entwicklung von Ich- Funktionen). Unvereinbarkeit von zentralen (Bindungs-) Wünschen an die Person und dessen Verhalten M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 259 Psychodynamik – Selbst- und Objektrepräsentanzen Identifikation mit dem Aggressor: In der Abwesenheit schützender Bindung wird eine destruktive Bindung zum Täter aufgebaut, was intensive Bindungen zu schädlichen Objekten fördert. Zentraler Abwehrmechanismus in traumatischen Erfahrungen Selbstrepräsentanzen und Schuldgefühle: Traumatisierende Beziehungen prägen Selbstrepräsentanzen, oft als wertlos und schuldig. Schuldgefühle enthalten die Illusion von Kontrolle über das Trauma. Wünsche nach nahen, verschmelzenden Beziehungen: Diese Beziehungsrepräsentanzen sind aber mit Ohnmacht und Destruktion verknüpft M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 260 Psychodynamik - Beziehungen Wiederholte destruktive Beziehungen: Betroffene suchen oft ähnliche destruktive Beziehungen, teilweise als einfache Wiederholung, als „Bestrafung“ für innere Repräsentanzen oder auch um unbewusst Heilung durch eine Veränderung des Partners zu erlangen. Gute Beziehungen wirken unattraktiv, da sie keine Verbindung zu traumabezogenen Mustern bieten. Beziehungsdynamik: Häufige Vermeidung oder destruktive Beziehungsmuster, verbunden mit einem Wunsch nach Kontrolle der inneren Objekte und Heilung der inneren Verletzungen. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 261 Dissoziations- und Gedächtnisforschung Traumagedächtnis nach van der Kolk (2000) Dissoziative Mechanismen: Unter Einwirkung traumatischer Einflüsse setzen dissoziative Mechanismen ein und erzeugen einen veränderten Bewusstseinszustand, um die Alltagspersönlichkeit von extrem hohen Erregungsniveaus zu schützen. Nicht-symbolisiertes Gedächtnis: Erfahrungen werden nicht im expliziten autobiografischen Gedächtnis gespeichert sondern verbleiben als nicht symbolisierte Erinnerungsspuren im impliziten Gedächtnis. Assoziative Erinnerungen: Diese können durch Stimuli aktiviert werden, die mit den ursprünglichen traumatischen Erfahrungen assoziativ verknüpft sind und äußern sich in Flashbacks, traumatischen Träumen oder Verhaltensinszenierungen. Neurotische Verarbeitung: Kann allerdings auch einer „neurotischen“ Verarbeitung unterliegen Behandlung der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 263 Generelles Traumatherapie-Entwicklung: Verfahren entwickeln eigene Methoden, aber Strategien nähern sich an. Debatte Stabilisieren vs. Konfrontieren: Psychodynamik priorisiert Stabilisierung, Verhaltenstherapie betont Konfrontation. Übereinstimmend wird Traumatherapie als aktive Behandlungsform konzipiert „Jede Form assoziativer Therapie, die unstrukturiert und unklar ist, die regressionsfördernde Elemente enthält, eine Regression im Rahmen der therapeutischen Beziehung oder/und auf der Station zum Ziel hat und sich auf einen aus sich selbst heraus wirksamen therapeutischen Prozess verlässt, verbietet sich für diese Klientel“ (Sachsse 2004, S. 189). M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 264 Behandlungsmanual der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 265 Verschiedene Phasen der Therapie 1. Erstgespräch – Diagnostik und Anamnese 2. Probatorik 3. Phase I: Stabilisierung und Ressourcenaktivierung 4. Phase II: Trauma-Exposition 5. Phase III: Integration und Neuorientierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 266 Verschiedene Phasen der Therapie 1. Erstgespräch – Diagnostik und Anamnese 2. Probatorik 3. Phase I: Stabilisierung und Ressourcenaktivierung 4. Phase II: Trauma-Exposition 5. Phase III: Integration und Neuorientierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 267 Diagnostik von Trauma Diagnostische Situation nicht von Behandlungssituation trennbar Sensible Diagnostik wichtig Zu intrusive Gesprächsführung kann Beziehung schwerwiegend stören Größte Vorsicht bei Erfragung von Traumatisierung Wenn nicht gefragt wird: Gefühl von Desinteresse Wenn zu genau gefragt wird: Gefahr von Affektüberflutung und Dissoziation Mittelweg: Stichworte und abstrakte Rückmeldung erfragen, keine Einzelheiten berichten und bewusst eine emotional distanzierte Haltung Reaktionen des Umfelds auf Traumatisierungen erfragen Dissoziative vs. Neurotische Verarbeitung Dissoziative: Affektregulation und Schneidedruck evtl. stärker – genauer explorieren Neurotische: Sprechen über Trauma ist möglich M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 268 Allgemeine Prinzipien in der Arbeit mit komplex traumatisierten Patienten Psychodynamisches Beziehungsverständnis Phasenorientierung Förderung salutogenetischer Faktoren und Ressourcenaktivierung Keine Förderung der Entfaltung der Pathologie in der therapeutischen Beziehung – antiregressives Setting Stellenwert von Imaginationen – gezielt nutzen, für das Erschaffen einer guten „inneren Welt“ Beobachtende Haltung Strukturbezogene Interventionen Ego-State-Arbeit Selbst besteht aus verschiedenen Anteilen (z. B. verletztes Kind, kritischer Elternteil etc.) Anteile entstehen aus spezifischen Lebenserfahrungen, besonders Trauma Ziel ist, Kommunikation und Integration zu verbessern M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 269 Therapeutische Beziehung Emotional positiv getönte Bindung zur Patientin herstellen Auf die Gemeinsamkeit der Therapieziele achten Keine Verstärkung von traumabedingtem Stress durch die Therapie Reale Verfügbarkeit und Präsenz Parteiliche Abstinenz Validierung des Erlebens Kein Hinterfragen der „Richtigkeit“ der Erzählungen Vermeidung von allzu engen therapeutischen Beziehungen – Abhängigkeitserleben Misstrauen und negative Übertragung – Verständnisvoll sein und sofort aufgreifen und klären M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 270 Psychoedukation Erläuterungen zur Frage von Schuld und Verantwortung geben Traumafolgesymptome als Anpassungsreaktionen erläutern Informationen zur Neurobiologie psychischer Traumatisierungen geben Ego-State-Perspektive zur Erläuterung von Traumaphänomenen nutzen Auf Möglichkeiten rechtlicher Beratung hinweisen Schriftliche Infomaterialien bieten sich an – Abgestimmt auf Wissensstand und Aufnahmefähigkeit der Pat. Zu Beginn aber auch während der Behandlung immer wieder sinnvoll M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 271 Verschiedene Phasen der Therapie 1. Erstgespräch – Diagnostik und Anamnese 2. Probatorik 3. Phase I: Stabilisierung und Ressourcenaktivierung 4. Phase II: Trauma-Exposition 5. Phase III: Integration und Neuorientierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 272 Traumaspezifische Stabilisierung Imaginationsübungen „Der sichere Ort“ „Der schützende Mantel“ https://www.youtube.com/watch?v=GrySl-x1DXc „Innerer Tresor“ Gute innere Objekte fördern Gute Körperzustände herstellen (z. B. Yoga) Schutz vor weiterer Traumatisierung Kein Recht, auf irgendwelche Handlungen zu drängen – Aber Gründe verstehen Verleugnung von Gefahren bearbeiten Benennung, Validierung und Differenzierung von Gefühlen Eigene Bedürfnisse wahrnehmen Selbstfürsorge und Selbstwertgefühl fördern Therapie als neue Beziehungserfahrung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 273 Verschiedene Phasen der Therapie 1. Erstgespräch – Diagnostik und Anamnese 2. Probatorik 3. Phase I: Stabilisierung und Ressourcenaktivierung 4. Phase II: Trauma-Exposition 5. Phase III: Integration und Neuorientierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 274 Voraussetzungen für ein traumabearbeitendes Vorgehen Stabilität der Patientin Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen und sich selbst zu trösten Kein anhaltender Täterkontakt Umfassende Diagnostik dissoziativer Symptomatik Relative Kontraindikation bei schweren dissoziativen Zuständen Nur sehr erfahrene Traumatherapeut*innen Aufklärung und ausdrückliches Einverständnis der Patientin Traumaarbeit dann im Rahmen einer längeren Sitzung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 275 Beobachtertechnik I Voraussetzungen Vertrautheit mit dem inneren Beobachter sowie imaginativen Übungen wie „sicherer Ort“, „innere Helfer“, „ideale Eltern“ und „Tresor“. Der beobachtende Teil unterstützt, indem er zwischen dem erlebenden und erzählenden Ich vermittelt. Vorbereitung Traumatische Situation benennen und klären, worin die Belastung besteht (z. B. Anfang und Ende des Ereignisses). Subjektiven Belastungsgrad (z. B. über die SUD-Skala) feststellen. Durchführung Body-Check: Prüfen, ob traumabezogene negative Körperempfindungen vorliegen. „Erlebende Teile“ und das heutige Ich imaginativ an einen sicheren Ort bringen, um Sicherheit herzustellen. Das beobachtende Ich schildert die Beobachtungen dem erzählenden Ich (Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle) und hilft bei der Verarbeitung. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 276 Beobachtertechnik II Traumaverarbeitung Reaktionen wie Trauer, Wut oder Zittern deuten auf eine Verarbeitung hin und sollten behutsam begleitet werden. Überflutung vermeiden, Sicherheit stets gewährleisten. Nachbereitung Bedürfnisse des verletzten jüngeren Ich ermitteln und imaginativ befriedigen. Belastung erneut überprüfen (ggf. erneuter Body-Check) und Hilfen zur Selbststärkung für den Alltag entwickeln. Ziel Durch die Beobachtertechnik werden traumatische Erlebnisse mit Distanz betrachtet, um sie sicher zu verarbeiten und in die Persönlichkeit zu integrieren, ohne das Erlebende zu überfordern. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 277 Fallbeispiel M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 278 Videobeispiel I M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 279 Videobeispiel II M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 280 Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR) https://www.youtube.com/watch?v=d7Svxj0c7JE M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 281 EMDR EMDR-Standardprotokoll nur bei belastbarer Stabilität und bei klaren sowie abgrenzbaren Traumaerinnerungen anwenden. "Umgekehrtes Standardprotokoll" bei umfangreicheren und weniger gut abgrenzbaren Kindheitstraumatisierungen, jedoch gut abgrenzbaren Traumatisierungen der jüngeren Vergangenheit ohne dissoziative Symptomatik. Fraktioniertes Prozessieren und "Pendeltechniken" bei labiler Emotionsregulierung und dissoziativ veränderten Traumaerinnerungen. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 282 Gemeinsamkeiten der Techniken Nur aushaltbare Belastungen zulassen, Überflutungen und Dissoziationen vermeiden. Starker Gegenwartsbezug ist wichtig für sichere und effektive Behandlung. Ziel: Verbesserung der Lebensqualität in der Gegenwart. Nachbearbeitung der Traumakonfrontationen ist erforderlich. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 283 Verschiedene Phasen der Therapie 1. Erstgespräch – Diagnostik und Anamnese 2. Probatorik 3. Phase I: Stabilisierung und Ressourcenaktivierung 4. Phase II: Trauma-Exposition 5. Phase III: Integration und Neuorientierung M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 284 Integration und Neuorientierung Zwar finden Trauer- und Integrationsprozesse nicht erst am Ende einer Traumatherapie statt, aber sie haben hier nochmal eine besondere Bedeutung, weil die zu integrierenden und zu betrauernden Erfahrungen meist weitaus schwieriger sind, als bei nicht-traumatisierten Patienten. „Trauerarbeit fordert Menschen mit komplexen traumatischen Erfahrungen in besonderer Weise. Es macht sicher einen Unterschied, ob man Eltern entidealisieren muss – was in jeder Therapie eine wichtige Rolle spielt – oder akzeptieren, dass sie einen gehasst und abgelehnt, vernachlässigt und auf andere Weise traumatisiert haben“ (Reddemann 2011, S. 238). Reddemann empfiehlt, sich Zeit für die Trauer zu lassen und Visionen für das neue Leben zu entwerfen. M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 285 Weiterführende Informationen Vorträge von Luise Reddemann https://www.lptw.de/archiv/dozent.php?id=5242 https://www.luise-reddemann.de/ Bessel van der Kolk Buch: „The Body Keeps Score“ M4: Psychodynamische Modelle und Therapien | Institut für Psychologie | WS 24/25 | Seite 286 Gliederung der Vorlesung Sitzung Termin Thema 1. 04.11.2024 Organisation, Auffrischung Bachelorvorlesung 2. 11.11.2024 Psychodynamisches Störungsverständnis 3. 18.11.2024 Settings, Techniken, Manuale 4. 25.11.2024 Analytische Psychotherapie 5. 02.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Depression 6. 09.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Angststörungen 7. 16.12.2024 Modelle und Psychotherapie der Traumafolgestörungen Weihnachten 8. 13.01.2025 Modelle und Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen I 9. 20.01.2025 Modelle und Psychotherapie der Persönlichkeitsstörungen II 10. 27.01.2025 Psychodynamische Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen 11. 03.02.2025 Psychodynamische Gruppentherapien 12. 10.02.2025 Forschung zur Psychodynamischen Psychotherapie 13. 17.02.2025 Puffer 19.02.2025 Klausur I 15:30h – 16:30h E-Klausuren Center 16.04.2025 Klausur II 09:15h – 10:15h E-Klausuren Center Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!