Lernzettel Kommunikationswissenschaften PDF
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Universität Erfurt
2023
Markus Seifert
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Summary
Diese Zusammenfassung der Lerninhalte Kommunikationswissenschaft aus dem Wintersemester 22.23 behandelt die Forschungsfelder und Fachgeschichte der Kommunikationswissenschaft. Es werden zentrale Fragen und Theorien, wie die Lasswell-Formel, erklärt und Beispiele für Forschungsfragen analysiert. Außerdem werden interdisziplinäre Bezüge, Fachgesellschaften und relevante wissenschaftliche Zeitschriften vorgestellt.
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WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Schwerpunktfragen zu den Lerneinheiten 1–9 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Wintersemester 22.23 Dr....
WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Schwerpunktfragen zu den Lerneinheiten 1–9 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Wintersemester 22.23 Dr. Phil. Markus Seifert LE 1 Forschungsfelder und Fachgeschichte Was sind Forschungsfragen der Kommunikationswissenschaft? - Das Erkenntnisziel (Formalobjekt) der Kommunikationswissenschaft ist die Erforschung von Kom- munikationsprozessen zwischen Menschen und den Voraussetzungen, Rahmenbedingungen, Stö- rungen sowie Folgen von Kommunikation auf der Mikro- (Dialog), Meso- (Organisation) oder Makroebene (Öffentlichkeit, Publizistik). - Dabei geht sie systematisch, theorie- und hypothesengeleitet vor und verwendet unterschiedli- che Methoden der empirischen Sozialforschung sowie hermeneutisch-verstehende Verfahren. ➔ Forschungsfelder sind die Überbegriffe, die wir anhand der Lasswell-Formel ableiten können und Forschungsfragen sind dann innerhalb dieser Forschungsfelder konkrete Forschungsfragen - Grundfrage: Wie, unter welchen Bedingungen und mit welchen Folgen funktioniert menschliche Kommunikation? Beispiele für relevante Forschungsfragen der KW: ➔ Wie ist Kommunikation möglich? - Was unterscheidet direkte von medial vermittelter Kommunikation? - Verdrängt die Medienkommunikation das direkte Gespräch; und: Verdrängen neue Medien die alten? - Wie haben sich Kommunikation, Medien und Öffentlichkeit im Laufe der Geschichte entwickelt? - Liefern uns Medien und Journalismus ein »objektives« oder realistisches Bild der Wirklichkeit? - Manipulieren Medien und Werbung die Menschen? - Wie wirkt die mediale Gewaltdarstellung auf Jugendliche? - Wieso sehen manche Menschen viel fern und manche nur sehr wenig? - Wie verändert sich öffentliche Kommunikation durch die Kommerzialisierung der Medien? - Wie können die Kommunikationsfreiheiten auch vor dem Hintergrund wachsender Sicherheitsprobleme gesichert werden? - Wie beeinflussen sich Medien und Politik? - Wie werden sexuelle Minderheiten in deutschen Unterhaltungsformaten dargestellt? - Welchen Einfluss hat die Ausbreitung von Fake News und alternativen Fakten auf die US-Wahlen - Welche Faktoren spielen bei der Auswahl von Nachrichten durch Journalisten eine Rolle? Wie unterscheiden sich medien- und kommunikationswissenschaftliche Perspektiven? Wo liegen die jeweiligen wissenschaftlichen Traditionen? Abgrenzung zur Medienwissenschaft: Medienwissenschaft ging aus Literatur- und Theaterwissenschaft hervor und beschäftigt sich damit, wie Literatur etc. in andere Medien übersetzt werden kann. - insbesondere fiktionale, nicht-journalistische Formen medial vermittelter Kommunikation im Mittelpunkt 1 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Kommunikationswissenschaft hingegen ist die Erforschung von Kommunikationsprozessen zwischen Menschen sowie den Voraussetzungen, Folgen, Bedingungen und Störungen von Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen. - Interdisziplinarität → KW greift immer wieder auf Erkenntnisse und Befunde aus Publizistik- und Medienwissenschaft zurück - Integrationswissenschaft → Berücksichtigung verschiedenster Perspektiven und Aspekte Was ist mit Theorien- und Methodenpluralismus gemeint? Theorienpluralismus: Es gibt keine große kommunikationswissenschaftliche Theorie, sondern eine Reihe von Themen mittlerer Reichweite mit begrenztem Aussagewert. Methodenpluralismus: Ziel der KW: systematische, theorie- und hypothesengeleitete Produktion von Wissen; dabei methodisches Vorgehen! KW verfügt nicht über völlig eigenständige genuine Metho- den, sondern kombiniert historisch-hermeneutische sowie interpretative Verfahren mit dem gesam- ten Methodenarsenal der quantifizierenden und qualitativen Sozialforschung. (z.B. Inhaltsanalysen, verschiedene Formen der Befragung, Labor-/Feldexperimente, technische Messungen) Wie hat sich das Fach Kommunikationswissenschaft seit den 1960er Jahren von der Publizistik- zur Kommunikationswissenschaft entwickelt? Die Kommunikationswissenschaft, als interdisziplinäre Geistes- und Sozialwissenschaft, entstand aus der Zeitungskunde, wurde als Zeitungswissenschaft weitergeführt und bekam ab 1945 die Bezeich- nung Publizistikwissenschaft. Heute wird oft von Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ge- sprochen. - in Westdeutschland und Berlin war das Fach bis in die 60er von personeller, z.T. auch wissen- schaftlicher Kontinuität geprägt - aus normativ ausgerichteter Publizistik entwickelte sich eine stärker am Kommunikationspro- zess ausgerichtete, empirisch arbeitende, sozialwissenschaftliche Kommunikationswissen- schaft - nach 1968: Entstehung Ansätze einer materialistischen oder kritischen Kommunikationswis- senschaft - seit 70er-/80er-Jahren starke Ausdifferenzierung des Fachs Welche Personen setzen mit Beginn der 1960er Jahre neue Impulse für das Fach Kommunikations- wissenschaft? - Gerhard Maletzke (erstmals deutschsprachige Übersetzungen, 1963) - Elisabeth Noelle Neumann (brachte Methoden der empirischen Sozialforschung nach Deutsch- land und nutzte sie für Fach Publizistik) - Fritz Eberhard (plädierte für empirische Nutzungs- und Wirkungsforschung) - Henk Prakke (entwickelte funktionale Publizistik, die sich stärker am Kommunikationsprozess ori- entierte und die normative Ausrichtung überwand) 2 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Welche Forschungsfelder der Kommunikationswissenschaft können unterschieden werden? - Forschungsfelder lassen sich an Fragestellungen festmachen ➔ vgl. LASSWELL-FORMEL (Lasswell, 1948) - Harold D. Lasswell (1902-1978) → US-amerikanischer Politik- und Kommunikationstheoretiker - „A convenient way to describe an act of communication is to answer the following questions: Who says what in which channel to whom with what effect?“ 1. Kommunikator- und Journalismusforschung (Who says) - Untersuchung der Personen und Organisationen, die Medieninhalte kreieren und verbreiten - z.B. Einfluss der persönlichen Einstellungen der Kommunikatoren auf Inhalte 2. Aussagen- und Inhaltsanalyse (what) - Untersuchung der formalen Merkmale, gestalterischen Besonderheiten und Botschaften in verschiedenen Medienformaten 3. Medienforschung (in which channel) - Untersuchung der technischen Mittel und Mittler der Kommunikation - z.B. Konzerne, Medienunternehmen und deren Strukturen, Organisationsformen und Funkti- onsweisen 4. Mediennutzungsforschung (to whom) - Wer rezipiert welche Medien wann und warum? - Nutzung und Nutzungsmotive - Nutzer stehen im Mittelpunkt 5. Medienwirkungsforschung (with what effect?) - Untersuchung der weitreichenden Konsequenzen der Rezeption (z.B. Emotionen, Meinungs- bildung) - nicht an spezifische Menschen, Medien, Situationen gebunden Kritik an der Formel: erfasst nicht alle Aspekte der Kommunikationswissenschaft (es fehlen z.B. Kom- munikationsintention, raum-zeitlicher Kontext) und gilt nur für Massenkommunikation → in der Lass- well-Formel wird Kommunikation als einseitiger Übermittlungsprozess verstanden Welche interdisziplinären Bezüge sind zu erkennen, welche Teildisziplinen haben sich herausgebil- det? Kommunikationswissenschaft ist eine theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft, die interdisziplinär arbeitet und Bezüge zu anderen Fächern herstellt. 3 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Interdisziplinäre Bezüge nach Hans Pürer (2003): - Soziologie - Psychologie - Geschichte - Erziehungswissenschaften - Rechtswissenschaften - Politikwissenschaften - Linguistik - Philosophie - Ethik - Wirtschaftswissenschaften Welche sind die wichtigsten Fachgesellschaften und wissenschaftlichen Journals? Fachgesellschaften Journals DGPuK Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Journal of Communication Kommunikationswissenschaft ecrea European Communication Research and European Journal of Communication Education Association ICA International Communication Association Medien- und Kommunikationswissenschaft M&K Publizistik Mediaperspektiven Studies in Communication and Media Communication Theory Was ist das S-R-Modell? - Gilt als Axiom der direkten, unvermittelten, monokausalen Wirkungen - Stimulus → Reaktion Axiom der Kommunikationstheorie - Watzlawick - „Man kann nicht nicht kommunizieren“ Schwerpunkt: „Krieg der Welten“ - Radiosendung 1938 mit Orson Welles (lief abends zur Primetime) - „Der Krieg der Welten“ → Buch wurde in verteilten Rollen vorgetragen o „Gefahr für Menschen auf der Erde droht“ o Weltuntergangsstimmung verbreitet → Radiohörer gerieten in Panik - Besonderheiten: o Unterhaltungssendung: Nachrichten rein fiktiv, in Hörspielform (Broadcast) o Sofortmeldungen, Musik lief weiter o Radiodurchsagen ohne journalistische Aufbereitung 4 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft o Für damalige Zeit ungewöhnlich ➔ Radio hat starke Wirkung auf Menschen, Menschen glauben den Massenmedien Im Anschluss wurden Studien durchgeführt: 1. Case Studies (Leitfadeninterviews ca. 3 Wochen nach Hörspiel) → Ziel: Erklärung des Verhaltens o Ergebnisse wurden in 4 Gruppen eingeteilt: 1. Gruppe 2. Gruppe 3. Gruppe 4. Gruppe - intelligent - in anderen Me- - ähnlich zu Gruppe 2, - so verzweifelt, - skeptisch → ge- dien (Zeitung, an- aber haben schon dass keinen Sinn wisse Logikfehler dere Radiosen- daran geglaubt und mehr gesehen → - Vorwissen (kann- dungen) infor- wurden in Wahr- Hilflosigkeit, pa- ten Orson Welles, miert nehmung bestätigt ralysiert Buch) - selbst überzeugt - informiert, um An- - Sprache zu fantas- (aus Fenster ge- nahme zu bestäti- tisch → kaum vor- guckt und nichts gen (Grundangst stellbar gesehen) spielt große Rolle) - eher intelligente - Sinnestäuschungen Handlung (heiß geworden, - mussten sich zu- grünes Licht am Ho- nächst orientieren rizont, unbeantwor- tete Anrufe) → ver- unsichert, Angst 2. CBS-Survey (Standardisierte Befragung direkt nach Hörspiel) LE 2 Medien und Medienwandel Wie lässt sich der Begriff „Kommunikation“ nach Merten (1977) differenzieren (vgl. Pürer, 2014, S. 64)? Differenzierung in: 1. subanimalische Kommunikation o Kommunikation zwischen Organismen o technische oder naturwissenschaftliche Erscheinungen (z.B. Entstehung einer Verbin- dung aus zwei Molekülen) 2. animalische Kommunikation o zwischen Lebewesen (sei es zwischen Tieren oder zwischen Menschen und Tieren) 3. Humankommunikation o ausschließlich Kommunikation unter Menschen o Kennzeichen: Verfügbarkeit eines sprachlichen Kanals neben anderen – nonverbalen – Kommunikationskanälen 4. Massenkommunikation o besondere Form der Humankommunikation o auf technische Medien angewiesen (ist also indirekt), läuft i.d.R. einseitig ab und richtet sich an die Öffentlichkeit 5 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Durch welche Merkmale ist (Face-to-face-)Kommunikation gekennzeichnet? Individualkommunikation kann sowohl direkt/Face-to-Face als auch medienvermittelt stattfinden. Merkmale der Individualkommunikation (nach Merten, 1977) Wechselseitigkeit Status, Symmetrie/Asymmetrie Intentionalität Absichthaftigkeit des Senders, Zielgerichtetheit der Botschaft an den Empfänger Anwesenheit gegenseitige Wahrnehmbarkeit der Kommunikationspartner in der direkten In- teraktion Sprachlichkeit verbal & nonverbal Wirkung sämtliche Verhaltensweisen und Erlebnisprozesse → Änderung in Wahrneh- mung/Einstellung → Lernprozess Reflexivität Rückbezüglichkeit (Zeit-, Sach-, Sozialdimension (z.B. Vertrauen in Fähigkeiten schaffen) ➔ mögliche Klausurfrage: anhand eines selbstgewählten Beispiels die Merkmale erklären Kommunikation zwischen zwei Personen (Face-to-face) verläuft in aller Regel in direkter Interaktion, wechselseitig und pri- vat, wobei eine Vielzahl von Kommunikationskanälen benutzt wird. Die Kommunikationspartner sind gleichzeitig anwesend und gegenseitig wahrnehmbar, wodurch ein hoher Grad an Reflexivität und Reaktion gegeben sowie Rückfragen möglich sind. Face-to-face Kommunikation hat eine dyadische oder dialogische Struktur. Was ist unter verbaler Kommunikation und was unter nonverbaler Kommunikation zu verstehen? Verbale Kommunikation Non-verbale Kommunikation - Austausch von Information über sprachli- - Formen des menschlichen Elementarkon- che Kommunikationsformen taktes neben und außerhalb der Sprache - verbale Mittel: Sprache, Wörter - nonverbale Mittel: Körpersprache, Mimik, - paraverbale Mittel (Art und Weise): Stimm- Gestik, Proxemik1, Geruch, Geschmack, qualität, Tonfall, Lautstärke, Stimmdynamik, Blickkontakt, … Sprechpausen, dialektische Färbung, … Welche Medien der Kommunikation lassen sich unterscheiden? Der Medienbegriff der Kommunikationswissenschaft ist geprägt durch Marshall McLuhan: - „The Medium is the Message“ o technikdeterminiert, das Medium prägt die Aussage o „massage“ → Synapsen massieren → Bewusstsein erweitern - „Extension of men“ 1 Proxemik bedeutet Raumverhalten, also die räumliche Konstellation der Kommunikations- oder Interaktionspartner in einer bestimmten Situation. Dabei kommt es auf die räumliche Verteilung, den Abstand, die Körperhöhe, die Körperaus- richtung und eine eventuelle Berührung der Körper an 6 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft o alles, was das Bewusstsein erweitert, ist ein Medium o z.B. Fernglas, Straße, Flugzeug, Geld, Buch Unterscheidungsmöglichkeiten kommunikativer Medien nach Beck, 2010: Kommunikative (Wahrnehmungskanäle, Sinne) und materielle (z.B. Papier) Medien technische Medien (Überwindung von Raum und Zeit: z.B. Computernetzwerke, Internet) Individual-, Massen- und Hybridmedien (Hybrid- medien: z.B. Social Media) Primäre (Face-to-Face, ohne technische Verbrei- tungsmittel), sekundäre (Kommunikator braucht technische Mittel) und tertiäre (Kommunikator und Empfänger brauchen technische Mittel) Medien Medien als Organisationen und Institutionen Welche Kanäle der Kommunikation bzw. Sinnesmodalitäten könnten differenziert werden? Kommunikationskanal Erklärung auditiver Kanal Wahrnehmung von verbalen & paraverbalen Informationen visueller Kanal Vermittlung der meisten nonverbalen Informationen (Mimik, Gestik, …) taktiler Kanal Wahrnehmung von Körperberührungen thermaler Kanal Wahrnehmung der Körperwärme des Kommunikationspartners olfaktorischer Kanal Vermittlung von Gerüchen gustatorischer Kanal Vermittlung von Geschmacksempfindungen Was ist unter Massenkommunikation zu verstehen? Was ist ein disperses Publikum? Massenkommunikation (Maletzke, 1963) ist eine Form der Kommunikation, bei der Aussagen öffentlich, durch technische Verbreitungsmittel, indirekt und einseitig an ein disperses Publikum vermittelt werden. Wie lässt sich das Konzept der „Massenkommunikation“ umreißen? Anfänge gegen Ende der 1930er Jahre: - massenhafte Distribution und Rezeption - unidirektionaler Fluss, asymmetrische Beziehung - unpersönlich und anonym - berechnende oder manipulative Intention - standardisierte Inhalte Das disperse Publikum: - unüberschaubar - heterogen (verschiedene Gruppen vertreten) 7 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft - anonym - raum-zeitlich nicht bestimmbar - verursacht hohe Streukosten - aber Ansprechbarkeit (z.B. „Liebe Zuschauer“, „Liebes Publikum“) Was sind Medieninnovationen und wie lassen sie sich zeitlich ordnen? Medieninnovationen als Forschungsfeld der Kommunikationswissenschaft - Zentrale Frage: Wie verändern Medieninnovationen die Kommunikation in der Gesellschaft? - Medien als Ursache wie auch Katalysator gesellschaftlicher Veränderungen - Gleichzeitig Untersuchung der Ursachen und Bedingungen der Entstehung neuer Medien Mögliche Themenfelder: - Medieninnovationen o im Journalismus o für die politische Kommunikation o für Medienregulierung und Medienpädagogik - Medieninnovationen und Medienökonomie - Nutzer und Nutzungsweisen - Auswirkungen auf soziale Beziehungen Medieninnovation (Dogruel, 2013) Der Begriff Medieninnovation findet in der Kommunikationswissenschaft kaum Verwendung. Statt- dessen wird von neuen Medien, der Entwicklung von Medien oder technischen Innovationen zur Beschreibung neu entstandener Kommunikationsangebote gesprochen. Die Medien- und Kommunikationsgeschichte stellt sich als die Teildisziplin heraus, die am ehesten um eine Beschreibung und Erklärung der Entwicklung von Medien bemüht ist. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf die Einbettung der Medienentwicklungen in ihre jeweiligen Kontexte (politische, wirtschaftliche, kulturelle und soziale). (vgl. Pürer, 2003) Mediengeschichte stellt meist die Beschreibung der Entstehung und Verbreitung neuer Medien im zeitlichen Ablauf dar. Kritisiert wird sie wegen ihrer Theorielosigkeit. Die Lösung dafür stellt das Mo- dell der symbolischen Repräsentation des Medienwandels von Garncarz, 2009 dar. Es besteht aus 3 Phasen: 1. Erfindung Erstellung eines Prototyps, Verwendung & Herausbildung 2. Etablierung Einführung von Medieninnovation in den Markt, bestimmte Nutzungsformen bil- den sich heraus (z.B. standardisierte Produkt-/Programmformen) 3. Verbreitung Wirtschaftliche Verwertung, Standardisierung, Verbilligung, keine grundlegende Änderung der Produktform, gleichzeitig kulturelle Differenzierung Ob sich neue Medientechnologien durchsetzen, ist dabei abhängig von Attraktivität, Verfügbarkeit und Kosten. 8 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Modell: Phasen der Mediendifferenzierung (Stöber, 2003) Phasen Erfinder/Ent- Produkt Publikum Verwendungs- wickler zweck/Reglementie- rung Invention Tüftler, unzusam- Teuer, unzuver- Erfinder/Wissen- Unklar, keine Regle- menhängend, lässig, experimen- schaftler/Patentämter mentierung planlos telle Fertigung, exotische Materi- alien, isolierte De- taillösungen Innovation Systematisch, von Zuverlässiger, Wirtschaft: kommer- Verwendung geklärt, Unternehmen, Verbesserung und zielles Interesse Aushandlung der Reg- z.T. staatlich ge- Verbilligung von Staat: hoheitsrechtli- lementierung fördert Fertigung und che Aspekte Material Massenpublikum: er- wachendes Bedürfnis Diffusion Systematisch, Alltagstaugliche Zunächst dynamische Selbstverständlichkeit Großfirmen, er- Komplettlösun- Zunahme, später der Verwendung, halten weniger gen, geringe Kom- Marktsättigung etablierte Reglemen- staatliche Förde- plexität tierung rung Die Diffusionsphase ist abgeschlossen, wenn ein älteres Medium vollständig von einem neueren ver- drängt wird. Kritik nach Riepls Gesetz (1913): Gesetzartige Aussagen und ihre Anwendung auf moderne (Massen-) Medien sind zu kritisieren, insb. die Verengung auf den Extremfall der vollständigen Verdrängung (Peiser, 2008) Dynamische Ausbreitung der neuen Medien (Stöber, 2003) - Medien finden erst bei den Neueren Zuspruch, dann bei der frühen und späten Mehrheit und dann bei den Nachzüglern (Rogers, 1962) - Für die Wahrscheinlichkeit der Übernahme neuer Medien sind soziodemografische Merkmale bedeutsam (Alter, Bildung, Einkommen) 9 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Was ist unter Medienwandel zu verstehen? Als Medienwandel ist die Veränderung eines oder mehrerer Medien unter technischen sowie sozialen und kulturellen Kriterien zu verstehen. (Krotz, 2015) Beispiele für einen Medienwandel: - Einführung Fernsehsendung Teletubbies in den 1990ern oder der Sesamstraße in den 1970ern - Entstehung des Bahnhofsbuchhandels und der Wandel des Zugreisens Was ist der Unterschied zwischen Medieninnovation, Mediendifferenzierung und Medienwandel? - Medieninnovation: Überbegriff von Beobachtung neuer technischer Entwicklungen - Mediendifferenzierung: Wie sich neue technische Erfindungen in einer Gesellschaft verbreiten o Modell von Stöber (Unterschied Stöber & Garncarz → 2 Modelle für Mediendifferenzie- rung, die das gleiche beschreiben) - Medienwandel: Entwicklung & Veränderung der Medien Wie hängt Mediatisierung mit dem Medienwandel zusammen (Krotz, 2012) (zusätzliche Frage) Mediatisierung als ein Metaprozess2, der: - sich in verschiedenen Kulturen & historischen Phasen ungleichzeitig & unterschiedlich entwickelt - lang andauernd ist - über verschiedene Gesellschaftsschichten übergreift Mediatisierung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von: - Medienwandel und - dem Wandel von Alltag, sozialen Beziehungen, Identität etc. der Menschen, - dem Wandel von Institutionen und Organisationen sowie dem - Wandel von Kultur und Gesellschaft insgesamt und den damit zusammenhängenden Fragen Mediatisierung: Gesellschaft/Alltagswelten (privat & öffentlich) werden medial durchdrungen → zunehmende Dichte der Medien LE 3 Interpersonale Kommunikation Was unterscheidet Human-Kommunikation von der der Tiere? Im Gegensatz zu Tieren handeln Menschen nicht nur nach einem einfachen Reiz-Reaktions-Schema, sondern darüber hinaus über signifikante Gesten und Symbole. Unser Handeln ist mit einem subjek- tiven Sinn verbunden (Handlungstheorie von Max Weber) 2 Prozess von Prozessen (viele kleine Prozesse finden statt & werden unter einem großen Prozess zusammengefasst) 10 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Kommunikation der Tiere Kommunikation der Menschen (animalische Kommunikation) (Humankommunikation) - Reiz-Reaktions-Schema - bewusstes, reflexives Einsetzen von Zeichen - reagieren genetisch und instinkthaft - Verwendung signifikanter Gesten & Sym- - „Gesten“ sind v.a. expressiver Ausdruck von bole, die sozial ausgehandelt wurden („vo- Trieben und werden unreflektiert, unbe- kale Geste“ – Sprachvermögen → Mensch wusst gezeigt → nicht signifikant wird selbst zum Objekt & entwickelt Selbst & Selbstbewusstsein) - Hineinversetzen in Lage des Zuhörenden - Hören von selbst Gesagtem - Fähigkeit zum „Role-Taking“ - Handeln nach einem subjektiven Sinn Was ist unter symbolischem Interaktionismus zu verstehen? ➔ Bedient sich wechselseitig aufeinander bezogenes soziales Handeln bestimmter Symbole, die als Stellvertreter für etwas bestimmtes anderes, nicht vorhandenes oder tatsächlich ausgeführtes stehen, sprechen wir von symbolischer Interaktion. ➔ Menschen setzen bewusst auch Zeichen ein (Besonderheit Humankommunikation) Fähigkeiten der Menschen: 1. „Signifikante Symbole“ (gleiche Bedeutung) o werden von Gesprächspartnern (annähernd) gleich verstanden o Bedeutung nicht einzeln individuell ausgewählt, sondern sozial ausgehandelt 2. „Vokale Geste“ (ßunsere Sprache) o Bedeutung der Symbole möglich durch unsere Sprache/von mir selbst und Zuhörern ge- hört 3. „Role Taking“ (Rollenübernahme) o in Rollen hineinversetzen Folgen: - Rollenübernahme kann ausprobiert werden - Entwicklung des „Selbst“ und des „Selbstbewusstseins“ ➔ Reflektieren über mich selbst, macht mich erst zum Menschen Worin besteht der Unterschied zwischen Verhalten und Handeln? Handlungstheorie (Max Weber) 11 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Verhalten Handeln Reaktion auf Reiz/Ins- spezifisch menschliches Verhalten, das ein Bewusstsein voraussetzt und tinkt, unkontrolliert, eine Absicht verfolgt → folgt subjektivem Sinn (= beinhaltet Ziele, Ge- spontan, unreflektiert fühle, Werte, welche Handelnde mit dem Handeln verbinden (motivie- → jegliche Regung ei- render Zweck für mich selbst)) nes Organismus durch ➔ sinnhaft interne oder externe Reize (Reiz-Reaktion- Schema) ➔ nicht sinnhaft soziales Verhalten: soziales Handeln: kommunikatives Han- zweckrationales Handeln: Auslöser und Bezugs- Handeln ist auf andere deln: rationale Wahl (Nutzen ge- gen die Kosten abwägen → punkt ist Verhalten bezogen und orien- Sonderfall sozialen möglichst viel Ertrag, wenig anderer (Artgenossen) tiert sich im Ablauf an Handelns, der sich auf Kosten) anderen Senden (mit allen Bsp.: Influencer (lässt Kommunikationsmit- Kommentare zu, kriti- teln (verbal, paraver- siert, verlinkt, …) bal, nonverbal)) und Hören beschränkt → Interaktion (= wenn beide sozial/kommuni- kativ handeln) Was besagt die Theorie des kommunikativen Handelns? kommunikatives Handeln = Sonderfall sozialen Handelns, der sich auf Senden (mit allen Kommunikationsmit- teln) und Hören beschränkt → Interaktion/Verstehenshandlung Theorie des kommunikativen Handelns (Jürgen Habermas): - begründet Unterschied vom kommunikativen Handeln zu instrumentellem, zweckrationalem Handeln - 4 Geltungsansprüche müssen erfüllt sein: 1. verständliche Kommunikation vom Sprecher (grammatische Regeln einhalten) 2. Gegenstände der Rede müssen wahr 3. und wahrhaftig sein 4. Sprecher muss vor dem Hintergrund geltender sozialmoralischer Normen richtig handeln ➔ Geltungsansprüche führen zur gewaltfreien manipulationslosen Kommunikation ohne Überre- dungscharakter (wenn nicht erfüllt: strategisches Handeln) Welche Funktionen besitzen sprachliche, nonverbale und paraverbale Signale? sprachliche (verbale) Signale: - versetzen uns in die Lage, Begriffe zu bilden und neue sowie individuelle Erfahrungen in das sozi- ale System der Begriffe einzuordnen - bietet Möglichkeit der Transzendenz - Überschreiten der Zeit 12 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft nonverbale Signale: - begleiten Sprache aber sind nicht damit verbunden - sind Anzeichen für die tatsächliche oder angebliche Befindlichkeit des Redners, für Glaubwürdig- keit etc. paraverbale Signale: - unmittelbar mit dem Sprechen verbunden - Ausdruck der Art und Weise des Sprechens sowie möglicherweise Indizien für andere Eigenschaf- ten oder Stimmungen des Redners - Hinweise auf Aufrichtigkeit, Glaubwürdigkeit, Engagement, Dringlichkeit, Relevanz Welche Probleme entstehen mit einer zunehmenden Mediatisierung interpersonaler Kommunika- tion? 1. Kanalreduktions-These Sobald Technik und Medien zwischen die Kommunikanten treten, sei Kommunikation gar nicht mehr oder nur in defizitärer Form möglich, weil die Vielfalt der menschlichen Wahrnehmung auf einen oder wenige menschliche Sinneskanäle reduziert wird. ➔ die Nutzung von Medien zur interpersonalen Kommunikation schränkt diese durch Kanalreduk- tion ein ➔ defizitäre (medienvermittelte) Kommunikation → meist trotzdem erfolgreich (Bsp.: Telefonieren) langfristige Folgen: - Der Wegfall von sozialen Kontext-Zeichen kann enthemmend wirken. - Online-Kommunikation führt zu größerer Intimität. - Die größer werdende Anonymität kann zu Missbrauch führen 2. Substitutionsthese Durch die Technisierung der Gesellschaft kann die direkte Face-to-Face-Kommunikation immer häufiger durch „mediatisierte“ Kommunikation ersetzt werden: Die Medien verdrängen demnach das persönliche Gespräch. - Annahme: Face-to-Face-Kommunikation wird zunehmend durch interpersonale mediatisierte Kommunikation ersetzt (Bsp.: E-Mails, WhatsApp-Nachrichten) - Aber: kaum empirisch belastbar – Es kommt eher immer mehr zur komplementären Nutzung - oft dient interpersonale mediatisierte Kommunikation dazu, F2F-Kommunikation zu erweitern, zu verlagern und vertiefen sowie zu organisieren. Es handelt sich oftmals um eine zusätzliche Kommunikation. Wovon hängt die Wahl eines Kommunikationsmediums ab? Medienwahlregeln legen fest, in welchen Situationen welche Kommunikationsformen erlaubt sind. Medienwahl erfolgt weder rein objektiv-rational noch subjektiv, sondern im Zusammenspiel sozial moderierter Faktoren. Orientierung an: - Situation 13 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft - Kommunikationspartner - Anlass und Ziel des kommunikativen Handelns - sozialen und kulturellen Regeln (social influence) ➔ Art der Botschaft und den objektiven Eigenschaften der Medien Welche Medienregeln gelten für Sie und Ihre technisch vermittelte interpersonale Kommunikation? Wozu benötigen wir solche Regeln? Als Prozedurale Medienregeln bestimmen sozial ausgehandelte und kulturell tradierte Medienre- geln, wie mithilfe eines einmal gewählten Mediums (oder Kommunikationsmodus) kommuniziert wird - Wie dürfen sich Kommunikanten während technisch vermittelter Kommunikation verhalten? o Was wird erwartet, was ist erlaubt, was verpönt oder unüblich? - beschreiben zugleich Kompensationsmaßnahmen für fehlende Zeichen - kulturell, sozial und historisch wandelbar - besitzen jeweils aktuelle Geltung, auch wenn man gegen sie verstoßen kann ➔ Im Falle technisch vermittelter interpersonaler Kommunikation strukturieren die Medienregeln die wechselseitigen Erwartungen der Kommunikanten, Interaktion wird damit erheblich erleichtert und es können sogar einige semiotische Defizite kompensiert werden, die der technischen Ver- mittlung geschuldet sind. Prozedurale Medienregeln (nach Höflich, 1997) → am Beispiel des Telefons 1. Erreichbarkeit als Grundvoraussetzung 2. Identifikation (Angerufener identifiziert sich namentlich, daraufhin Identifikation des Anrufers) 3. Begrüßung (= Gesprächseröffnung) 4. Begründung des Anrufs vom Anrufer 5. Gesprächsdauer (abhängig von Kommunikationsanlass, sozialer Beziehung der Kommunikanten) 6. Infos über raumzeitlichen und sozialen Kontext („Ich sitze im Zug und bin gerade in …“) 7. Sprecherwechsel 8. Gesprächsbeendigung/Verabschiedung/Auflegen (i.d.R. beendet Anrufer das Gespräch) 9. Umgang mit Regelverstößen (Entschuldigungen, Erklärungen, Ersuchen um Verzeihung) LE 4 Kommunikatorforschung Was versteht man unter Kommunikatoren der öffentlichen Kommunikation? Bezeichnung für die Gesamtheit aller Kommunikationsvorgänge, die in der Öffentlichkeit stattfinden. Öffentlichkeit wird im Modell der Soziologen Friedhelm Neidhardt (*1934) und Jürgen Gerhards (*1955) als ein für alle zu- gängliches Kommunikationsforum verstanden, auf dem individuelle oder kollektive Akteure Aussagen oder Meinungen zu politischen Themen kommunizieren. ➔ Kommunikatoren sind indirekt schöpferisch, gestaltend, be- und verarbeitend, selektiv oder steu- ernd im Prozess öffentlicher Kommunikation tätig und nehmen damit eine Schlüsselrolle in der Publizistik ein. 14 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft ➔ Soziale Akteure, die eine Aussage für die öffentliche Kommunikation auswählen, gestalten und präsentieren. (= Journalisten) Bereiche/Formen öffentlicher Kommunikation: 1. Personen, die Öffentlichkeitsarbeit betreiben (z.B. PR) 2. Journalismus 3. Werbung Welche Rolle spielen Regelungen und Gesetze der Kommunikations- und Medienpolitik wie auch normative Vorgaben in einer Debatte um journalistische Qualität? - Qualität des Journalismus soll durch Vielseitigkeit gestattet werden, durch den verpflichtenden Rundfunkbeitrag (18,36 €) - Durchführung von Programmstrukturanalysen (Zusammenschluss von ÖR, PR) - Durchführung unter Institut Göfak Medienforschung - Auf der einen Seite will man Medien „frei“ lassen (Programmauftrag), andersherum aber auch Kontrolle über die Medien haben durch z.B. Gesetze/Regelungen Leitfrage: Wie sehen die Angebotsstrukturen im Dualen Fernsehsystem aus? Regelungen und Gesetze der Kommunikations- und Medienpolitik - Rechte & Pflichten vom Journalismus → Landespressegesetze - Legitimation des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks - Debatte über Konvergenz (Sich-Angleichen privater und öffentlich-rechtlicher Programme) - Qualitätsdebatte reicht bis in Einführung des Fernsehens (1980er) zurück - Status & Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks o Wiederkehrende Debatte um Frage, wie sich Medien finanzieren sollen Normative Vorgaben (Regelungen aus dem Medienrecht) - Rundfunkstaatsvertrag, Bundesverfassungsgerichtsurteile zum Rundfunk - „Was sollen journalistische Medien leisten?“ o Bundesverfassungsgerichtsurteile → Medienstaatsvertrag (Staatsvertrag der Medien- ordnung in Deutschland) → Was soll der öffentliche Rundfunk gewähren? → Grundver- sorgung (im technischen Sinne, Finanzierung gesichert, Programmauftrag: Mischung aus Unterhaltung, Bildung, Kultur) o Hintergrund: Grundlegende Veränderung der Medienlandschaft ▪ Neue Medienanbieter (Jeder kann mit wenigen Klicks „Rundfunk“ veranstalten: Streaming, Influencer, …) ▪ Neue Akteure, die den Zugang zu Medieninhalten eröffnen: „Gatekeeper“, Smart-TVs, Facebook, Google, Twitch, … (= Medienintermediäre) ▪ Neue wirtschaftliche Herausforderungen: Sichtbarkeit, Auffindbarkeit 15 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Ist eine Konvergenz privater und öffentlich-rechtlicher Medien erkennbar? - Frage: Gibt es eine? Privat-rechtliche → Finanzierung durch Werbeeinnahmen Öffentlich-rechtliche → Finanzierung durch Rundfunkgebühren 1. Formale Definition Konvergenz - aneinander angleichen/gegenseitige Annäherung 2. normative Bewertung Konvergenz - Veränderungen der inhaltlichen Positionierungen der Programmtypen im dualen Rundfunksys- tem sind medienpolitisch relevant: o Welche Bedeutung hat eine konvergente, divergente oder angepasste Verschiebung der Programminhalte für den gesellschaftlichen Anspruch? o Erfüllen die öffentlich-rechtlichen Sender noch ihren Programmauftrag? ➔ Verschiebung kann nur bewertet werden, wenn man nach Bedeutung fragt (z.B. Funktionsver- lust?) - Durchführung von Programmstrukturanalysen (z.B. ARD/ZDF-Programmanalyse) o Untersuchung der Programmleistungen der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- programme durch die ARD/ZDF-Medienkommission Tendenzen des Mediensystems: 1. Technische Konvergenz (Annäherung, Angleichung) o Verschmelzung von bisher getrennten Kommunikationstechniken (Text, Video, Audio) und Endgeräten (TV, Radio, Laptop) 2. Inhaltliche Konvergenz o Gegenseitige Annäherung der Programme der öffentlich-rechtlichen und privaten Rund- funkanbieter → Programme werden zunehmend austauschbar „Gefühlte“ Anpassungen (private Sender passen sich öffentlich-rechtlichen Sendern an) o Infotainment (Information und Entertainment): Wer wird Millionär, Gefragt Gejagt o Edutainment (Erziehung und Entertainment): Checker Tobi, Löwenzahn, Pur+ o Politainment (Politik und Entertainment): Heute-show, Lanz, Anne Will - Der Programmstrukturvergleich zeigt, dass sich ÖR-Programme in ihrer Struktur stark ähneln, die vier PR-Programme jedoch nicht (Grund: programmrechtliche Konkurrenzbedingungen) - deutlichste Unterschiede zwischen ÖR und PR gibt es bei journalistischen Informationsangeboten Fazit (Krüger, 2018; Maurer, Beier, Weiß, 2020): - „Konvergenz-Hypothese“ kann widerlegt werden - wesensmäßige Unterschiede sind scheinbar stabil. - Befunde sprechen eher für eine Anpassung der Privaten. - Damit ergeben sich gleichbleibende Voraussetzungen für die Erfüllung des Programmauftrags der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender 16 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Wie steht es um Moral, Ethik und Verantwortung im Journalismus? – Sind Journalisten persönlich und allein verantwortlich dafür, was sich im Mediensystem tut, oder gibt es noch eine Reihe anderer Verantwortlichkeiten? Moral = Werte und Regeln, die in einer Gesellschaft allgemein anerkannt sind Ethik = Wissenschaft, die sich mit dem menschlichen Handeln befasst Verantwortung = Sorge für jemanden oder für etwas, aber auch Zuständigkeit und Zurechenbarkeit oder auch Pflicht zur Rechenschaft Wer trägt Verantwortung? Kommunikator (Individualethik) - Journalist, Autor, Agentur usw. - Liefert Basis für Meinungs-/Willensbildung der Rezipienten - Gatekeeper Rolle - Basiert auf Selbstkontrolle Medienunternehmen (Unternehmensethik) - Betreiber von Massenmedien - Schaffen Rahmenbedingungen für moralisches Handeln von Medienschaffenden Rezipient (Konsumentenethik) - Publikum, Mediennutzer - Verantwortung als Teil der Beobachtungs- und Kontrollmöglichkeit - Individualethische Verantwortung für eigene Mediennutzung/derer von anvertrauten Personen - Mit-verantwortlich für humane und demokratieförderliche Mediennutzung Wie arbeitet der Deutsche Presserat? - Presseselbstkontrolle durch Deutschen Presserat - vorrangige Ziele: Missstände im Pressewesen festzustellen, zu beseitigen & Pressefreiheit zu schützen - 2 wichtige Aufgaben: 1. Pressekodex (berufsethische Grundsätze) → Festlegung von Richtlinien journalistischer Arbeit → Trennungsgrundsatz: journalistische Inhalte & Werbung müssen klar voneinan- der getrennt sein 2. Behandlung um das Beschwerdeverfahren 17 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Welche Einflussfaktoren auf journalistisches Arbeiten lassen sich grundsätzlich unterscheiden? (Sphären im Modell; Esser, 1998, im Überblick) Gesellschaftssphäre Medienstruktursphäre Subjektsphäre Institutionssphäre Historisch-kulturelle Rechtlich-normative und Individualebene Organisationsebene Rahmenebene ökonomische Ebene - Pressefreiheit, Pres- - ökonomische Bedin- - subjektive - Berufsbilder und segeschichte und gungen des Medien- Werte und poli- Tätigkeitsprofile Presseselbstver- marktes tische Einstel- - Organisationskul- ständnis - Presserecht lungen tur und Kompe- - journalistische Tra- - Presseselbstkontrolle - Berufsmotive tenzverteilung in dition und Objekti- und berufsethische und Rollen- Redaktion und vitätsbegriff Grundsätze selbstverständ- Verlag - politische Kultur - Gewerkschaften, Ver- nis - Redaktionelle Ar- - gesellschaftspoliti- bände - Professionalisie- beitsabläufe, re- sche Rahmenbedin- - System der Journalis- rung daktionelle Kon- gungen tenausbildung - sozio-demogra- trolle und Soziali- - Einflüsse aus Wirt- phische Posi- sationsmechanis- schaft tion men - Redaktionstechno- logie ➔ verschiedene Faktoren in unterschiedlichen Ebenen beeinflussen sich wechselseitig ➔ enges Interaktionsverhältnis der verschiedenen Ebenen ➔ eindeutige Einordnung der Faktoren nicht immer möglich (z.B. Ethik ist auf allen vier Ebenen ein- zuordnen) In welchem Wechselverhältnis stehen PR und Journalismus? (Determinationsthese; Intereffikations- modell: Ebenen, Induktionen und Adaptionen) Determinationsthese (Barbara Baerns) Annahme: Je mehr Einfluss die Öffentlichkeitsarbeit ausübt, umso weniger Einfluss kommt dem Journalismus zu und umgekehrt. Die Theorie geht also von einer wechselseitigen Einflussnahme aus. ABER: Baerns (1985) konnte empirisch feststellen: Die Öffentlichkeitsarbeit hat Themen und Timing der Medienberichterstattung weitgehend unter Kontrolle. ➔ Inhaltlicher Ursprung der Nachrichten in Pressemitteilungen (1:1) 18 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft ➔ PR-System determiniert Nachrichten (Bestimmt Themen & Zeitpunkte) Intereffikationsmodell (nach Bentele, Liebert und Seeling, 1997) ➔ geht von einer gegenseitigen Ermöglichung von PR und Journalismus durch Induktion und Adap- tion aus. („efficare“, lat. = „etwas ermöglichen“) ➔ Darstellung Zusammenhang/Wechselbeziehungen Journalismus und PR-Agenturen ➔ eine mögliche Erklärung für symbiotisches Verhältnis Induktion Adaption = gerichtete Kommunikationseinflüsse, die be- = organisatorische Anpassungsprozesse an die obachtbare Wirkungen im jeweils einen oder Gegebenheiten der jeweils anderen Seite, um anderen System haben (intentional) den eigenen Kommunikationserfolg zu steigern Beispiele: Beispiele: - PR → Journalismus: Aufnahme einer Pres- - PR → Journalismus: Anpassung der PR an semitteilung in einen Zeitungsartikel redaktionelle Abläufe, Regeln, Routinen - Journalismus → PR: Selektion, Platzierungs- (z.B. Redaktionsschluss) entscheidungen, journalistische Eigenbe- - Journalismus → PR: Journalisten besuchen wertung, Veränderung und journalistische Pressetermine, Pressekonferenzen Themensetzung Dimensionen, auf denen Induktionen und Adaptionen stattfinden: 1. sozial-psychische Dimension: Organisationsstrukturen, soziale Beziehungen zwischen PR-Betrei- benden und Journalisten 2. Sachdimension: an Nachrichtenfaktoren orientierte Thematisierung und Bewertung durch die PR, Selektion der angebotenen Informationen, Entscheidung über Themenrelevanz, Präsentation durch das Mediensystem 3. zeitliche Dimension: Festlegung eines Zeitpunktes für eine Pressemitteilung oder eine Veröffent- lichung, Anpassung an Periodizität, Anpassung an zeitliche Routinen Welche Theorien der Nachrichtenauswahl kennen Sie? Inwiefern unterscheiden sich die Nachrich- tenwert-Forschung und die Gatekeeper-Forschung? Was ist unter den Begriffen Nachrichtenwert und Nachrichtenfaktoren zu verstehen? Theorien der Nachrichtenauswahl (Nachrichtenselektionsforschung): - Nachrichtenwertforschung - Gatekeeper-Forschung - News Bias Forschung (Verzerrungen (Bias) der Medienberichterstattung durch die Vorannahmen der Journalisten und der Redaktionslinie) - Agenda-Setting-Forschung (= Wie entstehen öffentliche Themen und Meinungen und welche Rolle spielen dabei die Massenmedien oder wie entsteht die öffentliche Agenda?) 19 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Unterschied Nachrichtenwert-Forschung – Gatekeeper-Forschung: Nachrichtenwert-Forschung Gatekeeper-Forschung Annahme: Merkmale von Ereignissen, soge- Annahme: Nachrichten werden als Ergebnis ei- nannten Nachrichtenfaktoren, entscheiden nes subjektiven, mehrstufigen journalistischen über den journalistischen Wert von Nachrich- Auswahlprozesses betrachtet. ten und damit über die Wahrscheinlichkeit der Veröffentlichung. Aus den Nachrichtenfaktoren Sie fließen von einer Quelle über verschiedene ergibt sich also der Nachrichtenwert. Stationen (Gates/Schleusen) auf den Tisch des Redakteurs. An jeder Schleuse muss die Nach- richt an einem Gatekeeper vorbei, der die Nachricht verbreitet oder nicht. Aber: Nachrichtenfaktoren sind nicht exogen Problem: subjektive Entscheidungen bei den gegeben, sondern journalistische Hypothesen verschiedenen Gates/Personen bzw. Zuschreibungen der Realität. Nachrichtenwert: = Publikationswürdigkeit - journalistische Auswahl findet statt (nicht alle Ereignisse finden Platz in Nachrichten) - wenn hoher Nachrichtenwert = Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass Ereignis ausgewählt wird Nachrichtenfaktoren: = Ereignismerkmale, die dazu beitragen, dass Nachrichten publikationswürdig bzw. mit Nachrichten- wert versehen werden - Aktualität, Relevanz/Aufmerksamkeit, Nähe (räumlich, politisch, kulturell), Prominenz/Eliten, Dy- namik (z.B. Überraschung), Negativität, Erfolg, Identifikation/persönliche Betroffenheit, Kontinui- tät Welche sind die wichtigsten Nachrichtenfaktoren nach Galtung und Ruge (1965) und was bedeuten sie? - Johan Galtung & Marie H. Ruge - je mehr Nachrichtenfaktoren ein Ereignis enthält, umso höher ist der Nachrichtenwert - kulturunabhängige und kulturabhängige Nachrichtenfaktoren Nachrichtenfaktor Bedeutung Frequenz Zeitspanne, die das Geschehen braucht, um sich zu entwickeln und Bedeu- tung zu erlangen (Bevorzugung kurzfristige Ereignisse) Schwellenfaktor Bevor ein Ereignis zur Nachricht wird, muss es eine Aufmerksamkeits- schwelle überwinden Eindeutigkeit Je eindeutiger und überschaubarer ein Ereignis ist, desto höher sind die Publikationschancen Bedeutsamkeit Dem Publikum kulturell Vertrautes und die Relevanz für das Publikum (z.B. Betroffenheit) Konsonanz = Erwartbarkeit (entweder mit Vorhergesagtem oder mit Erwünschtem) Überraschung Unvorhersehbarkeit, Seltenheit, Kuriosität eines Ereignisses 20 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Kontinuität Etablierung eines Geschehenszusammenhangs oder Themas in der Medi- enberichterstattung (hat Ereignis Aufmerksamkeitsschwelle einmal über- wunden, wird auch über Folgegeschehen berichtet) Variation möglichst vielseitig berichten (vergleichsweise unwichtige Ereignisse des- halb größere Publikations-/Beachtungschancen, wenn in Kontrast zu ande- ren Ereignissen) Elite-Nationen Ereignisse, die Elite-Nationen betreffen Elite-Personen Ereignisse, die Elite-Personen betreffen (Vertreter einflussreicher Kreise im Bereich Politik, Wirtschaft, Wissenschaft) Personalisierung Bedeutung, die Personen für berichteten Sachverhalt zugeschrieben wird Negativismus Je negativer ein Ereignis, umso eher wird darüber berichtet (Verbrechen, Konflikte, Krisen, Schäden etc.) Was ist unter der erkenntnistheoretischen Wende in der Nachrichtenwert-Forschung zu verstehen? (Journalistische Hypothesen von Realität; Schulz, 1976) „Medienrealität“ (Schulz) - Journalismus beobachtet Ereignisse - jede Beobachtung ist theoriegetränkt - Journalisten gehen immer mit gewisser Voreinstellung ran → neutrale, objektive Beobachtung gibt es eigentlich gar nicht - Ereignisse werden mit subjektiver Wahrnehmung beobachtet - Realität ist von Medien und Medienschaffenden konstruiert - meiste Ereignisse (Fernbilder) nur durch Medien wahrgenommen → Medien konstruieren eine Realität → Konstruktivismus - erkenntnistheoretische Wende LE 5 Mediennutzungsforschung Worin liegt die Bedeutung der Mediaforschung (Reichweitenforschung), also der Leserschaftsfor- schung, der Zuschauer- und Hörerforschung sowie der Internet-User-Forschung? Für wen sind die Er- gebnisse in Form von Reichweitenanalysen, Nutzerschaftsanalysen und Typologien von Bedeutung? - In marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaften müssen Massenmedien über angemessene Werbeeinnahmen verfügen. - Diese institutionelle und an Kommerz orientierte Publikumsforschung wird auch als Mediafor- schung bezeichnet und dient der Erfassung von Medialeistungen. - Gemessen wird der Kontakt der Nutzenden mit einem Werbeträger oder Werbemittel - Die Mediennutzung ist die logische-zeitliche Voraussetzung der Medienwirkung. Die Wirkung von medialen und non-medialen Inhalten setzt die Wahrnehmung voraus. - den größten Nutzen daraus zieht die Mediaplanung Bedeutung der Mediaforschung (Reichweitenforschung) - Beschreibung der Zielgruppen - Verfolgen von Entwicklungen/Trends 21 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft - inhaltliche und formale Optimierung der Medienangebote (durch Journalisten, Programmplaner) → Mediaplanung - Festlegung von Preisen für Werbeplätze durch Medienanbieter (Verlage, Onlinemedien, Radio, Fernsehen) → Werbeumfeld-Optimierung Im Gegensatz zu dieser kommerziellen Mediaforschung interessiert sich die KW für die Motive, Be- dürfnisse und Gründe bei der Mediennutzung. Erkenntnisse sind von ökonomischem Interesse für verschiedene Akteure: - werbetreibende Wirtschaft - politische Akteure - Medienunternehmen - Mediennutzende Mediaforschung in Deutschland Leserschaftsforschung: Mediaanalyse Pressemedien (Online Fragebogen-Interviews mit der CASI- Methode3), best for planning (b4p) Hörerschaftsforschung: Mediaanalyse Radio, Mediaanalyse IP Audio (Telefoninterviews mit der CATI- Methode4), Funkanalyse Bayern Zuschauerforschung: GFK Online Panel: AFG-Fernsehforschung (Zusammenschluss von verschiede- nen Medienunternehmen) Internet-User-Forschung: durch IVW, ARD/ZDF-Onlinestudie; Probleme: Verzerrung durch Vielnutzer (überdurchschnittliche Nutzung), Menschen ohne Internetanschluss werden nicht berücksichtigt Wie werden die Reichweiten im Hörfunk (u.a. Media Analyse Radio) bestimmt? Welche methodi- schen Probleme bringen die Verfahren der Radionutzungsforschung mit sich? - MA Radio und MA IP Audio – Arbeitsgemeinschaft Mediaanalyse Radio Messung der Radionutzung mittels: o computergestützten Telefoninterviews – CATI = repräsentative Stichtagsbefragung in 70-80k Haushalten (deutsche Personen ab 10 Jahren) o Media Watch (GfK): Aufzeichnung Geräusche über Mikrofon, währenddessen GfK alle Rundfunkprogramme aufzeichnet, um Abgleich zu ermöglichen → valide, exakt und un- aufdringliche Messung des Hörverhaltens methodische Probleme: - Bis 2000er: Selbstbericht anhand von Tagebüchern - Radio als Nebenbei-Tätigkeit → keine besondere Beachtung - Frage der Validität (Gültigkeit) 3 computergestützte Umfrageform 4 „Computer Assisted Telefone Interviews“ = Telefoninterviews, mit Computer eingegeben 22 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Wie werden die Reichweiten im Fernsehen (Quotenmessung, Konvergente Reichweiten) gemessen? Welche sind die wichtigsten Kennwerte der Zuschauerforschung? Durch welche methodischen Prob- leme ist die elektronische Fernseh(-nutzungs-)forschung gekennzeichnet? - seit 19855: Messungen durch die GfK Fernsehforschung (Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung) - Auftraggeber: AGF (Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung → Zusammenschluss von öffentlich- rechtlichen und privaten Sendern) - GfK-Fernsehforschung = Standardinstrument für kontinuierliche Fernsehforschung Messungen durch die GfK-Fernsehforschung (TC score): - Sicherstellung der Repräsentativität durch Gewichtung: o Haushaltsebene: Bundesland, Haushaltsgröße, Gemeindegrößenklasse, Gerätebesitz, Kin- der ja/nein, Schulbildung, … o Personenebene: Bundesland, Geschlecht, Schulbildung, Haushaltsgröße, Alter, Hauptein- kommensbezieher, - GfK-Meter („TC score“) misst in einem telemetrischen Verfahren verschiedene Kenndaten (line- are Bewegtbildnutzung) → Fernsehausstrahlungszeitpunkt = Rezeptionszeitpunkt, 5200 ausge- wählte Haushalte in ganz Deutschland (random route Verfahren) → Abbildung der Gesamtbe- völkerung, o Probleme: Begrenzte Erfassung von Gästen als Zuschauer, Keine Erfassung von Festplat- ten- und DVD-Recordern (Inhalte werden nicht nur linear abgerufen) o Neu: von Nielsen betriebenes Online-Panel (auch Video-Stream-Nutzung) Kennwerte der Zuschauerforschung: Seher Personen, die mindestens eine Minute ununterbrochen einen bestimmten Sen- der gesehen haben Sehdauer Wie lange schaut eine Person in einem bestimmten Zeitintervall im Durchschnitt fern? → Wie lange ist der Fernseher im Durchschnitt in einer Woche an? Verweildauer Wie lange wird tatsächlich aktiv ferngesehen? → Dauer in Minuten Sehbeteiligung Wie viel Prozent der Personen schauen in einem bestimmten Zeitintervall einen Inhalt/Sender? → „durchschnittliche Personenreichweite“ Einschaltquote durchschnittliche Sehbeteiligung der Haushalte in Prozent → „Haushaltsreich- weite“ Marktanteil prozentualer Anteil der durchschnittlichen Sehbeteiligung einer bestimmten Sendung an der Gesamtdauer aller Programme: Wie viel Prozent der Zuschauen- den schauen ein Programm in einem bestimmten Zeitintervall? Werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen Zielgruppe Tausend-Kontakt- Wie viel kostet es, 1000 Kontakte in einer Zielgruppe mit einer Werbebotschaft Preis (TKP) zu erreichen? ➔ Nie trennscharf zu unterscheiden! 5 Etablierung Privatfernsehen in Deutschland 23 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft methodische Probleme - Repräsentativität, Validität (Gültigkeit) und Reliabilität (Verlässlichkeit) der Messergebnisse der elektronischen Fernsehnutzungsforschung (setzt viel Kooperationsbereitschaft und hohen Auf- wand voraus) - Messfehler - Eingriff in die Privat- und Intimsphäre bei Sensor-/Videoüberwachung - Ordnen der Daten zu analysierbarer Form ist arbeitsaufwendig und teuer Welche Messverfahren werden in der Internet-User-Forschung genutzt? Wo liegen die Möglichkei- ten und wo die Probleme von Kontaktmessungen und Userbefragungen? Erfassung der Nutzerschaft in relevanten Zielgruppen mittels: Technische Messungen mittels „Logfile-Analysen“ Messungen basierend auf sozialer Interaktion Serverseitige Verfahren Clientseitige Verfahren - Online-Befragungen oder Die automatisch von Messung von Nutzerak- - konventionelle Telefon- bzw. Face-to-face- den Host-Servern aufge- tionen, indem auf dem Befragungen repräsentativer Bevölkerungs- zeichneten Zugriffe der Rechner des Nutzers stichproben durchführen Nutzer werden analy- Cookies abgespeichert ➔ schließen User wie Nicht-User mit ein & er- siert werden möglichen damit vergleichende Analysen Die IVW (Informationsgesellschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern - setzt verbindliche Definitionen für Kennwerte der Kontaktmessung fest - damit für den Onlinebereich eine Standardisierungsfunktion - kontinuierliche Messung der Zugriffe auf Onlineangebote ( o Kennwerte: Page Impression, Visits, Kategorien-Visits, Unique Visitor, View Time, TKP ➔ Kontaktmessung ist über verschiedene Onlineangebote hinweg vergleichbar Die AGOF (Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung e.V.) Studie „digital facts“: - Ziel: medienübergreifende und überschneidungsfreie Betrachtung und Planung von stationären und mobilen Angebo- ten - liefert Reichweiten-/Strukturdaten für alle relevanten mobilen und stationären Onlineangebote - basiert auf mehreren Säulen (Drei-Säulen-Modell): 1. technische Messung der Nutzung durch IVW 2. OnSite-Befragung (auch InApp-, Panelbefragung) 3. bevölkerungsrepräsentative Telefonbefragung (Ermittlung Basisdaten der Internetnutzung und Nicht- nutzung) Probleme von Kontaktmessungen und Userbefragungen - Reichweitenmessungen basieren meist auf Klickzahlen (Clickbaiting) → einfach zu manipulieren (besonders Page Impressions) - Repräsentativität der Daten bei Befragungen, die von Rekrutierung der Teilnehmer abhängt - 1/5 der Deutschen nutzen immer noch nicht das Internet und können damit nicht an internetba- sierten Studien teilnehmen - Zufallsauswahl → keine repräsentativen Ergebnisse - Senden des Links/Fragebogens per Mail → ähnlicher Stellenwert wie Werbe-Mails (Spam) → werden ungeöffnet vom Empfänger gelöscht 24 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft - geringere Ausschöpfungsquote und zunehmender Überdruss (Abneigung) der Befragten auf- grund gehäufter Anfragen - Misstrauen gegenüber Verwendung und Speicherung von erhobenen persönlichen Daten der Be- fragten - nur ein Bruchteil gesamter Internetnutzerschaft wird erreicht - Qualität der Daten ist nicht kontrollierbar & Ernsthaftigkeit der Antworten nicht nachprüfbar → Antworten eher eigenem Selbstbild der Befragten entsprechend, d.h. Eigendarstellung werden unbewusst geschönt Möglichkeiten von Kontaktmessungen und Userbefragungen - Entstehen von neuen Inhalten, die nichtreaktive Erkenntnisse über Onlinenutzer und ihr Nut- zungsverhalten liefern - neue Diskussionen: Relevanz von Social-Media-Angeboten, Selbstoffenbarung der Nutzer im Social Web Wo liegen die Schwerpunkte der jährlich durchgeführten ARD/ZDF-Online-Studie? - seit 1997 jährlich durchgeführt - Stichproben: Internetnutzer, Internet-Nichtnutzer, deutschsprachige Bevölkerung ab 14 Jahren in Haushalten mit Telefonfestnetzanschluss - 1800 Personen per CATI-Verfahren befragt Schwerpunkte: o Welchen Stellenwert haben die einzelnen Medien für die Bevölkerung? o Welche Dienste oder Inhalte im Internet werden wie oft und über welchen Zugang (z.B. via Smartphone) genutzt? o Nutzung zeitversetzter Audio- und Videoinhalte ➔ Erstellung einer Onlinenutzer-Typologie → Unterscheidung zwischen aktiv-dynamischen Inter- netnutzern und selektiv-zurückhaltenden Nutzern Wie hoch ist der Gesamtertrag der Rundfunkgebühren in Deutschland? - 8,42 Mrd. Euro (2021) Was ist das duale Rundfunksystem? - gesamtes Rundfunksystem setzt sich aus den 3 Säulen ÖR, PR und Bürgermedien zusammen - ÖR, PR (= duales Rundfunksystem) Worin liegt der Unterschied zwischen Mediaforschung (1.) & Mediennutzungsforschung (2.)? 1. Kommerzielles, wirtschaftliches Interesse (siehe Reichweitenforschung) → Mediaanalyse 2. Wissenschaftliches Interesse (z.B. Wer nutzt was wie lange warum?) 25 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Beispiele Fernsehsender - Öffentlich-rechtliche: o Das Erste (ARD) → NDR, RB, WDR, hr, SR, SWR, rbb, MDR, BR o ZDF o Spartenprogramme: ZDFneo, ZDFinfo Phoenix, 3sat, KiKA, ARTE - Privat-rechtliche: o ProSiebenSat.1 Media SE (Unterföhring bei München): ProSieben, SAT.1, kabel eins, sixx, SAT.1 Gold, ProSiebenMAXX, kabel eins Doku o RTL-Group (Köln): RTL, VOX, Super RTL, RTLNitro, RTLPlus, n-tv, RTL 2 Was versteht man unter Video on Demand-Angeboten? Video-on-Demand bzw. Abrufvideo beschreibt die Möglichkeit, digitale Videos auf Anfrage von einem Onlinedienst herunterzuladen oder per Streaming direkt anzusehen. Beispiele: Amazon Prime Video, Netflix, Disney +, Joyn, WOW, YouTube LE 6 Medienwirkungsforschung Was sind Medienwirkungen? „Wirkungen“ im weiteren Sinne sind sämtliche Verhaltens- und Erlebnisprozesse, die darauf zurück- zuführen sind, dass der Mensch Rezipient der Massenkommunikation ist. (Maletzke, 1963, S. 198f.) - Erklärungsmodelle beziehen sich auf Medienwirkungen auf Einzelpersonen und Gemeinschaft 26 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Wer und was wird beeinflusst (Einstellungskonzept in der Massenkommunikationsforschung)? Was sind intendierte und unbeabsichtigte Medienwirkungen? Wie werden Wirkungen auf Mikro-, Meso- und Makroebene unterschieden? Wer/Was wird von Medienwirkungen beeinflusst? 1. Wer - Bestimmung des Adressaten nach: o demografisch bestimmbaren Gruppen (z.B. Kinder und Jugendliche, Senioren, Gesell- schaftsminderheiten) o thematisch definierten Rollen (z.B. Wähler) o oder der Art der Mediennutzung (z.B. Zuschauer, Online-Leser, Smartphone-Nutzer) 2. Was - Voraussetzung: Mediennutzung - Unterscheidung von Wirkungsarten Einstellungskonzept in der Massenkommunikationsforschung Aufteilung in: - messbare unabhängige Variablen (Stimuli der Massenkommunikation) - intervenierende Variablen (Emotionen, Kognition, Verhalten) - messbare abhängige Variablen (Reaktionen) (Gefühlsäußerungen, Meinungsäußerungen, be- obachtbares Verhalten) 27 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Verschiedene Arten der Medienwirkungen: Mikro-Ebene: individuelle Medienwirkung Meso-Ebene: Wirkungen auf Gruppen/Netzwerke Makro-Ebene: gesellschaftliche Medienwirkung intendierte (direkte) und unbeabsichtigte (indirekte) Medienwirkungen direkte Wirkungen: direkte Konfrontation des Rezipienten mit dem Medium/Inhalt indirekte Wirkungen: durch interpersonale Kommunikation (siehe two step flow) und/oder gesell- schaftlichen Diskurs → Medieninhalte werden nicht selbst rezipiert Wie erklärt der Uses-and-Gratifications-Ansatz die Zuwendung zu Medienangeboten (z.B. Palm- green, 1984)? Welche Bedürfnisdimensionen können grundsätzlich unterschieden werden? Der Ansatz geht von einem aktiven Rezipienten aus, der durch bestimmte psychologische Grundbe- dürfnisse in seinem gesamten Handeln motiviert ist. - Die Rezipierenden hegen Erwartungen an ein Medienangebot und schätzen ein, mit welcher Wahrscheinlichkeit das ausgewählte Medienangebot den erwarteten Nutzen bzw. eine Beloh- nung (Gratifikation) erbringen wird. - Grundsätzlich kann man zwischen gesuchten Gratifikationen (Gratification Sought) und den tat- sächlich erhaltenen (Gratification Obtained) unterscheiden. Der Rezipient ist in der Lage sich über den tatsächlich erhaltenen Nutzen der Mediennutzung klar zu werden. - Der aktive Rezipient kann weiterhin seine Bedürfnisse und Motive erkennen und benennen. Er trifft eine bewusste/rationale Auswahlentscheidung. Hauptkritik am Ansatz: Bewusstsein über Bedürfnisse nicht immer vorhanden, Selektion oft unbe- wusst 4 Typen von Bedürfnissen: 1. kognitive Bedürfnisse: Lernen, Neugier, Orientierung (z.B. in der Gesellschaft) 2. affektive Bedürfnisse: Entspannung, Ablenkung (Eskapismus), Bekämpfung von Langeweile 3. sozial-interaktive Bedürfnisse: Gespräche, sozialer Kontakt 4. integrativ-habituelle Bedürfnisse: Wunsch nach Vertrauen, Geborgenheit, Sicherheit Was besagt die Kultivierungsthese (Vielseherforschung; Gerbner, 1976)? ➔ Frage: Wie wirkt sich das Medium Fernsehen auf Individuum und Gesellschaft aus? - Ziel: Gibt es Unterschiede in der Einstellung/Verhaltensweise der Menschen und wie wirken sich diese auf deren Fernsehverhalten aus? 28 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft „to determine whether differences in the attitudes, beliefs, and actions of light and heavy viewers reflect differences in their viewing patterns and habits, independent of (or in interaction with) the social, cultural, and personal factors that differenti- ate light and heavy users.“ (Signorielli & Morgan, 1996, S. 119) - Grundannahme: Fernsehen als bedeutender Sozialisationsfaktor für die Gesellschaft; vermittelt ein spezifisches Bild von der Wirklichkeit - Unterscheidung zwischen Vielsehern und Wenigsehern - durch Fernsehen vermitteltes Bild kann die persönlichen Realitätsvorstellungen von Vielsehern beeinflussen - Ergebnis: Vielsehende überschätzen die Häufigkeit bestimmter gesellschaftlicher Phänomene (z.B. der in der Strafverfolgung arbeitenden männlichen Bevölkerung) im Vergleich zu Wenigse- henden → Medienwirkung: verzerrte Realitätsvorstellungen Berechnung des Kultivierungsdifferenzials: Differenz zwischen der Prozentzahl der Vielseher und We- nigseher, die eine fernseh-verzerrte Antwort gaben Wie gehen Menschen mit Kognitiver Dissonanz (Leon Festinger) um und wie wenden sie sich selektiv Medieninhalten zu (Selective Exposure; Donsbach, 1989)? Kognitive Dissonanz - Grundannahme: Menschen neigen dazu, ein Gleichgewicht zwischen Einstellungen, Handeln und neuen Reizen herzustellen - Ziel: innere Balance herzustellen; Problem: Medienkonfrontation; Folge: Selektion und Interpre- tation von Medienaussagen - Dissonanz bei Konsum von Botschaften, die den eigenen Einstellungen widersprechen (Gegenteil von Konsonanz) Strategien bei dissonanten Informationen: - aktive Zuwendung zu anderen Inhalten und damit Vermeidung dissonanter Informationen (selec- tive exposure) - Reduktion durch aktive Informationssuche, Vermehrung konsonanter Informationen - Ambiguitätstoleranz = dissonante Informationen werden ertragen/hingenommen (ertragen, dass Menschen anderer Meinung sind, eigene Einstellung wird beibehalten) - Änderung der eigenen Einstellung Selektive Zuwendung zu Medieninhalten (Selective Exposure (Donsbach 1989)) ➔ Wie selektieren Menschen? → aktives Publikum ➔ bedeutet: zielgerichtetes Aussetzen ganz bestimmter Medieninhalte, u.a. um kognitive Dissonan- zen zu vermeiden Phasen massenmedialer Kommunikation 1. prä-kommunikative Phase (selektive Zuwendung) 2. kommunikative Phase (selektive Wahrnehmung) 3. post-kommunikative Phase (selektive Erinnerung → kognitive Schemata) 29 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Nutzung welcher Angebote? - Mediennutzung/Nicht-Nutzung generell - Auswahl eines Mediums (Gattung: Print, TV, …) - Auswahl eines Anbieters (RTL, …) - Auswahl eines redaktionellen Angebots (RTL aktuell, …) - Auswahl einzelner Informationen (Einzelbeitrag bei RTL aktuell, …) Was ist unter Kognitiven Schemata zu verstehen, mit Hilfe derer Informationen interpretiert und konstruiert werden? - vgl. Leon Festinger (Kognitive Dissonanz) - selektive Erinnerung in 3. Phase massenmedialer Kommunikation = post-kommunikative Phase - Interpretation bzw. Konstruktion von Informationen erfolgt anhand kognitiver Schemata = im Laufe der Sozialisation entwickelte und gesellschaftliche Muster - z.T. werden dabei ähnliche Frames & Nachrichtenfaktoren herangezogen, wie es auch Journalis- ten tun - Rezeption kann auf zentralem kognitivem Pfad oder in peripherer Weise geschehen → bei zent- raler Verarbeitung: aufmerksame, tiefgehende Auseinandersetzung; periphere Verarbeitung: eher routinemäßig ➔ selektive Erinnerung → kognitive Schemata → dienen zur Organisation unseres Wissens Was besagt die Theorie der Stimmungsregulierung (Mood Management) (Zillmann, 1988)? ➔ Wie beeinflusst Mediennutzung unsere Emotionen? - Dissonanzen (Differenzen) ergeben sich aus Konsum gegensätzlicher Botschaften - Grundlage: Selective Exposure - Grundannahme: Menschen sind hedonistische Wesen, die danach streben, ihren Stimmungszu- stand zu optimieren. (Hedonismus = Streben nach einer Verbesserung) - Rückbezug zur Theorie der Kognitiven Dissonanz: Gefühl der Dissonanz wird als schlechte Stim- mung verstanden. (Vermeidung von Dissonanz = Teilbereich des Mood Managements) Theoretische Überlegungen: - Medien werden in Abhängigkeit von Stimmungen selektiert - Positive Stimmung soll beibehalten bzw. intensiviert, schlechte Stimmung soll vermieden bzw. reduziert werden (z.B. werden bei Langeweile anregende Medieninhalte bevorzugt, bei Stress eher beruhigende) - Medienselektion basiert auf vorherigen Erfahrungen (operante Lernprozesse) - Erinnerungsspuren (nach anfangs zufälliger Medienwahl) werden bei nachfolgender Medienwahl aktiviert und führen zur Selektion 30 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Medieninhalte sind unterschiedlich fähig, zur Stimmungsregulierung beizutragen: Exzitatorisches Potenzial Absorptionspotenzial = Fähigkeit des Mediums, auf meine Stimmung einzuwirken = Fähigkeit abzulenken, negative Stimmung wird abgeschwächt Behaviorale Affinität Hedonistische Tönung = inhaltliche Nähe zu eigenen Erlebnissen/Konflikten = Schattierung Programms zw. eher angenehm zu unangenehm Kritik: 1. nicht-hedonistisches Verhalten (Medien können auch aus anderen Gründen genutzt wer- den/nicht jeder nutzt Medien nur dann, wenn er schlechte Laune hat) 2. Stimmungsregulierung abhängig von Persönlichkeitsmerkmalen 3. nicht nur prä-kommmunikative Phase (Selektion) eingeschlossen 4. Unterscheidung zwischen Stimmung und Emotion ist nicht trennscharf Welche Entwicklung beschreibt die Wissenskluft-These (Tichenor et al., 1970)? Welche Ursa- chen kann die Entstehung von Klüften haben? Was ist unter Defizit- und Differenzhypothese zu ver- stehen? Wissenskluft-These - Kernaussage: Wenn der Informationsfluss der Massenmedien in einem Sozialsystem über be- stimmte Themen wächst, tendieren die Bevölkerungsteile mit hohem sozio-ökonomischen Sta- tus (gemessen an der formalen Bildung) zu einer rascheren Aneignung dieser Information als die Menschen mit niedrigerem sozio-ökonomischen Status, sodass die bereits vorhandene Kluft zwi- schen diesen Segmenten zu- statt abnimmt. Gründe für die unterschiedliche Informationsaneignung: - unterschiedliche Kommunikations- und Medienkompetenz - unterschiedliches Vorwissen - soziale Kontakte bzw. Sozialbeziehungen - unterschiedliche Informationssuche und -verarbeitung - unterschiedliche Sensibilität gegenüber neuen Themen Defizithypothese: durch unterschiedlich schnelle Informationsaneignung entstehen Wissensdefizite bei Personen mit niedrigerer formaler Bildung Differenzhypothese: je nach sozio-ökonomischen Status wird die Relevanz von Informationen unter- schiedlich beurteilt Was ist mit Agenda Setting gemeint (McCombs & Shaw, 1968)? Was ist in dem Zusammenhang un- ter Framing und Priming zu verstehen? ➔ Wie entstehen öffentliche Themen und Meinungen und welche Rolle spielen dabei die Massen- medien oder wie entsteht die öffentliche Agenda? Annahme: eine bestimmte thematische Gewichtung in den Medien beeinflusst die eigene Agenda (=Wahrnehmung/Meinung) und die des gesamten Publikums (öffentliche Agenda) First Level Agenda Setting: Worüber wird nachgedacht? (Themen) 31 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Second Level Agenda Setting: Wie wird darüber nachgedacht? (Inhalt, Positionierung, Framing) Priming: Beeinflussung der Verarbeitung eines Reizes dadurch, dass vorangegangene Reize implizite Gedächtnisinhalte aktivieren (Hervorhebung) → „Highlight“ Framing: bestimmter Interpretationsrahmen, der die Wahrnehmung eines Themas beeinflusst (Bsp.: Donald Trump (in deutscher Presse häufig geframt → Gesagtes oft als negativ eingeordnet → vorgegebener Interpretationsrahmen = negativ angehaucht) → „Rahmen“ Das Framing beschäftigt sich mit der Auswahl und Hervorhebung bestimmter Themen. Priming hat im Gegensatz dazu die Aufgabe eine bestimmte Reaktion hervorzurufen, die durch die vorangegangene Information beziehungsweise einen Reiz (Prime) ausgelöst wird. Dies geschieht meist unmittelbar, zum Beispiel beim Einkaufen Welchen Prozess beschreibt der Two-Step-Flow of Communication (The People’s Choice; Lazarsfeld et al., 1944)? - in sozialen Gruppen gibt es Meinungsführer (opinion leader), die als Experten bzw. Ratgeber für bestimmte Themen gelten - Meinungsführer geben über interpersonale Kommunikation ihre Bewertungen, Interpretationen und Meinungen an die Meinungsfolger (opinion followers) weiter → gestufter Kommunikations- fluss Charakteristika eines Meinungsführers: - Expertise auf einem bestimmten Gebiet/hohes themenbezogenes Interesse - hohe Persönlichkeitsstärke (Vertrauen, Ansehen) - intensivere Nutzung spezieller Medien/Formate Wie entstehen öffentliche Meinung und Mehrheitsvorstellungen (Theorie der Schweigespirale; Noelle-Neumann, 1980)? Was beschreibt der Third-Person-Effect? „Unter öffentlicher Meinung versteht man wertgeladene, insbesondere moralisch aufgeladene Meinungen und Verhaltensweisen, die man – wo es sich um festgewordene Übereinstimmung handelt, zum Beispiel Sitte, Dogma - öffentlich zeigen muss, wenn man sich nicht isolieren will; oder im Wandel begriffenem „Flüssigen“ Zustand öffentlich zeigen kann, ohne sich zu isolieren“ (Elisabeth Noelle-Neumann, 1996) Theorie der Schweigespirale nach Noelle Neumann, 2001 Beschäftigt sich mit der Entstehung und Entwicklung von öffentlicher Meinung unter dem Einfluss der Medienberichterstattung 32 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Vorannahme: Mensch möchte nicht isoliert werden → nimmt ein bestimmtes Meinungsklima wahr und formuliert Meinungen so, dass er nicht von anderen ausgeschlossen wird. Entstehung eines Spiralprozesses: 1. Das Individuum passt seine Meinungsäußerung an das wahrgenommene Meinungsklima an. 2. Meinungen, die von der Öffentlichkeit nicht geteilt werden, werden verschwiegen. 3. In der Konsequenz erscheint diese Meinung in der Öffentlichkeit noch schwächer die Mehr- heitsmeinung noch stärker. 4. Nach und nach kann sich ein Meinungsschwund ergeben Kritik: - Mangelnde empirische Fundierung der Theorie - Isolationsfurcht als einzige Determinante für die Redebereitschaft, weitere Einflüsse wie Persön- lichkeitsattribute, Geselligkeit etc. werden nicht einbezogen - Zu viele offene Fragen in der Theorie selbst, so wie in der empirischen Forschung auf der sie be- ruht Third – Person – Effect (eher als Meta-Ansatz)6 - besagt: Die meisten Menschen schätzen (v.a. unerwünschte, negative) Medienwirkungen auf an- dere größer ein als auf sie selbst - Medieneffekte werden umso größer eingeschätzt, je größer die soziale Distanz zur Referenz- gruppe ist. - Erklärung: Menschen halten sich selbst für intelligenter (als sie eigentlich sind) und für nicht be- einflussbar 6 von oben draufschauend/gesamtgesellschaftlich gesehen 33 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft LE 7 Politik und Medien Auf welche Dimensionen des Politikbegriffs wird in der politischen Kommunikationsforschung zu- rückgegriffen? Politik ist jenes menschliche und soziale Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindli- cher Entscheidungen zur Lösung öffentlicher Probleme bei nicht vorauszusetzendem Konsens abzielt. (nach u.a. G. Lehmbruch, F.W. Scharpf, W. Patzelt) ➔ Definition von politischer Kommunikation nicht eindeutig, verschiedene Autoren setzen jeweils verschiedenen Fokus 3 Dimensionen: Polity Politics Policy Institutioneller Rahmen Politische Prozesse und Verfahren Inhaltliche Substanz - Gesetze - Wahlkämpfe - Probleme - Institutionen - Interessenkonflikte - Politikfelder - Verfassung - Macht - Gestaltung - Regeln - politische Akteure - Regelungen - Einfluss - Lösungen Welche politikbezogenen Medienwirkungen sind zu unterscheiden, welche Fragestellungen werden aufgeworfen? Politikbezogene Medienwirkungen (Reinemann & Zerback, 2013) drei Wirkungsebenen: Mikro-Wirkungen Meso-Wirkungen Makro-Wirkungen Effekte auf Gruppen/Netz- individuelle Medienwirkungen Wirkungen auf die werke bzw. Organisationen (z.B. Wähler) Gesamtgesellschaft (z.B. politische Parteien) - Veränderung, Stabilisierung, For- - z.B.: auf Organisations- - z.B. Wertewandel nach mung von Emotionen, Realitäts- strukturen, gruppenspezi- Inglehardt, politische Pola- vorstellungen, Wissen, Meinun- fische Vorstellungen risierungen gen und Einstellungen → Einfluss auf das politische Handeln des Einzelnen → Demokratie! - direkte oder indirekte (two step flow) Wirkungen ACHTUNG: Politikbezogene Medienwirkungen sind kontextabhängig, d.h. sie unterliegen Bedingun- gen konkreter gesellschaftlicher Situationen und politischer Konstellationen Fragestellungen der politikbezogenen Medienwirkungsforschung Fragestellungen der Studien speisen sich aus 4 Quellen: 1. Inspiration durch normative Ansprüche o an politische Prozesse, politische Kommunikation, Medien, Politik, Bürger o Abgleich von Soll und Ist o Frage, welche Erwartungen man an die Informationsverarbeitungskapazitäten und die Rationalität der Urteile von Bürgern richten kann 34 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft 2. Ursprung in Theorien des Wahlverhaltens (insb. in sozialpsychologisch orientierten Modellen) o Identifikation zentraler Faktoren, die potenziellen Einfluss auf Wahlabsichten bzw. Wahl- verhalten haben o entsprechende Effekte zu erwarten, z.B. auf die politische Mediennutzung, Verarbeitung politischer Informationen, Meinungsbildung und auf politisches Handeln o Tendenz zum Permanent Campaigning auf Seiten politischer Akteure (= intensive, strate- gisch-geplante Kommunikation) befördert auch außerhalb Wahlkampfzeiten sowie wach- sende Verfügbarkeit & wachsender Einfluss der Demoskopie Interesse an Nicht-Wahlzei- ten 3. Anregung durch Wahlkämpfe = ereignis-induzierte Studien o Untersuchungen zu Abstimmungen & Skandalen o Beschreibung & Erklärung des jeweiligen Einzelfalls im Vordergrund (jeweiliges Wahler- gebnis, jeweils spezielle Medienwirkungen) o folglich stark kontextabhängig, nur begrenzt generalisierbar 4. langfristiger Wandel politischer Kommunikation o Veränderungen auf Medienseite (Auswirkungen der Veränderungen von Medienstruktu- ren, Handlungslogiken, Medieninhalten) o Veränderungen auf Seiten politischer Akteure (Professionalisierung von Kampagnen bzw. inhaltliche Tendenzen in Kampagnenführung) o Wandel der Mediennutzungs-, Kommunikations- bzw. Wahrnehmungsmuster der Rezipi- enten Mit welchen Methoden werden mögliche Wirkungen politischer Kommunikation empirisch unter- sucht? - politische Kommunikationsforschung bedient sich sozialwissenschaftlicher Methoden o Befragungen, Inhaltsanalysen, Beobachtungen o experimentelle und nicht-experimentelle Designs - bekanntestes Beispiel: „The Peoples Choice“ von Lazarsfeld, Berelson, Gaudet (1944) → Panelde- sign zur Analyse individueller Meinungs- und Verhaltensänderungen im Wahlkampf Untersuchungsdesigns und Methoden 1. Untersuchungsdesigns Laborstudien Feldstudien = klassische Experimente (auch = Aggregat- und Individualanalysen Feldexperimente) - zur Überprüfung von Aggregatanalyse Individualanalyse ▪ kognitiven Effekte (z.B. - zeitversetzter Vergleich - untersucht Einfluss der auf politisches Wissen, zweier Zeitreihen Nutzung einzelner Me- Bewertungen von Par- - Interpretation zeitversetz- dien, Mediengruppen teien) ter Korrelationen als Me- oder der Menge der ▪ affektiven Wirkungen dienwirkung Mediennutzung insge- ▪ Wirkungen auf politisch samt auf Rezipienten relevante Verhaltens- - beziehen keine inhalts- weisen analytischen Daten mit ein 35 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Beispiel: Beispiel: - Studien zu Priming-Effekten von - Entwicklung der Berichter- TV-Nachrichten (Iyengar & Kin- stattung und der Bevölke- der, 1987) rungsmeinung 2. Erhebungsmethoden Befragungen Beobachtungen - Querschnittsbefragungen (best. - Realtime Response Measurement (RTR) → Nachweis von Zeitpunkt) Medienwirkungen während der Rezeption (Selbstauskunft - Längsschnittbefragungen (Wan- der Teilnehmer → kontinuierliche Wiedergabe ihrer Ein- del) drücke mit Hilfe Dreh-/Schieberegler → aber: Effekte sehr - Trend- und Panelbefragungen unterschiedlich aufgrund verschiedener Anweisungen o ermöglichen stringentere o Einsatz bei Analyse der Wirkung von Fernsehdebat- Nachweise von Medien- ten, politischen Werbespots) wirkungen - weitere Verfahren (seltener eingesetzt) o neuere Form der Trend- o apparative Beobachtungen (z.B. Eye-Tracking-Studien) befragung: Rolling Cross- o Messungen der Reaktionszeit Section (RCS) → Befra- o Hautwiderstands- bzw. Herzfrequenzmessungen gung repräsentativer Per- sonenstichproben in sehr kurzen Abständen ➔ quantitative und qualitative Be- fragungen am häufigsten ver- wendet Kritik: - vergleichsweise kleine Gruppe - kurzfristige Panelstudien kaum vorstellbar, damit auch keine unmittelbaren Verknüpfungen von Inhalten und Handeln - kaum Durchführung von Experimenten - Einmalbefragungen häufig nicht analytisch, sondern mittels direkter oder indirekter Fragen Was ist unter dem Begriff „politische Kommunikation“ zu verstehen? Politische Kommunikation ist der zentrale Mechanismus bei der Formulierung und Artikulation politischer Interessen, ihrer Ar- gumentation zu entscheidbaren Programmen sowie der Durchsetzung und Legitimierung politischer Entscheidungen. Kommunikationspolitik - Steht für alle Aktivitäten staatlicher Institutionen zur Regelung des Prozesses gesellschaftlicher, sozialer Kommunikation - Ordnet das Verhältnis von Staat, Gesellschaft, Individual- und Massenkommunikation rechtsver- bindlich - schafft, realisiert und erhält Normen in den Bereichen Information und Kommunikation - Schließt auch nicht-mediale- und Unternehmenskommunikation mit ein 36 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Was versteht man unter einer „Medialisierung“ von Politik? (Jarren & Donges, 2011) Medialisierung bezeichnet den wachsenden Einfluss der Medien und ihrer Logiken auf die Struktu- ren, Prozesse, Akteure und Inhalte der Politik, wie auch die Folgen dieses Einflusses (Jarren & Don- ges, 2011). LE 8 Kinder- und Jugendmedien Was verstehen wir unter Kinder- und Jugendmedienforschung (vgl. Jöckel) „Kinder- und Jugendmedienforschung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht kann verstanden werden als die Beschreibung, Analyse, Erklärung und Bewertung der Rolle, die Medien für die (psy- chosoziale) Entwicklung vom Säugling/Kleinkind zum verantwortungsvollen Erwachsenen spielen.“ Womit beschäftigt sich die Kinder- und Jugendmedienforschung? Zwei zentrale Perspektiven: 1. Medienpädagogik 2. Kommunikationswissenschaft/Medienpsychologie Was ist unter Lebenswelten zu verstehen? Lebenswelt (nach Baacke) Die Lebenswelt ist der historisch und gesellschaftlich geprägte Lebensraum, in dem sich Erziehung und Sozialisation abspielen. Er umfasst alle Kommunikationen eines Menschen und ist Hintergrund für die biografische Entwicklung und die Bildungs- und Lerngeschichte von Kindern und damit ihre kommunikative Kompetenz. Lebenswelten sind mediatisiert. Lebensweltliche Kontexte: 1. Familie 2. Peers 3. Soziales Netzwerk 4. Erziehungs- und Bildungsinstitutionen 5. Medien Was versteht man unter Medienkompetenz? “Medienkompetenz umfasst die Wissensbestände über Medien sowie die Fähigkeit, Medien souve- rän bedienen, kritisch beurteilen und kreativ gestalten zu können. Sie kann eigenständig im Rahmen von Selbstsozialisationsprozessen erworben werden, sie wird aber auch mit Hilfe medienpädagogi- schen Handelns in formalen wie non-formalen Bildungssettings gefördert.” 37 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft für uns: → subjektzentrierter “Gegenpol” zur einfachen Wirkungsannahme (“Kinder sind Medien schutzlos ausgeliefert”) Welche Bedeutung hat Musik im Alltag? Musikhören erfüllt z.B. emotionale Bedürfnisse und dient insbesondere Jugendlichen neben den „emotionalen Verarbeitungen“ der ständigen Abgrenzung von Anderen und der Neuorientierung. Musikhören gehört zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten der Deutschen. Sie begleitet den Prozess des Heranwachsens und der Identitätsbildung. Wie entwickeln sich Vorlieben für Musik? Das Sammeln musikalischer Erfahrungen (nach Behne, 1987): Welche Veränderungen sind in mediatisierten Welten zu erkennen? - Erschließen neuer Handlungsräume durch erweiterte Medienwelten - Medien durchdringen alle Bereiche des kindlichen Lebens → Prozesse Bildung, Erziehung, Sozia- lisation sind immer mehr von erweiterter Kultur der Kindermedien mitgestaltet - Beeinflussung des gesamten Weltbilds von Kindern / Welt mittels Medien aneignen - Kinder gestalten Medienzeit zunehmend selbst aus - Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen wird immer weniger greifbar - neue mediale Experimentierräume nicht schützbar Was beschreibt die sogenannte Verinselungsthese? - Lebensräume von Kindern existieren durch eine zunehmende Virtualisierung separat/parallel nebeneinander → nicht eine große Ganze; Kinder springen von Lebenswelt zu Lebenswelt - Ansatz Baake ist nicht mehr aktuell, da er von sich aufeinander aufbauenden Lebenswelten aus- gegangen ist, die es heute nicht mehr gibt, da zwischen Inseln viel Raum ist, der „übersprungen“ werden muss 38 WiSe 22.23 Einführung in die Medien- und Kommunikationswissenschaft Was ist Sozialisation und was bedeuten in dem Zusammenhang Selbst- und Fremdsozialisation? Sozialisation bezeichnet den Prozess der Entwicklung der Persönlichkeit in produktiver Auseinander- setzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerk- malen (der ‚inneren Realität‘) und der sozialen und physikalischen Umwelt (der ‚äußeren Realität‘). Die Definition geht von der Grundannahme aus, dass der Mensch durch seine Umwelt stark beein- flusst wird, sie aber zugleich durch seine eigenen Aktivitäten auch mitgestaltet.“ (Hurrelmann, 2002) ➔ Sozialisation als lebenslanger Prozess ➔ Unterscheidung von primärer, sekundärer und tertiärer Sozialisation Sozialisation wird verstanden als aktive Auseinandersetzung eines Menschen mit seiner Umwelt, wo- bei Fremd- und Selbstsozialisation zu unterscheiden sind. Selbstsozialisation Fremdsozialisation Mediennutzung als Selbstsozialisation bedeutet, Fremdsozialisation bedeutet hier, dass andere dass die Sozialisanden die Wahl von Medien Personen oder Institutionen versuchen, den und Medieninhalten selbst steuern, über Medi- Medienumgang der Heranwachsenden zu len- enzeiten und Medienorte in relativer Autono- ken im Hinblick auf fremdbestimmte Sozialisati- mie entscheiden und die Bedeutung der Medi- onsziele. eninhalte im Rezeptionsprozess eigenständig konstruieren. ➔ eigenständige Beschäftigung mit Musik, Medien und verwandten Themen → indivi- duelle Medienaneignung Wer sind Sozialisatoren, wer sind Sozialisanden und welche Phasen der Persönlichkeitsentwicklung lassen sich in diesem Zusammenhang unterscheiden? Sozialisanden = alle Menschen in diversen Rollen Sozialisatoren = Akteure, die Normen, Werte, gese